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Die Berufung wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des angefochtenen Urteils im Hauptausspruch, soweit der Klage stattgegeben worden ist, wie folgt neu gefasst wird:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Erschließung des Grundstücks Gemarkung F. , Flur 24, Flurstück 39, entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans F. Nr. 11 „C. Straße/X.-----weg “ herbeizuführen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Die Klägerin ist Eigentümerin des von ihr im Jahr 1964 erworbenen unbebauten Grundstücks Gemarkung F. , Flur 24, Flurstück 39. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 11 der Beklagten "C. Straße/X.-----weg " vom 31. Juli 1987, der es als allgemeines Wohngebiet ausweist. Nördlich des Flurstücks 39 verläuft in west-östlicher Richtung der B. I.---weg , dessen Wegestück zwischen dem U.----weg und dem X1.------weg als Bodendenkmal in die Denkmalliste der Beklagten eingetragen ist. Der B. I.---weg ist in diesem Abschnitt ein tief eingeschnittener Hohlweg mit begrünten Böschungen. Zwischen ihm und dem Geländeniveau des Grundstücks der Klägerin besteht ein Höhenunterschied von mehreren Metern; eine Zuwegung ist nicht angelegt. Südlich des klägerischen Grundstücks befinden sich die im Bebauungsplan Nr. 11 ebenfalls als allgemeines Wohngebiet festgesetzten und mit einem jeweils in den 1970er Jahren baugenehmigten Wohnhaus bebauten Flurstücke 60 (K.----pfad 31) und 44 (K.----pfad 25), die unmittelbar an dem südlich von ihnen auf der West-Ost-Achse verlaufenden K.----pfad liegen. Der Bebauungsplan Nr. 11 sieht vor, dass die Erschließung des Flurstücks 39 - ebenso wie die Erschließung des westlich von ihm liegenden unbebauten Flurstücks 38 - durch eine in nördlicher Richtung vom K.----pfad abzweigende, 3 m breite Stichstraße erfolgen soll. Diese würde Teilflächen der - 782 m² beziehungsweise 851 m² großen - Flurstücke 60 und 44 im Umfang von ca. 50 m² beziehungsweise 52 m² in Anspruch nehmen. Der Bebauungsplan Nr. 11 setzt die Stichstraße als öffentliche Verkehrsfläche fest. Sie ist bislang anders als die im Bebauungsplan Nr. 11 festgesetzten Stichstraßen, welche die vom K.----pfad aus gesehen hinterliegenden Flurstücke 40, 41, 281, 280, 378 und 380 erschließen, nicht errichtet worden.
3Mit Schreiben vom 7. Dezember 1986 wies die Klägerin die Beklagte darauf hin, dass ihr ein Betreten des Flurstücks 39 nicht möglich sei. Es gebe keinen Zugang mehr, nachdem der B. I.---weg unter Denkmalschutz gestellt worden sei. Sie halte es für eine Pflicht der Verantwortlichen, den Grundstückseigentümern einen Zugang einzuräumen und bitte um eine umgehende Lösung des Problems. In der Folge fanden zwischen der Klägerin und der Beklagten in den Jahren 1987 und 1989 Gespräche statt.
4In ihrem Schreiben an die Beklagte vom 17. Juli 2001 verlangte die Klägerin von der Beklagten die Erschließung des Flurstücks 39. Zwar gebe es grundsätzlich keinen Anspruch auf Erschließung. Allerdings habe sich die allgemeine Erschließungspflicht ausnahmsweise zu ihren Gunsten verdichtet, weil die Beklagte die Erschließung ungebührlich verzögert habe. Eine Enteignung der für die Erschließung benötigten Flächen sei möglich.
5Am 8. August 2001 antwortete die Beklagte der Klägerin, die Eigentümer der Flurstücke 60 und 44 seien nicht bereit, Flächen für die Anlegung der Stichstraße zur Erschließung des Flurstücks 39 zu verkaufen. Die einzige Möglichkeit, zu einer für alle Seiten befriedigenden Lösung zu kommen, sehe die Beklagte in einer Veräußerung des Flurstücks 39 an den östlichen Nachbarn der Klägerin, der ein diesbezügliches Interesse bekundet habe.
6Nachdem die Verkaufsverhandlungen mit diesem zu keiner Einigung geführt hatten, beantragte die Klägerin am 14. Juli 2003 die Erteilung eines Bauvobescheids über die Bebaubarkeit des Flurstücks 39 mit einem Einfamilienhaus bei Erschließung über den B1. I.---weg sowie am 8. September 2003 die Erteilung einer denkmalrechtlichen Erlaubnis für die Nutzung des B1. I1.---wegs zu diesem Zweck. Mit Bescheid vom 17. November 2003 lehnte der Bürgermeister der Beklagten den Antrag auf Erteilung der denkmalrechtlichen Erlaubnis ab, weil der von der Klägerin beantragten Nutzung des B1. I1.---wegs Gründe des Denkmalschutzes entgegenstünden. Nach erfolglosem Widerspruch erhob die Klägerin gegen diese Ablehnung beim Verwaltungsgericht Arnsberg Klage, die sie am 2. Mai 2005 zurücknahm. Den Vorbescheidsantrag der Klägerin vom 14. Juli 2003 lehnte der Landrat des Kreises T. mit Bescheid vom 4. April 2004 unter Hinweis auf die fehlende Sicherung der Erschließung des Bauvorhabens ab.
7Mit Schreiben vom 21. Januar 2005 wandte sich die Klägerin erneut wegen der Erschließung des Flurstücks 39 an die Beklagte. Dessen Erschließung müsse notfalls im Enteignungsweg durchgesetzt werden, wenn eine Erschließung über den B1. I.---weg aus denkmalrechtlichen Gründen ausscheide.
8Dazu führte die Beklagte unter dem 17. Februar 2005 aus, ein Rechtsanspruch auf Erschließung bestehe grundsätzlich nicht. Es sei offenkundig, dass sie zur Erschließung des Plangebiets des Bebauungsplans Nr. 11 gewillt sei und sie diesen soweit möglich auch umgesetzt habe. Hinsichtlich des Wegs zum Grundstück der Klägerin sei die Durchführung des Plans an der fehlenden Verkaufsbereitschaft der Eigentümer der Wegeflächen gescheitert. Deren Enteignung sei nicht zulässig, weil das Wohl der Allgemeinheit sie nicht erfordere. Einzig die Klägerin sei an der Enteignung der Fläche interessiert. Die Beklagte habe den fehlenden Grunderwerb somit nicht zu vertreten, so dass die Verzögerung der Erschließung nicht durch ihr ungebührliches Verhalten verursacht sei.
9Am 1. Juli 2005 reichte die Klägerin bei dem Petitionsausschuss des Landtags Nordrhein-Westfalen eine Petition mit der Bitte um Prüfung ein, ob ihrem Erschließungsanliegen Rechnung getragen werden könne.
10In einem mit Blick auf das Petitionsverfahren gefertigten Vermerk der Beklagten vom 25. August 2005 - das Ministerium für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen hatte sie um Stellungnahme zu der Petition der Klägerin gebeten - heißt es, die Beklagte habe sich beim Städte- und Gemeindebund sowie bei der zuständigen Enteignungsbehörde, der Bezirksregierung B2. , telefonisch nach den Erfolgsaussichten eines Enteignungsverfahrens betreffend die für die Erschließung des Flurstücks 39 erforderlichen Teilflächen erkundigt. Beide Stellen hätten die Erfolgsaussichten eines Enteignungsverfahrens bejaht. Man sei dort der Auffassung, dass das Wohl der Allgemeinheit durch die Festsetzung des Bebauungsplans definiert sei und die Enteignung erfordere, weil die Erschließung der Baugrundstücke anders nicht herbeigeführt werden könne.
11Daran anschließend berichtete die Beklagte dem Ministerium für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen in ihrem Schreiben vom 30. August 2005, sie werde sich nochmals um einen freihändigen Erwerb der Wegeflächen bemühen, um dadurch die Voraussetzungen für eine Enteignung zu schaffen. Falls die Erwerbsverhandlungen ohne Erfolg blieben, werde sie die Enteignung der Flächen bei der Enteignungsbehörde beantragen.
12Unter dem 21. April 2006 schrieb die Beklagte die Eigentümer der Flurstücke 60 und 44 wegen des Erwerbs einer Teilfläche dieser Flurstücke an, weil diese zur plangemäßen Erschließung der Flurstücke 38 und 39 benötigt werde. Die Beklagte bot an, die Teilflächen zum Preis von 90,- €/m² - entsprechend dem Bodenrichtwert für diesen Bereich - zu erwerben.
13Mit Schreiben vom 20. Juni 2006 berichtete die Beklagte dem Ministerium für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen, sie habe den möglichen Ablauf eines Enteignungsverfahrens mit der Bezirksregierung B2. erörtert. Nach Sichtung des Aktenmaterials habe der dort zuständige Sachbearbeiter einem Enteignungsverfahren sehr gute Erfolgsaussichten eingeräumt und empfohlen, einen Enteignungsantrag zu stellen. Dieser werde vorbereitet.
