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Die in Nordrhein-Westfalen für Richter geltende starre Altersgrenze ohne gesetzlich vorgesehene Möglichkeit eines Hinausschiebens des Ruhestands auf Antrag stellt keine unzulässige Altersdiskriminierung dar (Bekräftigung der bisherigen Senatsrechtsprechung).
Der Antrag wird auf Kosten des Klägers abgelehnt.
Der Streitwert wird für das Berufungszulassungsverfahren auf die Stufe bis zu 35.000 Euro festgesetzt.
Gründe
2Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg; er ist unbegründet.
3Gegenstand des Rechtsstreits ist das Begehren des Klägers, eines am 11. März 1945 geborenen Richters des beklagten Landes, ihn bis zur Vollendung seines 67. Lebensjahres weiter zu beschäftigen, sowie (hilfsweise) die Feststellung, dass sein aktives Dienstverhältnis bis zur Vollendung eben dieses Lebensjahres fortbesteht. Das Verwaltungsgericht hat die hierauf gerichtete Verpflichtungs- bzw. Feststellungsklage im Kern mit der Begründung abgewiesen, dass das maßgebliche Landesrichtergesetz die Möglichkeit eines Hinausschiebens des Ruhestandes bzw. der allgemeinen Altersgrenze nicht vorsehe und diese Rechtslage mit höherrangigem Recht, auch dem Europarecht, in Einklang stehe. Was der Kläger – nunmehr sein Begehren offenbar auf den Feststellungsantrag beschränkend – dagegen einwendet, vermag die von ihm begehrte Zulassung der Berufung nicht zu rechtfertigen. Dabei erachtet der Senat das Verfahren nicht dadurch für in der Hauptsache erledigt, dass der Kläger im Zeitpunkt der Entscheidung über den Zulassungsantrag die gesetzliche Altersgrenze für den Ruhestand tatsächlich überschritten hat.
4Vgl. dazu, dass das Hinausschieben des Beginns des Ruhestands nur möglich ist, solange der Ruhestand noch nicht begonnen hat: BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2011 – 2 B 94.11 –, juris, Rn. 14.
5Denn das weiter anhängige Klagebegehren zeichnet sich durch die Besonderheit aus, dass der Kläger die Feststellung, ob sein aktives Beamtenverhältnis noch andauert, zum (ausschließlichen) Gegenstand seines Sachantrags – und damit der materiellen Prüfung – gemacht hat.
6Die geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 3 VwGO sind zum Teil schon nicht hinreichend dargelegt und liegen im Übrigen auf Grundlage der maßgeblichen Darlegungen in der fristgerecht eingegangenen Antragsbegründungsschrift nicht vor. Dass die Antragsbegründung in der Überschrift als "Berufungsbegründung" bezeichnet worden ist, ist für diese Bewertung unschädlich, da es sich hierbei unter Berücksichtigung des übrigen Inhalts dieses Schriftsatzes offensichtlich um einen Schreibfehler handelt.
71. Die Zulassung der Berufung kann zunächst nicht auf die Vorschrift des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützt werden. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils sind begründet, wenn zumindest ein einzelner tragender Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und sich die Frage, ob die Entscheidung etwa aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist, nicht ohne weitergehende Prüfung der Sach- und Rechtslage beantworten lässt. Der die Zulassung der Berufung beantragende Beteiligte hat hierzu gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO die Gründe darzulegen. Dies erfordert es, unter eingehender Auseinandersetzung mit dem erstinstanzlichen Urteil dessen Fehlerhaftigkeit zu erklären und zu erläutern. Das Oberverwaltungsgericht soll nämlich allein aufgrund der Begründung des Zulassungsantrags die Zulassungsfrage beurteilen können, ohne weitere aufwändige Ermittlungen anstellen zu müssen.
