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Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.700,-- Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
2Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den mit der Beschwerde weiterverfolgten Antrag,
31. den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO zu verpflichten, den Antragsteller vorläufig an Sitzungen und Arbeiten der Gemeindevertretung teilnehmen zu lassen und
42. den Antragsteller von sämtlichen Kosten des vorliegenden Anordnungsverfahrens freizustellen,
5zu Recht abgelehnt. Auch nach den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen, vom Senat allein zu prüfenden Gründen (§ 146 Abs. 4 Satz 6 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -) kann dem Antrag nicht stattgegeben werden.
6Der Antrag zu 1. ist zulässig. Die Zulässigkeit des Antrags bemisst sich nicht nach den §§ 44 Abs. 1, 41 Abs. 2 des Kommunalwahlgesetzes (KWahlG). Danach kann das Verwaltungsgericht einen Beschluss nach §§ 44 Abs. 1, 40 Abs. 4 KWahlG aufheben, nämlich einen Beschluss der Vertretung, ein Mitglied, dessen Sitzverlust im Mandatsprüfungsverfahren festgestellt wurde, von der Teilnahme an der Arbeit der Vertretung bis zur Bestandskraft des Sitzverlustbeschlusses auszuschließen. Zwar liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 41 Abs. 2 KWahlG vor, dennoch eröffnet diese Vorschrift kein eigenständiges, von der Verwaltungsgerichtsordnung und namentlich § 123 VwGO losgelöstes verwaltungsgerichtliches Verfahren. Es handelt sich vielmehr um einen bloßen Verweis auf den allgemeinen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz nach der Verwaltungsgerichtsordnung. Die Regelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens liegt nämlich nicht in der Hand des Landesgesetzgebers. Dieser hatte weder im Zeitpunkt der Schaffung des § 41 Abs. 2 KWahlG durch Art. III Nr. 34 des Wahlrechtsänderungsgesetzes vom 8. Juni 1993 (GV. NRW. S. 300) noch heute die Kompetenz, das verwaltungsgerichtliche Eilrechtsschutzverfahren für den Bereich des kommunalrechtlichen Mandatsprüfungsverfahrens zu regeln. Nach Art. 72 Abs. 1 des Grundgesetzes in der Fassung, die im Zeitpunkt des Erlasses des Wahlrechtsänderungsgesetzes galt (BGBl. 1949, S. 1), hatten die Länder im Bereiche der konkurrierenden Gesetzgebung die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seinem Gesetzgebungsrechte keinen Gebrauch machte. Die heute geltende Vorschrift erlaubt die Landesgesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht "durch Gesetz" Gebrauch gemacht hat. Zur konkurrierenden Gesetzgebung gehörte von Anfang an das gerichtliche Verfahren (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG). Für den Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit hat der Bund seit 1964 durch Erlass der Verwaltungsgerichtsordnung von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht. Ein Vorbehalt für landesrechtliche Vorschriften (wie etwa § 40 Abs. 1 Satz 2 VwGO für die Zuweisung öffentlich-rechtlicher Streitigkeiten an andere Gerichte), die es hier erlaubten, den Verwaltungsgerichten außerhalb des § 123 VwGO weitere oder von den bundesrechtlichen Vorschriften abweichende Zuständigkeiten zuzuweisen, gibt es nicht. Eine solche Kompetenz kann auch nicht daraus abgeleitet werden, dass die Ausgestaltung des Kommunalwahlrechts und damit auch des Wahlprüfungsverfahrens in den Schranken des Art. 28 Abs. 1 und 2 GG der unentziehbaren Kompetenz des Landes obliegt.
7So aber VG Düsseldorf, Beschluss vom 31. August 2000 - 1 L 772/00 -, S. 2 des amtlichen Umdrucks.
8Kommunalverfassungsrecht einschließlich des Kommunalwahlprüfungsrechts ist Verwaltungsrecht; Rechtsschutz im Verwaltungsrecht bemisst sich - soweit nicht spezifische Landesgesetzgebungsvorbehalte existieren - allein nach der bundesrechtlichen Verwaltungsgerichtsordnung. § 41 Abs. 2 KWahlG kann daher bezüglich des einstweiligen Verwaltungsrechtsschutzes für ein Ratsmitglied, das von der Arbeit der Vertretung ausgeschlossen wurde, nur als Verweisung auf das allgemeine Rechtsschutzsystem der Verwaltungsgerichtsordnung angesehen werden.