14Unter dem 13. Juli 2006 beantragte die Beklagte bei der Bezirksregierung B2. , ein Verfahren zur Enteignung der in einem beigefügten Lageplan dargestellten Teilflächen der Grundstücke Gemarkung F. , Flur 24, Flurstücke 60 und 44, zu ihren Gunsten einzuleiten. Die Teilflächen sollten, wie Bebauungsplan Nr. 11 festgesetzt, als öffentliche Verkehrsfläche ausgebaut werden, um die Flurstücke 38 und 39 vom "K.----pfad " aus zu erschließen. Zur Begründung führte die Beklagte aus, das Wohl der Allgemeinheit erfordere die Enteignung. Die Erfüllung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung zähle zu den elementarsten Ausprägungen des Gemeinwohls. Die Aufgabe, diese Bedürfnisse in städtebaulicher Hinsicht zu befriedigen, habe das Baugesetzbuch den Gemeinden übertragen. Der Bebauungsplan Nr. 11 konkretisiere die Anforderungen des Allgemeinwohls, indem er auf den Flurstücken 44 und 60 eine öffentliche Verkehrsfläche zur Erschließung der rückwärtigen Bauflächen festsetze. Das Allgemeinwohl - hier bezogen auf die Wohnraumversorgung - erfordere, dass der rechtskräftige Bebauungsplan umgesetzt werde, indem die Beklagte die festgesetzten Erschließungsanlagen herstelle, wenn die Aussicht bestehe, dass die erschlossenen Grundstücke einer baulichen Nutzung zugeführt würden. Da die Erschließung der rückwärtigen Grundstücke an der mangelnden Verkaufsbereitschaft der Eigentümer der Verkehrsflächen scheitere, erfordere das Wohl der Allgemeinheit die Enteignung der notwendigen Erschließungsflächen. Obwohl der Bebauungsplan Nr. 11 bereits seit ca. 19 Jahren in Kraft sei, sei die Enteignung zum gegenwärtigen Zeitpunkt erforderlich, da eines der neu erschlossenen Grundstücke dem Markt zur Verfügung gestellt werden solle. Der vorzunehmende Eigentumseingriff sei relativ gering. Im Fall des Grundstücks "K.----pfad 31" verlaufe die herzustellende Stichstraße entlang der vorhandenen Garageneinfahrt und Garage, im Falle des Grundstücks "K.----pfad 25" am westlichen Gartenrand. Baukörper oder wesentliche Bestandteile der Grundstücke müssten nicht beseitigt werden; diese seien auch nicht in ihrer Nutzbarkeit beeinträchtigt. Die Grundstücke würden zudem - abgesehen von den enteigneten Flächen - weder in ihrem Wert noch in ihrer Wohnqualität beeinträchtigt, da die verbleibenden Grundstücksflächen eine für eine ortsübliche Wohn- und Gartennutzung ausreichende Größe behielten und der zusätzliche Fahrzeugverkehr durch die neu erschlossenen Grundstücke nicht nennenswert ins Gewicht falle. Der Enteignungszweck sei auf andere zumutbare Weise nicht erreichbar. Die Erschließung der Flurstücke 38 und 39 von Norden über das Bodendenkmal B3. I.---weg sei nicht möglich, weil dessen mehrere Meter hohe Böschungen von der Denkmaleigenschaft erfasst seien und zu Erschließungszwecken nicht verändert werden dürften. Die Erschließung durch eine in West-Ost-Richtung zwischen den Flurstücken 37 und 38 einerseits und den Flurstücken 251 und 60 andererseits verlaufende Straße sei - sofern bei der Topographie überhaupt sinnvoll - unter ökologischen und ökonomischen Aspekten aufgrund der ausgedehnteren Verkehrsfläche die schlechtere Lösung. Im Übrigen stünden diese Flächen nicht in städtischem Eigentum, so dass auch hier ein Enteignungsverfahren zu erwarten wäre. Eine zumutbare andere Trassenführung für die Erschließungsstraße existiere somit nicht. Der Enteignungszweck sei nicht durch eine dingliche Belastung der Verkehrsfläche oder ein bloß obligatorisches Nutzungsverhältnis zu erreichen. Ausreichende Haushaltsmittel für den Erwerb beziehungsweise die Enteignungsentschädigung seien vorhanden. Das Vorhaben werde in angemessener Frist realisiert werden. Es bestehe die Absicht, kurzfristig nach Abschluss des Enteignungsverfahrens mit den Baumaßnahmen zu beginnen. Die Eigentümer der Flurstücke 60 und 44, mit denen die Beklagte wiederholt über einen freihändigen Grunderwerb verhandelt habe, seien auf die schriftliche Kaufofferte vom 21. April 2006 nicht eingegangen.
15In seiner Sitzung vom 30. Januar 2007 beschloss der Planungs- und Gestaltungsausschuss des Rates der Beklagten, an den Bürgermeister zu appellieren, den Antrag auf teilweise Enteignung der Flurstücke 60 und 44 zurückzuziehen. Den Beschlussvorschlag, den Bebauungsplan Nr. 11 so zu ändern, dass die Flurstücke 38 und 39 als nicht bebaubare Grundstücke (Grünfläche) ausgewiesen würden, lehnte der Planungs- und Gestaltungsausschuss ab. Er beschloss, den Bebauungsplan Nr. 11 nicht zu ändern. Der Eigentümer des Flurstücks 60 sei darauf hinzuweisen, dass eine Bebauung des Hinterliegergrundstücks nur dann erfolgen könne, wenn eine bebauungsplangemäße Erschließung durchgeführt werde. Einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich der Erschließung werde nicht zugestimmt und das gemeindliche Einvernehmen versagt.
16Unter dem 19. März 2007 nahm die Beklagte ihren Antrag auf Durchführung eines Verfahrens zur Enteignung von Teilflächen der Flurstücke 60 und 44 zurück.
17In seinem Beschluss vom 31. Juli 2007 teilte der Petitionsausschuss des Landtags Nordrhein-Westfalen der Klägerin mit, er sehe angesichts der kommunalen Planungshoheit keine Möglichkeit, der Landesregierung Maßnahmen zu empfehlen. Der Klägerin bleibe es unbenommen, ihre Ansprüche in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren überprüfen zu lassen.
18Die Klägerin hat am 5. September 2007 Klage erhoben.
19Zur Begründung hat sie vorgetragen, sie habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erschließung. Die Beklagte habe sich trotz ihres Drängens jahrelang nicht bemüht, den Bebauungsplan umzusetzen. Insbesondere habe sie kein Ent-eignungsverfahren durchgeführt, obwohl die Eigentümer der Flurstücke 60 und 44 einem Verkauf der benötigten Teilflächen nicht zugestimmt hätten. Bereits im Jahr 1986 habe sie die Beklagte wegen der Bebauung ihres Grundstücks angeschrieben und auch nach dem Inkrafttreten des Bebauungsplans Nr. 11 ihren Bauwunsch geäußert. Seit dem Jahr 2001 habe sie die Bemühungen fortgesetzt, ihr Grundstück einer Erschließung zuzuführen.
20Die Klägerin hat beantragt,
21die Beklagte zu verurteilen, das Grundstück Gemarkung F. , Flur 24, Flurstück 39, entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans F. Nr. 11 "C. Straße/X.-----weg " zu erschließen,
22hilfsweise,
23festzustellen, dass die Beklagte zur Erschließung des Grundstücks Gemarkung F. , Flur 24, Flurstück 39, entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans F. Nr. 11 "C. Straße/X.-----weg " verpflichtet ist.
24Die Beklagte hat beantragt,
25die Klage abzuweisen.
26Sie hat vorgetragen, als die Klägerin das Flurstück 39 im Jahr 1964 erworben habe, habe es im Geltungsbereich des Baugebietsplans aus dem Jahr 1950/51 gelegen. Dieser Plan habe als Bebauungsplan fortgegolten, bis der "Bebauungsplan für die im Zusammenhang bebauten Ortsteile in F. " am 12. Mai 1971 in Kraft getreten sei. Im Baugebietsplan sei die Grundstücksfläche als reines Wohngebiet festgesetzt gewesen. Das Grundstück der Klägerin sei bei Aufstellung des Baugebietsplans noch nicht parzelliert gewesen. Seine Fläche sei mit der des heute vorgelagerten Flurstücks 44 als einheitliches Baugrundstück mit nur einer Baumöglichkeit geplant gewesen. Zur Erschließung dieses einheitlichen Baugrundstücks sei der K.----pfad vorgesehen gewesen. Objektiv habe die Klägerin somit kein Baugrundstück, sondern Gartenland erworben. Die Beklagte habe den Bebauungsplan Nr. 11 umgesetzt, indem sie zwei Stichwege gebaut habe. Sie habe mehrfach versucht, die für den dritten Stichweg benötigten Flächen von den Grundstückseigentümern zu erwerben. Eine ungebührliche Verzögerung der Herstellung des dritten Stichwegs liege nicht darin, dass zunächst kein Enteignungsverfahren betrieben worden sei. Die Beklagte sei stets davon ausgegangen, dass eine Enteignung nicht zulässig sei, da das Wohl der Allgemeinheit sie nicht erfordere. Erst die im Jahr 2005 eingeholten Rechtsauskünfte des Städte- und Gemeindebundes sowie der Bezirksregierung B2. hätten sie zu einer anderen Rechtsauffassung geführt. Das Enteignungsrecht fordere nicht, dass ein Enteignungsverfahren von Amts wegen eingeleitet werden müsse. Vielmehr stehe die Antragstellung im Ermessen. Eine ungebührliche Verzögerung könne allenfalls vorliegen, wenn dieses Ermessen auf Null reduziert sei, wovon angesichts der nicht eindeutigen Erfolgsaussichten eines Enteignungsverfahrens nicht ausgegangen werden könne. Jedenfalls sei ein etwaiger Erschließungsanspruch der Klägerin verwirkt. Wenn ein Bebauungsplan gemäß § 42 Abs. 2 BauGB nach Ablauf von sieben Jahren nach Zulässigkeit eines Vorhabens entschädigungslos aufgehoben werden könne, gebiete der Grundsatz von Treu und Glauben, dass ein Erschließungsanspruch ebenfalls nach Ablauf von sieben Jahren ende. Die Klägerin habe sich jedoch erst im Jahr 2001 und damit nach Ablauf der Sieben-Jahres-Frist - unabhängig davon, ab welchem Zeitpunkt genau diese zu laufen begonnen habe - ernsthaft um eine Erschließung ihres Grundstücks bemüht.
