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Der Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 28. Dezember 2004 in der Fassung der Än-derungen vom 6. Juli 2006 ist rechtswidrig und darf nicht vollzogen werden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte sowie jeweils ihre eigenen außergerichtlichen Kosten.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte und die Beigeladene können jeweils die Vollstreckung durch Sicher-heitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
2Der Kläger, ein anerkannter Naturschutzverband, wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 28. Dezember 2004 in der Fassung vom 6. Juli 2006, der die Verlängerung der Start-/Landebahn des Verkehrsflughafens Münster/Osnabrück von 2.170 m auf 3.600 m zum Gegenstand hat.
3Der von der Beigeladenen betriebene Flughafen entwickelte sich aus einem in den 1950er Jahren angelegten Verkehrslandeplatz. In den 1970er Jahren wurde die Start-/Landebahn auf die heutige Länge von 2.170 m ausgebaut. Auf dem Flughafen werden derzeit Linienflüge im innerdeutschen und europäischen Verkehr sowie Charterflüge mit Zielen vorwiegend im Mittelmeerraum durchgeführt. Östlich des Flughafengeländes verlaufen der Dortmund-Ems-Kanal und die Bundesautobahn A 1. Nach Westen hin wird das Gelände von dem von Süden nach Norden fließenden Eltingmühlenbach sowie einer Kreisstraße, die eingezogen werden soll, begrenzt.
4Der Eltingmühlenbach gehört zum Gewässersystem der Ems. Das Gebiet wurde mit Entscheidung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 7. Dezember 2004 in die Liste von Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung in der atlantischen biogeografischen Region aufgenommen. Die Entscheidung wurde der Bundesregierung am 8. Dezember 2004 bekannt gemacht und im Amtsblatt vom 29. Dezember 2004 veröffentlicht. Das Gebiet weist Bestände des nach Anhang I der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) als prioritär eingestuften Lebensraumtyps 91E0 (Auenwälder mit Alnus glutinosa und Fraxinus excelsior), des nicht prioritären Lebensraumtyps 3260 (Flüsse der planaren bis montanen Stufe mit Vegetation des Ranunculion fluitantis und des Callitricho-Batrachion) sowie verschiedene Tierarten nach Anhang II der FFH-RL, unter anderem das Bachneunauge (Lampetra planeri), auf.
5Die Verlängerung der Start-/Landebahn auf 3.600 m macht die Querung des Eltingmühlenbachs notwendig; er soll verschwenkt und über eine Länge von 390 m übertunnelt werden. In dem Bereich, der nicht durch Rollbahnen versiegelt wird, sind Lichtschächte vorgesehen. Die von der Beigeladenen vorgelegte FFH-Verträglichkeitsuntersuchung aus Februar 1999 kommt zu dem Ergebnis, dass eine erhebliche Beeinträchtigung des (damals potenziellen) FFH-Gebiets mit Blick auf den Lebensraumtyp 3260 und die Art Bachneunauge in Betracht komme. Der prioritäre Lebensraumtyp 91E0 (Auenwald) sei nicht betroffen. Mit dem angefochtenen Planfeststellungsbeschluss ordnete der Beklagte sog. Vermeidungs- und Minderungsmaßnahmen sowie Maßnahmen zur Sicherung der Kohärenz an. Zur Überprüfung der Wirksamkeit der Minderungs- und Kompensationsmaßnahmen ist ein Monitoring-Programm unter Beachtung der FFH-relevanten Arten zu entwickeln und über einen Zeitraum von zehn Jahren durchzuführen. Des Weiteren enthält der Planfeststellungsbeschluss einen Auflagenvorbehalt, sollten die Maßnahmen nicht oder nur unzureichend greifen.
6Gegen den Planfeststellungsbeschluss hat der Kläger Klage erhoben. Über diese hat das erkennende Gericht bereits im Juni und Juli 2006 verhandelt und sie mit Urteil vom 13. Juli 2006 abgewiesen. Dieses Urteil ist auf die Revision des Klägers vom Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 9. Juli 2009 - 4 C 12.07 - aufgehoben und die Sache ist an das erkennende Gericht zurückverwiesen worden. Hinsichtlich des Sach- und Streitstands bis zur Zurückverweisung wird auf den Tatbestand des Urteils vom 13. Juli 2006 sowie die Gründe unter I. des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Juli 2009 Bezug genommen.
7Nach der Zurückverweisung tragen die Beteiligten ergänzend vor und beziehen dabei insbesondere folgende sachverständige Gutachten und Stellungnahmen, die nicht Gegenstand des Urteils vom 13. Juli 2006 waren, aber inzwischen in das Verfahren eingeführt worden sind, ein: Dr. I. , Fachgutachterliche Stellungnahme zur Betroffenheit prioritärer Lebensraumtypen von gemeinschaftlichem Interesse im FFH-Gebiet Eltingmühlenbach, Juni 2009 - im Folgenden: I. -; Prof. Dr. N. et al., Erheblichkeit des Eingriffs für den prioritären Lebensraumtyp 91E0 (Erlen und Eschenwälder und Weichholzauenwälder an Fließgewässern), Juni 2009 - N. -; T. , Gutachterliche Einschätzung der Bedeutung des Gebietes für Fledermäuse, Juli 2009 - T. - ; Dr. N1. und B. (IVM), Erläuterung und Ergänzung der Gutachten zu der verkehrswirtschaftlichen und verkehrspolitischen Begründung des Ausbauvorhabens am Verkehrsflughafen Münster/Osnabrück im Hinblick auf den Interkontinentalverkehr, April 2010 - IVM April 2010 -; Planungsbüro L. , Ergänzende Stellungnahme zum FFH-Gebiet DE-3811-301 "Eltingmühlenbach", 7. Mai 2010 - Planungsbüro L. 7. Mai 2010 -; Dr. N1. und B. (IVM), Erwiderung des Instituts für Verkehrswissenschaft auf die Ausführungen von Rechtsanwalt Dr. O. vom 15. August 2010, September 2010 - IVM September 2010 -; Planungsbüro L. , Stellungnahme zum Schriftsatz des NABU NRW vom 15.08.2010 O. (2010), September 2010 - Planungsbüro L. September 2010 -; Prof. Dr. S. et al. (DLR), Stellungnahme zu den Gutachten zur verkehrswirtschaftlichen und verkehrspolitischen Begründung des Ausbauvorhabens am Flughafen Münster/Osnabrück im Hinblick auf den Interkontinentalverkehr, Endbericht, 28. März 2011 - DLR März 2011 -; Urner, FFH-Lebensraumtypen-kartierung des FFH-Gebietes Eltingmühlenbach nördlich der geplanten Flughafenquerung am 19. April 2011 - Urner -; Dr. N1. und B. (IVM), Erwiderung des Instituts für Verkehrswissenschaft auf die Stellungnahme des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, Institut für Flughafenwesen und Luftverkehr vom März 2011, April 2011 - IVM April 2011 -; Planungsbüro L. , Stellungnahme zum Schriftsatz des NABU NRW vom 29. April 2011 O. (2011), Mai 2011 - Planungsbüro L. Mai 2011 -; Prof. Dr. S. (DLR), Kurzstellungnahme des DLR zur Erwiderung des IVM vom April 2011, Mai 2011 - DLR Mai 2011 -.
8Der Kläger macht nach der Zurückverweisung zusammengefasst im Wesentlichen geltend:
9Nach den Gutachten I. und N. sei auch der prioritäre Lebensraumtyp 91E0 durch Zerschneidung betroffen, weil die Verbindung zwischen zwei Teilflächen des Lebensraumtyps für charakteristische Arten dieses Lebensraumtyps unterbunden werde und damit die Gesamtpopulation, die auf einen Austausch angewiesen sei, in ihrer Existenz bedroht sei. Ein Ausfall einzelner Arten stelle zugleich eine erhebliche Beeinträchtigung des Lebensraumtyps dar. Die im Fall der erheblichen Beeinträchtigung eines prioritären Lebensraumtyps erforderlichen Voraussetzungen für eine Abweichungsentscheidung lägen offensichtlich nicht vor. Da die Zerschneidungswirkung auf der Hand liege, sei bereits die FFH-Verträglichkeitsuntersuchung mangelhaft gewesen. Zudem sei es Sache des Vorhabenträgers, die Unbedenklichkeit valide zu belegen. Der prioritäre Lebensraumtyp 91E0 sei nach dem Gutachten Urner sowie dem Landschaftspflegerischen Begleitplan und der FFH-Verträglichkeitsuntersuchung auch unmittelbar nördlich des geplanten Tunnels vorhanden. Selbst wenn dies anders wäre, hätten die in Rede stehenden Flächen für die Verbindung der dann weiter entfernt liegenden Flächen des Lebensraumtyps 91E0 unverzichtbare Trittsteinfunktion. Die bestehenden Verrohrungen stellten die Annahme einer Verbindung zwischen den beiden Bereichen des Lebensraumtyps 91E0 nicht in Frage, weil die Verrohrungen mit begehbaren Bermen ausgestattet seien, die eine Querung insbesondere für die im Gutachten N. behandelten Laufkäferarten möglich machten. Eine vergleichbare Hinderniswirkung wie ein 390 m langer vegetationsfreier Tunnel komme den Verrohrungen nicht zu. Ihre zeitweilige Überflutung sei irrelevant, weil eine temporäre Durchgängigkeit im Sommerhalbjahr ausreiche, um Zuwanderungen von Tierarten in einen Lebensraumbereich, in dem die Teilpopulation ausgestorben sei, zu ermöglichen. Auf die genaue Qualität der Verbindungsflächen im Übrigen komme es nicht an, weil diese jedenfalls über eine Vegetationsausstattung verfügten, die ein Überleben von Tierarten während der Wanderung sicherstellten. Darüber hinaus werde die Qualität der Verbindungsflächen durch das Planungsbüro L. unzutreffend schlecht dargestellt. Ausgehend von Straßenbauarbeiten in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts habe der Bereich ausreichend Zeit gehabt, damit sich dort wieder eine standortgerechte Ufervegetation sowie die dort lebenden charakteristischen Tierarten hätten entwickeln können. Bestehende Defizite seien auf illegale Unterhaltungsmaßnahmen zurückzuführen. Soweit das östliche Bachufer im Bereich des Flughafens vom Planungsbüro L. als stark verändert dargestellt worden sei, gehe das auf den Landschaftspflegerischen Begleitplan aus dem Jahr 1997 zurück. Diese Darstellung sei zum Zeitpunkt der Planfeststellung nicht mehr zutreffend gewesen, weil dieser Abschnitt in der amtlichen Strukturgütekarte aus Juli 2005 nur noch als deutlich bzw. gering verändert angegeben worden sei.
10Die im Gutachten N. dargestellten neuen Tatsachen seien berücksichtigungsfähig. Die Bindungswirkung des Revisionsurteils stehe nicht entgegen, weil die der Aufhebung zugrunde liegende bindende rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts nichts mit einer erheblichen Beeinträchtigung des prioritären Lebensraumtyps 91E0 zu tun und das Revisionsgericht dazu auch ansonsten keine materiell-rechtlichen Ausführungen gemacht habe. Der Vortrag zu einer Beeinträchtigung des Lebensraumtyps 91E0 durch Zerschneidung sei auch nicht präkludiert, weil dazu ausreichend im Verwaltungsverfahren vorgetragen worden sei.
11Die für eine Abweichungsentscheidung schon mit Blick auf den Lebensraumtyp 3260 erforderlichen zwingenden Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses lägen nicht vor. Solche Interessen könnten nur angenommen werden, wenn die Wahrscheinlichkeit der Realisierung von Interkontinentalverkehr am Flughafen Münster/Osnabrück außerordentlich hoch sei, d. h. die Realisierung müsse mit Sicherheit vorausgesagt werden können. Dies bedeute einen Qualitätssprung gegenüber den Anforderungen an die Planrechtfertigung und die planerische Abwägungsentscheidung. Der Interkontinentalverkehr müsse ferner einen hinreichenden Umfang sowie eine Dauerhaftigkeit und Regelmäßigkeit erreichen; lediglich gelegentlicher Interkontinentalverkehr zu einzelnen Urlaubsdestinationen genüge nicht.
12Das IVM-Gutachten aus April 2010 sei schon deshalb nicht geeignet, die vorstehend aufgezeigten Anforderungen darzutun, weil es keine Aussage zum erwarteten Umfang des Interkontinentalverkehrs treffe. Im Übrigen sei es teilweise unplausibel und teilweise zu optimistisch. Soweit die Prognosemethodik aus den vorangegangenen IVM-Gutachten bestätigt werde, sei dies fragwürdig, weil die Anreise zum Flughafen mit der Bahn außer Betracht gelassen werde und der für den Interkontinentalverkehr gewählte "TOP-10-Ansatz" wissenschaftlich nicht belegt sei. Die Prognose für den Interkontinentalverkehr erscheine auch deshalb zweifelhaft, weil sich im Kurz- und Mittelstreckenbereich deutliche Abweichungen zwischen den insoweit prognostizierten Zahlen und der Realität ergeben hätten. Diese Abweichungen würden durch das IVM-Gutachten aus April 2010 nicht plausibel erklärt. Auch die Entwicklung im Interkontinentalbereich an Flughäfen, die bereits über eine entsprechend lange Start-/Landebahn verfügten, zeige, dass die für den Flughafen Münster/Osnabrück prognostizierten Zahlen völlig unrealistisch seien. Ferner spreche die bisherige Entwicklung dagegen, dass es aufgrund von Kapazitätsengpässen an den Drehkreuzen zu einem relevanten Interkontinentalpotenzial komme, das über regionale Interkontinentalflughäfen abgewickelt werden könne. Die übrigen Faktoren, die im IVM-Gutachten aus April 2010 behandelt würden, um die Wahrscheinlichkeit der Realisierung von Interkontinentalverkehr zu belegen, seien insoweit sämtlich ungeeignet. Das gelte sowohl für die vergleichsweise herangezogenen Flughäfen und die behandelten Strecken als auch für die in den Blick genommenen Fluggesellschaften. Schließlich handele es sich bei den sämtlichen IVM-Gutachten zugrunde liegenden Wachstumsprognosen eher um wirtschaftliche Zukunftshoffnungen, die jedoch unter dem Gesichtspunkt der hier erforderlichen Wahrscheinlichkeit die Start-/ Landebahnverlängerung nicht rechtfertigen könnten, zumal sich aus allgemeinen Wachstumserwartungen direkt für den Flughafen Münster/Osnabrück nichts Konkretes herleiten lasse.
13Die zum Zeitpunkt der Planfeststellung fehlende Wahrscheinlichkeit einer Etablierung regelmäßigen Interkontinentalverkehrs werde durch das Gutachten des DLR belegt. Die der Planfeststellung zugrunde gelegte Prognose enthalte gravierende, vom DLR im Einzelnen dargestellte Fehler, die zu einer massiven Überschätzung der am Flughafen Münster/Osnabrück zu erwartenden Interkontinentalflüge geführt hätten. Diese Fehler seien im Ergebnis auch leicht zu erkennen gewesen, wenn man das vom IVM verwendete Prognoseverfahren auf andere Flughäfen mit bestehender Interkontinentalbahn angewandt und mit den dort tatsächlich stattfindenden Interkontinentalflügen verglichen hätte. Es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das für den Flughafen Münster/Osnabrück verwendete Prognosemodell Besonderheiten aufweise, die eine Anwendung auf andere Flughäfen ausschlössen. Auch den weiteren Überlegungen des IVM zur Wahrscheinlichkeit von Interkontinentalflügen könne, wie das DLR ebenfalls im Einzelnen aufgezeigt habe, nicht gefolgt werden. Schließlich sei Interkontinentalverkehr für die Beigeladene unwirtschaftlich, weil die Kosten der Verlängerung der Start-/ Landebahn nicht über die Einnahmen aus entsprechenden Start- und Landeentgelten refinanziert werden könnten. Das Sekundärziel des restriktionsfreien Mittelstreckenverkehrs sei zur Rechtfertigung des auf restriktionsfreien Interkontinentalverkehr ausgerichteten Vorhabens unbeachtlich.
14Auf das Gewicht des Integritätsinteresses des betroffenen FFH-Gebiets komme es nicht mehr an, weil kein zwingender Grund überwiegenden öffentlichen Interesses vorliege. Unabhängig davon beziehe sich das Integritätsinteresse nicht nur auf das konkret betroffene Gebiet, sondern auch auf das europäische Schutzgebietssystem. Wiederum unabhängig davon sei bereits mit Blick auf den Lebensraumtyp 91E0 von einer schweren Schädigung der Integrität auszugehen, weil die Zeiträume für eine gleichwertige Neuausbildung dieses Lebensraumtyps im Rahmen von Kohärenzsicherungsmaßnahmen sehr lang seien. Ferner werde die Integrität des Gebiets mit Blick auf den Lebensraumtyp 3260 und die Art Bachneunauge trotz der Kohärenzsicherungsmaßnahmen deutlich beeinträchtigt. Da der Erhaltungszustand des Lebensraumtyps 3260 bundesweit mit ungünstig/ schlecht bewertet werde, der hier betroffene Bereich jedoch eine hervorragende Repräsentativität aufweise, führten bereits geringfügige Flächenverluste zu erheblichen Beeinträchtigungen. Ferner falle der Lebensraumtyp im Bereich des Tunnels vollkommen weg, so dass in diesem Bereich auch keine Entwicklung des Lebensraumtyps mehr möglich sei. Die Kohärenzsicherungsmaßnahmen führten lediglich dazu, dass sich andernorts mittel- bis langfristig vergleichbare Bestände entwickeln könnten, wobei wegen der Prognoseunsicherheiten ein zehnjähriges Monitoring vorgesehen sei. Ferner führe der Tunnel zu einer Zerschneidung des Lebensraums, was insbesondere die Organismen im südlich des Planvorhabens gelegenen Bachoberlauf betreffe. Ausgleichsmaßnahmen seien insoweit weder ersichtlich noch möglich. In zeitlicher Hinsicht werde es Jahre dauern, bis sich das ökologische Gefüge und die vollständigen Nahrungsketten wieder aufgebaut hätten. Vorschäden minderten das Gewicht des Integritätsinteresses im Ergebnis nicht. Eingriffe aus den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts seien angesichts der verstrichenen Entwicklungszeit ausgeheilt. Auf Vorschäden aus der Zeit nach Inkrafttreten der FFH-Richtlinie im Jahr 1992, die auf (illegale) Unterhaltungsmaßnahmen zurückzuführen seien, dürfe nicht abgestellt werden. Von daher sei von einer gut entwickelten Gewässerrandstruktur zum Zeitpunkt der Planfeststellung auszugehen. Im Übrigen könnten die Kohärenzsicherungsmaßnahmen nicht als solche berücksichtigt werden, weil sie im Rahmen des Managements des FFH-Gebiets sowie zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie ohnehin durchzuführen gewesen seien. Die Umsetzungsfrist sowohl für die FFH-Richtlinie als auch für die Wasserrahmenrichtlinie sei vor Erlass des Planfeststellungsbeschlusses abgelaufen gewesen. Damit sei der Staat zu entsprechenden Maßnahmen verpflichtet gewesen.
15Im Rahmen der Alternativenprüfung sei auf eine Bahn von 3.000 m Länge abzustellen, weil angesichts der Finanzlage der Gesellschafter der Beigeladenen in überschaubarer Zeit ein Ausbau auf 3.600 m ausscheide. Im Übrigen dürfe sich die Alternativenbetrachtung nicht allein an den Zielsetzungen des Vorhabenträgers orientieren und die zwingenden Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses außer Betracht lassen. Dies gelte insbesondere dann, wenn für die Zielsetzung keine Realisierungswahrscheinlichkeit bestehe. Sei beispielsweise lediglich Verkehr auf der kurzen Langstrecke realistisch, müsse eine kürzere Start-/ Landebahn als Alternative in den Blick genommen werden.
