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Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages ab¬wenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Voll¬streckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu voll¬streckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Die Klägerin studiert an der Universität N. im Studienfach Zwei-Fach-Bachelor Mathematik und Sport. Im Rahmen des Moduls "Einführung in die Grundlagen der linearen Algebra" nahm die Klägerin an folgenden Klausuren teil, die allesamt als nicht bestanden bewertet wurden:
320. Oktober 2007 Höhere Mathematik II
42. Februar 2008 Lineare Algebra I
514. März 2008 Lineare Algebra I
61. August 2008 Mathematik für Physiker II
7Unter dem 24. September 2008 legte die Klägerin gegen die Bewertung der Klausur "Mathematik für Physiker II" Widerspruch ein.
8Mit Bescheid vom 8. Oktober 2008 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie das Modul "Einführung in die Grundlagen der linearen Algebra" im dritten Versuch nicht bestanden habe. Sie wies darauf hin, dass die Klägerin zu exmatrikulieren sei.
9Unter dem 15. Oktober 2008 legte die Klägerin gegen den Bescheid vom 8. Oktober 2008 sowie gegen die Bewertung der Klausuren "Mathematik für Physiker II", "Lineare Algebra I" und "Höhere Mathematik II" Widerspruch ein. Gegen die Bewertung der Klausur "Mathematik für Physiker II" machte sie geltend: Teil A der Klausur enthalte sogenannte Multiple-Choice-Aufgaben. Für die Anwendung eines Multiple-Choice-Verfahrens sei jedoch eine Ermächtigungsgrundlage erforderlich, die im vorliegenden Fall nicht ersichtlich sei. Allein vor diesem Hintergrund sei die Klausurbewertung rechtswidrig. Darüber hinaus sei es unzulässig, dass im Teil A laut Aufgabenstellung aus statistischen Gründen erst ab der 5. richtigen Antwort Punkte vergeben würden. Es sei dem System des Multiple-Choice immanent, dass ein Prüfling durch Raten und unter Berücksichtigung der Wahrscheinlichkeitsrechnung zur richtigen Antwort gelangen könne. Unter Umständen schneide der ratende Prüfling damit besser ab als der Prüfling, der sich über jede Frage Gedanken mache und sich doch für die falsche Antwort entscheide. Diesem Umstand könne allerdings nicht entgegengewirkt werden, indem 4 richtige vom Prüfling gegebene Antworten nicht bewertet würden. Darüber hinaus hätte die Klägerin selbst unter Zugrundelegung des angefochtenen Punktesystems 4 Punkte für den Teil A der Klausur erhalten müssen. Sie habe 8 von 10 Fragen korrekt beantwortet. Die Formulierung "ab der 5. richtigen Antwort" schließe lediglich die ersten 4 Antworten aus, nicht aber die ersten 5. Sie beantrage deshalb die Neubewertung der Klausur.
10Mit Bescheid vom 10. November 2008 hob die Beklagte auf den Widerspruch der Klägerin die Bewertung der Klausuren "Höhere Mathematik II" und "Mathematik für Physiker II" sowie den Bescheid vom 8. Oktober 2008 auf und wies den Widerspruch als unbegründet zurück, soweit er sich gegen die Bewertung der Klausur "Lineare Algebra I" wandte. In der Begründung hieß es: Die Klägerin erhalte zwei weitere Versuche, die prüfungsrelevante Leistung im Rahmen des Moduls "Einführung in die Grundlagen der linearen Algebra" zu bestehen. Da die Klausuren "Höhere Mathematik II" und "Mathematik für Physiker II" Multiple-Choice-Anteile enthielten, für die in der Prüfungsordnung keine Rechtsgrundlage vorhanden sei, seien die Bewertungen dieser beiden Klausuren aufzuheben. Eine Neubewertung ohne Berücksichtigung der im Multiple-Choice-Verfahren geprüften Anteile komme jedoch nicht in Betracht, da die Klausur vom Aufgabensteller als Gesamtleistung konzipiert worden sei und deshalb nicht einfach Teile davon für die Bewertung außer Acht gelassen werden könnten. Die Klausur "Lineare Algebra I" enthalte keine Multiple-Choice-Anteile. Da auch im Übrigen der Bewertungsspielraum des Prüfers nicht überschritten worden sei, sei der Widerspruch insoweit als unbegründet zurückzuweisen, so dass dieser Fehlversuch angerechnet werde. Dabei bleibe zu Gunsten der Klägerin unberücksichtigt, dass sie diese Klausur im Wintersemester 2007/2008 offenbar zwei Mal mitgeschrieben habe und nicht bestanden habe, wofür ihr eigentlich zwei Fehlversuche hätten angerechnet werden müssen.
