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Die Beschwerde wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 1.325,76 Euro festgesetzt.
G r ü n d e
2Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
3Die dargelegten Beschwerdegründe rechtfertigen es nicht, den angefochtenen Beschluss zu ändern und dem erstinstanzlich zuletzt gestellten Antrag des Antragstellers zu entsprechen,
4die aufschiebende Wirkung der bei dem Verwaltungsgericht unter dem Aktenzeichen 1 K 411/10 anhängigen Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Bundeseisenbahnvermögens vom 14. Januar 2010 in Gestalt dessen Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2010 wiederherzustellen.
5Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO im Wesentlichen mit der folgenden Begründung abgelehnt: Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung entspreche, da sie auf die individuellen Gesichtspunkte der Überzahlung, der Gleichbehandlung und des Aufwands einer späteren Rückforderung abhebe, den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Die gebotene Interessenabwägung falle schon deshalb zu Lasten des Antragstellers aus, weil die angefochtenen Bescheide, auf deren zutreffende Ausführungen Bezug genommen werde, offensichtlich rechtmäßig seien. Dort war u.a. ausgeführt worden, dass die Unfallrente nach den Vorgaben des § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BeamtVG anzurechnen sei. Darüber hinaus liege auch das erforderliche besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Neuregelung der Versorgungsbezüge des Antragstellers vor, weil ein etwaiger Rückzahlungsanspruch der Antragsgegnerin ab dem 1. Februar 2010 mit Blick auf die vom Antragsteller vorgetragene "finanziell sehr bedrohliche Lage" gefährdet erscheine. Nach alledem sei kein Raum mehr für eine von den Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens unabhängige, etwa (ohnehin nach dem Gesetz nicht berücksichtigungsfähige) Billigkeitsgesichtspunkte in den Blick nehmende allgemeine Interessenabwägung.
6Die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung wird durch die fristgerecht vorgelegten Beschwerdegründe des Antragstellers, die der Prüfung des Senats einen verbindlichen Rahmen setzen (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), nicht durchgreifend in Frage gestellt.
7Das (sinngemäße) Beschwerdevorbringen, die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung genüge insoweit nicht den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, als dort "eher formelhaft" und unzutreffend auf Gleichbehandlungsgesichtspunkte abgehoben werde, greift nicht durch. Das mit der angeführten Vorschrift normierte Erfordernis einer schriftlichen Begründung des besonderen Vollzugsinteresses soll zwar – neben der Information des Betroffenen – vor allem die Behörde selbst mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG zwingen, sich des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung bewusst zu werden und die Frage des Sofortvollzugs besonders sorgfältig zu prüfen. Gleichwohl dürfen die Anforderungen an den erforderlichen Inhalt einer solchen Begründung nicht überspannt werden. Diese muss allein einen bestimmten Mindestinhalt aufweisen. Dazu gehört es insbesondere, dass sie sich – in aller Regel – nicht lediglich auf eine Wiederholung der den Verwaltungsakt tragenden Gründe, auf eine bloße Wiedergabe des Textes des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO oder auf lediglich formelhafte, abstrakte und letztlich inhaltsleere Wendungen, namentlich solche ohne erkennbaren Bezug zu dem konkreten Fall, beschränken darf. Demgegenüber verlangt § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht, dass die für das besondere Vollzugsinteresse angeführten Gründe auch materiell überzeugen, also auch inhaltlich die getroffene Maßnahme rechtfertigen. Eine solche Inhaltskontrolle findet vielmehr in diesem Rahmen nicht statt, weil hierdurch ansonsten die erst § 80 Abs. 5 VwGO zuzuordnende Interessenabwägung vorweggenommen würde.
8Vgl. Senatsbeschlüsse vom 7. Juli 2004 – 1 B 695/04 –, m.w.N., vom 2. Mai 2005 – 1 B 2644/04 –, vom 24. September 2009 – 1 B 477/09 – und vom 28. Oktober 2009 – 1 B 1328/09 –.
9Einen in diesem Sinne (formal gesehen) nur formelhaften Charakter weist die im Streit stehende Begründung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung in dem Widerspruchsbescheid der Antragsgegnerin vom 17. Februar 2010 allerdings ersichtlich nicht auf. Die Antragsgegnerin hat nämlich mehrere einzelfallbezogene Gründe für das von ihr angenommene Vollzugsinteresse näher angeführt und die berührten Interessen gegeneinander abgewogen. Die insoweit von dem Antragsteller lediglich gerügte Begründung, es könne nicht zuletzt aus Gründen der Gleichbehandlung aller von den Bestimmungen des § 55 BeamtVG betroffenen Empfänger von beamtenrechtlichen Versorgungsbezügen nicht hingenommen werden, dass dem Antragsteller solche Bezüge weiterhin zufließen, die ihm offensichtlich nicht zustehen, ist ersichtlich nicht formelhaft im o.g. Sinne, sondern erwägt die Folgen, die ein Fortbestehen der aufschiebenden Wirkung hier nach sich zöge. Die Frage, ob die Antragsgegnerin bei ihrer konkreten Erwägung auf die zutreffende Vergleichsgruppe abgehoben hat oder – wie der Antragsteller meint – gehalten gewesen wäre, den Fall des Antragstellers lediglich zu Fällen solcher Versorgungsempfänger in Beziehung zu setzen, die gleichfalls Mehrleistungen zu einer Unfallrente erhalten, ist nach den o.g. Grundsätzen im Rahmen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ohne Relevanz. Gleiches gilt für die weitere Frage, ob die Bewertung der Antragsgegnerin gerechtfertigt ist, die begehrte höhere Versorgungsleistung stehe dem Antragsteller offensichtlich nicht zu.
