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Die Berufung des Klägers gegen das auf die mündliche Verhandlung vom 20. April 2004 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Der Kläger ist Landwirt und betreibt eine Windkraftanlage des Typs Enercon E-40 mit einer Gesamthöhe von 99,9 m, die er - nach einem stattgebenden Verpflichtungsurteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 7. Mai 2002 - 4 K 2076/01 - und anschließender Erteilung einer Baugenehmigung - ca. 100 m entfernt von seiner Hofstelle errichtet hat.
3Er begehrt mit dem vorliegenden Verfahren eine Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer weiteren Windkraftanlage vom Typ Enercon E-66/18.70 mit einer Nennleistung von 1,8 MW und einer Gesamthöhe von 121 m (Nabenhöhe 86 m, Rotordurchmesser 70 m) etwa 300 m südlich der Hofstelle und etwa 250 m süd- südöstlich der vorhandenen Anlage. Der Vorhabenstandort liegt auf dem Grundstück Gemarkung Bad Sassendorf, Flur , Flurstück , in einem landwirtschaftlich genutzten Bereich ca. 1 km südwestlich von Bad Sassendorf und 1,2 km nordöstlich von Soest. In einer Entfernung von 350 bis 375 m verlaufen im Süden die K und eine Bahnlinie. Im Westen befinden sich in einer Entfernung von etwa 400 m die B 475 n auf einem Damm und östlich des Damms die T. , ein Trockenbach.
4Der Bereich gehört - wie der weit überwiegende Teil des Gemeindegebiets der Beigeladenen - zu dem unter dem 17. Dezember 2004 bekannt gemachten (MBl. NRW. 2005, S. 66), insgesamt ca. 500 km2 großen Europäischen Vogelschutzgebiet "Hellwegbörde". Zweck der Unterschutzstellung dieses Gebiets ist die "Erhaltung und Entwicklung der durch Offenheit, Großräumigkeit, weitgehende Unzerschnittenheit und überwiegende ackerbauliche Nutzung geprägte Agrarlandschaft als Brutgebiet insbesondere für Wiesen- und Rohrweihe und Wachtelkönig sowie als Rast- und Durchzugsgebiet insbesondere für Goldregenpfeifer, Mornellregenpfeifer, Kornweihe und Rotmilan."
5Der Bereich zwischen Soest und Bad Sassendorf steht teilweise unter Landschaftsschutz. Zunächst galt die Ordnungsbehördliche Verordnung zur Festsetzung von Landschaftsschutzgebieten im Kreis Soest vom 4. Dezember 1984 (LSchVO 1984), die am 25. Dezember 2004 durch die Ordnungsbehördliche Verordnung der beklagten Bezirksregierung vom 8. Dezember 2004, Abl. Bez. Reg. Abg. 2004, S. 535 (SiVO 2004), ersetzt wurde. Die Grenze des durch die SiVO 2004 einstweilig sichergestellten Landschaftsschutzgebiets verläuft - nach Maßgabe der bei der Beklagten verwahrten und dort einzusehenden Landschaftsschutzkarte - in einer Entfernung von ca. 30 m zu dem Vorhabenstandort durch das Flurstück 206, so dass dieser innerhalb des Schutzgebiets liegt.
6Der Vorhabenstandort liegt außerhalb der im zwischenzeitlich mehrfach geänderten Flächennutzungsplan der Beigeladenen dargestellten Konzentrationszone für die Nutzung der Windkraft. Im Einzelnen kam es zu folgenden Änderungen des Flächennutzungsplans:
7Die im Januar 1999 in Kraft getretene 35. Änderung des Flächennutzungsplans wies eine ca. 10 ha große Konzentrationszone südöstlich des Ortsteils C. an der Grenze zum Gebiet der Gemeinde Erwitte aus. Die Beigeladene beschränkte die dort zulässigen Anlagen auf eine Gesamthöhe von 100 m. Die Darstellung der Konzentrationszone beruhte auf einer Untersuchung des Gemeindegebiets aus dem Jahr 1998. Diese ermittelte zunächst eine Vielzahl sogenannter neutraler Flächen. Im Hinblick auf den Konzentrationszweck schied die Beigeladene zunächst kleinere Flächen (unter 10 ha) aus. Mit dem Argument, dass größere Flächen, die nur durch klassifizierte Straßen durchschnitten würden, keine Berücksichtigung fänden, "wenn sie im Windschatten von größeren Ansiedlungen" lägen, wurden darüber hinaus alle Flächen östlich von Soest ausgeschieden. Danach verblieb nur eine Fläche südöstlich von C. . Im Erläuterungsbericht ist zu dieser ca. 10 ha großen Fläche ausgeführt, dass diese sich in 200 m Entfernung zu ornithologisch bedeutsamen Feldfluren befinde. Im Zusammenhang mit der Höhenbegrenzung, die auf Aspekte des Landschafts-, Immissions- und Vogelschutzes und der Flugsicherung gestützt wurde, heißt es, dass die Höhe von 100 m der normalen Flughöhe von Singvögeln entspreche.
8Die ausgewiesene Konzentrationszone wurde in der Folgezeit mit fünf jeweils 85 m hohen Windkraftanlagen bebaut. Drei weitere Windkraftanlagen entstanden in unmittelbarer Nachbarschaft auf dem angrenzenden Gebiet der Gemeinde Erwitte.
9Nachdem das Verwaltungsgericht Arnsberg in dem die vorhandene Windkraftanlage des Klägers betreffenden Verwaltungsstreitverfahren 4 K 2076/01 Bedenken gegen die Wirksamkeit der 35. Änderung des Flächennutzungsplans der Beigeladenen geäußert hatte, beschloss der Rat der Beigeladenen im März 2003, das Verfahren zur Ermittlung und Ausweisung von Konzentrationszonen für Windkraftanlagen zu wiederholen und dabei die Bauleitplanung an geänderte rechtliche Bedingungen, neue landschaftsfachliche Beurteilungen und den Gemeinsamen Runderlass des Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport, des Ministeriums für Wirtschaft und Mittelstand, Energie und Verkehr und der Staatskanzlei vom 3. Mai 2002, MBl. NRW. S. 742, (Windenergieerlass) anzupassen. Aus den geänderten Beurteilungskriterien, insbesondere der Berücksichtigung des Wiesenweihe-Schutzprogramms, einer im März 2003 zwischen dem Land Nordrhein- Westfalen und mehreren Gemeinden sowie weiteren Vertragspartnern geschlossenen Vereinbarung, folgerte die Beigeladene, dass ihr Gemeindegebiet keine für die Aufstellung von Windkraftanlagen geeigneten Flächen aufweise; die bereits bestehende Konzentrationszone solle jedoch unter Beibehaltung der Höhenbegrenzung auf 100 m aus Gründen des Bestandsschutzes bestehen bleiben. Mit Beschluss vom 25. Juni 2003 stellte der Rat der Beigeladenen die dargelegten Erwägungen als 1. Änderung zur 35. Änderung des Flächennutzungsplans fest. Der Beschluss wurde am 5. November 2003 bekannt gemacht.
10Im September 2004 leitetet der Rat der Beigeladenen ein weiteres Verfahren zur Änderung des Flächennutzungsplans bezüglich der Ausweisung von Konzentrationszonen für Windkraftanlagen ein. Anlass hierfür war neben wiederum vom Verwaltungsgericht Arnsberg geäußerten Bedenken dagegen, dass trotz fehlender Eignungsflächen eine Vorrangzone ausgewiesen worden war, der Umstand, dass das Vogelschutzgebiet "Hellwegbörde" zwischenzeitlich der EG- Kommission gemeldet worden war. Die am 22. Juni 2005 beschlossene und am 1. September 2005 bekannt gemachte 2. Änderung der 35. Änderung des Flächennutzungsplans führte zu einer Verkleinerung der bestehenden Konzentrationszone um ca. 3 ha, die ausweislich des Erläuterungsberichts aus März 2005 auf der Berücksichtigung eines Entwicklungskorridors in Bezug auf vorhandene Siedlungsstrukturen beruhen soll. Im Erläuterungsbericht heißt es unter Nr. 9 "Umweltbericht", in der 6,3 ha großen Fläche seien vier Anlagen errichtet, eine fünfte Anlage liege im Bereich des Entwicklungskorridors zur Ortschaft X. . Ferner ist im Erläuterungsbericht ausgeführt, dass die Flächen innerhalb des Vogelschutzgebiets "Hellwegbörde" generell als für die Nutzung der Windkraft ungeeignet, d.h. als Ausschlussflächen angesehen worden seien. Jedenfalls entspreche es den städtebaulichen Zielen des Flächennutzungsplans, Kollisionen zwischen dem öffentlichen Belang der Auswirkungen auf Tiere, Landschaft und die biologische Vielfalt dadurch aufzulösen, dass dem Naturschutz Vorrang vor der Förderung der Nutzung erneuerbarer Energien gegeben werde. Die ausgewählte 6,3 ha große Fläche liege zwar innerhalb des im Windenergieerlass vorgesehenen Prüfabstands von 300 m zum Vogelschutzgebiet; das nordrhein-westfälische Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (MUNLV) habe aber ausgeführt, dass rechtskräftig genehmigte Anlagen gemäß den FFH-Verwaltungsvorschriften Bestandsschutz genössen. In diesen Fällen, wie auch im Zusammenhang mit Repowering-Vorhaben, gelte die Regelvermutung, dass diese Maßnahmen in der Regel keine erhebliche Beeinträchtigung darstellen, so dass bei Ersetzung einer Windkraftanlage durch eine leistungsfähigere in der Regel keine zusätzliche Verträglichkeitsprüfung mehr durchzuführen sei. Demnach stehe in diesem Fall einer Darstellung der Fläche als Konzentrationsfläche nichts entgegen. Ergänzend ist unter Nr. 9 des Erläuterungsberichts ausgeführt: Die Umgebung des Plangebiets weise grundsätzlich gut strukturierte Bereiche mit unterschiedlichen Landschaftselementen auf und komme als Lebensraum für seltene Pflanzen und Tiere in Betracht, weshalb die Umgebung auch als bedeutsames Vogelschutzgebiet gemeldet worden sei. Durch die bestehenden Windkraftanlagen sei diese Biotopfunktion jedoch einschränkt. Aus diesem Grund seien die Bereiche, die bereits in den Flächennutzungsplänen als Konzentrationszone für Windkraftanlagen dargestellt seien, allgemein bei der Meldung des Vogelschutzgebiets herausgenommen worden. Nach Maßgabe der im Einzelnen ausgeführten Ausschlusskriterien und Abwägungsbelange hätten sich zwei weitere restriktionsfreie Bereiche ergeben, die aber nicht als Vorranggebiete ausgewiesen würden. Eine 0,6 ha große Fläche an der Grenze zur Stadt Soest werde deshalb ausgeschieden, weil dort zukünftig ein Gewerbegebiet angrenzend an ein auf Soester Seite vorhandenes Gewerbegebiet ausgewiesen werden solle. Eine 0,4 ha große Fläche an der Gemeindegrenze nach Soest werde als ungeeignet angesehen, weil sie unmittelbar am Rand des Vogelschutzgebiets liege. Beide Flächen seien zudem zu klein.
11Am 25. Oktober 2002 beantragte der Kläger beim Landrat des Kreises Soest die Erteilung einer Baugenehmigung für die streitgegenständliche Anlage. Mit Bescheid vom 18. November 2002 lehnte der Landrat des Kreises Soest den Bauantrag des Klägers mit der Begründung ab, dass der Standort des Vorhabens außerhalb der im gemeindlichen Flächennutzungsplan ausgewiesenen Konzentrationszone für Windkraftanlagen liege. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte am 10. April 2003 zurück. Zur Begründung verwies sie ergänzend erstmals darauf, dass sich der Standort innerhalb des durch Verordnung von 1984 unter Schutz gestellten Landschaftsschutzgebiets befinde.
12Bereits zuvor, am 19. März 2003, hatte der Kläger gegen den Landrat des Kreises Soest die dem vorliegenden Verfahren zugrunde liegende Untätigkeitsklage auf Erteilung einer Baugenehmigung erhoben (VG Arnsberg 4 K 1055/03).
13Mit Schreiben vom 23. Juni 2003 hat der Kläger die Erteilung einer Befreiung bzw. Ausnahme von den Verboten der Landschaftsschutzverordnung beantragt, die der Landrat des Kreises Soest nach Einholung von Stellungnahmen der Beigeladenen und der Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz im Kreis Soest e.V. (ABU) durch Bescheid vom 15. Oktober 2003 abgelehnt hat. Den dagegen erhobenen Widerspruch hat die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 9. März 2004 zurückgewiesen. Daraufhin hat der Kläger am 24. März 2004 auch insoweit Klage erhoben (VG Arnsberg 1 K 985/04), zu deren Begründung er geltend gemacht hat: Die Landschaftsschutzverordnung aus dem Jahr 1984 sei infolge der vorhandenen Belastungen des Landschaftsraums, insbesondere durch die auf einem Damm verlaufende B 475 n, funktionslos. Es sei nicht festgelegt, was mit der Unterschutzstellung konkret beabsichtigt sei. Jedenfalls sei eine Ausnahme zu erteilen. Die Grenze des Schutzgebiets verlaufe ohne erkennbaren Grund mitten durch eine ackerbaulich genutzte Fläche. Die im Jahr 2004 erlassene Sicherstellungsverordnung sei unwirksam, weil sie den Ermächtigungsrahmen des § 42 e Abs. 1 des Landschaftsgesetzes (LG NRW) überschreite, indem sie die Verbotstatbestände aus der Landschaftsschutzverordnung 1984 überwiegend wortgleich übernehme.