11Am 5. Dezember 2008 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Sie hat Bezug auf ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren genommen und ergänzend vorgetragen: Hinsichtlich der Klausur "Mathematik für Physiker II" habe sie eine Neubewertung beantragt. Die Beklagte habe die Bewertung der Klausur jedoch vollständig aufgehoben und sie auf die Wiederholung verwiesen. Dabei bleibe unberücksichtigt, dass sie die Klausur nach den Vorgaben des Prüfers selbst bestanden hätte. Eine einmal erbrachte Prüfungsleistung könne nicht aberkannt werden, weil die Prüfungsbehörde im Nachhinein feststelle, dass die rechtlichen Grundlagen für die Durchführung einer Multiple-Choice-Prüfung nicht gegeben seien. Eine Neubewertung führe automatisch zum Bestehen der Klausur, da lediglich bei der Addition der Punktzahlen ein Fehler unterlaufen sei. Hinsichtlich der Klausur "Lineare Algebra I" vom 14. März 2008 sei ihr ein neuer Prüfungsversuch einzuräumen. Das Bewertungsschema für die Klausur sehe vor, dass zum Bestehen aus den Aufgaben von Teil 1 mindestens 6 Punkte erzielt werden müssten. Das bedeute in der Konsequenz, dass die Aufgaben des Teils 2 für das Bestehen oder Nichtbestehen der Klausur keinerlei Relevanz hätten. Das würde zu dem absurden Ergebnis führen, dass ein Prüfling, der lediglich den zweiten Teil richtig bearbeitet hätte, dennoch die Klausur nicht bestanden hätte, obwohl wie dem Einführungsteil zu entnehmen sei der zweite Teil die anspruchsvolleren Aufgaben enthalte. Allein vor diesem Hintergrund sei das gewählte Bewertungsschema unzulässig. Fehlerfrei erbrachte Prüfungsleistungen dürften nicht als nicht oder schlecht erbracht gewertet werden, weil andere Prüfungsfragen nicht richtig beantwortet worden seien. Die Vorgaben des Bewertungsschemas hätten Einfluss auf das Lösungsverhalten der Prüflinge. Diese würden sich vornehmlich nur mit dem ersten Teil der Aufgabe beschäftigen, da der zweite Teil lediglich bei einer bereits bestandenen Klausur zu einer Notenverbesserung führen könnte, für das Bestehen der Klausur jedoch nicht von Bedeutung sei.
12Die Klägerin hat beantragt,
13die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 10. November 2008 und der Bewertung der Klausur "Lineare Algebra I" vom 14. März 2008 zu verpflichten, die Klausur "Mathematik für Physiker II" unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bewerten und der Klägerin hinsichtlich der Klausur "Lineare Algebra I" einen weiteren Prüfungsversuch einzuräumen.
14Die Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie hat vorgetragen: Bei den Aufgaben in Teil A der Klausur "Mathematik für Physiker II" handele es sich um 10 Fragen, die nur mit "wahr" oder "falsch" beantwortet werden könnten. Wenn ein Kandidat überhaupt keine Ahnung von der Problematik hätte, würde er aus statistischen Gründen 5 Aufgaben richtig ankreuzen. Deshalb könnten für 5 richtige Antworten keinerlei Punkte vergeben werden. Die in der Klausur verwandte Formulierung "ab" der 5. richtigen Antwort sei auf eine falsche Verwendung des Wortes "ab" zurückzuführen. Selbst wenn man die falsche Bezeichnung der Bewertung der Klausur der Klägerin zugrunde lege, habe sie die Arbeit dennoch nicht bestanden. Würde man bei 5 richtigen Antworten einen Punkt geben und bei 10 richtige Antworten die maximale Punktzahl von 5 Punkten, könnten 8 richtige Antworten mit 3 oder allenfalls 3,5 Punkten bewertet werden, was ebenfalls nicht zum Bestehen der Klausur reichen würde. Zum Bestehen der Klausur "Mathematik für Physiker II" hätten 10 von 25 Punkten erreicht werden müssen. Hinsichtlich der Klausur "Lineare Algebra I" vom 14. März 2008 sei die Klägerin durch das Bewertungssystem in keiner Weise beschwert. Sie habe im zweiten Teil mangels anrechenbarer Leistungen 0 Punkte erreicht. Sie verfüge somit im zweiten Teil der Arbeit über keine Punkte, mit denen sie unzureichende Leistungen im ersten Teil der Klausur ausgleichen könne.