16Hinsichtlich der artenschutzrechtlichen Problematik lägen ebenfalls keine bindenden Aussagen des Revisionsgerichts vor. Das Gutachten T. bestätige das Vorkommen zahlreicher Fledermausarten im Untersuchungsgebiet, was vom Vorhabenträger hätte geprüft werden müssen. Mangels Untersuchungen zu Quartierstandorten und Populationsgrößen insbesondere derjenigen Arten, die sich nicht in einem guten Erhaltungszustand befänden, könne eine Beeinträchtigung im Sinne von Art. 12 Abs. 1 FFH-RL nicht beurteilt werden. Aufgrund der aktuellen Sachlage - acht verschiedene Fledermausarten seien nachgewiesen, das Vorkommen sechs weiterer Arten hochwahrscheinlich - sei von der Erfüllung mehrerer Verbotstatbestände auszugehen. Das Kollisionsrisiko (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG) werde signifikant erhöht, die Mopsfledermaus werde gestört und damit der Erhaltungszustand der lokalen Population verschlechtert (§ 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatschG) und die Erreichbarkeit von Quartierbereichen könne beeinträchtigt werden (§ 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG). Da von der Erfüllung von Verbotstatbeständen auszugehen sei, hätten im Planfeststellungsbeschluss zur Erfüllung der Abweichungsvoraussetzungen Maßnahmen angeordnet werden müssen, die jedenfalls sicherstellten, dass sich der Erhaltungszustand einer in schlechtem Zustand befindlichen Art durch den Eingriff nicht weiter verschlechtere. Die Erteilung einer Ausnahme nach § 45 Abs. 7 BNatSchG komme nicht in Betracht.
17Der Kläger beantragt,
18den Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 28. Dezember 2004 in der Fassung der Änderungen vom 6. Juli 2006 aufzuheben,
19hilfsweise festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss des Beklagten vom 28. Dezember 2004 in der Fassung der Änderungen vom 6. Juli 2006 rechtswidrig ist und nicht vollzogen werden darf.
20Der Beklagte beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Zur Begründung macht er nach der Zurückverweisung zusammengefasst geltend:
23Er sei im Planfeststellungsbeschluss aufgrund der schlüssigen IVM-Gutachten aus September 1996 und Dezember 2001 davon ausgegangen, dass sich das in den Gutachten beschriebene Potenzial zu einer wahrscheinlichen Nachfrage verdichten lasse. Unzulänglichkeiten der prognostischen Einschätzungen seien im Urteil vom 13. Juli 2006 nicht festgestellt worden. Die vom Revisionsgericht verlangte Bewertung von Prognoseunsicherheiten könne sich nur darauf beziehen, dass im Urteil vom 13. Juli 2006 Änderungen des Reiseverhaltens als weitgehend unerforscht bezeichnet worden seien. Diese Anmerkung habe die Entscheidung im Übrigen jedoch nicht beeinflusst. Von daher sei die Einschätzung im Planfeststellungsbeschluss, dass das Nachfragepotenzial im Interkontinentalverkehr mittelfristig ausgeschöpft werde könne, nach wie vor realistisch. Die Einschätzung werde bestätigt durch das IVM-Gutachten aus April 2010.
24Die Forderung des Klägers, es müsse der Nachweis erbracht werden, dass Interkontinentalverkehr nach Inbetriebnahme der verlängerten Start-/Landebahn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in beträchtlichem Umfang realisiert werde, decke sich nicht mit dem Revisionsurteil. Nach diesem sei der Vorhabenträger nicht darauf beschränkt, lediglich den absolut sicher zu erwartenden Bedarf abzudecken. Vielmehr sei die verkehrliche Bedeutung des Vorhabens auf der Grundlage der Gutachten zum prognostizierten Verkehrsbedarf zu beurteilen. Dies sei im Planfeststellungsbeschluss zutreffend geschehen. Daran ändere nichts, dass das DLR-Gutachten aus März 2011 zu einem anderen Ergebnis komme als die IVM-Gutachten. Das DLR-Gutachten versuche, die Prognose des IVM im Wesentlichen mittels aktueller Zahlen in Frage zu stellen, was jedoch nicht zulässig sei, weil sich die gerichtliche Kontrolle einer Prognose nicht darauf erstrecke, ob sie durch die spätere Entwicklung bestätigt oder widerlegt worden sei. Die Prognosemethode des IVM werde auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass das DLR eine andere Methode favorisiere. Die Kritik des DLR an der Nichtberücksichtigung der Anreisezeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln greife nicht durch, weil der Anteil der mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisenden Passagiere eher gering sei und zudem die vom DLR genannten Reisezeiten unzutreffend seien, weil hinsichtlich des Flughafens Düsseldorf ein weiterer Umsteigevorgang nicht berücksichtigt worden sei, der daraus resultiere, dass die Abfertigungsgebäude dieses Flughafens nicht fußläufig von dessen Fernbahnhof aus erreichbar seien.
25Auch die im Planfeststellungsbeschluss hilfsweise getroffene Abweichungsentscheidung sei unter Berücksichtigung der ergänzenden Stellungnahme des Planungsbüros L. vom 7. Mai 2010 korrekt. Der Planfeststellungsbeschluss gehe zutreffend davon aus, dass die Beeinträchtigungen des FFH-Gebiets angesichts der zu Recht berücksichtigten Vorbelastung und der geringen räumlichen Ausdehnung des Eingriffs an der untersten Schwelle der Erheblichkeit lägen und dem Integritätsinteresse daher nur ein geringes Gewicht beizumessen sei. Dies gelte vor allem auch mit Blick auf die Tunnellösung zur Minimierung der anlagenbedingten Auswirkungen sowie auf die angeordneten Kohärenzsicherungsmaßnahmen. Insoweit habe das Revisionsgericht mit Bindungswirkung festgestellt, dass bei der Gewichtung des Integritätsinteresses Kohärenzsicherungsmaßnahmen zu berücksichtigen seien. Diese minimierten die Auswirkungen des Eingriffs im unmittelbaren Eingriffsbereich, erfolgten also eingriffsnah. Zudem sei sichergestellt, dass diese Maßnahmen vor Eingriffsbeginn abgeschlossen würden; auch werde ihre Wirksamkeit durch ein Monitoringprogramm überwacht. Nach der zuvor genannten ergänzenden Stellungnahme blieben sowohl die Kohärenz von Natura 2000 als auch die Integrität des FFH-Gebiets gewahrt. Nachteilige Auswirkungen des Vorhabens auf die Kohärenz des europäischen Netzes Natura 2000 seien im Übrigen auch deshalb nicht zu befürchten, weil bereits die Integrität des FFH-Gebiets nach den Stellungnahmen des Planungsbüros L. vom 7. Mai 2010 und aus September 2010 nicht wesentlich beeinträchtigt werde. Ein günstiger Erhaltungszustand des Gebiets hinsichtlich der Erhaltungsziele und des Schutzzwecks sei jederzeit gegeben. Die Kohärenzsicherungsmaßnahmen seien auch als solche berücksichtigungsfähig, weil sich eine hinreichend konkrete Verpflichtung zu ihrer Durchführung nicht aus anderen Vorschriften ergebe und etwaige aus der Wasserrahmenrichtlinie folgende abstrakte Pflichten sich ohnehin nicht an die Beigeladene richteten, die durch den Planfeststellungsbeschluss zur Vornahme der Kohärenzsicherungsmaßnahmen verpflichtet worden sei.
26Was die vom Kläger angeführte Beeinträchtigung des prioritären Lebensraumtyps 91E0 anbelange, habe das Revisionsgericht mit Bindungswirkung festgestellt, dass keine Zerschneidungswirkung vorliege. Unabhängig davon sei das Gutachten N. in Bezug auf den Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses nicht aussagekräftig. Zudem bestehe nach der Stellungnahme des Planungsbüros L. aus September 2010 keine Verbindung zwischen den in Betracht kommenden Teilflächen des Lebensraumtyps 91E0, so dass die Annahme einer Zerschneidung auch in der Sache ausscheide. Eine solche habe auch die FFH-Verträglichkeitsuntersuchung nicht festgestellt. Schließlich sei das entsprechende Vorbringen des Klägers präkludiert, weil im Planfeststellungsverfahren die Zerschneidungswirkung des Tunnelbauwerks nicht geltend gemacht worden sei und die nunmehr im Gutachten N. behandelten Elaphrusarten nicht erwähnt würden.
27Für die Alternativenprüfung sei ebenfalls der Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses maßgeblich, in dem keine Zweifel an der finanziellen Leistungsfähigkeit der Beigeladenen und ihrer Absicht, an dem planfestgestellten Vorhaben festzuhalten, vorgelegen hätten. Entsprechende Zweifel bestünden auch heute nicht. Unabhängig davon stelle eine Bahnlänge von 3.000 m keine Alternative dar, weil sie zum einen die Identität des Vorhabens berühren und zum anderen das FFH-Gebiet Eltingmühlenbach in gleicher Weise beeinträchtigen würde.
28Hinsichtlich der artenschutzrechtlichen Problematik ändere das Gutachten T. nichts daran, dass nach den bindenden Feststellungen des Revisionsgerichts zum Zeitpunkt der Planfeststellung weitergehende Sachverhaltsermittlungen zum Vorhandensein von Fledermäusen nicht angezeigt gewesen seien. Unabhängig davon verstoße das Vorhaben nach wie vor nicht gegen die einschlägigen artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände. Selbst wenn man dies anders sehe, beinhalte der Planfeststellungsbeschluss eine diesbezügliche Befreiung. Die Befreiungsvoraussetzungen, die nicht über § 48d Abs. 5 LG NRW hinausgingen, lägen vor.
29Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
30die Klage abzuweisen.
31Sie macht nach der Zurückverweisung zusammengefasst geltend:
32Die im Planfeststellungsbeschluss vorgenommene Abwägung des zwingenden öffentlichen Interesses mit dem entgegenstehenden Interesse an der Integrität des betroffenen FFH-Gebiets Eltingmühlenbach sei auch nach Maßgabe der Anforderungen des Revisionsurteils nicht zu beanstanden. Der Planfeststellungsbeschluss stütze sich auf die beiden IVM-Gutachten aus September 1996 und Dezember 2001, die schlüssig seien und dem Flughafen eine eindeutig positive Perspektive bescheinigten. Prognoseunsicherheiten, die über diejenigen einer langfristigen Verkehrsprognose hinausgingen, ergäben sich daraus nicht. Im Übrigen sei es einem Flughafenbetreiber nicht verwehrt, sich für einen prognostizierten Anstieg im Personen- und Frachtflugverkehr zu rüsten und sein Verkehrsangebot den voraussehbaren Entwicklungen anzupassen. Etwaige Prognoseunsicherheiten stellten die Dringlichkeit des planfestgestellten Vorhabens nicht in Frage. Das IVM-Gutachten aus April 2010 bestätige die bisherigen Prognosen und sehe keine Zweifel hinsichtlich eines Luftverkehrsbedarfs und der Realisierung von Interkontinentalverkehr.
33Die auf dem DLR-Gutachten aus März 2011 beruhende Kritik des Klägers an den IVM-Gutachten greife nicht durch, was sich aus den weiteren Stellungnahmen des IVM aus September 2010 und April 2011 ergebe. Dies gelte sowohl für die Prognosemethode als auch für die angenommene Wahrscheinlichkeit der Entstehung von Interkontinentalverkehr. Im Übrigen sei die Prognosemethode bereits im Urteil vom 13. Juli 2006 in Ansehung der bereits seinerzeit vorgebrachten Kritik, die nunmehr vom DLR wiederholt werde, bestätigt worden. In diesem Zusammenhang gestellte Beweisanträge seien abgelehnt worden. Auch das Bundesverwaltungsgericht habe die Prognosemethode nicht bemängelt. Die Aufhebung des Urteils vom 13. Juli 2006 und die Zurückverweisung beruhten ebenfalls nicht auf Mängeln der Prognose. Zudem übersehe der Kläger bei seiner Kritik, dass das IVM-Gutachten aus April 2010 keine neue Prognose enthalte und dass die vom ihm (dem Kläger) angeführte tatsächliche Entwicklung nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses nicht geeignet sei, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegende Prognose in Frage zu stellen. Dies gelte auch deshalb, weil die in dieser Prognose zugrunde gelegte Voraussetzung, nämlich der Ausbau des Flughafens Münster/Osnabrück, bisher nicht eingetreten sei. Dies habe auch die Entwicklung im Kurz- und Mittelstreckenbereich negativ beeinflusst. Die Abkoppelung von der bundesdeutschen Verkehrsentwicklung beruhe im Übrigen darauf, dass den Forderungen von "Low-Cost-Carriern" nicht genügend Folge geleistet worden sei. Aufgrund der zu kurzen Bahnlänge habe auch kein Angebot anderer Fluggesellschaften etabliert werden können.
34Der vom Kläger geforderte Grad an Wahrscheinlichkeit sei mit dem Wesen der Prognose als einem Instrument, eine gerade nicht eindeutig vorhersehbare Entwicklung im Rahmen der Vorhabenzulassung justiziabel zu machen, nicht zu vereinbaren. Auch das Revisionsgericht habe nicht gefordert, dass eine im Zusammenhang mit einer Abweichungsentscheidung relevante Prognose strengeren Anforderungen genügen müsse als die zur Rechtfertigung eines Plans. Die vom Kläger geforderte Gewissheit könne auch in Ansehung des Ausnahmecharakters einer Abweichungsentscheidung nicht verlangt werden. Bestehende Unsicherheiten hinsichtlich der Nachfrage wirkten sich allein bei der Gewichtung der öffentlichen Interessen aus. Der Bedarf an Interkontinentalverkehr sei jedoch nicht unsicher, was sich aus der dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden Prognose ergebe und durch das IVM-Gutachten aus April 2010 bestätigt werde. Letzteres stelle für den touristischen Bereich eine hohe Wahrscheinlichkeit der Entstehung von Interkontinentalverkehr fest. Dies werde durch die IVM-Stellungnahme aus April 2011, auch für den ethnischen Bereich, bestätigt.
35Im Rahmen der Abweichungsprüfung bestünden demnach überwiegende öffentliche Belange. Diese seien im Planfeststellungsbeschluss im Einzelnen aufgeführt. Diese Gründe würden verstärkt durch die hohe Wahrscheinlichkeit der Durchführung von restriktionsfreiem langen Mittelstreckenverkehr.
36Soweit der Kläger erneut zu einer Beeinträchtigung des prioritären Lebensraumtyps 91E0 sowie zum Artenschutz vortrage, sei dies nicht mehr zu berücksichtigen, weil die Bindungswirkung des Revisionsurteils entgegenstehe. Im Übrigen sei nach der Stellungnahme des Planungsbüros L. aus September 2010 der Lebensraumtyp 91EO nicht beeinträchtigt. Dieser komme im Überbauungsbereich nicht vor und sei entgegen der Verträglichkeitsuntersuchung auch nördlich der Überbauung nicht vorhanden. Die vom Kläger in das Verfahren eingeführten, nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses durchgeführten, das Vorkommen von Fledermäusen betreffenden Untersuchungen änderten nichts an der Sachlage, von welcher der Planfeststellungsbeschluss ausgegangen und die für die rechtliche Beurteilung maßgeblich sei. Sie führten unabhängig davon nicht auf artenschutzrechtliche Verstöße.
37Die Einschätzung im Planfeststellungsbeschluss, dass die Beeinträchtigung des FFH-Gebiets an der untersten Schwelle der Erheblichkeit liege, sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Beeinträchtigungen des Lebensraumtyps 3260 fielen nicht ins Gewicht, weil der betroffene Abschnitt wenig strukturiert und bereits beeinträchtigt sei und die Beeinträchtigungen durch die Übertunnelung auf ein Mindestmaß begrenzt würden. Im Übrigen zeigten die Stellungnahmen des Planungsbüros L. vom 7. Mai 2010 und aus September 2010, dass das Integritätsinteresse des FFH-Gebiets gewahrt bleibe und die Kohärenz von Natura 2000 gewährleistet sei. Eine dauerhafte Verschlechterung des Lebensraumtyps 3260 könne ebenso wenig wie eine Zerschneidung angenommen werden. Vielmehr würden Beeinträchtigungen des Lebensraumtyps 3260 und der Art Bachneunauge durch die Kohärenzsicherungsmaßnahmen ausgeglichen, die bereits vor Eingriffsbeginn abzuschließen seien. Aufgrund der Ausgestaltung des Bachbetts im Tunnel sei von einer Durchgängigkeit für das Bachneunauge auszugehen. Die festgestellten Kohärenzsicherungsmaßnahmen erfolgten eingriffsnah, weil sie innerhalb des FFH-Gebiets und in funktionalem Zusammenhang umgesetzt würden. Zum Zeitpunkt des Planfeststellungsbeschlusses habe auch keine auf einer anderen Grundlage beruhende Verpflichtung bestanden, die Kohärenzsicherungsmaßnahmen durchzuführen.
38Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der von den Beteiligten eingereichten Unterlagen Bezug genommen.
39Entscheidungsgründe
40Die Klage ist mit dem Hilfsantrag begründet. Der Planfeststellungsbeschluss vom 28. Dezember 2004 in der Fassung der Änderungen vom 6. Juli 2006 ist rechtswidrig und darf nicht vollzogen werden. Der Hauptantrag, mit dem der Kläger eine Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses begehrt, bleibt dagegen ohne Erfolg.
411. Der Planfeststellungsbeschluss ist rechtswidrig, weil er den Anforderungen des Naturschutzrechts nicht genügt. Es liegt keine fehlerfreie Abwägung im Rahmen der Abweichungsentscheidung gemäß § 48d Abs. 5 LG NRW, mit dem Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (im Folgenden: FFH-RL) in das Landesrecht umgesetzt worden ist, vor. Die festgestellten Mängel rechtfertigen jedoch nicht die vom Kläger begehrte Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, weil Heilungsmöglichkeiten in einem ergänzenden Verfahren verbleiben.
42a) Das Planvorhaben ist, bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses, nach § 48d Abs. 4 LG NRW unzulässig. Es fehlt an den Voraussetzungen für eine Abweichungsentscheidung gemäß § 48d Abs. 5 LG NRW.
43aa) Ungeachtet einer entsprechenden Bindungswirkung des Revisionsurteils wird an der im Urteil vom 13. Juli 2006 dargelegten Einschätzung festgehalten, dass eine erhebliche Beeinträchtigung des FFH-Gebiets Eltingmühlenbach in seinen Erhaltungszielen im Sinne von § 48d Abs. 4 Halbs. 1 LG NRW jedenfalls möglich ist. Es kommt zu einem streckenweisen vollen Verlust und Funktionsverlust des Lebensraumtyps 3260. Ferner geht im Bereich der Übertunnelung das Habitat der Art Bachneunauge verloren und ist eine Gefährdung des Gesamtbestands dieser Art im Eltingmühlenbach nicht auszuschließen. Auf die diesbezüglichen Ausführungen im Urteil vom 13. Juli 2006 (S. 21 f. des Urteilsabdrucks) wird ergänzend Bezug genommen, zumal ihnen der Beklagte und die Beigeladene weder im Revisionsverfahren noch danach entgegengetreten sind. Vielmehr bestätigt die von der Beigeladenen vorgelegte ergänzende Stellungnahme des Planungsbüros L. vom 7. Mai 2010 (unter Nr. 7, S. 20 ff.) diese Einschätzung.