14Zur Begründung seiner auf Erteilung einer Baugenehmigung gerichteten Klage hat der Kläger vorgetragen: Der Flächennutzungsplan der Beigeladenen (in der Fassung der 1. Änderung der 35. Änderung) stehe dem Vorhaben nicht entgegen. Der Plan sei schon deshalb unwirksam, weil er städtebaulich nicht erforderlich sei; der Bereich der ausgewiesenen Konzentrationszone sei ausweislich des Erläuterungsberichts bereits nach der eigenen Einschätzung der Beigeladenen für Windkraftanlagen wegen entgegenstehender Belange des Naturschutzes ungeeignet. Die betreffende Fläche befinde sich in unmittelbarer Nähe eines bedeutsamen Brutgebiets der Wiesenweihe östlich von U. und südlich von N. . Zudem stelle der Flächennutzungsplan eine Verhinderungsplanung dar, die der Windkraftnutzung nicht in substantieller Weise Raum schaffe. Die Kapazität der ausgewiesenen Zone sei mit fünf Anlagen bereits erschöpft. Die vorangegangene Fassung der 35. Änderung des Flächennutzungsplans sei - wie das Verwaltungsgericht Arnsberg zutreffend angemerkt habe - unwirksam, weil das hinsichtlich der östlich von Soest gelegenen Flächen angeführte Windschattenargument verfehlt sei. Auch der Landschaftsschutz stehe dem Vorhaben nicht entgegen. Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Privilegierung von Windkraftanlagen bestehe ein Anspruch auf die Befreiung. Die technische Neuartigkeit und Gewöhnungsbedürftigkeit von Windkraftanlagen reiche nicht aus, um eine Beeinträchtigung des Landschaftsbilds zu begründen. Im Übrigen befinde sich der geplante Standort nur wenige Meter von der Grenze des Landschaftsschutzgebiets entfernt; wieso diese Grenze gerade dort - mitten durch eine ackerbaulich genutzte Fläche - verlaufe, sei nicht ersichtlich. Der Schutzzweck des Landschaftsschutzgebiets, das entlang der T. verlaufe, sei auch deshalb nicht beeinträchtigt, weil dieser Schutzzweck nicht mehr fortbestehe. Im Rahmen des Neubaus der B 475 sei die T. verlegt und reduziert worden, so dass die Schutzgebietsausweisung funktionslos geworden sei. Hinzu kämen die Beeinträchtigungen durch die in der Umgebung verlaufenden Straßen und die Bahnlinie sowie die gewerbliche Prägung durch die zwischen Bahnlinie und K gelegenen Gebäude der Obst- und Gemüseabsatzgemeinschaft (OGA) Soest. Indem die geplante Anlage zur Einsparung an Luftschadstoffen beitrage, diene sie der Erhaltung und Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts. Das Vorhaben sei auch mit den Belangen des Vogelschutzes vereinbar. Innerhalb der Fläche zwischen Soest und Bad Sassendorf sei keine Brut der Wiesenweihe nachgewiesen. Selbst die ABU gehe davon aus, dass die Feldflur wahrscheinlich weiterhin von Weihen als Jagdgebiet und Flugkorridor genutzt werde. Mit einem nennenswerten Vogelschlagrisiko sei nicht zu rechnen, da Vögel die sich drehenden Rotoren als Gefahrenquelle erkennen und umfliegen könnten. Das Vorhaben sei bauordnungsrechtlich zulässig. Die Abstandfläche liege auf dem angrenzenden Flurstück , dessen Eigentümer der Sohn des Klägers sei. Dieser habe mittlerweile die Eintragung einer Vereinigungsbaulast beantragt.
15Der Kläger hat beantragt,
16den Landrat des Kreises Soest unter Aufhebung seines Bescheides vom 18. November 2002 und des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 10. April 2003 zu verpflichten, den Bauantrag vom 24. Oktober 2002 betreffend die Errichtung einer Windenergieanlage vom Typ ENERCON E-66/18.70 auf dem Grundstück Gemarkung Bad Sassendorf, Flur , Flurstück , zu genehmigen,
17hilfsweise zusätzlich,
18den Landrat des Kreises Soest zu verpflichten, die beantragte Vereinigungsbaulast einzutragen,
19äußerst hilfsweise,
20den Landrat des Kreises Soest zu verpflichten, ihn - den Kläger - bezüglich des Bauantrages entsprechend zu bescheiden,
21weiter hilfsweise,
22festzustellen, dass die Versagung der beantragten Baugenehmigung bis zum Inkrafttreten der 1. Änderung der 35. Änderung des Flächennutzungsplanes der Beigeladenen am 6. November 2003 rechtswidrig gewesen ist,
23weiterhin hilfsweise, den Landrat des Kreises Soest zu verpflichten, einen Bauvorbescheid zu erteilen unter Ausklammerung der Frage des Landschaftsschutzes, insbesondere der Frage der Befreiung vom Bauverbot der Landschaftsschutzverordnung, sowie unter Ausklammerung der Frage der bauordnungsrechtlichen Abstandserfordernisse,
24weiter hilfsweise,
25zu dem entsprechenden Hilfsantrag betreffend Bauvorbescheid die Ausklammerung auch der Frage der Erschließung.
26Der Landrat des Kreises Soest hat unter Bezugnahme auf die angefochtenen Bescheide beantragt,
27die Klage abzuweisen.
28Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie hat den angegriffenen Flächennutzungsplan verteidigt und ausgeführt, dass dieser dem Vorhaben entgegenstehe.
29Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 20. April 2004 - 4 K 1055/03 - abgewiesen. Es hat unter anderem darauf abgestellt, dass das Vorhaben in einem Landschaftsschutzgebiet liege und keine Befreiung oder Ausnahme erteilt sei. Ob der Flächennutzungsplan in der Fassung der 1. Änderung der 35. Änderung wirksam sei, hat das Verwaltungsgericht - allerdings unter Hinweis auf einen "Plausibilitätsbruch" der Begründung - offengelassen.
30Durch Urteil vom 14. Dezember 2005 - 1 K 985/04 - hat das Verwaltungsgericht auch die auf Erteilung einer landschaftsrechtlichen Ausnahme gerichtete Klage abgewiesen: Die Sicherstellungsverordnung vom 8. Dezember 2004 sei wirksam. Ein Anspruch auf Zulassung einer Ausnahme oder Erteilung einer Befreiung stehe dem Kläger nicht zu.
31Gegen beide Urteile hat der Kläger Anträge auf Zulassung der Berufung gestellt.
32Nach Zulassung der Berufung in dem baurechtlichen Verfahren durch Beschluss vom 20. Juli 2005 hat der Kläger sein Klagebegehren unter Bezugnahme auf die zum 1. Juli 2005 eingetretene Rechtsänderung (vgl. § 67 Abs. 9 BImSchG) mit Schreiben vom 1. Februar 2006 dahin umgestellt, dass er von der nunmehr beklagten Bezirksregierung die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung begehrt.
33Daraufhin ist die Beklagte in eine ergänzende Prüfung des Begehrens eingetreten. Im Rahmen dieses Verfahrens hat der Kläger im Januar 2007 eine FFH- Verträglichkeitsprüfung des Landschaftsarchitekten Dr. M. eingereicht. Darin heißt es: Im Untersuchungsgebiet befänden sich keine Brutplätze der Wiesenweihe und Rohrweihe; die nächsten Brutplätze seien 4 bis 5 km entfernt. Es handele sich aber um ein regelmäßig beflogenes Jagd- und Nahrungsgebiet für Weihen. Der Mornellregenpfeifer komme fast nur als Herbstdurchzügler vor. Für alle drei Arten bestehe kein erhöhtes Vogelschlagrisiko. Die Beeinträchtigung liege unterhalb der Bagatellschwelle von 2,6 ha (nach Lamprecht, 2004). Bei einem direkten Flächenverlust von 200 m2 sowie unter Berücksichtigung eines Meidungsverhaltens, durch das die Funktion nicht vollständig gemindert werde, liege die Beeinträchtigung bei 0,6 ha bis maximal 1,57 ha. Der Flugkorridor sei nicht beeinträchtigt, da die Anlagenstandorte in einer Linie parallel zur Zugrichtung lägen.
34Hierzu hat die Untere Landschaftsbehörde am 13. März 2007 wie folgt Stellung genommen: Erhebliche Beeinträchtigungen des Vogelschutzes könnten nicht ausgeschlossen werden. Der direkte Flächenverlust durch Versiegelung sei größer als von Dr. M. angenommen, da auch die Kranstellfläche zu berücksichtigen sei. Zu diesem direkten Flächenverlust, der insgesamt 1.250 m2 betrage, komme der indirekte Flächenverlust durch Luftturbulenzen, Schall und optische Wirkung hinzu. Die vom Rotor bestrichene Fläche umfasse 3.400 m2. Auch der Höhenversatz der beiden Anlagen und die kumulative Wirkung mit zukünftigen Siedlungsentwicklungen seien relevant. Die FFH-Verträglichkeitsprüfung sei insoweit unvollständig, als Karten zu Brutstandorten und Flugbewegungen fehlten. Ferner sei der Untersuchungsraum zu klein; im ca. 1,5 km südlich gelegenen Bereich des "Faulen Poth" befänden sich Standorte rufender Wachtelkönige und Brutstandorte von Wiesenweihen. Wenn jagende Männchen der Wiesenweihe 100 m Abstand von Windkraftanlagen hielten, sei die vom Rotor bestrichene Fläche anders als von Dr. M. angenommen nicht nur mit ca. 20 % zu berücksichtigen. Hinsichtlich der Wachtelkönige südlich der Autobahn sei die Bagatellgrenze von 1.600 m2 schon bei einem Abstand von 300 m und einer Berücksichtigung von 20 % überschritten. Des weiteren sei einzubeziehen, dass der Standort innerhalb des engen Flugkorridors zwischen Bad Sassendorf und Soest liege. Außerdem hätten die Auswirkungen auf den Rotmilan berücksichtigt werden müssen. In einer Entfernung von 6 bis 7 km seien Rotmilanpaare nachgewiesen; diese hätten einen Aktionsradius von 6 bis 7 km.
35Im Hinblick auf die Konzentrationswirkung der nunmehr begehrten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung haben der Kläger und der Landrat des Kreises Soest das landschaftsrechtliche Verfahren (8 A 584/06 - OVG NRW -/ 1 K 985/04 - VG Arnsberg -) im Juni 2006 für erledigt erklärt.
36Zur Begründung seiner Berufung im vorliegenden Verfahren wiederholt und vertieft der Kläger sein bisheriges Vorbringen. Ergänzend führt er aus: Auch die 2. Änderung der 35. Änderung des Flächennutzungsplans der Beigeladenen sei fehlerbehaftet. Die landschaftsrechtliche Sicherstellungsverordnung stehe dem Vorhaben nicht entgegen. Sie überschreite den Ermächtigungsrahmen des § 42 e LG NRW. Anhand der im Amtsblatt veröffentlichten Karte im Maßstab 1:150.000 sei zudem nicht erkennbar, dass der Vorhabenstandort innerhalb des Schutzgebiets liege. Die im gerichtlichen Verfahren vorgelegte Karte im Maßstab 1:25.000 sei nicht bekannt gemacht worden. Darüber hinaus sei der Grenzverlauf auch deshalb unbestimmt, weil er sich nicht an den vorhandenen Wegen und Grundstücksgrenzen orientiere. Im Übrigen sei der Standort der geplanten Anlage in den vom Kreis Soest zu den Akten gereichten Karten falsch wiedergegeben; ausweislich der Planzeichnungen, die Gegenstand des Bauantrags gewesen seien, liege er weiter östlich, mithin außerhalb des Landschaftsschutzgebiets.
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Der Kläger beantragt,
39das Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 20. April 2004 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Landrats des Kreises Soest vom 18. November 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. April 2003 zu verpflichten, ihm auf seinen Antrag vom 24. Oktober 2002 eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Windkraftanlage vom Typ Enercon E-66/18.70 auf dem Grundstück Gemarkung Bad Sassendorf, Flur , Flurstück , zu erteilen,
40hilfsweise,
41die Beklagte zu verpflichten, ihm einen immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid zu erteilen unter Ausklammerung der Frage der bauordnungsrechtlichen Abstanderfordernisse,
42weiter hilfsweise,
43die Beklagte zu verpflichten, ihm einen immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid zu erteilen unter Ausklammerung der Frage der bauordnungsrechtlichen Abstanderfordernisse und der Erschließung,
44weiter hilfsweise,
45Beweis zu erheben über die Behauptungen, dass
46der Vorhabenstandort weder innerhalb eines traditionellen Brutgebietes noch eines regelmäßig genutzten Flugkorridors der Wiesenweihe, der Rohrweihe, des Rotmilans, des Wachtelkönigs oder des Kiebitzes liegt,
47die Errichtung der streitgegenständlichen Anlage nicht zu der Aufgabe eines lokalen Vorkommens oder Reviers einer der genannten Vogelarten führt und keine Beeinträchtigung einer funktionalen Lebensraumbeziehung für letztere zur Folge hat,
48die Errichtung der streitgegenständlichen Anlage weder zu einer Barrierewirkung noch zu einem Kollisionsrisiko für die genannten Vogelarten führt,
49unterstellte Einzelkollisionen mit der streitgegenständlichen Anlagen keine populationsrelevanten Auswirkungen auf die genannten Vogelarten haben,
50ein günstiger Erhaltungszustand sowie ein günstiges Entwicklungspotential der genannten Vogelarten innerhalb des Vogelschutzgebietes Hellwegbörde besteht,
51jeweils durch Einholung eines avifaunistischen Sachverständigengutachtens,
52Beweis zu erheben über die Behauptung, dass sich der Standort der streitgegenständlichen Anlage außerhalb des sichergestellten Landschaftsschutzgebiets befindet,
53durch Einholung eines Gutachtens eines öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs,
54Beweis zu erheben über die Behauptung, dass es sich bei dem Vorhabenbereich und dem umliegenden Bereich nicht um einen landschaftlich besonders schützenswerten Bereich handelt und dass die streitgegenständliche Anlage nicht zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung bzw. einer Verunstaltung des Landschaftsbildes führt,
55durch Augenscheinseinnahme durch das Gericht,
56durch Sachverständigengutachten zur Landschaftsbildbeeinträchtigung nach Nohl.
57Die Beklagte beantragt,
58die Berufung zurückzuweisen.
59Sie trägt vor: Das Vorhaben sei nicht genehmigungsfähig, weil es nach Maßgabe des Flächennutzungsplans der Beigeladenen bauplanungsrechtlich unzulässig sei. Außerdem habe die Gemeinde - nochmals mit Schreiben vom 18. Mai 2006 - ihr Einvernehmen versagt. Ferner stünden dem Vorhaben Belange des Vogelschutzes und des Landschaftsschutzes entgegen. Die erforderliche landschaftsrechtliche Ausnahmegenehmigung könne nicht erteilt werden. Zudem wäre die Errichtung der Anlage mit einer Verunstaltung des Landschaftsbilds verbunden, da diese an dem weit einsehbaren Standort in der typischen und reizvollen Bördelandschaft grob unangemessen wäre. Im Anschluss an die Stellungnahme der Unteren Landschaftsbehörde könne nicht angenommen werden, dass das Vorhaben keine nachteiligen Folgen auf die Lebensbedingungen der im Vogelschutzgebiet geschützten Arten habe. Schließlich sei nach einer Stellungnahme der Beigeladenen die Erschließung nicht gesichert; ein der Beigeladenen vom Kläger unterbreitetes Angebot sei nach deren Einschätzung mangels aussagekräftiger Unterlagen nicht annahmefähig. Allerdings seien die im Hinblick auf den geringen Abstand zum Nachbargrundstück erforderliche und bislang fehlende Baulasteintragung sowie die Sicherstellung der Rückbauverpflichtung nach § 35 Abs. 5 BauGB keine unüberwindbaren Genehmigungshindernisse. Auch die spezifisch immissionsschutzrechtlichen Anforderungen hinsichtlich Schall und Schatten seien erfüllt bzw. durch Nebenbestimmungen sicherzustellen.