8Die vom Kläger gegen die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung vorgebrachten Argumente überzeugen – unbeschadet der Frage ihrer hinreichenden Darlegung unter genügender Auseinandersetzung mit Gegenargumenten – jedenfalls in der Sache nicht. Sie erweisen sich dabei zugleich durch die zwischenzeitliche Entwicklung der Rechtsprechung (insbesondere auch des Europäischen Gerichtshofs) als "überholt".
9Der Kläger wendet gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts im Wesentlichen ein, § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 LRiG NRW verstoße gegen das Verbot der Altersdiskriminierung, welches in Umsetzung von Art. 1, Art. 2 Abs. 2 Buchstabe a), Art. 3 Abs. 1 Buchstabe c) der Richtlinie 2000/78/EG in § 2 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) seinen Niederschlag gefunden habe. Soweit das Verwaltungsgericht in entsprechender Übereinstimmung mit der vom Hessischen Verwaltungsgerichtshof in einer Eilentscheidung vom 28. September 2009 – 1 B 2487/09 – vertretenen Auffassung gemeint habe, das beklagte Land habe mit der für Richter geltenden starren Altersgrenze "legitime Ziele" im Sinne der vorgenannten Richtlinie verfolgt, lege es damit die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) unzutreffend aus. Zuzustimmen sei demgegenüber der Würdigung der bisherigen Rechtsprechung des EuGH durch das Verwaltungsgericht Frankfurt (Main) in dessen Vorlagebeschluss vom 29. März 2010 – 9 K 3854/09.F –. Für eine Rechtfertigung von Diskriminierungen aus Gründen des Alters kämen hiervon ausgehend allein "Ziele des Allgemeinwohls", insbesondere der Sozial-, Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik, in Betracht. Diese seien von privatautonomen Zielen bzw. Gründen, die nur Probleme einzelner Arbeitgeber oder Branchen widerspiegelten, zu unterscheiden. Das müsse auch für öffentliche Arbeitgeber und Dienstherren gelten. Für die hier streitgegenständliche Regelung des Landesrichtergesetzes könne aber nicht "von vornherein unterstellt" werden, dass diese Gemeinwohlziele der vorgenannten Art verfolge. Die nationalen Gerichte hätten die vom EuGH in Auslegung der Richtlinie vorgegebenen gemeinschaftsrechtlichen Maßstäbe strikt zu beachten. Das sei hier unterblieben. Die vom Verwaltungsgericht angestellten Zweckmäßigkeitserwägungen fänden sich in den Gesetzgebungsmaterialien nicht. Die gestaffelte Heraufsetzung der Lebensaltersgrenze auf (bis zu) 67 Jahren diene nicht der Abfederung, sondern allein der Anpassung an das Rentenversicherungsrecht. Dem Ziel der Vermeidung eines ungünstigen Altersaufbaus in der Richterschaft fehle mangels nachvollziehbarer, im Gesetz festgelegter Kriterien hierfür die hinreichende Objektivität. "Personalplanerische Vorteile" stellten nur individuelle Belange eines Arbeitgebers dar. Welche Art von Altersaufbau der Beklagte für sachgerecht halte, habe dieser im Übrigen nicht ansatzweise offen gelegt und das Verwaltungsgericht auch nicht ermittelt. Schließlich sei auch das (personalplanerisch gesteuerte) Interesse des Dienstherrn an einer motivierten und leistungsbereiten Richterschaft kein im Sinne der Richtlinie berücksichtigungsfähiges Ziel.