44bb) Aufgrund dessen kann die Zulassung des Vorhabens lediglich auf der Grundlage einer Abweichungsentscheidung gemäß § 48d Abs. 5 LG NRW erfolgen. Diese erfordert unter anderem eine sog. bipolare Abwägung, im Rahmen derer sowohl die zwingenden Gründe des (überwiegenden) öffentlichen Interesses auf der einen Seite als auch das Integritätsinteresse des betroffenen FFH-Gebiets auf der anderen Seite zu gewichten und einander gegenüberzustellen sind. Entgegen der im Planfeststellungsbeschluss hilfsweise getroffenen Abweichungsentscheidung kommt eine Zulassung des Vorhabens gemäß § 48d Abs. 5 Nr. 1 LG NRW hier jedoch nicht in Betracht, weil zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art, nicht festgestellt werden können. Die von der Planfeststellungsbehörde vorgenommene Gewichtung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
45(1) Die Gewichtung der Abweichungsgründe, also der für die Zulassung des Vorhabens streitenden (zwingenden) öffentlichen Interessen - Ertüchtigung des Flughafens Münster/Osnabrück für direkte Interkontinentalverbindungen mit Blick auf einen erwarteten entsprechenden Verkehrsbedarf, Förderung der Dezentrali-sierung des Luftverkehrs, Wettbewerbsstärkung der Region - hängt nach den bindenden Vorgaben des zurückverweisenden Revisionsurteils vor allem von der Bewertung der Wahrscheinlichkeit ab, dass die erwartete Nachfrage nach Interkontinentalverbindungen tatsächlich entsteht. Dabei ist davon auszugehen, dass die Bewertung der Wahrscheinlichkeit der Nachfrage sich sowohl auf die Passagierseite als auch auf die Seite der Fluggesellschaften, die Interkontinentalverbindungen anbieten, zu beziehen hat, weil erst beide Nachfragen zusammengenommen zur Entstehung von Interkontinentalverkehr führen. Dazu, welcher Grad an Wahrscheinlichkeit gegeben sein muss, um zwingende Gründe des (überwiegenden) öffentlichen Interesses annehmen zu können, und auf welcher Grundlage die Wahrscheinlichkeit zu bewerten ist, macht das Revisionsurteil keine Vorgaben. Allerdings setzt eine Bewertung der Wahrscheinlichkeit die Bewertung sämtlicher für und gegen den Eintritt der Nachfrage sprechender Umstände voraus, weil Wahrscheinlichkeit anders nicht quantifizierbar ist. Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit in dem Sinne, dass sie in der Läge wäre, den öffentlichen Interessen das für die Abweichungsentscheidung hier - in Abhängigkeit vom Gewicht des Integritätsinteresses - erforderliche Gewicht zu verleihen, ist nicht festzustellen. Die Wahrscheinlichkeit des Nachfrageeintritts ist nämlich allenfalls als sehr gering zu bewerten.
46Der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses lässt sich - wohl in Ermangelung seinerzeit bekannter, die Anforderungen an die Abwägung und Gewichtung im Rahmen einer Abweichungsentscheidung konkretisierender Rechtsprechung - eine Bewertung der für und gegen den Eintritt der Nachfrage nach Interkontinentalverkehr sprechenden Umstände kaum entnehmen.
47Die hilfsweise Abweichungsentscheidung unter C.II.6.6 des Planfeststellungsbeschlusses wird hinsichtlich der für das Vorhaben streitenden öffentlichen Interessen zunächst mit induzierten Arbeitsplatzeffekten begründet. Diese geben jedoch für eine Wahrscheinlichkeit des Nachfrageeintritts nichts her. Vielmehr hängen die Arbeitsplatzeffekte ihrerseits davon ab, dass auf dem Flughafen die prognostizierte Entwicklung im Interkontinentalbereich tatsächlich eintritt, also Interkontinentalflüge im relevanten, zusätzliche Arbeitsplätze erforderlich machenden oder nach sich ziehenden Umfang durchgeführt werden. Dass mit dem Ausbau der Start-/Landebahn das Planziel, (in jeder Hinsicht) beschränkungsfreien Flugbetrieb zu gewährleisten, erreicht wird, besagt ebenfalls nichts darüber, mit welcher Wahrscheinlichkeit sich Nachfrage nach restriktionsfreien Interkontinentalverbindungen, auf welche die Bahnlänge ausgelegt ist, einstellen wird. Entsprechendes gilt, soweit im Planfeststellungsbeschluss darauf hingewiesen wird, dass die vollständige Ausschöpfung des vorhandenen Nachfragepotenzials betriebswirtschaftlich zwingend geboten sei und eine durch die Widmung des Flughafens begründete oder ausgelöste öffentliche Erwartungshaltung befriedigt werden müsse. Nähere oder weitere Feststellungen oder Ausführungen zu Umständen, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erwarten lassen, dass aus dem angenommenen Potenzial und der Erwartungshaltung tatsächlich Interkontinentalverbindungen entstehen, finden sich nicht.
48Soweit in diesem Zusammenhang auf den Luftfrachtverkehr und ein gestiegenes Luftfrachtaufkommen hingewiesen wird, hat das für die Frage der Wahrscheinlichkeit eines Nachfrageeintritts keine Relevanz. Die Beantwortung dieser Frage hat sich vom Grundsatz her zunächst einmal auf die Nachfrage zu beziehen, die nach den der Planfeststellung zugrunde liegenden Verkehrsgutachten des IVM aus September 1996 und Dezember 2001 (am ehesten) zu erwarten (wahrscheinlich) ist. Was interkontinentale Luftfrachtverbindungen anbelangt, ist dem Flughafen Münster/Osnabrück jedoch in den Gutachten noch nicht einmal eine realistische Entwicklungschance attestiert worden. Insbesondere die diesbezüglichen, das Gutachten aus September 1996 aktualisierenden Ausführungen im Gutachten aus Dezember 2001 - unter Nr. 5, S. 31 bis 37, in der Kurzfassung unter Nr. 6, S. 42 f., sowie in der Zusammenfassung unter Nr. 7.9, S. 46 - können selbst bei wohlwollender Interpretation nicht in einem solchen Sinne verstanden werden. Dementsprechend findet interkontinentaler Luftfrachtverkehr im IVM-Gutachten aus April 2010 nebst Ergänzung aus September 2010 keinerlei Erwähnung (vgl. insbesondere die Ausführungen unter Nr. 3.5, S. 48 ff., des Gutachtens aus April 2010). Dies lässt nur die Bewertung zu, dass interkontinentaler Luftfrachtverkehr nicht wahrscheinlich ist und dementsprechend daraus kein Gewicht der für das Vorhaben streitenden öffentlichen Interessen abgeleitet werden kann.
49In den Ausführungen im Planfeststellungsbeschluss zur Planrechtfertigung (C.II.2) findet sich ebenfalls nichts, was für eine Wahrscheinlichkeit des Nachfrageeintritts spricht. Die Ausführungen beschränken sich im Wesentlichen auf die Nachzeichnung des Vorgehens in den beiden IVM-Gutachten aus September 1996 und Dezember 2001, die bereits im Urteil vom 13. Juli 2006 im Ergebnis als von - weiter als in anderen Fällen reichenden - Prognoseunsicherheiten geprägt qualifiziert worden sind. Der Umstand, dass die Gutachten im Planfeststellungsbeschluss ohne nähere Begründung als schlüssig bezeichnet werden, gibt für die relevante Frage der Wahrscheinlichkeit des Nachfrageeintritts nichts her. Eine Auseinandersetzung damit, wie wahrscheinlich der Eintritt der Gegebenheiten ist, die nach den Gutachten erforderlich sind, um das für den Flughafen Münster/Osnabrück ermittelte Potenzial im Interkontinentalverkehr zu einer tatsächlichen Nachfrage zu "verdichten", findet nicht statt.
50Dazu, warum aus der gelungenen Ausschöpfung des Marktpotenzials im Kurz- und Mittelstreckenverkehr durch den Flughafen Münster/Osnabrück quasi ein Analogieschluss auf den in verschiedener Hinsicht (etwa Konkurrenzsituation, Kostenstrukturen) anders gelagerten Markt des Interkontinentalverkehrs überhaupt zulässig sein sollte, enthält der Planfeststellungsbeschluss keine näheren Ausführungen, obwohl der Interkontinentalmarkt in den IVM-Gutachten aus September 1996 und Dezember 2001 differenziert betrachtet wird, er im IVM-Gutachten aus Dezember 2001 (S. 13) die Bezeichnung als schwierig erfahren hat und im Ergebnis lediglich dem (touristisch motivierten) Privatreiseverkehr eine (realistische) Entwicklungschance eingeräumt wird. Soweit im Planfeststellungsbeschluss auch im Rahmen der Planrechtfertigung auf den Luftfrachtverkehr eingegangen wird (S. 58, vorletzter Absatz), kann dieser aus den zuvor dargelegten Gründen außer Betracht gelassen werden.
51Die im Zusammenhang mit der Planrechtfertigung erfolgten Ausführungen der Planfeststellungsbehörde zum Nachfragepotenzial im (weiten) Mittelstreckenverkehr geben für die Wahrscheinlichkeit des Nachfrageeintritts im Interkontinentalverkehr, die nach den bindenden Ausführungen des Revisionsgerichts angesichts der Ausrichtung des Planvorhabens, gerade oder auch restriktionsfreien Interkontinentalverkehr am Flughafen Münster/Osnabrück zu ermöglichen, das Gewicht der öffentlichen Interessen bestimmt, ebenfalls nichts her. Entsprechendes gilt im Übrigen für die diesbezüglichen, im Klageverfahren angestellten Überlegungen der Beigeladenen. Unabhängig davon sind sämtliche Ausführungen zur langen Mittelstrecke deshalb unplausibel, weil keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die bestehende Bahnlänge des Flughafens Münster/Osnabrück die Durchführung von Flügen im weiten Mittelstreckenverkehr tatsächlich einschränkt. So werden beispielsweise seit Jahren regelmäßig touristisch motivierte Flüge zu den Kanarischen Inseln durchgeführt, die mit einer Hinflugzeit von etwa viereinhalb Stunden deutlich als lange Mittelstreckenverbindung einzustufen sind. Solche Flüge werden selbst ab dem Flughafen Dortmund durchgeführt, der über eine kürzere Start-/Landebahn (2.000 m) verfügt. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass die sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Mihlan ergebenden Restriktionen auf der (langen) Mittelstrecke eher theoretischer Natur sind, d. h. praktisch keine Auswirkungen haben, was im Ergebnis auch das Gutachten des Sachverständigen Faulenbach da Costa bestätigt. Jedenfalls zeigen die Flüge zu den Kanarischen Inseln, dass als lange Mittelstreckenziele einzustufende Destinationen bereits bisher vom Flughafen Münster/Osnabrück aus bedient werden können. Es ist zudem weder dargetan worden noch sonst ersichtlich, dass Fluggesellschaften (lange) Mittelstreckenziele von anderen Flughäfen, die über eine längere Start-/Landebahn verfügen, mit Fluggerät bedienen, das deutlich größer als das am Flughafen Münster/Osnabrück zum Einsatz kommende ist, oder dass entsprechende konkrete Planungen von Fluggesellschaften im Jahr 2004 bestanden oder absehbar waren. Soweit die Beigeladene in anderem Zusammenhang geltend macht, durch die gegenwärtige Bahnlänge gehindert zu sein, neue Angebote im (weiten) Mittelstreckenbereich zu erschließen, hat sie auch dies in keiner Weise konkretisiert. Von daher erschließt sich nicht, dass für den Flughafen Münster/Osnabrück im (weiten) Mittelstreckenverkehr ein über gegebenenfalls allgemein in diesem Bereich zu prognostizierende Steigerungsraten hinausgehendes Potenzial besteht, das gerade mit Hilfe einer längeren Start-/ Landebahn ausgeschöpft werden könnte.
52Soweit der Planfeststellungsbeschluss bei den Ausführungen zur Planrechtfertigung auf den "Low-Cost-Luftverkehr" als zum Zeitpunkt der Planfeststellung aktuelle Entwicklung abstellt, ist auch dies unergiebig, weil es sich um eine bloße, in keiner Weise abgesicherte oder bestätigte Spekulation handelt. Die im Dezember 2004 feststellbaren gestiegenen Passagierzahlen im "Low-Cost-Sektor", die sich offensichtlich nicht auf den Interkontinentalbereich bezogen, sag(t)en nichts darüber aus, ob dieses Geschäftsmodell überhaupt auf den Interkontinentalbereich, in dem angesichts der Flugdauer andere Anforderungen an die Passagierbeförderung zu stellen und andere Kostenfaktoren, vor allem Treibstoff, bestimmend sind, übertragbar ist. Die in diesem Zusammenhang im Planfeststellungsbeschluss erwähnten Pressemeldungen über entsprechende Pläne sind ohne Aussagen zu den zuvor genannten Umständen allein nicht geeignet, überhaupt eine Wahrscheinlichkeit zu begründen, dass es erstens im Interkontinentalverkehr zu nicht nur vorübergehenden "Low-Cost-Verkehr" kommt und zweitens gegebenenfalls auch der Flughafen Münster/Osnabrück hiervon profitieren würde. Soweit dabei in der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses versucht wird, dem Flughafen Düsseldorf mangels einer interkontinentalflugtauglichen Start-/Landebahn von 3.600 m Länge eine Entwicklungsmöglichkeit oder Partizipation in diesem Bereich abzusprechen, greift auch das nicht durch. Unbestritten wurde und wird über den Flughafen Düsseldorf mit seiner 3.000 m langen Start-/Landebahn nicht unbeträchtlicher Interkontinentalverkehr abgewickelt, was den Schluss erlaubt, dass die sich aus der Bahnlänge im Interkontinentalbereich ergebenden Restriktionen jedenfalls in der Realität keinen durchgreifenden Auswirkungen haben. Selbst wenn man die Entstehung von "Low-Cost-Verkehr" im Interkontinentalbereich zum Zeitpunkt der Planfeststellung als wahrscheinlich ansähe, könnte jedenfalls eine Partizipation des Flughafens Münster/Osnabrück an diesem Verkehr nicht mit der Begründung plausibel gemacht werden, dem Konkurrenzflughafen Düsseldorf fehle eine ausreichend lange Start-/Landebahn.
53Das IVM-Gutachten aus April 2010 nebst Ergänzung aus September 2010 gibt ebenfalls nichts dafür her, dass zum Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses die Entstehung von interkontinentalem "Low-Cost-Verkehr" am Flughafen Münster/Osnabrück als (beachtlich) wahrscheinlich beurteilt werden konnte. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Ausführungen im Planfeststellungsbeschluss zu dieser (besonderen) Verkehrsart, die in den IVM-Gutachten aus September 1996 und Dezember 2001 nicht erwähnt wird, in der Sache eine Prognose(entscheidung) darstellen. Dieser fehlt aus den zuvor angesprochenen Gründen bereits eine ausreichende Grundlage. Eine solche wird insbesondere durch das IVM-Gutachten aus April 2010 auch nicht nachgeliefert. Die dortigen Ausführungen (unter Nr. 3.3, S. 34 ff.) zum dezentralen interkontinentalen Luftverkehr in Deutschland im Jahr 2004 lassen nicht erkennen, dass sich unter den beschriebenen Verkehren auch ein solcher befand, der dem im Planfeststellungsbeschluss angesprochenen "Low-Cost-Verkehr" entspricht. Im Übrigen findet sich im IVM-Gutachten aus April 2010 lediglich unter Nr. 3.4.1, S. 43, ein Hinweis auf die Fluggesellschaft Air Asia X als Tochtergesellschaft des malaysischen "Low-Cost-Anbieters" Air Asia. Ungeachtet der zeitlichen Einordnung des Tätigwerdens dieser Gesellschaft liegt es auf der Hand, dass dies nicht ausreicht, um gerade "Low-Cost-Verkehr" im Interkontinentalbereich als für den Flughafen Münster/ Osnabrück in Betracht zu ziehende Komponente oder Größe darzustellen. Dementsprechend findet dieser Verkehr im Gutachten aus April 2010 bei der Bewertung der Wahrscheinlichkeit, dass es am Flughafen Münster/Osnabrück zu Interkontinentalverkehr kommt, keine Erwähnung.
54Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit des Nachfrageeintritts ergibt sich ferner nicht aus den Ausführungen der Planfeststellungsbehörde zur "Notwendigkeit des Vorhabens" (C.II.3 des Planfeststellungsbeschlusses). Dies gilt insbesondere für die Beschreibung der verkehrspolitischen Konzeption sowie die Darstellung der wirtschaftlichen Bedeutung des Flughafens Münster/Osnabrück (C.II.3.3 des Planfeststellungsbeschlusses, S. 64 ff.). Letztere referiert im Wesentlichen lediglich allgemeingültige Erkenntnisse über die positiven wirtschaftlichen Auswirkungen von Flughäfen. Was die Ausführungen zur künftigen Entwicklung der Nachfrage anbelangt (C.II.3.2.2 des Planfeststellungsbeschlusses, S. 63), beziehen sich diese, was den Flughafen Münster/Osnabrück anbelangt, weitgehend auf den Kurz- und Mittelstreckenverkehr und lassen konkrete Aussagen hinsichtlich des Interkontinentalverkehrs und seiner Entstehung vermissen. Unabhängig davon zeigen die Ausführungen zur künftigen Entwicklung, dass bereits die Prognosen für den Kurz-/Mittelstreckenverkehr von deutlichen Unsicherheiten geprägt sind. So differieren beispielsweise die im Planfeststellungsbeschluss angeführten Prognosen des DLR und des IVM für den Flughafen Münster/Osnabrück für das Jahr 2010 immerhin um 700.000 Passagiere (2,3 Millionen gegenüber 3 Millionen). Berücksichtigt man weiter die zum Zeitpunkt der Planfeststellung bekannten tatsächlichen Passagierzahlen für das Jahr 2003 am Flughafen Münster/Osnabrück (1,52 Millionen Passagiere), kann entgegen dem Planfeststellungsbeschluss nicht davon gesprochen werden, bei um 700.000 Passagiere voneinander abweichenden Prognosen handele es sich um ähnliche Ergebnisse. Davon unberührt bleibt der Umstand, dass die zuvor genannten Prognosen für 2010 aufgrund des Terroranschlags vom 11. September 2001 und der wirtschaftlichen Rezession im Zeitpunkt der Planfeststellung ohnehin korrektur- oder jedenfalls überprüfungsbedürftig gewesen waren. Dies wird durch den Umstand bestätigt, dass das IVM im Dezember 2001 eine Überprüfung vorgenommen hat. Die von der Planfeststellungsbehörde angeführten, für eine Erholung und ein weiteres Wachstum des Weltluftverkehrs nach dem Terroranschlag angeführten Umstände sind für die Beantwortung der Frage nach der Wahrscheinlichkeit des Nachfrageeintritts nach Interkontinentalverkehr am Flughafen Münster/Osnabrück viel zu allgemein gehalten und darüber hinaus zumindest teilweise unplausibel. Dies gilt zum einen hinsichtlich der Beurteilung des Flugzeugs als preisgünstiges Verkehrsmittel und zum anderen hinsichtlich des angenommenen Abbaus von Grenzormalitäten. Aufgrund welcher (vergleichenden) Betrachtung das Flugzeug auch oder gerade im Interkontinentalverkehr als preisgünstiges Verkehrsmittel eingestuft wurde, erschließt sich nicht. Beispiele für den Abbau von Grenzformalitäten im Interkontinentalverkehr werden nicht genannt. Es ist im Gegenteil allgemein bekannt, dass nach dem zuvor erwähnten Terroranschlag die Anforderungen etwa an die Einreise in die USA deutlich verschärft worden sind und selbst bei Flügen ab deutschen Flughäfen, die den Luftraum der USA lediglich berühren, was beispielsweise auch touristisch motivierte Flüge zu Zielen in der Karibik betrifft, verschärfte Abfertigungsmodalitäten gelten. Soweit im Zusammenhang mit der Notwendigkeit des Vorhabens wiederum der Luftfrachtverkehr bemüht wird (S. 63 des Planfeststellungsbeschlusses, letzter Absatz), kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden.
