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Der Bebauungsplan Nr. 677/I „S. , östlich I. Straße“ der Stadt L. ist unwirksam.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfah¬rens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Antragsteller vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Der Antragsteller wendet sich mit seinem Normenkontrollantrag gegen den Be-bauungsplan Nr. 677/I "S. , östlich I. Straße" der Antragsgeg-nerin.
3Mit dem angefochtenen Bebauungsplan soll die Grundlage für das Projekt "S. " geschaffen werden, welches eine städtebauliche Neuordnung des Rheinufers in L. -V. zum Ziel hat. Der Geltungsbereich des Bebau-ungsplans Nr. 677/I erstreckt sich mit einer Nord-Süd-Ausrichtung in einer Länge von etwa 600 m zwischen dem Rheinufer einerseits und der I. - sowie der E.-------straße andererseits. Nördlich des Plangebiets schließen sich Industrieanlagen der chemischen Industrie ("D. " L. -V. ) an. Insbesondere befindet sich unmittelbar nördlich des Plangebiets die Tankanlegerbrücke . Diese dient dem Gefahrgutumschlag für den "D. ", u. a. dem Umschlag von Salzsäure. Südwestlich des Plangebiets schließt sich das V1. Ortszentrum an.
4Das Gebiet des angefochtenen Bebauungsplans liegt - mit Ausnahme der E1. -straße - vollständig im Geltungsbereich der Hafenverordnung L. (HVO). Zudem liegt das Plangebiet im Südwesten innerhalb der Deichschutzzonen I, II sowie III.
5Ein rechtskräftiger Bebauungsplan existierte für das Plangebiet bislang nicht. Das Gebiet wurde seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts industriell genutzt. Es befanden sich hier u. a. eine Weinbrennerei, eine Margarinefabrik, eine Ölmühle und der Standort eines Speditionsbetriebs. Die weitgehend leerstehenden, stark sanierungsbedürftigen Fabrikgebäude verfügen über eine historische Bausubstanz. In der Mitte des Plangebiets befinden sich die unter Denkmalschutz stehende Villa "N. " und der dazugehörige Park, im Süden des Plangebiets ein Zollgebäude. In einem der alten Fabrikgebäude im nördlichen Teil des Plangebiets befindet sich der metallverarbeitende Betrieb des Antragstellers, eine der wenigen im Plangebiet verbliebenen gewerblichen Nutzungen.
6Der angefochtene Bebauungsplan setzt ganz im Norden eine Fläche für Entsorgungsanlagen fest; es handelt sich hierbei um das vorhandene Hochwasserpumpwerk. Als öffentliche Verkehrsfläche werden der S1.--------weg als Geh- und Radweg, die E.-------straße sowie ein Verbindungsweg (Geh- und Radweg) zwischen S1.--------weg und E.-------straße festgesetzt. Im Übrigen setzt der Bebau-ungsplan in seiner nördlichen Hälfte Gewerbegebiete und in seiner südlichen Hälfte Mischgebiete fest.
7Das Gewerbegebiet GE 1 liegt ganz im Norden des Plangebiets, daran schließen sich südlich die Gewerbegebiete GE 2 und GE 3 an. Das GE 3 umfasst in seinem südlichen Bereich noch Villa und Park "N. ". Das Grundstück des Antragstellers (Gemarkung V. , Flur 37, Flurstücke 221, 441, 442 und 533) liegt im GE 1 und erstreckt sich darüber hinaus in südlicher Richtung bis in das GE 2; die Grenze zwischen GE 1 und GE 2 verläuft durch die vorhandenen Baulichkeiten. Der Antragsteller betreibt in den Hallen der ehemaligen Fa. I1. und X. (I2. ) ein metallverarbeitendes Gewerbe.
8Nach Ziffer 1.3.1 der textlichen Festsetzungen sind in allen Gewerbegebieten Einzelhandelsbetriebe und Tankstellen unzulässig; Läden wie Kioske und vergleichbare Einrichtungen im Sinne des § 1 LSchlG, die eine kleinere Verkaufsfläche als 50 m² aufweisen, können dort ausnahmsweise zugelassen werden. In dem Gewerbegebiet GE 1 sind zudem von den gemäß § 8 Abs. 2 BauNVO zu-lässigen Nutzungsarten Anlagen für sportliche Zwecke unzulässig. Nach Ziffer 1.4 der textlichen Festsetzungen werden in den Gewerbegebieten zudem weitere nach § 8 Abs. 3 BauNVO in Gewerbegebieten ausnahmsweise zulässigen Nut-zungen ausgeschlossen. Ziffer 1.5 der textlichen Festsetzungen sieht vor, dass die Gewerbegebiete GE 1, GE 2 und GE 3 gemäß § 1 Abs. 4 Nr. 2 BauNVO in Verbindung mit der Abstandsliste 2007 gegliedert werden.
9In der Planzeichnung ist die Achtungsgrenze gemäß der Störfallverordnung zu den nördlich des Plangebiets liegenden Anlagen der chemischen Industrie eingezeichnet; diese verläuft durch das Gewerbegebiet GE 1.
10Für den südlichen Bereich des Plangebiets sind insgesamt vier Mischgebiete (MI 1, MI 2, MI 3 und MI 4) festgesetzt. In diesen sind nach Ziffer 1.1.1 der textlichen Festsetzungen Einzelhandelsbetriebe, Gartenbaubetriebe, Tankstellen und Vergnügungsstätten unzulässig; Läden wie Kioske und vergleichbare Einrichtungen im Sinne des § 1 LSchlG, die eine kleine Verkaufsfläche als 50 m² aufweisen, können auch hier ausnahmsweise zugelassen werden. Nach Ziffer 1.1.2 der textlichen Festsetzungen ist in dem Mischgebiet MI 1 das Wohnen im Erdgeschoss unzulässig, nach Ziffer 1.1.3 der textlichen Festsetzungen in den Mischgebieten MI 1 und MI 3 innerhalb der in der Planzeichnung gekennzeichneten Bereiche generell unzulässig. Ziffer 1.2 der textlichen Festsetzungen enthält einen Ausschluss der Zulässigkeit von Vergnügungsstätten.
11Des Weiteren enthalten die textlichen Festsetzungen Regelungen zur Zulässigkeit von Nebenanlagen, Stellplätzen und Garagen (Ziffer 3), zu Maßnahmen zum passiven Schallschutz (Ziffer 4), zum Hochwasserschutz (Ziffer 5), zur Erhaltung und Anpflanzung von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen (Ziffer 6) sowie zu Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft (Ziffer 7).
12Ziffer 8 der textlichen Festsetzungen regelt ein sog. Baurecht auf Zeit:
13"Aufschiebend bedingtes Baurecht - Hafenbereich
14Die Nutzungen in den Mischgebieten M 1 - M 4 sowie in den Gewerbegebieten GE 1 - GE 3 sind gemäß § 9 Abs. 2 BauGB unter der aufschiebenden Bedingung zulässig, dass ihre Grundflächen aus dem Geltungsbereich der Hafenverordnung herausgenommen wurden. Darüber hinaus können im Einzelfall Nutzungen zugelassen werden, sofern die für die Hafensicherheit zuständige Behörde im Genehmigungsverfahren zustimmt. Der Bedingungszeitpunkt ist auf den 31. März 2013 festgelegt."
15Zudem enthält der Bebauungsplan Festsetzungen zur Grundflächenzahl, zur Geschossflächenzahl (nicht im MI 4) sowie zur Anzahl der Vollgeschosse. Die überbaubare Grundstücksfläche wird durch Baulinien und Baugrenzen festgesetzt, wobei die vorhandenen Baulichkeiten - jedenfalls auf dem Grundstück des Antragstellers - innerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen liegen.
16Das Planaufstellungsverfahren nahm im Wesentlichen folgenden Verlauf:
17Am 11. Juli 2002 beschloss der Rat der Antragsgegnerin die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 677 "V. , beiderseits I. Straße". Dieser Aufstellungsbeschluss bezog sich nicht nur auf das Plangebiet des hier streitigen Bebauungsplans, sondern zusätzlich noch auf das Gebiet, welches sich westlich der I. Straße anschließt.
18In der Folgezeit führte die Antragsgegnerin umfangreiche städtebauliche Planungsarbeiten durch, unter anderem einen städtebaulichen Workshop für das Projekt "S. ".
19Am 26. Januar 2004 fand eine Bürgeranhörung statt.
20Am 4. September 2008 beschloss der Rat der Antragsgegnerin die Teilung des Plangebiets in die Bebauungspläne Nr. 677/I und 677/II. Gleichzeitig wurde der Beschluss zur Offenlage gefasst, die in der Zeit vom 13. Oktober bis zum 13. November 2008 erfolgte. Parallel dazu erfolgte die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange.
21Mit einem am 12. November 2008 bei der Antragsgegnerin eingegangenen Schreiben machte der Antragsteller Einwendungen gegen die Planung geltend.
22Am 20. April 2009 fasste der Oberbürgermeister der Antragsgegnerin gemeinsam mit einem Ratsherrn einen Dringlichkeitsbeschluss, wonach über die im Planaufstellungsverfahren vorgebrachten Einwendungen entschieden und der Bebauungsplan als Satzung beschlossen wurde.
23In seiner Sitzung am 29. April 2009 fasste der Rat der Antragsgegnerin einen erneuten Satzungsbeschluss.
24Die Bekanntmachung des Bebauungsplans erfolgte im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 4. Mai 2009.
25Unter dem 7. Juni 2011 wurde die Planurkunde um den Hinweis ergänzt, dass die in den textlichen Festsetzungen genannten DIN-Normen "bei der Stadt L. , Fachbereich Stadtplanung, Stadthaus, während der allgemeinen Dienstzeiten" eingesehen oder kostenpflichtig beim C. , angefordert werden können. Der um diesen Hinweis ergänzte Bebauungsplan wurde im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 30. Juni 2011 erneut öffentlich und mit Rückwirkung zum 4. Mai 2009 bekannt gemacht.
26Bereits am 8. Juni 2009 hatte der Antragsteller den vorliegenden Normenkontrollantrag gestellt. Er begründet diesen im Wesentlichen wie folgt:
27Der Bebauungsplan sei formell fehlerhaft ergangen. Die Voraussetzungen für einen Erlass des Bebauungsplans im Wege einer Dringlichkeitsentscheidung hätten nicht vorgelegen.
28Der Plan sei auch materiell fehlerhaft. So seien die textlichen Festsetzungen teilweise zu unbestimmt oder es fehle an einer erforderlichen Rechtsgrundlage. Bei den nach Ziffer 1.1.1 und 1.3.1 der textlichen Festsetzungen zulässigen "Läden wie Kioske und vergleichbare Einrichtungen im Sinne des § 1 LSchlG, die eine kleine Verkaufsfläche als 50 m² aufweisen" handele es sich nicht um einen bestimmten Typus von Einzelhandelsbetrieben, der einer Feindifferenzierung zugänglich sei. Auch finde die Festsetzung von Begrünungsmaßnahmen in § 9 Abs. 1 Nr. 25 BauGB keine ausreichende Grundlage. Insbesondere sei es unzulässig, den Eigentümer einer Fläche, auf der eine Anpflanzung vorzunehmen sei, einem Abstimmungserfordernis zu unterwerfen, soweit es um die konkreten Standorte einzelner Anpflanzungen gehe.
29Ferner leide der Bebauungsplan an Abwägungsmängeln. Die Antragsgegnerin habe zum einen nicht berücksichtigt, dass für sein Grundstück Baurecht nach Maßgabe eines Industriegebiets bestanden habe. Durch die Festsetzung der Gewerbegebiete GE 1 und GE 2 mit den insoweit festgesetzten Nutzungseinschränkungen würden seine Verwertungsmöglichkeiten erheblich eingeschränkt. Hinzu komme, dass die Grenze zwischen den Gewerbegebieten GE 1 und GE 2 mitten durch den Baubestand auf dem Grundstück verlaufe. Wenn es ihm also gelänge, eine gewerbliche Nutzung zu realisieren, die unter die Abstandsklasse V falle, könne er dafür noch nicht einmal sein gesamtes Grundstück nutzen. Für diese Grenzziehung mitten durch ein bestehendes Gebäude gebe es keine städtebauliche Rechtfertigung.
