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Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf bis zu 7.000,00 Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
2Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
3Der angefochtene Beschluss erweist sich aus anderen als den vom Verwaltungsgericht dargestellten Gründen jedenfalls im Ergebnis als richtig, mit der Folge, dass die Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 144 Abs. 4 VwGO zurückzuweisen ist. Den Beteiligten ist Gelegenheit gegeben worden, dazu Stellung zu nehmen.
4Das Verwaltungsgericht hat dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, den Antragsteller bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über die Klage gleichen Rubrums – VG Aachen 1 K 1467/13 – „zu der am 1. September 2013 beginnenden Ausbildung für den gehobenen Polizeivollzugsdienst zuzulassen und ihn insoweit nicht wegen der an seinen Armen befindlichen Tätowierungen auszuschließen“. Der Sache nach liegt hierin die Verpflichtung, den Antragsteller zum Beamten auf Widerruf zwecks Absolvierung des Vorbereitungsdienstes zu ernennen. Das ergibt sich aus den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu einem möglichen Widerruf des Beamtenverhältnisses nach einem eventuellen Misserfolg des Antragstellers im zugehörigen Klageverfahren und ist von den Beteiligten auch so verstanden worden.
5Der vom Verwaltungsgericht demnach sinngemäß festgestellte Anspruch auf Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf ergibt sich jedenfalls aus der Einstellungszusage des Antragsgegners mit Schreiben vom 9. August 2013. Eine von der zuständigen Behörde abgegebene schriftliche Erklärung stellt dann eine Zusicherung i.S.v. § 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW dar, wenn die Behörde gegenüber dem Adressaten unzweifelhaft den Willen zum Ausdruck bringt, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen. Ob eine solche selbstverpflichtende Willenserklärung vorliegt, ist durch Auslegung nach der im öffentlichen Recht entsprechend anwendbaren Regel des § 133 BGB zu ermitteln. Maßgeblich ist der erklärte Wille, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte.
6Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 26. September 1996 - 2 C 39.95 -, BVerwGE 102, 81.
7Für eine Zusicherung i.S.v. § 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW spricht insbesondere die ausdrückliche Bezeichnung des Schreibens als „Einstellungszusage“ in der einleitenden Formulierung des zweiten Absatzes. Schon die in § 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW enthaltene Definition des Rechtsbegriffs „Zusicherung“, die maßgeblich auf eine behördliche „Zusage“, einen Verwaltungsakt zu erlassen, abstellt, zeigt, dass die Verwendung des Begriffs „Zusage“ bzw. „Einstellungszusage“ ein verbindliches Versprechen zum Ausdruck bringt, die Einstellung vorzunehmen, und damit eine Zusicherung im Rechtssinne indiziert. Diese Einschätzung wird bekräftigt durch die dem Antragsteller in dem Schreiben ausgesprochenen Glückwünsche sowie die Hinweise zu seinem Dienstantritt.
8Auch die fünf in dem Schreiben ausdrücklich angeführten „Bedingungen“, von denen der Antragsgegner seine „Einstellungszusage“ abhängig macht, bestätigen den in dem Schreiben zum Ausdruck gebrachten und für eine Zusicherung maßgeblichen Rechtsbindungswillen des Antragsgegners. Insbesondere kann der Umstand, dass das fragliche Schreiben überhaupt Bedingungen benennt, nicht als Indiz gegen eine verbindliche Einstellungszusage gewertet werden, da eine Zusicherung mit Bedingungen oder auch mit anderen Nebenbestimmungen (vgl. § 36 VwVfG NRW) versehen werden kann.
9Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Mai 2004 - 9 B 111/03 -, juris.
10Würde das Schreiben lediglich eine unverbindliche Absichtserklärung beinhalten, hätte es im Gegenteil einer solchen ausdrücklichen und detaillierten Formulierung der einer Einstellung (noch) entgegenstehenden Bedingungen nicht bedurft. Mit Blick auf die nicht ohne Weiteres wieder rückgängig zu machende Verbeamtung sind diese Vorbehalte gerade dahin zu verstehen, dass damit sicher gestellt werden soll, dass die (ausgesprochene) verbindliche Verpflichtung zur Einstellung nur dann wegfallen soll, wenn tatsächlich einer der vom Antragsgegner als relevant angesehenen Hinderungsgründe eintreten werde.
11Der Umstand, dass der Antragsgegner im ersten Absatz des genannten Schreibens das Wort „beabsichtigt“ verwandt hat, bringt nicht eine bloße und als solche unverbindliche Absichtserklärung zum Ausdruck, stellt also die Annahme einer Zusicherung nicht in Frage. Denn diese Formulierung kann nicht isoliert betrachtet werden; sie fällt vielmehr im Zusammenhang mit den oben aufgezeigten, für eine Zusicherung sprechenden Anhaltspunkten nicht entscheidend ins Gewicht.