9Vgl. im Einzelnen zur Bedeutung des § 41 Abs. 2 KWahlG Schneider in: Kallerhoff u. a., Handbuch zum Kommunalwahlrecht in Nordrhein-Westfalen, Köln 2008, S. 307 ff.
10Somit ist hier grundsätzlich der Weg eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO eröffnet. Der gemäß § 123 Abs. 5 VwGO vorrangige Rechtsschutz nach § 80 VwGO (aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage gegen Verwaltungsakte) greift nicht ein. Der Beschluss des Antragsgegners vom 18. September 2008, den Antragsteller von der Arbeit der Vertretung gemäß §§ 44 Abs. 1, 40 Abs. 4 KWahlG auszuschließen, ist nämlich kein Verwaltungsakt. Zwar ist der am selben Tage im Mandatsprüfungsverfahren ergangene Beschluss des Antragsgegners über den Sitzverlust des Antragstellers ein Verwaltungsakt.
11Vgl. Schnell in: Kallerhoff u. a., Handbuch zum Kommunalwahlrecht in Nordrhein- Westfalen, Köln 2008, S. 366; ebenso für die Wahlprüfungsentscheidung des Rates nach § 40 Abs. 1 KWahlG OVG NRW, Urteil vom 28. November 1980 - 15 A 1660/80 -, DVBl. 1981, 874; Urteil vom 22. Februar 1991 - 15 A 1519/90 -, NWVBl. 1991, 233 (für eine Feststellung des Mandatsverlustes durch den Wahlleiter).
12Diese Maßnahme hat nämlich unmittelbare Rechtswirkung nach außen (vgl. zu diesem Verwaltungsaktsmerkmal § 35 Satz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen), weil die Mitgliedschaft im Rat als solche in Rede steht, nicht aber einzelne organschaftliche Rechte, wie sie für den kommunalen Innenbereich kennzeichnend sind.
13Vgl. zu dieser Unterscheidung OVG NRW, Beschluss vom 23. Juni 1997 - 15 A 3457/95 -, NWVBl. 1998, 58.
14Demgegenüber geht es bei dem Beschluss nach § 40 Abs. 4 KWahlG nur um die Ausgestaltung des Mitgliedschaftsrechts im Einzelnen, nämlich die Nichtteilnahme an der Arbeit der Vertretung bei fortdauernder Ratsmitgliedschaft, so dass diese Regelung im gemeindlichen Innenrechtsbereich verbleibt. Wegen dieses nur auf organschaftliche Rechte aus der Ratsmitgliedschaft, nicht aber auf den Status des Antragstellers als Ratsmitglied bezogenen Charakters des Beschlusses nach § 40 Abs. 4 KWahlG fehlt ihm das für einen Verwaltungsakt notwendige Merkmal der unmittelbaren Rechtswirkung nach außen, so dass nur die einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO als Mittel des einstweiligen Rechtsschutzes in Betracht kommt.
15Vgl. Schneider, in: Kallerhoff u. a., Handbuch zum Kommunalwahlrecht in Nordrhein- Westfalen, Köln 2008, S. 306 f.
16Der so zulässige Antrag nach § 123 VwGO bezüglich der Mitarbeit im Rat ist aber unbegründet. Es fehlt am Anordnungsanspruch (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung - ZPO -). Der Antragsteller hat keinen Anspruch darauf, an der Arbeit der Vertretung mitzuwirken. Zwar ergibt sich ein solches Mitwirkungsrecht grundsätzlich aus seiner Stellung als Ratsmitglied. Dieses Recht hat er aber verloren, weil ihn der Antragsgegner nach §§ 44 Abs. 1, 40 Abs. 4 KWahlG von der Mitwirkung ausgeschlossen hat.