30Die textlichen Festsetzungen sähen zudem weitere erhebliche Nutzungseinschränkungen für sein Grundstück vor. Die Störfallverordnung bzw. die Achtungsgrenze für die nördlich des Plangebiets gelegenen Industrieanlagen stellten aber keine tragfähige Grundlage für einen solchen umfassenden Nutzungsausschluss dar. Die sogenannte Achtungsgrenze verlaufe mitten durch das Gebiet des Gewerbegebiets GE 1, erfasse also nur einen Teilbereich. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Teilfläche des Grundstücks, welche südlich der Achtungsgrenze liege, gleichfalls den restriktiven Nutzungsausschlüssen unterworfen werden müsse. Für diesen Teilbereich gebe es keine Rechtfertigung, Einzelhandelsbetriebe, Vergnügungsstätten, Anlagen für kulturelle, sportliche und soziale Zwecke sowie Betriebswohnungen auszuschließen. Zudem kollidiere das städtebauliche Konzept der Antragsgegnerin, wonach in den Gewerbegebieten Einrichtungen für Lehre und Forschung, Großveranstaltung, Büros und Ausstellungsflächen unter-gebracht werden sollten, mit diesen Nutzungsausschlüssen. Besonders gravie-rend sei der Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben oberhalb der Grenze von 50 m² Verkaufsfläche. Dieser gelte sowohl für zentrenrelevante als auch für nicht zentrenrelevante Sortimente. Es sei aber nicht ersichtlich, warum die Zulassung von Einzelhandelsbetrieben mit nicht zentrenrelevanten Sortimenten die Innen-stadt von V. schädigen könne. Die städtebauliche Zielsetzung, das Plangebiet städtebaulich zu aktivieren, verlange im Gegenteil gerade danach, Einzelhandelsnutzungen gegebenenfalls ergänzt durch gastronomische Nutzungen vorzusehen.
31Ein weiteres Defizit der Planung ergebe sich aus der eingeschränkten Umsetzbarkeit der planerischen Festsetzungen. Die Antragsgegnerin habe von der Möglichkeit des "Baurechts auf Zeit" Gebrauch gemacht und vorgesehen, dass die planerisch festgesetzten Nutzungen erst zulässig seien, wenn die Grundfläche aus dem Geltungsbereich der Hafenverordnung herausgenommen werde. Dies führe aber zu einer faktischen Bausperre. Damit würden die Einschränkungen, welche der Antragsteller sowie die anderen Grundstückseigentümer aufgrund der in der Vergangenheit erlassenen Veränderungssperren hätten hinnehmen müssen, noch weiter verlängert. Dafür gebe es keine Rechtfertigung.
32Ferner sei die Planung hinsichtlich des Lärmschutzes abwägungsfehlerhaft. Im Rahmen der schalltechnischen Untersuchung sei nicht geprüft worden, wie sich gewerbliche Nutzungen im Plangebiet lärmschutzrechtlich auswirken würden. Der Bebauungsplan setze zwar in erheblichem Umfang Gewerbegebiete fest; ob diese aber hinsichtlich ihrer potentiellen Lärmauswirkungen umgebungsverträglich seien, bleibe offen. Eine Überprüfung der Immissionssituation auf seinem Grundstück sei zudem deshalb erforderlich gewesen, weil die städtebaulichen Vorstellungen der Antragsgegnerin für diesen nördlichen Planbereich auch in den Gewerbegebieten immissionsempfindliche Nutzungen, wie etwa Einrichtungen der Lehre und Forschung, vorsähen.
33Schließlich führe die Festsetzung von Begrünungsmaßnahmen auf dem Grundstück des Antragstellers zu einer erheblichen und unverhältnismäßigen Belastung. Die Antragsgegnerin verfolge hier das Ziel einer grünen Einfassung des Plangebiets. Es gehe daher allein um ästhetische/gestalterische Aspekte. Dem stünden gewichtige Belange des Antragstellers nach einer sinnvollen Grundstücksnutzung, etwa als Abstellflächen für Kraftfahrzeuge, entgegen. Dies sei im Rahmen der Abwägung nicht hinreichend berücksichtigt worden.
34Der Antragsteller beantragt,
35den Bebauungsplan Nr. 677/I "S. , östlich I. Straße" der Antragsgegnerin für unwirksam zu erklären.
36Die Antragsgegnerin beantragt,
37den Antrag abzulehnen.
38Der angefochtene Bebauungsplan weise weder in formeller noch in materieller Hinsicht Mängel auf.
39So hätten die Voraussetzungen für den Erlass des Bebauungsplans im Wege des Dringlichkeitsbeschlusses vorgelegen. Dies sei erforderlich gewesen, weil die Veränderungssperre spätestens am 5. Mai 2009 außer Kraft getreten sei, und danach zwei Bauvoranfragen zur Errichtung einer Tankanlegerbrücke hätten genehmigt werden müssen, was die Umsetzung des durch den Bebauungsplan verfolgten Projekts "S. " dauerhaft unmöglich gemacht hätte.
40Der Bebauungsplan sei auch in materieller Hinsicht wirksam. Ziel des Plans sei es, das Gebiet zu beleben und städtebaulich aufzuwerten. Hierfür würden sich insbesondere kulturelle und gastronomische Nutzungen besser eigenen als Einzelhandelseinrichtungen. Eine Belebung durch Belieferungs- und Einkaufsverkehr sei nicht zielführend. Weiterhin grenze das Gebiet direkt an die V2. Fußgängerzone, in der Einzelhandelseinrichtungen mit zentren- und nahversorgungsrelevanten Sortimenten vorhanden seien. Dieses Zentrum solle hinsichtlich seiner Funktion geschützt werden und keine Beeinträchtigungen durch die Nutzungen im Plangebiet erfahren. Vor diesem Hintergrund sei ein Einzelhandelsausschluss in den Misch- und Gewerbegebieten des Bebauungsplans Nr. 677/I erfolgt. Einzelhandelsmärkte ohne zentrenrelevante Sortimente würden zwar nicht das V2. Stadtzentrum hinsichtlich seiner Zentrenfunktion negativ beeinflussen, jedoch würden sie sich kontraproduktiv auf die Zielsetzung des Bebauungsplans auswirken. Besonders Fachmärkte seien durch einen hohen Stellplatzbedarf sowie ein verstärktes Verkehrsaufkommen gekennzeichnet. Weiter stünden die Ergebnisse des Seveso II - Gutachtens einer Zulässigkeit von Einzelhandelsbetrieben innerhalb der Gewerbegebiete entgegen, da es sich hierbei oft um publikumswirksame Vorhaben handele. Zudem sei auf die besondere Lage am S2. hinzuweisen, die besonders den Bedürfnissen von gastronomischen Einrichtungen gerecht werde. Demgegenüber würde Fachmärkten durch eine Ansiedlung in dieser besonderen Lage keine Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen verkehrsgünstiger gelegenen Flächen verschafft werden. Die Zulässigkeit von Einzelhandelsvorhaben ohne zentrenschädliche Sortimente würde zudem in Konkurrenz zu den kulturellen, gastronomischen und sozialen Einrichtungen stehen, die ausdrücklich durch den Bebauungsplan gesichert werden sollten. Durch ihre Zulässigkeit könne die gewünschte Zielsetzung des Bebauungsplans in ihrer Umsetzung stärker gefährdet werden. Weiterhin sollten sich derartige Fachmärkte nach dem Einzelhandelskonzept der Antragsgegnerin an anderen Standorten entwickeln. Insgesamt sei daher der Einzelhandelsausschluss nicht nur aus Gründen des Zentrenschutzes, sondern auch aus Immissionsschutzgesichtspunkten, zur Sicherung der Ziele der Bauleitplanung sowie zur Umsetzung des Zentrenkonzepts im Hinblick auf die Ansiedlung von Fachmärkten im Stadtgebiet erfolgt. Zudem führe die Zulässigkeit von Kiosken und kioskähnlichen Verkaufsstellen mit einer Verkaufsfläche von bis zu 50 m² dazu, dass keine unzumutbaren Härten entstünden. Es handele sich hierbei um einen Betriebstyp, der einer Feindifferenzierung zugänglich sei.
41Die Festsetzung von Begrünungsmaßnahmen sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Der genaue Standort für einzelne Pflanzen/Bäume müsse nicht bereits im Rahmen des Bebauungsplans festgelegt werden. Insoweit bestehe ein Spielraum, der im Rahmen eines nachgelagerten Baugenehmigungsverfahrens zu einem Abstimmungserfordernis mit dem Fachbereich Grünflächen führe. Zudem seien die festgesetzten Begrünungsmaßnahmen angemessen. Die städtebaulich sinnvolle Nutzung des Grundstücks des Antragstellers zu Stellplatzzwecken wer-de planungsrechtlich durch den Bebauungsplan gesichert. Innerhalb der Fläche mit der Anpflanzverbindung seien Stellplätze zulässig. Die Anzahl der anzupflanzenden Bäume sei im Verhältnis zur Größe der als Stellplatzfläche zu nutzenden Fläche nicht unverhältnismäßig und stehe auch einer sinnvollen Grundstücksnutzung nicht entgegen.
42Im Rahmen der Abwägung seien die privaten Interessen des Antragstellers hinreichend berücksichtigt worden. Ziel des Bebauungsplans sei es, das Krefelder Rheinufer einer neuen städtebaulichen Ordnung zuzuführen. Zielsetzung sei es dagegen nicht, das Industriegebiet einschließlich der maximalen Entwicklungsmöglichkeiten der bestehenden Betriebe fortzuführen. Daher sei eine Herabzo-nung des Industriegebiets zu einem Gewerbegebiet erforderlich geworden. Dem Betrieb des Antragstellers könne unter dem Gesichtspunkt des Bestandsschutzes hinreichend Rechnung getragen werden. Zudem stünden der Herabzonung eine Steigerung des Bodenwertes sowie die zusätzlichen Möglichkeiten eines Gewerbegebietes gegenüber. Im Übrigen habe das Grundstück des Antragstellers bereits unabhängig von den Festsetzungen des Bebauungsplans die erforderlichen Schutzabstände zu Wohnbauflächen einzuhalten und sei damit bereits im Bestand ein eingeschränktes Industriegebiet. So sei das Grundstück des Antragstellers nur etwa 300 m von einer bestehenden Wohnnutzung entfernt. Insoweit ergäben sich durch die in den Gewerbegebieten GE 1 und GE 2 festgesetzten Nutzungseinschränkungen, insbesondere auf der Grundlage der Abstandsliste, keine zusätzlichen Einschränkungen. Im Übrigen sei die Nutzung/Erweiterung des metallverarbeitenden Betriebes dem Abstandserlass 2007 folgend auch weiterhin innerhalb des Gewerbegebietes GE 2 zulässig. Metallverarbeitung sei keine Nutzung, die eine durch den Bebauungsplan ausgeschlossene Abstands-klasse von 1.500 m bis 300 m erfordere.
43Auch sei die Grenzziehung zwischen den Gewerbegebieten - insbesondere zwischen GE 1 und GE 2 - nicht zu beanstanden. Die Gliederung der Gebiete sei einerseits anhand des Abstandserlasses 2007 erfolgt. Andererseits seien die nördlich des Plangebiets gelegenen Industrienutzungen basierend auf den Er-gebnissen des Seveso II - Gutachtens beachtet worden. Die hiernach ermittelte Achtungsgrenze bilde die Grundlage für die Nutzungsgliederung der nördlich gelegenen Gewerbegebiete. Die Abgrenzung der einzelnen Baugebiete könne nicht anhand des existierenden Gebäudebestands vorgenommen werden, da die bestehenden Hallenkomplexe an der I. Straße Nr. 26 eine ge-schlossene Bauweise aufwiesen, die sich straßenseitig über 70 m entlang der I. Straße erstreckten. Grenzziehungsspielräume in derartigen Größenordnungen seien aufgrund des Abstandserlasses nicht gegeben. Hätte man hier den gesamten Gebäudebestand einheitlich berücksichtigt, hätte man auch den nördlichen Teil dieses Bestandes den nach dem Abstandserlass für das GE 2 geltenden Einschränkungen unterwerfen müssen. Die im Bebauungsplan getroffene Festsetzung ermögliche den Eigentümern dagegen im nördlichen Bereich umfangreiche Nutzungsmöglichkeiten. Die Abgrenzung zwischen den Gewerbegebieten GE 1 und GE 2 widerspreche insoweit auch nicht dem Ziel des Gebäudeerhalts. Die vorhandenen Gebäude seien durch die Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzungen sowie zur bebaubaren Grundstücksfläche insgesamt planungsrechtlich abgesichert.
