Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfah¬rens.
Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfah-ren auf 2.176,91,-- Euro festgesetzt.
Gründe:
2Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
3Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon, ausgegangen, dass die Klägerin nicht zu den Bestattungskosten ihrer verstorbenen Tochter herangezogen werden kann, weil sie wegen des gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 BestG NRW vorrangig zur Bestattung verpflichteten ältesten Sohnes der Verstorbenen, Herrn U. S. , zur Bestattung ihrer Tochter nicht verpflichtet war. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass der Beklagte Herrn S. nicht zur Erstattung der Bestattungskosten herangezogen hat, weil seine Heranziehung nach – zutreffender – Auffassung des Beklagten eine unbillige Härte darstellen würde.
4Die Auffassung des Verwaltungsgerichts steht in Einklang mit der in dem angefochtenen Urteil angeführten Senatsrechtsprechung. Der Senat hat in seinem Beschluss vom 31. 3. 2006 – 19 E 969/04, juris, Rdn. 4 ff., darauf hingewiesen,
5"dass die in § 8 Abs. 1 Satz 1 BestG NRW normierte Rangfolge unter den Hinterbliebenen dahin zu verstehen ist, dass schon das bloße Vorhandensein eines vorrangig Bestattungspflichtigen die öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht von Hinterbliebenen der nachfolgenden Rangstufen ausschließt (Subsidiarität). Für dieses Verständnis sprechen der Wortlaut der Vorschrift und der im Gesetzgebungsverfahren zum Ausdruck gekommene Wille des Gesetzgebers. Zu der vom Gesetzgeber ohne Änderung beschlossenen Entwurfsfassung des § 8 Abs. 1 Satz 1 BestG NRW heißt es nämlich in der Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung vom 17. Juni 2002 (LT-Drs 13/2728, S. 20):
6Absatz 1 bestimmt die Rangfolge der öffentlich-rechtlich zur Bestattung verpflichteten Hinterbliebenen. Die Bestattungspflicht eines Vorrangigen schließt die öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht der nachfolgenden Rangstufen aus.‘
7Für dieses Verständnis spricht auch, dass die öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht in der Person der betreffenden Rangstufe wegen der durch sie begründeten Handlungspflicht bezogen auf den Zeitpunkt der Bestattung bestimmbar sein muss, wohingegen die für die Kostenerstattungspflicht maßgeblichen Umstände der Leistungsfähigkeit oder Billigkeit erst bei der nachfolgenden Heranziehung zu den Kosten beachtlich sind.
8Vgl. im Übrigen zur entsprechenden landesrechtlichen Vor-schrift in Bayern: Bay. VGH, Beschluss vom 31. Januar 2001 4 ZB 00.3657 -, juris.
9Dieser Umstand rechtfertigt indessen nicht die Annahme, der Gesetzgeber sei etwa der Fehleinschätzung unterlegen, der Ausschluss nachrangig bestattungspflichtiger Hinterbliebener erfasse lediglich deren Primärpflicht zur Vornahme der Bestattung, nicht aber auch ihre daran anknüpfende öffentlich-rechtliche Kostentragungspflicht. Ersichtlich soll nämlich die Existenz eines vorrangig bestattungs- und kostenpflichtigen Hinterbliebenen auch die öffentlich-rechtliche Kostentragungspflicht der nachfolgenden Rangstufen ausschließen. Indizien dafür sind die Hinweise in der Gesetzesbegründung, die zivilrechtlichen Ausgleichsansprüche Bestattungspflichtiger gegen Erben blieben unberührt und die Regelung bewirke auch, dass im Normalfall eine Gemeinde, die in Erfüllung der Pflicht zur Ersatzvornahme die Bestattung veranlasst hat, in der Mehrzahl der tatsächlichen Fälle den Bestattungspflichtigen zur Kostenerstattung heranziehen könne."
10An diesen Ausführungen hält der Senat auch nach erneuter Überprüfung fest. Das Vorbringen des Beklagten im Zulassungsverfahren rechtfertigt keine andere Beurteilung.