27Durch Urteil vom 30. Oktober 2008 hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Beklagte zur Erschließung des Grundstücks Gemarkung F. , Flur 24, Flurstück 39, entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 11 verpflichtet ist. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, es liege ein Fall ausdrücklich verweigerter Planverwirklichung vor, der zu einer Erschließungspflicht der Beklagten führe. Die Klägerin habe ihren Erschließungsanspruch nicht verwirkt.
28Der Senat hat die Berufung der Beklagten gegen das Urteil, soweit es der Klage stattgegeben hat, durch Beschluss vom 29. April 2010 zugelassen.
29Zur Begründung der Berufung trägt die Beklagte vor, eine Erschließungspflichtverdichtung sei nicht eingetreten. Die Rücknahme des Enteignungsantrags sei nicht treuwidrig gewesen. Die Erfolgsaussichten des Enteignungsverfahrens seien insbesondere unter dem Aspekt zweifelhaft gewesen, ob das Wohl der Allgemeinheit eine Enteignung erfordere. Die Enteignung könne nicht allein deshalb dem Wohl der Allgemeinheit dienen, weil mit ihr die Verwirklichung eines im Bebauungsplan ausgewiesenen Vorhabens beziehungsweise die Verwirklichung von im Bebauungsplan festgesetzten Nutzungsmöglichkeiten bezweckt werde. Erst wenn ein gesteigertes öffentliches Interesse an einem bestimmten plankonformen Vorhaben bestehe, diene die dafür erforderliche Inanspruchnahme eines Grundstücks dem Wohl der Allgemeinheit. Mit dem Grundstück der Klägerin würden weder unmittelbar noch mittelbar öffentliche Aufgaben erfüllt. Die Enteignung diene allein den privaten Interessen der Klägerin. Den Bebauungsplan aufzuheben sei die Beklagte nicht gehalten. Aus dem Charakter des Bebauungsplans als Angebotsplan folge, dass er nicht sofort aufzuheben sei, wenn eine Planverwirklichung daran scheitere, das bestimmte Grundflächen zur Erschließung nicht erworben werden könnten. Der Plan sei weiterhin ein Angebot zur baulichen Verdichtung des Plangebietes. Einen allgemeinen Planverwirklichungsanspruch gebe es nicht. Ein eventueller Erschließungsanspruch der Klägerin sei jedenfalls verwirkt. Ein Erschließungsanspruch aus Treu und Glauben wäre - wenn überhaupt - schon am 31. Juli 1991 entstanden. Lege man die Sieben-Jahres-Frist aus § 42 Abs. 2 BauGB zugrunde, wäre dieser Anspruch bis zum 31. Juli 1998 geltend zu machen gewesen. Die Klägerin habe sich nach Aktenlage allerdings erst wieder im Jahr 2001 um die Erschließung des Grundstücks bemüht. Ein Rückgriff auf die Sieben-Jahres-Frist sei angezeigt, da diese Fristbestimmung dem Vertrauensschutz diene. Innerhalb dieses Zeitraums könne sich ein Grundstückseigentümer im Plangebiet wertmäßig auf sein Baurecht verlassen. Danach könne die Gemeinde den Plan zu erheblich günstigeren Entschädigungsbedingungen aufheben oder ändern. Das von einer Verwirkung geforderte Zeitmoment werde durch den Rechtsgedanken des § 42 BauGB beziehungsweise die siebenjährige Frist ausgefüllt. Das Umstandsmoment liege darin, dass die Klägerin sich in den gesamten 1990er Jahren nicht um die Erschließung des Grundstücks bemüht habe.
30In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 9. September 2010 hat die Klägerin den noch streitgegenständlichen erstinstanzlichen Feststellungsantrag aus Gründen der Klarstellung dahingehend neu gefasst, dass beantragt wird,
31festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Erschließung des Grundstücks Gemarkung F. , Flur 24, Flurstück 39, entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 11 "C1.-----straße /X1.------weg " herbeizuführen.
32Die Beklagte beantragt,
33das Urteil des Verwaltungsgerichts B2. vom 30. Oktober 2008 teilweise zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
34Die Klägerin beantragt,
35die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der Tenor des angefochtenen Hauptausspruchs, soweit darin der Klage stattgegeben worden ist, entsprechend dem neugefassten Antrag gefasst wird.
36Sie trägt vor, die Beklagte habe sich treuwidrig verhalten, indem sie das Enteignungsverfahren abgebrochen und damit die Verwirklichung des Bebauungsplans Nr. 11 mutwillig gefährdet habe. Das Enteignungsverfahren sei nicht offensichtlich aussichtslos gewesen. Die Durchführung des Bebauungsplans liege im öffentlichen Interesse, weil die Gemeinden bei der Bauleitplanung im öffentlichen Interesse an einer geordneten städtebaulichen Entwicklung tätig würden. Auch wenn es keinen allgemeinen Planverwirklichungsanspruch gebe, dürfe der Träger der Planung der Verwirklichung des Plans nicht entgegenarbeiten. Der Erschließungsanspruch sei nicht verwirkt.
37Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
38E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
39Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
40Das Verwaltungsgericht hat dem von der Klägerin verfolgten Feststellungsbegehren zu Recht stattgegeben.
41Allerdings ist der Tenor des angefochtenen Urteils im Hauptausspruch, soweit der Klage darin stattgegeben worden ist, entsprechend der in der mündlichen Verhandlung erfolgten Klarstellung des Klageantrags durch die Klägerin neu zu fassen. Das im Berufungsverfahren allein noch anhängige Klagebegehren zielte bereits erstinstanzlich (sinngemäß) auf die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Erschließung des Grundstücks Gemarkung F. , Flur 24, Flurstück 39, entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 11 "C. Straße/X.-----weg " herbeizuführen.
42Die klarstellende Neufassung des Tenors trägt dem Umstand Rechnung, dass die Beklagte zur Herstellung der in Rede stehenden Erschließungsstraße zur Zeit nicht berechtigt ist. Die bauleitplanerische Festsetzung der Stichstraße, welche das Flurstück 39 erschließen soll, als öffentliche Verkehrsfläche berechtigt die Beklagte für sich genommen noch nicht zur Durchführung der Erschließung, solange und soweit dem die private Rechtsmacht der Eigentümer der Flurstücke 60 und 44, von denen Teilflächen zur Errichtung der Stichstraße benötigt werden, entgegensteht. Die Beklagte muss sich die dazu erforderliche Berechtigung erst - sei es durch freihändigen Erwerb, sei es als ultima ratio über eine planakzessorische städtebauliche Enteignung der Grundstücksteile zu ihren Gunsten gemäß §§ 85 Abs. 1 Nr. 1, 87 BauGB - beschaffen.
43Vgl. insoweit BVerwG, Urteil vom 27. August 2009 - 4 CN 5.08 -, BVerwGE 134, 355 = NVwZ-RR 2010, 304 = juris Rn. 22, Beschluss vom 2. November 1998 - 4 BN 49.98 -, NVwZ 1999, 296 = BRS 60 Nr. 23 = juris Rn. 5.
44Diese Ausgangssituation markiert gleichzeitig das von der Klägerin bereits erstinstanzlich verfolgte Rechtsschutzziel und ist im Tenor zum Ausdruck zu bringen. Eine darüber hinaus gehende Rechtsbehauptung ist dem erstinstanzlichen Begehren der Klägerin nicht zu entnehmen. Sollte der Klägerin gestützt auf den Grundsatz von Treu und Glauben ein Erschließungsanspruch zustehen, kann sie von der Beklagten alles verlangen, was unerlässlich ist, um ihr Eigentum sachgerecht nutzen zu können und eine Bebauungsgenehmigung zu erlangen.
45Vgl. dazu allgemein: BVerwG, Urteil vom 6. Februar 1985 - 8 C 44.84 -, NVwZ 1985, 564 = BRS 43 Nr. 5 = juris Rn. 15; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Auflage 2007, § 5 Rn. 47.
46Dies ist hier zuvorderst die Beschaffung der Rechtsmacht über die zur Herstellung der Stichstraße erforderlichen Grundstücksteile, nicht aber die Durchführung der Erschließung selbst, weil diese für die Beklagte gegenwärtig noch rechtlich unmöglich ist.
47Das solchermaßen klargestellte Feststellungsbegehren der Klägerin ist zulässig (dazu I.) und begründet (dazu II.).
48I. Gemäß § 43 Abs. 1 1. Alt. VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat. Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
491. Der Feststellungsantrag ist statthaft.
50Die Klägerin begehrt die Feststellung eines Rechtsverhältnisses, nämlich der Verpflichtung der Beklagten, die notwendigen Schritte einzuleiten, um ihr Grundstück zu erschließen.
51Dieses Feststellungsbegehren ist nicht gegenüber einer Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines Wohnhauses auf dem Flurstück 39 oder eines Bauvorbescheids über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines derartigen Vorhabens subsidiär im Sinne des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO.
52Diese Vorschrift greift nur in den Fällen ein, in denen sich das Klageziel mit einer Gestaltungs- oder Leistungsklage ebenso gut oder besser erreichen lässt. Der Gesetzgeber will den Rückgriff auf die Feststellungsklage verhindern, wenn für die Rechtsverfolgung ein unmittelbareres, sachnäheres und wirksameres Verfahren zur Verfügung steht. Der dem Kläger zustehende Rechtsschutz soll aus Gründen der Prozessökonomie auf ein einziges Verfahren, nämlich dasjenige, das seinem Anliegen am wirkungsvollsten gerecht wird, konzentriert werden.
53Vgl. BVerwG, Urteile vom 24. Juni 2004 - 4 C 11.03 -, BVerwGE 121, 152 = NVwZ 2004, 1229 = juris Rn. 19, und vom 12. Juli 2000 - 7 C 3.00 -, BVerwGE 111, 306 = NVwZ 2000, 1411 = juris Rn. 12.