44Die Nutzungsausschlüsse im Gewerbegebiet GE 1 resultierten zum einen aus der unmittelbaren Nähe zum "D. ". Insoweit seien Auswirkungen möglicher Störfälle auf das Plangebiet nicht auszuschließen und daher nach der Seveso II - Richtlinie im Rahmen der Bauleitplanung zu berücksichtigen. Aus Artikel 12 der Seveso II - Richtlinie ergebe sich insbesondere ein Abstandsgebot. Diese sogenannte Achtungsgrenze beschränke sich auf einen Bereich ca. 100 m bis 150 m südlich der Werksgrenze des "D. ". Innerhalb dieses Bereichs seien spezielle Anforderungen an die Nutzungen zu stellen. Es seien dort insbesondere Wohngebiete sowie Gebiete mit einem höheren Publikumsverkehr (Einkaufszentren, größere Fachmärkte, Schulen, Kindergärten sowie Freizeitstätten) ausgeschlossen. Auf diese Anforderungen sei im Bebauungsplan durch die Nutzungsausschlüsse in Ziffer 1.4.2 der textlichen Festsetzungen reagiert worden. Angesichts des erhöhten Gefahrenpotentials im Bereich der Achtungsgrenze seien Nutzungen für den dauerhaften Aufenthalt über Nacht und besonders öffentlichkeitswirksame Nutzungen nicht vertretbar. Daher seien insoweit auch Anlagen für sportliche Zwecke ausgeschlossen.
45Die Abgrenzung zwischen den Gewerbegebieten GE 1 und GE 2 sei maßgeblich aufgrund der einzuhaltenden Abstände des Abstandserlasses 2007 erfolgt. Hierdurch sei die Verträglichkeit mit den bestehenden südlich gelegenen Mischgebieten gewährleistet. Sowohl die südlich des Plangebiets befindlichen Mischnutzungen als auch die Achtungsgrenze bedingten die Gebietsausweisung und –abgrenzung. Die ermittelte Achtungsgrenze sei allerdings nicht parzellenscharf. Vor diesem Hintergrund sei es auch städtebaulich vertretbar, dass der schmale Streifen südlich der Achtungsgrenze innerhalb des Gewerbegebietes GE 1 noch den Nutzungsausschlüssen dieses Gewerbegebiets unterworfen sei.
46Der Bebauungsplan differenziere zudem zwischen Gewerbegebieten innerhalb der Achtungsgrenze (GE 1) und den außerhalb liegenden Gewerbegebieten (GE 2 und GE 3). Für die außerhalb der Achtungsgrenze liegenden Gewerbegebiete seien nach der Zielvorstellung des Plangebers auch Einrichtungen für Forschung und Lehre, Großveranstaltungen und Büros sowie Ausstellungsflächen zulässig. Wegen der Achtungsgrenze hätten diese Nutzungen im Gewerbegebiet GE 1 nicht für zulässig erklärt werden können.
47Nicht zu beanstanden sei auch die Festsetzung eines "Baurechts auf Zeit". Vor Bedingungseintritt seien Nutzungen zulässig, sofern die für die Hafensicherheit zuständige Behörde im Genehmigungsverfahren zustimme und die Nutzungen dem künftigen Bebauungsplan entspreche. Dieser führe daher nicht zu einer faktischen Bausperre. Im Übrigen seien bereits vor Inkrafttreten des Bebauungsplans Nutzungen der Hafenverordnung unterworfen gewesen. Daran habe der Bebauungsplan nichts geändert.
48Eine schalltechnische Überprüfung der Auswirkungen der geplanten Gewerbegebiete auf die Umgebung sei nicht erforderlich gewesen, da durch die Rückstufung von Industrie- in ein Gewerbegebiet die maximal mögliche industrielle Nutzung zu Gunsten von gewerblichen Nutzungen reduziert worden sei. Durch die Rücknahme der planungsrechtlich möglichen Nutzungen würden demzufolge potentielle Lärm- und Schadstoffbelastungen verringert werden. Um ein konfliktfreies Nebeneinander sowohl zwischen den Gewerbegebieten als auch mit den Mischgebieten sicherzustellen, sei die Gliederung des Plangebiets nach den Abstandsklassen des Abstandserlasses erfolgt. Durch diese Feingliederung werde die Steuerung der Ansiedlung zukünftiger Nutzungen unter Berücksichtigung des Schutzbedürfnisses geplanter und vorhandener Nutzungen sichergestellt. Eine Prüfung, wie sich die ausgewiesenen gewerblichen Nutzungen zwischen den geplanten Gewerbegebieten sowie den Mischgebieten innerhalb des Plangebiets auswirken würden, sei erst anhand der tatsächlichen, sich unter Umständen verändernden Umwelteinflüssen im Rahmen eines späteren Baugenehmigungsverfahrens möglich. Solange der metallverarbeitende Betrieb des Antragstellers von seinem genehmigten Bestand nicht abweiche, könnten empfindliche Nutzungen unter Umständen nicht zugelassen werden. Eine gesonderte Erhebung des metallverarbeitenden Betriebes sei vor diesem Hintergrund nicht allein deshalb erforderlich gewesen, weil innerhalb der Gewerbegebiete GE 2 und GE 3 auch Büronutzungen und Räume für die Lehre zulässig sein könnten. Aufgrund der Grobgliederung der Gebiete nach Nutzungsarten, der Feingliederung nach Betriebsarten durch den Abstandserlass sowie den passiven Lärmschutzfestsetzungen würden auf der Ebene der verbindlichen Bauleitplanung daher die Grundlage für ein konfliktfreies Nebeneinander geschaffen. Die ausgewiesenen Gewerbegebiete seien sowohl untereinander verträglich als auch im Hinblick auf die ausgewiesenen Mischgebiete und die bestehenden angrenzenden Gebiete.
49Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Planaufstellungsvorgänge der Antragsgegnerin verwiesen.
50E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
51Der Normenkontrollantrag ist zulässig (I.) und begründet (II.).
52I. Der Antrag ist zulässig.
53Der Antragsteller ist antragsbefugt (dazu 1.). Zudem ist der Antrag fristgerecht gestellt worden (dazu 2.).
541. Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann den Antrag auf Normenkontrolle jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Dabei sind an die Geltendmachung einer Rechtsverletzung keine höheren Anforderungen zu stellen als nach § 42 Abs. 2 VwGO. Es genügt, wenn der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch Festsetzungen des Bebauungsplans in einem Recht verletzt wird.
55 56Vgl. BVerwG, Urteile vom 24. September 1998
57- 4 CN 2.98 -, BRS 60 Nr. 46 = juris Rn. 8 ff.,
58und vom 10. März 1998 - 4 CN 6.97 -, BRS 60 Nr. 44 = juris Rn. 12.
59Die Antragsbefugnis steht danach regelmäßig dem Eigentümer eines im Plangebiet gelegenen Grundstücks zu, der sich gegen sein Eigentum betreffende Festsetzungen wendet. So liegt der Fall hier. Das Grundstück des Antragstellers liegt im Geltungsbereich des angegriffenen Bebauungsplans Nr. 677/I. Er wendet sich gegen die für sein Grundstück geltenden Festsetzungen in den Gewerbegebieten GE 1 und GE 2. Da mit den textlichen Festsetzungen unter Ziffer 1.4 das in diesen Gewerbegebieten zulässige Nutzungsspektrum - insbesondere hinsichtlich der Einzelhandelsnutzungen - nicht unerheblich eingeschränkt wird, besteht die konkrete Möglichkeit einer Rechtsverletzung zu Lasten des Antragstellers.
602. Der Antrag ist auch fristgerecht, nämlich innerhalb der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellt worden. Der Bebauungsplan Nr. 677/I wurde am 4. Mai 2009 (erstmals) öffentlich bekanntgemacht und der Normenkontrollantrag am 8. Juni 2009 gestellt.
61II. Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg.
62Der Bebauungsplan Nr. 677/1 ist unwirksam.
63Der angefochtene Bebauungsplan ist allerdings nicht mit formellen Mängeln be-haftet.
64Soweit der Antragsteller geltend macht, die Voraussetzungen für einen Erlass des angefochtenen Bebauungsplans im Wege der Dringlichkeitsentscheidung nach § 60 Abs. 1 GO NRW hätten nicht vorgelegen, ist dem entgegenzuhalten, dass der Rat der Antragsgegnerin in seiner Sitzung am 29. April 2009 einen weiteren Satzungsbeschluss gefasst und nicht etwa nur die Dringlichkeitsentscheidung vom 20. April 2009 genehmigt hat. Letztere ist damit hinfällig geworden. Selbst wenn der Rat im Übrigen lediglich die von dem Oberbürgermeister gemeinsam mit einem Ratsherrn getroffene Dringlichkeitsentscheidung genehmigt hätte, würde damit eine gerichtliche Überprüfung der in § 60 Abs. 1 Satz 1 und 2 GO NRW vorausgesetzten Eilbedürftigkeit entfallen, da die Dringlichkeitsentscheidung mit der Genehmigung durch den Rat rechtlich so zu behandeln ist, als ob dieser den Beschluss selbst gefasst hätte.
65Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 1. März 2011 - 15 A 1643/10 -, juris Rn. 38, Urteil vom 23. April 1996 - 10 A 620/91- , NVwZ 1997, 598 = juris Rn. 27; Stibi, in: Kleebaum/Palmen, GO NRW, 2. Auflage, 2010, § 60 Anm. II. 6.
66Auch ist der zunächst bestehende Verkündungsmangel,
67vgl. hierzu zuletzt OVG NRW, Urteil vom 7. Juli 2011 - 2 D 39/09.NE -, mit weiteren Nachweisen,
68dadurch im ergänzenden Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB geheilt worden, dass die Antragsgegnerin auf der Planurkunde einen Hinweis aufgebracht hat, wonach die in den textlichen Festsetzungen genannten DIN-Normen "bei der Stadt L. , Fachbereich Stadtplanung, Stadthaus, während der allgemeinen Dienstzeiten" eingesehen werden können. Der um diesen Hinweis ergänzte Bebauungsplan ist im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 30. Juni 2011 erneut öffentlich und mit Rückwirkung zum 4. Mai 2009 bekannt gemacht worden.
69Der Bebauungsplan Nr. 677/I ist indes materiell fehlerhaft. Die Festsetzung eines sog. Baurechts auf Zeit in Ziffer 8 der textlichen Festsetzungen entbehrt der erforderlichen Ermächtigungsgrundlage (1.). Dieser materielle Mangel führt schon für sich genommen zur Gesamtunwirksamkeit des angefochtenen Bebauungsplans (2.). Hinzu kommen Mängel bei der Feingliederung der festgesetzten Baugebiete sowie bei den festgesetzten Bepflanzungs- und Erhaltungsgeboten (3.).
701. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 BauGB kann im Bebauungsplan in besonderen Fällen festgesetzt werden, dass bestimmte der in ihm festgesetzten baulichen und sonstigen Nutzungen und Anlagen nur bis zum Eintritt bestimmter Umstände zulässig oder unzulässig sind; die Folgenutzung soll festgesetzt werden. Die Regelung in Ziffer 8 der textlichen Festsetzungen wird diesen Vorgaben aus verschiedenen - jeweils für sich genommen zur Unwirksamkeit dieser Festsetzung führenden - Gründen nicht gerecht.