17Der Beschluss über den Ausschluss des Antragstellers von der Arbeit der Vertretung ist nach dem im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes maßgebenden, auf überwiegende Wahrscheinlichkeit angelegten Prüfungsmaßstab rechtmäßig. Die im Gesetz ausdrücklich genannten Voraussetzungen für einen derartigen Ratsbeschluss, nämlich ein Ratsbeschluss im Mandatsprüfungsverfahren, dass der Vertreter seinen Sitz verloren hat, und eine Zweidrittelmehrheit für den Beschluss über den Ausschluss von der Arbeit der Vertretung, liegen vor. Allerdings ist ungeschriebene weitere Voraussetzung, dass der Beschluss über den Sitzverlust des Vertreters rechtmäßig ist. Das ergibt sich aus dem Zweck der dem Rat eröffneten Möglichkeiten nach § 40 Abs. 4 KWahlG, diesen Vertreter von der Arbeit der Vertretung auszuschließen: Der Sitzverlustbeschluss nach § 44 Abs. 1 KWahlG entfaltete innere Wirksamkeit erst mit Bestandskraft (§§ 44 Abs. 1, 40 Abs. 3 KWahlG).
18Vgl. zur dogmatischen Einordnung des § 40 Abs. 3 KWahlG Schneider, in: Kallerhoff u. a., Handbuch zum Kommunalwahlrecht in Nordrhein-Westfalen, Köln 2008, S. 302 ff.
19Angesichts der möglichen Dauer eines Anfechtungsverfahrens soll es einer qualifizierten Mehrheit des Rates ermöglicht werden, eine bestimmte Folge des Sitzverlustbeschlusses, nämlich den Verlust des Rechts zur Teilnahme an der Arbeit der Vertretung, vorwegzunehmen.
20Vgl. die Begründung für die Vorschrift Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kommunalpolitik, Anlage 2 (Änderungsanträge der SPD-Landtagsfraktion), S. 4 zur Landtagsdrucksache 11/5486.
21Die Vorwegnahme bestimmter Wirkungen des Sitzverlustbeschlusses rechtfertigt sich also nur mit der Erwartung, dass dieser Beschluss bestandskräftig wird, weil er auch im gerichtlichen Überprüfungsverfahren als rechtmäßig angesehen werden wird (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
22Der Sitzverlustbeschluss des Antragsgegners vom 18. September 2008 erscheint mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als rechtmäßig, da die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 1. Halbsatz KWahlG vorliegen. Nach dieser Vorschrift entscheidet die Vertretung darüber, ob ein Vertreter seinen Sitz verloren hat, weil die Voraussetzungen seiner Wählbarkeit nach der Wahl weggefallen sind.
23Die Voraussetzungen der Wählbarkeit des Antragstellers lagen jedenfalls bis zum 29. Juli 2006 nicht vor, also dem Zeitpunkt, ab dem nach der Erklärung der Ehefrau des Antragstellers vom 7. November 2006 die Eheleute getrennt leben. Wählbar war gemäß §§ 12 Abs. 1 und 7 des Kommunalwahlgesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 30. Juni 1998 einschließlich der Änderungen bis zum Inkrafttreten des Gesetzes vom 12. Dezember 2006 (GV. NRW. S. 622), heute nach § 12 Abs. 1 KWahlG, nur, wer in dem Wahlgebiet seine Wohnung, bei mehreren Wohnungen seine Hauptwohnung hat. Jedenfalls bis Juli 2006 hatte der Antragsteller nach dem bislang festgestellten Sachverhalt seine Hauptwohnung nicht in T. , sondern in I. .
24Zur Überzeugung des Senats steht mit der für das Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes erforderlichen Sicherheit folgender Sachverhalt fest: Der Antragsteller hat seit Jahren einen Wohnsitz unter der Anschrift des Rubrums in T. , unter der er auch seine Rechtsanwaltskanzlei betreibt. Seine Ehefrau arbeitete drei halbe Tage in der Woche in der Kanzlei. Es handelt sich um eine Wohnung im Elternhaus des Antragstellers, bestehend aus Wohn- und Schlafraum sowie einem Badezimmer, wobei lediglich eine Möglichkeit zur Küchenmitbenutzung besteht. Seit 1999 ist der Antragsteller verheiratet und hat mit seiner Ehefrau seit 2000 eine Tochter. Seit dem 30. Juni 2003 sind Ehefrau und Tochter, die vorher unter der Anschrift G. -S. -Straße 6 in I. gemeldet waren, unter der Anschrift G. - S. -Straße 8 in I. gemeldet und auch dort vorwiegend aufhältig. Die Tochter besuchte in I. einen Kindergarten. Der Antragsteller war seit dem 14. September 1999 unter der Anschrift G. -S. -Straße 6 in I. mit einem Nebenwohnsitz gemeldet und hat sich am 30. Juni 2003 dort abgemeldet. Zwischen Januar und August 2000 war die Ehefrau unter der Rubrumsanschrift des Antragstellers mit Nebenwohnsitz gemeldet.