12Vgl. zu einem wortgleich verfassten Schreiben auch Senatsbeschluss vom 4. Oktober 2013 – 6 B 1081/13 –, nrwe.de.
13Keine abweichende Einschätzung folgt schließlich daraus, dass dem Antragsteller hier die wegen seiner Tätowierungen bestehenden rechtlichen Bedenken des Antragsgegners gegen eine Einstellung ebenso bekannt gewesen sind wie der Umstand, dass am selben Tag, an dem das Schreiben verfasst wurde (9. August 2013) die zuständige „Körperschmuckkommission“ die vorhandenen Tätowierungen nochmals im Einzelnen dokumentierte. Dem Antragsgegner ist zwar zuzugeben, dass solche Begleitumstände mit Blick auf den für die Auslegung des Schreibens maßgeblichen Empfängerhorizont nicht von vornherein ohne Belang sind. Gleichwohl stellen sie hier die Annahme einer verbindlichen Zusicherung im Ergebnis nicht durchgreifend in Frage. Denn in Anbetracht der Formbedürftigkeit einer Zusicherung ist dem – wie oben dargestellt – hier mit gewichtigen Gründen für das Vorliegen einer Zusicherung sprechenden Wortlaut des Bescheides eine größere Bedeutung beizumessen als den darin nicht erwähnten Begleitumständen.
14Vgl. dazu auch BVerwG, Urteil vom 11. Mai 2006 – 5 C 10.05 –, BVerwGE 126, 33.
15Dies gilt umso mehr, als der Antragsgegner andere Umstände, die einer Einstellung gegebenenfalls noch entgegenstehen könnten – wie unvollständige Bewerbungsunterlagen, nachträgliche haushaltsrechtliche Beschränkungen, Bekanntwerden von Ablehnungsgründen, nachträgliche Feststellung von negativen ärztlichen Befunden oder nachträglicher Eintritt der Polizeidienstuntauglichkeit –, in dem Schreiben ausdrücklich im einzelnen als „Einstellungsbedingungen“ aufgeführt hat.
16Die nach Vorstehendem anzunehmende Zusicherung entfaltet auch nach wie vor Bindungswirkung. Insbesondere hat der Antragsgegner sie nicht aufgehoben bzw. nach § 48 VwVfG NRW wirksam zurückgenommen. Soweit er darauf hinweist, er habe das Schreiben vom 9. August 2013 durch seinen ablehnenden Bescheid vom 30. August 2013 „unzweifelhaft konkludent aufgehoben“, verkennt er die einschränkenden Voraussetzungen, an die gem. § 38 Abs. 2 VwVfG NRW in Verbindung mit § 48 VwVfG NRW die wirksame Rücknahme einer Zusicherung geknüpft ist. Als begünstigender und – unterstellt – rechtswidriger Verwaltungsakt kann die Zusicherung nur unter den Einschränkungen des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW in Verbindung mit § 48 Abs. 2 bis 4 VwVfG NRW zurückgenommen werden.
17Der Ablehnungsbescheid vom 30. August 2013 könnte danach allenfalls dann als konkludente Rücknahme der besagten Zusicherung gelten, wenn sich die Behörde dabei zweifelsfrei der tatbestandlichen Erfordernisse für eine rückwirkende Beseitigung dieser Zusicherung und ihres nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW grundsätzlich bestehenden Ermessensspielraums bewusst gewesen wäre. Dafür ist jedoch nichts ersichtlich. Dem Bescheid vom 30. August 2013 lässt sich auch in Verbindung mit den sonstigen Umständen nicht entnehmen, dass die Behörde Ermessenserwägungen in Bezug auf die Rücknahme der Zusicherung angestellt hat. In diesem Zusammenhang wären überdies, da es um die Rücknahme eines Verwaltungsaktes geht, der keine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist (§ 48 Abs. 2 VwVfG NRW), Vertrauensschutzgesichtspunkte zu Gunsten des Klägers bei der Ermessensausübung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW zu berücksichtigen gewesen (§ 48 Abs. 3 VwVfG NRW).
18Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. Januar 2008 – 6 A 2144/05 –, nrwe.de, m.w.N.