71a) Die Anwendung des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BauGB unterliegt spezifischen Bestimmtheitsanforderungen, weil der Zeitpunkt oder die Umstände, bei deren Eintritt eine Nutzung einzustellen ist beziehungsweise erst zulässig werden soll, unter Umständen schwer zu bestimmen sein können. Das Bestimmtheitsgebot erfordert von der Gemeinde daher ein hohes Maß genauer Präzisierung der planerischen Festsetzung nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BauGB.
72Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. Juli 2011 - 2 D 137/09. NE -, S. 50 des amtlichen Umdrucks; OVG LSA, Urteil vom 17. Februar 2011 - 2 K 102/09 -, juris Rn. 79 ff.; Söfker, in: Ernst/ Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Band I, Loseblatt, Stand Januar 2011, § 9 Rn. 240 o.
73 74Gemessen daran fehlt es bereits an der hinreichenden Bestimmtheit der hier in Rede stehenden aufschiebenden Bedingung. Nach Satz 1 der Ziffer 8 der textlichen Festsetzungen sind die Nutzungen in den Mischgebieten M 1 - M 4 sowie in den Gewerbegebieten GE 1 - GE 3 unter der aufschiebenden Bedingung zulässig, dass ihre Grundflächen aus dem Geltungsbereich der - von der Bezirksregierung E2. auf der Grundlage von § 37 Abs. 3 LWG erlassenen - Hafenverordnung herausgenommen wurden. Dabei bleibt - auch unter Berücksichtigung der Planbegründung - unklar, ob die Bedingung auch dann eintritt, wenn nur einzelne Baugebiete oder sogar nur Teile eines einzelnen Baugebiets aus dem Geltungsbereich der Hafenverordnung herausgenommen würden, oder ob der Bedingungseintritt eine (einheitliche) Herausnahme aller festgesetzten Baugebiete voraussetzt. Insoweit entspricht diese Regelung nicht dem bei Festsetzungen nach § 9 Abs. 2 BauGB geforderten hohen Maß an Präzisierung.
75b) Eine Befristung oder Bedingung in einem Bebauungsplan nach § 9 Abs. 2 BauGB bedarf zudem einer außergewöhnlichen städtebaulichen Situation. Die Entscheidung, ob ein "besonderer Fall" im Sinne des § 9 Abs. 2 BauGB vorliegt, ist in engem Zusammenhang mit der Frage nach der Erforderlichkeit der befristeten oder bedingten Festsetzungen für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB zu treffen. Die Besonderheit des jeweiligen Falles muss städtebaulicher Art sein, das heißt einen Grund in einem spezifischen Erfordernis der städtebaulichen Ordnung und Entwicklung gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB haben, so dass die jeweilige Aufgabe der planerischen Ordnung der Bodennutzung besser mit einer Befristung oder Bedingung zu lösen ist als mit einer Festsetzung ohne solche Einschränkung.
76Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. Juli 2011 - 2 D 137/09. NE -, S. 50 des amtlichen Umdrucks; OVG LSA, Urteil vom 17. Februar 2011 - 2 K 102/09 -, juris Rn. 54, unter Hinweis auf die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum EAG Bau, BT-Dr. 15/2250, S. 49; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautz-berger, BauGB, Band I, Loseblatt, Stand Januar 2011, § 9 Rn. 240 l f.
77Die von § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BauGB erfassten "Umstände" können sowohl tatsächlicher als auch rechtlicher Art sein. Sind sie rechtlicher Natur, kann es sich um Maßnahmen handeln, die aus rechtlichen Gründen vorzusehen sind, um die Planung durchführen zu können, wenn es sich nicht um solche Rechtsgründe handelt, welche der Planung als solcher zwingend entgegenstehen. Sinn und Zweck des § 9 Abs. 2 BauGB ist es nicht, die rechtlichen Schranken der Planungsbefugnisse der Gemeinde nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB aufzuweichen oder zu umgehen.
78Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. Juli 2011 - 2 D 137/09. NE -, S. 51 des amtlichen Umdrucks; Hess. VGH, Urteil vom 22. April 2010 - 4 C 245/09.N -, juris Rn. 93; Söfker, in: Ernst/ Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Band I, Loseblatt, Stand Januar 2011, § 9 Rn. 240 m.
79Gemessen an diesen Maßstäben fehlt es vorliegend an einem die aufschiebende Bedingung rechtfertigenden "besonderen Fall" im Sinne von § 9 Abs. 2 Satz 1 BauGB.
80Die Antragsgegnerin begründet die aufschiebende Bedingung damit, dass nach § 2 Abs. 1 HVO im Hafenbereich der Aufenthalt für Unbefugte außerhalb der öffentlichen Straßen untersagt sei. Durch das Projekt "S. " solle jedoch der bisher private Charakter in einen öffentlichen, durch Besucher belebten Bereich entwickelt werden. Die Anforderungen eines Hafenbereichs stünden daher den Zielsetzungen des Projekts entgegen. Es sei erforderlich, ein Verfahren zur Herausnahme des entsprechenden Bereichs einzuleiten und die Hafenverord-nung entsprechend zu ändern. Durch das aufschiebend bedingte Baurecht werde sichergestellt, dass erst dann eine Baugenehmigung ausgesprochen werden könne, sobald die Herausnahme des Plangebiets aus dem Hafenbereich voll-zogen sei (vgl. hierzu die Planbegründung, Ziffer V. 1.1, S. 18 f.).
81Aus diesen von der Antragsgegnerin aufgezeigten Gründen ergibt sich jedoch keine besondere städtebauliche Situation, in der eine aufschiebende Bedingung erforderlich wäre. Bei der Hafenverordnung handelt es sich um eine auf der Grundlage von § 37 Abs. 3 LWG erlassene ordnungsbehördliche Verordnung, die in § 2 Abs. 1 aus Gründen der Sicherheit des Hafenbetriebs ein (eingeschränktes) Aufenthaltsverbot vorsieht. Dieses steht dem von der Antragsgegnerin mit dem angefochtenen Bebauungsplan verfolgten Ziel der Entwicklung eines "öffentlichen, von Besuchern belebten Bereichs" aber nicht zwingend entgegen, weil das - verhaltensbezogene, nicht aber anlagenzulassungsrelevante - Aufenthalts-verbot zum einen nicht für den Bereich der öffentlichen Straßen (und Plätze) gilt und im Übrigen der Besucher einer im Hafenbereich baurechtlich zugelassenen Nutzung kein Unbefugter im Sinne von § 2 Abs. 1 HafenV ist. Bodenrechtlich relevante, einem gemeindlichen Bebauungsplan vorgehenden Regelungen zur Zulässigkeit von baulichen Anlagen im Hafenbereich enthält die Hafenverordnung aber nicht.
82Dessen ungeachtet ist es im Hinblick auf die Befugnisse der Hafensicherheitsbehörde im Bereich eines Hafens (vgl. etwa §§ 5, 7 HaSiG NRW) zwar zumindest sinnvoll, das Gebiet des angefochtenen Bebauungsplans aus dem Hafenbereich herauszunehmen. Dies führt jedoch ebenfalls nicht zu einer besonderen städtebaulichen Situation. Der Gesetzgeber hatte bei der aufschiebenden Bedingung im Sinne von § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BauGB Konstellationen im Blick, in der eine bestimmte Nutzung - etwa aus Gründen des Lärmschutzes und damit auch des planerischen Rücksichtnahmegebots - zunächst verwirklicht werden muss, bevor weitere Nutzungen folgen können.
83Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum EAG Bau, BT-Dr. 15/2250, S. 49.
84Bei einer solchen zeitlich gestaffelten Nutzung ist die Bedingung eine planerische notwendige Reaktion auf eine absehbare Änderung in der städtebaulichen Situation infolge von Nutzungsaufnahmen, -änderungen oder -aufgaben.
85OVG LSA, Urteil vom 17. Februar 2011 - 2 K 102/09 -, juris Rn. 70.
86Um eine vergleichbare Konstellation geht es vorliegend nicht. Eine Änderung des Geltungsbereichs der Hafenverordnung führt zwar zu einer Änderung der allgemeinen rechtlichen Rahmenbedingungen; sie hat jedoch keinen unmittelbaren Einfluss auf die Nutzungsstruktur bzw. auf die (baurechtliche) Zulässigkeit von Nutzungen in dem betroffenen Bereich.
87Soweit die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, die Hafensicherheitsbehörde werde bei Baugenehmigungsverfahren im Hafenbereich beteiligt und müsse ihre "Zustimmung" zu Bauvorhaben erteilen, handelt es sich bei dieser "Zustimmung" um ein reines Verwaltungsinternum. Eine formelle Beteiligung in Baugenehmigungsverfahren sehen weder die Landesbauordnung NRW noch die Hafenverordnung L. oder das Hafensicherheitsgesetz vor. Die Beteiligung der Hafensicherheitsbehörde hat allein den Zweck, sicherzustellen, dass durch ein Bauvorhaben die Sicherheit des Hafenbetriebs - insoweit handelt es sich um ein Schutzgut der öffentlichen Sicherheit (vgl. § 14 Abs. 1 OBG NRW) - nicht beeinträchtigt wird. Aussagen zur Zulässigkeit von Bauvorhaben im Übrigen kann die Hafensicherheitsbehörde nicht treffen. Dementsprechend hat die Antrags-gegnerin zutreffend darauf verwiesen, dass es auch im Hafenbereich bei der Planungshoheit der Gemeinde verbleibt.
88Aufgrund des fehlenden bodenrechtlichen Bezugs der Hafenverordnung kann sich aus deren Regelungen auch kein "besonderer Fall" im Sinne von § 9 Abs. 2 Satz 1 BauGB ergeben.
89Vgl. Kuschnerus, Der sachgerechte Bebauungsplan, 4. Auflage, 2010, Rn. 951 (mit einer Darstellung von Anwendungsbereichen, in denen bedingte Festsetzungen zum Tragen kommen können).
90Gegen die Annahme eines "besonderen Falls" spricht schließlich auch die in Satz 2 der Ziffer 8 der textlichen Festsetzungen enthaltene Ausnahmeregelung, wonach schon vor Bedingungseintritt mit Zustimmung der Hafensicherheitsbehörde Baugenehmigungen erteilt werden können, wenn das Vorhaben im Übrigen den planerischen Festsetzungen entspricht. Diese Ausnahmeregelung zeigt, dass die bedingte Entstehung des Baurechts in der vorliegenden Konstellation letztlich nicht erforderlich ist, sondern dem Interesse an der Sicherheit des Hafenbetriebs generell - ohne die aufschiebende Bedingung - durch eine Beteiligung der Hafensicherheitsbehörde am Baugenehmigungsverfahren hinreichend Rechnung getragen werden kann. Als bloßen Hinweis auf die Beteiligung der Hafensicherheitsbehörde hat die Antragsgegnerin die Ziffer 8 der textlichen Festsetzungen aber gerade nicht ausgestaltet.
91c) Die textliche Festsetzung in Ziffer 8 kann schließlich auch deshalb nicht auf § 9 Abs. 2 BauGB gestützt werden, weil in ihrem Satz 3 vorgesehen ist, dass der "Bedingungszeitpunkt" auf den 31. März 2013 festgelegt ist. Diese Regelung hat nicht etwa den Inhalt, dass zu diesem Zeitpunkt die Bedingung als eingetreten gilt; diese Entkoppelung von der Änderung des Geltungsbereichs der Hafenverordnung würde im Übrigen dem ihr von der Antragsgegnerin beigemessenen Sinn und Zweck der Regelung widersprechen. Nach der Planbegründung (siehe dort Ziffer V. 1.1, S. 19 f.) handelt es sich vielmehr um eine Befristung des Bedingungseintritts, das heißt der Eintritt der Bedingung muss spätestens bis zum 31. März 2013 erfolgen. Die Antragsgegnerin geht weiter davon aus, dass der angefochtene Bebauungsplan zwar weiterhin in Kraft bleibt, wenn der Bedingungseintritt nicht bis zum 31. März 2013 erfolgt; die aufschiebend bedingte Nutzung bleibe allerdings dauerhaft unzulässig.