10Das Beschwerdevorbringen zeigt ferner nicht auf, dass die im Rahmen der Ruhensregelung erfolgte Anrechnung der Mehrleistungen zur Unfallrente nicht offensichtlich rechtmäßig ist. Nach § 55 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG werden Versorgungsbezüge neben Renten nur bis zum Erreichen der in § 55 Abs. 2 BeamtVG bezeichneten Höchstgrenze gezahlt. Gemäß § 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Halbsatz 1 BeamtVG gelten als Renten hierbei Renten aus der gesetzlichen Unfallversicherung, wobei ein dem Unfallausgleich (§ 35 BeamtVG) entsprechender Betrag unberücksichtigt bleibt. Es ist offensichtlich nicht zu beanstanden, wie die Antragsgegnerin die dem Antragsteller von der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen geleistete monatliche BVG-Rente i.H.v. (derzeit) 226,00 Euro nebst Mehrleistungen zur Rente i.H.v. (derzeit) 227,41 Euro in ihre Entscheidung über die Festsetzung der Versorgungsbezüge nach den genannten Regelungen eingestellt hat. Die Nichtberücksichtigung der Unfallrente selbst folgt aus der Anordnung des § 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Halbsatz 1 BeamtVG, nach welcher ein dem Unfallausgleich entsprechender Betrag unberücksichtigt bleibt, da die gewährte Unfallrente hier dem insoweit bei der gegebenen MdE von 50 anzusetzenden Betrag entspricht (§ 35 Abs. 1 BeamtVG, § 31 Abs. 1 Fall 3 BVG). Die von der Unfallkasse monatlich außerdem gezahlten Mehrleistungen sind hingegen bei der Festsetzung der Versorgungsbezüge zu berücksichtigen, weil auch sie eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung i.S.v. § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Halbsatz 1 BeamtVG darstellen.
11Zu der Rente in diesem Sinne gehört die Unfallrente in ihrer gesamten Höhe abzüglich eines dem Unfallausgleich entsprechenden Betrages (einer Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz), weil auf diese Weise (nur) der Teil der Unfallrente, der Lohnersatzfunktion hat, vollständig berücksichtigt wird.
12Vgl. insoweit die im Entwurf eines Versorgungsänderungsgesetzes 2001 der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegebene Begründung, BT-Drs. 14/7064, S. 40 (zu Nummer 37 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa); vgl. ferner Stadler, in: Fürst, Gesamtkommentar Öffentliches Dienstrecht, Bd. I, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Richterrecht und Wehrrecht, Stand: Juni 2010, O § 55 Rn. 17, und Schmalhofer, in: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: April 2010, BeamtVG § 55 Erl. 5 d (dort: Punkt 1.).
13Lohnersatzfunktion in diesem Sinne kommt nicht nur einer Unfallrente nach §§ 56 ff. SGB VII zu, soweit sie den dem Unfallausgleich entsprechenden Betrag übersteigt, sondern auch den hier in Rede stehenden Mehrleistungen. Die Gewährung der monatlichen Mehrleistungen i.H.v. 227,41 Euro beruht, wie der Antragsteller zutreffend vorträgt, auf den einschlägigen Regelungen der Satzung der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen (§ 21 i.V.m. dem Anhang zu § 21 dieser Satzung), welche insoweit auf § 94 SGB VII fußt. Nach § 94 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VII kann die Satzung (des Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung) Mehrleistungen bestimmen (u.a.) für Personen, die für ein in § 2 Abs. 1 Nr. 12 SBG VII genanntes Unternehmen (Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz) unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind, wie es der Antragsteller bei der Freiwilligen Feuerwehr war. Diese Mehrleistungen stellen, wie schon der Begriff "Mehrleistung" verdeutlicht, eine Aufstockung der Unfallrente dar und sind damit im Falle ihrer Gewährung Teil der dem Verletzten von dem zuständigen Träger (monatlich) geleisteten, den Lohn ersetzenden und deshalb nach § 55 BeamtVG zu berücksichtigenden Rente.
14Vgl. insoweit K. Palsherm, in: juris Praxiskommentar SGB VII, § 94 SGB VII Rn. 14 ("Leistungsverbesserungen") und Benz, in: Wannagat, SGB, § 94 SGB VII Rn. 5 (Bearbeitungsdatum: Oktober 1998; verfügbar über LexisNexis): "aufgestockt".