60Die Beigeladene beantragt,
61die Berufung zurückzuweisen.
62Sie trägt vor: Sie verweigere weiterhin ihr Einvernehmen und halte ihren Flächennutzungsplan jedenfalls in der Fassung der 2. Änderung der 35. Änderung für wirksam. Der Planung seien Abstände von 300 m bis 400 m zu Einzelgebäuden im Außenbereich und von 500 m bis 600 m zu Dorf- und Mischgebieten zugrunde gelegt worden. Ferner seien entsprechend der FFH-Gebietsmeldung bestimmte Bereiche als Entwicklungskorridore ausgeklammert worden. Die Verkleinerung der Vorrangzone beruhe darauf, dass aufgrund der planerischen Nutzungs- und Erweiterungsmöglichkeiten innerhalb des Entwicklungskorridors Bahnhof I. /Ortschaft N. ein Abstand von 600 m in südwestlicher Richtung berücksichtigt worden sei. Von einer FFH-Verträglichkeitsprüfung sei abgesehen worden, weil aufgrund der Umweltprüfung, die im Umweltbericht als Teil des Erläuterungsberichts dokumentiert worden sei, keine absehbaren erheblichen Beeinträchtigung hätten festgestellt werden können. Von Bedeutung sei in diesem Zusammenhang auch die Auffassung des zuständigen Landesministeriums (MUNLV) zur Unerheblichkeit von Beeinträchtigungen bei bestehenden Anlagen gewesen. Unabhängig von dem entgegenstehenden Flächennutzungsplan stünden dem Vorhaben die Belange des Vogel- und des Landschaftsschutzes entgegen. Ferner seien regionalplanerische Vorgaben berührt: So seien insbesondere der Ausbau des Fremdenverkehrs sowie die Erhaltung geschichtlich und städtebaulich wertvoller Ortsbilder sowie die Entwicklung von Erholungsbereichen beabsichtigt. Im Rahmen der 22. Änderung des Regionalplans solle das Vogelschutzgebiet "Hellwegbörde" als Bereich für den Schutz der Landschaft mit besonderer Bedeutung für die Vogelarten des Offenlandes (BSLV) dargestellt werden.
63Der Senat hat eine naturschutzfachliche Stellungnahme des Sachverständigen Dr. Z. (Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen) eingeholt und den Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vernommen. In seiner schriftlichen Stellungnahme vom 16. November 2007 und in der mündlichen Verhandlung hat der Sachverständige Folgendes ausgeführt: Brutplätze der wertgebenden Arten des Vogelschutzgebiets "Hellwegbörde" seien durch das Vorhaben nicht unmittelbar betroffen. Wiesenweihe und Rohrweihe, die beide offene und weitläufige Gebiet zur Brut und zur Jagd benötigten, kämen dort aber regelmäßig vor. Das Vorhabengebiet sei Teil eines Freiraums zwischen Soest und Bad Sassendorf mit offener Feldflur, der sich sowohl nach Norden als auch nach Süden zu großflächigen, nicht durch größere Ortschaften unterbrochenen Offenräumen erweitere. Der nördliche Raum zwischen B 475 im Westen und R. /A. im Osten sei regelmäßiges Acker-Brutgebiet der Rohrweihe und unregelmäßiges Brutgebiet der Wiesenweihe. Der südlich angrenzende Bereich sei unregelmäßiges Brutgebiet der Wiesenweihe. Nach Daten, die die Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz (ABU) im Jahr 2003 gesammelt habe, seien das Vorhabengebiet und seine Umgebung in jenem Jahr Funktionsraum der wertgebenden Arten gewesen, insbesondere Flug- und Jagdgebiet eines Wiesenweihen-Brutpaares, das 3,5 km nördlich gebrütet habe, und Jagd- und Fluggebiet von Rohrweihen, die in den nördlich angrenzenden Feldfluren gebrütet hätten. Das Vorhabengebiet stelle einen regelmäßig genutzten Verbindungs- und Jagdraum zwischen wichtigen Brut- und Nahrungsgebieten südlich und nördlich der B 1 dar. Da das Vogelschutzgebiet auf eine Erhaltung weiter und offener Räume ziele, müssten Verschiebungen und Ausbreitungen möglich bleiben. Nicht zuletzt um dies zu ermöglichen, sei das Vogelschutzgebiet großräumig ausgewiesen worden. Wiesen- und Rohrweihen überflögen Ortschaften in der Regel nicht, so dass für Flugbewegungen in diesem Raum nur der Korridor zwischen Soest und Bad Sassendorf bleibe, der ohnehin nur ca. 1 km breit sei und in dem sich darüber hinaus bereits eine Windkraftanlage befinde. Die Wirkungen beider Anlagen könnten sich - auch mit Blick auf den Höhenversatz - summieren; das gelte sowohl für eine mögliche Barrierewirkung - ein Meideverhalten sei eher bei der Wahl des Brutplatzes zu beobachten - als auch für ein etwaiges Kollisionsrisiko, das eher während des Nahrungssuchflugs drohe. Die Höhe des Kollisionsrisikos sei auf bisheriger Datengrundlage nicht quantitativ einschätzbar. In einer Zusammenstellung der Vogelschutzwarte Brandenburg, die allerdings keine bundesweite, systematische Erhebung darstelle, sei für Wiesen- und Rohrweihe jeweils nur ein Opfer dokumentiert. Da Wiesenweihen selbst in guten Nahrungsjahren nur mit ca. 40 Brutpaaren und Rohrweihen nur mit ca. 120 Brutpaaren in Nordrhein-Westfalen vertreten seien, sei jedes Brutpaar populationsökologisch relevant. Alles in allem sei das Ausmaß der Beeinträchtigung nur schwer zu beurteilen. Weder eine Nichtbeeinträchtigung noch eine Beeinträchtigung könnten mit wissenschaftlicher Sicherheit prognostiziert werden; da es sich aber um einen Funktionsraum für die beiden wertgebenden Arten Rohr- und Wiesenweihe handele, der in Räume mit höherer Funktionalität eingebettet sei, könne eine Beeinträchtigung der Schutzziele des Vogelschutzgebiets nicht ausgeschlossen werden. Ergänzend sei anzumerken, dass in der FFH- Verträglichkeitsprüfung eine Gefahrenabschätzung bezüglich des Rotmilans und des Wachtelkönigs fehle. Beim Durchfliegen des Korridors zwischen Soest und Bad Sassendorf könnte insbesondere der Wachtelkönig gefährdet sein, da er ein Nachtzieher sei.
64Der Kläger ist den Ausführungen des Sachverständigen unter Hinweis auf Stellungnahmen des Herrn Dr. M. , der in der mündlichen Verhandlung ergänzend angehört worden ist, und des Herrn Dipl.-Forsting. V. , auf die Bezug genommen wird, entgegengetreten.
65Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie die Gerichtsakte des erledigten Verfahrens 8 A 584/06 nebst Beiakten Bezug genommen.
66Entscheidungsgründe:
67Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Kläger kann weder die mit seinem Hauptantrag erstrebte Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die streitige Windkraftanlage noch die mit dem Hilfsantrag beantragte Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids beanspruchen.
68A. Rechtsgrundlage für die begehrte immissionsschutzrechtliche Genehmigung ist § 6 Abs. 1 i.V.m. § 5 BImSchG. Nach diesen Vorschriften ist die - hier nach § 4 BImSchG i.V.m. Nr. 1.6 des Anhangs zur Vierten BImSchV in der seit dem 1. Juli 2005 geltenden Fassung (BGBl. I S. 1687) erforderliche - immissionsschutzrechtliche Genehmigung zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 BImSchG ergebenden Pflichten erfüllt werden und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen. Die sich hiernach ergebenden Genehmigungsvoraussetzungen sind nicht erfüllt.
69Das Vorhaben ist zwar nicht deshalb bauplanungsrechtlich unzulässig, weil durch den Flächennutzungsplan der Beigeladenen für die Errichtung von Windkraftanlagen eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist (I.). Es kann aber deshalb nicht genehmigt werden, weil nicht auszuschließen ist, dass die Errichtung und der Betrieb einer - weiteren - Windkraftanlage zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Europäischen Vogelschutzgebiets "Hellwegbörde" in den für dessen Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen würde (II.) und weil es darüber hinaus mit der ordnungsbehördlichen Sicherstellungsverordnung vom 8. Dezember 2004 unvereinbar ist (III.).
70I. Der Flächennutzungsplan der Beigeladenen schließt das Vorhaben des Klägers bauplanungsrechtlich nicht aus.
711. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des im Außenbereich geplanten Vorhabens richtet sich nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB. Danach darf ein Vorhaben, das wie die geplante Windkraftanlage der Nutzung der Windenergie dient und deshalb im Außenbereich an sich privilegiert zulässig ist, u.a. dann nicht zugelassen werden, wenn ihm öffentliche Belange entgegenstehen. Für Windkraftanlagen und andere Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 - 6 BauGB bestimmt § 35 Abs. 3 BauGB, dass ihnen in der Regel auch dann öffentliche Belange entgegenstehen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist. Der Ausschluss solcher Anlagen auf Teilen des Plangebiets lässt sich nach der Wertung des Gesetzgebers aber nur rechtfertigen, wenn der Plan sicherstellt, dass sich die betroffenen Vorhaben an anderer Stelle gegenüber konkurrierenden Nutzungen durchsetzen. Dem Plan muss daher ein schlüssiges gesamträumliches Planungskonzept zugrunde liegen, das den allgemeinen Anforderungen des planungsrechtlichen Abwägungsgebots gerecht wird.
72Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2002 - 4 C 15.01 -, BVerwGE 117, 287, 294 ff.
73Das Abwägungsgebot nach § 1 Abs. 7 BauGB ist verletzt, wenn eine sachgerechte Abwägung überhaupt nicht stattfindet. Im Weiteren ist es verletzt, wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss. Es ist ferner verletzt, wenn die Bedeutung der betroffenen privaten Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet.
74Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1969 - 4 C 105.66 -, BVerwGE 34, 301, 309.
75Ausgehend von diesen allgemeinen Anforderungen des Abwägungsgebots und dem Erfordernis eines schlüssigen gesamträumlichen Planungskonzepts muss die gemeindliche Entscheidung über die Ausweisung von Flächen für die Windkraftnutzung im Flächennutzungsplan nicht nur Auskunft darüber geben, von welchen Erwägungen die positive Standortzuweisung getragen wird. Sie muss auch deutlich machen, welche städtebaulichen Gründe es rechtfertigen, den übrigen Planungsraum von Windkraftanlagen freizuhalten. Die öffentlichen Belange, die für die negative Wirkung der planerischen Darstellung ins Feld geführt werden, sind mit dem Anliegen, der Windkraftnutzung "an geeigneten Standorten eine Chance" zu geben, die ihrer Privilegierung gerecht wird, nach Maßgabe des § 1 Abs. 7 BauGB abzuwägen. Ebenso wie die positive Aussage müssen sie sich aus den konkreten örtlichen Gegebenheiten nachvollziehbar herleiten lassen.
76Allerdings ist es einer Gemeinde verwehrt, den Flächennutzungsplan als Mittel zu benutzen, das ihr dazu dient, unter dem Deckmantel der Steuerung Windkraftanlagen in Wahrheit zu verhindern. Bei einer bloßen "Feigenblatt"-Planung, die auf eine verkappte Verhinderungsplanung hinausläuft, darf sie es nicht bewenden lassen. Vielmehr muss sie der Privilegierungsentscheidung des Gesetzgebers Rechnung tragen und für die Windkraftnutzung in substanzieller Weise Raum schaffen. Wo die Grenze zur Verhinderungsplanung verläuft, lässt sich nicht abstrakt bestimmen. Beschränkt sich die Gemeinde darauf, eine einzige Konzentrationszone auszuweisen, so ist dies, für sich genommen, noch kein Indiz für einen fehlerhaften Gebrauch der Planungsermächtigung. Das gilt auch dann, wenn es im Gemeindegebiet weitere Flächen gibt, die sich von ihren Standortbedingungen her im Vergleich mit der ausgewiesenen Konzentrationszone für die Errichtung von Windkraftanlagen ebenso gut oder noch besser eignen. Die Feststellung, dass sich diese oder jene Fläche für Zwecke der Windkraftnutzung eignet, ist nur ein Gesichtspunkt, der bei der planerischen Abwägung gebührend zu berücksichtigen ist, bei der Standortwahl aber nicht zwangsläufig den Ausschlag geben muss. Auch Größenangaben sind, isoliert betrachtet, als Kriterium für eine missbilligenswerte Verhinderungstendenz ungeeignet. Die ausgewiesene Fläche ist nicht nur in Relation zu setzen zur Gemeindegröße, sondern auch zur Größe der Gemeindegebietsteile, die für eine Windkraftnutzung, aus welchen Gründen auch immer, nicht in Betracht kommen. Dazu gehören nicht zuletzt die besiedelten Bereiche, zusammenhängende Waldflächen sowie Flächen, die aufgrund der topographischen Verhältnisse im Windschatten liegen. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, in welchem Umfang Teile des Gemeindegebiets förmlich unter Landschaftsschutz gestellt, damit dem planerischen Zugriff der Gemeinde weitgehend entzogen und einer baulichen Nutzung auch sonst nicht ohne weiteres zugänglich sind. Denn durch derartige Unterschutzstellungen sind den Entfaltungsmöglichkeiten der Windkraftnutzung in den betroffenen Bereichen enge Grenzen gesetzt.
77Vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Dezember 2002 - 4 C 15.01 -, a.a.O., 295 ff., vom 13. März 2003 - 4 C 4.02 -, BVerwGE 118, 33, 37, und vom 21. Oktober 2004 - 4 C 2.04 -, BVerwGE 122, 109, 111.
78Für die Rechtmäßigkeit der Flächenauswahl sind allein die Erwägungen maßgeblich, die tatsächlich Grundlage der Abwägungsentscheidung des Rats der Gemeinde waren. Entscheidend für die gerichtliche Überprüfung sind damit in erster Linie die Verlautbarungen in dem Erläuterungsbericht, der bei der abschließenden Beschlussfassung über den Flächennutzungsplan bzw. dessen Änderung mitbeschlossen wird, sowie die Erwägungen z.B. in den entsprechenden Verwaltungsvorlagen, denen der Rat der Gemeinde bei seiner abschließenden Beschlussfassung gefolgt ist.
79Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. Mai 2004 - 7 A 3368/02 -, NuR 2004, 690.