55Soweit mit der Aussage im Planfeststellungsbeschluss, die IVM-Gutachten aus September 1996 und Dezember 2001 seien schlüssig, zugleich inzident die Aussage verbunden sein sollte, der Eintritt einer Interkontinentalflugnachfrage am Flughafen Münster/Osnabrück sei im Bereich des vor allem touristisch motivierten Privatreiseverkehrs (beachtlich) wahrscheinlich, kann dem nicht gefolgt werden. Die beiden Gutachten geben für eine solche Wahrscheinlichkeit nichts her.
56Bereits das Gutachten aus September 1996 (Teil I, S. 69 oben) betont, dass es sich bei dem für 2010 prognostizierten Passagieraufkommen am Flughafen Münster/Osnabrück um ein (rein) theoretisches Szenario oder (S. 68 unten) um (lediglich) rechnerisch darstellbare Möglichkeiten handelt. Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass die Realisierung des theoretischen Rahmens von den betriebswirtschaftlichen Kostenkonstellationen der Fluggesellschaften abhängig sei. Diese werden im Folgenden jedoch nicht näher untersucht oder bewertet. Vielmehr wird auf Umstände hingewiesen, die einer Realisierung des theoretischen Rahmens eher entgegenstehen (S. 69, zweiter und dritter Absatz). Das Gutachten aus September 1996 nimmt für sich also nicht in Anspruch, Aussagen zur Wahrscheinlichkeit des Nachfrageeintritts zu machen.
57Wenn man es gleichwohl mit Blick darauf interpretiert, sprechen die Ausführungen an der zuvor genannten sowie an anderen Stellen - S. 63 oben ("Unteilbarkeiten" der Airlines), S. 76, zweiter Absatz - gegen eine solche Wahrscheinlichkeit. Dies gilt auch deshalb, weil selbst die theoretischen Ableitungen des Gutachtens, mit denen ein relevantes Interkontinental-Potenzial am Flughafen Münster/Osnabrück begründet wurde, in wesentlichen Punkten nicht frei von Zweifeln sind. Dies gilt jedenfalls hinsichtlich des für den Flughafen Münster/Osnabrück in der Sache angenommenen (festen) Einzugsbereichs, der aufbauend auf der Prämisse weitgehender Homogenität der konkurrierenden Flughäfen allein mittels der Pkw-Anreisezeit festgelegt wurde, und hinsichtlich der Ableitung realistischer Marktchancen mittels eines sog. "TOP-10-Ansatzes". Wegen der Einzelheiten der insoweit bestehenden Zweifel wird auf die Ausführungen im DLR-Gutachten aus März 2011, insbesondere unter Nr. 3.3.1, S. 12 ff., und Nr. 3.3.3, S. 19 ff., Bezug genommen. Die zuvor kritisierten Annahmen oder Ableitungen des IVM führen zu deutlich zu optimistischen Prognosezahlen, was selbst die theoretische Darstellung einer Möglichkeit von Interkontinentalverkehr als eher zweifelhaft erscheinen lässt. Diese Zweifel bestanden auch bereits zum Zeitpunkt der Planfeststellung und sind ohne Weiteres einleuchtend.
58Es liegt auf der Hand, dass das dem Flughafen Münster/Osnabrück in den IVM-Gutachten aus September 1996 zugeordnete Bevölkerungs- oder Passagierpotenzial unrichtig bemessen ist, wenn das Einzugsgebiet unzutreffend festgesetzt oder abgegrenzt wurde. So liegt es hier. Beispielsweise ist die Bahnan-/abreise zum/vom Flughafen außer Betracht geblieben. Diese stellt gerade im Interkontinentalverkehr aus den im DLR-Gutachten aus März 2011, S. 33, genannten, gut nachvollziehbaren Gründen - höhere Parkkosten aufgrund längerer Aufenthaltsdauer am Zielort, Ermüdung bei der Rückkehr nach langem Flug, kostenlose oder verbilligte Bahnfahrkarten für Pauschalreisekunden - eine nicht zu vernachlässigende Größenordnung dar. Deren Berücksichtigung würde zu einer Reduzierung des Potenzials des Flughafens Münster/Osnabrück führen, da dieser nicht über eine direkten (Fern-)Bahnanschluss verfügt und ein solcher auch nicht absehbar war und ist. Entsprechendes gilt für die dem Gutachten aus September 1996 im Rahmen der Festlegung des Einzugsgebiets zugrunde liegende Annahme einer weitgehenden Homogenität des Flugangebots der konkurrierenden Flughäfen. Stellt man ein, dass die mit dem Flughafen Münster/Osnabrück im Interkontinentalbereich konkurrierenden Flughäfen ein attraktiveres Flugangebot haben, führt dies zu einer weiteren Potenzial- oder Nachfragereduzierung. Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob die zuvor aufgezeigten Umstände als methodische Mängel zu qualifizieren sind, welche die im Gutachten aus September 1996 aufgestellte Prognose als solche in Frage stellen, oder ob es sich nach dem Erkenntnisstand Ende 2004 noch um vertretbare Ansätze handelt. Im Rahmen der hier zu beurteilenden Wahrscheinlichkeit handelt es sich jedenfalls um Umstände, die der Annahme einer (beachtlichen) Wahrscheinlichkeit des Nachfrageeintritts entgegenstehen. Denn wenn bereits das Potenzial auf der Seite der Passagiere, aus dem sich eine tatsächliche Nachfrage "entwickeln" kann, deutlich kleiner ist als angenommen, wovon auch ohne genauere Quantifizierung nach den Ausführungen im DLR-Gutachten aus März 2011 insbesondere zu den Bahnanreisezeiten (S. 34) auszugehen ist, spricht dies gegen die Annahme, die Nachfrage werde hinsichtlich bestimmter Interkontinentalverbindungen, die nach den IVM-Gutachten für die Fluggesellschaften erst ab einer bestimmten "kritischen" Auslastungsgrenze der Flugzeuge in Betracht kommen, die jeweils erforderlichen Passagiermengen erreichen. Soweit der Beklagte in Bezug auf die im DLR-Gutachten aus März 2011 genannten Bahnanreisezeiten die fehlende Berücksichtigung eines Umsteigevorgangs am Flughafenbahnhof in Düsseldorf reklamiert, fällt dieser zeitlich nicht wesentlich in Gewicht. Die Abfertigungsgebäude jenes Flughafens sind, was allgemein bekannt und aus dem Internet ersichtlich ist, seit dem Jahr 2002 unmittelbar vom Fernbahnhof aus mit dem sog. "SkyTrain" erreichbar, der in Zeitabständen von wenigen Minuten verkehrt und dessen maximale Fahrzeit 6,5 Minuten beträgt.
59Der dem Gutachten aus September 1996 zugrunde liegende sog. "TOP-10-Ansatz" (Teil I, ab S. 63) begegnet ebenfalls Zweifeln, jedenfalls soweit daraus abgeleitet wird, dass ein für den Flughafen Münster/Osnabrück realisierbarer Markt gerade in den zehn Interkontinentalzielen liegt, die deutschlandweit die meisten Passagiere aufweisen (konnten). Auch wenn bei diesen Zielen am ehesten die für eine Direktverbindung erforderlichen Passagiermengen zusammenkommen mögen, zeigen die - nach den Tabellen im DLR-Gutachten aus März 2011 auf S. 20 - erfolgten Abflüge zu Interkontinentalzielen von deutschen Interkontinentalflughäfen (mit Ausnahme der Drehkreuze) für die Zeit vor dem Gutachten aus September 1996 sowie für das Jahr der Planfeststellung, dass mit diesem Ansatz eine realistische Marktchance nicht begründet werden konnte. Denn ansonsten hätten die zuvor genannten Abflüge an den einzelnen Flughäfen in etwa den "TOP-10"-Zielen entsprechen müssen, was jedoch nicht der Fall ist. Dies räumt im Ergebnis auch das IVM in seiner Stellungnahme aus April 2011 (S. 4) ein.
60Außerdem geht das IVM-Gutachten aus September 1996 im Rahmen seines sog. "TOP-10-Ansatzes" davon aus, dass Interkontinentalverkehr ab einer Menge von 160 Passagieren pro Wochenabflug rechnerisch durchführ- oder darstellbar ist. Dabei beruht die genannte Anzahl der Passagiere auf der Annahme eines Flugzeugs mit 200 Sitzplätzen und einer - wohl für die Fluggesellschaften - akzeptablen Ausnutzung von 80 Prozent (Gutachten aus September 1996, Teil I, S. 67 f., sowie Kurzfassung aus März 1997, S. 35). Auch dies geht an der Realität jedenfalls Ende 2004 vorbei. Aus den Ausführungen im IVM-Gutachten aus April 2010 (unter Nr. 3.4.2, S. 45 ff.) ergibt sich, dass gerade zu touristischen Langstreckenzielen größere Maschinen, d. h. Flugzeuge mit deutlich mehr als 200 Sitzplätzen eingesetzt wurden, etwa Airbus A330-300 oder Boeing 767-300. Selbst die im IVM-Gutachten aus April 2010 hervorgehobene - zum Zeitpunkt der Planfeststellung anscheinend noch nicht konkret absehbare - "kleinere" Boeing 787 verfügt in der von Air Berlin georderten Version über 272 Sitzplätze. Dementsprechend ist auch die zuvor behandelte Annahme des Gutachtens aus September 1996, die durch das Gutachten aus Dezember 2001 nicht revidiert oder angepasst wurde - gerade der sog. "TOP-10-Ansatz" hat keine Aktualisierung erfahren -, wiederum für den Flughafen Münster/Osnabrück zu günstig, weil selbst auf der Grundlage der zuletzt genannten Maschine - bei Beibehaltung einer Auslastung von 80 Prozent - etwa 217 Passagiere für einen Flug erreicht werden müssten.
61Ferner spricht die vom IVM zugrunde gelegte "Ausreifungszeit", die nach seiner Darstellung der Entstehung von Interkontinentalverkehr vorausgeht oder vorausgehen muss, jedenfalls nicht für die Annahme einer (beachtlichen) Wahrscheinlichkeit des Nachfrageeintritts. Zwar mag die Berücksichtigung einer Anlaufphase methodisch nicht zu beanstanden sein, auch wenn insoweit weder empirische noch sonstige wissenschaftliche Belege, insbesondere was die Länge der Phase anbelangt, genannt werden. Es fehlen jedoch jegliche Angaben dazu, was konkret in dieser Phase (prognostisch) passiert oder passieren muss, damit es danach zur Entstehung von Interkontinentalverkehr in relevantem Umfang kommt. Der in diesem Zusammenhang vom IVM erfolgte Hinweis auf einen steigenden Nachfragedruck überzeugt nicht, weil unklar bleibt, wie insbesondere die Fluggesellschaften, welche die Interkontinentalverbindungen anbieten sollen, von diesem Nachfragedruck "in der Region" erfahren sollen, zumal es nicht so ist, dass die vom IVM dem Flughafen Münster/Osnabrück als Einzugsgebiet zugeordneten Bereiche keinen Zugang zu Interkontinentalverbindungen ab anderen Flughäfen haben. Zudem erscheint es realistisch, dass die mit dem Flughafen Münster/Osnabrück im Falle der Bahnverlängerung im Interkontinentalbereich konkurrierenden Flughäfen Maßnahmen ergreifen werden, um ein mögliches Abwandern von Fluggesellschaften, die bisher Interkontinentalverbindungen ab den Konkurrenzflughäfen angeboten haben, zu verhindern. Dementsprechend mag die angenommene "Ausreifungszeit" die Entstehung von Interkontinentalverkehr überhaupt als prognostisch möglich erscheinen lassen. Sie stellt jedoch keinesfalls einen Umstand dar, der zur Begründung einer (beachtlichen) Wahrscheinlichkeit der Entstehung von Interkontinentalverkehr geeignet ist.
62Die übrigen Ausführungen im IVM-Gutachten aus Dezember 2001 rechtfertigen ebenfalls nicht die Annahme einer (beachtlichen) Wahrscheinlichkeit des Nachfrageeintritts. Eine Korrektur oder Revidierung der zuvor als problematisch aufgezeigten Punkte oder Ansätze des Gutachtens aus September 1996 findet nicht statt. Zwar wird auf die bei der Festlegung der Einzugsgebiete außer Acht gelassene Bahnan-/abreise im Zusammenhang mit dem Fernbahnanschluss des Flughafens Düsseldorf eingegangen (S. 11). Die dort für die Beibehaltung des gewählten Ansatzes genannten Gründe vermögen jedoch in Ansehung der im DLR-Gutachten aus März 2011 genannten Gründe (S. 33 unten) nicht zu überzeugen. Im Übrigen sind die im IVM-Gutachten aus Dezember 2001 gegen die Attraktivität einer Bahnan-/abreise vorgebrachten Argumente nicht zwingend. Angesichts der zunehmenden Verkehrsdichte auf den Straßen sind auch bei einer Pkw-Anreise Unsicherheitszuschläge einzukalkulieren. Warum (nur) mit dem Pkw ein problemloser Gepäcktransport gewährleistet sein soll, erschließt sich nicht. Was die Flexibilität bei Verspätungen - gemeint ist wohl bei Rückflügen - anbelangt, kann eine solche bei der Bahnbenutzung jedenfalls für den Flughafen Düsseldorf nicht in Abrede gestellt werden, weil dessen Fernbahnhof eine Vielzahl von Verbindungen, die häufig in kurzen Zeitabständen bedient werden, bietet. Im Ergebnis bleibt das Gutachten aus Dezember 2001 bei den bereits im Gutachten aus September 1996 aus dem Einzugsgebiet "entwickelten" 831.000 Interkontinental-Passagieren, die im Sinne des "TOP-10-Ansatzes" erforderlich seien (S. 17, nach der Tabelle). Ist jedoch das über das Einzugsgebiet festgelegte Passagierpotenzial zu groß bemessen, so dass sich aus ihm keine 831.000 Interkontinental-Passagiere "entwickeln" lassen, und ist die Passagier-Untergrenze für den einzelnen Interkontinentalflug - wie zuvor aufgezeigt - zu niedrig bemessen, so erscheint Interkontinentalverkehr am Flughafen Münster/Osnabrück mit Blick auf die von den Fluggesellschaften gestellten Rentabilitätsanforderungen nicht einmal prognostisch (theoretisch) plausibel darstellbar.
63Auch darüber hinaus enthält das Gutachten aus Dezember 2001 nichts, was die Annahme einer (beachtlichen) Wahrscheinlichkeit des Nachfrageeintritts begründen könnte. Vielmehr macht es die für den Flughafen Münster/Osnabrück im Privatreiseverkehr angenommene Realisierungs- oder Entwicklungschance für Interkontinentalverkehr von Prämissen abhängig, deren Eintritt als eher unwahrscheinlich einzustufen ist. Bereits das Gutachten aus September 1996 beruhte zusammengefasst wesentlich auf den Annahmen, die Drehkreuz-Strategie der großen Fluggesellschaften werde aufgrund des stark wachsenden Markts an ihre Grenzen stoßen und der Flughafen Düsseldorf als ein Hauptkonkurrent des Flughafens Münster/Osnabrück sei nicht weiter ausbau- oder entwicklungsfähig. Durchgreifende Argumente, dass diese Annahmen in absehbarer Zeit eintreten werden, finden sich jedoch in den Gutachten aus September 1996 und Dezember 2001 nicht.
64Das - gegen eine (beachtliche) Wahrscheinlichkeit eines Nachfrageeintritts sprechende - Problem, dass Interkontinentalverkehr am Flughafen Münster/Osnabrück gegen den Widerstand der auf Drehkreuze fixierten etablierten Fluggesellschaften entwickelt werden müsste, wird zwar im Gutachten aus Dezember 2001 eingeräumt (S. 16). Der Hinweis auf die entsprechenden Abhandlungen im Gutachten aus September 1996 bringt jedoch nichts Überzeugendes, weil auch in diesem belastbare Fakten fehlen, die den Eintritt der - zugunsten des Planvorhabens gleichsam gewünschten oder erhofften - Entwicklung, die Drehkreuz-Strategie möge an ihre Grenzen stoßen, als wahrscheinlich erscheinen lassen. Ferner beschränkt sich der Lösungsansatz im Gutachten aus September 1996 im Ergebnis auf den Hinweis oder die Spekulation, nicht näher genannte ausländische Fluggesellschaften könnten als "Newcomer" Verbindungen zu den Zielen des "TOP-10-Ansatzes" am Flughafen Münster/Osnabrück anbieten (S. 33 der Kurzfassung). Was die Drehkreuz-Strategie anbelangt, weist das Gutachten aus Dezember 2001 (S. 6 unten) sogar darauf hin, dass diese in den USA noch ausgebaut worden ist. Beispiele für die Entwicklung neuer Interkontinentalverkehre in Europa abseits der Drehkreuze werden dagegen nicht genannt. Welche Leistungsmerkmale regionaler Interkontinentalflughäfen es sein sollen, die diese für Privatreisende interessant machen, wird nicht weiter ausgeführt.
65Zudem nimmt das Gutachten aus Dezember 2001 die für den Flughafen Düsseldorf im Gutachten aus September 1996 angenommenen Beschränkungen zurück (S. 9 ff.). Der Hinweis darauf, dass etwaige Kapazitätsgrenzen des Flughafens Düsseldorf nicht zulasten der Interkontinentalverbindungen gehen (S. 10 unten) sowie die eingeräumte Attraktivitätssteigerung dieses Flughafens aufgrund des errichteten Fernbahnanschlusses sind zusammengefasst dahingehend zu werten, dass eine erfolgreiche Positionierung des Flughafens Münster/Osnabrück neben dem Flughafen Düsseldorf im Interkontinentalbereich unwahrscheinlich ist. Im Gutachten aus Dezember 2001 klingt dies in der Formulierung an, der Übergang vom Potenzial zum Passagieraufkommen werde für den Flughafen Münster/Osnabrück schwieriger (S. 11 unten).
66Bei den Ausführungen unter Nr. 4, S. 18 ff., des Gutachtens aus Dezember 2001 handelt es sich, wie das Gutachten selbst eingeräumt, um - von anderer Seite durchaus skeptisch betrachtete - Zukunftsszenarien (S. 26, zweiter Absatz). Hinsichtlich der Frage, wer die Nachfrage am Flughafen Münster/Osnabrück decken sollte, wird wiederum lediglich auf nicht näher bezeichnete neue Fluggesellschaften verwiesen (S. 22, Mitte). Das im Übrigen an der angegebenen Stelle bemühte Argument, Privat- und Geschäftsreiseverkehr ließen sich zukünftig häufiger zu bestimmten (interkontinentalen) Zielen zusammenfassen, weil sich private Kulturreisen stärker entwickelten als reine Erholungsreisen, trägt ebenfalls nicht. Auch an der in Bezug genommenen Stelle des Gutachtens aus September 1996 finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass private interkontinentale Kulturreisen eine relevante Größenordnung erreichen werden. Die im Gutachten aus September 1996, S. 28, betonte Tendenz zu kürzeren Mehrfachreisen spricht vielmehr dagegen, dass gerade interkontinentale Ziele, die durch verhältnismäßig lange Anreisezeiten geprägt sind, hiervon profitieren können. Schließlich erscheinen selbst die im Gutachten aus Dezember 2001 entwickelten Zukunftsszenarien unplausibel, weil entgegen dem Gutachten (S. 25 f.) mangels Homogenität der Flughäfen und ihrer Einzugsgebiete nicht davon ausgegangen werden kann, dass sich der (möglicherweise) nicht von den Drehkreuzen Frankfurt/Main und München abgedeckte Interkontinentalverkehr linear auf die verbleibenden Flughäfen verteilen würde.
