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Erfolglose Klage eines polizeidienstunfähigen Polizeioberkommissars gegen seine Versetzung in den Ruhestand.
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts für beide Rechtszüge auf bis zu 45.000,00 Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
2Der Antrag hat keinen Erfolg.
3Aus den im Zulassungsantrag dargelegten Gründen, die der Senat allein zu prüfen hat, ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
4Das Verwaltungsgericht hat angenommen, die angefochtene Zurruhesetzungs-verfügung vom 21. Dezember 2006 sei formell und materiell rechtmäßig. Der Kläger sei gemäß § 194 Abs. 1 Halbsatz 1 LBG NRW polizeidienstunfähig. Ausweislich des polizeiärztlichen Gutachtens vom 5. Oktober 2006 der Polizeiärztin des Polizeiärztlichen Dienstes beim Polizeipräsidium N. , Regierungsmedizinaldirektorin Dr. von X. , sei eine uneingeschränkte Polizeidienstfähigkeit des Klägers wegen dessen orthopädischen Erkrankungen dauerhaft nicht gegeben. Das beklagte Land habe zugleich rechtmäßig entschieden, dass die Voraussetzungen des § 194 Abs. 1 Halbsatz 2 LBG NRW nicht erfüllt seien. Bei der danach zu treffenden Prognoseent-scheidung über die weitere dienstliche Verwendung des polizeidienstunfähigen Beamten im Polizeidienst habe das beklagte Land das ihm eingeräumte weitreichende Organisationsermessen fehlerfrei ausgeübt, indem es auf die eingeschränkte Verwendungsbreite des Klägers und die erhebliche Ausdünnung der zur Verfügung stehenden Innendienststellen verwiesen habe. Schließlich sei zu Recht von einem Laufbahnwechsel nach § 194 Abs. 3 LBG NRW abgesehen worden. Die in dieser Sollvorschrift vorgesehene Verpflichtung des Dienstherrn, dem polizeidienstunfähig gewordenen Beamten einen Laufbahnwechsel zu ermöglichen und ihn gegebenenfalls für ein Amt einer anderen Laufbahn auszubilden, bestehe hier nicht, weil zweifelhaft sei, ob der Kläger ernsthaft gewillt und in der Lage sei, die erforderliche dreijährige Unterweisungszeit in Form eines FH-Studiums zu absolvieren und anschließend in der allgemeinen Verwaltung seinen Dienst zu verrichten. Unter anderem habe er der Polizeiärztin erklärt, er werde sich im Falle der Feststellung seiner Polizeidienstunfähigkeit wieder krankschreiben lassen, selbst wenn er wieder arbeiten könne. Im übrigen seien die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Abschluss des FH-Studiums aufgrund von Alter und Vorbildung ungünstig.
5Hinsichtlich der umfangreichen Ausführungen des Klägers zur "Dienstunwilligkeit" ("Dienstproblematik", "Mobbing-Opfer") ist bereits zweifelhaft, inwieweit sie den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügen, da sich lediglich mit erheblichem Aufwand herausarbeiten lässt, unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt der in weiten Teilen kaum strukturierte Vortrag von Bedeutung sein soll.
6Aber auch soweit sich das Zulassungsvorbringen dem Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO und einem vom Verwaltungsgericht erörterten rechtlichen Gesichtspunkt zuordnen lässt, ist es nicht geeignet, die oben dargestellten Annahmen der erstinstanzlichen Entscheidung in Frage zu stellen. Im Hinblick auf die vom Verwaltungsgericht festgestellte Polizeidienstunfähigkeit des Klägers (§ 194 Abs. 1 Halbsatz 1 LBG NRW a.F.) verweist der Kläger darauf, dass nach Ausheilung der durch den Dienstunfall vom 26. November 2005 verursachten Rückenverletzung primärer Grund für seine Dienstunfähigkeit die "Dienstproblematik" - er fühle sich als Mobbing-Opfer - gewesen sei. Diese Gesundheitsstörung sei behandelbar und daher nicht geeignet, eine (dauerhafte) Polizeidienstunfähigkeit zu begründen. Mit diesem Vorbringen sind keine ernstlichen Zweifel dargelegt. Der Kläger schildert zwar eingehend die dienstlichen Umstände, die seiner Auffassung nach zu einer psychischen Gesundheitsstörung geführt haben sollen. Er setzt sich jedoch in keiner Weise mit den verschiedenen bei ihm im Rahmen der polizeiärztlichen Untersuchung vom 25. Juli 2006 (Gutachten vom 5. Oktober 2006) festgestellten orthopädischen Erkrankungen auseinander, auf die die Feststellung der Polizeidienstunfähigkeit in der erstinstanzlichen Entscheidung ebenso wie in der Zurruhesetzungsverfügung vom 21. Dezember 2006 und im Widerspruchsbescheid vom 14. August 2007 gestützt worden ist.