54§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO gelangt zudem nur dort zur Anwendung, wo ohne die Subsidiarität die für die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage geltenden Sonderregeln unterlaufen würden.
55Vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Februar 1991 - 8 C 85.88 -, NVwZ 1991, 580 = juris Rn. 11, und vom 7. Mai 1987 - 3 C 53.85 -, BVerwGE 77, 207 = DVBl. 1987, 207 = juris Rn. 23.
56So liegt es hier nicht. Die angesprochenen Verpflichtungsklagen bieten gegenüber der vorliegend erhobenen Feststellungsklage nicht den unmittelbareren, sachnäheren und wirksameren Rechtsschutz (dazu a); auch werden die für sie geltenden prozessualen Sonderregeln nicht unterlaufen (dazu b).
57a) Zwar ist die Frage der Erschließungspflicht der Gemeinde grundsätzlich eine im Zuge einer Verpflichtungsklage auf bauaufsichtliche Zulassung inzident zu klärende Vorfrage der Zulässigkeit des Vorhabens im Sinne der §§ 29 ff. BauGB und in Sonderheit des § 30 Abs. 1 BauGB, der die Zulässigkeit eines Vorhabens im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans unter anderem davon abhängig macht, dass die Erschließung gesichert ist. Dies ergibt sich auch aus § 123 Abs. 3 BauGB, demzufolge ein Rechtsanspruch auf Erschließung nicht besteht. Der Bauantragsteller braucht deswegen prinzipiell kein weiteres (Feststellungs-)Verfahren zu betreiben, in dem zunächst die Frage der gemeindlichen Erschließungspflicht als Voraussetzung einer gesicherten Erschließung für den Zeitpunkt der Fertigstellung des Vorhabens oder des Nutzungsbeginns gesondert beantwortet wird.
58Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Dezember 1993 - 4 B 212.92 -, juris Rn. 37.
59Der zugrunde liegende Fall ist jedoch anders gelagert, weil die Sicherung der Erschließung des Flurstücks 39 im Sinne von § 30 Abs. 1 BauGB im Rahmen einer Verpflichtungsklage auf bauaufsichtliche Zulassung eines Wohnbauvorhabens auf diesem Grundstück derzeit aus den nachstehenden Gründen nicht inzident bejaht werden könnte.
60§ 123 BauGB - die Regelung über die Erschließungslast der Gemeinde - will gewährleisten, dass die Erschließung im Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung gesichert ist.
61Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 1987 - 8 C 4.86 -, BVerwGE 78, 266 = NVwZ 1988, 355 = juris Rn. 14.
62Dies ist der Fall, wenn verlässlich angenommen werden kann, dass die Erschließungsanlage in dem notwendigen und die volle Funktionsfähigkeit einschließenden Zustand spätestens bis zur Fertigstellung der anzuschließenden baulichen Anlagen vorhanden und benutzbar sein wird (vgl. § 123 Abs. 2 BauGB).
63Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. September 1976 - IV C 5.76 -, BRS 37 Nr. 6 = juris Rn. 27.
64Eine dem gemäße Sicherung der Erschließung ist vorliegend aber auch dann nicht gegeben, wenn man insoweit einen ausnahmsweisen Erschließungsanspruch der Klägerin ausreichen lassen wollte.
65So offenbar BVerwG, Beschluss vom 23. Dezember 1993 - 4 B 212.92 -, juris Rn. 37, Urteil vom 10. September 1976 - IV C 5.76 -, BRS 37 Nr. 6 = juris Rn. 26 f.; anders dagegen OVG NRW, Urteile vom 15. Januar 1992 - 7 A 81/89 -, NWVBl. 1993, 25 = NVwZ 1993, 493 = juris Rn. 10, und vom 15. Juni 1988 - 7 A 675/87 -, BRS 48 Nr. 93 = juris Rn. 5 ff., wonach ein bloßer Anspruch auf Erschließung, dessen rechtzeitige Durchsetzung nicht gewährleistet ist, nicht geeignet ist, als Sicherung der Erschließung im Sinne von § 30 Abs. 1 BauGB bewertet zu werden.
66Wie dargelegt, hängt die Durchführung der Erschließung des Flurstücks 39 davon ab, dass sich die Beklagte zuerst die Rechtsmacht über die erforderlichen Wegeflächen verschafft. Eine diesbezügliche Verpflichtung der Beklagten vermag indessen vorliegend keine Sicherung der Erschließung im Sinne von § 30 Abs. 1 BauGB zu begründen. Denn selbst wenn die Beklagte geeignete Maßnahmen zu ergreifen hat, um die Erschließung zu realisieren, könnte angesichts des bestehenden Sach- und Streitstandes eine gesicherte Prognose, dass die Herstellung der Erschließungsanlage abzusehen ist, nicht getroffen werden.
67b) Der Klägerin kann die Bestandskraft der Ablehnung ihrer Bauvoranfrage zur Errichtung eines Wohnhauses auf dem Flurstück 39 mit der Begründung, die Erschließung des Bauvorhabens sei nicht gesichert, durch Bescheid des Landrats des Kreises T. vom 4. Februar 2004 nicht entgegengehalten werden. Zum einen entfaltet die Ablehnung einer Bauvoranfrage - anders als ihre positive Bescheidung - keine Bindungswirkung,
68vgl. Heintz, in: Gädtke/Temme/Heintz/Czepuck, BauO NRW, 11. Auflage 2008, § 71 Rn. 11; Boeddinghaus/Hahn/Schulte, BauO NRW, Band II, Loseblatt, Stand Juni 2010, § 71 Rn. 46,
69weshalb die Bestandskraft der Ablehnung vom 4. Februar 2004 die Feststellungsklage, selbst für den Fall nicht unzulässig machen könnte, dass sie auf der Annahme beruht hätte, der Klägerin stehe der vorliegend zur Feststellung gestellte Erschließungsanspruch nicht zu. Zum anderen bestand das Erschließungskonzept der Bauvoranfrage gerade nicht in einer dem Bebauungsplan Nr. 11 konformen Erschließung durch eine Abzweigung vom K.----pfad , sondern durch eine Zufahrt über den B1. I.---weg , so dass in dem Vorbescheidsverfahren über eine Bebaubarkeit des Flurstücks 39 nur unter diesem Blickwinkel entschieden wurde.
702. Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO. Das berechtigte Interesse umfasst jedes nach vernünftigen Erwägungen durch die Sachlage gerechtfertigte schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art. Ein derartiges Interesse kommt der Klägerin zu, die wissen will, ob die von der Beklagten in Abrede gestellte Erschließungsverpflichtung besteht und sie ihr Grundstück einer baulichen Nutzung zuführen beziehungsweise als Bauland verkaufen kann.
71II. Der Antrag ist auch begründet.
72Die Beklagte ist verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um eine Erschließung des Grundstücks Gemarkung F. , Flur 24, Flurstück 39, entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 11 "C. Straße/X.-----weg " herbeizuführen.
73Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erschließung des Flurstücks 39 entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 11 (dazu 1.). Der Erschließungsanspruch ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Beklagte sich das Eigentum an den für die plankonforme Errichtung einer Stichstraße zu dem Flurstück 39 benötigten Teilflächen der Flurstücke 60 und 44 nicht in zumutbarer Weise beschaffen kann (dazu 2.). Der Anspruch der Klägerin ist nicht verwirkt (dazu 3.). Rechtsfolge des Anspruchs ist, dass die Beklagte geeignete Maßnahmen zu ergreifen hat, um die Erschließung herbeizuführen (dazu 4.).
741. Die Erschließung ist gemäß § 123 Abs. 1 BauGB Aufgabe der Gemeinde, soweit sie nicht nach anderen gesetzlichen Vorschriften oder öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen einem anderen obliegt. Ein Rechtsanspruch auf Erschließung besteht gemäß § 123 Abs. 3 BauGB prinzipiell nicht, genauso wie es im Allgemeinen keinen Anspruch des Einzelnen auf Verwirklichung planerischer Festsetzungen gibt.
75Vgl. insoweit OVG NRW, Urteil vom 11. Dezember 2000 - 3 A 942/92 -, juris Rn. 63, Beschluss vom 28. März 2000 - 10 A 5607/99 -, juris Rn. 4.
76§ 123 Abs. 3 BauGB ist jedoch nicht dahingehend zu verstehen, dass es einen Erschließungsanspruch unter keinen Umständen geben kann. Er zieht nur die Konsequenz daraus, dass es nach § 123 Abs. 1 BauGB an einer hinreichend substantiierten Pflicht fehlt, der ein Anspruch korrespondieren könnte. Kommt es indes - ausnahmsweise - zu einer Erschließungspflicht, hindert § 123 Abs. 3 BauGB das Entstehen eines entsprechenden Anspruchs nicht.
77Vgl. BVerwG, Urteile vom 22. Januar 1993 - 8 C 46.91 -, BVerwGE 92, 8 = NVwZ 1993, 1102 = BRS 55 Nr. 106 = juris Rn. 17, und vom 11. November 1987 - 8 C 4.86 -, BVerwGE 78, 266 = NVwZ 1988, 355 = juris Rn. 13.
78An eine ausnahmsweise Verdichtung der gemeindlichen Erschließungslast ist in verschiedenen, auf unterschiedlichen rechtlichen Gesichtspunkten beruhenden Fallgestaltungen zu denken.
79Beispielsweise kann bereits der Erlass eines qualifizierten Bebauungsplans als solcher eine Verdichtung der gemeindlichen Erschließungsaufgabe auslösen, wenn sein Inkrafttreten bei konkreter Betrachtungsweise die Durchsetzung eines bis dahin bestehenden Bauanspruchs nach §§ 34, 35 BauGB sperrt. Dies ist indes nicht der Fall, wenn Grundstücke überplant werden, deren Erschließung auch bislang nicht gesichert war.