10Dieses Vorbringen weckt keine ernstlichen Zweifel an der (Ergebnis-)Richtigkeit des angefochtenen Urteils in dem oben näher erläuterten Sinne. Denn die Frage der Rechtfertigung einer altersbedingten Ungleichbehandlung durch die Einführung strikter Altersgrenzen ist durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Rechtfertigungsnorm des Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG (jedenfalls nunmehr) hinreichend geklärt und bedarf daher keiner Prüfung in einem Berufungsverfahren. Nach dieser Rechtsprechung steht RL 2000/78/EG einem Gesetz, das die zwangsweise Versetzung von Beamten (bzw. hier: Richtern) auf Lebenszeit in den Ruhestand mit Vollendung des 65. Lebensjahres vorsieht, nicht entgegen, "sofern dieses Gesetz zum Ziel hat, eine ausgewogene Altersstruktur zu schaffen, um die Einstellung und die Beförderung von jüngeren Berufsangehörigen zu begünstigen, die Personalplanung zu optimieren und damit Rechtsstreitigkeiten über die Fähigkeit des Beschäftigten, seine Tätigkeit über ein bestimmtes Alter hinaus auszuüben, vorzubeugen, und es die Erreichung dieses Ziels mit angemessenem und erforderlichen Mitteln ermöglicht".
11EuGH, Urteil vom 21. Juli 2011 – C-159/10, C-160/10 –, ZBR 2011, 341 = juris, Rn. 33 ff. (75).
12Diese vom Europäischen Gerichtshof angeführten Gründe lagen nach seiner Einschätzung dem hessischen Beamtengesetz, welches den Gegenstand des Vorlageverfahrens gebildet hat, zu Grunde. Sie gelten (zumindest ihrem wesentlichen Inhalt nach) gleichermaßen für das nordrhein-westfälische Beamtengesetz und auch für die hier maßgebliche Regelung des § 3 Abs. 1 und 2 LRiG NRW. Dabei kann es nicht entscheidend darauf ankommen, ob solche ohne Schwierigkeiten aus dem Kontext ableitbare Beweggründe allesamt auch in den vom Kläger in seiner Antragsbegründung zitierten Gesetzesmaterialien zur Novellierung und übergangsweisen Staffelung der besagten Altersgrenze ausdrücklich Erwähnung gefunden haben. Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats dient die Altersgrenze der beständigen Einstellung neuer Bewerber im Interesse sowohl der Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik als auch einer bestmöglichen Aufgabenwahrnehmung auf der Grundlage eines ausgewogenen Altersaufbaus der Beamten- bzw. Richterschaft; zugleich werden Schwierigkeiten hinsichtlich der Prüfung und Bewertung, inwieweit die erforderliche Dienstfähigkeit im Einzelfall noch gegeben ist, sowie die ansonsten nach dem System des Beamten- bzw. Richterrechts (Dienstverhältnis auf Lebenszeit) gebotene Durchführung von Zwangspensionierungsverfahren einschließlich entsprechender Rechtsstreitigkeiten vermieden.
13Beschlüsse des Senats vom 30. September 2011 – 1 A 426/09 – (n.v.), S. 10, m. w. N., und vom 12. Januar 2012 – 1 A 1799/11 –, juris, Rn. 20 ff. = NRWE; siehe auch bereits Beschluss vom 30. September 2009 – 1 B 1412/09 –, DRiZ 2009, 373 = juris, Rn. 8 = NRWE.
14Die genannte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs steht auch nicht in Widerspruch zu seiner später ergangenen Entscheidung,
15Urteil vom 13. September 2011 – C-447/09 –, NJW 2011, 3209 = juris.
16Denn in diesem Verfahren wurde die Einführung einer strikten Lebensalterszeitgrenze für den Eintritt in den Ruhestand, welche – wie gezeigt – nach dem Urteil des EuGH vom 21. Juli 2011 auf Grundlage des Artikel 6 RL 2000/78/EG gerechtfertigt sein kann, nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Die Entscheidung vom 13. September 2011 (C-447/09) hatte sich vielmehr mit der besonderen Problematik zu befassen, ob eine tarifvertragliche Regelung, welche den Eintritt in den Ruhestand für Piloten der Deutschen Lufthansa betraf, auf der Grundlage des Art. 2 Abs. 5 Richtlinie 2000/78/EG gerechtfertigt sein kann.
17Vgl. dazu Beschluss des Senats vom 12. Januar 2012 – 1 A 1799/11 –, juris, Rn. 24 ff. = NRWE.