7Die Annahme des Verwaltungsgerichts, das beklagte Land habe das im Rahmen des § 194 Abs. 1 Halbsatz 2 LBG NRW eingeräumte Organisationsermessen rechtmäßig ausgeübt, wird durch das Zulassungsvorbringen ebenfalls nicht durchgreifend in Frage gestellt. Der vom Kläger angeführte Umstand, dass ihm eine Stellung als Sachbearbeiter im Kriminalkommissariat M. bereits unbefristet zugewiesen worden sei, schließt eine ermessensfehlerfreie Entscheidung, den Kläger nicht weiter auf diesem Dienstposten zu belassen, nicht aus. Dem Dienstherrn steht – wie auch das Verwaltungsgericht bereits ausgeführt hat – bei der Entscheidung über die weitere Verwendung von polizeidienstunfähigen Polizeivollzugsbeamten ein weiter Spielraum zu.
8Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. April 2010 – 6 A 224/08 – , juris, m.w.N.
9Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, wenn sich der Dienstherr - wie hier - aus personalwirtschaftlichen Erwägungen dazu entschließt, nach der erheblichen Ausdünnung der Innendienststellen in diesem Bereich nicht nur eingeschränkt dienstfähige Beamten zu verwenden, sondern auch jüngere bzw. voll einsetzbare Beamte mit den damit verbundenen Aufgaben zu betrauen. Anderenfalls wären voll polizeidienstfähige Polizeivollzugsbeamte von der Wahrnehmung dieser Aufgaben von vornherein ausgeschlossen. Hinzu kommt, dass das beklagte Land – wie es in der mündlichen Verhandlung am 8. Mai 2008 nochmals bekräftigt hat – davon ausgeht, dass auch die vom Kläger benannte Stelle langfristig nicht entsprechend den vom Dienstherrn gestellten Anforderungen ausgefüllt X. kann, wenn nicht zumindest vorübergehend auch Außendiensttätigkeiten (Einblicke in die Ermittlungsarbeit bzw. Spurensicherung im Kriminalkommissariat 41) ausgeführt X. können. Das ist dem auf den reinen Innendienst beschränkten Kläger jedoch aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich.
10Der Verweis des Klägers auf § 194 Abs. 1 Halbsatz 2 LBG NRW a.F. am Ende seiner Ausführungen zur "Dienstunwilligkeit" ist nicht nachvollziehbar, weil das Verwaltungsgericht seine rechtliche Bewertung im Zusammenhang mit der Erörterung einer eventuellen weiteren Verwendung des Klägers im Polizeivollzugsdienst nicht auf diesen Aspekt abstellt.