25Wo jemand seine Hauptwohnung im kommunalwahlrechtlichen Sinne hat, bemisst sich nach den melderechtlichen Vorschriften.
26Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. August 2001 - 15 A 3186/01 -, S. 3 des amtlichen Umdrucks; Urteil vom 14. Januar 1997 - 15 A 298/96 -, S. 10 f. des amtlichen Umdrucks; Urteil vom 4. Juli 1986 - 15 A 1274/85 -, DVBl. 1987, 144 (145).
27Nach § 16 Abs. 2 Satz 2 des Meldegesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (MG NRW) ist die Hauptwohnung eines verheirateten Einwohners, der nicht dauernd getrennt von seiner Familie lebt, die vorwiegend benutzte Wohnung der Familie. Satz 5 der Vorschrift regelt, dass in Zweifelsfällen die vorwiegend benutzte Wohnung dort ist, wo der Schwerpunkt der Lebensbeziehungen des Einwohners liegt. Nach dem seit dem 23. April 2005 geltenden Satz 6 der Vorschrift ist dann, wenn der Wohnungsstatus eines verheirateten Einwohners nach den Sätzen 2 und 5 nicht zweifelsfrei bestimmt werden kann, die Hauptwohnung die vorwiegend benutzte Wohnung des Einwohners.
28Danach war jedenfalls bis zum Zeitpunkt des angeblichen Getrenntlebens der Eheleute Hauptwohnung des Antragstellers die Wohnung G. -S. -Straße 8 in I. . Diese war nämlich die vorwiegend benutzte Wohnung der Familie, was sich daraus ergibt, dass die Tochter in I. einen Kindergarten besuchte. Der Antragsteller behauptet nicht einmal, dass die Tochter vorwiegend von T. aus zum Kindergarten nach I. gebracht wurde. Vielmehr lässt er sich, was die Benutzung der Wohnung in T. durch Ehefrau und Kind betrifft, dahingehend ein, diese hielten sich "zumindest zeitweise" dort auf. Das mag sein. Nicht glaubhaft wäre es aber, wenn der Antragsteller damit behaupten wollte, diese hätten sich vorwiegend in T. aufgehalten. Angesichts der werktäglichen Notwendigkeit, den Kindergarten in I. aufzusuchen, und auch angesichts der fehlenden eigenen Küche kann dies ausgeschlossen werden. Für die Frage, welche Wohnung die Familie vorwiegend benutzt, kommt es nicht darauf an, wohin sich Ehefrau und Kind Post liefern lassen. Haben sich somit Ehefrau und Kind vorwiegend in der G. -S. -Straße 8 in I. aufgehalten, wäre es lebensfremd anzunehmen, dass sich nicht auch der Antragsteller zumindest zeitweise dort - etwa an Wochenenden - aufgehalten hat, denn ein Getrenntleben wird erst - unbeschadet der Frage, ob glaubhaft - für die Zeit ab dem 29. Juli 2006 behauptet. Dass der Antragsteller nicht in der Wohnung G. -S. -Straße 8 in I. gemeldet war, ist für die melderechtliche und damit auch kommunalwahlrechtliche Einstufung der Wohnung unerheblich.