92aa) Die Befristung einer aufschiebenden Bedingung - wie sie hier in Rede steht - kann aber bereits nicht auf § 9 Abs. 2 Satz 1 gestützt werden.
93Die rechtliche Grundlage ergibt sich zum einen nicht aus § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BauGB, weil diese Ermächtigung nur Festsetzungen baulicher und sonstiger Nutzungen und Anlagen betrifft, mit denen ein Baurecht für einen bestimmten Zeitraum geschaffen wird. Die Befristung des Bedingungseintritts im Falle eines auf der Grundlage des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BauGB nur aufschiebend bedingt eingeräumten Baurechts, ist davon nicht erfasst. Denn in diesem Fall werden mit Erlass des Bebauungsplans Nutzung und Anlagen gerade (vorerst) nicht zugelassen. Eine "Befristung" von Festsetzungen, die noch gar kein Baurecht begründen, sondern vielmehr ein solches ausgeschlossen haben, ist nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BauGB aber nicht vorgesehen.
94Die Zulässigkeit der Befristung einer aufschiebenden Bedingung kann auch nicht aus § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BauGB abgeleitet werden. Die aufschiebende Bedingung erfasst bauliche und sonstige Nutzungen und Anlagen, die nach den Festsetzungen des Bebauungsplans bis zum Eintritt bestimmter Umstände zulässig oder unzulässig sein sollen. Ersteres setzt voraus, dass die Nutzung vor Bedingungseintritt zulässig war; Letzteres beinhaltet, dass die Nutzung erst nach Eintritt zulässig wird, vorher aber unzulässig bleibt. Die 2. Alternative des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BauGB geht daher davon aus, dass bei Eintritt eines bestimmten Umstandes, dessen Eintritt hinreichend sicher sein muss,
95vgl. Kuschnerus, Der sachgerechte Bebauungsplan, 4. Auflage, 2010, Rn. 948,
96ein Baurecht entsteht und damit der Bebauungsplan sein städtebauliche Ordnungsfunktion erfüllen kann. Die Befristung eines mangels Bedingungseintritts nicht entstandenen Baurechts läuft demgegenüber dem Regelungszweck zuwider. Dafür spricht nicht zuletzt auch, dass der Gesetzgeber in § 9 Abs. 2 Satz 2 BauGB von einer festzusetzenden "Folge"-Nutzung ausgeht.
97Eine andere Bewertung ergibt sich nicht aus der in der Planbegründung (dort Ziffer V. 1.1, S. 19 f.) zitierten Arbeitshilfe "Baurecht auf Bahnflächen - Bedingte Nutzungen und Freistellung" (2006) des Forums Bahnflächen NRW. Soweit in dieser Arbeitshilfe (vgl. dort etwa S. 10) darauf verwiesen wird, eine Befristung der aufschiebenden Bedingung sei im Hinblick auf eine eventuelle Entschädi-gungspflicht der Kommune wegen verzögerten Bedingungseintritts "sinnvoll", lässt dies die Frage der insoweit erforderlichen Rechtsgrundlage für die Befris-tung offen. Dies gilt auch für die weitere Feststellung, dass das bedingt angeord-nete Baurecht ohne Befristung nach den Grundsätzen der Funktionslosigkeit wegfallen könne (vgl. S. 36 der Arbeitshilfe). Insoweit kommt hinzu, dass die Funktionslosigkeit einer bauplanerischen Festsetzung voraussetzt, dass die tat-sächlichen Verhältnisse, auf die sie sich bezieht, ihre Verwirklichung auf unabsehbare Zeit ausschließen und diese Tatsache so offensichtlich ist, dass ein in ihre Fortgeltung gesetztes Vertrauen keinen Schutz verdient. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist für jede Festsetzung gesondert zu prüfen.
98Vgl. zu den Voraussetzungen der Funktionslosigkeit etwa BVerwG, Beschluss vom 9. Oktober 2003 - 4 B 85.03 -, BRS 66 Nr. 52 = juris Rn. 8 mit weiteren Nachweisen.
99Da die Funktionslosigkeit einer planerischen Festsetzung somit abhängig von den tatsächlichen Verhältnissen und deren Entwicklung ist, kann sie nicht von vornherein - das heißt bei Aufstellung eines Bebauungsplans - mit dem Ablauf einer konkreten Frist unterstellt werden. Daher rechtfertigt auch dieser Aspekt vorliegend nicht die in Ziffer 8 der textlichen Festsetzungen erfolgte Befristung der aufschiebenden Bedingung.
100bb) Selbst wenn die Befristung einer aufschiebenden Bedingung im Grundsatz zulässig wäre, wäre die textliche Festsetzung in Ziffer 8 jedenfalls deshalb un-wirksam, weil es an der nach § 9 Abs. 2 Satz 2 BauGB erforderlichen Festsetzung einer Folgenutzung für den Fall fehlt, dass die Bedingung - Herauslösung aus dem Geltungsbereich der Hafenverordnung - nicht bis zum 31. März 2013 eintritt. Zu diesem Zeitpunkt entfallen gegebenenfalls endgültig die in dem angefochtenen Bebauungsplan für die Gewerbegebiete GE 1 - GE 3 sowie die Mischgebiete MI 1 - MI 4 getroffenen Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzungen (vgl. Ziffer V. 1.1, S. 20, der Planbegründung), ohne dass der Bebauungsplan regelt, welche Nutzungen auf den betroffenen Flächen nach diesem Zeitpunkt zulässig sein sollen. In einer solchen Konstellation ist die Festsetzung einer Folgenutzung erforderlich, damit der Bebauungsplan die planungsrechtlichen Grund-lagen auch für die weitere städtebauliche Entwicklung erhält.
101Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum EAG Bau, BT-Dr. 15/2250, S. 49.
102Zweck eines Bebauungsplans ist es nämlich, für sein Gebiet verbindliche Regelungen der städtebaulichen Ordnung zu treffen (vgl. §§ 1 Abs. 3, 8 Abs. 1 BauGB). Diesem Zweck liefe es zuwider, die Zulässigkeit von Nutzungsmöglichkeiten zu befristen, ohne eine Anschlussnutzung vorzusehen und daher die betroffenen Flächen im Plangebiet für die Zukunft ohne Regelungen zur Zulässigkeit von Vorhaben zu belassen.
103Vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/ Krautzberger, BauGB, Band I, Loseblatt, Stand: Januar 2011, § 9 Rn. 241.
104Die Ausgestaltung des § 9 Abs. 2 Satz 2 BauGB als Soll-Vorschrift kann auch nicht so verstanden werden, dass die Gemeinde ermächtigt wäre, die Regelung der städtebaulichen Ordnung mit dem durch die Festsetzung nach § 9 Abs. 2 Satz 1 BauGB gewollten Ende der Zulässigkeit offen zu lassen. Die Möglichkeit des Verzichts auf die Festsetzung einer Folgenutzung besteht vielmehr nur in atypischen Fällen.
105Vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/ Krautz-berger, BauGB, Band I, Loseblatt, Stand: Januar 2011, Rn. 241 h.
106Ein solcher atypischer Fall ist vorliegend nicht gegeben. Die Zulässigkeit von Nutzungen würde sich nämlich - für den Fall, dass die Bedingung nicht bis zum 31. März 2013 eintritt - nach der Planersatzvorschrift des § 34 BauGB bestimmen.
107 108Vgl. Kuschnerus, ZfBR 2005, 125, 129.
109Mit seinen verbleibenden Festsetzungen würde der Bebauungsplan Nr. 677/I für sich genommen dagegen keine sinnvolle städtebauliche Ordnung mehr bewirken. Die verbleibenden Festsetzungen - insbesondere die Festsetzung von öffentlichen Verkehrsflächen mit der Zweckbestimmung Geh- und Radweg sowie die Festsetzung von Fußgängerbereichen - stünden vielmehr im Widerspruch zu den sich nach § 34 BauGB ergebenden (gewerblichen) Nutzungsmöglichkeiten. Zudem ergäbe sich ein unauflöslicher Widerspruch zu der Vorstellung, die der Regelung in Satz 2 der Ziffer 8 der textlichen Festsetzungen zugrundeliegt, wonach den Festsetzungen des Bebauungsplans entsprechende Vorhaben mit Zustimmung der für die Hafensicherheit zuständigen Behörde auch unbeschadet des fehlenden Bedingungseintritts zulässig sein sollen.
1102. Die Unwirksamkeit der Ziffer 8 der textlichen Festsetzungen führt insgesamt zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans Nr. 677/I.
111Die Unwirksamkeit einzelner Festsetzungen eines Bebauungsplans führt nur dann nicht zur Unwirksamkeit der übrigen Festsetzungen, wenn und soweit diese ohne den unwirksamen Teil sinnvoll bleiben (Grundsatz der Teilbarkeit) und zusätzlich die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch einen Plan dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte (Grundsatz des mutmaßlichen Willens des Normgebers). Maßgeblich sind also die konkreten Zielvorstellungen der Gemeinde. Die bloße Möglichkeit, dass die Gemeinde sich für eine eingeschränkte Planung hätte ent-scheiden können, reicht nicht aus. Vielmehr muss mit Sicherheit angenommen werden können, die Gemeinde wäre nach ihrem mutmaßlichen Willen in Un-kenntnis der Unwirksamkeit einzelner Festsetzungen entsprechend verfahren.
112Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. März 2009 - 4 C 21.07 -, BRS 74 Nr. 1 = juris Rn. 30, Beschluss vom 8. August 1989 - 4 NB 2.89 -, BRS 49 Nr. 35 = juris Rn. 15.
113Diese Voraussetzungen einer Teilunwirksamkeit sind vorliegend nicht gegeben. Es liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass die Antragsgegnerin den Bebauungsplan Nr. 677/I auch ohne die textliche Festsetzung Ziffer 8 getroffen hätte. Die Antragsgegnerin ist vielmehr - wie sich aus den Ausführungen in der Planbegründung (dort Ziffer V. 1.1, S. 18 ff.) ergibt - erkennbar davon ausgegangen, dass eine sofortige Realisierung der in den festgesetzten Baugebieten zulässigen Nutzungen mit den sich aus der Hafenverordnung ergebenden Einschränkungen nicht vereinbar ist und daher zunächst keine Baurechte ausgeschöpft werden sollen. Das Ziel, einen Bebauungsplan zu erlassen ohne gleichzeitig schon Baurechte zu begründen, ließ sich aber nur durch die Festsetzung nach § 9 Abs. 2 BauGB umsetzen. Diese ist elementarer Bestandteil des Planungskonzepts. Eine isolierte Unwirksamkeit der Regelungen zum "Baurecht auf Zeit" in Ziffer 8 der textlichen Festsetzungen würde daher zu einer Verfälschung des in der Planbegründung niedergelegten kommunalen Planungswillens führen.
1143. Der angefochtene Plan ist zudem mit weiteren materiellen Mängeln behaftet. Dies betrifft zum einen den in den festgesetzten Gewerbe- und Mischgebieten erfolgten Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben (dazu 3.1) und zum anderen die Regelungen zum Pflanz- und Erhaltungsgebot (dazu 3.2).
1153.1 Die Feingliederung der festgesetzten Baugebiete in Ziffer 1.1.1 und 1.3.1 der textlichen Festsetzungen durch Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben und Zulassung einer Ausnahme steht mit § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB in Verbindung mit § 1 Abs. 5 und 9 BauNVO teilweise nicht im Einklang.
116a) Gemäß § 1 Abs. 5 BauNVO kann im Bebauungsplan festgesetzt werden, dass bestimmte Arten von Nutzungen, die nach den §§ 2, 4 bis 9 und 13 BauNVO allgemein zulässig sind, nicht zulässig sind, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.
117Der von § 1 Abs. 5 BauNVO gestattete Ausschluss bestimmter Nutzungsarten aus einem festgesetzten Baugebiet ist nur wirksam, wenn er im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich und durch städtebauliche Gründe gerechtfertigt ist.
118Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 25. April 2002 - 4 BN 20.02 -, juris Rn. 6, vom 11. Mai 1999 - 4 BN 15.99 -, BRS 62 Nr. 19 = juris Rn. 4, und vom 22. Mai 1987 - 4 N 4.86 -, BRS 47 Nr. 54 = juris Rn. 13; Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Auflage 2008, § 1 Rn. 101; Roeser, in: König/Roeser/ Stock, BauNVO, 2. Auflage 2003, § 1 Rn. 67.
119§ 1 Abs. 5 BauNVO gilt auch dann, wenn der vollständige Ausschluss einer Nutzungsart durch Gegenausnahmen für bestimmte Arten von Anlagen der betreffenden Nutzungsart wieder ein Stück zurückgenommen wird. Der Rechtfertigungsbedarf, den § 1 Abs. 9 BauNVO für diese im Vergleich zu § 1 Abs. 5 BauNVO noch stärker ins Einzelne gehende Differenzierung und Verfeinerung der zulässigen Nutzungen normiert, bezieht sich allein auf diese Gegenausnahmen. Nur insoweit muss die Gemeinde darlegen, warum das von ihr gewählte Abgrenzungskriterium marktüblichen Gegebenheiten entspricht - es die ausgeschlossene Nutzungsart also in der sozialen und ökonomischen Realität gibt - und die Feindifferenzierung durch besondere städtebauliche Gründe gerechtfertigt ist.
120Vgl. BVerwG, Urteile vom 26. März 2009 - BVerwGE 133, 310 = BRS 74 Nr. 1 = juris Rn. 13, und vom 8. November 2004 - 4 BN 39.04 -, BRS 67 Nr. 34 = juris Rn. 27.
121Über die Rechtfertigung durch städtebauliche Gründe hinaus setzt ein Ausschluss von Nutzungsarten auf der Grundlage von § 1 Abs. 5 BauNVO voraus, dass die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt. Festsetzungen nach § 1 Abs. 5 BauNVO dürfen nach dem Grundsatz der "Typenreinheit" nicht dazu führen, dass ein Baugebiet geschaffen wird, das einen anderen als den normativ vorgegebenen Charakter aufweist. Der Normgeber lässt nicht zu, durch den Ausschluss an sich zulässiger Nutzungsarten ein Baugebiet in seinem Erscheinungsbild so nachhaltig zu verändern, dass es keinem der in der Baunutzungsverordnung geregelten Baugebietstypen mehr entspricht.
122Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 8. November 2004 - 4 BN 39.04 -, BRS 67 Nr. 34 = juris Rn. 22, und vom 11. Mai 1999 - 4 BN 15.99 -, BRS 62 Nr. 19 = juris Rn. 3; OVG NRW, Urteil vom 25. Oktober 2007 - 7 A 1059/06 -, juris Rn. 69; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 20. Juni 1995 - 8 S 237/95 -, BRS 57 Nr. 27 = juris Rn. 17; Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Auflage 2008, § 1 Rn. 102.
123Gemessen daran ist der in Ziffer 1.1.1 und 1.3.1 - jeweils erster Spiegelstrich - der textlichen Festsetzungen erfolgte grundsätzliche Ausschluss von Einzelhandelsbetrieben (in Misch- und Gewerbegebiet an sich zulässig nach § 6 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO und § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO) allerdings nicht zu beanstanden.
124Wie in der Planbegründung zum Ausdruck kommt (siehe dort Ziffer IV. 2.1, S. 14 f., und V. 1.2, S. 20) strebt die Antragsgegnerin im Plangebiet eine Revitalisie-rung der derzeit teilweise brach liegenden, früher gewerblich genutzten Flächen an. Es soll ein kleinteilig durchmischtes Stadtviertel entstehen, in dem das städtische Wohnen gleichberechtigt neben verschiedensten kulturellen und gewerblichen Nutzungen verankert ist. Um einen differenzierten Übergang zwischen der V2. Altstadt im Süden und den Industrieanlagen im V2. Norden ("D. ") zu erreichen, werden im nördlichen Teil des Plangebiets Gewerbe-gebiete und im südlichen Bereich Mischgebiete ausgewiesen. Die festgesetzten Baugebiete werden zudem von Norden nach Süden hinsichtlich des Störgrads und der Empfindlichkeit der zulässigen Nutzungen gegliedert. In den Mischgebieten sollen sich innenstadttypische Nutzungen wie Kombinationsformen von Wohnen und Arbeiten, Gastronomie, Hotel und kulturelle Einrichtungen ansiedeln können. Diese Zielsetzung ist nachvollziehbar und wird vom Antragsteller nicht in Frage gestellt. Die Antragsgegnerin trägt insofern den in § 1 Abs. 6 Nrn. 1, 4 und 8a BauGB zum Ausdruck kommenden Belangen der allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse, der Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und des Umbaus vorhandener Ortsteile sowie der Wirtschaft Rechnung.
125Auf der Grundlage dieses Planungskonzepts der Antragsgegnerin kann der grundsätzliche Ausschluss von Einzelhandelsnutzungen in den Gewerbe- und Mischgebieten auf § 1 Abs. 5 BauNVO gestützt werden.
126Zur "Städtebaupolitik" einer Gemeinde, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen entspricht, gehört auch die Entscheidung, ob und in welchem Umfang sie Teile ihres Gemeindegebiets zur Unterbringung von Einzelhandelsbetrieben zur Verfügung stellt. Wünscht sie an einem bestimmten Standort keine Einzelhandelsbetriebe, so ist es ihr unter dem Blickwinkel des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB grundsätzlich nicht verwehrt, auf der Grundlage des § 1 Abs. 5 BauNVO ein Mischgebiet unter Ausschluss dieser Nutzungsart festzusetzen. Voraussetzung hierfür ist, dass sie eine städtebauliche Begründung anführen kann, die sich aus der jeweiligen Planungssituation ergibt und die die Abweichung von den in der Baunutzungsverordnung vorgegebenen Gebietstypen durch hinreichend gewichtige städtebauliche Allgemeinwohlbelange in nachvollziehbarer Weise rechtfertigt.
127Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. März 2009 4 C 21.07 , BRS 74 Nr. 1 = juris Rn. 18 (vorgehend OVG NRW, Urteil vom 25. Oktober 2007 - 7 A 1059/06 -, juris), Beschlüsse vom 3. Mai 1993 - 4 NB 13.93 -, juris Rn. 5, und vom 18. De-zember 1989 - 4 NB 26.89 -, BRS 49 Nr. 75 = juris Rn. 6.
128Nach diesem Maßstab ist der grundsätzliche Ausschluss von Einzelhandelsnutzungen in den festgesetzten Gewerbe- und Mischgebieten für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung der Antragsgegnerin erforderlich und durch städtebauliche Gründe gerechtfertigt. Ziel des Bebauungsplans ist es, das Plangebiet zu beleben und städtebaulich aufzuwerten. Dieses Ziel kann nach den Vorstellungen der Antragsgegnerin - insbesondere in den Mischgebieten - durch die Ansiedlung kultureller und gastronomischer Nutzungen besser erreicht werden als mit Einzelhandelseinrichtungen (vgl. S. 30 der Verwaltungsvorlage zum Satzungsbeschluss). Auch sollen im Plangebiet aufgrund der verkehrlich angespannten Situation - insbesondere der Lärm- und Luftschadstoffvorbelastung durch die I. Straße und der wenigen Stellplätze im Plangebiet - keine Nutzungen angesiedelt werden, die besonderes verkehrsinduzierend sind (vgl. Ziffer V. 1.2.2, S. 23, der Planbegründung). Dies treffe aber in aller Regel auf Einzelhandelsbetriebe zu. Diese nachvollziehbare städtebauliche Begründung gilt nicht nur für zentren- und nahversorgungsrelevante Sortimente - bei denen sich zudem schädliche Auswirkungen auf das unmittelbar angrenzende V2. Zentrum aufdrängen - sondern auch für die sonstigen Sortimente. Für die großflächigen nicht zentren- und nahversorgungsrelevanten Fachmärkte sieht das am 13. Juni 2002 vom Rat der Antragsgegnerin beschlossene Zentrenkonzept (siehe dort S. 23, 54; abrufbar unter www.krefeld.de) zudem eine Ansiedlung in sog. Sonderlagen vor.
129b) Die in den textlichen Festsetzungen 1.1.1 (fünfter Spiegelstrich) und 1.3.1 (dritter Spiegelstrich) enthaltene Gegenausnahme von dem Einzelhandelsausschluss für "Läden wie Kioske und vergleichbare Einrichtungen im Sinne des § 1 LSchlG, die eine kleinere Verkaufsfläche als 50 m² aufweisen" kann dagegen nicht auf § 1 Abs. 9 BauNVO gestützt werden.
130§ 1 Abs. 9 BauNVO wirft für Gegenausnahmen von einem vollständigen Ausschluss einer Nutzungsart nach § 1 Abs. 5 BauNVO einen erhöhten städtebaulichen Rechtfertigungsbedarf auf. Insoweit muss die Gemeinde darlegen, warum das von ihr gewählte Abgrenzungskriterium marktüblichen Gegebenheiten entspricht - es die vom Ausschluss ausgenommene Nutzungsart also in der sozialen und ökonomischen Realität gibt - und die Feindifferenzierung durch besondere städtebauliche Gründe gerechtfertigt ist.
131Vgl. nochmals BVerwG, Urteile vom 26. März 2009 -, BRS 74 Nr. 1 = juris Rn. 13, und vom 8. November 2004 - 4 BN 39.04 -, BRS 67 Nr. 34 = juris Rn. 27.
132Das "Besondere" an den städtebaulichen Gründen im Sinne des § 1 Abs. 9 BauNVO besteht nicht notwendig darin, dass die Gründe für die Feindifferenzierung von größerem oder im Verhältnis zu § 1 Abs. 5 BauNVO zusätzlichem Gewicht sein müssen. Vielmehr ist mit "besonderen" städtebaulichen Gründen gemeint, dass es spezielle Gründe gerade für die gegenüber § 1 Abs. 5 BauNVO noch feinere Ausdifferenzierung der zulässigen Nutzungen geben muss.
133Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 4. Oktober 2007 - 4 BN 39.07 -, BRS 71 Nr. 21 = juris Rn. 4, und vom 10. November 2004 - 4 BN 33.04 -, BRS 67 Nr. 18 = juris Rn. 4; OVG NRW, Urteile vom 18. Mai 2010 - 10 D 92/08.NE -, juris Rn. 66, und vom 26. Februar 2009 - 10 D 40/07.NE -, juris Rn. 60.
134Der Gemeinde ist es dabei nicht grundsätzlich verwehrt, die Zulässigkeit auch nach der Größe der Anlagen, wie etwa der Verkaufs- oder der Geschossfläche von Handelsbetrieben, unterschiedlich zu regeln. Den Anforderungen des § 1 Abs. 9 BauNVO entspricht eine solche Planung allerdings nur, wenn durch die Größenangabe bestimmte Arten von baulichen oder sonstigen Anlagen zutreffend gekennzeichnet werden. Betriebe, bei denen die Verkaufs- oder die Geschossfläche eine bestimmte Größe überschreitet, sind nicht schon allein deshalb auch "bestimmte Arten" im Sinne des § 1 Abs. 9 BauNVO. Die Begrenzung der höchstzulässigen Verkaufs- oder Geschossfläche trägt die Umschreibung eines bestimmten Anlagentyps nicht gleichsam in sich selbst. Vielmehr muss die Gemeinde darlegen, warum Betriebe unter beziehungsweise über den von ihr festgesetzten Größen generell oder doch jedenfalls unter Berücksichtigung der besonderen örtlichen Verhältnisse einem bestimmten Anlagentyp entsprechen.
135Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Oktober 2006 - 4 BN 1.06 -, juris Rn. 4, Urteil vom 8. November 2004 - 4 BN 39.04 -, BRS 67 Nr. 34 = juris Rn. 27, Beschlüsse vom 27. Juli 2001 - 4 B 55.01 -, BRS 64 Nr. 29 = juris Rn. 4, und vom 27. Juli 1998 - 4 BN 31/98 -, BRS 60 Nr. 29 = juris Rn. 7, Urteil vom 22. Mai 1987 - 4 C 77.84 -, BRS 47 Nr. 58 = juris Rn. 18 ff.