67Das erst nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses erstellte IVM-Gutachten aus Juli 2005 rechtfertigt - losgelöst von der Frage, ob es in Anbetracht des Erstellungszeitpunkts überhaupt Berücksichtigung finden kann - keine andere Bewertung. Unabhängig davon, dass ihm nicht im Einzelnen entnommen werden kann, welche Entwicklungen bereits im hier maßgeblichen Zeitpunkt (28. Dezember 2004) absehbar waren, beschränkt es sich im Wesentlichen auf eine Überprüfung, Bestätigung und Fortschreibung der Prognosen aus den Gutachten aus September 1996 und Dezember 2001, ohne dass die zuvor im Einzelnen aufgezeigten, gegen die Annahme einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit sprechenden Punkte revidiert oder andere Punkte aufgezeigt würden, welche die Annahme einer solchen Wahrscheinlichkeit rechtfertigten.
68Gegen eine solche spricht im Übrigen die Gegenüberstellung von Risiken und Chancen im Gutachten aus Juli 2005, da jedenfalls die unter dem ersten, zweiten und vierten Punkt beschriebenen Risiken, verstanden als gegen einen Interkontinentalverkehr am Flughafen Münster/Osnabrück sprechende Umstände, deutlich realistischer oder wahrscheinlicher erscheinen als die beschriebenen Chancen. Während die Risiken an Bestehendes anknüpfen oder auf diesem aufbauen, gehen die Chancen überwiegend von grundlegenden Veränderungen aus und weisen damit deutlich spekulative Züge auf. Darüber hinaus sind die als Chancen beschriebenen Umstände, soweit sie bereits im Dezember 2004 absehbar waren, teilweise aus sich heraus nicht plausibel oder sogar unzutreffend. Dies lässt sich an Folgenden aufzeigen: Wenn gerade Interkontinentalverbindungen für die Drehkreuze lukrativ sind, erschließt sich nicht, warum bei Kapazitätsproblemen gerade die Slots für Zubringerflüge zu diesen gestrichen werden sollten und nicht etwa andere (innerdeutsche) Kurzstreckenflüge. Damit ist auch der Annahme eines größer werdenden Markts "widerstandsbetroffener" Interkontinentalreisender jedenfalls teilweise die Grundlage entzogen. Ferner war der etablierte Interkontinentalmarkt im Dezember 2004 nicht durch "Low-Cost-Airlines" berührt worden - und dies war nach den Ausführungen weiter oben auch nicht absehbar -. Dass das Nachtflugverbot am Flughafen Düsseldorf die Umlauflogistik im Interkontinentalverkehr in besonderer Weise stören soll, liegt angesichts des dort abgewickelten Interkontinentalverkehrs jedenfalls nicht auf der Hand, so dass daraus keine relevanten Wettbewerbsnachteile für den Flughafen Düsseldorf abgeleitet werden können, die sich gerade zugunsten des Flughafens Münster/Osnabrück auswirken. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Anreisewiderstände zum Flughafen Düsseldorf mit dem Pkw, wenn - wie oben dargelegt - gerade im Interkontinentalverkehr die Bahnan-/abreise gegenüber dem Pkw-Verkehr eine in Betracht zu ziehende vorteilhafte Alternative darstellt. Aus diesem Argument lässt sich angesichts des fehlenden direkten Bahnanschlusses des Flughafens Münster/Osnabrück eher ein weiteres Risiko für diesen ableiten. Selbst wenn für den zuletzt genannten Flughafen die - nach den vorstehenden Ausführungen zu niedrig angesetzte - "kritische Menge" für einige Ziele zum Prognosezeitpunkt erreichbar wäre, erschließt sich nicht, warum dann "nach dem Grad der heutigen Konzentration" weitere Ziele hinzukommen sollten. Wenn damit zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass es zukünftig auch abseits der Drehkreuze zu Konzentrationen kommt, weil die Fluggesellschaften - aus naheliegenden Kostengründen - ihre Angebote an bestimmten Flughäfen zu bündeln versuchen, erschließt sich nicht, warum die Fluggesellschaften hierfür den als letzten in den Interkontinentalmarkt startenden, von den Passagierzahlen her im Verhältnis zu den Konkurrenzflughäfen eher kleinen Flughafen Münster/Osnabrück in den Blick nehmen sollten. Selbst wenn man dabei den Flughafen Düsseldorf angesichts möglicher Kapazitätsgrenzen außer Betracht lässt, bestehen etwa in Köln/Bonn, Hannover und Hamburg Konkurrenzflughäfen, an denen sich - zumindest im bescheidenen Umfang - Interkontinentalverkehr im Passagierbereich bereits etabliert hat, die im näheren Umkreis des Flughafens ein deutlich größeres Passagierpotenzial aufzuweisen haben als der Flughafen Münster/Osnabrück und die hinsichtlich der Schienenanbindung ebenfalls deutlich besser aufgestellt sind.
69Schließlich führt auch das - ebenfalls erst nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses erstellte - IVM-Gutachten aus April 2010 nebst Ergänzung aus September 2010 nicht zur Annahme einer mehr als nur sehr geringen Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer relevanten Nachfrage nach Interkontinentalverbindungen, auch wenn es die Wahrscheinlichkeit touristischen Interkontinentalverkehrs als hoch bezeichnet und die Einrichtung ethnisch motivierter Interkontinentalverbindungen für sehr wahrscheinlich hält. Die zur Begründung angeführten Umstände rechtfertigen diese Bewertung nicht.
70Soweit das Gutachten aus April 2010 zunächst die bisherige Prognose-Methodik bewertet und bestätigt (Nr. 2.3.1), werden dadurch die bereits aufgezeigten, gegen die Annahme einer (beachtlichen) Wahrscheinlichkeit sprechenden Gesichtspunkte nicht ausgeräumt. Anknüpfend an die Ausführungen weiter oben bedarf es keiner Entscheidung, ob anstelle der vom IVM gewählten Methode eine andere - etwa ein sog. Gesamtverkehrsmodell - hätte gewählt werden müssen, weil die gewählte Methode sowohl bei der mit Hilfe von definierten Einzugsbereichen erfolgten Bestimmung des Passagierpotenzials als auch bei der Festlegung der für einen Interkontinentalflug erforderlichen Passagiermenge im Rahmen des "TOP-10-Ansatzes" auf unzutreffende Werte führt, die unabhängig von der theoretischen Darstellbarkeit von Interkontinentalverkehr jedenfalls der Annahme seiner tatsächlichen Realisierung entgegenstehen. Da die zuvor angesprochenen Werte durch das Gutachten aus April 2010 jedenfalls nicht im Sinne realistischerer Annahmen korrigiert worden sind, fehlt den vom IVM weiter angestellten vergleichenden empirischen Analysen und qualitativen Erörterungen von vornherein die Eignung, eine Wahrscheinlichkeit eines Nachfrageeintritts darzutun. Unabhängig davon sind sie in der Sache nicht überzeugend.
71Zwar kommt es vom Grundsatz her in Betracht, aus der tatsächlichen Entwicklung eines anderen Flughafens oder anderer Flughäfen bei entsprechender Vergleichbarkeit einen Analogieschluss für den Flughafen Münster/Osnabrück zu ziehen in dem Sinne, dass auch an diesem mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine entsprechende Nachfrage eintritt. Einen solchen Schluss erlaubt das im Gutachten aus April 2010 empirisch dargestellte interkontinentale Luftverkehrsaufkommen in Deutschland im Jahr 2004 an den (dezentralen) Flughäfen in Hamburg, Berlin, Hannover, Köln/Bonn, Leipzig/Halle, Stuttgart, Hahn und Karlsruhe/Baden-Baden jedoch nicht.
72Obwohl es sich sämtlich um Flughäfen handelt, die ihre - nach den ersten IVM-Gutachten erforderliche - "Ausreifungszeit" im Dezember 2004 bereits hinter sich hatten, kann an keinem der Flughäfen von einem regelmäßigen und etablierten Interkontinentalverkehr, insbesondere im Segment des für den Flughafen Münster/Osnabrück angeblich am ehesten relevanten touristischen Verkehrs, gesprochen werden. Für den Flughafen Hamburg wird als Einziges eine Verbindung nach Ghana genannt, zu deren Motivation und Häufigkeit nichts Konkretes mitgeteilt wird; die Verbindung nach Teheran stellt, wie das IVM-Gutachten aus April 2010 selbst anmerkt, keinen Interkontinentalverkehr dar. Die Flughäfen in Berlin zusammen genommen kamen im Jahr 2004 auf etwa 105 Abflüge zu (wenigstens) vier verschiedenen touristischen Zielen, was nicht einmal einen Abflug alle drei Tage ergibt; zur Auslastung der Flüge wird nichts mitgeteilt. Ein etablierter und regelmäßiger Verkehr fand im Jahr 2004 am ehesten am Flughafen Hannover statt. Doch handelt es sich dabei im Wesentlichen um sog. ethnisch motivierten Verkehr, dessen Einordnung als Interkontinentalverkehr das IVM-Gutachten aus April 2010 selbst mit der Aussage in Frage stellt, es handele sich überwiegend um Destinationen, die auch mit Mittelstreckenflugzeugen zu bedienen seien. Die genannten Verbindungen des Flughafens Köln/Bonn nach Omsk sind, bezogen auf den Jahresdurchschnitt, allenfalls als gelegentlich und mit Blick auf die genannte Entfernung ebenfalls nur schwerlich als Interkontinentalverbindungen zu bezeichnen. Bei 84 Abflügen zu (wenigstens) drei verschiedenen touristischen Destinationen im gesamten Jahr 2004 vom Flughafen Halle/Leipzig liegt ebenfalls die Qualifizierung als eher gelegentlicher Interkontinentalverkehr nahe. Bei der Verbindung vom Flughafen Stuttgart nach Atlanta handelt es sich um (nicht-touristischen) Linienverkehr.
73Unabhängig davon kommt ein Analogieschluss, ausgehend von den aufgrund der dortigen Verkehre am ehesten hierfür in Betracht kommenden Flughäfen in Berlin, Halle/Leipzig und Hannover, noch aus anderen Gründen nicht in Betracht.
74Hinsichtlich des touristisch motivierten Interkontinentalverkehrs gilt dies deshalb, weil dieser Verkehr zwar im Jahr 2004 in Berlin und Halle/Leipzig festzustellen war, an anderen "dezentralen" Interkontinentalflughäfen dagegen nicht. Wenn der Ansatz in den IVM-Gutachten richtig wäre, dass allein ein ausreichend großes regionales Potenzial für die Entstehung von Interkontinentalverkehr ausreicht, hätte es beispielsweise im Jahr 2004 auch an den Flughäfen Hamburg, Hannover und Stuttgart, die nach dem Gutachten aus April 2010 sowohl hinsichtlich der Größe der Bevölkerung in ihren durch das Gutachten definierten Kerneinzugsgebieten als auch der Kaufkraft der Bevölkerung keinesfalls hinter dem Flughafen Münster/Osnabrück rangieren, touristische Interkontinentalverbindungen geben müssen. Ihr Fehlen spricht dagegen, das Vorhandensein solcher Verbindungen an den Flughäfen Berlin und Halle/Leipzig als (ausreichenden) Grund anzusehen, der die Entstehung solchen Verkehrs auch am Flughafen Münster/Osnabrück (beachtlich wahrscheinlich) erwarten lässt.
75Ähnlich verhält es sich mit dem sog. ethnisch motivierten Verkehr am Flughafen Hannover, wenn man ihn denn überhaupt im vorliegenden Zusammenhang als Interkontinentalverkehr begreift. Dies liegt unabhängig davon, ob und gegebenenfalls wie Interkontinentalverkehr genau zu definieren ist, keinesfalls auf der Hand. Denn es geht um die (Gewichtung der) öffentlichen Interessen, die für eine Start-/ Landebahn streiten, mit der auch oder gerade Interkontinentalverkehr (in jeder Hinsicht) restriktionsfrei durchgeführt werden kann. Mit Blick darauf erscheint es jedenfalls nicht offensichtlich plausibel, gerade Verkehre oder Ziele in den Blick zu nehmen, die anscheinend problemlos mit Mittelstreckenmaschinen bedient werden können. Ungeachtet dessen war es offensichtlich allein dem Flughafen Hannover im oder bis zum Jahr 2004 gelungen, den sog. ethnisch motivierten Verkehr gen Osten weitgehend bei sich zu bündeln (die Verbindungen von Berlin nach Ulaanbaatar und von Köln/Bonn nach Omsk haben keine relevante Größenordnung). Angesichts dessen reicht allein das Vorhandensein eines entsprechenden Potenzials im vom IVM definierten Einzugsgebiet des Flughafens Münster/Osnabrück nicht aus, um darauf die Annahme eines entsprechenden (beachtlich wahrscheinlichen) Nachfrageeintritts zu stützen, zumal es fernliegend erscheint, in diesem Zusammenhang den gesamten Regierungsbezirk Arnsberg als Kerneinzugsgebiet des Flughafens Münster/Osnabrück anzusehen. Wenn das IVM-Gutachten aus April 2010 im Übrigen auf die geringe Zeitsensitivität dieser Passagiere hinweist, rechtfertigt(e) dies eher den Schluss, es werde bei dem bisherigen Schwerpunkt (Hannover) bleiben oder zu einem Ausbau der Verbindungen ab Köln/Bonn kommen. Schließlich kann das Gutachten insoweit zum Nachweis einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit auch deshalb nicht hergezogen werden, weil lediglich Zahlen mitgeteilt werden, welche die Entwicklung bis 2010 wiedergeben, während für den maßgeblichen Zeitpunkt der Planfeststellung sowohl Angaben zum Potenzial als auch eine belastbare Prognose fehlen, dass sich der ethnische Verkehr gen Osten wenigstens im bisherigen Umfang fortsetzen wird. Der bloße Hinweis auf die insgesamt nach Nordrhein-Westfalen gezogenen Spätaussiedler gibt für einen Nachfrageeintritt gerade am Flughafen Münster/Osnabrück nichts her.
76Soweit das IVM-Gutachten aus April 2010 unter Nr. 3.3 auch auf die dezentralen interkontinentalen Verbindungen des Jahres 2008 und unter Nr. 4 auf Entwicklungen im Wesentlichen in der Zeit nach dem Planfeststellungsbeschluss eingeht, ist dies mit Blick auf den Erlass des Planfeststellungsbeschlusses als dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt von vornherein nicht geeignet, eine beachtliche Wahrscheinlichkeit des Nachfrageeintritts zu begründen. Dementsprechend kann es auf die in Nr. 3.4 des Gutachtens untersuchten "Strategien von Airlines im Langstreckenverkehr" nur insoweit ankommen, als diese bereits im Dezember 2004 absehbar waren. Entsprechende Aussagen lassen sich dem Gutachten jedoch nicht entnehmen, weil es auf Expansionspläne der für Interkontinentalverkehr am Flughafen Münster/Osnabrück in Betracht kommenden Fluggesellschaften lediglich im Sinne von Entwicklungsperspektiven auf der Grundlage von Zahlen aus den Jahren 2009 und 2010 eingeht. Auch mittelbar ergibt sich aus diesen Ausführungen nichts, was Ende Dezember 2004 als hinreichend konkret absehbarer Expansionsplan einer oder mehrerer Fluggesellschaften angesehen werden konnte, der zur Begründung einer (beachtlichen) Wahrscheinlichkeit des Nachfrageeintritts nach Interkontinentalverkehr gerade am Flughafen Münster/Osnabrück in der Lage gewesen wäre.
77Die ergänzende Stellungnahme des IVM aus September 2010 enthält nichts, was die vorstehenden, eine (beachtliche) Wahrscheinlichkeit verneinenden Ausführungen in Frage stellen könnte. Auch soweit in der Stellungnahme die Abgrenzung der Einzugsgebiete unter Außerachtlassung der Bahnan-/abreise (erneut) verteidigt wird, hat das im Ergebnis keine Auswirkungen. Denn die ergänzende Stellungnahme räumt den fehlenden Bahnanschluss des Flughafens Münster/Osnabrück etwa im Verhältnis zum Flughafen Düsseldorf durchaus als Nachteil ein, will diesen jedoch auf eine erschwerte Potenzialausschöpfung beschränken. Abgesehen davon, dass nicht ersichtlich ist, dass das IVM diesen Nachteil bei seinen Überlegungen zur Potenzialausschöpfung tatsächlich berücksichtigt hat, kommt es auf diese Unterscheidung oder Differenzierung für die Frage nach einem beachtlich wahrscheinlichen Nachfrageeintritt nicht an. Die Frage ist in beiden Fällen zu verneinen, weil sowohl ein unzutreffend angenommenes Potenzial als auch weitere Hindernisse bei der Potenzialausschöpfung der Annahme einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit entgegenstehen. Unabhängig davon können die zur Verteidigung des Ansatzes angeführten Argumente bereits deshalb nicht überzeugen, weil auf die - weiter oben dargestellte - Bedeutung der Bahnan-/abreise gerade im Interkontinentalverkehr nicht eingegangen wird. Von daher kommt es auch nicht darauf an, dass der Anteil der Bahnan- und -abreisenden am Flughafen Düsseldorf insgesamt lediglich bei 20 Prozent liegt. Im Übrigen stellt der Busverkehr zum und vom Flughafen Münster/Osnabrück kein "adäquates Substitut", also keinen gleichwertigen Ersatz für eine direkte Schienenanbindung dar, weil er wenigstens zu einem (weiteren) Umsteigevorgang außerhalb des Bahnhofs zwingt. Mit Blick auf die in der Tabelle auf S. 34 des DLR-Gutachtens aus März 2011 genannten, nicht substantiiert in Zweifel gezogenen Anreisezeiten kann zudem keine Rede davon sein, die Anreisezeiten seien - in Bezug auf den gesamten dem Flughafen Münster/Osnabrück zugeordneten Einzugsbereich - wettbewerbsfähig.
78Die in der ergänzenden Stellungnahme aus September 2010 im Zusammenhang mit dem sog. ethnischen Verkehr gen Osten anklingende Auffassung, eine "interkontinentalfähige" Start-/Landebahn sei auch deshalb erforderlich oder gerechtfertigt, weil Fluggesellschaften darauf angewiesen seien, im (langen) Mittelstreckenverkehr auf unterschiedlich große Nachfragen flexibel reagieren und bei Bedarf großes, für den Interkontinentalverkehr konzipiertes Fluggerät einsetzen zu können, führt ebenfalls nicht auf eine beachtliche Wahrscheinlichkeit eines Nachfrageeintritts. Abgesehen davon, dass nach den vorstehenden Ausführungen die Entstehung sog. ethnischen (Interkontinental-)Verkehrs gen Osten am Flughafen Münster/Osnabrück nicht (beachtlich) wahrscheinlich ist, fehlen ausreichende Anhaltspunkte sowohl dafür, dass ein bedarfsabhängiger Wechsel des Fluggeräts mehr als nur vereinzelt aufgetreten ist, als auch dafür, dass die Fluggesellschaften aufgrund ihres jeweils vorhandenen Flugzeugbestandes in der Lage sind, je nach Bedarf auch großes Fluggerät einzusetzen. Entsprechendes gilt auch für andere Strecken mit wechselndem Bedarf.