11Aber auch mit Blick auf die vom Kläger ebenfalls benannte Regelung des § 194 Abs. 3 LBG a.F. sind die Darlegungen nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzllichen Entscheidung zu begründen. Das Verwaltungsgericht geht in seinem rechtlichen Ansatzpunkt davon aus, dass der Dienstherr dann nicht gehalten sei, einen polizeidienstunfähig gewordenen Beamten für ein Amt einer anderen Laufbahn auszubilden, wenn begründete Zweifel bestünden, dass der Beamte überhaupt ernsthaft gewillt oder in der Lage sei, eine derartige Ausbildung zu durchlaufen und anschließend nach einem Laufbahnwechsel seinen Dienst bis zum Erreichen der Altersgrenze zu verrichten. Es stellt damit maßgeblich auf in die Sphäre des Klägers fallende, innere Tatsachen ab. Das Zulassungsvorbringen beschränkt sich in diesem Zusammenhang auf eine detaillierte Schilderung und Bewertung der vom Kläger als "Mobbing" empfundenen Vorgänge in der Vergangenheit und tritt damit der erstinstanzlichen Einschätzung nicht durchgreifend entgegen. Eine positive Äußerung, sich den mit einem Laufbahnwechsel verbundenen Anforderungen stellen zu wollen, lässt sich dem Vorbringen des Klägers, der allein in der Lage ist, zu diesen inneren Umständen Auskunft zu geben, an keiner Stelle entnehmen.
12Die weiteren Ausführungen des Klägers, dass im Zusammenhang mit einem Laufbahnwechsel auf einen Erlass vom 16. Mai 2002 abzustellen sei, der konkretisiere, bei welcher Zeitspanne bis zur Pensionsgrenze bei einem lebensälteren Beamten noch davon auszugehen sei, dass von der Zweitausbildung noch hinreichend Gebrauch gemacht X. könne, sind mit Blick auf den vom Verwaltungsgericht gewählten rechtlichen Ausgangspunkt nicht relevant. Denn es stellt bei seinen Erwägungen maßgeblich auf den aus seiner Sicht nicht hinreichend festzustellenden Willen des Klägers zu einem Laufbahnwechsel und den damit verbundenen Ausbildungsmaßnahmen ab. Vor diesem Hintergrund ist es nicht von Belang, dass die vom Kläger benannte zeitliche Grenze des Erlasses von acht bis zehn Jahren bis zur regulären Pensionsgrenze im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung noch nicht überschritten war.
13Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
14Das wäre anzunehmen, wenn die Angriffe des Klägers gegen die Tatsachenfeststellungen oder rechtlichen Würdigungen, auf denen das angefochtene Urteil beruht, Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung gäben, die sich nicht ohne weiteres im Zulassungsverfahren klären ließen, sondern die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern würden.
15Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Kläger benennt – wie oben ausgeführt – keine durchgreifenden Gründe für die Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils.
16Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
17Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine im Berufungsverfahren klärungsbedürftige und für die Entscheidung dieses Verfahrens erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat. Dabei ist zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes die Frage auszuformulieren und substantiiert auszuführen, warum sie für entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird.
18Diesen Anforderungen wird das Zulassungsvorbringen in keiner Weise gerecht. Der Formulierung
19"die Frage der erforderlichen Abgrenzungen, Feststellungen und Kriterien der Bewertung einer dem oben dargestellten Szenario entsprechenden Situation als ‚Mobbing-Opfer‘, ‚Dienstproblematik‘ oder ‚Dienstunwilligkeit‘ nach einer über mehrere Jahre sich hinziehenden Kette von dem Beamten zweifelhaft erscheinenden und stets zu seinen Lasten zu wertenden ‚Organisationsentscheidungen‘ des Dienstherrn dürfte eine Frage der grundsätzlichen Bedeutung sein"
20lässt sich bereits keine auch nur annähernd konkretisierte, einer Klärung im Berufungsverfahren zugängliche Rechtsfrage entnehmen.