136Nach diesen Grundsätzen dürfte zwar ein Kiosk als allgemein üblicher Betriebstyp angesehen werden, der einer Feingliederung zugänglich ist.
137Vgl. Kuschnerus, Der standortgerechte Einzelhandel, 2007, Rn. 534.
138Allerdings ist die Antragsgegnerin mit den hier in Rede stehenden Festsetzungen über den Typ des "klassischen" Kiosk hinausgegangen. Es soll nämlich "die Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben wie Kioske, Lotterieannahmestelle, Mini-Shops und ähnliches ermöglicht werden" (vgl. V. 1.2.1, S. 23, der Planbegründung). Damit wird zum einen eine unbegrenzte Variationsbreite von (kleineren) Einzelhandelsbetrieben eröffnet, die üblicherweise nicht als eine bestimmte Art von Einzelhandelsbetrieben verstanden wird. Zudem lässt sich weder aus der Planbegründung noch aus den übrigen Aufstellungsvorgängen entnehmen, dass die aufgeführten Einzelhandelsbetriebe mit einer Verkaufsfläche von weniger als 50 m² generell oder jedenfalls unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin eine bestimmte Art von baulichen Anlagen darstellen, deren Zulassung oder Ausschluss im Gewerbegebiet durch be-sondere städtebauliche Gründe gerechtfertigt ist.
139Vgl. hierzu auch OVG NRW, Urteile vom 25. November 2009 - 10 D 93/07.NE -, juris Rn. 34 , und vom 7. März 2006 - 10 D 10/04.NE -, ZfBR 2007, 64 = juris Rn. 95.
140Die Antragsgegnerin begründet die festgesetzten Gegenausnahmen vom Einzelhandelsausschluss damit, dass hierdurch eine zusätzliche Belebung des Plangebiets erfolge, ohne dass es zu schädlichen Auswirkungen auf das V2. Zentrum kommen werde. Dies können zwar besondere städtebauliche Gründe im Sinne von § 1 Abs. 9 BauNVO sein. Allerdings wird damit nicht dargelegt, dass es sich bei den aufgeführten Einzelhandelsbetrieben um einen eigenständigen Nutzungstyp handelt, den es in der sozialen Wirklichkeit gibt.
1413.2 Soweit in Ziffer 6 der textlichen Festsetzungen vorgesehen ist, dass Stand-orte, Baumarten und Pflegemaßnahmen mit dem Fachbereich Grünflächen der Antragsgegnerin abzustimmen seien, fehlt es hierfür ebenfalls an der erforder-lichen Rechtsgrundlage; eine entsprechende Regelung könnte daher nur als (unverbindlicher) - und als solcher gekennzeichneter - Hinweis in den Bebau-ungsplan aufgenommen werden. Die unter Ziffer 6.1 bis 6.3 getroffenen Festset-zungen zur Bepflanzung mit und zur Erhaltung von Bäumen können zwar auf § 9 Abs. 1 Nr. 25 BauGB gestützt werden. Allerdings muss der Bebauungsplan selbst Standort, Umfang und Qualität der Bepflanzung festlegen, ohne dass es einer zusätzlichen behördlichen Abstimmung bedarf. Da der Bebauungsplan hierzu die erforderlichen und hinreichend bestimmten Regelungen enthält, spricht Einiges dafür, dass der Plangeber das Abstimmungserfordernis ohnehin nicht als zwingendes Gebot festsetzen wollte.
142Das unter Ziffer 6.3.1 vorgesehene Pflanzgebot für sechs großkronige Bäume auf den im Eigentum des Antragstellers stehenden, in der Planzeichnung konkret bezeichneten Flächen im Gewerbegebiet GE 1 belastet diesen im Übrigen nicht unverhältnismäßig. Der Senat kann nicht erkennen, dass die Anpflanzung dieser Bäume die Nutzung des Bereichs - etwa für Kfz-Stellplätze - wesentlich beeinträchtigt.
143III. Ungeachtet der aufgezeigten beachtlichen Mängel des angefochtenen Bebauungsplans wird im Hinblick auf eine von der Antragsgegnerin - eventuell im Rahmen eines ergänzendes Verfahren (vgl. § 214 Abs. 4 BauGB) - beabsichtigte Behebung dieser Mängel darauf hingewiesen, dass das Vorbringen des Antragstellers keine weitergehenden Fehler des angefochtenen Bebauungsplans aufzeigt und die sein Grundstück betreffenden (weiteren) Festsetzungen auch sonst voraussichtlich keinen Bedenken unterliegen.
144Die Festsetzungen des angefochtenen Bebauungsplans sind insoweit städtebaulich erforderlich (dazu 1.) und beruhen - abgesehen von den unter II. dargelegten Mängeln des Plans - auf einer entsprechenden Ermächtigungsgrundlage (dazu 2.). Im Rahmen der Abwägung sind die Belange des Antragstellers hinreichend berücksichtigt worden (dazu 3.).
1451. Dem Bebauungsplan Nr. 677/I und insbesondere den Festsetzungen betreffend die Gewerbegebiete GE 1 und GE 2 fehlt nicht die städtebauliche Erforderlichkeit im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB.
146Was nach dieser Vorschrift städtebaulich erforderlich ist, bestimmt sich maßgeblich nach der jeweiligen Konzeption der Gemeinde. Welche städtebaulichen Ziele die Gemeinde sich setzt, liegt in ihrem planerischen Ermessen. Der Gesetzgeber ermächtigt sie, die "Städtebaupolitik" zu betreiben, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen entspricht. Nicht erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB sind demgegenüber in aller Regel nur solche Bauleitpläne, die einer positiven Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuchs nicht bestimmt sind.
147Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Mai 1999 - 4 BN 15.99 -, BRS 62 Nr. 19 = juris Rn. 4; OVG NRW, Urteile vom 17. Februar 2011 - 2 D 36/09.NE -, juris Rn. 120, vom 25. Januar 2010 - 7 D 97/09.NE -, juris Rn. 41, und vom 21. Dezember 2010 - 2 D 64/08.NE -, juris Rn. 55.
148Gemessen an diesem Maßstab kann dem angefochtenen Bebauungsplan die städtebauliche Erforderlichkeit im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht abgesprochen werden.
149Den Festsetzungen des Bebauungsplans liegt das positive Planungskonzept zugrunde, durch eine städtebauliche Neuordnung des ehemals gewerblich bzw. industriell genutzten, heute teilweise brach liegenden Plangebiets eine Revitalisierung dieser Flächen durch eine Neuansiedlung von Nutzungen zu erreichen. Diese Zielsetzung der Antragsgegnerin ist städtebaulich legitim (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 1 und 4 BauGB). Dies gilt insbesondere auch für die innere Gliederung des Plangebiets (vgl. hierzu Ziffer IV. 2.1, S. 14 f., der Planbegründung). Der nördliche Bereich zwischen I. Straße und der V3. wird als Gewerbegebiet festgesetzt, in dem neben gewerbetypischen Betrieben - so die Planbegründung - unter anderem verschiedene Nutzungen, wie Lehre und Forschung, Großveranstaltungen, Büros und Ausstellungsflächen untergebracht werden sollen. Der südliche Teil des Plangebiets zwischen E.-------straße und V3. wird dagegen als Mischgebiet festgesetzt, um - vgl. auch insoweit die Planbegründung - innenstadttypische Nutzungen wie Kombinationsformen von Wohnen und Arbeiten, Gastronomie, Hotel und kulturelle Einrichtungen ansiedeln zu können. Die Gliederung der Gewerbe- und Mischgebiete von Norden nach Süden hinsichtlich des Störgrads und der Empfindlichkeit der zulässigen Nutzungen sei erfolgt, damit ein differenzierter Übergangsbereich zwischen der V2. Altstadt und den Gewerbe- und Industriegebieten im V2. Norden geschaffen werde. Gerade dieser - für die Festsetzung der zulässigen und ausnahmsweise zulässigen Nutzungen in den einzelnen Baugebieten (mit)entscheidende - Aspekt ist aber angesichts der Forderung nach gesunden Wohn- und Arbeitsverhältnissen (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB) ohne Weiteres städtebaulich legitim und eine tragfähige Grundlage für das Planungskonzept der Antragsgegnerin.
1502. Die die Gewerbegebiete GE 1 und GE 2 - und damit das Grundeigentum des Antragstellers - betreffenden Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung beruhen auch, mit den unter II. aufgezeigten Einschränkungen, auf einer entsprechenden Rechtsgrundlage.
151Dies gilt insbesondere hinsichtlich des in Ziffer 1.3.1 sowie in Ziffer 1.4.1 bzw. 1.4.2 der textlichen Festsetzungen für das Gewerbegebiet GE 1 erfolgten Ausschlusses der in Gewerbegebieten allgemein zulässigen Anlagen für sportliche Zwecke (vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO) sowie des Ausschluss sämtlicher in Ge-werbegebieten ansonsten nach § 8 Abs. 3 BauNVO ausnahmsweise zulässigen Nutzungsarten. Diese Regelungen können auf § 1 Abs. 5 und Abs. 6 Nr. 1 BauNVO gestützt werden, da sich die Antragsgegnerin insoweit auf hinreichende städtebauliche Gründe berufen kann.
152Hinsichtlich der unter Ziffer 1.4.1 der textlichen Festsetzungen genannten Vergnügungsstätten wird der Ausschluss zum einen mit möglichen schädigenden Auswirkungen auf die Mischgebiete und insbesondere auf die dort beabsichtigte Ansiedlung hochwertiger Wohnnutzungen und zum anderen mit einer möglichen Stigmatisierung der Gewerbegebiete begründet (vgl. Ziffer V. 1.1.1 und 1.1.2, S. 24 und 26, der Planbegründung). Dies ist nachvollziehbar und wird von dem Antragsteller nicht weiter in Frage gestellt.
153Die hinsichtlich der weiteren Nutzungen erfolgte Feinsteuerung hat die Antragsgegnerin damit begründet, dass das Gewerbegebiet GE 1 innerhalb der Ach-tungsgrenze nach der sog. Störfallverordnung (12. BImSchV) liege und angesichts des erhöhten Gefahrenpotentials dort Nutzungen für den dauerhaften Aufenthalt von Menschen über Nacht - wie etwa Betriebsleiterwohnungen - und besonders öffentlichkeitswirksame Nutzungen nicht vertretbar seien (vgl. Ziffer V. 1.2.1, S. 24 f., der Planbegründung). Auch dies ist ein städtebaulich relevanter Grund. Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 96/82/EG des Rates vom 9. Dezember 1996 zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen (Seveso II - Richtlinie, Abl. L 10 vom 14. Januar 1997, S. 13) erlegt den Mitgliedstaaten und damit insbesondere den jeweiligen Planungsträgern die Pflicht auf, in ihrer Politik der Flächennutzung und den Verfahren für die Durchführung dieser Politik langfristig dem Erfordernis Rechnung zu tragen, dass zwischen den unter die Richtlinie fallenden Betrieben einerseits und öffentlich genutzten Gebäuden andererseits ein angemessener Abstand gewahrt bleibt. Die Richtlinie entspricht in ihrem Regelungsgehalt damit im Wesentlichen dem in § 50 BImSchG enthaltenen Trennungsgrundsatz.