17Mit dem angegriffenen Urteil, auf das Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.
18Die Klägerin hat rechtzeitig die mit Beschluss des Senats vom 3. März 2011 zugelassene Berufung eingelegt und führt zur Begründung aus: Soweit es die Klausur "Mathematik für Physiker II" betreffe, stehe einer Neubewertung nicht entgegen, dass in der Klausur Aufgaben im Multiple-Choice-Verfahren gestellt worden seien, deren Verwendung unzulässig gewesen sein könnte. Der Grundsatz der Chancengleichheit gebiete es, wie auch bei anderen Prüflingen ihre Klausur zu bewerten. Dies habe auch das Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil zutreffend festgestellt. Das Verwaltungsgericht habe sich allerdings zu Unrecht auf den Standpunkt gestellt, die Klägerin habe insgesamt maximal 9,5 Punkte und damit nicht die für das Bestehen der Klausur erforderlichen 10 Punkte erreichen können. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Aufgabenstellung im Multiple-Choice-Bereich werde ab der 5. richtigen Antwort ein Punkt vergeben und nicht erst bei mehr als 5 richtigen Antworten. Der von Prof. Dr. X. vorgenommenen Vergleichsberechnung, die das Verwaltungsgericht übernommen habe, werde ein anderer Bewertungsmaßstab zugrunde gelegt als bei der Bewertung der übrigen Klausuren. Denn sie - die Klägerin - erhalte für jede richtige Antwort nicht einen ganzen Punkt, sondern nur Dezimalpunktwerte. Zudem sei die ursprüngliche Klausurbewertung offensichtlich nicht durch Prof. Dr. X. vorgenommen worden. Damit habe das Verwaltungsgericht der Klausur einen neuen Bewertungsmaßstab zugrunde gelegt, ohne dass der ursprüngliche Prüfer damit befasst gewesen sei. Darüber hinaus sei das Zwei-Prüfer-Prinzip nicht eingehalten worden.
19Soweit es die Klausur "Lineare Algebra I" betreffe, sei kein sachlicher Grund dafür erkennbar, dass Leistungen im anspruchsvolleren zweiten Teil unberücksichtigt blieben, nur weil nicht zugleich auch Leistungen im ersten Teil erbracht worden seien. Die Vorgabe, gewertet würden nur vollständige und völlig richtige Einträge, die sauber und deutlich lesbar seien, sei nicht gerechtfertigt. Eine vom Prüfling geforderte Leistung könne auch anhand des Konzeptpapiers nachvollziehbar sein. So spreche etwa ein einfacher Rechenfehler von vornherein nicht dagegen, dass der Prüfling die Grundbegriffe und die damit verbundenen Techniken auch beherrsche. Schließlich liege ein Verfahrensfehler vor, weil der Widerspruchsbescheid erlassen worden sei, ohne zuvor die ausdrücklich beantragte Akteneinsicht zu gewähren.
20Die Klägerin beantragt,
21das angegriffene Urteil zu ändern und nach dem Klageantrag erster Instanz zu erkennen.
22Die Beklagte beantragt,
23die Berufung zurückzuweisen,
24und führt zur Begründung aus: Soweit es die Klausur "Mathematik für Physiker II" betreffe, wäre sie auch unter Einbeziehung des Multiple-Choice-Anteils als nicht bestanden zu werten gewesen. Aus Gründen der Gleichbehandlung könnten für die Klägerin keine anderen Bewertungsmaßstäbe gelten als für die anderen Prüflinge, bei denen erst ab der 6. richtigen Antwort Punkte vergeben worden seien. Vergäbe man dennoch bereits ab der 5. richtigen Antwort Punkte, so würde die Klägerin nach der dann gebotenen Neuberechnung weder die Bestehensgrenze hinsichtlich der Gesamtpunktzahl noch hinsichtlich des Multiple-Choice-Bereichs erreichen. Im Hinblick auf die Einhaltung des Zwei-Prüfer-Prinzips stünden die Kürzel für die Übungsgruppenleiter, welche die Klausur vorkorrigiert hätten, auf dem Klausurendeckblatt. Allerdings habe Prof. Dr. X. die Korrektur kontrolliert und bestätigt. Die Richtigkeit der Bewertung sei sodann von Prof. Dr. F. überprüft worden.