15Eine abweichende Bewertung folgt nicht daraus, dass die Mehrleistungen aufgrund einer Satzungsregelung und deshalb gewährt werden, weil es dem Gesetzgeber sozialpolitisch wünschenswert erschienen ist, Personen, die im Interesse des Gemeinwohls tätig geworden und dabei durch Unfall oder Krankheit zu Schaden gekommen sind, bei den Leistungen der Unfallversicherung gegenüber in einem "Normalfall" betroffenen Personen besser zu stellen.
16Vgl. insoweit die im Entwurf eines Gesetzes zur Einordnung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung in das Sozialgesetzbuch verlautbarte Auffassung der Bundesregierung, BT-Drs. 13/2204, S. 98 (zu § 94 Abs. 1); vgl. ferner Benz, a.a.O., § 94 SGB VII Rn. 3, und K. Palsherm, a.a.O., § 94 SGB VII Rn. 12, 14.
17Der Umstand, dass die Mehrleistungen nicht unmittelbar auf der Grundlage einer Vorschrift des SGB VII, sondern gemäß einer nach § 94 SGB VII ermöglichten Satzungsregelung gewährt werden, ändert nichts daran, dass die Mehrleistungen Teil der vom Träger der gesetzlichen Unfallversicherung gewährten, den Lohn ersetzende Rente sind. Denn diese Konstruktion hat der Gesetzgeber lediglich deshalb gewählt, weil er keinen dringenden Handlungsbedarf zur Gewährung solcher Mehrleistungen gesehen hat und es deswegen der Entscheidung der Vertreterversammlungen der einzelnen Unfallversicherungsträger überlassen wollte, ob und in welchem Ausmaß sie in ihrer Satzung eine entsprechende Regelung treffen.
18Vgl. Benz, a.a.O., § 94 SGB VII Rn. 3.
19Auch der dargelegte gesetzgeberische Grund für die Zuerkennung von Mehrleistungen erlaubt nicht die Annahme, diese Leistungen seien versorgungsrechtlich im Verhältnis zur Unfallrente ein "aliud", also in qualitativer Hinsicht etwas anderes. Denn dieses Motiv ändert nichts daran, dass die (monatlich) gewährten Mehrleistungen Lohnersatzleistungen darstellen, welche lediglich die im "Normalfall" erbrachten Leistungen erhöhen.
20Vor dem Hintergrund des Vorstehenden greift auch das sonstige Beschwerdevorbringen nicht durch. Ist nämlich die erfolgte Berücksichtigung der Mehrleistungen bei der Festsetzung der Versorgungsbezüge offensichtlich nicht zu beanstanden, so kann es weder bei der Prüfung der (offensichtlichen) Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung noch im Rahmen der Prüfung des besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung derselben darauf ankommen, dass die Antragsgegnerin in der Vergangenheit die Mehrleistungen (rechtswidrig) nicht angerechnet hat und (ursprünglich) unsicher gewesen ist, wie zu verfahren sei. Ebensowenig kann insoweit relevant sein, dass das Bundesministerium des Innern bislang keine Antwort auf die Frage der Antragsgegnerin gegeben hat, ob Mehrleistungen bei der Berechnung der Versorgungsbezüge nach § 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Halbsatz 1 BeamtVG zu berücksichtigen sind.
21Der Bewertung des Verwaltungsgerichts schließlich, das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung folge hier aus der Gefahr, dass ein im Falle der Weitergewährung der Versorgungsbezüge ohne Anrechnung der Mehrleistungen gegebener Rückzahlungsanspruch der Antragsgegnerin ab dem 1. Februar 2010 wegen der von dem Antragsteller dargelegten finanziell bedrohlichen Lage gefährdet erscheine, hat die Beschwerde nichts von Substanz entgegengesetzt. Zwar ist mit dieser Erwägung notwendigerweise verbunden, dass das mit dem Eilantrag verfolgte und von der Beschwerde hervorgehobene Interesse des Antragstellers an einer Verringerung seiner finanziellen Notlage hinter dem fiskalischen Interesse zurücktreten muss. Dies ist aber schon deshalb gerechtfertigt, weil das angeführte Interesse des Antragstellers mangels entsprechenden materiellen Anspruchs auf Nichtanrechnung der Mehrleistungen nicht schützenswert ist. Der Umstand, dass der Antragsteller durch unverschuldet erlittene gesundheitliche Beeinträchtigungen in die von ihm geschilderte (offenbar nicht durch Leistungen einer Berufsunfähigkeitsversicherung abzufedernde) finanzielle Notlage geraten ist, kann hier schon deshalb nicht zum Tragen kommen.
22Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. In Anwendung der Grundsätze des sog. beamtenrechtlichen Teilstatus ist im Hauptsacheverfahren der zweifache Jahresbetrag der streitigen Differenz zwischen der bewilligten und der erstrebten Zahlung maßgeblich (24 Monate x 110,48 Euro). Mit Blick darauf, dass das vorliegende Verfahren ein solches des vorläufigen Rechtsschutzes ist, hat der Senat den sich ergebenden Betrag halbiert (2.651,52 Euro ./. 2 = 1.325,76 Euro).
23Der Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und – hinsichtlich der Streitwertfestsetzung – nach §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.