80Vgl. BVerwG, Urteile vom 3. Mai 1991 - 8 C 77.89 -, BVerwGE 88, 166 = NVwZ 1991, 1086 = juris Rn. 27 f., vom 21. Februar 1986 - 4 C 10.83 -, NVwZ 1986, 646 = BRS 46 Nr. 106 = juris Rn. 17, vom 6. Februar 1985 - 8 C 44.84 -, NVwZ 1985, 564 = BRS 44 Nr. 49 = juris Rn. 13, und vom 4. Oktober 1974 - IV C 59.72 -, NJW 1975, 402 = juris Rn. 34.
81Dessen ungeachtet kann sich die gemeindliche Erschließungslast zudem mit Rücksicht auf den Grundsatz von Treu und Glauben verdichten, der sich auch auf das öffentliche Recht erstreckt. Wann dieser Fall eintritt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und lässt sich nicht generell festlegen. Am Ehesten ist eine Erschließungspflicht nach Treu und Glauben zu bejahen, wenn eine Gemeinde nach Erlass eines qualifizierten Bebauungsplans zu erkennen gibt, diesen Plan überhaupt nicht verwirklichen zu wollen, mithin ein Fall ausdrücklich verweigerter Planverwirklichung gegeben ist. Diese Überlegung fußt darauf, dass § 30 Abs. 1 BauGB die Zulässigkeit einer Bebauung im qualifiziert bebaubaren Bereich sowohl von der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem Plan als auch von der Sicherung der Erschließung abhängig macht. Eine Gemeinde, die einen qualifizierten Bebauungsplan erlassen und damit die sich aus § 30 Abs. 1 BauGB ergebende Sperrwirkung des Plans in Anspruch genommen hat, kann nicht zugleich die andere Wirkung des § 30 BauGB, Vorhaben nicht nur auszuschließen, sondern auch zuzulassen, nicht wollen und deshalb zu verhindern suchen. Sie ist im Gegenteil gehalten, alles zu tun, um die Rechtswirkungen des § 30 BauGB im vollen Umfang eintreten zu lassen.
82Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1993 - 8 C 46.91 -, BVerwGE 92, 8 = NVwZ 1993, 1102 = BRS 55 Nr. 106 = juris Rn. 27, vom 11. November 1987 - 8 C 4.86 -, BVerwGE 78, 266 = NVwZ 1988, 355 = juris Rn. 18, und vom 6. Februar 1985 - 8 C 44.84 -, NVwZ 1985, 564 = BRS 43 Nr. 5 = juris Rn. 13, und vom 4. Oktober 1974 IV C 59.72 -, NJW 1975, 402 = juris Rn. 34.
83Den Gemeinden ist zwar unbenommen, sich auch noch nach dem Erlass eines qualifizierten Bebauungsplans für eine von ihm abweichende städtebauliche Entwicklung zu entscheiden. Wesentlich ist aber, wie sie auf eine solche Entscheidung reagiert: Will eine Gemeinde einen von ihr erlassenen qualifizierten Bebauungsplan nicht mehr ausführen, muss sie diesen Plan aufheben oder ändern und sich der daraus etwa folgenden Entschädigungspflicht aus § 42 BauGB stellen. Ihn statt dessen "auf Eis zu legen", ist bauplanungsrechtlich nicht zulässig und führt zu einem Erschließungsanspruch der betroffenen Grundstückseigentümer.
84Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1993 - 8 C 46.91 -, BVerwGE 92, 8 = NVwZ 1993, 1102 = BRS 55 Nr. 106 = juris Rn. 28; OVG NRW, Beschluss vom 14. März 2002 - 7a D 1/01.NE -.
85Der ausdrücklich verweigerten Planverwirklichung steht gleich, wenn eine Gemeinde an einem von ihr erlassenen Bebauungsplan zwar (formal) festhält, dessen Verwirklichung aber ungebührlich verzögert. Unter welchen Voraussetzungen und nach Ablauf welcher Zeit eine Verzögerung für in diesem Sinne ungebührlich gehalten werden muss, richtet sich wiederum nach dem, was Treu und Glauben im Einzelfall gebieten.
86Vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1993 - 8 C 46.91 -, BVerwGE 92, 8 = NVwZ 1993, 1102 = BRS 55 Nr. 106 = juris Rn. 29.
87Ausgehend von diesen Grundsätzen trifft die Beklagte eine Verpflichtung zur Erschließung des Flurstücks 39 entsprechend den Festsetzungen des - keinen Wirksamkeitsbedenken unterliegenden - Bebauungsplans Nr. 11.
88Diese Verpflichtung folgt noch nicht aus der Existenz des (qualifizierten) Bebauungsplans Nr. 11 als solcher, weil das Flurstück 39 auch vor dem Inkrafttreten des Plans nicht erschlossen war und das Inkrafttreten daher die Durchsetzung eines bis dahin bestehenden Bauanspruchs der Klägerin nach § 34 BauGB nicht sperrte. Die Beklagte ist aber nach Treu und Glauben zur Erschließung des Flurstücks 39 verpflichtet.
89Das entscheidende treuwidrige Verhalten ist darin zu sehen, dass die Beklagte ihre Bemühungen, die zur Herstellung der nach dem Bebauungsplan Nr. 11 als Erschließung für das klägerische Grundstück (wie für das benachbarte Flurstück 38) vorgesehenen öffentlichen Stichstraße erforderlichen Grundstücksflächen im Wege des Enteignungsverfahrens zu erhalten, ohne sachlichen Grund eingestellt hat, und ohne zugleich die Absicht zu haben, den Bebauungsplan entsprechend zu ändern. Die Beklagte hat den unter dem 13. Juli 2006 bei der Bezirksregierung B2. gestellten Enteignungsantrag am 19. März 2007 zurückgenommen. Vorausgegangen war ein entsprechender Appell des Planungs- und Gestaltungsausschusses des Rates in seiner Sitzung am 30. Januar 2007, der jedoch gleichzeitig eine Ausweisung der Flurstücke 38 und 39 als nicht bebaubare Grundstücke (Grünfläche) ablehnte. Statt dessen sei der Eigentümer des (vor dem Flurstück 38 am K.----pfad liegenden) Flurstücks 60 darauf hinzuweisen, dass eine Bebauung des Hinterliegergrundstücks nur dann erfolgen könne, wenn eine bebauungsplangemäße Erschließung durchgeführt werde. Einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich der Erschließung werde - so der Planungs- und Gestaltungsausschuss des Rates der Beklagten - nicht zugestimmt und das gemeindliche Einvernehmen versagt. In diesem Verhalten der Beklagten liegt eine ausdrückliche, sachlich nicht gerechtfertigte und damit treuwidrige Verweigerung der Planverwirklichung.
90Ein sachlicher Grund für die zu der Rücknahme des Enteignungsantrags am 19. März 2007 führende Willensänderung der Beklagten liegt nicht vor. Ein solcher Grund könnte anzunehmen sein, wenn sich die Sach- und Rechtslage zwischen der Stellung des Enteignungsantrags und seiner Rücknahme in einer Weise entscheidungserheblich geändert hätte, dass die Rücknahme des Enteignungsantrags als sachlich gerechtfertigt erschiene. Dies ist indessen nicht der Fall.
91Die Ausgangssituation des Enteignungsverfahrens war dadurch gekennzeichnet, dass die Beklagte zunächst nicht zu seiner Einleitung gewillt war, sich dann aber aufgrund zwischenzeitlich eingeholter Rechtsauskünfte über dessen Erfolgsaussichten umentschied. Die Beklagte, die sich vergeblich um den freihändigen Erwerb der für den Bau der Stichstraße erforderlichen Teilflächen der Flurstücke 60 und 44 bemüht hatte, hatte die Stellung eines Enteignungsantrags mit dem Ziel der Ermöglichung der bebauungsplankonformen baulichen Nutzung des Flurstücks 39 ursprünglich für aussichtslos gehalten und deshalb von einer Antragstellung abgesehen, wie sie der Klägerin mit Schreiben vom 17. Februar 2005 mitteilte. Nachdem die Klägerin am 1. Juli 2005 bei dem Petitionsausschuss des Landtags Nordrhein-Westfalen eine Petition mit der Bitte um Überprüfung ihres Erschließungsanliegens eingereicht hatte, wandte sich die Beklagte wegen der Erfolgsaussichten eines Enteignungsverfahrens an den Städte- und Gemeindebund sowie an die für die Enteignung zuständige (vgl. § 104 Abs. 1 BauGB) Bezirksregierung B2. und bekam - wie die Beklagte dem Ministerium für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen am 30. August 2005 berichtete - von beiden Stellen die Auskunft, die Durchführung eines Enteignungsverfahrens sei erfolgversprechend. In ihrem Schreiben an das Ministerium für Bauen und Verkehr vom 20. Juni 2006 ergänzte die Beklagte, sie habe den möglichen Ablauf eines Enteignungsverfahrens mit der Bezirksregierung B2. erörtert. Nach Sichtung des vorgelegten Aktenmaterials habe der dort zuständige Sachbearbeiter einem Enteignungsverfahren sehr gute Erfolgsaussichten eingeräumt und empfohlen, einen Antrag auf Einleitung zu stellen, was derzeit vorbereitet werde. Diese Sachlage hat sich bis zum Zeitpunkt der Rücknahme des Enteignungsantrags durch die Beklagte nicht erkennbar verändert.