11Der Vortrag des Beklagten, der nordrhein-westfälische Gesetzgeber habe die Konstellation nicht bedacht, dass ein vorrangig Bestattungspflichtiger oder mehrere vorrangig Bestattungspflichtige nicht wegen des Vorliegens einer unbilligen Härte zu den im Wege der Ersatzvornahme durch die Gemeinde entstandenen Bestattungskosten herangezogen werden könnte(n) mit der Folge, dass die Gemeinde letztlich die Kosten tragen müsse, weil ein Rückgriff auf nachrangige Bestattungspflichtige nicht in Betracht komme, greift nicht durch. Die sich aus der in § 8 Abs. 1 Satz 1 BestG NRW normierten Rangfolge der Bestattungspflichtigen ergebenden Kostenfolgen der Gemeinden, die eine Bestattung im Wege der Ersatzvornahme durchführen, sind im Gesetzgebungsverfahren berücksichtigt worden.
12Das ergibt sich schon aus der Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung. Dort heißt es nicht nur, "die Bestattungspflicht eines Vorrangigen schließt die öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht der nachfolgenden Rangstufen aus". Außerdem wird dort ausgeführt, diese Regelung "bewirkt auch, dass im Normalfall eine Gemeinde, die in Erfüllung der Pflicht zur Ersatzvornahme die Bestattung veranlasst hat, in der Mehrzahl der tatsächlichen Fälle den Bestattungspflichtigen zur Kostenerstattung heranziehen kann".
13LT-Drs. 13/2728, S. 20.
14In dem Gesetzentwurf ist damit berücksichtigt worden, dass im Einzelfall die Gemeinde die von ihr aufgewandten Kosten einer Bestattung im Wege der Ersatzvornahme nicht erstattet bekommen kann, weil ein vorrangig Bestattungspflichtiger vorhanden ist, dieser aber etwa, wie hier aufgrund des Vorliegens einer unbilligen Härte nicht zu den Kosten herangezogen werden kann.
15Auch das weitere Gesetzgebungsverfahren bestätigt, dass der vom Beklagten angeführte Aspekt berücksichtigt worden ist. Der Städtetag Nordrhein-Westfalen hat in seiner Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung vom 25. 9. 2002,
16LT NRW, Zuschrift 13/2141, www.landtag.nrw.de,
17zu § 8 BestG ausgeführt:
18"Abs. 1 sieht eine Rangfolge der zur Bestattung verpflichteten Personen vor. Dagegen wäre grundsätzlich nichts einzuwenden, wenn seitens der zuständigen Behörde auch auf in der Rangfolge nachrangige Personen zurückgegriffen werden könnte – sofern ein vorrangig Verpflichteter aus welchen Gründen auch immer – nicht in Anspruch genommen werden kann. Diese Rechtsfolge schließt die Regelung allerdings aus. Damit hat – anstelle des vorrangig Verpflichteten – stets die öffentliche Hand die Kosten der Bestattung zu tragen. Dieses kann nicht Sinn und Zweck der Regelung sein und führt zu einem erheblichen finanziellen Mehraufwand der kommunalen Friedhofsträger."
19Der federführende Ausschuss für Arbeit, Gesundheit, Soziales und Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge hat die Stellungnahme des Städtetages in seinen Beratungen berücksichtigt.
20Vgl. Ausschussprotkoll 13/682, S. II. f., LT-Drs. 13/3748, S. 21.
21Er hat aber keine Änderung oder Ergänzung des § 8 Abs. 1 BestG NRW vorgeschlagen.
22Vgl. LT-Drs. 13/3748, S. 7 f.
23Der Landtag NRW hat ebenfalls den von der Landesregierung vorgeschlagenen § 8 Abs. 1 BestG unverändert übernommen.
24Der nordrhein-westfälische Gesetzgeber ist damit nicht dem niedersächsischen Gesetzgeber gefolgt. Das niedersächsische Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen (Nds. BestG) enthält, worauf der Beklagte zutreffend hinweist, in § 8 Abs. 3 eine Regelung über die Rangfolge der Bestattungspflichtigen, die weitgehend mit der Regelung in § 8 Abs. 1 Satz 1 BestG NRW übereinstimmt. Über die nordrhein-westfälischen Regelungen hinausgehend hat aber der niedersächsische Gesetzgeber in der - vom Beklagten in seinen Ausführungen nicht berücksichtigten - Regelung in § 8 Abs. 4 Satz 4 Nds. BestG bestimmt, dass die nächstrangig Verpflichteten an die Stelle der vorrangig Verpflichteten treten, wenn sich die durch Ersatzvornahme der Gemeinde entstandenen Bestattungskosten nicht von den vorrangig Verpflichteten erlangen lassen. Es war und ist Sache des nordrhein-westfälischen Gesetzgebers im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit etwa aus den vom Beklagten vorgetragenen – rechtspolitischen - Erwägungen , eine vergleichbare Regelung in das nordrhein-westfälische Bestattungsgesetz aufzunehmen. Dies hat er nicht getan.