80Mängel, die einzelnen Festsetzungen eines Bauleitplans anhaften, führen zu dessen Gesamtnichtigkeit, wenn die übrigen Regelungen oder Festsetzungen eine in jeder Hinsicht den gesetzlichen Anforderungen gerecht werdende, sinnvolle städtebauliche Ordnung nicht bewirken können. Die Konzentrationsplanung von Windkraftanlagen in einem Flächennutzungsplan ist deshalb insgesamt nichtig, wenn dem Plan mangels ausreichender ("substantieller") Darstellungen von Positivflächen für die Errichtung von Windkraftanlagen kein schlüssiges gesamträumliches Planungskonzept zugrunde liegt. Der Planbetroffene kann sich daher auf die Unwirksamkeit des Flächennutzungsplans auch mit der Begründung berufen, Alternativstandorte seien nicht richtig abgewogen.
81Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 2004 - 4 C 2.04 -, a.a.O.; OVG Nds., Urteil vom 24. März 2003 - 1 LB 3571/01 -, ZfBR 2003, 792 = BRS 66 Nr. 14.
82Mängel im Abwägungsvorgang sind gemäß § 214 Abs. 3 Satz 2 Alt. 2 BauGB allerdings nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind.
83Vgl. zum Ganzen: OVG NRW, Urteile vom 19. Juni 2007 - 8 A 2677/06 -, ZNER 2007, 237, und vom 15. März 2006 - 8 A 2672/03 -, BauR 2006, 1715.
842. Ausgehend von diesen Grundsätzen steht dem Vorhaben des Klägers die Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB nicht entgegen. Die 35. Änderung des Flächennutzungsplans der Beigeladenen in der zuletzt im Jahr 2005 beschlossenen Fassung der 2. Änderung ist ebenso unwirksam wie die vorangegangene Fassung der 1. Änderung aus dem Jahr 2003 und die ursprüngliche Fassung aus dem Jahr 1999.
85a) Die 35. Änderung des Flächennutzungsplans in der Fassung der 2. Änderung leidet an Mängeln, die zur Nichtigkeit der Vorrangzonenplanung führen.
86aa) Ein erheblicher Abwägungsmangel folgt daraus, dass das von der Beigeladenen bei ihrer Abwägung zugrunde gelegte Abwägungsmaterial unvollständig ermittelt und bewertet war (vgl. § 2 Abs. 3 BauGB). Die Beigeladene hat es zu Unrecht unterlassen, im Planaufstellungsverfahren eine FFH- Verträglichkeitsprüfung durchzuführen. Daher ist nicht sichergestellt, dass Windkraftvorhaben im Bereich der Konzentrationszone genehmigungsfähig sind.
87Die Notwendigkeit, die Verträglichkeit der Ausweisung einer Vorrangzone für Zwecke der Windkraftnutzung innerhalb des Europäischen Vogelschutzgebiets "Hellwegbörde" mit den Erhaltungszielen dieses Gebiets im Planaufstellungsverfahren zu prüfen, folgt aus § 1 a Abs. 4 i.V.m. § 1 Abs. 6 Nr. 7 Buchst. b BauGB und den §§ 37 Abs. 1 Satz 2, 35 Satz 2 und 34 BNatSchG. Danach ist die FFH-Verträglichkeit eines Vorhabens schon im Verfahren zur Aufstellung eines Bauleitplans zu prüfen, wenn das Projekt (hier: die Planung) zu erheblichen Beeinträchtigungen eines Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann.
88Vgl. Schliepkorte, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 1 a Rn. 153.
89Dafür ist nicht erforderlich, dass der Standort des aufgrund des Bauleitplans ermöglichten Vorhabens im Vogelschutzgebiet liegt; es reicht aus, dass sich das Vorhaben auf den Schutzzweck auswirken kann.
90Vgl. Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 10. Aufl., 2007, § 1 a Rn. 33.
91Das drängt sich bei einem inmitten des Vogelschutzgebiets gelegenen und zudem relativ kleinen Vorranggebiet ohne weiteres auf. Wird beispielsweise eine Windkraftanlage - wie hier tatsächlich geschehen - an der Grenze des Vorranggebiets zum Vogelschutzgebiet errichtet, liegt ein großer Teil des Einwirkungsbereichs unmittelbar im Vogelschutzgebiet. Dass die Fläche der Vorrangzone bei der Gebietsmeldung aus dem Vogelschutzgebiet ausgenommen worden ist, ist bei dieser Sachlage für die Frage, ob die Planung im Schutzgebiet zu erheblichen Beeinträchtigungen führen kann, ohne Belang.
92Die Regelung des durch das Europarechtsanpassungsgesetz Bau (EAG Bau) vom 24. Juni 2004, BGBl. I S. 1359, eingefügten § 1 a Abs. 4 BauGB ist hier anwendbar. Gemäß dem in § 233 Abs. 1 Satz 1 BauGB geregelten Grundsatz sind Verfahren, die vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung förmlich eingeleitet worden sind, nach den bisher geltenden Vorschriften abzuschließen. Zwar enthält die für das EAG Bau geltende spezielle Überleitungsvorschrift in § 244 BauGB Ausnahmen von dem Grundsatz des § 233 BauGB; der hier vorliegende Fall ist davon jedoch nicht erfasst. Ausgehend von § 233 BauGB gilt das BauGB in der Fassung des EAG Bau, die am 20. Juli 2004 in Kraft getreten ist. Das Verfahren zur 2. Änderung der 35. Änderung des FNP wurde am 7. September 2004 eingeleitet. Die Beschlussfassung erfolgte am 22. Juni 2005.
93Darauf, dass die Gebietsmeldung erst nach Einleitung des Bauleitplanverfahrens, nämlich im Dezember 2004, erfolgte, kommt es nicht an, so dass hier dahinstehen kann, ob das Gebiet zuvor als faktisches Vogelschutzgebiet anzusehen war, wovon die Beigeladene im Aufstellungsverfahren allerdings selbst ausging.
94Die in die bauleitplanerische Abwägung zu integrierende FFH- Verträglichkeitsprüfung dient zum Einen der frühzeitigen Ermittlung der abwägungserheblichen Belange, hier der Eignung der Fläche für die Errichtung und den Betrieb von Windkraftanlagen. Zum Anderen schränken die Ergebnisse der FFH- Verträglichkeitsprüfung die planerische Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB über § 1 a Abs. 4 BauGB ein.
95Vgl. Schliepkorte, a.a.O., § 1 a Rn. 155.
96Die materiell-rechtlichen Anforderungen folgen aus Art. 6 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, ABl. EG L 206, S. 7 (FFH-RL), und sind durch §§ 48 c und 48 d LG NRW in nordrhein-westfälisches Landesrecht umgesetzt worden. Das davon abweichende Regime des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 79/409/EWG vom 2. April 1979, ABl. EG L 103, S. 1, zuletzt geändert durch die Richtlinie 2006/105/EG des Rates vom 20. November 2006, ABl. EG L 363, S. 368 (Europäische Vogelschutzrichtlinie - VS-RL -), ist mit dem Wirksamwerden der Ausweisung des Vogelschutzgebiets "Hellwegbörde" in dessen räumlichem Geltungsbereich durch die Bekanntmachung gemäß § 48 c Abs. 5 Satz 1 LG NRW hinter das Schutzregime des Art. 6 FFH-RL zurückgetreten.
97Vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 -, BVerwGE 128, 1, vom 16. März 2006 - 4 A 1075.04 -, BVerwGE 125, 116 (310), und vom 1. April 2004 - 4 C 2.03 -, BVerwGE 120, 276; OVG NRW, Urteil vom 11. September 2007 - 8 A 2696/06 -, juris.
98Das gilt jedenfalls dann, wenn man mit der Beigeladenen davon ausgeht, dass die Fläche der Konzentrationszone zu Recht von der Gebietsmeldung ausgenommen worden ist. Anderenfalls unterfiele die Vorrangfläche als faktisches Vogelschutzgebiet sogar dem strengeren Regime des Art. 4 Abs. 4 VS-RL. Darauf kommt es hier aber nicht.
99Inhaltlich gelten für die FFH-Verträglichkeitsprüfung eines Bauleitplans keine anderen Anforderungen als für die FFH-Verträglichkeitsprüfung eines einzelnen Vorhabens.
100Die Ausführungen im Umweltbericht (Nr. 9 des Erläuterungsberichts aus März 2005) genügen diesen Anforderungen nicht. Sie erschöpfen sich in dem Hinweis, dass die zum Zeitpunkt der Gebietsmeldung vorhandenen Vorrangzonen von der Gebietsmeldung ausgenommen worden seien. Die FFH-Verträglichkeit der mit der Darstellung einer Vorrangzone geplanten Windkraftanlagen, d.h. die Frage, ob und wie sich die dort bereits errichteten und aufgrund der Planung noch zu errichtenden Anlagen auf die geschützten Vogelarten auswirken, hat die Beigeladene ersichtlich nicht geprüft. Sie hat weder untersucht, welche Vögel dort - bislang - vorgekommen sind, noch welche mögliche Funktion der Bereich - z.B. als Brut- oder Jagdgebiet oder als Korridor für den Vogelzug - hat, noch ob diese Funktion zukünftig, nach Abbau der zur Zeit vorhandenen Windkraftanlagen, wieder hergestellt werden kann.
101Die Tatsache, dass der Bereich der Vorrangzone bei der Gebietsmeldung ausgenommen worden ist, bedeutet nicht, dass die Errichtung von Windkraftanlagen auf der betreffenden Fläche für die Schutzzwecke des Vogelschutzgebiets unerheblich wäre. Die Vorrangzone ist vielmehr ohne nähere ornithologische Prüfung geplant und genutzt worden. Im Übrigen ist auch die Beigeladene im vorangegangenen Verfahren bezüglich der 1. Änderung der 35. Änderung des Flächennutzungsplans davon ausgegangen, dass das Gemeindegebiet unter Berücksichtigung der Restriktionen zum Zwecke des Vogelschutzes keine für die Ausweisung einer Vorrangzone geeigneten Flächen aufweist.
102Die von der Beigeladenen angeführten Ausführungen des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (MUNLV) vermögen den Verzicht auf eine FFH-Verträglichkeitsprüfung nicht zu rechtfertigen. Zum Einen dürften sie einen anderen Fall betreffen, nämlich die Frage, ob im Fall eines Repowering eine Ausnahme von der Regel des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB angenommen werden kann. Zum Anderen wären sie, wenn sie auch den hier vorliegenden Fall erfassen sollten, unzutreffend, da sie den europa-, bundes- und landesrechtlichen Vorgaben zum Erhalt europäischer Vogelschutzgebiete nicht genügen. Denn eine ohne vorherige FFH-Verträglichkeitsprüfung erteilte Anlagengenehmigung belegt nicht, dass der Errichtung und dem Betrieb der genehmigten Anlage an dem konkreten Standort keine Naturschutzbelange entgegenstehen. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass der Flächennutzungsplan über einen reinen Bestandsschutz hinausgeht, indem statt der vorhandenen 85 m hohen Anlagen mit - wie dem Senat aus eigener Anschauung aufgrund des Ortstermins im Verfahren 8 A 2696/06 bekannt ist - vergleichsweise kleinen Rotoren die Errichtung von Anlagen mit einer Höhe bis 100 m zugelassen werden soll, was zugleich auch größere Rotoren und damit einen wesentlich vergrößerten Einwirkungsbereich ermöglicht. Dass derartigen Bestandsveränderungen in einer kleinen Zone inmitten eines Europäischen Vogelschutzgebiets eine Erheblichkeit in Bezug auf die Schutzziele nicht von vornherein ohne nähere Prüfung abgesprochen werden kann, liegt auf der Hand. Den Belangen des Vogelschutzes ist auch mit der Höhenbegrenzung auf 100 m nicht hinreichend Rechnung getragen. Die Habitatansprüche der ausweislich der Bekanntmachung der Gebietsmeldung geschützten Vogelarten hatte die Beigeladene dabei offenkundig nicht im Blick.
103bb) Darüber hinaus leidet die 2. Änderung der 35. Änderung des Flächennutzungsplans auch deshalb an einem erheblichen Abwägungsmangel, weil ein schlüssiges Plankonzept, das zu der Verkleinerung der ursprünglich ermittelten Vorrangfläche von ca. 9,3 ha um 3 ha auf 6,3 ha geführt hat, nicht ersichtlich ist.
104Auf Seite 5 des Erläuterungsberichts heißt es, dass in städtebaulicher Hinsicht die Korridore außerhalb der Vogelschutzgebiete Beachtung gefunden hätten. Letzteres treffe auf die bereits im Flächennutzungsplan dargestellte Konzentrationszone zu. Aus den Erläuterungen auf Seite 9 des Erläuterungsberichts folgt, dass ein Entwicklungskorridor zur Ortschaft Wiggeringhausen maßgeblich für die Verkleinerung der Zone gewesen sein soll. Aus dem vorliegenden Kartenmaterial ergibt sich aber, dass der zur Verkleinerung der Zone führende Korridor tatsächlich nicht die Ortschaft Wiggeringhausen (zu Erwitte), sondern den "Bahnhof I. " (ebenfalls zu Erwitte) umgibt. Die in diesem Bereich vorhandenen Gebäude sind indessen in roter Farbe, d.h. als Gebäude im Außenbereich dargestellt. Dem entspricht, dass der Bereich als solcher gelb, also ebenfalls als Außenbereich gekennzeichnet ist. Es handelt sich also gerade nicht um eine Ortschaft. Für derartige Bereiche sieht das Plankonzept indessen eine Abstandszone von (je nach Windrichtung) nur 300 m bis 400 m vor, nicht - wie hier zugrunde gelegt - von 600 m. Die rosafarbene Darstellung der Verkleinerungsfläche kennzeichnet nach der Legende des Arbeitsplans eine Abstandszone (300 m bis 800 m) außerhalb der Entwicklungsfreiräume des Vogelschutzgebiets. Was damit gemeint ist, warum ein solcher Entwicklungsfreiraum in Bezug auf die dem Außenbereich zugeordneten Gebäude im Bereich Bahnhof I. angesetzt worden ist und nach welchen Kriterien 300 m bzw. 800 m angesetzt werden, erschließt sich weder aus dem Kartenmaterial oder aus dem Erläuterungsbericht noch - ungeachtet der Frage, ob es darauf ankommen kann - aus dem Vorbringen der Beigeladenen im vorliegenden Verfahren. An ihrer zwischenzeitlichen Darstellung, dass die zugrunde gelegten Abstände aus dem Wiesenweihe-Schutzprogramm (der im März 2003 zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und mehreren Gemeinden sowie weiteren Vertragspartnern geschlossenen Vereinbarung) abgeleitet seien, hat die Beigeladene zuletzt nicht mehr festgehalten.