19Da § 38 Abs. 2 VwVfG NRW mit der Verweisung auf §§ 44 und 48 VwVfG NRW klarstellt, dass auch eine rechtswidrige Zusicherung, sofern sie nicht nichtig ist, bis zur Aufhebung volle Bindungswirkung entfaltet,
20vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. Januar 2008, a.a.O.; Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz, 13. Auflage 2012, § 38 Rdnr. 33.
21gibt das Beschwerdevorbringen auch keine Veranlassung, der Frage nachzugehen, ob der Einstellung des Antragstellers in das Beamtenverhältnis auf Widerruf ansich Hinderungsgründe entgegenstehen, insbesondere die großflächigen Tätowierungen des Antragstellers einen Eignungsmangel begründen.
22Schließlich bestehen keine Bedenken gegen den Inhalt der einstweiligen Anordnung des Verwaltungsgerichts. Der Antragsgegner argumentiert unter Bezugnahme auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 28. März 2011 – 2 L 190/11 –, juris, im Kern wie folgt: Komme er der einstweiligen Anordnung nach und stelle den Antragsteller in das Beamtenverhältnis auf Widerruf ein, so sei es ihm, (auch) wenn das Hauptsacheverfahren für den Antragsteller negativ ausfalle, verwehrt, seine Entlassung auf die Tätowierungen und den damit verbundenen „absoluten Eignungsmangel“ zu stützen, weil ihm dieser Mangel bei der Einstellung bereits bekannt gewesen sei. Damit fehle der einstweiligen Anordnung der vorläufige Charakter. Diese in ihrem Ausgangspunkt zutreffende Argumentation greift hier zu kurz.
23Abgesehen davon, dass die Ausnahmevoraussetzungen für eine Vorwegnahme der Hauptsache unter den hier vorliegenden Gegebenheiten erfüllt sind, sind die Bedenken des Antragsgegners auch sonst nicht berechtigt:
24Nach § 23 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG können Beamte auf Widerruf jederzeit entlassen werden. Die Entlassung ist somit grundsätzlich in das pflichtgemäße Ermessen der Verwaltung gestellt. Die fehlerfreie Ausübung des Ermessens erfordert vor allem, dass die Entlassung aus einem sachlichen Grund erfolgt. Es genügt grundsätzlich jeder sachliche Grund für die Entlassung. Als sachlicher Grund kommt u.a. eine fehlende persönliche Eignung in Betracht.
25Vgl. OVG NRW, Urteil vom 3. September 2009 - 6 A 3083/06 -, ZBR 2010, 92.
26Grundsätzlich ist die persönliche Eignung bereits vor der Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zu prüfen. Ein Eignungsmangel, der dem Dienstherrn bereits bei der Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf bekannt war, kann grundsätzlich nicht als - alleiniger oder primärer - Entlassungsgrund herangezogen werden. Als Entlassungsgrund kommen daher im Allgemeinen nur Eignungsmängel in Betracht, die erst im Beamtenverhältnis auf Widerruf aufgetreten oder bekannt geworden sind.
27Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juni 1981 - 2 C 48.78 -, BVerwGE 62, 267; Zängl in Fürst, GKÖD, Bd. I, Loseblattslg. Stand: August 2013, § 32 BBG Rdnr. 16; v.Roetteken in v.Roetteken/Rothländer, BeamtStG, Loseblattslg. Stand: Juni 2013, § 23 Rdnr. 428.
28Diesen Grundsätzen liegt das Verbot des venire contra factum proprium zu Grunde. Der Dienstherr handelt treuwidrig, zumindest aber ermessensfehlerhaft, wenn er sich ohne Rechtfertigung in Widerspruch zu seinem früheren Verhalten setzt.
29Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17. April 1956 - 2 A 21/55 -, ZBR 1956, 262; v.Roetteken, a.a.O.
30Seinem Sinn und Zweck nach erfasst dieses Verbot jedoch nicht die Fälle, in denen das frühere Verhalten des Dienstherrn allein auf einer einstweiligen Anordnung gründet, die ihn zur Einstellung eines Bewerbers in das Beamtenverhältnis auf Widerruf verpflichtet, und er dieser Verpflichtung nachkommt, obwohl seiner auch im einstweiligen Anordnungsverfahren verlautbarten Ansicht nach ein Eignungsmangel der Einstellung entgegensteht. Die auf der einstweiligen Anordnung gründende Einstellung rechtfertigt für sich genommen auch auf Seiten des Bewerbers nicht die Erwartung, der Dienstherr habe seine Ansicht aufgegeben und werde nach Abschluss des zugehörigen Hauptsacheverfahrens den Eignungsmangel nicht als Entlassungsgrund anführen.
31Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
32Die Streitwertfestsetzung beruht auf den § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2, Sätze 2 und 3, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG.
33Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).