79Die Stellungnahme oder Erwiderung des IVM aus April 2011 rechtfertigt ebenfalls keine andere Einschätzung. Vielmehr bestätigen die Ausführungen auf Seite 5, erster Absatz, dass Zweifel an der Eignung des vom IVM gewählten Prognosemodells jedenfalls zur Darstellung einer (beachtlichen) Wahrscheinlichkeit des Nachfrageeintritts bestehen. Denn es wird im Zusammenhang mit den behandelten Flughafenwahlmodellen indirekt eingeräumt, dass das tatsächliche (historische) Reiseverhalten vor allem mit Hilfe von Fluggastbefragungen ermittelt werden kann. Ein tatsächlich ermitteltes oder zu ermittelndes Reiseverhalten ist als Prognosegrundlage sicherer als ein Reiseverhalten, das mit Hilfe anderer statistischer Ableitungen dargestellt oder "generiert" wird. Das dagegen vom IVM sinngemäß vorgebrachte Argument, das historische Reiseverhalten sei als Prognosegrundlage ungeeignet, weil es zu einer Unterschätzung des Potenzials führe, überzeugt nicht. Dies gilt bereits für den Ansatz, es handele sich bei dem Interkontinentalverkehr um ein vollständig neues Marktsegment. Dies gilt zwar für den Flughafen Münster/Osnabrück, nicht jedoch für das ihm zugeordnete Einzugsgebiet und die dort lebende Bevölkerung. Dieser standen und stehen Interkontinentalverbindungen ab anderen Flughäfen, gegebenenfalls auch mittels eines Zubringerfluges ab dem Flughafen Münster/Osnabrück, zur Verfügung. Zwar ist davon auszugehen, dass sich die Nachfrage in einer Region durch die Schaffung eines bisher nicht bestehenden Angebots steigern lässt oder, wie vom IVM bezeichnet, es zu einer Sogwirkung eines Angebots auf die Nachfrage kommt. Es erschließt sich jedoch nicht, warum das IVM (S. 7 der Erwiderung) darin einen Strukturbruch im Passagierverhalten oder signifikante Verzerrungen der Prognose sieht. Wenn das IVM diese Sogwirkung im Übrigen sogar empirisch belegen kann, liegt es vielmehr auf der Hand, dass die zusätzliche (angebotsinduzierte) Nachfrage prognostisch durch entsprechende Zu- oder Aufschläge auf die zu erwartenden Passagierzahlen berücksichtigt werden kann, und zwar auch oder gerade dann, wenn das historische Reiseverhalten als Prognosegrundlage genommen wird. Indem das IVM diesen Weg nicht gegangen ist, sondern ein anderes Prognosemodell oder -verfahren gewählt hat, führte dies bei der hier zu bewertenden Wahrscheinlichkeit des Nachfrageeintritts von vornherein zu einer gesteigerten Unsicherheit. Dabei bedarf es wiederum keiner Entscheidung, ob dadurch das Prognosemodell oder -verfahren als solches in Frage gestellt wird. Zur Begründung einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit der Entstehung von Interkontinentalverkehr sind die Prognoseergebnisse jedenfalls ungeeignet. Diese Einschätzung wird noch dadurch verstärkt, dass das IVM an anderer Stelle der Erwiderung (S. 17) darauf hinweist, ein ausschließlich für den Flughafen Münster/Osnabrück gültiges Prognosemodell verwendet zu haben - wohl um den vom DLR im Gutachten aus März 2011 anhand des Prognosemodells für andere Flughäfen ermittelten Zahlen die Vergleichbarkeit zu nehmen -. Indes erschließt sich nicht, welche Besonderheiten es sein sollen, die eine Anwendung des Prognosemodells auf andere Flughäfen ausschließen.
80Die vom IVM mehrfach, unter anderem in der Erwiderung aus April 2011 betonte Entwicklung im dezentralen Interkontinentalverkehr ist nicht erkennbar. Die von dem Sachverständigen B1. jedenfalls nach den Entscheidungsgründen des Urteils vom 13. Juli 2006 in der mündlichen Verhandlung im Juni/Juli 2006 behauptete Entwicklung im Charterbereich wird durch die vom IVM in seiner Stellungnahme aus April 2010 präsentierten Zahlen zum Interkontinentalverkehr im hier maßgeblichen Zeitpunkt nicht belegt und ist auch sonst nicht ersichtlich. Dass Steigerungen im Interkontinentalverkehr gerade auf die Entwicklung an dezentralen Flughäfen zurückgehen, wie auf S. 17 der Erwiderung des IVM aus April 2011 behauptet, kann mangels Mitteilung von genauen Zahlen der recht ungenauen Abbildung 9 auf Seite 24 der Erwiderung nicht entnommen werden, zumal anscheinend auch der nach Passagierzahlen drittgrößte deutsche Flughafen (Düsseldorf) den dezentralen Interkontinentalflughäfen zugeordnet wurde. Im Übrigen wird in der Erwiderung selbst darauf hingewiesen, dass die Steigerungen insbesondere auf den - hier aus den dargestellten Gründen nicht interessierenden - Frachtverkehr zurückgehen.
81Was die Festlegung des Einzugsgebiets des Flughafens Münster/Osnabrück durch das IVM ohne Berücksichtigung von öffentlichen Verkehrsmitteln anbelangt, werden die sich aus dem DLR-Gutachten aus März 2011 bei einem Abstellen auf die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln ergebenden Veränderungen des Passagierpotenzials in der Summe nicht dadurch in Frage gestellt, dass sich der Einzugsbereich des Flughafens Münster/Osnabrück teilweise auch geringfügig (Detmold) erweitert. Die übrigen, vom IVM in seiner Erwiderung aus April 2011 für eine Pkw-Anreise ins Feld geführten Argumente überzeugen nach wie vor nicht. So berücksichtigen die vom DLR im Gutachten aus März 2011 auf S. 33 unten vorgebrachten Argumente bereits einen Zeitvorteil bei der Pkw-Anreise. Die vom IVM betonten kurzen Wege am Flughafen Münster/Osnabrück sind bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel etwa auch am Flughafen Düsseldorf anzutreffen, bei dem die öffentlichen Verkehrsmittel erst im Flughafenterminal selbst enden. Voluminöseres Gepäck kann im Langstreckenverkehr, jedenfalls im hier vor allem interessierenden touristischen Bereich, nicht als Argument für eine Pkw-Anreise ins Feld geführt werden, weil die Fluggesellschaften für Flüge zu touristischen Interkontinentalzielen im Allgemeinen keine höheren Freigepäckgrenzen vorgesehen haben als für Flüge etwa zu Mittelstreckenzielen (20 kg pro Person) und damit der Ansatz von Mehrgepäck gerade für solche Flüge nicht plausibel ist. Die Ausführungen des IVM zu einer Senkung der Parkkosten am Flughafen Münster/Osnabrück sind deutlich spekulativ und lassen sich zudem nicht damit vereinbaren, dass bisher am Flughafen Münster/Osnabrück - anders als beispielsweise am Flughafen Paderborn - keine Anstrengungen unternommen wurden, die eigene Attraktivität für die Passagiere durch eine Senkung oder Abschaffung der Parkentgelte (weiter) zu erhöhen.
82Auch hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit von touristischem Interkontinentalverkehr bringt die Erwiderung des IVM aus April 2011 nichts Neues. Eine beginnende oder bereits erfolgte Dezentralisierung in diesem Bereich kann der Erwiderung auch in Ansehung der Ausführungen in Kapitel 4.4 nicht entnommen werden. Die in Bezug genommene Abbildung 9 des DLR-Gutachtens aus März 2011 weist vielmehr aus, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt der Planfeststellung eher von einer Konzentration der touristisch motivierten Flüge auf bestimmte Flughäfen auszugehen war, nachdem zuvor in den Jahren 1996 bis 2001 von deutlich mehr Flughäfen touristischer Interkontinentalverkehr durchgeführt worden war. Kapazitätsengpässe am Flughafen Düsseldorf im Interkontinentalbereich werden vom IVM erneut bemüht, lassen aber offensichtlich nach wie vor, d. h. seit mittlerweile fast fünfzehn Jahren (seit dem IVM-Gutachten aus September 1996), auf sich warten.
83Die Ausführungen in der Erwiderung des IVM zum sog. ethnisch motivierten Verkehr sind ebenfalls unergiebig, zumal nunmehr eine ganz andere Begründung gegeben wird, was den deutlich spekulativen Charakter dieses Ansatzes zeigt. Während das IVM im Gutachten aus April 2010 auf die Direktflüge von und nach Hannover abstellte, wird in der Erwiderung aus April 2011 die hohe Anzahl von Umsteigeverbindungen zu nicht mehr näher spezifizierten Fernostzielen in den GUS-Staaten bemüht. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass es sich dabei um Umstände handelt, die bereits im Dezember 2004 zu beobachten oder abzusehen waren.
84Schließlich führen auch die Ausführungen des Sachverständigen Dr. T1. in der mündlichen Verhandlung nicht zur Annahme einer (beachtlichen) Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer relevanten Nachfrage nach Interkontinentalverbindungen. Dies gilt schon deshalb, weil nach den von ihm überreichten Unterlagen seine Überlegungen auf Zahlenmaterial aus den Jahren nach 2004 beruhen und dementsprechend für den hier maßgeblichen Zeitpunkt keine Gültigkeit beanspruchen können. Seine pauschale Erklärung, die Überlegungen träfen auch für das Jahr 2004 zu, reicht insoweit bereits mangels diese Aussage untermauernden Zahlenmaterials nicht aus. Unabhängig davon geben die Überlegungen mangels erforderlicher Konkretisierungen für die Annahme einer (beachtlichen) Wahrscheinlichkeit des Nachfrageeintritts nichts her. Konkretisierungen hätte es schon deshalb bedurft, weil die Überlegungen des Sachverständigen offensichtlich nicht auf den Annahmen des IVM aufbauen, so dass auch nicht auf das in den IVM-Gutachten enthaltene Zahlenmaterial zurückgegriffen werden kann. Während das IVM die Passagiernachfrage oder das Potenzial im Wesentlichen aus dem dem Flughafen Münster/Osnabrück zugewiesenen, über die Pkw-Anreisezeit festgelegten Einzugsbereich entwickelt hat, hält der Sachverständige Dr. T1. das unmittelbare (lokale) Einzugsgebiet des Flughafens Münster/ Osnabrück für zu klein für einen regelmäßigen Interkontinentalverkehr, sieht jedoch ein entsprechendes Potenzial im Rhein-Ruhr-Raum. Allerdings fehlen belastbare Anhaltspunkte dafür, dass eine vom Flughafen Düsseldorf möglicherweise nicht mehr zu deckende Nachfrage nach Interkontinentalverbindungen im oder aus dem Rhein-Ruhr-Raum nicht vom Flughafen Köln/ Bonn abdeckt würde, sondern dem Flughafen Münster/Osnabrück als Potenzial zur Verfügung stünde. So weist der Sachverständige selbst darauf hin, dass der Flughafen Münster/Osnabrück von Kapazitätsengpässen am Flughafen Düsseldorf mittelfristig in erster Linie im Europaverkehr profitieren könnte. Welcher Zeitraum mit "mittelfristig" gemeint ist, bleibt offen. Darüber hinaus ist lediglich von nicht weiter konkretisierten Nischenmärkten die Rede. Ferner hat sich der Sachverständige nicht dazu geäußert, zu welchem Zeitpunkt und für welchen Zeitpunkt er von Kapazitätsengpässen am Flughafen Düsseldorf gerade im Interkontinentalverkehr ausgeht. Anscheinend bestehen hierfür - wie bereits ausgeführt - selbst gegenwärtig noch keine hinreichenden Anzeichen, obwohl Entsprechendes schon im Jahr 1996 prognostiziert wurde. Schließlich ist die pauschale Aussage des Sachverständigen, vom Norden und Osten des Ruhrgebiets sei es zum Flughafen Münster/Osnabrück näher als zum Flughafen Köln/Bonn, nicht dazu angetan, einen klaren Standortvorteil des zuerst genannten Flughafens darzutun. Es fehlen Angaben dazu, konkret für welche Gebiete mit welchen Einwohnerzahlen und für welches (Anreise-)Verkehrsmittel die Aussage zutreffen soll. Im Übrigen verfügt der Flughafen Köln/Bonn seit dem Jahr der Planfeststellung über einen direkten Bahnanschluss, was wiederum zulasten des Flughafens Münster/ Osnabrück ins Gewicht fällt.
85Zusammenfassend kann aufgrund der vorstehenden Ausführungen allenfalls von einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer relevanten Nachfrage nach Interkontinentalverbindungen ausgegangen werden. Dieser Einschätzung steht nicht entgegen, dass es als durchaus wahrscheinlich anzusehen ist, dass nach der Verlängerung der Start-/Landebahn - nach welcher "Ausreifungszeit" auch immer - irgendeine Fluggesellschaft ab Münster/Osnabrück eine direkte Verbindung zu einem dann aktuellen touristischen Interkontinentalziel anbieten würde. Ungeachtet der Ungewissheit der zeitlichen Perspektive ist dies weit entfernt von einer Etablierung von (regelmäßigem) Interkontinentalverkehr am Flughafen Münster/Osnabrück, die zu einer Dezentralisierung dieses Verkehrs sowie zu einer wirtschaftlichen Förderung und Stärkung der Region führt. Dass aus einer solchen touristisch motivierten Verbindung mehr entstehen würde als sehr gelegentlicher Interkontinentalverkehr, ist mit Blick auf den im IVM-Gutachten aus April 2010 dargestellten Interkontinentalverkehr an anderen "dezentralen" Interkontinentalflughäfen in Deutschland im Jahr 2004 nicht ersichtlich (gewesen).
86Aufgrund der sehr geringen Wahrscheinlichkeit des Nachfrageeintritts kann auch den für das Vorhaben streitenden öffentlichen Interessen nur ein sehr geringes Gewicht beigemessen werden. Dies wiederum bedingt die Fehlerhaftigkeit der hilfsweise getroffenen Abweichungsentscheidung, weil selbst dann, wenn man mit dem Planfeststellungsbeschluss davon ausgeht, dass auch das Integritätsinteresse des betroffenen FFH-Gebiets lediglich mit einem (sehr) geringen Gewicht in die Abwägung einzustellen ist, jedenfalls ein Überwiegen der öffentlichen Interessen nicht festgestellt werden kann.
87Angesichts dessen bedarf keiner Entscheidung, ob hier überhaupt zwingende Gründe des öffentlichen Interesses vorliegen. Wenn die nach § 48d Abs. 5 Nr. 1 LG NRW erforderlichen zwingenden Gründe im Wege der - teleologisch reduzierenden - Auslegung dahingehend zu verstehen sind, dass keine Sachzwänge vorliegen müssen, denen niemand ausweichen kann, sondern lediglich ein durch Vernunft und Verantwortungsbewusstsein geleitetes staatliches Handeln vorausgesetzt wird,
88vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2009 - 4 C 12.07 -, BVerwGE 134, 166 (Rn. 13), m. w. N.,
89dürfte sich ein solches Handeln zumindest daran auszurichten haben, ob die mit einem geplanten Vorhaben verfolgten öffentlichen Interessen tatsächlich erreicht oder erfüllt werden können. Dass ein von Vernunft und Verantwortungsbewusstsein geleitetes staatliches Handeln einem Vorhaben, dessen Realisierungswahrscheinlichkeit hinsichtlich der mit ihm verfolgten öffentlichen Interessen lediglich sehr gering ist, den Vorrang gegenüber einer erheblichen Beeinträchtigung eines FFH-Gebiets einräumen würde, erscheint zweifelhaft.
90Ob auch bei einer sehr geringen Wahrscheinlichkeit eines Nachfrageeintritts von hinreichend gewichtigen öffentlichen Interessen ausgegangen werden kann, etwa wenn Interessen der in § 48d Abs. 6 Satz 1 LG NRW genannten Art in Rede stehen, bedarf ebenfalls keiner Entscheidung, weil sämtlichen hier in Rede stehenden öffentlichen Interessen, die grundsätzlich als Abweichungsgründe im Sinne von § 48d Abs. 5 Nr. 1 LG NRW in Betracht kommen, kein entsprechend hoher Stellenwert attestiert werden kann.
91Interessen im Sinne von § 48d Abs. 6 Satz 1 LG NRW streiten offensichtlich nicht für das Vorhaben. Den hier verfolgten Interessen kann auch kein vergleichbares Gewicht etwa wegen einer existentiellen Bedeutung für die Lebensgrundlagen der Bevölkerung oder Ähnlichem attestiert werden. Dies liegt hinsichtlich des für das Vorhaben streitenden Verkehrsbedarfs auf der Hand, weil - zumal touristischer - Interkontinentalflugverkehr nicht zu den zwingenden oder existentiellen Lebensgrundlagen gehört und darüber hinaus keine aktuell dringliche Bedarfslage besteht, der Rechnung zu tragen wäre. Entsprechendes gilt für die in landesplanerischen und raumordnungsrechtlichen Entscheidungen zum Ausdruck kommende und abgesicherte (landespolitische) Absicht, den Verkehrsflughafen Münster/Osnabrück langfristig zu einem Verkehrsflughafen für den interkontinentalen Verkehr zu entwickeln, damit er die entsprechenden Aufgaben, vergleichbar mit den vorhandenen internationalen Flughäfen Düsseldorf und Köln/Bonn, für den Landesteil Westfalen übernehmen kann, was zugleich der Dezentralisierung des Luftverkehrs sowie einer Wettbewerbsförderung für die Region Münsterland dient. Auch wenn es sich sämtlich um legitime, im öffentlichen Interesse liegende Zielvorstellungen handelt, haben sie für sich genommen kein hohes Gewicht. Angesichts von immerhin zwei vorhandenen internationalen Verkehrsflughäfen in Nordrhein-Westfalen (Düsseldorf und Köln/Bonn) ist ein dringendes Erfordernis für eine Dezentralisierung nicht erkennbar, zumal der Landesteil Westfalen oder die Region Münsterland von einem internationalen Verkehrsflughafen mit Interkontinentalverbindungen nicht annähernd abgeschnitten ist. Regionale Wettbewerbs- oder Wirtschaftsförderung einschließlich damit verbundener Arbeitsplatzeffekte ist nicht zwingend an ein bestimmtes Infrastrukturvorhaben (Flughafenausbau) geknüpft, sondern kann auch auf andere Art und Weise erreicht oder verfolgt werden. Anhaltspunkte dafür, dass dies speziell für die Region Münsterland anders zu beurteilen ist, liegen nicht vor. Abgesehen davon, dass ein vorrangiger oder dringlicher Förderbedarf dieser Region nicht erkennbar ist, lässt sich nicht feststellen, dass einem solchen Förderbedarf nur mit einem Vorhaben der hier planfestgestellten Art Rechnung getragen werden könnte. Eine besondere Dringlichkeit in zeitlicher Hinsicht ist angesichts des im Raum stehenden Zeithorizonts für die Erfüllung der Ziele für keines der in Rede stehenden Interessen erkennbar. Die vorstehenden Ausführungen gelten entsprechend auch für weitere mit dem Vorhaben verbundene politische Zielsetzungen und Grundentscheidungen.
92(2) Die Gewichtung des Integritätsinteresses des betroffenen FFH-Gebiets durch die Planfeststellungsbehörde ist ebenfalls nicht mangelfrei.