105Ein weiterer Abwägungsmangel in diesem Zusammenhang besteht darin, dass das Vorhandensein einer Vorrangzone auf dem angrenzenden Gemeindegebiet von Erwitte nicht berücksichtigt wurde. Nach dem im Planaufstellungsverfahren erstellten Kartenmaterial ist auf Sassendorfer Gebiet eine vorhandene Anlage ausgenommen worden. Jenseits der Gemeindegrenze steht in Erwitte allerdings ebenfalls eine Anlage in dem angeblichen Entwicklungskorridor. Nach den Ausführungen im Erläuterungsbericht (Seite 12 unten) stehen beide Anlagen, die sich in dem angeblichen Entwicklungskorridor befinden, in Erwitte. Unabhängig davon, ob die nördlichste Anlage zu Bad Sassendorf oder zu Erwitte gehört, gesteht die Beigeladene der Nachbarstadt Erwitte hier einen Entwicklungskorridor zu, der auf Erwitter Seite bereits mit mindestens einer Windkraftanlage bebaut und mit einer Vorrangzone beplant ist. Eine nachvollziehbare Begründung dafür ist nicht ersichtlich.
106b) Ist der Flächennutzungsplan in der Fassung der 2. Änderung der 35. Änderung demnach unwirksam, stellt sich die Frage, ob in einem solchen Fall der Flächennutzungsplan in der zuvor beschlossene Fassung der 1. Änderung aus dem 2003 fortgilt. Dafür, dass jedenfalls dies dem Willen der plangebenden Gemeinde entspricht, dürfte hier der Umstand sprechen, dass lediglich eine Verkleinerung der Konzentrationszone vorgenommen werden sollte und im Übrigen die Beseitigung etwaiger Mängel des vorherigen Plans beabsichtigt war, was schon die erneute Bezeichnung als 35. Änderung des Flächennutzungsplans nahe legt. Diese Frage bedarf hier keiner Klärung, weil auch diese Fassung infolge erheblicher Abwägungsmängel unwirksam ist.
107Ausgehend davon, dass die ausgewählte Vorrangfläche ausweislich des Arbeitsplans zum "Kerngebiet Wiesenweihe" zählt, handelt es sich nach dem der Planung zugrunde gelegten Konzept (vgl. Seite 8 des Erläuterungsberichts) um eine Ausschlussfläche. Dem entspricht die ausdrücklich geäußerte Einschätzung, dass auch die Fläche der "Konzentrationszone südöstlich von D. ... aus heutiger Sicht ... ebenfalls nicht mehr als geeignete Fläche anzusehen" sei (Seite 9 des Erläuterungsberichts).
108Das für die gleichwohl erfolgte Ausweisung dieser Fläche als Vorrangzone angeführte Bestandsschutzargument ist nicht tragfähig, weil der Flächennutzungsplan für den Bestandsschutz der dort errichteten Anlagen rechtlich unerheblich ist. Der Plan eröffnet lediglich die Möglichkeit, in dem - nach eigener Einschätzung der Gemeinde wegen entgegenstehender Belange des Vogelschutzes ungeeigneten - Bereich künftig neue und zudem größere Anlagen zu errichten. Das geht über einen Bestandsschutz deutlich hinaus. Zugleich wird mit dem Bestandsschutzargument die Schlüssigkeit des Plankonzepts durchgreifend in Frage gestellt, weil angesichts der von der Beigeladenen zugrunde gelegten ornithologischen Bedeutung der Fläche gerade nicht sichergestellt werden kann, dass sich die Windkraftnutzung dort zukünftig durchsetzt. Das könnte allenfalls faktisch der Fall sein, wenn bei künftigen Genehmigungsanträgen im Bereich der Vorrangfläche die Belange des Vogelschutzes nicht geprüft werden sollten. Das wäre aber rechtswidrig.
109c) Der Flächennutzungsplan in der Fassung der 35. Änderung aus dem Jahr 1999 ist ebenfalls wegen eines Abwägungsmangels fehlerhaft und demzufolge unwirksam.
110Ausgehend von den seinerzeit zugrunde gelegten Tabu- und Abstandsbereichen ergaben sich sieben größere neutrale Flächen. Sämtliche östlich der Stadt Soest gelegenen Flächen wurden ohne nachvollziehbare Begründung ausgeschieden. Das in diesem Zusammenhang angeführte Argument, die Flächen lägen im "Windschatten" größerer Ansiedlungen, trägt nicht, weil es - sollte es im physikalischen Sinne gemeint sein - im Widerspruch zu der Prämisse steht, dass nach den vorliegenden Erhebungen im gesamten Gemeindegebiet ausreichende Windhöffigkeit besteht. Wenn "Windschatten" im übertragenen Sinne zu verstehen sein sollte, wenn also damit allgemein die Nähe zu Wohnsiedlungsbereichen gemeint ist, stünde das im Widerspruch zu dem planerischen Konzept, wonach insbesondere ein Abstand von (lediglich) 1000 m zu Kur- und reinen Wohngebieten, 800 m zu allgemeinen Wohngebieten und 600 m zu sonstigen Wohnnutzungen eingehalten werden sollte. Die in Betracht kommenden "Windschatten"-Flächen, die als restriktionsfreie Flächen ermittelt worden waren, liegen in größeren Abständen zu den Wohnsiedlungsbereichen.
111Nicht bedenkenfrei sind auch die Ausführungen zu den ornithologischen Belangen. Ausweislich Seite 11 des Erläuterungsberichts sollte sich die ausgewählte Fläche in einer Entfernung von 200 m Entfernung von ornithologisch bedeutsamen Feldfluren befinden. Es ist indessen nicht erwogen worden, was die Errichtung eines Windparks für die ornithologischen Belange bedeutet, insbesondere hat die Beigeladene nicht berücksichtigt, um welche Vögel es sich handelte. Die im Zusammenhang mit der Höhenbegrenzung geäußerte These, dass 100 m die normale Flughöhe bei Singvögeln sei (Seite 12 des Erläuterungsberichts), lässt darauf schließen, dass die Beigeladene die ornithologische Bedeutung des Gebiets, die aus dem Vorhandensein von bedrohten Greifvogelarten folgt, verkannt hat.
112Ob die Höhenbegrenzung, die unter anderem - wohl selbstständig tragend - mit dem Schutz des Landschaftsbilds begründet worden ist, im Übrigen einer rechtlichen Überprüfung Stand hält, kann nach alldem dahinstehen.
113II. Das beabsichtigte Vorhaben des Klägers ist aber deshalb nicht genehmigungsfähig, weil ihm der Schutz des Europäischen Vogelschutzgebiets "Hellwegbörde" gemäß den durch § 48 c und § 48 d LG NRW umgesetzten Bestimmungen der FFH-Richtlinie entgegensteht. Es ist nämlich nicht auszuschließen, dass das Vorhaben zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Europäischen Vogelschutzgebiets "Hellwegbörde" in den für dessen Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen würde.
1141. Gemäß § 48 c Abs. 5 Satz 3 LG NRW gelten in Umsetzung der Vogelschutz-Richtlinie, auch in Verbindung mit der FFH-Richtlinie, in den Europäischen Vogelschutzgebieten § 48 c Abs. 4 und § 48 d und e LG NRW. Die sich aus diesen Bestimmungen ergebenden Beschränkungen für Vorhaben, die baurechtlicher bzw. - wie vorliegend Windkraftanlagen - immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen bedürfen (§ 48 c Abs. 5 Satz 4 Nr. 1 LG NRW), beruhen auf der Umsetzung von Art. 6 FFH-RL. Wie bereits erwähnt (A. I. 2. a) aa)), ist das davon abweichende Regime des Art. 4 Abs. 4 VS-RL mit dem Wirksamwerden der Ausweisung des Vogelschutzgebiets "Hellwegbörde" durch die Bekanntmachung gemäß § 48 c Abs. 5 Satz 1 LG NRW hinter das Schutzregime des Art. 6 FFH-RL zurückgetreten.
115§ 48 c Abs. 5 und § 48 d LG NRW genügen den sich aus Art. 6 FFH-RL ergebenden gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben. Sie entsprechen inhaltlich der Regelung des § 34 BNatSchG, die nach § 11 Satz 1 BNatSchG rahmenrechtlicher Natur ist, und setzen den in Art. 6 Abs. 3 und 4 FFH-RL angeordneten Gebietsschutz, der als speziellere Norm dem allgemeinen Störungs- und Verschlechterungsverbot nach § 6 Abs. 2 FFH-RL vorgeht,
116vgl. auch EuGH, Urteil vom 7. September 2004 - C-127/02 - (Rn. 35), NuR 2004, 788,
117wirksam in nationales Recht um. Etwaige Umsetzungsdefizite, die sich auf die Beurteilung des vorliegenden Falles auswirken könnten, sind durch eine gemeinschaftskonforme Auslegung des Landesrechts vermeidbar.
118Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 -, a.a.O.; OVG NRW, Urteil vom 13. Juli 2006 - 20 D 80/05.AK -, NuR 2007, 48.
119In verfahrensrechtlicher Hinsicht sind Vorhaben, die ein Europäisches Vogelschutzgebiet einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Plänen oder Projekten erheblich beeinträchtigen könnten, gemäß § 48 d Abs. 1 bis 3 LG NRW durch die für die Genehmigung zuständige Behörde einer Prüfung ihrer Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen des geschützten Gebiets zu unterziehen (FFH-Verträglichkeitsprüfung). Die dazu erforderlichen Angaben sind vom Vorhabenträger zu machen (§ 48 d Abs. 3 Satz 1 LG NRW). Die Genehmigungsbehörde trifft ihre Entscheidung im Benehmen mit der Landschaftsbehörde (§ 48 d Abs. 2 Satz 1 LG NRW). Die Bewertung der Ergebnisse der FFH-Verträglichkeitsuntersuchung durch die Genehmigungsbehörde unterliegt, soweit es um die Beurteilung geht, ob durch das Vorhaben eine erhebliche Beeinträchtigung in den für den Schutzzweck der Gebietsfestsetzung maßgeblichen Belangen eintreten würde, der vollen gerichtlichen Nachprüfung.
120Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 -, a.a.O (juris Rn. 38); OVG NRW, Urteil vom 11. September 2007 - 8 A 2696/06 -, a.a.O.; zum naturschutzfachlichen Beurteilungsspielraum vgl. im Übrigen BVerwG, Urteile vom 21. Juni 2006 - 9 A 28.05 -, BVerwGE 126, 166 = NuR 2006, 779, und vom 14. November 2002 - 4 A 15.02 -, BVerwGE 117, 149 = NuR 2003, 360.
121Materiell-rechtlich unterliegt das Vorhaben den Anforderungen der im Wesentlichen gleichlautenden Bestimmungen des § 48 c Abs. 5 Satz 4 Nr. 1 und § 48 d Abs. 4 LG NRW sowie den weiteren Verbotstatbeständen des § 48 c Abs. 5 Nr. 2 bis 4 LG NRW.
122§ 48 c Abs. 5 Nr. 1 und § 48 d Abs. 4 LG NRW bestimmen, dass Vorhaben, die zu erheblichen Beeinträchtigungen u.a. eines Europäischen Vogelschutzgebietes in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen können, vorbehaltlich der in § 48 d Abs. 5 bezeichneten Ausnahmen unzulässig sind.
123Mit dem Tatbestandsmerkmal der "erheblichen Beeinträchtigungen" knüpft das nordrhein-westfälische Recht an den Wortlaut von Art. 6 Abs. 3 Satz 1 FFH-RL an. Pläne oder Projekte können im Sinne dieser gemeinschaftsrechtlichen Norm das Gebiet erheblich beeinträchtigen, "wenn sie drohen, die für dieses Gebiet festgelegten Erhaltungsziele zu gefährden."
124Vgl. EuGH, Urteil vom 7. September 2004 - C-127/02 - (Rn. 49), a.a.O.
125Daraus folgt, dass Pläne oder Projekte nur dann zuzulassen sind, wenn die Gewissheit besteht, dass diese sich nicht nachteilig auf das geschützte Gebiet als solches auswirken. Grundsätzlich ist somit jede Beeinträchtigung von Erhaltungszielen erheblich und muss als Beeinträchtigung des Gebiets als solches gewertet werden. Unerheblich dürften im Rahmen des Art. 6 Abs. 3 FFH-RL nur Beeinträchtigungen sein, die kein Erhaltungsziel nachteilig berühren.
126Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 -, a.a.O (juris Rn. 41).
127Ob ein Vorhaben nach dem so konkretisierten Prüfungsmaßstab des § 48 c Satz 5 Nr. 1 und § 48 d Abs. 4 LG NRW zu "erheblichen Beeinträchtigungen" führen kann, ist danach vorrangig eine naturschutzfachliche Fragestellung, die anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalls beantwortet werden muss. Mit Blick auf die Erhaltungsziele des FFH-Gebiets stellt insofern der günstige Erhaltungszustand der geschützten Lebensräume und Arten ein geeignetes Bewertungskriterium dar. Es ist also zu fragen, ob sicher ist, dass ein günstiger Erhaltungszustand trotz Durchführung des Vorhabens stabil bleiben wird. Beim günstigen Erhaltungszustand einer vom Erhaltungsziel des FFH-Gebiets umfassten Tier- oder Pflanzenart geht es um ihr Verbreitungsgebiet und ihre Populationsgröße; in beiden Bereichen soll langfristig gesehen eine Qualitätseinbuße vermieden werden. Die damit beschriebene Reaktions- und Belastungsschwelle kann unter Berücksichtigung der konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls gewisse Einwirkungen zulassen. Diese berühren das Erhaltungsziel nicht nachteilig, wenn es etwa um den Schutz von Tierarten geht, die sich nachweisbar von den in Rede stehenden Beeinträchtigungen nicht stören lassen. Bei einer entsprechenden Standortdynamik der betroffenen Tierart führt nicht jeder Verlust eines lokalen Vorkommens oder Reviers zwangsläufig zu einer Verschlechterung des Erhaltungszustands. Selbst eine Rückentwicklung der Population mag nicht als Überschreitung der Reaktions- und Belastungsschwelle zu werten sein, solange sicher davon ausgegangen werden kann, dass dies eine kurzzeitige Episode bleiben wird.
128Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 -, a.a.O. (juris Rn. 45).
129Der günstige Erhaltungszustand eines im FFH-Gebiet geschützten Lebensraums wird in Art. 1 Abs. 2 Buchst. e 1. Anstrich FFH-RL dahingehend definiert, dass "sein natürliches Verbreitungsgebiet" sowie die Flächen, die er in diesem Gebiet einnimmt, beständig sind oder sich ausdehnen. Davon ausgehend sind Vorhaben, die einen direkten Flächenverlust für ein in den Schutzzweck der Gebietsausweisung einbezogenes Biotop bewirken, in besonderer Weise dazu geeignet, das Erhaltungsziel des Gebiets zu gefährden.
130Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 -, a.a.O. (juris Rn. 50); Halama, NVwZ 2001, 506, 510; Gellermann, NVwZ 2001, 500, 504.