29Die Erklärung des Antragstellers, er habe nur eine Wohnung innegehabt und bis heute inne, nämlich die in T. , während er die Wohnung G. -S. -Straße 8 in I. nicht als Wohnung benutzt habe, beruht offenbar auf einer irrigen Beurteilung des melderechtlichen Status dieser Wohnung. Sollte er die Tatsache behaupten wollen, er habe die dortigen Räumlichkeiten nicht zum Wohnen oder Schlafen - jedenfalls zeitweise - benutzt (vgl. § 15 Satz 1 MG NRW), wäre dies angesichts des festgestellten Lebenssachverhalts (Frau und Kind hielten sich vorwiegend in dieser Wohnung auf, berufliche und politische Betätigung des Antragstellers in T. mit Wohnung im elterlichen Haus ohne eigene Küche) unglaubhaft. Somit steht fest, dass der Antragsteller zumindest seit der Geburt der Tochter und jedenfalls bis zur angeblichen Trennung der Eheleute keine Hauptwohnung in T. hatte und also dort nicht wählbar war. Die Frage der Hauptwohnung des Antragstellers nach § 16 Abs. 2 Satz 2 MG NRW lässt sich im Sinne der melderechtlichen Vorschriften zweifelsfrei klären. Daher bedarf es keiner Anwendung der subsidiären Vorschriften des § 16 Abs. 2 Sätze 5 und 6 MG NRW.
30Allerdings bedarf es näherer Prüfung, ob die weiteren Merkmale des § 44 Abs. 1 KWahlG vorliegen, wonach die Wählbarkeit "nach der Wahl weggefallen" sein muss. Der Antragsteller wendet ein, es habe sich an seinen Wohnverhältnissen seit 1999 nichts geändert, so dass, wäre die Auffassung des Verwaltungsgerichts zur Beurteilung seiner melderechtlichen Situation richtig, er weder 1999 noch im Jahre 2004 aktiv und passiv wahlberechtigt gewesen wäre. Richtig ist, dass auf der Grundlage des vom Senat wie auch vom Verwaltungsgericht und vom Antragsgegner angenommenen Sachverhalts die Wählbarkeit des Antragstellers schon für die Kommunalwahl im Jahre 2004 zu verneinen gewesen ist. Daher liegt der ausdrücklich von § 44 Abs. 1 KWahlG geregelte Fall der Mandatsprüfung, der nur den Wegfall der Wählbarkeit nach der Wahl erfasst, nicht vor. Im hier gegebenen Fall einer anfänglich fehlenden Wählbarkeit lag durch die Wahl des nicht wählbaren Antragstellers ein Wahlfehler vor, der im Wahlprüfungsverfahren zur Anordnung seines Ausscheidens hätte führen müssen (§ 40 Abs. 1 Buchst. a KWahlG). Das ist - aus welchen Gründen auch immer - nicht geschehen. Für eine nachträgliche Wahlprüfung ist angesichts der strikten Fristgebundenheit des Wahlprüfungsverfahrens auf Einspruch hin (§ 39 Abs. 1 Satz 1 KWahlG) und angesichts des Abschlusses des von Amts wegen durchgeführten Wahlprüfungsverfahrens (§ 40 Abs. 1 Satz 1 KWahlG) kein Raum mehr.
31Das heißt allerdings nicht, dass das Recht davon ausgeht, das ein nicht wählbares Ratsmitglied nur deshalb im Rat verbleiben kann, weil dieser Mangel nicht erst im Laufe der Wahlperiode eingetreten ist, sondern sogar schon von Anfang an bestand. Die fehlende Wählbarkeit des Ratsmitglieds ist ein Dauermangel, der sich ständig aktualisiert und daher auch einer Reaktion unabhängig davon bedarf, wann der Mangel erstmalig eingetreten ist. Das Staatswahlrecht des Bundes und des Landes Nordrhein-Westfalen sieht solche Reaktionen jedenfalls in Form eines nachträglichen Wahlprüfungsverfahrens vor (§ 14 des Wahlprüfungsgesetzes des Bundes; § 2 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über die Prüfung der Wahlen zum Landtag des Landes Nordrhein-Westfalen). Der fehlenden ausdrücklichen Regelung dieser Fallkonstellation im Kommunalwahlrecht kann nicht entnommen werden, es solle in dieser Situation mit dem Verbleib des Sitzes bei dem nicht wählbaren Vertreter sein Bewenden haben. Vielmehr hat das Gesetz diesen Fall lediglich nicht in den Blick genommen, weil es idealtypisch davon ausgeht, dass bei anfänglich fehlender Wählbarkeit die Wahl bereits im Wahlprüfungsverfahren für ungültig erklärt wird, so dass nur der nachträgliche Wegfall der Wählbarkeit noch regelungsbedürftig ist.