92Auch die Rechtslage war keinen zwischenzeitlichen Änderungen unterworfen. Die spätere Einschätzung des Planungs- und Gestaltungsausschusses des Rates der Beklagten in seiner Sitzung am 30. Januar 2007, die beantragte Enteignung der Teilflächen der Flurstücke 60 und 44 sei unverhältnismäßig, ist nicht näher begründet. Zu einer solchen Schlussfolgerung zwang auch insbesondere nicht die von der Beklagten eingeholte "Rechtliche Stellungnahme zur Verpflichtung der Stadt F. , eine durch Bebauungsplan vorgesehene Erschließung mittels Durchführung eines Enteignungsverfahrens herzustellen sowie zum Bestehen von Entschädigungs- oder Schadenersatzansprüchen bei Abbruch des Enteignungsverfahrens" ihrer Prozessbevollmächtigten vom 25. Januar 2007. Dort wird lediglich ausgeführt (siehe S. 12 f. der Stellungnahme), es könne zum jetzigen Zeitpunkt nicht mit Gewissheit beurteilt werden, ob ein Enteignungsverfahren erfolgreich verlaufen wäre.
93Daraus, dass der Bebauungsplan Nr. 11 - wie die Beklagte hervorhebt - den Charakter eines Angebotsplans trägt, dessen Verwirklichung sie grundsätzlich nicht in allen Einzelheiten forcieren müsse, ergibt sich nichts anderes. Dies trifft zwar im Grundsatz zu, sagt aber nichts darüber aus, ob im Einzelfall - wie hier - infolge des treuwidrigen Verhaltens einer Gemeinde eine Erschließungspflichtverdichtung eingetreten ist. Es ist der Gemeinde bauplanungsrechtlich verwehrt, einen Bebauungsplan "auf Eis zu legen" und dadurch eine im Bebauungsplan vorgesehene Erschließung eines Grundstücks durch eine (öffentliche) Verkehrsfläche absehbar zu vereiteln, ohne die bei Aufhebung ihrer Planvorstellungen notwendige Konsequenz zu ziehen und den Plan zu ändern oder aufzuheben. Tut sie es - wie die Beklagte - doch, ist sie - ausnahmsweise - mit dem Erschließungsanspruch des Grundstückseigentümers - hier der Klägerin - konfrontiert.
94Dabei ist es in dem vorliegenden Zusammenhang, in dem es um einen Erschließungsanspruch aufgrund eines spezifischen Verhaltens der Gemeinde geht, nicht ausschlaggebend, ob eine nicht erfolgte Planverwirklichung (auch) auf das Verhalten Privater zurückzuführen ist, die die für die Erschließung benötigten Flächen nicht zur Verfügung stellen wollen. Darin liegt regelmäßig - und auch hier - kein sachlicher Grund, bereits ergriffene Maßnahmen zur Verwirklichung der geplanten Erschließungsanlage abzubrechen und die Umsetzung des Plans allein einer sich nicht abzeichnenden gütlichen Einigung der betroffenen Eigentümer der überplanten Grundstücke mit denjenigen, die zur baulichen Verwertung ihrer Grundstücke der Herstellung der durch den Bebauungsplan ausgewiesenen öffentlichen Verkehrsfläche bedürfen, zu überlassen. Entsprechend unerheblich ist es in der zugrunde liegenden Fallgestaltung, dass der Bebauungsplan Nr. 11 weitgehend umgesetzt ist und namentlich die parallel vorgesehenen Stichstraßen verwirklicht sind. Auch hieraus lässt sich kein sachlicher Grund dafür ableiten, die planerische Grundlage für die Herstellung der vorgesehenen dritten öffentlichen Erschließungsanlage auf sich beruhen zu lassen, wenn es nicht zu einer gütlichen Einigung zwischen den Planbetroffenen kommt.
952. Der Erschließungsanspruch der Klägerin ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Beklagte sich das Eigentum an den für die plankonforme Errichtung der in Rede stehenden öffentlichen Stichstraße benötigten Teilflächen der Flurstücke 60 und 44 nicht in zumutbarer Weise beschaffen kann; ein diesbezügliches Enteignungsverfahren hat bei summarischer Prüfung zumindest hinreichende Aussicht auf Erfolg.
96Das gemeindliche Unterlassen der bebauungsplankonformen wegemäßigen Erschließung eines Grundstücks verstößt auch im Fall einer ausdrücklich verweigerten Planverwirklichung nur dann gegen Treu und Glauben, wenn es der Gemeinde zumutbar ist, sich das für die Erschließung notwendige, jedoch in privatem Eigentum stehende Straßenland zu beschaffen, etwa indem sie bei der zuständigen Enteignungsbehörde einen entsprechenden Enteignungsantrag stellt, um einen Enteignungsbeschluss nach § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BauGB zu erwirken. Ob eine derartige Zumutbarkeit gegeben ist, richtet sich im Einzelfall nach den summarisch zu prüfenden Erfolgsaussichten des jeweils ins Auge gefassten Enteignungsverfahrens. Die Stellung eines Enteignungsantrags und Durchführung eines Enteignungsverfahrens kann einer Gemeinde mit Blick auf das für sie bestehende Kostenrisiko - gemäß § 121 Abs. 1 Satz 1 BauGB hat der Antragsteller des Enteignungsverfahrens die Kosten zu tragen, wenn der Antrag auf Enteignung abgelehnt wird - nicht angesonnen werden, wenn die Voraussetzungen für eine Enteignung nach §§ 85 Abs. 1 Nr. 1, 87 BauGB offensichtlich nicht gegeben sind, mithin eine Enteignung nach jeder Betrachtungsweise von vornherein nicht in Betracht kommt. Einer Gemeinde ist die Stellung eines Enteignungsantrags und Durchführung eines Enteignungsverfahrens - in Anlehnung an die für das Prozesskostenhilfeverfahren zu § 114 Satz 1 ZPO entwickelten Maßstäbe -,
97vgl. dazu etwa BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990 - 2 BvR 94/88 -, BVerfGE 81, 347 = NJW 1991, 413 = juris Rn. 25 ff.,
98in der vorliegenden Fallgestaltung regelmäßig dagegen dann zumutbar, wenn ein Enteignungsverfahren bei summarischer Prüfung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, also der Erlass eines Enteignungsbeschlusses mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie sein Nichterlass. Denn in dieser Situation würde sich eine sorgfältig handelnde Gemeinde, welche die Planung ernsthaft aufrechterhalten will und die sowohl die sie insoweit treffende Erschließungspflicht als auch das Kostenrisiko eines Enteignungsverfahrens abwägend bedenkt, für die Stellung eines Enteignungsantrags und die Durchführung eines Enteignungsverfahrens entscheiden.
99Ob die Einleitung und Durchführung eines Enteignungsverfahrens einer an sich nach Treu und Glauben zur Erschließung verpflichteten Gemeinde zumutbar ist, unterliegt der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, auch wenn § 217 Abs. 1 Sätze 1 und 4 BauGB den Rechtsschutz gegen Enteignungsbeschlüsse den Landgerichten überantwortet. Dies folgt aus § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG, wonach aus Gründen der Prozessökonomie ein im zulässigen Rechtsweg angerufenes Gericht den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten entscheidet. Hiervon macht § 17 Abs. 2 Satz 2 GVG nur für Entschädigungsansprüche im Sinne von Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GG eine Ausnahme, um die es hier nicht geht.
100Vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 11. Dezember 2000 - 3 A 942/92 -, juris Rn. 53, mit weiteren Nachweisen (zu § 40 BauGB).
101Auskünfte der zuständigen Enteignungsbehörde über die Erfolgsaussichten eines beabsichtigen Enteignungsverfahrens vor der Antragstellung durch die Gemeinde, zu deren Gunsten die Enteignung erfolgen soll, sind für die gerichtliche Beurteilung der Erfolgsaussichten eines Enteignungsverfahrens nicht ausschlaggebend. Ihnen kann aber indizielle Bedeutung zukommen.
102Ausgehend von diesen Maßstäben ist der Beklagten die (erneute) Stellung des Enteignungsantrags und die Durchführung des Enteignungsverfahrens zur Enteignung der zur Erschließung des Flurstücks 39 benötigten Teilflächen der Flurstücke 60 und 44 zumutbar, weil das (erneute) Enteignungsverfahren bei summarischer Prüfung zumindest hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
103Gemäß § 85 Abs. 1 Nr. 1 BauGB kann unter anderem nur enteignet werden, um entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans ein Grundstück zu nutzen oder eine solche Nutzung vorzubereiten. Die Enteignung ist nach § 87 Abs. 1 BauGB im einzelnen Fall nur zulässig, wenn das Wohl der Allgemeinheit sie erfordert und der Enteignungszweck auf andere zumutbare Weise nicht erreicht werden kann. Die Enteignung setzt voraus, dass der Antragsteller sich ernsthaft um den freihändigen Erwerb des zu enteignenden Grundstücks zu angemessenen Bedingungen, unter den Voraussetzungen des § 100 Abs. 1 und 3 BauGB unter Angebot geeigneten anderen Landes, vergeblich bemüht hat (§ 87 Abs. 2 Satz 1 BauGB). Der Antragsteller hat glaubhaft zu machen, dass das Grundstück innerhalb angemessener Frist zu dem vorgesehenen Zweck verwendet wird (§ 87 Abs. 2 Satz 2 BauGB). Die Enteignung eines Grundstücks zu dem Zweck, es für die bauliche Nutzung vorzubereiten (§ 85 Abs. 1 Nr. 1 BauGB), darf gemäß § 87 Abs. 3 Satz 1 BauGB nur zugunsten der Gemeinde oder eines öffentlichen Bedarfs- oder Erschließungsträgers erfolgen.
104Das private Eigentum kann nach Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG, mit dessen Begrifflichkeit sich § 87 Abs. 1 BauGB deckt,
105vgl. BVerfG, Urteil vom 24. März 1987 - 1 BvR 1046/85 -, BVerfGE 74, 264 = NJW 1987, 1251 = BRS 53 Nr. 1 = juris Rn. 65 (Boxberg),
106nur zum Wohle der Allgemeinheit enteignet werden. Der Zugriff auf das Eigentum ist nur zulässig, wenn er einem besonderen, im öffentlichen Nutzen liegenden Zweck dient. Dafür reicht nicht jedes beliebige öffentliche Interesse aus. Die freiheitssichernde Funktion des Eigentums verlangt ein besonders schwerwiegendes, dringendes öffentliches Interesse; nur um dessen Erfüllung willen dürfen private Rechte entzogen werden. Es kommt nicht darauf an, ob ein Vorhaben in einem allgemeinen Sinne dem Wohl der Allgemeinheit dient, sondern ob die konkrete Enteignung hierfür notwendig ist.
107Vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 2009 - 1 BvR 2187/07, 1 BvR 692/08 -, NVwZ 2009, 1283 = juris Rn. 8, Urteil vom 24. März 1987 - 1 BvR 1046/85 -, BVerfGE 74, 264 = NJW 1987, 1251 = BRS 53 Nr. 1 = juris Rn. 60 (Boxberg).
108Das öffentliche Interesse an einer planakzessorischen Enteignung nach § 85 Abs. 1 Nr. 1 BauGB folgt noch nicht allein aus der Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans, dessen Umsetzung durch die Enteignung ermöglicht werden soll. Die Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans, dem keine enteignungsrechtliche Vorwirkung zukommt,
109vgl. BVerfG, Urteil vom 24. März 1987 - 1 BvR 1046/85 -, BVerfGE 74, 264 = NJW 1987, 1251 = BRS 53 Nr. 1 = juris Rn. 46 (Boxberg); BVerwG, Urteil vom 27. August 2009 - 4 CN 5.08 -, BVerwGE 134, 355 = NVwZ-RR 2010, 304 = juris Rn. 24, Beschlüsse vom 25. August 1997 - 4 BN 4.97 -, NVwZ-RR 1998, 483 = BRS 59 Nr. 7 = juris Rn. 8, und vom 21. Februar 1991 - 4 NB 16.90 -, NVwZ 1991, 873 = BRS 52 Nr. 27 = juris Rn. 3,
110ist eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung für die Zulässigkeit der Enteignung. Erst wenn - über das allgemeine und plantypische Interesse hinausgehend - ein gesteigertes und vordringliches öffentliches Interesse an einem bestimmten plankonformen Vorhaben besteht, dient dessen Verwirklichung und die dafür erforderliche Inanspruchnahme eines Grundstücks dem Wohl der Allgemeinheit im Sinne des § 87 Abs. 1 BauGB. Die Enteignung ist nur zulässig, wenn es zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben unumgänglich ist, das Eigentum in die Hand des Staates zu bringen.
111Vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 2009 - 1 BvR 2187/07, 1 BvR 692/08 -, NVwZ 2009, 1283 = juris Rn. 13 f., und vom 16. Dezember 2002 - 1 BvR 171/02 -, NVwZ 2003, 726 = BRS 68 Nr. 3 = juris Rn. 8, Urteil vom 24. März 1987 - 1 BvR 1046/85 -, BVerfGE 74, 264 = NJW 1987, 1251 = BRS 53 Nr. 1 = juris Rn. 59 (Boxberg); BGH, Urteile vom 25. Oktober 2001 - III ZR 76/01 -, BRS 68 Nr. 10 = juris Rn. 6, vom 7. Juli 1988 - III ZR 134/87 -, BGHZ 105, 94 = NJW 1989, 216 = BRS 53 Nr. 3 = juris Rn. 16, und vom 27. Januar 1977 - III ZR 153/74 -, BGHZ 68, 100 = NJW 1977, 955 = BRS 34 Nr. 64 = juris Rn. 25.
112Die Enteignungsbehörde hat aus Gründen der Verhältnismäßigkeit zu prüfen, ob das Wohl der Allgemeinheit gerade bezogen auf den einzelnen Fall die Enteignung des konkreten Grundstücks erfordert und der Enteignungszweck auf andere zumutbare Weise nicht erreicht werden kann. Unzulässig ist eine Enteignung, wenn im konkreten Fall andere rechtlich und wirtschaftlich vertretbare Lösungen zur Verfügung stehen, mit denen der gleiche Zweck auf weniger einschneidende Weise erreicht werden kann.
113Vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 2009 - 1 BvR 2187/07, 1 BvR 692/08 -, NVwZ 2009, 1283 = juris Rn. 13 f. und 23, sowie vom 16. Dezember 2002 - 1 BvR 171/02 -, NVwZ 2003, 726 = BRS 68 Nr. 3 = juris Rn. 7 f.; BGH, Urteil vom 7. Juli 1988 - III ZR 134/87 -, BGHZ 105, 94 = NJW 1989, 216 = BRS 53 Nr. 3 = juris Rn. 16.
114Nach diesen Grundsätzen verspricht ein Verfahren zur Teilenteignung der Flurstücke 60 und 44, um das Flurstück 39 mit den enteigneten Flächen erschließen zu können, hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Zulässigkeit einer solchen Enteignung nach §§ 85 Abs. 1 Nr. 1, 87 BauGB ist jedenfalls offen.
115Es lässt sich mit guten Gründen vertreten, dass das Wohl der Allgemeinheit die Enteignung im Sinne von § 87 Abs. 1 BauGB erfordert.
116Zwar ist die Enteignung nicht bereits dadurch aus Allgemeinwohlgründen gerechtfertigt, dass sie der Umsetzung des Bebauungsplans Nr. 11 dient. Allein deswegen wird das besonders schwerwiegende, dringende öffentliche Interesse, das eine Enteignung voraussetzt, nicht ausgefüllt. Allerdings benennt die Beklagte in ihrem Enteignungsantrag vom 13. Juli 2006 über die reine Planverwirklichung hinausgehende öffentliche Interessenpositionen, welche die Enteignung als durchaus zulässig erscheinen lassen: Neben dem Aspekt der Wohnraumversorgung der Bevölkerung verlange die Bodenschutzklausel des § 1 a Abs. 2 BauGB sowie das öffentliche Interesse an einer optimalen Auslastung der bereits vorhandenen Erschließungs- und Infrastruktureinrichtungen die Innenverdichtung des Plangebiets des Bebauungsplans Nr. 11. Hierbei handelt es sich um Belange von hinreichend tragfähigem Gewicht, welche die Individualinteressen der betroffenen Grundstückseigentümer zu verdrängen vermögen. Indiz dafür ist auch, dass die für die Enteignung zuständige Bezirksregierung B2. das Enteignungsverfahren nach Durchsicht der Akten gegenüber der Beklagten für aussichtsreich erklärte.
117Die Allgemeinwohlbezogenheit einer Enteignung von Teilflächen der Flurstücke 60 und 44 entfällt nicht notwendig dadurch, dass die in Rede stehende Stichstraße nur zwei Grundstücke erschließen und über die Erschließung hinaus keine weitergehende Verkehrsfunktion erfüllen soll, mag dieser Umstand auch einen gesteigerten Rechtfertigungsbedarf für die Enteignung aufwerfen.
118Vgl. zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Enteignung zugunsten Privater: BVerfG, Kammerbeschluss vom 18. Februar 1999 - 1 BvR 1367/88, 1 BvR 146/91, 1 BvR 147/91 -, NJW 1999, 2659 = BRS 68 Nr. 12 = juris Rn. 22.
119Denn bei der insofern vorzunehmenden Gewichtung der für und gegen eine Enteignung streitenden Belange ist auch einzustellen, dass - wie im Enteignungsantrag der Beklagten vom 13. Juli 2006 ausgeführt - der bei den enteignungsbetroffenen Grundstückseigentümern eintretende Eigentumsverlust vergleichsweise geringfügig wäre. Bei einer Grundstücksgröße von 782 m² (Flurstück 60) und 851 m² (Flurstück 44) umfasst die zu enteignende Fläche lediglich 50 m² (Flurstück 60) und 52 m² (Flurstück 44) bei einer Breite von jeweils etwa 1,50 m. Der Entzug dieser Flächen dürfte die Nutzbarkeit der Flurstücke 60 und 44 nicht wesentlich einschränken. Baukörper müssten - wie es im Enteignungsantrag heißt und wie die im Verwaltungsvorgang abgelegten Lichtbilder belegen - bei einem Bau der Stichstraße nicht beseitigt werden. Die Stichstraße verliefe entlang der Garageneinfahrt des Flurstücks 60 (und an der dort vorhandenen Garage vorbei) sowie entlang des westlichen Gartenrands des Flurstücks 44.
120Der Enteignungszweck kann nach Lage der Dinge nicht auf andere zumutbare Weise erreicht werden. Die Eigentümer der Flurstücke 60 und 44 waren zu einem freihändigen Verkauf nicht bereit. Das von der Beklagten parallel zu dem Enteignungsverfahren initiierte "Konsensgespräch" am 13. September 2006 führte nicht zu einer gütlichen Lösung. Alternative zumutbare Erschließungsmöglichkeiten bestehen offenbar nicht. Versuche der Klägerin, eine Erschließung ihres Grundstücks über den nördlich gelegenen, als Bodendenkmal in die Denkmalliste eingetragenen B1. I.---weg herbeizuführen, blieben aus denkmalschutzrechtlichen Gründen ohne Erfolg.