93(a) Eine ausdrückliche Gewichtung des Integritätsinteresses gerade mit Blick auf den Lebensraumtyp 3260 und die Art Bachneunauge, für welche die Verträglichkeitsuntersuchung eine erhebliche Beeinträchtigung angenommen hat, lässt sich der Begründung des Planfeststellungsbeschlusses nicht entnehmen, auch wenn die Planfeststellungsbehörde zutreffend davon ausgegangen ist, dass im Rahmen der (hilfsweisen) Abweichungsentscheidung eine Bewertung und Gewichtung der wechselseitigen Belange vorgenommen werden muss. Jedoch weist die Formulierung auf S. 120 des Planfeststellungsbeschlusses, dass die Beeinträchtigung des betroffenen FFH-Gebiets angesichts der Vorbelastung und des punktuellen Eingriffs an der untersten Schwelle der Erheblichkeit liege, diese allenfalls gerade überschreite und bei Realisierung der Ausgleichsmaßnahmen mehr als ausgeglichen werde, darauf hin, dass die Planfeststellungsbehörde dem Integritätsinteresse lediglich ein (sehr) geringes Gewicht beigemessen hat. Dem kann so nicht gefolgt werden.
94Auch wenn eine Behörde nur eine hilfsweise Abweichungsentscheidung vornimmt, weil sie - wie hier - eine erhebliche Beeinträchtigung verneint hat, muss sie die tatsächlich in Rechnung zu stellende Beeinträchtigung im Wege der Wahrunterstellung qualitativ und quantitativ zutreffend zugrunde legen. Sie hat im Einzelnen anzugeben, in welcher Hinsicht und in welchem Umfang sie Beeinträchtigungen als gegeben oder möglich bei ihrer Entscheidung berücksichtigt hat.
95Vgl. BVerwG, Urteile vom 13. Mai 2009 - 9 A 73.07 -, NVwZ 2009, 1296 (Rn. 67 in juris), und vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 -, BVerwGE 130, 299 (Rn. 162).
96Dabei ist die Grundlage für die Bewertung des Gewichts des Integritätsinteresses die FFH-Verträglichkeitsuntersuchung,
97vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2009 - 4 C 12.07 -, a. a. O., Rn. 26 a. E.,
98hier von Froelich und Sporbeck aus Februar 1999 nebst Ergänzung derselben vom 11. April 2003.
99Hiervon ausgehend kann jedenfalls eine zutreffende Gewichtung des Integritätsinteresses durch die Planfeststellungsbehörde nicht festgestellt werden.
100Obwohl die Untersuchung aus Februar 1999 auch die Vorschäden oder Vorbelastungen des Gebiets im vom Planvorhaben betroffenen Bereich in den Blick nimmt (S. 32 Abs. 3), wird in Bezug auf den Lebensraumtyp 3260 festgestellt, dass dieser Bereich eine sehr typische Strecke bezüglich der im Prüfgebiet nicht häufig auftretenden Unterwasservegetation darstelle. Die erwähnte Unterwasservegetation ist gerade kennzeichnend für den in Rede stehenden Lebensraumtyp. Ähnliche Ausführungen finden sich in der ergänzende Stellungnahme vom 11. April 2003 (S. 4). Dort wird zum einen darauf hingewiesen, dass der hier betroffene Abschnitt des Eltingmühlenbachs nicht weniger schutzwürdig sei als die nicht (vor-)geschädigten Abschnitte. Zum anderen wird der hohe Anteil von Wasserpflanzen in dem betroffenen Abschnitt hervorgehoben. Auch der Sachverständige Weber weist in seiner in der mündlichen Verhandlung überreichten Ausarbeitung darauf hin, dass der "durch Überbau betroffene Abschnitt" zu einem Teilabschnitt gehört, dessen Erhaltungszustand als "gut" eingestuft wird, was in gewisser Weise zudem durch die vom Kläger überreichte Gewässerstrukturgütekarte aus Juli 2005 bestätigt wird. Im Übrigen können der Verträglichkeitsuntersuchung aus Februar 1999, soweit diese unter den Nrn. 7.3 und 7.4 eine erhebliche Beeinträchtigung des Lebensraumtyps 3260 und der Art Bachneunauge feststellt, keine Wertungen oder Gewichtungen dahingehend entnommen werden, die Beeinträchtigungen bewegten sich im unter(st)en Bereich oder an der unter(st)en Grenze der Erheblichkeitsschwelle. Entsprechendes gilt für die ergänzende Stellungnahme vom 11. April 2003 sowie die weitere ergänzende Stellungnahme des Planungsbüros L. vom 7. Mai 2010.
101Angesichts dessen kann ein geringes Gewicht des Integritätsinteresses jedenfalls nicht mit der Begründung angenommen werden, die FFH-Verträglichkeitsuntersuchung habe lediglich eine Beeinträchtigung am unter(st)en Rand der Erheblichkeit ergeben oder festgestellt. Soweit der Planfeststellungsbeschluss (S. 111 f.) dies für den betroffenen Lebensraumtyp 3260 sinngemäß unter Hinweis auf die bereits im Landschaftspflegerischen Begleitplan erwähnten Vorschäden annimmt, deckt sich das nach den vorstehenden Ausführungen nicht mit der Verträglichkeitsuntersuchung. Der weiter im Planfeststellungsbeschluss (S. 112) geäußerten Auffassung, von einer erheblichen Beeinträchtigung der Art Bachneunauge könne in Ansehung der Kompensationsmaßnahmen keine Rede sein, kann ebenfalls so nicht gefolgt werden. Bereits die Annahme, bei der Beurteilung im Rahmen der Verträglichkeitsuntersuchung seien offensichtlich Kompensationsmaßnahmen unberücksichtigt geblieben, ist unzutreffend. Denn gerade die vom Planfeststellungsbeschluss nachfolgend anscheinend als Kompensationsmaßnahme angesehene "konkret vorgesehene Tunnellösung" ist durchaus Gegenstand der Verträglichkeitsuntersuchung aus Februar 1999 gewesen. In dieser wird eine erhebliche Beeinträchtigung der Art Bachneunauge auch oder gerade damit begründet, dass in dem vorgesehenen Tunnel nicht mehr genügend Licht für Kieselalgen als Nahrungsgrundlage des Bachneunauges zur Verfügung steht (S. 34 unten). Der Verweis auf S. 112 des Planfeststellungsbeschlusses auf S. 47 f. des Landschaftspflegerischen Begleitplans hilft insoweit ebenfalls nicht weiter, weil sich an der in Bezug genommenen Stelle keine Ausführungen zur Art Bachneunauge finden. Mit Blick auf die zuvor darstellten Ausführungen in der Verträglichkeitsuntersuchung zur Art Bachneunauge ist zudem nicht ersichtlich, dass die im Planfeststellungsbeschluss als Kompensationsmaßnahme bezeichnete Tunnellösung eine Kohärenzsicherungsmaßnahme darstellt, die geeignet ist, das Gewicht des Integritätsinteresses der betroffenen Art zu mindern.
102Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2009 - 4 C 12.07 -, a. a. O., Rn. 28.
103An der im Urteil vom 13. Juli 2006 geäußerten Einschätzung, die Tunnellösung oder jedenfalls Teile von ihr stellten Minimierungs- oder Minderungsmaßnahmen dar, hält das Gericht nicht fest. Der Tunnel ist lediglich eine Ausgleichs- (Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 Satz 1 FFH-RL) oder Kohärenzsicherungsmaßnahme (§ 48d Abs. 7 Satz 1 LG NRW), weil er den durch das Vorhaben verursachten ökologischen Schaden nur abmildern würde.
104Vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 -, BVerwGE 128, 1 (Rn. 56).
105Zwar ist teilweise lediglich von einer Verlegung des Bachs die Rede und heißt es beispielsweise in dem auf der Verträglichkeitsuntersuchung aufbauenden Maßnahmenkonzept von G. und T2. aus September 1999, der Lebensraumtyp 3260 sei direkt durch Überbauung betroffen (S. 5). Dies darf gerade mit Blick auf die Erheblichkeit der Beeinträchtigung und das Gewicht des Integritätsinteresses nicht darüber hinwegtäuschen, dass der ökologische Schaden hier dadurch quasi vollständig eintritt, dass der vorhandene Bach einschließlich der begleitenden Uferstreifen in dem von dem Vorhaben betroffenen Bereich zugeschüttet wird, was eine Beseitigung des entsprechenden Teils des FFH-Gebiets darstellt. Damit geht insofern jedenfalls der Lebensraumtyp 3260 sowie das Habitat für die Art Bachneunauge unmittelbar verloren. Dementsprechend weist die der Verträglichkeitsuntersuchung aus Februar 1999 beigefügte Übersichtskarte einen anlagebedingten Verlust des Lebensraumtyps 3260 aus. Lediglich als Ersatz hierfür dient das vollständig neu herzustellende, teilweise bis etwa 60 m weiter westlich verlaufende, mit Blick auf die Querung der geplanten Start-/Landebahn weitgehend gradlinig geführte und übertunnelte Bachbett. Dessen naturnahe Ausgestaltung sowie die Lichtschächte im Tunnel in den Bereichen außerhalb der eigentlichen Start-/Landebahn und der Rollbahn vermögen daran nichts zu ändern.
106Mit Blick darauf bedürfen auch die Vorschäden einer (erneuten) differenzierteren Betrachtung. Vom Grundsatz her bleibt es dabei, dass Vorschäden das Gewicht des Integritätsinteresses mindern können. Dies wird insbesondere dann anzunehmen sein, wenn die Beeinträchtigung sich lediglich in einem vorgeschädigten Bereich eines FFH-Gebiets auswirkt oder zum Tragen kommt. Ist der von dem Eingriff betroffene Bereich des FFH-Gebiets nach der Verträglichkeitsuntersuchung jedoch auch in Ansehung der bestehenden Vorschäden, die im Wesentlichen in dem relativ gradlinigen, durch zwei Verrohrungen unterbrochenen Bachverlauf bestehen, nicht weniger schutzwürdig und besteht die Beeinträchtigung in einer vollständigen (streckenweisen) Beseitigung des FFH-Gebiets, kann das Integritätsinteresse nicht, wie im Planfeststellungsbeschluss geschehen, recht pauschal unter Hinweis auf die Vorschäden als wenig(er) gewichtig angesehen werden. Dies liefe im Ergebnis auf eine Verneinung oder Relativierung der Schutzwürdigkeit hinaus, die hier nach der Verträglichkeitsuntersuchung, jedenfalls in Gestalt der ergänzenden Stellungnahme vom 11. April 2003, jedoch nicht eingeschränkt ist. Soweit das Planungsbüro L. in den in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen auf eine durch die Ausbauverhältnisse bedingte sog. Verödungszone hinweist, hat dies außer Betracht zu bleiben, weil es sich nicht um den Zustand handelt, welcher in der maßgeblichen Verträglichkeitsuntersuchung sowie im Planfeststellungsbeschluss zugrunde gelegt worden ist.
107Angesichts der Art der Beeinträchtigung fällt weiterhin bereits rein begrifflich die Annahme schwer, eine (Kohärenzsicherungs-)Maßnahme könne einen Beitrag zur Erhaltung der Integrität, also der Unversehrtheit des FFH-Gebiets leisten, wenn die erhebliche Beeinträchtigung des Gebiets gerade darin besteht, dass es in einem bestimmten Bereich vollständig zerstört wird. Im Übrigen ist sowohl nach den Aussagen der Verträglichkeitsuntersuchung nebst dem darauf aufbauenden Maßnahmenkonzept als auch nach den Ausführungen im Planfeststellungsbeschluss nicht ersichtlich, dass eine Berücksichtigung der angeordneten (weiteren) Kohärenzsicherungsmaßnahmen das Gewicht des Integritätsinteresses mindern könnte. Von daher kann dahingestellt bleiben, wie die das erkennende Gericht bindende Rechtsauffassung des Revisionsgerichts, Kohärenzsicherungsmaßnahmen könnten das Gewicht des Integritätsinteresses mindern, mit der sich aus Art. 6 Abs. 4 Unterabs. 1 Satz 1 FFH-RL, § 48d Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 LG NRW ergebenden Systematik zu vereinbaren ist, zumal das Revisionsgericht selbst darauf hinweist, dass das Integritätsinteresse des FFH-Gebiets und das Interesse an der Kohärenz von "Natura 2000" nach dem Regelungssystem der FFH-Richtlinie unterschiedliche Dinge seien und für Kohärenzsicherungsmaßnahmen anders als für Vermeidungsmaßnahmen nicht der volle Nachweis ihrer Wirksamkeit erbracht werden müsse.
108Für eine mögliche Minderung des Gewichts des Integritätsinteresses könnte, was den Tunnel nebst dem darin verlaufenden neuen Bachbett anbelangt, zwar sprechen, dass dessen Anlegung in relativer Nähe des Eingriffs erfolgt. Doch handelt es sich in der Sache - wie zuvor ausgeführt - nur um die Anlegung und Entwicklung eines Lebensraums an anderer Stelle, eben weil der bestehende Lebensraum unwiederbringlich zerstört wird. Darüber hinaus steht der Annahme einer Minderung des Integritätsinteresses entgegen, dass ein unmittelbarer Ausgleich durch die Tunnellösung nach der Verträglichkeitsuntersuchung nicht stattfindet. Dies gilt für den Lebensraumtyp 3260 unter anderem deshalb, weil dem neuen Bach(bett) aufgrund der Übertunnelung die für den Lebensraumtyp elementaren Entwicklungsmöglichkeiten (Fließdynamik im Sinne von Gewässerverlagerung und Überflutungen) fehlen und wegen der mangelhaften Lichtverhältnisse die für den Lebensraumtyp charakteristische Unterwasserflora nicht oder allenfalls in Teilbereichen eingeschränkt entstehen kann. Hinsichtlich der Art Bachneunauge kann von vornherein nicht von einem neuen Habitat gesprochen werden, weil ihr nach den vorstehenden Ausführungen die Nahrungsgrundlage in dem Tunnel fehlen würde. Zudem kann die Verträglichkeitsuntersuchung nicht dahingehend interpretiert werden, dass nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür spricht, der Tunnel sei für die genannte Art durchgängig. Entsprechende Erkenntnisse benennt auch das Planungsbüro L. nicht.
109Hinsichtlich der übrigen Kohärenzsicherungsmaßnahmen (Kompensationsmaßnahmen betreffend das Gewässer sowie dessen Durchgängigkeit), wie sie sich im Einzelnen vor allem aus der Planunterlage "Darstellung und Ergänzung der Kompensationsmaßnahmen zum Ausgleich des Eingriffs in den potenziellen FFH-Lebensraumtyp Eltingmühlenbach einschließlich seiner Aue und der Nebengewässer" (Ergänzung LBP 2) sowie aus der Planunterlage "Übersicht über den gesamten landschaftsökologischen, landschaftsästhetischen und FFH-bezogenen Kompensationsflächenbedarf/Aktualisierung des LBP" (einschließlich der Anlage-Nr. LBP 6, die "zusätzliche Kompensationsflächen 2002" ausweist) ergeben, ist ebenfalls nicht ersichtlich, dass diese gerade zu einer Minderung des Gewichts des Integritätsinteresses in der Lage wären. Der Planfeststellungsbeschluss (S. 110, letzter Absatz, und S. 111, erster Absatz) scheint dies allerdings sinngemäß anzunehmen, auch wenn dort nicht im Einzelnen auf die Umstände eingegangen wird, die nach Auffassung des Revisionsgerichts eine Berücksichtigung von Maßnahmen zulasten des Gewichts des Integritätsinteresses rechtfertigen können.
110Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2009 - 4 C 12.07 -, a. a. O., Rn. 28.
111Damit überein stimmt zwar die Auffassung der Planfeststellungsbehörde, die Berücksichtigung von Ausgleichsmaßnahmen (Kohärenzsicherungsmaßnahmen) setze voraus, dass diese bereits im Zeitpunkt des Eingriffs ihre kompensatorische Wirkung entfalteten (S. 110 des Planfeststellungsbeschlusses, letzter Absatz). Ob dies hier der Fall ist, erscheint allerdings zweifelhaft, weil der Planfeststellungsbeschluss unter A.V.3.1 Satz 2 (S. 17) lediglich anordnet, dass die "zur Sicherung des gemeldeten FFH-Gebietes notwendigen Maßnahmen" vor Eingriffsbeginn abzuschließen sind, während nach Satz 1 Kompensationsmaßnahmen bis zu zwei Jahre nach Eingriffsbeginn abgeschlossen werden können. Angesichts dessen sowie mit Blick auf die Festsetzung unter A.I.9 des Planfeststellungsbeschlusses (S. 8) ist es jedenfalls nicht offensichtlich, welche Sicherungsmaßnahmen unter A.V.3.1 Satz 2 im Einzelnen gemeint sind, insbesondere ob darunter auch die das FFH-Gebiet betreffenden Kompensationsmaßnahmen fallen.
112Dies bedarf jedoch keiner Vertiefung, weil hier gegen eine Berücksichtigung der Kohärenzsicherungsmaßnahmen zulasten des Gewichts des Integritätsinteresses spricht, dass sie überwiegend eher eingriffsfern erfolgen, also den Zustand des Lebensraumtyps 3260 sowie seine Durchgängigkeit für die Art Bachneunauge (lediglich) andernorts verbessern. Dies gilt für alle drei den Lebensraumtyp 3260 und zugleich die Art Bachneunauge betreffenden Gewässerkompensationsmaßnahmen (GKF 1, 2 und 8) sowie die beiden der Verbesserung der Durchgängigkeit dienenden Kompensationsmaßnahmen GKD 1 und 3, die zwar alle in dem betroffenen FFH-Gebiet, jedoch nicht am Eltingmühlenbach, sondern am Ladberger Mühlenbach und der Glane durchgeführt werden sollen. Lediglich die Maßnahme GKD 2, die den Eltingmühlenbach selbst betrifft, kann noch als eingriffsnah eingestuft werden. Die Verträglichkeitsuntersuchung sowie das Maßnahmenkonzept sind ebenfalls dahingehend zu verstehen, dass der Eingriff andernorts ausgeglichen wird, weil sie die Wirksamkeit der Ausgleichs- oder Kompensationsmaßnahmen im Ergebnis vor allem mit Blick auf die Kohärenz von Natura 2000 sehen oder beurteilen.
113Auf ein solches Verständnis deuten zudem die ergänzenden Stellungnahmen des Planungsbüros L. vom 7. Mai 2010 sowie aus September 2010 hin. Die in diesen (S. 37 bzw. S. 13) darüber hinaus geäußerte Einschätzung, (auch) die Integrität des FFH-Gebiets Eltingmühlenbach bleibe gewahrt, ist so nicht nachvollziehbar. Soweit in diesem Zusammenhang in beiden Stellungnahmen auf das "ökologisch optimierte" Tunnelbauwerk eingegangen wird, trägt dies nicht. Zwar hat die geplante Tunnelvariante ökologisch gesehen gegenüber einer schlichten Verrohrung deutliche Vorteile. An dem Flächenverlust, der die Unversehrtheit (Integrität) des Gebiets unmittelbar tangiert und der - wie ausgeführt - durch den Tunnel nicht ausgeglichen werden kann, ändert dies nichts. Dementsprechend können die Formulierungen in den ergänzenden Stellungnahmen des Planungsbüros, ein günstiger Erhaltungszustand des FFH-Gebiets hinsichtlich der Erhaltungsziele und des Schutzzwecks sei jederzeit gegeben, jedenfalls nicht auf den im Erweiterungsbereich der Start-/Landebahn liegenden Teil des Gebiets zutreffen. Eine nachvollziehbare naturschutzfachliche Bewertung dahingehend, das Integritätsinteresse sei eher gering zu gewichten, weil der zerstörte Gebietsteil im Verhältnis zur Gesamtgröße des Gebiets eher klein sei, kann weder der Verträglichkeitsuntersuchung noch den nachfolgenden Stellungnahmen oder dem Planfeststellungsbeschluss entnommen werden. Dass eine solche Bewertung in Betracht kommt, ist nicht gesichert. Der Flächenverlust bewegt sich in einer Größenordnung, welche die Grenzen deutlich überschreitet, bis zu denen einer Beeinträchtigung unter dem Gesichtspunkt der Erheblichkeit lediglich Bagatellcharakter zugemessen werden kann.
114Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Mai 2009 - 9 A 73.07 -, a. a. O. (Rn. 49 f. in juris); Lambrecht/ Trautner, Fachinformationssystem und Fachkonventionen zur Bestimmung der Erheblichkeit im Rahmen der FFH-VP, Endbericht zum Teil Fachkonventionen, Schlussstand Juni 2007, S. 35.
115Nach der ergänzenden Stellungnahme vom 11. April 2003 macht der Flächenverlust 2,6 Prozent des Lebensraumtyps 3260 im Gebiet aus. Selbst wenn man nicht von dem tatsächlichen (längeren) Bachverlauf, sondern von der Länge des geplanten Tunnels (390 m) ausgeht und auf der Grundlage der Anlage-Nr. LBP 1 zum Landschaftspflegerischen Begleitplan die Breite des Lebensraumtyps 3260 einschließlich und entlang des Eltingmühlenbachs mit durchschnittlich 20 m annimmt, beträgt der reale Flächenverlust 7.800 m2. Mit Blick darauf erschließt sich nicht, auf welcher Grundlage die ergänzende Stellungnahme des Planungsbüros L. vom 7. Mai 2010 (S. 36) die (verbleibenden) erheblichen Beeinträchtigungen als räumlich und funktional gering qualifiziert. Entsprechendes gilt für die Einschätzung des Sachverständigen Weber, auch wenn dieser prozentual und absolut von geringeren Flächenverlusten ausgeht.
116Die Bewertungen in den zuvor erwähnten sachverständigen Stellungnahmen überzeugen auch nicht hinsichtlich der Art Bachneunauge. Nach der Verträglichkeitsuntersuchung kann nicht davon ausgegangen werden, dass der geplante Tunnel für die Art passierbar ist. Die Konsequenzen einer solchen Zerschneidung hat die Verträglichkeitsuntersuchung (S. 30) allgemein für die betroffenen Arten dahingehend beschrieben, dass getrennte Teilpopulationen mit eingeschränktem genetischen Austausch entstünden, was insbesondere im Bachoberlauf zu einer Reduzierung des Artenspektrums und der Individuendichten führe. Eine daran anschließende nachvollziehbare Bewertung der Beeinträchtigung der Art Bachneunauge insbesondere unter Berücksichtigung eines (möglichen) Aussterbens der Teilpopulation im Bachoberlauf ist nicht erkennbar. Ohne entsprechende Bewertung können jedoch auch die Kohärenzsicherungsmaßnahmen, welche die Verbesserung der Durchgängigkeit des Gewässers andernorts zum Ziel haben und von denen nur eine den Bachoberlauf betrifft, nicht pauschal als das Gewicht des Integritätsinteresse mindernd in Ansatz gebracht werden.
117Daran anknüpfend ist schließlich nicht ersichtlich, dass die Planfeststellungsbehörde der Zerschneidungswirkung des Vorhabens, wie sie an der zuvor angegebenen Stelle der Verträglichkeitsuntersuchung dargestellt wird, bei der Gewichtung des Integritätsinteresses (hinreichend) Rechnung getragen hat. Diesbezüglich ist zum einen zu berücksichtigen, dass die zerschneidungsbedingten Beeinträchtigungen über den Flächen- und Habitatverlust, der in dem "überbauten", d. h. zugeschütteten Bachabschnitt eintritt, hinausgehen. Zum anderen können hinsichtlich zerschneidungsbedingter Beeinträchtigungen, die nach der Verträglichkeitsuntersuchung vor allem im Bachoberlauf zu erwarten sind, von vornherein keine das Gewicht des Integritätsinteresses mindernden Vorschäden in Ansatz gebracht werden, die gegebenenfalls lediglich den Bachabschnitt zwischen den bestehenden Verrohrungen beträfen. Auch diese Verrohrungen können nicht als relevante Vorschädigungen des Bachoberlaufs angesehen werden, weil die von dem geplanten Tunnel ausgehende Barriere- oder Zerschneidungswirkung deutlich größer ist als die der bestehenden Verrohrungen.
118Zusammengefasst kann nach den vorstehenden Ausführungen nicht festgestellt werden, dass sich die Planfeststellungsbehörde mit ihrer - sinngemäßen - Einschätzung, das Integritätsinteresse sei unter Berücksichtigung der Kohärenzsicherungsmaßnahmen als sehr gering zu gewichten, weil sich die Beeinträchtigung um unter(st)en Ende der Erheblichkeit bewege, im Rahmen der ihr zustehenden naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative gehalten hat.
119(b) Eine weitere Fehlgewichtung des Integritätsinteresses folgt nicht daraus, dass die Planfeststellungsbehörde eine (erhebliche) Beeinträchtigung des prioritären Lebensraumtyps 91EO auf der Grundlage der Verträglichkeitsuntersuchung ausgeschlossen hat. Mit seinem diesbezüglichen Vortrag dringt der Kläger unabhängig davon, ob das Revisionsgericht mit Bindungswirkung eine Beeinträchtigung des zuvor genannten Lebensraumtyps verneint hat, nicht durch.
120Dies gilt zunächst, soweit der klägerische Vortrag und die Bezugnahme auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. I. dahingehend zu verstehen sein sollten, es werde (erneut) das Vorhandensein des genannten Lebensraumtyps im potenziell von der "Überbauung" betroffenen Abschnitt geltend gemacht. Das genannte Gutachten ist nicht geeignet, die entsprechenden Ausführungen im Urteil vom 13. Juli 2006, auf die insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, in Frage zu stellen. Danach scheitert die Annahme des Vorkommens des Lebensraumtyps 91EO im betreffenden Bereich bereits am Fehlen eines intakten Wasserregimes. Das Vorhandensein eines solchen Regimes wird nicht durch den Nachweis einer (einzigen) Überschwemmung dargetan.
121Soweit der Kläger nunmehr unter Bezugnahme auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. N. eine Beeinträchtigung des genannten Lebensraumtyps in der Gestalt des Aussterbens von für diesen charakteristischen Tierarten, insbesondere der Laufkäferart Elaphrus aureus, geltend macht, ist er damit nach § 12b Abs. 2 Nr. 1 LG NRW a. F., inhaltsgleich mit § 61 Abs. 3 BNatSchG a. F., ausgeschlossen. Diese Präklusion, die europarechtlich keinen Bedenken begegnet, hat zum Ziel, die Naturschutzverbände dazu anzuhalten, ihre Sachkunde bereits im Verwaltungsverfahren einzubringen. Dabei hängt die Intensität der gebotenen Auseinandersetzung mit den Planunterlagen wiederum von deren Umfang und Intensität ab.
122Vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. August 2010 - 9 B 10.10 -, juris, Rn. 8, m. w. N.,
123Hier ist die FFH-Verträglichkeitsuntersuchung zum einen auf eine Beeinträchtigung des Lebensraumtyps 91E0 eingegangen und hat eine solche verneint, zum anderen hat sie in den Blick genommen, dass der geplante Tunnel für viele Tierarten eine deutliche Barriere darstellt, die eine Trennung in Teilpopulationen mit eingeschränktem genetischen Austausch bewirkt und zu einer Reduzierung des Artenspektrums und der Individuendichten insbesondere in den bachaufwärts gelegenen Bachabschnitten führt. Mit Blick darauf hätte es dem Kläger bereits im Planfeststellungsverfahren oblegen, auf die von ihm befürchtete Beeinträchtigung des Lebensraumtyps 91E0 gerade durch das Aussterben von für diesen charakteristischer Tierarten, bedingt durch die Zerschneidungswirkung des geplanten Tunnelbauwerks, hinzuweisen. Eine entsprechende Einwendung kann seinen im Klageverfahren in Bezug genommenen Einwendungsschreiben vom 2. Juli 1998, vom 22. Juni 1999 und vom 19. Oktober 1999 jedoch nicht entnommen werden. In diesen werden zwar an verschiedenen Stellen die Unterbrechung von Wanderbewegungen von Tierarten, die Beeinträchtigung der Durchgängigkeit für die Tiere, der Tunnel als "Todesfalle" für eine Vielzahl von Arten, schwerwiegende Schäden insbesondere für die Art Bachneunauge, eine negative Beeinflussung der für den FFH-Lebensraum typischen Arten, die Trennung des Bachober- und Unterlaufs, die Zerschneidung des Baches, des Auensystems und der bachbegleitenden Aue sowie das Vorkommen des prioritären Lebensraumtyps gerügt oder problematisiert. Ein konkreter Hinweis auf eine Beeinträchtigung gerade des Lebensraumtyps 91E0, jedenfalls in der nunmehr im Klageverfahren geltend gemachten Art und Weise, fehlt jedoch. Wenn der Kläger im Übrigen nunmehr sinngemäß geltend macht, dass die Beeinträchtigung des Lebensraumtyps 91E0 in Gestalt der von dem Sachverständigen Prof. Dr. N. dargestellten Umstände quasi auf der Hand liege, bestätigt dies die Einschätzung, dass er zur Vermeidung einer Präklusion konkret darauf bereits im Planfeststellungsverfahren hätte hinweisen müssen.
124Unabhängig davon ist die vom Kläger vor allem auf der Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. N. angenommene Beeinträchtigung des Lebensraumtyps 91E0 auch in der Sache zu verneinen.
125Allerdings ist auf der Grundlage des Landschaftspflegerischen Begleitplans, der FFH-Verträglichkeitsuntersuchung und des Gutachtens des Sachverständigen Urner davon auszugehen, dass sich jedenfalls zum Zeitpunkt der Planfeststellung auch etwa 200 m nördlich des geplanten Tunnelbauwerks Bestände des Lebensraumtyps 91E0 befanden. Gleichwohl kann eine Beeinträchtigung in Gestalt der von dem Sachverständigen Prof. Dr. N. darstellten Art und Weise ausgeschlossen werden.
126Das Gutachten des Sachverständigen enthält bei sorgfältiger Auswertung nicht die eindeutige Aussage oder Festlegung, dass die beiden behandelten Teilpopulationen der Art Elaphrus aureus und/oder der in dem Gutachten bezeichneten Schneckenart in den konkret bezeichneten Teilbereichen des Lebensraumtyps 91E0 eine Metapopulation bilden der Gestalt, dass bei Ausfall einer Teilpopulation in einem der beiden Lebensraumbereiche die Wiederbesiedlung gerade aus der Teilpopulation aus dem anderen Lebensraumbereich erfolgt oder erfolgen würde. Auch sonst kann nicht davon ausgegangen werden, dass die beiden Lebensraumbereiche angesichts der konkreten örtlichen Verhältnisse, namentlich der Entfernung von 800 m Luftlinie und den beiden vegetationsfreien Verrohrungen, hinsichtlich der von dem Sachverständigen behandelten Tierarten in einer funktionierenden Verbindung stehen, die im Fall des Aussterbens einer Teilpopulation die Wiederbesiedlung aus der anderen Teilpopulation erwarten lässt. Diesbezüglich weist der Sachverständige selbst auf das Erfordernis eines durchgehenden Vegetationsstreifens hin, der in den bestehenden Verrohrungen fehlt. Ferner bezeichnet er die von ihm behandelten Arten als wenig mobil und weist zudem sinngemäß darauf hin, dass hinsichtlich der Käferart Elaphrus aureus die geringe Mobilität einem Austausch zwischen zwei geeigneten Habitaten mit zunehmender Entfernung entgegenstehe. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die von den Tieren für einen Austausch zurückzulegende Strecke angesichts des teilweise deutlich gewundenen Bachverlaufs noch erheblich länger als die vom Sachverständigen angenommenen 800 m Luftlinie wäre. Nimmt man weiter eine der von dem Sachverständigen in seinem Gutachten erwähnten wissenschaftlichen Ausarbeitungen näher in den Blick,
127J. Günther und B. Hölscher, Verbreitung, Populations- und Nahrungsökologie von Elaphrus aureus in Nordwestdeutschland (Coleoptera, Carabidae), Angewandte Carabidologie (Zeitschrift), Band 6 (2004), S. 15 (19),
128insbesondere die dort für die Art Elaphrus aureus mitgeteilten Wanderungsstrecken, kann mit der erforderlichen Gewissheit,
129vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 -, a. a. O., Rn. 41,
130ausgeschlossen werden, dass eine funktionierende Austauschverbindung zwischen den beiden Lebensraumbereichen des Typs 91E0 besteht. Denn die von dem Sachverständigen Prof. Dr. N. exemplarisch behandelte Käferart kann und würde eine Strecke von 800 m Luftlinie nicht zurücklegen. Dies gilt erst recht für die von dem Sachverständigen vorgefundene Schneckenart.
131b) Die im Rahmen der Abweichungsentscheidung aufgezeigten Fehlgewichtungen bei der Abwägung führen nicht zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses, weil nach § 10 Abs. 8 Satz 2 Halbs. 1 LuftVG die Möglichkeit der Fehlerheilung in einem ergänzenden Verfahren besteht.
132Vgl. zur inhaltsgleichen Vorschrift des § 17e Abs. 6 Satz 2 Halbs. 1 FStrG BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 -, a. a. O., Rn. 114.
133Zunächst liegt nach den vorstehenden Ausführungen auf der Hand, dass die aufgezeigten Fehler im Sinne von § 10 Abs. 8 Satz 1 LuftVG offensichtlich und auf das Ergebnis der (bipolaren) Abwägung von Einfluss gewesen sind. Dies gilt insbesondere für die Annahme zwingender Gründe des (überwiegenden) öffentlichen Interesses. Darüber hinaus lässt sich derzeit nicht feststellen, dass einer Fehlerbehebung unüberwindbare Hindernisse entgegenstehen könnten. Dies gilt insbesondere deshalb, weil ein ergänzendes Verfahren unter Umständen die Möglichkeit bietet, auch neue Erkenntnisse im Sinne geänderter tatsächlicher Verhältnisse einzubeziehen.
134Vgl. in diesem Sinne BVerwG, Urteile vom 12. März 2008 - 9 A 3.06 -, a. a. O., Rn. 63, und vom 14. April 2010 - 9 A 5.08 -, NuR 2010, 558 (Rn. 29 in juris).
135Dies gibt - sollte die Beigeladene das Ausbauvorhaben in seiner planfestgestellten Dimension überhaupt noch unverändert verfolgen, was auch unabhängig von der Finanzlage ihrer Gesellschafter jedenfalls nach der Berichterstattung in der Presse nicht als sicher erscheint - gegebenenfalls Gelegenheit, die Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer relevanten Nachfrage nach Interkontinentalverbindungen aufgrund aktueller Zahlen und Bedarfsprognosen neu zu bewerten. So führt jedenfalls das IVM-Gutachten aus April 2010 Entwicklungen aus der Zeit nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses an, aus denen es hinsichtlich bestimmter Bereiche auf eine hohe Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer Nachfrage nach Interkontinentalverkehr schließt. In diesem Sinne, wenn auch von einem anderen Ansatz ausgehend, hat sich auch der Sachverständige Dr. T1. in der mündlichen Verhandlung geäußert. Auch wenn die vom IVM bemühten Entwicklungen, wie das DLR-Gutachten aus März 2011 zeigt, auch anders beurteilt werden können, erscheint es jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen, dass eine gegenüber dem Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststellungsbeschlusses höhere Wahrscheinlichkeit des Nachfrageeintritts festgestellt wird und diese zu einer höheren Gewichtung der (zwingenden) Gründe des öffentlichen Interesses führen kann. Daran anschließend könnte auch die Frage des Überwiegens - in Abhängigkeit von der neu vorzunehmenden Gewichtung des Integritätsinteresses - anders zu beurteilen sein.
1362. Das Planvorhaben verstößt weiterhin, wie bereits im Urteil vom 13. Juli 2006 festgestellt worden ist, gegen das Verbot aus § 62 Abs. 1 Nr. 1 LG NRW. Die mit dem Planfeststellungsbeschluss jedenfalls konkludent zugelassene Ausnahme gemäß § 62 Abs. 2 Satz 1 LG NRW begegnet jedoch Bedenken, weil eine solche Ausnahme aus überwiegenden Gründen des Gemeinwohls erforderlich sein muss und die Entscheidung darüber hinaus im Ermessen steht. Das Vorliegen überwiegender Gründe des Gemeinwohls erscheint mit Blick auf die vorstehenden Ausführungen zur Realisierungswahrscheinlichkeit von Interkontinentalverkehr am Flughafen Münster/Osnabrück nicht unzweifelhaft. Abschließender Feststellungen bedarf es insoweit jedoch nicht, weil der Nachweis solcher Umstände auch nicht ausgeschlossen ist und das Gericht das auf der Rechtsfolgenseite bestehende Ermessen nicht anstelle der Behörde ausüben könnte. Auch insoweit bietet das ergänzende Verfahren gegebenenfalls Gelegenheit, Erwägungen nachzuholen.
1373. Die vom Kläger nach der Zurückverweisung erneut geltend gemachten artenschutzrechtlichen (Aufhebungs-)Gründe verhelfen der Klage dagegen nicht zum Erfolg. Sie dringen unabhängig davon, ob ihrer Berücksichtigung die Bindungswirkung des Revisionsurteils gemäß § 144 Abs. 6 VwGO entgegensteht, in der Sache nicht durch.
138Hinsichtlich des Gutachtens des Sachverständigen T. , das im Ergebnis auf hohe bis sehr hohe Fledermausaktivitäten im untersuchten Bereich hinweist, gilt zunächst, dass nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses durchgeführte Erhebungen in einem Naturraum in der Regel nicht geeignet sind, eine der Planung zugrunde liegende frühere, nach Methodik und Umfang ordnungsgemäße artenschutzrechtliche Bestandsaufnahme in Frage zu stellen.
139Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. August 2009 - 9 A 64.07 -, BVerwGE 134, 308 (Rn. 50).
140Angesichts dessen bleibt es dabei, dass die Planfeststellungsbehörde hier keinen Anlass für detaillierte Untersuchungen des Fledermausvorkommens hatte.
141Vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2009 - 4 C 12.07 -, a. a. O., Rn. 43 ff.
142Mit Blick darauf wird hinsichtlich artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände zunächst auf die Ausführungen im Urteil vom 13. Juli 2006, soweit dort das Vorliegen der Voraussetzungen des § 4a Abs. 4 Satz 2 LG NRW, eine Verletzung der Verbote aus § 42 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 BNatSchG a. F. sowie aus Art. 12 Abs. 1 Buchstabe b FFH-RL verneint wurde, sowie die entsprechenden, in der Sache bestätigenden Ausführungen im Revisionsurteil Bezug genommen. Da das Gutachten des Sachverständigen T. im Ergebnis die vorkommenden und vermuteten Fledermausarten lediglich weiter aufschlüsselt, ist nach wie vor eine signifikante Erhöhung des Tötungsrisikos - § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG, entspricht § 42 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 BNatSchG a. F. - nicht ersichtlich. Auch der Vortrag des Klägers zu § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG - entspricht § 42 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG a. F. - führt nicht weiter, weil es weiterhin am Vorhandensein einer lokalen Population fehlt. Eine solche ergibt sich insbesondere nicht aus der Identifizierung (wohl) einer Mopsfledermaus. Schließlich ist der Vortrag des Klägers zu § 44 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG - entspricht § 42 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2, § 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG a. F. - unergiebig, weil sich auch aus dem Gutachten des Sachverständigen T. keine Erkenntnisse hinsichtlich im Eingriffsbereich vorhandener Lebensstätten ergeben.
143Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1, § 155 Abs. 1 Satz 3, § 162 Abs. 3 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
144Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.