131Ob in Fällen eines direkten Flächenverlustes eine Bagatellschwelle, die den Flächenverbrauch zu rechtfertigen vermag, anzuerkennen ist, ist in der Rechtsprechung bislang nicht geklärt. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Frage in seiner Entscheidung vom 17. Januar 2007
132- 9 A 20.05 -, a.a.O. (juris Rn. 51) -
133ausdrücklich offen gelassen. In diesem Zusammenhang hat das Bundesverwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass bei der Kartierung von Biotopvorkommen aus naturschutzfachlichen Gesichtspunkten angesetzte "Mindestflächengrößen" für die Rechtfertigung einer nachträglichen Verkleinerung oder sonstigen Beeinträchtigung eines Schutzgebiets naturschutzfachlich und rechtlich nicht geeignet sind.
134Allerdings ist nicht jeder Flächenverlust, den ein FFH-Gebiet infolge eines Vorhabens erleidet, notwendig mit einer Abnahme des Verbreitungsgebiets gleichzusetzen, weil der Gebietsschutz insoweit ein dynamisches Konzept verfolgen dürfte. Denn weiteres Ziel des Erhaltungszustands ist nach der FFH-Richtlinie, dass das "natürliche Verbreitungsgebiet dieser Art weder abnimmt noch in absehbarer Zeit vermutlich abnehmen wird" (2. Anstrich in Absatz 2 von Art. 1 Buchst. i FFH-RL). So ist es denkbar, dass die betroffene Art mit einer Standortdynamik ausgestattet ist, die es ihr unter den gegebenen Umständen gestattet, Flächenverluste selbst auszugleichen. Wenn auch der Erhaltung vorhandener Lebensräume regelmäßig Vorrang vor ihrer Verlagerung zukommt, kann in diesem Fall im Wege der Kompensation durch die Schaffung geeigneter Ausweichhabitate der günstige Erhaltungszustand der betroffenen Art gewährleistet werden.
135Vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 -, a.a.O. (juris Rn. 45), und vom 17. Mai 2002 - 4 A 28.01 -, BVerwGE 116, 254 = NuR 2002, 739; vgl. auch EuGH, Urteil vom 14. September 2006 - C-244/05 - (Rn. 46), NVwZ 2007, 61.
136Indem § 48 c Abs. 5 Satz 4 Nr. 1 und § 48 d Abs. 4 LG NRW auf die "für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteile" abstellen, schränken sie den durch sie gewährten Schutz auf die Arten nach Anhang II der FFH-RL, aufgrund derer das Gebiet ausgewählt wurde, sowie die in den geschützten Lebensraumtypen vorkommenden charakteristische Arten ein. Die Bestimmung des Begriffs der Erhaltungsziele ist § 3 b LG NRW i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 9 BNatSchG zu entnehmen. Danach gelten als Erhaltungsziele die Festlegungen zur Erhaltung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands der in einem FFH-Gebiet vorkommenden Lebensräume und Arten nach den Anhängen I und II der FFH-RL bzw. in Vogelschutzgebieten der Vogelarten, die in Anhang I der VS-RL aufgeführt oder in Art. 4 Abs. 2 dieser Richtlinie genannt sind. Nach § 48 c Abs. 2 LG NRW bestimmt die Schutzausweisung den Schutzzweck entsprechend den jeweiligen Erhaltungszielen und die erforderlichen Gebietsabgrenzungen. Fehlt es an einem festgelegten Schutzzweck, sind die Erhaltungsziele bis auf weiteres der Gebietsmeldung zu entnehmen.
137Vgl. auch BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 -, a.a.O. (juris Rn. 73, 75).
138Der im Rahmen der Vorschriften des § 48 c Abs. 5 Satz 4 Nr. 1 und § 48 d Abs. 4 LG NRW erforderliche Grad der Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung des geschützten Gebiets ist dann erreicht, wenn anhand objektiver Umstände nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein Vorhaben das fragliche Gebiet in dieser Weise beeinträchtigt. Diese Auslegung ergibt sich aus dem Vorsorgegrundsatz, der in Art. 6 Abs. 3 FFH-RL eingeschlossen ist. Die Vorschrift konkretisiert zusammen mit ihrem Abs. 2 das Vorsorgeprinzip des Art. 124 Abs. 2 Satz 2 EG für den Gebietsschutz im Rahmen von "Natura 2000". Nach Art. 124 Abs. 2 EG zielt die Umweltpolitik der Gemeinschaft auf ein hohes Schutzniveau ab und beruht auf den Grundsätzen der Vorsorge und Vorbeugung, auf dem Grundsatz, Umweltbeeinträchtigungen mit Vorrang an ihrem Ursprung zu bekämpfen, sowie auf dem Verursacherprinzip.
139Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 -, a.a.O. (juris Rn. 58); OVG NRW, Urteil vom 13. Juli 2006 - 20 D 80/05.AK -, a.a.O.; EuGH, Urteile vom 10. Januar 2006 - C-98/03 - (Rn. 40 ff.), NuR 2006, 166, und vom 7. September 2004 - C-127/02 - (Rn. 44), a.a.O.
140Das gemeinschaftsrechtliche Vorsorgeprinzip verlangt nicht, die FFH- Verträglichkeitsprüfung auf ein "Nullrisiko" auszurichten. Das wäre schon deswegen unzulässig, weil dafür ein wissenschaftlicher Nachweis nie geführt werden könnte. Verbleibt nach Abschluss einer FFH-Verträglichkeitsprüfung kein vernünftiger Zweifel, dass nachteilige Auswirkungen auf das Schutzgebiet vermieden werden, ist das Vorhaben zulässig. Rein theoretische Besorgnisse begründen von vornherein keine Prüfungspflicht und scheiden ebenso als Grundlage für die Annahme erheblicher Beeinträchtigungen aus, die dem Vorhaben entgegengehalten werden können.
141Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 -, a.a.O. (juris Rn. 60); EuGH, Urteile vom 20. Oktober 2005 - C-6/04 -, NuR 2006, 494, und vom 7. September 2004 - C-127/02 -, a.a.O.
142Aus dem gemeinschaftsrechtlichen Vorsorgegrundsatz ergibt sich, dass bestehende wissenschaftliche Unsicherheiten nach Möglichkeit auf ein Minimum reduziert werden müssen. Dies macht die Ausschöpfung aller wissenschaftlichen Mittel und Quellen erforderlich, bedeutet aber nicht, dass im Rahmen einer FFH- Verträglichkeitsprüfung Forschungsaufträge zu vergeben sind, um Erkenntnislücken und methodische Unsicherheiten der Wissenschaft zu beheben. Art. 6 Abs. 3 FFH- RL gebietet vielmehr nur den Einsatz der besten verfügbaren wissenschaftlichen Mittel. Zur anerkannten wissenschaftlichen Methodik gehört es in diesem Fall, die nicht innerhalb angemessener Zeit zu schließenden Wissenslücken aufzuzeigen und ihre Relevanz für die Befunde einzuschätzen.
143Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 -, a.a.O. (juris Rn. 66).
144Daraus folgt ferner, dass für den Gang und das Ergebnis der Verträglichkeitsprüfung der Sache nach eine Beweisregel des Inhalts gilt, dass die Behörde ein Vorhaben ohne Rückgriff auf Art. 6 Abs. 4 FFH-RL nur dann zulassen darf, wenn sie zuvor Gewissheit darüber erlangt hat, dass dieses sich nicht nachteilig auf das Gebiet als solches auswirkt. Die zu fordernde Gewissheit liegt nur dann vor, wenn aus wissenschaftlicher Sicht kein vernünftiger Zweifel daran besteht, dass solche Auswirkungen nicht auftreten werden. In Ansehung des Vorsorgegrundsatzes ist dabei die objektive Wahrscheinlichkeit oder die Gefahr erheblicher Beeinträchtigungen im Grundsatz nicht anders einzustufen als die Gewissheit eines Schadens. Wenn bei einem Vorhaben aufgrund der Vorprüfung nach Lage der Dinge ernsthaft die Besorgnis nachteiliger Auswirkungen entstanden ist, kann dieser Verdacht nur durch eine schlüssige naturschutzfachliche Argumentation ausgeräumt werden, mit der ein Gegenbeweis geführt wird. Dieser Gegenbeweis misslingt zum Einen, wenn die Risikoanalyse, -prognose und -bewertung nicht den besten Stand der Wissenschaft berücksichtigt, zum Anderen aber auch dann, wenn die einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse derzeit objektiv nicht ausreichen, jeden vernünftigen Zweifel auszuschließen, dass erhebliche Beeinträchtigungen vermieden werden. Derzeit nicht ausräumbare wissenschaftliche Unsicherheiten über Wirkungszusammenhänge sind allerdings dann kein unüberwindbares Zulassungshindernis, wenn das Schutzkonzept ein wirksames Risikomanagement entwickelt hat. Außerdem ist es zulässig, mit Prognosewahrscheinlichkeiten und Schätzungen zu arbeiten; diese müssen kenntlich gemacht und begründet werden. Ein Beispiel für eine gängige Methode dieser Art ist auch der Analogieschluss, bei dem bei Einhaltung eines wissenschaftlichen Standards bestehende Wissenslücken überbrückt werden. Zur Abschätzung der Auswirkungen des Vorhabens auf die Erhaltungsziele des Gebiets können häufig sogenannte Schlüsselindikatoren verwendet werden. Als Form der wissenschaftlichen Schätzung ist ebenso eine Worst-Case-Betrachtung zulässig, die zweifelsfrei verbleibende negative Auswirkungen des Vorhabens unterstellt; denn diese ist nichts anderes als eine in der Wissenschaft anerkannte konservative Risikoabschätzung. Allerdings muss dadurch ein Ergebnis erzielt werden, das hinsichtlich der untersuchten Fragestellung "auf der sicheren Seite" liegt.
145Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Januar 2007 - 9 A 20.05 -, a.a.O. (juris Rn. 63, 64); EuGH, Urteile vom 20. Oktober 2005 - C-6/04 - (Rn. 53), a.a.O., und vom 7. September 2004 - C-127/02 - (Rn. 53 ff.), a.a.O.
1462. Ausgehend von diesen Maßstäben ist eine Verträglichkeit des streitigen Vorhabens mit den Schutzzwecken des Europäischen Vogelschutzgebiets "Hellwegbörde" nicht gegeben.
147Das gilt jedenfalls mit Blick auf eine etwaige Beeinträchtigung der Wiesenweihe. Ob daneben die Erhaltungszustände weiterer Vogelarten durch das Vorhaben beeinträchtigt werden, bedarf hier keiner Klärung. Die vom Kläger vorgelegte FFH- Verträglichkeitsprüfung und die weiteren Stellungnahmen des Gutachters Dr. M. sowie des Herrn U. setzen den auf die Wiesenweihe bezogenen vogelkundlichen Bedenken der Unteren Landschaftsbehörde und des Sachverständigen Dr. Z. vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) nicht in allen Punkten hinreichend gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse entgegen und vermögen daher dem Senat nicht die erforderliche Überzeugung vom voraussichtlichen Ausbleiben erheblicher Beeinträchtigungen des Erhaltungszustands dieser durch die Gebietsausweisung geschützten Vogelart zu vermitteln.
148Der Sachverständige Dr. Z. hat nachvollziehbar dargelegt, dass der zwischen Soest und Bad Sassendorf gelegene Landschaftsraum, in dem die streitbefangene Windkraftanlage errichtet werden soll, zum Lebensraum der Wiesenweihe zählt, einer vom Aussterben bedrohten Greifvogelart, die mit einem Bestand von ca. 35 bis 40 Brutpaaren in der Hellwegbörde vorkommt, was 90 % des nordrhein-westfälischen Bestands entspricht.
149Allerdings ist der Bereich zumindest seit 1993, d.h. solange die Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz im Kreis Soest e.V. diesbezügliche Erhebungen anstellt, nicht als Brutstandort genutzt worden und bietet sich nach übereinstimmender Einschätzung der Sachverständigen unter Berücksichtigung der diesbezüglichen Gewohnheiten der Wiesenweihe auch nicht als Bruthabitat an. Es befinden sich aber traditionelle Brutplätze nördlich und südlich des Freiraum- Korridors zwischen Soest und Bad Sassendorf. Aufgrund dessen ist der Landschaftsraum nach Einschätzung des Sachverständigen Dr. Z. , die insoweit vom Gutachter Dr. M. ausdrücklich geteilt wird, regelmäßig beflogener Flug- und Jagdraum der Wiesenweihe, die bei der Nahrungssuche in Abhängigkeit von dem jeweiligen Nahrungsangebot (Mäuse) durchaus 7 bis zu 10 km zurücklegt, etwa zu den traditionellen Jagdgebieten in den höheren Lagen des Haarstrangs südlich der A 44 bzw. B 1.
150Die Errichtung einer weiteren Windkraftanlage in diesem Bereich kann dessen Funktion als Flug- und Jagdraum über den unmittelbaren Flächenverlust hinaus zunächst deshalb beeinträchtigen, weil Wiesenweihen bei ihren Flugbewegungen in Bezug auf Windkraftanlagen ein - nicht zuletzt individuell unterschiedlich ausgeprägtes - Meideverhalten zeigen. Hinzu kommt, dass sie auch Ortschaften generell nicht überfliegen. Auch wenn sich der Umfang der aufgrund des Meideverhaltens eintretenden Beeinträchtigung nicht genau quantifizieren lässt, ist zu berücksichtigen, dass die vorhandene Windkraftanlage unter diesem Aspekt bereits eine gewisse Beeinträchtigung verursacht, die durch die geplante Anlage jedenfalls verstärkt wird. Der Umfang dieser zusätzlichen Beeinträchtigung wird zwar dadurch abgemildert, dass die Anlage südlich der vorhandenen Anlage, also annähernd in einer Flucht innerhalb des Flugkorridors errichtet werden soll. Die zusätzlich geplante Anlage ist aber höher und ihr Rotor breiter. Zwei sich bewegenden Hindernissen auszuweichen, fordert die Tiere mehr als dies bei nur einem solchen Hindernis der Fall ist.
151Bei dieser Sachlage ist auch ein Vogelschlagrisiko nach Einschätzung des Sachverständigen Dr. Z. nicht fernliegend, zumal das Meideverhalten der Wiesenweihen beim Nahrungssuchflug geringer ausgeprägt ist. Der reine Nahrungssuchflug findet zwar typischerweise in Bodennähe, also eher unterhalb des Rotors statt. Schon dabei können Wiesenweihen beispielsweise durch andere Tiere aufgeschreckt werden und so in den Gefahrenbereich des Rotors geraten. Vor allem aber absolvieren sie neben Balzflügen auch Streckenflüge, also Flüge zu und von weiter entfernten Nahrungsrevieren, in größerer Höhe. Da Weihen Ortschaften nicht überfliegen, können derartige Streckenflüge gerade durch den hier in den Blick zu nehmenden Korridor führen. Überdies besteht nach Einschätzung des Dr. Z. ein konkret erhöhtes Kollisionsrisiko, weil das Überfliegen des in südlicher Richtung befindlichen Wäldchens ohnehin eine größere Flughöhe als der üblicherweise in Bodennähe erfolgende Nahrungssuchflug erfordert, so dass auch deshalb mit Flughöhen im Bereich des Rotors zu rechnen ist.