25Soweit es die Klausur "Lineare Algebra I" betreffe, bewege sich die Entscheidung, zum Bestehen der Klausur müsse jedenfalls der elementare Teil 1 bestanden sein, innerhalb des den Prüfern zustehenden Beurteilungsspielraums. Der Einwand der Klägerin zur "Lesbarkeit" habe im vorliegenden Fall keine Bedeutung, da alle ihre Einträge lesbar gewesen seien. Die Aufgaben der Klausur seien auch dem Gebiet der linearen Algebra entnommen. Akteneinsicht sei der Klägerin persönlich gewährt worden.
26Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Parteivorbringens im Übrigen wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
27Entscheidungsgründe:
28Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht weder der geltend gemachte Anspruch auf Neubewertung der Klausur "Mathematik für Physiker II" noch auf einen weiteren Prüfungsversuch hinsichtlich der Klausur "Lineare Algebra I" zu.
29Soweit es die Klausur "Mathematik für Physiker II" betrifft, kommt eine Neubewertung grundsätzlich dann in Betracht, wenn ein für die Prüfungsentscheidung erheblicher Bewertungsfehler vorliegt.
30Vgl. Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl., Rn. 684 und 759.
31Zunächst lässt sich ein derartiger Bewertungsfehler nicht daraus herleiten, dass, wie die Klägerin meint, die Aufgabenstellung im Teil A der Klausur nach dem Multiple-Choice-System nicht auf einer Ermächtigungsgrundlage beruht, wie es an sich erforderlich sei.
32Vgl. dazu: BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991 1 BvR 1529/84 u.a. , BVerfGE 84, 59; Sächs. OVG, Beschluss vom 25. Mai 2010 2 B 78/10 , juris; Beschluss vom 10. Oktober 2002 4 BS 328/02 , NVwZ-RR 2003, 853; OVG NRW, Urteil vom 16. Dezember 2008 14 A 2154/08 , NWVBl. 2009, 222; Beschluss vom 4. Oktober 2006 14 B 1035/06 , OVGE 50, 199 = NWVBl. 2007, 115; Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl., Rn. 40 ff., 377.
33Der Senat geht der Frage nicht nach, ob und inwieweit den Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts im genannten Beschluss zu einem bundesweit nach einheitlichen Regeln durchzuführenden Prüfungsverfahren, die sich auf die dort vorgefundene normative Grundlage beziehen, Grundsätze für die normativen Anforderungen für örtlich begrenzte studienbegleitende Modulprüfungen zu entnehmen sind.
34So im Ergebnis wohl Sächs. OVG, Beschluss vom 25. Mai 2010 - 2 B 78/10 -, juris.
35Denn selbst wenn von einer wegen fehlender Ermächtigungsgrundlage fehlerhaften Aufgabenstellung auszugehen wäre, könnte dies nicht zu dem bezüglich der Klausur "Mathematik für Physiker II" in Rede stehenden Anspruch auf Neubewertung führen. Im Hinblick auf eine - unterstellt - fehlende Ermächtigungsgrundlage wäre der Aufgabenstellung als solcher der Boden entzogen, eine Bewertung anhand vorgegebener Kriterien somit nicht mehr möglich. Damit käme nur ein weiterer Prüfungsversuch mit einer neuen Aufgabenstellung in Betracht, den die Beklagte der Klägerin aber schon im Widerspruchsbescheid vom 10. November 2008 eingeräumt hat.
36Ein Anspruch auf Neubewertung ergibt sich auch nicht daraus, dass einleitend zu Teil A der Klausur ausgeführt ist: "Aus statistischen Gründen kann es erst ab der 5. richtigen Antwort Punkte geben.", während tatsächlich "ab der 6. richtigen Antwort" gemeint war und nach dieser Vorgabe auch die Bewertung der Prüflinge erfolgt ist.