32Vgl. Rietdorf, Gesetz über die Kommunalwahlen im Lande Nordrhein-Westfalen, Stuttgart 1956, § 41 Anm. 2.a).
33Sachgemäß ist diese Lücke durch analoge Anwendung der Mandatsprüfungsvorschrift des § 44 KWahlG zu schließen. Von der normativen Wertung her steht der Mangel auch schon anfänglich fehlender Wählbarkeit dem Mangel nachträglichen Wegfalls der Wählbarkeit nicht nur gleich, sondern stellt sich sogar als noch schwererer Mangel dar. Dennoch ist es aus Gründen der Stabilität der Wahlen hinzunehmen, dass das Gesetz keinen erneuten Eintritt in die Prüfung der Gültigkeit der Wahl vorsieht. Da jedoch - unbeschadet der Gültigkeit einer Wahl - das Gesetz für den Wegfall der Wählbarkeit das Ausscheiden des Vertreters im Mandatsprüfungsverfahren vorsieht, ist es gerechtfertigt, jedenfalls dieses Mandatsbeendigungsverfahren bei bereits anfänglich fehlender Wählbarkeit durchzuführen.
34Soweit der Antragsteller Verwirkung und Verjährung geltend macht, folgt daraus nichts zu seinen Gunsten: Da die Mandatsprüfung sich am Ende der Legislaturperiode erledigt und verjährungsrechtliche Vorschriften, die kürzere Verjährungsfristen statuierten, nicht existieren, verjährt das Recht und die Pflicht zur Mandatsprüfung nicht. Auch eine Verwirkung kommt nicht in Betracht, da angesichts des öffentlichen Interesses an der ordnungsgemäßen Zusammensetzung des Rates ein Vertrauen auf die Beibehaltung eines wahlrechtlich zu Unrecht innegehabten Sitzes nicht schutzwürdig ist.
35Zu Unrecht meint der Antragsteller, das Mandatsprüfungsverfahren sei befristet auf einen Monat nach Erlangen der Kenntnis von den für die fehlende Wählbarkeit maßgeblichen Umständen. § 39 Abs. 1 KWahlG, der gemäß § 44 Abs. 1 KWahlG im Mandatsprüfungsverfahren entsprechend anwendbar ist und die monatsfristgebundene Einspruchsmöglichkeit regelt, betrifft den Einspruch gegen den Beschluss des Rates im Mandatsprüfungsverfahren, ob der Vertreter seinen Sitz verloren hat, nicht aber die - nicht einspruchsgebundene - Einleitung des Mandatsprüfungsverfahrens.
36Vgl. Rietdorf, Gesetz über die Kommunalwahlen im Lande Nordrhein-Westfalen, Stuttgart 1956, § 41 Anm. 3.
37Dem auf Kostenfreistellung gerichteten Antrag zu 2. ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes schon mangels eines Anordnungsgrundes (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. 920 Abs. 2 ZPO) nicht stattzugeben, da keine Notwendigkeit vorliegt, einen denkbaren Kostenfreistellungsanspruch vor einem Hauptsacheverfahren um diesen Anspruch zu gewähren. Im Übrigen wäre er auch nicht vom Antragsgegner, sondern von der Gemeinde zu erfüllen.
38Die Kostentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 53 Abs. 3 Nr. 1 des Gerichtskostengesetzes. Dabei legt der Senat für ein theoretisches Hauptsacheverfahren in einem Kommunalverfassungsstreit um die Verletzung organschaftlicher Rechte des Antragstellers durch den Beschluss nach § 40 Abs. 4 KWahlG 10.000,-- Euro zugrunde, die angesichts des nur vorläufigen Charakters des vorliegenden Verfahrens halbiert werden. Wegen des Kostenanspruchs beläuft sich der Streitwert auf die Hälfte der voraussichtlichen Höhe des in Rede stehenden Erstattungsanspruchs und damit auf 700,-- Euro.
39Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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