152Der Annahme eines Vogelschlagrisikos steht nicht entgegen, dass bislang nur eine tote Wiesenweihe an einer Windkraftanlage aufgefunden worden ist. Denn das insoweit zur Verfügung stehende Datenmaterial beruht ganz überwiegend auf Zufallsfunden, nicht auf einer systematischen, zeitlich engmaschigen Suche, die sicherstellen könnte, dass etwaige Kollisionsopfer gefunden werden, bevor sie von Aasfressern beseitigt werden. Angesichts der geringen Zahl von nur 35 bis 40 Brutpaaren wäre im Übrigen jedes Opfer, zumal wenn es sich um einen Elternvogel handelt, populationsökologisch relevant.
153Diese fachliche Beurteilung lässt Mängel in methodischer Hinsicht nicht erkennen. Sie ist in sich folgerichtig, nachvollziehbar und ersichtlich von fachfremden Kriterien unbeeinflusst. Die Unvoreingenommenheit des Dr. Z. wird entgegen den seitens des Klägers geäußerten Bedenken nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Sachverständige als Bediensteter des LANUV bereits vor Erstellung seines Gutachtens im vorliegenden Verfahren mit dem Vogelschutz in der Hellwegbörde befasst war. Vielmehr beruht seine Kompetenz zur Bewertung der ornithologischen Bedeutung des Vorhabenstandorts nicht zuletzt darauf, dass er mit dem Vogelschutzgebiet und den dort lebenden wertgebenden Arten in besonderer Weise vertraut ist. Unabhängig davon lässt der Inhalt seiner Stellungnahme keinen Zweifel daran aufkommen, dass die von Dr. Z. geäußerten Bedenken auf den konkreten Standort bezogen sind und nicht etwa auf einer grundsätzlichen Ablehnung von Windkraftvorhaben beruht. Das wird insbesondere dadurch deutlich, dass er die ornithologische Bedeutung des Vorhabenstandorts im Vergleich zu dem im Verfahren 8 A 2696/06 begutachteten Standort geringer einschätzt und offen gelassen hat, ob allein die vorhandene Windkraftanlage des Klägers schon zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Flugkorridors zwischen Bad Sassendorf und Soest führt.
154Die Plausibilität des von Dr. Z. erstatteten Gutachtens steht auch deshalb nicht in Frage, weil die von ihm zugrunde gelegten Annahmen in weiten Teilen von Dr. M. geteilt werden. Das gilt insbesondere dafür, dass es sich bei dem betreffenden Landschaftsraum um einen regelmäßig beflogenen Verbindungskorridor und ein Jagdgebiet der Wiesenweihe handelt und dass Wiesenweihen in Bezug auf Windkraftanlagen durchaus ein gewisses Meidungsverhalten zeigen. Bei den von Dr. M. mitgeteilten Beobachtungen von Wiesenweihen, die in der Nähe von Windkraftanlagen brüten und jagen, handelt es sich um nicht ohne weiteres verallgemeinerungsfähige Einzelfälle, die zum Teil - wie in der mündlichen Verhandlung von Dr. Z. am Beispiel einer am 9. August 2007 gefundenen Brut erläutert - auf besonderen Umständen, hier: einer Ersatzbrut, beruhen dürften. Dass Windkraftanlagen bei Wiesenweihen grundsätzlich ein Meideverhalten auslösen, das im konkreten Fall die Habitatfunktion des Bereichs zwischen Soest und Bad Sassendorf beeinträchtigen kann, stellt auch Dr. M. nicht in Frage.
155Die im Ergebnis unterschiedlichen Auffassungen der in der mündlichen Verhandlung angehörten Gutachter beruhen danach nicht auf divergierenden Annahmen hinsichtlich der Lebensgewohnheiten der Wiesenweihe im Allgemeinen oder hinsichtlich der Habitatfunktion des konkret in den Blick zu nehmenden Vorhabenbereichs, sondern auf einer abweichenden naturschutzfachlichen Bewertung der Erheblichkeit der eintretenden Beeinträchtigung. Dabei sind sich die Gutachter darüber einig, dass belastbare wissenschaftliche Daten über das Meideverhalten im Flug und über das Vogelschlagrisiko in Bezug auf die Wiesenweihe bislang nicht vorliegen. Dr. M. ist in seinem im Verfahren 8 A 2696/06 vorgelegten Gutachten vom Januar 2005 (S. 22) allerdings selbst davon ausgegangen, dass der Umstand, dass die Weisenweihe eine sogenannte Offenlandart ist, generell eher für ein ausgeprägtes Meideverhalten spricht. In Bezug auf das Schlagrisiko bei Greifvögeln sind weiter führende Erkenntnisse erst zukünftig nach Abschluss eines kürzlich begonnenen, voraussichtlich bis 2009 dauernden und insbesondere das Vogelschutzgebiet "Hellwegbörde" einbeziehenden Forschungsprojekts des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu erwarten, auf das der Kläger hingewiesen und über das Dr. Z. in der mündlichen Verhandlung ergänzend berichtet hat. Dass das zuständige Ministerium insoweit offenkundig einen Forschungsbedarf sieht, der die Durchführung einer solchen Untersuchung rechtfertigt, legt jedenfalls nahe, dass ein erhebliches Vogelschlagrisiko bei Greifvögeln aufgrund des bisherigen Erkenntnisstands gerade nicht von vornherein auszuschließen ist.
156Auf der Grundlage des derzeitigen Forschungsstands bestehen danach ernst zu nehmende, nicht lediglich ins Blaue hinein geäußerte Zweifel an der Verträglichkeit des streitbefangenen Vorhabens mit dem Schutz der Wiesenweihe. Mit der Errichtung und dem Betrieb der Windkraftanlage ist die reale Gefahr einer zumindest teilweisen Beeinträchtigung der ökologischen Funktion des Korridors zwischen Soest und Bad Sassendorf als Flug- und Jagdgebiet verbunden; zudem besteht ein nicht näher quantifizierbares Vogelschlagrisiko. Diese Zweifel an der Verträglichkeit des Vorhabens hat der Kläger durch den von ihm beauftragten Gutachter Dr. M. und die schriftliche Stellungnahme des Ingenieurbüros T. nicht ausgeräumt. Deren prognostische Einschätzung, dass die Windkraftanlage nur ein geringfügiges zusätzliches Meideverhalten auslösen wird, das die Funktion des Landschaftsraums nicht erheblich beeinträchtigt, und dass das Kollisionsrisiko gering sei, ist nicht in einer Weise wissenschaftlich abgesichert, die vernünftige Zweifel an der von Dr. Z. in Übereinstimmung mit der Unteren Landschaftsbehörde nachvollziehbar begründeten Besorgnis ausräumen könnten.
157Es besteht kein Anlass, dem Kläger Gelegenheit zu geben, zu den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Z. - wie in der mündlichen Verhandlung beantragt - ergänzend schriftlich Stellung zu nehmen. Die Einräumung einer Schriftsatzfrist ist gemäß § 173 VwGO in Verbindung mit § 283 Satz 1 ZPO analog geboten, wenn in der mündlichen Verhandlung - sei es vom Gegner, sei es vom Gericht - Gesichtspunkte tatsächlicher oder rechtlicher Art angesprochen werden, mit denen ein Beteiligter nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchte und deren sofortige Beurteilung ihm nicht ohne weiteres möglich ist.
158Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 1. September 2000 - 7 B 87.00 -, Buchholz 428 § 4 Abs. 1 VermG Nr. 4, und vom 16. Juli 2007 - 4 B 71.06 -, juris Rn. 62.
159Das ist hier nicht der Fall. Die vom Kläger zur Begründung seines Antrags auf Schriftsatznachlass angeführten Aspekte - Bedeutung des Vorhabenstandorts als Funktionsraum und Gefährdung von Wiesenweihen durch die Errichtung von Windkraftanlagen - waren bereits Inhalt der schriftlichen Ausführungen des Sachverständigen Dr. Z. vom 16. November 2007, die ihm über seine Prozessbevollmächtigten rechtzeitig vor dem Verhandlungstermin übersandt worden sind und zu denen der Kläger, unterstützt durch seine Sachbeistände, noch vor dem Termin schriftlich Stellung genommen hat. Der Kläger ist dem diesbezüglichen in der mündlichen Verhandlung gegebenen Hinweis des Sachverständigen, dass und an welcher Stelle seiner schriftlichen Stellungnahme er sich zu den angesprochenen Gesichtspunkten bereits geäußert, insbesondere den Begriff des Funktionsraums verwendet hat, nicht entgegengetreten. Auch auf Nachfrage des Vorsitzenden hat der Kläger keine Gesichtspunkte benannt, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ohne zuvor schon schriftlich angesprochen worden zu sein.
160Nach dem vorstehend dargelegten Ergebnis der Beweisaufnahme bestand kein Anlass, den hilfsweise gestellten, die FFH-Verträglichkeit des Vorhabens betreffenden Beweisanträgen zu 1. bis 5. zu entsprechen.
161Die Hilfsbeweisanträge betreffen zum Teil Aspekte, auf die es nach den vorstehenden Ausführungen im Ergebnis nicht ankommt. Dies gilt zunächst für die Frage einer möglichen Beeinträchtigung der Rohrweihe, des Rotmilans, des Wachtelkönigs oder des Kiebitzes, da sich die Unverträglichkeit des streitigen Vorhabens mit den Schutzzwecken des Vogelschutzgebiets schon allein aus einer etwaigen Beeinträchtigung der Wiesenweihe ergibt. Nicht entscheidungserheblich ist auch die Frage, ob der Vorhabenstandort innerhalb eines traditionellen Brutgebiets der Wiesenweihe liegt, weil die naturschutzfachliche Bewertung maßgeblich darauf abstellt, dass eine Beeinträchtigung der Funktion als Jagd- und Fluggebiet für die Wiesenweihe nicht auszuschließen ist.
162Für die Beantwortung der mit den Hilfsbeweisanträgen zu 1. bis 5. im Übrigen aufgeworfenen Fragen,
163- ob der Vorhabenstandort innerhalb eines regelmäßig genutzten Flugkorridors der Wiesenweihe liegt (Hilfsbeweisantrag zu 1.),
164- ob die Errichtung der streitgegenständlichen Anlage zur Aufgabe eines lokalen Vorkommens oder Reviers der Wiesenweihe führt oder eine Beeinträchtigung einer funktionalen Lebensraumbeziehung für die Wiesenweihe zur Folge hat (Hilfsbeweisantrag zu 2.),
165- ob die Errichtung der streitgegenständlichen Anlage zu einer Barrierewirkung oder zu einem Kollisionsrisiko für die Wiesenweihe führt (Hilfsbeweisantrag zu 3.),
166- ob unterstellte Einzelkollisionen mit der streitgegenständlichen Anlage populationsrelevante Auswirkungen auf die Wiesenweihe haben (Hilfsbeweisantrag zu 4.) und
167- ob ein günstiger Erhaltungszustand sowie ein günstiges Entwicklungspotential der Wiesenweihe innerhalb des Vogelschutzgebiets "Hellwegbörde" besteht (Hilfsbeweisantrag zu 5.),
168bedarf es nicht der vom Kläger beantragten Einholung eines avifaunistischen Sachverständigengutachtens.
169Die vom Senat nach den oben dargelegten rechtlichen Maßstäben zu beurteilende Frage, ob erhebliche Beeinträchtigungen des Schutzzwecks des Europäischen Vogelschutzgebiets "Hellwegbörde" mit der erforderlichen Gewissheit auszuschließen sind, erfordert keine Sachverhaltsfeststellungen, mit denen Meinungsverschiedenheiten zwischen den bisherigen Gutachten überwunden und die wissenschaftlichen Streitfragen einer letztendlichen Klärung zugeführt würden. Es reicht vielmehr aus, dass vernünftige Zweifel an dem günstigen Erhaltungszustand der Wiesenweihe bestehen. Solche Zweifel sind - wie oben dargelegt - durch den Sachverständigen Dr. Z. sowie die von Seiten der Unteren Landschaftsbehörde abgegebenen schriftlichen Stellungnahmen in nachvollziehbarer, methodisch nicht zu beanstandender und unwiderlegter Weise vorgetragen worden.
170Der beantragten Einholung eines weiteren avifaunistischen Sachverständigengutachtens bedarf es nicht, weil die im Verfahren bereits gewonnenen Ermittlungsergebnisse eine hinreichende Grundlage für die rechtliche Beurteilung des Falles bilden. Der Sachverständige Dr. Z. hat in der mündlichen Verhandlung zu den entscheidungserheblichen Fragen umfassend Stellung genommen. In diesem mündlichen Gutachten
171- zum Begriff des Gutachtens vgl. Damrau, in: Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, Band 2, 2. Aufl., 2000, § 402 Rn. 2 und § 411 Rn. 3 -
172hat er sich seine zuvor bereits auf Anfrage des Senats abgegebene fachliche Stellungnahme in seiner Eigenschaft als gerichtlicher Sachverständiger zu Eigen gemacht und diese ergänzend erläutert.
173Die Entscheidung darüber, ob ein - weiteres - Gutachten eingeholt werden soll, steht im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 VwGO) im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Reicht ein bereits eingereichtes Gutachten aus, um das Gericht in die Lage zu versetzen, die entscheidungserheblichen Fragen sachkundig beurteilen zu können, ist die Einholung eines weiteren Gutachtens oder "Obergutachtens" weder notwendig noch veranlasst.
174Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 1999 - 9 B 381.98 -, DVBl. 1999, 1206, und Urteil vom 6. Februar 1985 - 8 C 15.84 -, BVerwGE 71, 38.
175In Anlehnung an § 244 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 StPO bedarf es der Einholung eines weiteren Gutachtens hingegen dann, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn ein neuer Sachverständiger über Forschungsmittel verfügt, die denen des früheren Gutachters überlegen erscheinen. Entsprechendes gilt, wenn die Schlussfolgerungen des ersten Gutachters schlüssig in Frage gestellt worden sind.
176Vgl. Höfling/Rixen, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., 2006, § 86 Rn. 107, m.w.N.