37Ein solcher Anspruch lässt sich nicht aus dem Gebot der Chancengleichheit herleiten. Die Prüfer sind zwar durch Art. 3 Abs. 1 GG gehalten, gleiche Leistungen gleich zu bewerten. Die Chancengleichheit aller Prüflinge ist nur dann gewährleistet, wenn allenthalben die gleichen Maßstäbe für die Bewertung einer Prüfungsleistung eingehalten werden.
38Vgl. Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl., Rn. 665, m. w. N.
39Daher käme ein Verstoß gegen das Gebot der Chancengleichheit allenfalls dann in Betracht, wenn die Klägerin bei der Bewertung ihrer Klausur nicht so wie ihre Mitprüflinge gestellt worden wäre, nicht aber, wenn sie, wie in ihrem Fall geschehen, gerade mit den Mitprüflingen gleich behandelt wird.
40Der tatsächlich gewählte und angewandte Prüfungsmaßstab von "Punkten ab der 6. - und nicht ab der 5. - richtigen Antwort" ist auch weder willkürlich noch beruht er auf sachfremden Erwägungen. Ein Verstoß gegen das Willkürverbot, das auch durch Art. 3 GG bekräftigt wird, ist anzunehmen, wenn Bewertungen des Prüfers aus keinem sachlichen Grund gerechtfertigt werden können. Sachfremde Erwägungen sind solche, die in keinem inhaltlichen Zusammenhang mit Sinn und Zweck der Leistungskontrolle in der betreffenden Prüfung stehen.
41Vgl. Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl., Rn. 639 und 642.
42Anhaltspunkte dafür, dass die Anforderung "ab der 6. richtigen Antwort" und nicht "ab der 5. richtigen Antwort" willkürlich oder sachfremd sein könnte, sind nicht ersichtlich. Das wäre etwa dann der Fall, wenn beispielsweise bei der Bewertung der Klausuren der Prüfungsmaßstab gewechselt worden wäre, um gerade die Klägerin zu treffen. Jedoch war kein anderer Prüfungsmaßstab als der hier tatsächlich zur Anwendung gekommene Maßstab von Anfang an gewollt, und der tatsächlich gewählte hat im Hinblick auf die Klägerin auch keine Veränderung erfahren.
43Eine Pflicht der Beklagten, nach dem im Klausurentext falsch angekündigten, aber so nicht gewollten Bewertungsmaßstab zu verfahren, besteht nicht. Die Ankündigung im Klausurentext stellt weder eine verbindliche Rechtsnorm dar, noch beruht sie auf einer Rechtsnorm dieses Inhalts, so dass die Beklagte zu deren Anwendung verpflichtet wäre. Die Ankündigung ist auch nicht als Zusage zu verstehen, die genannten Bewertungsregeln einzuhalten. Ob eine Zusage vorliegt, ist zunächst eine Auslegungsfrage.
44Vgl. Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl., Rn. 673.
45Danach handelt es sich bei dem Passus "Aus statistischen Gründen kann es erst ab der 5. richtigen Antwort Punkte geben." allenfalls um eine Information zum vorgesehenen - Bewertungsmaßstab, nicht aber um eine von der Beklagten abgegebene, als verbindlich zu behandelnde Erklärung.
46Allerdings beinhaltet die fehlerhafte Information über den Bewertungsmaßstab im Klausurtext einen Verfahrensfehler, der geeignet gewesen sein dürfte, das Prüfungsverhalten der Klägerin zu beeinflussen. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass sich die Klägerin bei der Einteilung der ihr zur Verfügung stehenden Zeit darauf eingestellt hat, mit der Bewertung von lediglich 5 - und nicht 6 - Fragen aus dem Teil A der Klausur habe sie den "Grundstock" für die Bewertung erfüllt. Der Senat lässt letztlich offen, ob dieser Verfahrensfehler als entscheidungserheblich anzusehen ist.
47Vgl. insoweit: Zimmerling/Brehm, Der Prüfungsprozess, Rn. 232 ff.
48Denn auch dieser Fehler würde allenfalls zu einem Anspruch auf einen weiteren Prüfungsversuch führen, nicht aber zur angestrebten Neubewertung.
49Ein Anspruch auf Neubewertung lässt sich auch nicht aufgrund eines Verstoßes gegen das Zwei-Prüfer-Prinzip herleiten.