121Den Anforderungen des § 87 Abs. 2 BauGB dürfte die Beklagte ebenfalls Genüge tun können. Sie hat sich ernsthaft um den freihändigen Erwerb der für die Erschließung benötigten Teilflächen der Flurstücke 60 und 44 zu angemessenen Bedingungen bemüht. Sie bot den Eigentümern zuletzt mit Schreiben vom 21. April 2006 an, die Flächen angelehnt an den einschlägigen Bodenrichtwert des Gutachterausschusses für Grundstückswerte im Kreis T. zu einem Preis von 90,- €/m² zu erwerben, anfallende Grunderwerbs- und Vermessungskosten zu tragen und überdies vorhandene Bepflanzungen, Befestigungen und Einfriedungen nach ihrem Wert gesondert zu vergüten. Dieses Angebot der Beklagten erscheint angemessen. Hinweise darauf, dass hier zwischenzeitlich eine erhebliche Änderung eingetreten wäre, sind nicht ersichtlich. Eine solche würde den geltend gemachten Anspruch der Klägerin auch nicht in Wegfall bringen; vielmehr wäre die Beklagte dann verpflichtet, statt des Enteignungsverfahrens die zumutbaren anderen Maßnahmen zur Erlangung des Eigentums an den als öffentliche Verkehrsfläche geplanten Grundstücksteilen zu ergreifen. Die Beklagte kann schließlich glaubhaft machen, dass die zu enteignenden Flächen innerhalb angemessener Frist zu dem Zweck einer der Festsetzung des Bebauungsplans Nr. 11 gemäßen Erschließung der Hinterliegergrundstücke verwendet werden.
1223. Der Erschließungsanspruch der Klägerin ist nicht verwirkt.
123Der Rechtsgedanke der Verwirkung ist eine der unterschiedlichen Ausprägungen des Grundsatzes von Treu und Glauben. Das Gebot, sich so zu verhalten, wie Treu und Glauben es verlangen, gehört - wie bereits im Zusammenhang mit der Herleitung eines Erschließungsanspruchs aus diesem Rechtsgedanken erwähnt - zu den allgemeinen Grundsätzen des Verwaltungsrechts. Die Verwirkung bildet einen Anwendungsfall des "venire contra factum proprium" (Verbot widersprüchlichen Verhaltens) und besagt, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment).
124Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 1. Februar 2005 - 7 B 115.04 -, juris Rn. 10 und 13, vom 1. April 2004 - 4 B 17.04 -, juris Rn. 4 und 8, vom 12. Januar 2004 - 3 B 101.03 -, NVwZ-RR 2004, 314 = juris Rn. 3 und 6, und vom 16. April 2002 - 4 B 8.02 -, BRS 65 Nr. 195 = juris Rn. 11, Urteil vom 29. August 1996 - 2 C 23.95 -, BVerwGE 102, 33 = NJW 1997, 1321 = juris Rn. 24.
125Ein materielles Recht ist daher - auch gegenüber einer Behörde - verwirkt, wenn der Berechtigte über einen längeren Zeitraum untätig geblieben ist, obwohl ihm eine Geltendmachung seines Rechts ohne Weiteres zumutbar gewesen wäre, die Behörde infolge dieses Verhaltens darauf vertrauen durfte, dass der Berechtigte das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde, die Behörde hierauf tatsächlich vertraut und sich infolgedessen in ihren Vorkehrungen und Maßnahmen auf die tatsächlich entstandene Lage eingerichtet und deshalb Maßnahmen ergriffen hat, die sie anderenfalls nicht ergriffen hätte oder die sie nicht oder nur mit erheblichen Kosten rückgängig machen kann.
126Vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Januar 2004 3 B 101.03 -, NVwZ-RR 2004, 314 = juris Rn. 3,
127Urteile vom 4. Dezember 2001 - 4 C 2.00 -, BVerwGE 115, 274 = NVwZ 2002, 718 = juris Rn. 45, und vom 29. August 1996 - 2 C 23.95 -, BVerwGE 102, 33 = NJW 1997, 1321 = juris Rn. 24.
128Was die "längere Zeit" anbelangt, während der ein Recht nicht ausgeübt worden ist, obwohl dies dem Berechtigten möglich gewesen wäre, lassen sich allgemeingeltende Bemessungskriterien grundsätzlich nicht angeben. Vielmehr hängt die Dauer des Zeitraums der Untätigkeit des Berechtigten, von der an im Hinblick auf das Gebot von Treu und Glauben von einer Verwirkung die Rede sein kann, entscheidend von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab.
129Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 1991 - 4 C 4.89 -, NVwZ 1991, 1182 = BRS 52 Nr. 218 = juris Rn. 22.
130Jedenfalls setzt die Verwirkung die Nichtausübung eines bestehenden Rechts voraus. Ein Anspruch kann nicht zu einem Zeitpunkt verwirkt werden, zu dem er noch nicht entstanden ist.
131Vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Januar 2008 9 B 59.07 -, juris Rn. 9.
132Davon ausgehend hat die Klägerin ihren Erschließungsanspruch nicht verwirkt. Wie unter II.2. dargelegt, ist der Anspruch erst Anfang 2007 mit der Rücknahme des Enteignungsantrags nach der Entschließung der Beklagten entstanden, den Plan unbeschadet dessen unverändert aufrechtzuerhalten. Am 5. September 2007 hat die Klägerin Klage erhoben, um ihren Erschließungsanspruch gerichtlich durchzusetzen. Angesichts dieses Zeitablaufs kann von einer Verwirkung keine Rede sein.
133Sollte der Klägerin - wie die Beklagte erwägt - nach Treu und Glauben schon am 31. Juli 1991 ein Erschließungsanspruch zugestanden haben, weil der Bebauungsplan Nr. 11 am 31. Juli 1987 rechtskräftig wurde und ein Anspruch auf Erschließung nach der Parallelwertung des § 18 BauGB frühestens nach Ablauf von vier Jahren entstehen könne, da die Lage einer nicht gesicherten Erschließung einer Veränderungssperre gleichzuachten sei, hätte dies auf das davon unabhängige Bestehen des Anfang 2007 begründeten Erschließungsanspruchs keinen Einfluss. Ob die Verwirkung eines im Jahre 1991 zustande gekommenen Erschließungsanspruchs am 17. Juli 2001 eingetreten war, als die Klägerin sich mit ihrem konkreten Erschließungsbegehren an die Beklagte wandte, ist für den sich auf einen neuen, eigenständigen Geschehensablauf stützenden Erschließungsanspruch aus dem Jahr 2007 ohne Belang, weil er 2001 noch nicht entstanden war und deswegen zu diesem Zeitpunkt nicht verwirkt sein konnte.
134Abgesehen davon stellt die Erhebung eines gewissermaßen alten Verwirkungseinwands durch die Beklagte ihrerseits eine wegen widersprüchlichen Verhaltens unzulässige Rechtsausübung dar und kann dem Anspruch der Klägerin nicht rechtsvernichtend entgegengehalten werden, nachdem die Beklagte unter dem 13. Juli 2006 ein Enteignungsverfahren eingeleitet hatte, um den von ihr zu diesem Zeitpunkt offenbar als berechtigt anerkanntes Erschließungsinteresse der Klägerin erfüllen zu können. Zu diesem Verhalten setzt die Beklagte sich in Widerspruch, wenn sie behauptet, der Erschließungsanspruch der Klägerin sei bei Stellung des Enteignungsantrags schon verwirkt gewesen.
135Da der Erschließungsanspruch der Klägerin bereits aus den vorstehenden Gründen nicht verwirkt ist, kann dahinstehen, ob die Verwirkung eines Erschließungsanspruchs - dem Ansatz der Beklagten folgend - anhand der Wertung des § 42 Abs. 2 und 3 BauGB zu beurteilen ist und ob infolgedessen von einer Verwirkung nach Ablauf von sieben Jahren ab dem Zeitpunkt einer - von der Beklagten für das Jahr 1991 angenommenen - erstmaligen Verdichtung der Erschließungslast zur Erschließungspflicht auszugehen ist. Angemerkt sei aber, dass letzteres vorliegend schon deshalb eher fern liegt, weil es an dem von einer Verwirkung vorausgesetzten Umstandsmoment fehlt. Dafür, dass die Beklagte im Vertrauen darauf, ein Erschließungsanspruch werde seitens der Klägerin nicht mehr verfolgt werden, substantielle Dispositionen getroffen hätte, die sie nicht oder nur mit erheblichen Kosten rückgängig machen kann, ist nichts ersichtlich.
1364. Rechtsfolge des Erschließungsanspruchs der Klägerin ist, dass die Beklagte geeignete Maßnahmen zu ergreifen hat, um die Erschließung des Flurstücks 39 entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 11 herbeizuführen. Nachdem ein freihändiger Erwerb der für die Herstellung der im Bebauungsplan Nr. 11 festgesetzten Stichstraße zu dem Flurstück 39 benötigten Teilflächen der Flurstücke 60 und 44 auszuscheiden scheint, kommt zur Beschaffung der Rechtsmacht über die Flächen namentlich die Stellung eines diesbezüglichen Enteignungsantrags und die Durchführung eines Enteignungsverfahrens in Betracht. Da dieses nach den Ausführungen unter II.2. hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, umfasst die Pflicht der Beklagten zur Durchführung des Enteignungsverfahrens nicht nur die Einleitung eines entsprechenden Verfahrens bei der zuständigen Enteignungsbehörde, sondern gegebenenfalls auch die Stellung eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung nach § 217 Abs. 1 Satz 1 BauGB bei dem zuständigen Landgericht, Kammer für Baulandsachen, sollte die Enteignungsbehörde den Enteignungsantrag ablehnen. Erst wenn ein Kollegialgericht - als solches entscheidet die Kammer für Baulandsachen - die Enteignung rechtskräftig für unzulässig befunden hat, steht fest, dass die Beklagte sich die Rechtsmacht über die für die Erschließung des Flurstücks 39 erforderlichen Teilflächen der Flurstücke 60 und 44 nicht in zumutbarer Weise verschaffen kann und sie zur Herbeiführung der Erschließung zugunsten der Klägerin trotz an sich gegebener Erschließungspflichtverdichtung nicht gehalten ist.
137Vgl. zu dem Ansatz einer "Kollegialgerichts-Richtlinie": BVerwG, Urteile vom 3. Juni 2003 5 C 50.02 -, NVwZ 2004, 104 = juris Rn. 9, und vom 14. Dezember 1994 - 11 C 25.93 -, BVerwGE 97, 214 = NJW 1995, 1371 = juris Rn. 33.
138Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
139Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10 ZPO.
140Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.