21Hinsichtlich der weiteren vom Kläger als grundsätzlich klärungsbedürftig aufgeworfenen Fragen,
22"ob zum einen das im Rahmen des § 194 Abs. 1 Halbsatz 2 LBG NRW dem Dienstherrn eingeräumte Organisationsermessen soweit geht, dass die Erwägungen der Ermessensausübung nicht erkennbar sind und verschwiegen bleiben dürfen",
23"ob es im Rahmen dieses Organisationsermessens liegt, an einem Beamten so lange ‚rumzuorganisieren‘ und die gesundheitlichen Anforderungen an den im Rahmen des § 194 Abs. 1 Halbsatz 2 (noch) tätigen Beamten so zu gestalten, dass die Wahrscheinlichkeit einer endgültigen Dienstunfähigkeit steigt",
24und
25"ob der Dienstherr aufgrund einer behaupteten Dienstunwilligkeit, die gutachterlich als Dienstproblematik zwischen dem Beamten und seinem Vorgesetzten beurteilt worden war, von einem Laufbahnwechsel nach § 194 Abs. 3 LBG NRW absehen kann"
26ist bereits nicht dargelegt, inwieweit sie entscheidungserheblich sein sollen und ihnen Bedeutung über den Einzelfall hinaus zukommen soll.
27Die Berufung ist auch nicht wegen des geltend gemachten Verfahrensfehlers
28zuzulassen (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
29Der Kläger meint offenbar, es liege eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG; § 108 Abs. 2 VwGO) vor, weil das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Entscheidungsgründe zu § 194 Abs. 3 LBG NRW ein zuvor nicht benanntes Urteil herangezogen habe, auf das er nicht mehr habe eingehen können. Der Kläger verkennt dabei jedoch, dass aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör keine allgemeine Frage- und Aufklärungspflicht des Gerichts folgt. Dem Gericht wird keine umfassende Erörterung aller entscheidungserheblichen Gesichtspunkte abverlangt. Insbesondere muss ein Gericht die Beteiligten grundsätzlich nicht vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffs hinweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung ergibt. Nur wenn das Gericht an den Vortrag eines Beteiligten Anforderungen stellt, mit denen auch ein verständiger Prozessbeteiligter aufgrund des bisherigen Verlaufs des Verfahrens nicht zu rechnen brauchte, ist es zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung verpflichtet, einen entsprechenden Hinweis zu geben.
30Vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. September 2010 – 5 B 44.10 – , juris, m.w.N.
31In Anwendung dieser Grundsätze war das Verwaltungsgericht nicht gehalten, das zitierte Urteil des OVG NRW vom 31. Mai 1991 – 6 A 366/89 – den Beteiligten vor seiner Entscheidung zu benennen und zugänglich zu machen. Es nutzt das Urteil, das ohnehin einen nicht unmittelbar vergleichbar gelagerten Fall betrifft, lediglich als Ausgangspunkt für seine eigene, weiterführende Überlegung, dass einem polizeidienstunfähigen Polizeivollzugsbeamten ein Laufbahnwechsel samt vorbereitender Ausbildung nur dann ermöglicht X. müsse, wenn er dazu auch gewillt und in der Lage sei. Im Übrigen waren die Frage der Einstellung des Klägers zum Dienst und die damit verbundenen Folgen für die Ermöglichung eines Laufbahnwechsels bereits Gegenstand des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2007, so dass der Kläger mit einem Aufgreifen dieses Gesichtspunktes durch das Verwaltungsgericht rechnen musste.
32Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
33Die Streitwertfestsetzung nebst Streitwertänderung beruht auf den §§ 40, 47 Abs. 1, 63 Abs. 3 Satz 1 GKG i.V.m. § 52 Abs. 5 Satz 1 GKG.
34Nach der geänderten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich der Senat aus Gründen der Rechtseinheit angeschlossen hat, bestimmt sich der Streitwert in Verfahren, in denen - wie hier - die Versetzung eines Beamten in den Ruhestand in vollem Umfang und nicht nur wegen ihres Zeitpunkts angegriffen wurde, nach § 52 Abs. 5 Satz 1 GKG; eine Halbierung des Streitwerts nach § 52 Abs. 5 Satz 2 GKG verbietet sich.
35Vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Juli 2009 2 B 30.09 -, NVwZ-RR 2009, 823; OVG NRW, Beschluss vom 21. Oktober 2009 - 6 E 1260/09 -, juris.
36Demgemäß ist der Streitwert vorliegend auf den 13-fachen Betrag des Endgrundgehalts zuzüglich ruhegehaltfähiger Zulagen (vgl. § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 GKG) festzusetzen.
37Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).