50Vgl. insoweit Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl., Rn. 125 und 547 ff.
51Der Senat lässt offen, ob es bei der hier in Rede stehenden studienbegleitenden Modulprüfung einer Anwendung des Zwei-Prüfer-Prinzips überhaupt bedarf. Denn die Klausur ist von zwei Prüfern korrigiert worden. Auf der Klausur befindet sich zum einen mit dem Zusatz "Note 5" das Namenskürzel von Prof. Dr. X. , wie auch zum anderen der Zusatz "Ich habe die Korrektur überprüft und für korrekt befunden", unterzeichnet von Prof. Dr. F. . Dem steht nicht entgegen, dass eine Vorkorrektur durch Dritte erfolgt ist, da dies allenfalls einen entscheidungsunerheblichen Verfahrensfehler zu begründen vermag.
52Vgl. Zimmerling/Brehm, Der Prüfungsprozess, Rn. 236 und 238, m. w. N.
53Soweit es die Klausur "Lineare Algebra I" betrifft, kommt der angestrebte weitere Prüfungsversuch bei Mängeln im Prüfungsverfahren - und nicht der Bewertung der Prüfungsleistung - in Betracht.
54Vgl. Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl., Rn. 758 f.
55Ein derartiger, zu einem weiteren Prüfungsversuch führender Verfahrensmangel ergibt sich nicht daraus, dass als notwendige und hinreichende Bedingung zum Bestehen der Klausur aus den Aufgaben von Teil I mindestens 6 Punkte zu erzielen waren, ohne dass es insoweit auf richtige Antworten aus Teil II ankam.
56Ob, diese Vorgabe als fehlerhaft unterstellt, dies einen Anspruch auf einen erneuten Prüfungsversuch oder nur auf eine Neubewertung unter Anwendung eines rechtmäßigen Prüfungsmaßstabes begründen würde, bedarf hier keiner Entscheidung. Die Maßgabe, von einem Prüfling zunächst den Leistungsnachweis über seine grundlegenden Fähigkeiten zu fordern, wie es hier in Teil 1 der Klausur geschehen ist, hält sich innerhalb des prüfungsspezifischen Bewertungsspielraums.
57Vgl. Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl., Rn. 635 f.
58Es beruht weder auf sachfremden Erwägungen noch auf willkürlichem Verhalten, von einem Prüfling eine Mindestbeherrschung elementarer Fragen zu fordern und bei einem Scheitern in diesem Bereich eine Prüfung für nicht bestanden zu erklären. Die zutreffende Beantwortung von dazu im Verhältnis schwierigeren Fragen lässt nicht unbedingt den Schluss zu, dass auch die elementaren Fragen beherrscht werden, sondern kann auch andere Ursachen haben, wie etwa eine mehr zufällige vorherige Beschäftigung mit einzelnen Themenbereichen, aus denen dann die schwierigen Fragen entnommen worden sind.
59Ein entscheidungserheblicher Verfahrensfehler im Hinblick auf das Prüfungsverhalten der Kandidaten lässt sich aus der Vorgabe im Klausurentext: "Nur vollständige und völlig richtige Einträge zählen. Und das auch nur, wenn der jeweilige Eintrag sauber und deutlich lesbar erfolgt ist." nicht herleiten. Soweit damit die Prüflinge zu vollständigen, völlig richtigen, sauberen und deutlich lesbaren Einträgen angehalten werden, enthält diese Vorgabe eine Selbstverständlichkeit und ist schon aus diesem Grund rechtlich unbedenklich.
60Ob diese Vorgabe als Bewertungsmaßstab zulässig ist, mag zweifelhaft sein. Auch steht sie im Widerspruch zu der Aufforderung, das Konzeptpapier zu kennzeichnen, weil daraus gegebenenfalls hervorgehen solle, wie das Ergebnis einer Aufgabe ermittelt worden sei. Diese Aufforderung vermag indes allenfalls den Bewertungsmaßstab zu beeinflussen, da es bei einer Berücksichtigung des Konzeptes nicht ausschließlich auf die vollständige und völlig richtige Eintragung im Klausurbogen ankommen kann. Die so denkbaren Bewertungsmängel können jedoch nur zu einer Neubewertung nach zulässigen Maßstäben führen, nicht jedoch zu einem weiteren Prüfungsversuch.
61Zweifel an der Geeignetheit der Prüfungsaufgaben bestehen nicht. Die Aufgabenstellung bewegt sich innerhalb des dem Prüfer zustehenden prüfungsspezifischen Spielraums. Dabei geht es nicht um das Erreichen aller Qualifikationsziele des betroffenen Moduls, wie sie in den fächerspezifischen Bestimmungen für das Fach Mathematik im Rahmen des Zwei-Fach-Bachelors beschrieben sind, sondern nur um die Eignung der Prüfungsaufgaben zur Feststellung, ob diese Ziele erreicht wurden. Dass die hier gestellten Prüfungsaufgaben dem nicht entsprochen haben, wird von der Klägerin nicht substanziiert vorgetragen, noch ist es sonstwie ersichtlich.
62Nichts anderes gilt, soweit die Klausur Ergebnisse und nicht Lösungswege abfragt. Hieraus lässt sich kein Widerspruch zu den Qualifikationszielen des Moduls herleiten, in denen u. a. die Zusammenhänge zwischen Begriffen und zentralen Aussagen sowie die Anwendung der Theorie auf Probleme erwähnt werden. Die hier gewählte Aufgabenstellung in der Klausur setzt voraus, dass Rechen- bzw. Denkschritte zum Erreichen der jeweiligen Lösungen erforderlich sind und nicht (nur) reines Wissen abgefragt wird. Daher bedingt das hier geforderte richtige Ergebnis geradezu, dass die entsprechenden Fähigkeiten bei den Prüflingen vorhanden sind, ausgehend von den Aufgabenstellungen die Ergebnisse herzuleiten und zu entwickeln.
63Schließlich führt die den Prozessbevollmächtigten der Klägerin trotz ihres Antrages im Schriftsatz vom 15. Oktober 2008 nicht gewährte Akteneinsicht nicht zu einer Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 10. November 2008.
64Akteneinsicht in der gebotenen Weise ist der Klägerin versagt worden. Zwar hatte die Klägerin persönlich zuvor Akteneinsicht genommen. Dies vermag aber den späteren Antrag ihrer Prozessbevollmächtigten nicht abzudecken, so dass von einem Verfahrensfehler auszugehen ist. Dahinstehen kann, ob ein materiellrechtmäßiger Verwaltungsakt allein durch Verfahrensfehler bei der Akteneinsicht formell rechtswidrig wird.
65Vgl. Hufen, Fehler im Verwaltungsverfahren, 4. Aufl., Rn. 256; Huck/Müller, VwVfG, § 29 Rn. 32; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Aufl., § 29 Rn. 43.
66Denn jedenfalls ist nach der Regelung des hier entsprechend anzuwendenden § 45 Abs. 1 und Abs. 2 VwVfG NRW der Fehler durch die Gewährung von Akteneinsicht im erstinstanzlichen Verfahren geheilt worden.
67Der Senat sieht sich jedoch veranlasst, auf folgendes hinzuweisen: Das Recht auf Akteneinsicht nach abgeschlossener Prüfung ist von ganz erheblicher Bedeutung für den weiteren möglichen Verfahrensablauf. Etwa für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes ist die Akteneinsicht für den Prüfling unverzichtbar, weil er bei schriftlichen Prüfungsarbeiten nur durch die Akteneinsicht verlässliche Kenntnis der Bewertungsbegründung erhält.
68Vgl. Zimmerling/Brehm, Prüfungsrecht, 3. Aufl., Rn. 411.
69Ohne die Gewährung von Akteneinsicht im Widerspruchsverfahren wird der Betroffene geradezu in das gerichtliche Verfahren getrieben, weil ihm nur so die erforderliche Möglichkeit eröffnet wird, sich über den weiteren Verfahrensablauf klar zu werden. Dies dürfte zur Folge haben, dass bei der Kostenregelung im gerichtlichen Verfahren § 155 Abs. 4 VwGO zum Tragen kommt, sofern der Betroffene auf eine dann gewährte Akteneinsicht reagiert und, ohne eine Entscheidung des Gerichts in der Sache herbeizuführen, das Verfahren beendet.
70Besteht im vorliegenden Verfahren der geltend gemachte Anspruch nicht, so ist die Berufung mit der Kostenentscheidung aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO.
71Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen der §§ 132 Abs. 2 und 137 Abs. 1 VwGO nicht vorliegen.