18Des Weiteren bleibt darauf hinzuweisen, dass auch schon vor der Entscheidung des EuGH aus Juli 2011 in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung die Auffassung vorgeherrscht hat, dass Altersgrenzen der hier in Rede stehenden Art nicht gegen das (nationale bzw. europarechtliche) Verbot der Altersdiskriminierung verstoßen, weil der Gesetzgeber damit ein legitimes Ziel im Sinne des Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG verfolgt.
19Vgl. neben der bisherigen Senatsrechtsprechung und dem vom Verwaltungsgericht auszugsweise wiedergegebenen Beschluss des Hessischen VGH vom 28. September 2009 etwa OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25. Februar 2011 – 2 A 11201/10.OVG –, DÖD 2011, 183 = juris, Rn. 23 ff.; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 16. März 2011 – 5 ME 43/11 –, DÖD 2011, 162 = juris, Rn. 9, m.w.N.; Bayerischer VGH, Beschluss vom, 9. August 2010 – 3 CE 10.927 –, juris, Rn. 36 ff., insb. 41 ff.; Verwaltungsgericht des Saarlandes, Entscheidung vom 27. Oktober 2009 – 2 L 1751/09 –, juris, Rn. 13 ff.; Verwaltungsgericht Karlsruhe, Beschluss vom 28. Juli 2010 – 4 K 1239/10 –, IÖD 2010, 216 = juris, Rn. 8 ff.
20Schließlich hat sich inzwischen auch das Bundesverwaltungsgericht in diesem Sinne geäußert.
21Vgl. etwa den Beschluss vom 21. Dezember 2011 – 2 B 94.11 –, Rn. 7 ff., abrufbar auf der Internetseite des Gerichts www.bundesverwaltungsgericht.de unter Hinweis auch auf den Beschluss vom 6. Dezember 2011 – 2 B 85.11 –.
222. Die begehrte Berufungszulassung kann ferner nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO erfolgen. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache werden vom Kläger schon nicht hinreichend dargelegt. Sie ergeben sich – im Sinne einer angenommenen besonderen Komplexität – zunächst nicht allein aus der angeführten Betroffenheit von Fragestellungen des Europäischen Gemeinschaftsrechts, weil diese nach dem Vorstehenden als hinreichend geklärt anzusehen sind. Besondere Schwierigkeiten folgen auch nicht zwangsläufig aus dem Umstand einer (in der Vergangenheit) teilweise unterschiedlichen Rechtsprechung der deutschen Verwaltungsgerichte. Weitergehende Gründe hat der Kläger nicht aufgezeigt.
233. Schließlich ist eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ebenfalls nicht eröffnet. Auch insoweit fehlt es an den erforderlichen Darlegungen in der fristgerechten Antragsbegründung. Wird der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung geltend gemacht, so muss regelmäßig eine konkrete, höchst- oder obergerichtlich noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage bezeichnet werden, die sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat. Hier ist eine derartige Frage nicht ausformuliert oder in anderer Weise hinreichend klar aufgezeigt worden. Die erfolgte pauschale Bezugnahme auf den Vorlagebeschluss des VG Frankfurt (Main) vermag solches nicht zu ersetzen. Davon abgesehen ist die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung auch in der Sache spätestens durch das Urteil des EuGH vom 21. Juli 2011 (a.a.O.) entfallen.
24Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
25Die Streitwertentscheidung beruht auf §§ 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2, 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, 40 Abs. 1 GKG. Dabei wird die unverändert gebliebene wirtschaftliche Bedeutung der Rechtssache nunmehr eigenständig durch den zweitinstanzlich weiterverfolgten Hilfsantrag auf Feststellung getragen. Eine Änderung der Berechnungsgrundlage für den Streitwert ist vor diesem Hintergrund nicht angezeigt.
26Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO und – hinsichtlich der Streitwertfestsetzung – gemäß §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig, § 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO.