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Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 7. Mai 2012 aufgehoben und die Erinnerung der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 24. November 2011 in der Gestalt des Berichtigungsbeschlusses vom 21. Februar 2012 zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe:
2I.
3Die Beteiligten streiten um den Beginn der Verzinsungspflicht nach § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Durch – nicht für vorläufig vollstreckbar erklärtes – Urteil vom 25. April 2007 wies das Verwaltungsgericht die Anfechtungs- und Leistungsklage der Klägerin auf ihre Kosten ab. Der Senat wies die Berufung durch Urteil vom 30. Juni 2009 zurück, ordnete an, dass die Klägerin die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen habe, und erklärte das Urteil hinsichtlich der Kosten für vorläufig vollstreckbar. Am 14. August 2009 ging der Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten beim Verwaltungsgericht ein, mit dem sie auch einen Zinsanspruch gemäß § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO geltend machte. Durch Urteil vom 17. August 2011 wies das Bundesverwaltungsgericht die Revision der Klägerin zurück. Im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 24. November 2011 – durch Beschluss vom 21. Februar 2012 wegen eines Additionsfehlers berichtigt – setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle den Zinsbeginn für die Kosten erster Instanz auf den 17. August 2011 fest. Auf die Erinnerung der Beklagten hat das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 7. Mai 2012 den Kostenfestsetzungsbeschluss geändert und den Zinsbeginn auf den 14. August 2009 festgesetzt. Dagegen hat die Klägerin Beschwerde erhoben.
4II.
5Die gemäß § 146 Abs. 1 und 3 VwGO zulässige Beschwerde ist begründet.
6Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht auf die Erinnerung der Beklagten nach §§ 165, 151 VwGO den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle geändert und den Zeitpunkt, ab dem die von der Klägerin an die Beklagte zu erstattenden festgesetzten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu verzinsen sind, vom 17. August 2011 auf den 14. August 2009 vorverlegt.
7Nach § 164 VwGO, § 173 VwGO i.V.m. § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist im Kostenfestsetzungsbeschluss auf Antrag auszusprechen, dass die festgesetzten Kosten vom Eingang des Festsetzungsantrags, im Falle des § 105 Abs. 3 von der Verkündung des Urteils ab mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB zu verzinsen sind. Mit ihrem am 14. August 2009 eingegangenen Kostenfestsetzungsantrag hat die Beklagte einen entsprechenden Antrag gestellt. Die Verzinsungspflicht beginnt allerdings erst am 17. August 2011, weil erst mit dem Eintritt der Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils ein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Titel vorgelegen hat.
8Wird ein Kostenfestsetzungsantrag eingereicht, ehe der Titel vorliegt, entsteht der Zinsanspruch nicht, wie vom Verwaltungsgericht angenommen, bereits ab Eingang des Festsetzungsantrags, sondern erst ab Erlass des Titels.
9So auch KG, Beschluss vom 2. Februar 1967 – 1 W 3122/66 -, NJW 1967, 1569; BFH, Beschluss vom 3. Dezember 1974 – VII B 84/73 -, juris; OLG Koblenz, Beschluss vom 22. September 2011 – 14 W 545/11 , MDR 2012, 51; Giebel, in: MüKo ZPO, 3. Auflage 2008, § 104 Rn. 62; Hansens, RVGreport 2008, 208; Herget, in: Zöller, ZPO, 28. Auflage 2010, § 104 Rn. 6; Stein-Jonas, ZPO, 20. Auflage 1984, § 104 III Rn. 25; a. A. wohl Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, ZPO, 69. Auflage 2011, § 104 Rn. 23.
10Der Anspruch auf Verzinsung wird erst durch wirksame Geltendmachung des Kostenerstattungsanspruchs begründet. Als Regelung über den Umfang des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs setzt § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO voraus, dass die Voraussetzungen für die Kostenfestsetzung nach § 103 ZPO vorliegen. Nach § 103 Abs. 1 ZPO kann der Anspruch auf Erstattung der Prozesskosten nur auf Grund eines zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titels geltend gemacht werden; bei Endurteilen ist insoweit gemäß § 704 ZPO erforderlich, dass sie rechtskräftig oder für vorläufig vollstreckbar erklärt sind. § 103 Abs. 2 ZPO regelt den Kostenfestsetzungsantrag, an den der Gesetzgeber mit § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO anknüpft. Das Erfordernis eines vollstreckbaren Titels lässt sich auch materiell-rechtlich begründen. Ein Zinsanspruch entsteht grundsätzlich erst mit Fälligkeit der Forderung. Der Kostenerstattungsanspruch ist eine Forderung aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis. Er entsteht zwar schon mit Begründung des Prozessrechtsverhältnisses, ist allerdings erst mit Eintritt der aufschiebenden Bedingung einer (vorläufig) vollstreckbaren Kostengrundentscheidung fällig, wobei er sodann unter der auflösenden Bedingung der Aufhebung der Kostengrundentscheidung steht.
11Vgl. dazu nur BGH, Urteil vom 8. Januar 1976 – III ZR 146/73 -, MDR 1976, 475; Giebel, in: MüKo ZPO, Vor §§ 91 ff., Rn. 15.
12Der Gläubiger ist damit erst mit der vorläufigen Vollstreckbarkeit oder der Rechtskraft der Kostengrundentscheidung berechtigt, vom Schuldner die Erstattung seiner Prozesskosten zu verlangen. Dass der Kostenerstattungsanspruch auf Grund der gesetzlichen Vorschriften der Höhe nach bestimmbar ist, sobald eine Kostengrundentscheidung ergeht, ohne dass es insoweit auf eine Vollstreckbarkeit ankommt, rechtfertigt entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keine andere Betrachtung. Die Bestimmbarkeit ist lediglich eine Voraussetzung der Fälligkeit, begründet diese aber nicht.
13Der danach bestehende Grundsatz, dass die Verzinsung der festgesetzten Kosten nach § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO einen zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titel voraussetzt, wird durch die weitere Bestimmung des § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO, dass im Falle des § 105 Abs. 3 ZPO die Kosten von der Verkündung des Urteils an zu verzinsen sind, weder in Frage gestellt noch durchbrochen. Ist bereits vor der Verkündung des Urteils die Berechnung der Kosten eingereicht worden, ist nach § 105 Abs. 3 ZPO ein späterer Festsetzungsantrag entbehrlich. Auch die Bestimmung des Zinsbeginns mit Verkündung des Urteils steht aus den oben ausgeführten Gründen unter dem Vorbehalt, dass dieses vorläufig vollstreckbar oder rechtskräftig ist.
14Vgl. dazu näher BFH, Beschluss vom 3. Dezember 1974 – VII B 84/73 -, a. a. O.
15Der danach für den Zinsbeginn erforderliche Vollstreckungstitel hat erst vorgelegen, als das erstinstanzliche Urteil mit Zurückweisung der Revision durch das am 17. August 2011 verkündete Urteil des Bundesverwaltungsgerichts rechtskräftig geworden ist. Denn das Verwaltungsgericht hat sein Urteil entgegen § 709 Satz 1 ZPO nicht – wegen der Kosten – für vorläufig vollstreckbar erklärt.
16Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die erstinstanzliche Kostenentscheidung auch nicht mit dem berufungsgerichtlichen Urteil vorläufig vollstreckbar geworden. Der Senat hat die Berufung zurückgewiesen und eine Kostenentscheidung lediglich in Bezug auf die Kosten des Berufungsverfahrens getroffen. Der Ausspruch, das Urteil sei "hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar", bezieht sich deshalb allein auf die Kosten des Berufungsverfahrens, nicht aber auf die hier streitgegenständlichen Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens. Zu Unrecht macht die Beklagte geltend, damit sei die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich aller Kosten angeordnet, weil nach herrschender Auffassung im Falle der Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil die Vollstreckbarkeitsentscheidung des Berufungsgerichts an die Stelle der erstinstanzlichen Vollstreckbarkeitsentscheidung trete.
17Vgl. dazu BGH, Beschluss vom 27. August 1993 – VI ZB 14/93 -, juris; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 19. Juli 1995 – 5 S 348/94 -, NVwZ-RR 1996, 542.
18Letzteres gilt nur für zusprechende Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, die also nicht nur wegen der Kosten vollstreckbar sind. Die ersetzende Wirkung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO. Danach sind für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung zu erklären Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten; wird die Berufung durch Urteil zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist. Wird ein erstinstanzliches, auf Verurteilung lautendes Urteil vom Berufungsgericht bestätigt, bezieht sich die Entscheidung des Berufungsgerichts über die vorläufige Vollstreckbarkeit deshalb nicht nur auf die Kosten des Berufungsverfahrens, sondern auch auf den – bestätigten – Sachausspruch. Abgesehen davon, dass sich die vorläufige Vollstreckbarkeit auch in solchen Fällen nicht auf die erstinstanzliche Kostenentscheidung erstreckt,
19vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 19. Juli 1995 – 5 S 348/94 -, a. a. O.,
20fehlt es hier schon an einem zusprechenden Urteil erster Instanz.
21Das gefundene Ergebnis ist auch nicht unbillig, da die Beklagte von der in § 167 VwGO i.V.m. §§ 716, 321 ZPO vorgesehenen Möglichkeit, eine Urteilsergänzung zu beantragen, ebensowenig Gebrauch gemacht hat wie von einem Vorabentscheidungsersuchen über die vorläufige Vollstreckbarkeit in der Berufungsinstanz nach § 718 ZPO.
22Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren, in dem eine Festgebühr nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum GKG anfällt, folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
23Dieser Beschluss ist unanfechtbar.