154Der danach erforderliche Achtungsabstand ist in der vorliegenden Planungssituation zu den sich nördlich des Plangebiets anschließenden Betriebsbereichen der im "D. " L. -V. ansässigen chemischen Industrie einzuhalten. Diesen Abstand hat die Antragsgegnerin durch Einholung eines Gutachtens der U. vom Februar 2008 ermittelt und bei der angefochtenen Planung berücksichtigt. Danach ergibt sich hinsichtlich des hier allein relevanten Gefahrenpotentials "Schwefeldioxid" im Bereich des angefochtenen Bebauungsplans eine Achtungsgrenze von ca. 100 m bis 150 m ab Werksgrenze. Aufgrund der "vergleichsweise sehr geringen Achtungsgrenze (bedingt durch das weitgehende Fehlen von Gefahrenpotentialen im südwestlichen Zipfel des D1. V. )" empfehlen die Gutachter, in dem am Rande der Achtungsgrenze gelegenen Gewerbegebiet GE 1 Einrichtungen mit hohem und intensivem Publikumsverkehr oder langzeitigem Aufenthalt im Freien sowie solche Nutzungen auszuschließen, die größere Menschenansammlungen (über etwa 100 Personen) nach sich ziehen (vgl. Ziffer 6 und 7, S. 29 ff., des U.-Gutachtens). Durch diese Nutzungseinschränkungen wird - was auch von dem Antragsteller nicht in Frage gestellt wird - dem im D. V. vorhandenen Gefahrenpotential hinreichend Rechnung getragen. Da die von den Gutachtern so formulierten Nutzungseinschränkungen aber keine bestimmte, in den Baugebieten nach den §§ 2 bis 10 BauNVO generell oder ausnahmsweise zulässige Nutzungsart beschreiben, war die Antragsgegnerin daran gehindert, diese solchermaßen im Wege einer Feinsteuerung nach § 1 Abs. 5, 6 und 9 BauNVO im Gewerbegebiet GE 1 auszuschließen. Es war vielmehr städtebaulich geboten und gerechtfertigt, dort alle ansonsten nach § 8 Abs. 3 BauNVO ausnahmsweise zulässigen Nutzungsarten auszuschließen, weil diese einen dauerhaften Aufenthalt über Nacht ermöglichen oder potentiell öffentlichkeitswirksam sein können (vgl. Ziffer V. 1.2.1, S. 24 f., der Planbegründung). Dies gilt letztlich auch für den Ausschluss von Einzelhandelsnutzungen im Gewebegebiet GE 1.
155Soweit der Antragsteller geltend macht, dass die Achtungsgrenze mitten durch das Gewerbegebiet GE 1 verlaufe und daher die vorgenannten Nutzungsausschlüsse für den Bereich zwischen dieser Achtungsgrenze und der südlich verlaufenden Grenze zu dem Gewerbegebiet GE 2 nicht gerechtfertigt seien, ergibt sich daraus kein Mangel der Planung. Die Antragsgegnerin hat ihre Planung in immissionsschutzrechtlicher Hinsicht nicht nur an der sich aus der 12. BImSchV ergebenden Achtungsgrenze sondern im Hinblick auf die westlich des Plangebiets vorhandene sowie in den festgesetzten Mischgebieten zulässige Wohnnutzung nach der - auf der Planurkunde abgedruckten - Abstandsliste 2007,
156Anlage 1 zum Runderlass des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 6. Juni 2007 - Abstandserlass - (MBl. NRW. 2007 S. 659),
157ausgerichtet und danach insbesondere die Grenzen zwischen den Gewerbegebieten gezogen (vgl. auch Ziffer 1.5 der textlichen Festsetzungen). Bei Einhaltung oder Überschreitung der in der Abstandsliste angegebenen Abstände ist davon auszugehen, dass Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen beim bestimmungsgemäßen Betrieb der Anlage in den umliegenden Wohngebieten nicht entstehen, wenn die Anlage dem Stand der Technik entspricht (Nr. 2.1 und 2.2.2 der Abstandsliste 2007). Die Feinsteuerung von Industrie- und Gewerbegebieten nach der Abstandsliste auf der Grundlage von § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 BauNVO ist daher - dies gilt auch für die im angefochtenen Bebauungsplan festgesetzten Gewerbegebiete - ein taugliches Mittel, um dem Trennungsgrundsatz des § 50 BImSchG Rechnung zu tragen.
158Vgl. OVG NRW, Urteile vom 7. März 2006 - 7 D 10 D 43/03.NE -, BRS 70 Nr. 21 = Rn. 78, und vom 30. September 2005 -10 D 142/04.NE -, juris Rn. 96, Beschluss vom 17. Juni 2009 - 8 B 1864/08 -, BRS 74 Nr. 73 = juris Rn. 10 ff.; Kuschnerus, Der sachgerechte Bebauungsplan, 4. Auflage, 2010, Rn. 528.
159Die sich somit aus der Achtungsgrenze einerseits und der Abstandsliste 2007 andererseits ergebenden "Zwangspunkte" haben dazu geführt, dass innerhalb des Gewerbegebiets GE 1 zwischen der in der Planurkunde eingezeichneten Achtungsgrenze und der Grenze zum Gewerbegebiet GE 2 ein etwa 15 m bis 20 m breiter Streifen verbleibt, der auch noch den Nutzungseinschränkungen unterworfen ist, die sich aus dem Achtungsgebot der Seveso II - Richtlinie ergeben. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere war die Antragsgegnerin im Hinblick auf die relativ geringe Breite dieses Streifens und den Umstand, dass die U.-Gutachter (vgl. S. 29 ff. des Gutachtens aus Februar 2008) wegen der sich bei der Bemessung einer Achtungsgrenze zwangsläufig ergebenden Restunsicherheiten die Festsetzungen der vorgenannten Nutzungseinschränkungen für das gesamte Gewerbegebiet GE 1 empfohlen haben, nicht gehalten, für die Streifen zwischen Achtungsgrenze und der Grenze zum Gewerbegebiet GE 2 im Rahmen der Feinsteuerung ein weiteres Gewerbegebiet festzusetzen.
1603. Das Vorbringen des Antragstellers zeigt auch keine beachtlichen Abwägungsmängel auf. Eine Fehlgewichtung seiner Interessen ist nicht ersichtlich.
161§ 1 Abs. 7 BauGB verlangt bei der Aufstellung eines Bebauungsplans die gerechte Abwägung der öffentlichen und privaten Belange gegen- und untereinander. Die gerichtliche Kontrolle dieser von der Gemeinde vorzunehmenden Abwägung hat sich darauf zu beschränken, ob in die Abwägung an Belangen eingestellt worden ist, was nach Lage der Dinge eingestellt werden musste, ob die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange richtig erkannt worden ist und ob der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belangen in einer Weise vorgenommen worden ist, die zu ihrer objektiven Gewichtigkeit in einem angemessenen Verhältnis steht. Hat die Gemein-de diese Anforderungen an ihre Planungstätigkeit beachtet, wird das Abwägungs-gebot nicht dadurch verletzt, dass sie bei der Abwägung der verschiedenen Belange dem einen den Vorzug einräumt und sich damit notwendigerweise für die Zurückstellung eines anderen entscheidet.
162Vgl. grundlegend: BVerwG, Urteile vom 12. Dezember 1969 - 4 C 105.66 -, BVerwGE 34, 301 ff. = juris Rn. 29, und vom 5. Juli 1974
1634 C 50.72 , BVerwGE 45, 309 ff. = juris Rn. 45.
164Nach diesen Grundsätzen hat die Antragsgegnerin insbesondere den Interessen des Antragstellers als Eigentümer von Flächen in den Gewerbegebieten GE 1 und GE 2 im Rahmen der Abwägung ausgehend von der nach § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB maßgebenden Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung des Rats voraussichtlich hinreichend Rechnung getragen.
165Die Festsetzung von Gewerbegebieten mit den sich aus Ziffer E 1.3, 1.4 und 1.5 der textlichen Festsetzungen ergebenden Einschränkungen ist im Wesentlichen rechtlich nicht zu beanstanden und das Ergebnis einer zulässigen Feinsteuerung (vgl. dazu oben II. 3. und III. 2.). Durch diese Nutzungsbeschränkungen werden die Verwertungsmöglichkeiten des Antragstellers auch nicht unzumutbar eingeschränkt. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob für die Grundstücke des Antragstellers vor Erlass des angefochtenen Bebauungsplans tatsächlich - wie von ihm geltend gemacht - "Baurecht nach Maßgabe eines Industriegebiets" bestand. Gegen ein solches "Baurecht" spricht allerdings, dass nach Aufgabe der ehemaligen industriegebietstypischen Nutzungen im Plangebiet im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses wohl nur noch solche Nutzungen ansässig waren, die - vgl. im Einzelnen die Übersicht über die gewerblichen Nutzungen im Plangebiet in Anlage 1.1 zur Schalltechnischen Untersuchung der R. vom 2. Mai 2008 - auch in einem Gewerbegebiet zulässig sind. Der Antragsteller hat insbesondere weder geltend gemacht noch lassen sich den Planaufstellungsvorgängen Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass es sich bei seinem metallverarbeitenden Betrieb um einen erheblich belästigenden und damit im Regelfall allein in einem Industriegebiet zulässigen Gewerbebetrieb handelt (vgl. § 8 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 BauNVO), noch dass er die Aufnahme einer industriegebietstypischen Nutzung konkret plant. Von daher bestand im Übrigen auch keine Veranlassung, das Emissionsverhalten seines Betriebs im Rahmen eines schalltechnischen Gut-achtens konkret zu erfassen und dessen Auswirkungen innerhalb und außerhalb des Plangebiets weitergehend in den Blick zu nehmen.
166Den Interessen des Antragstellers an der Fortführung seines metallverarbeitenden Betriebs hat die Antragsgegnerin ebenfalls hinreichend Rechnung getragen. So ist der Betrieb des Antragstellers, der nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Antragsgegnerin nicht unter die Abstandsklassen I bis V fällt, nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauGB weiterhin in den Gewerbegebieten GE 1 und GE 2 zulässig. Soweit in dem Gewerbegebiet GE 2 auf den sich südlich an die Grundstücke des Antragstellers sich anschließenden Flächen nach den planerischen Vorstellungen der Antragsgegnerin "neben gewerbetypischen Betrieben u. a. verschiedene Nutzungen, wie Lehre und Forschung, Großveranstaltungen, Büros und Ausstellungsflächen untergebracht werden" sollen (vgl. Ziffer IV. 2.1, S. 15, der Planbegründung), ergeben sich daraus keine potentiellen Beeinträchtigungen für den Betrieb des Antragstellers. Die nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 und 3, Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in einem Gewerbegebiet im Regelfall oder ausnahmsweise zulässigen Nutzungen haben gewerbegebietstypische Immissionen und insbesondere die nach Ziffer 6.1 der TA Lärm für ein Gewerbegebiet maßgeblichen Immissionsrichtwerte von 65 dB(A) tags und 50 dB(A) nachts hinzunehmen. Der Betrieb des Antragstellers hat daher keine Einschränkungen zu erwarten, solange er nur gewerbegebietstypische Emissionen hervorruft.
167Schließlich ist auch die Grenzziehung zwischen den Gewerbegebieten GE 1 und GE 2 das Ergebnis einer zulässigen Feinsteuerung und auch sonst abwägungsfehlerfrei erfolgt. Etwas anderes ergibt sich insbesondere nicht aus dem Um-stand, dass diese Grenze auf dem Flurstück 533 mitten durch ein bestehendes Gebäude verläuft. Die Antragsgegnerin verweist insoweit zutreffend darauf, dass die Abgrenzung der einzelnen Baugebiete nicht anhand des bestehenden Gebäudebestands habe vorgenommen werden können, da sich der bestehende Hallenkomplex über ca. 70 m entlang der I. Straße erstrecke und Grenzziehungsspielräume in derartigen Größenordnungen nach dem Abstandserlass 2007 nicht gegeben seien. Nach dem Abstandserlass 2007 und unter Wahrung der dort vorgesehenen Schutzabstände wäre allenfalls eine Verschiebung der Grenze zwischen den Gewerbegebieten GE 1 und GE 2 nach Norden in Betracht gekommen. Dies hätte aber dazu geführt, dass sich die Fläche, in der Betriebe auch der Abstandsklasse V unzulässig sind, vergrößert hätte. Im Übrigen hat der Antragsteller weder substantiiert geltend gemacht noch ist für den Senat sonst erkennbar, dass eine sinnvolle Nutzung der vorhandenen Bausubstanz durch die Grenzziehung wesentlich erschwert wird. So können in dem durch die Grenze durchschnittenen Komplex immerhin alle gewerblichen Nutzungen der Abstandsklassen VI und VII realisiert werden.
168Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
169Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
170Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.