25Der Beklagte macht weiter ohne Erfolg geltend, die Auslegung des Verwaltungsgerichts lasse keinen Raum für Billigkeitserwägungen; im vorliegenden Fall sei eine Bestattungspflicht von Herrn S. unbillig. Für Billigkeitserwägungen ist bei der Anwendung des § 8 Abs. 1 Satz 1 BestG NRW kein Raum. Die dort normierte Bestattungspflicht besteht unabhängig von der individuellen Situation der Bestattungspflichtigen und ihrem Verhältnis zu dem Verstorbenen. Raum für Billigkeitserwägung ist erst bei der Entscheidung darüber, ob ein Bestattungspflichtiger, der seiner Pflicht nicht nachgekommen ist, zu den durch Ersatzvornahme der Gemeinde entstandenen Bestattungskosten heranzuziehen ist. Für dieses Verständnis spricht insbesondere der bereits im Senatsbeschluss vom 31. 3. 2006 – 19 E 969/04 -, juris, Rdn. 6, angesprochene Aspekt, dass die öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht in der Person der betreffenden Rangstufe wegen der durch sie begründeten Handlungspflicht bezogen auf den Zeitpunkt der Bestattung zweifelsfrei bestimmbar sein muss. Das wäre nicht der Fall, wenn die Bestattungspflicht von Billigkeitserwägungen abhinge, die sich typischerweise erst nach einer aufwändigen und zeitintensiven Prüfung verlässlich beantworten lassen. Im Übrigen lässt sich aus dem Gesetzgebungsverfahren kein Hinweis darauf feststellen, dass überhaupt erwogen worden ist, die Bestattungspflicht von Billigkeitserwägungen abhängig zu machen. Auch der Beklagte macht nicht geltend, dass dies im Gesetzgebungsverfahren erörtert worden ist.
26Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass die Rechtssache keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten aufweist (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und dass sie keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat. Die Auslegung und Anwendung des § 8 Abs. 1 BestG NRW ist auch im vorliegenden Fall nach dem Wortlaut der Norm, ihrem Sinn und Zweck und der Entstehungsgeschichte eindeutig. Die vom Beklagten angesprochene teleologische Reduktion kommt aus den vorstehenden Gründen zweifelsfrei nicht in Betracht. Der vom Beklagten angesprochene Klärungsbedarf besteht zudem nicht mit Blick auf das niedersächsische Bestattungsgesetz, das angesichts der Regelung in § 8 Abs. 4 Satz 4 Nds. BestG mit der nordrhein-westfälischen Rechtslage nicht vergleichbar ist. Dementsprechend enthält auch der vom Beklagten angeführte Beschluss des Nds. OVG vom 18. 12. 2006 – 8 LA 131/06 -, juris, insbesondere Rdn. 5 und 9, für die nordrhein-westfälische Rechtslage keine relevanten oder übertragbaren Ausführungen. Hinzu kommt, dass das Nds. OVG in seinem Beschluss vom 1. 8. 2008 8 LB 55/07 -, juris, Rdn. 20, klargestellt hat, dass es sich bei der im Beschluss vom 8. 12. 2006 angenommene Ausnahme von der Bestattungspflicht um einen besonderen Ausnahmefall handelt und dass eine mangelnde wirtschaftliche Leistungspflicht des Bestattungspflichtigen, die nach nordrhein-westfälischem Recht eine unbillige Härte begründen und damit eine Nichtheranziehung zu den durch Ersatzvornahme der Gemeinde entstandenen Bestattungskosten zur Folge haben kann, die Bestattungspflicht nach § 8 Abs. 3 Nds. BestG nicht berührt.
27Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
28Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 3 GKG und entspricht der zutreffenden Wertfestsetzung erster Instanz.
29Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 66 abs. 3 Satz 3, 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).