177Anhaltspunkte dafür sind weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Die Sachkunde des Gutachters Dr. Z. steht - ebenso wie die des von der Klägerseite hinzugezogenen Dr. M. - nicht in Frage. Es deutet auch nichts darauf hin, dass das Gutachten des Dr. Z. auf unzutreffenden tatsächlichen Annahmen beruht. Das gilt insbesondere hinsichtlich der mit dem Hilfsbeweisantrag zu 1. in Frage gestellten Feststellung, dass der Vorhabenstandort in einem regelmäßig genutzten Flugkorridor der Wiesenweihe liege. Gerade diese Sachverhaltsannahme hat Dr. M. in seiner zu dem streitbefangenen Vorhaben durchgeführten FFH-Verträglichkeitsprüfung vom Januar 2007 (S. 21) ausdrücklich bestätigt. Dem Vorbringen des Klägers sind keine Hinweise darauf zu entnehmen, dass die Einholung eines weiteren Gutachtens geeignet sein könnte, die von Dr. Z. nachvollziehbar aufgezeigten Zweifel an der FFH-Verträglichkeit des Vorhabens auszuräumen. Es ist nicht erkennbar, dass ein weiterer Sachverständiger wesentliche neue Erkenntnisse beitragen oder unter Anwendung anderer oder neuerer Methoden zu anderen Ergebnissen gelangen würde. Denn die prognostische Unsicherheit, die bei im Wesentlichen übereinstimmenden Sachverhaltsannahmen Ursache für die im Ergebnis unterschiedlichen Bewertungen ist, beruht - wie ausgeführt - darauf, dass sowohl das Meideverhalten als auch das Vogelschlagrisiko bislang nicht hinreichend wissenschaftlich erforscht sind. Erkenntnisse, die über den bisherigen Forschungsstand hinausgehen, stünden aber auch einem anderen Gutachter nicht zur Verfügung. Die Beweisanträge zielen mithin lediglich auf eine abweichende prognostische Bewertung des Gefahrenpotentials, die aber - solange sie nicht hinreichend wissenschaftlich abgesichert ist - zur Führung des hier erforderlichen Gegenbeweises nicht ausreicht.
178Lassen sich danach die beschriebenen Auswirkungen auf die Wiesenweihe nicht mit der erforderlichen Gewissheit ausschließen, liegt eine im Sinne von § 48 c Abs. 5 Satz 4 Nr. 1 und § 48 d Abs. 4 LG NRW erhebliche Beeinträchtigung vor, da - wie oben bereits ausgeführt - jede nachteilige Auswirkung auf den Erhaltungszustand als im Sinne dieser Norm erheblich zu qualifizieren ist. Eine ungünstige Entwicklung von Erhalt und Verbreitung dieser Art schon infolge der beschriebenen Funktionseinbuße des Vorhabenbereichs ist demnach zu besorgen.
179Dabei verkennt der Senat nicht, dass Wiesenweihen - worauf der Kläger und Dr. M. hingewiesen haben - insbesondere auf dem Zug im Überwinterungsgebiet erheblich größeren Risiken ausgesetzt sein mögen und dass andere Maßnahmen, wie etwa die Förderung von Brachflächen und der Anbau von Wintergerste, der bedrohten Vogelart größeren Nutzen bringen können als der Verzicht auf die streitbefangene Windkraftanlage. Diese von der Klägerseite angeführten Erwägungen sind jedoch bei der hier vorzunehmenden FFH-Verträglichkeitsprüfung nicht erheblich. Entscheidend ist vielmehr, ob sich die Lebensbedingungen der Wiesenweihe im Vogelschutzgebiet durch die Errichtung der Anlage im Vergleich zu den Lebensbedingungen ohne die geplante Anlage voraussichtlich verschlechtern. Das ist hier auch unter Berücksichtigung der Bereitschaft des Klägers zur Vornahme von Ausgleichsmaßnahmen der Fall. Etwaige Ausgleichsmaßnahmen an anderer Stellen könnten die Lebensraumqualität dort zwar verbessern, die Beeinträchtigung des Vorhabengebiets mit den Folgewirkungen auf den Korridor zwischen Soest und Bad Sassendorf aber nicht ausschließen. Entsprechendes gilt für sonstige begleitende Maßnahmen, wie etwa ein Monitoring, da dieses selbst keinen Schutz gegen die von der geplanten Anlage ausgehenden Gefahren bietet.
180Anhaltspunkte dafür, dass das Vorhaben nach § 48 d Abs. 5 LG NRW zugelassen werden könnte, sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.
181III. Die begehrte immissionsschutzrechtliche Genehmigung kann darüber hinaus auch deshalb nicht erteilt werden, weil die ordnungsbehördliche Sicherstellungsverordnung vom 8. Dezember 2004 dem Vorhaben entgegensteht. Wie schon das Verwaltungsgericht Arnsberg in seinem Urteil vom 14. Dezember 2005 - 1 K 985/04 - zutreffend ausgeführt hat, ist die Sicherstellungsverordnung wirksam (dazu 1.). Die beabsichtigte Errichtung einer Windkraftanlage verstößt gegen das im sichergestellten Landschaftsschutzgebiet geltende Bauverbot und kann auch nicht im Wege der Ausnahme oder Befreiung zugelassen werden (dazu 2.).
1821. Rechtsgrundlage für den Erlass der Sicherstellungsverordnung ist § 42 e Abs. 1 LG NRW. Nach dieser Vorschrift, die verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist,
183vgl. VerfGH NRW, Urteil vom 30. Oktober 1987 - 19/86 -, OVGE 39, 303,
184kann die Beklagte als Höhere Landschaftsbehörde (§ 8 Abs. 1 Satz 2 LG NRW) Teile von Natur und Landschaft, deren Schutz nach §§ 19 bis 23 oder nach § 42 a LG NRW beabsichtigt ist, für höchstens vier Jahre einstweilig sicherstellen.
185a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 42 e LG NRW i.V.m. § 21 LG NRW liegen vor. Die einstweilige Sicherstellung hat lediglich vorläufigen Charakter. Sie ermöglicht eine spätere Unterschutzstellung, indem sie das Gebiet vor nachteiligen Veränderungen während des Verfahrens der Unterschutzstellung bewahrt. Dabei kann und soll die einstweilige Sicherstellung die Formulierung und Konkretisierung der Schutzkriterien nicht vorwegnehmen. Ihr Ziel beschränkt sich im Wesentlichen auf die effektive Erhaltung des status quo.
186Vgl. BVerwG, Urteil vom 1. April 2004 - 4 C 2.03 -, a.a.O., juris Rn. 34.
187Ausgehend von dieser einer bauplanungsrechtlichen Veränderungssperre gleichenden Funktion der Sicherstellung setzt diese nicht voraus, dass die Voraussetzungen für die dauerhafte Unterschutzstellung, insbesondere die Schutzbedürftigkeit des betreffenden Landschaftsteils und die Erforderlichkeit seiner Unterschutzstellung unter den in § 1 SiVO 2004 genannten Aspekten - Erhaltung oder Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts, Vielfalt, Eigenart oder Schönheit des Landschaftsbilds und besondere Bedeutung des Gebiets für die Erholung - bereits feststehen. Der Erlass einer Sicherstellungsverordnung erfordert noch keine abschließende Prüfung der Schutzwürdigkeit des betroffenen Landschaftsteils nach Maßgabe von § 21 LG NRW. Es reicht aus, dass der sichergestellte Bereich nach dem Ergebnis einer überschlägigen fachlichen Bewertung für eine Unterschutzstellung in Betracht kommt.
188Vgl. OVG Saarl., Urteil vom 9. Dezember 2005 - 3 N 1/05 -, NVwZ-RR 2007, 17; OVG Meck.-P., Urteil vom 18. Juli 2001 - 4 K 15/00 -, NordÖR 2001, 408; Stollmann, Landschaftsgesetz Nordrhein-Westfalen, Stand: August 2005, § 42 e Anm. 2.1; noch weiter gehend VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11. April 2003 - 5 S 2299/01 -, NuR 2003, 627, wonach eine Sicherstellungsverordnung erst dann fehlerhaft ist, wenn dem Bereich offensichtlich jede Schutzwürdigkeit fehlt.
189Dabei bedarf es im Übrigen auch keiner allzu strengen Abgrenzung des unter Schutz gestellten Gebiets. Pufferzonen können vorsorglich miteinbezogen werden.
190Vgl. Stollmann, a.a.O., § 42 e Anm. 2.1.
191Dies zugrunde gelegt bestehen keine rechtlichen Bedenken dagegen, dass in dem Bereich zwischen Soest und Bad Sassendorf ein Landschaftsschutzgebiet einstweilig sichergestellt worden ist und dass das Gebiet wie geschehen zugeschnitten worden ist.
192Ob die Sicherstellung ursprünglich auch der Erhaltung des Europäischen Vogelschutzgebiets "Hellwegbörde" diente (vgl. § 1 Satz 2 Spiegelstrich 1 SiVO 2004), kann dahin stehen. Darauf kommt es nach Inkrafttreten des § 48 c Abs. 5 LG NRW am 31. März 2005 nicht mehr an. Seitdem das im Ministerialblatt des Landes Nordrhein-Westfalen bekannt gemachte Europäische Vogelschutzgebiet aufgrund dieser Regelung mit den dort genannten Gebietsabgrenzungen und den dort genannten gebietsspezifischen Schutzzwecken kraft Gesetzes einen endgültigen Schutzstatus erhalten hat, ist die einstweilige landschaftsrechtliche Sicherstellung insoweit obsolet geworden. Anhaltspunkte dafür, dass der Bereich Lebensraum anderer schützenswerter, nicht dem Regime der Vogelschutzrichtlinie unterliegender Tierarten ist, sind nicht ersichtlich.
193Der ausweislich § 1 Satz 2 Spiegelstrich 2 SiVO 2004 darüber hinaus beabsichtigte Schutz des Landschaftsbilds rechtfertigt weiterhin die Geltung der einstweiligen Sicherstellung. Dem Landschaftsbild ist bei überschlägiger Prüfung eine Schutzwürdigkeit nicht abzusprechen. Das belegen die vom Verwaltungsgericht im Verfahren 1 K 985/04 aufgenommenen Lichtbilder. Darüber hinaus ist das Gebiet dem Senatsvorsitzenden und der Berichterstatterin - worauf die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung (nochmals) hingewiesen worden sind - aufgrund eines in einem Parallelverfahren in Bad Sassendorf durchgeführten Ortstermins persönlich bekannt. Danach ist gerichtsbekannt, dass der Bereich zwischen Bad Sassendorf und Soest - abgesehen von den in Nord-Süd- und in Ost-West-Richtung verlaufenden Straßen und der vorhandenen Windkraftanlage - weitgehend unbelastet und nicht zuletzt wegen der möglichen Blickbeziehungen zu den genannten Städten reizvoll ist, zumal beide über ansprechende Ortsbilder verfügen. Es befinden sich in diesem Bereich insbesondere keine Hochspannungsleitungen, die das Landschaftsbild beeinträchtigen könnten. Die Straßen einschließlich des Damms, auf dem die B 475 n verläuft, sind durch Bewuchs weitestgehend verdeckt, so dass man sie eher akustisch als optisch wahrnimmt. Entsprechendes gilt für die Bahnlinie und das vom Kläger angeführte Gewerbegebiet. Von einer gewerblichen Prägung kann keine Rede sein. Demzufolge bieten die tatsächlichen Verhältnisse auch keinen Anlass für die Annahme, die Schutzgebietsausweisung könne funktionslos geworden sein. Das gilt auch für die - ohnehin vor der einstweiligen Sicherstellung erfolgte - Verlegung der T. , da diese für die Schutzwürdigkeit des Bereichs von eher untergeordneter Bedeutung sein dürfte. Bei dieser Sachlage stellt die vorhandene Windkraftanlage zwar eine Vorbelastung dar; sie steht aber der Einschätzung, dass es sich hier mit einiger Wahrscheinlichkeit um einen schutzwürdigen Landschaftsraum handelt, nicht entgegen.
194Ferner spricht bei überschlägiger Prüfung Einiges für die Annahme, dass sich das Gebiet, wie das Verwaltungsgericht im Verfahren 1 K 985/04 ausgeführt hat, für Erholungszwecke (vgl. § 1 Satz 2 Spiegelstrich 3 SiVO 2004) eignet. Der Bereich befindet sich in der Nähe von zwei städtischen Verdichtungsräumen. Er ist durch Wege in einer Weise erschlossen, die eine Nutzung durch Spaziergänger, Läufer oder auch Radfahrer zulässt und unter Berücksichtigung seiner ästhetischen Eigenschaften nahe legt. Ob die Erholungsfunktion mit Blick auf die aktuellen Verhältnisse in den beiden Gemeinden, etwa mit Blick auf die Veränderungen im Kurbereich, ausreichend ausgeprägt ist, ist nicht im Rahmen der Sicherstellungsverordnung, sondern im Rahmen der endgültigen Schutzgebietsausweisung abzuwägen.
195Der mit dem Hilfsbeweisantrag zu 7. beantragten Augenscheinseinnahme durch das Gericht bedarf es zur Feststellung der Schutzwürdigkeit des Bereichs nicht. Entgegen der dem Beweisantrag zugrunde liegenden Annahme kommt es hier nicht darauf an, ob es sich bei dem Vorhabenbereich und dessen Umgebung "um einen landschaftlich besonders schützenswerten Bereich" handelt. Wie bereits ausgeführt reicht es aus, dass eine Schutzwürdigkeit bei überschlägiger Prüfung in Betracht kommt. Auch soweit der Hilfsbeweisantrag dahin zu verstehen sein sollte, dass er nicht auf die abschließende Beurteilung der Schutzwürdigkeit, sondern lediglich auf das Ergebnis einer überschlägigen Prüfung zielt, ist die beantragte Augenscheinseinnahme, über die nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden ist (vgl. § 244 Abs. 5 Satz 1 StPO), nicht erforderlich, um die Schutzwürdigkeit des hier in Rede stehenden Landschaftsraums gemessen an den vorstehend genannten, auf eine überschlägige Prüfung beschränkten Maßstäben hinreichend beurteilen zu können. Schon die vorhandenen Lichtbilder aus dem Ortstermin des Verwaltungsgerichts sind hinreichend aussagekräftig. Unabhängig davon ist der Vorhabenbereich aufgrund eigener Ortskenntnis von zwei Senatsmitgliedern, die ihre Eindrücke den weiteren an der Entscheidung beteiligten Richtern vermittelt haben, gerichtsbekannt. Der Kläger hat im Rahmen der Erörterung der Sach- und Rechtslage nicht auf Umstände hingewiesen, die für die Beurteilung von Bedeutung sein könnten, bislang aber übersehen worden oder nicht hinreichend in ihrer Bedeutung zu erkennen gewesen wären. Sofern sich die mit dem Hilfsbeweisantrag zu 7. beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens auch auf die Schutzwürdigkeit des Vorhabensbereichs beziehen sollte, ist diesem Antrag nicht zu entsprechen, weil der - im Übrigen auch für Verfahren aus dem Bereich des Natur- und Landschaftsschutzrechts zuständige - Senat die Schutzwürdigkeit eines Landschaftsraums unter den Aspekten des Landschaftsbilds und der Erholungsfunktion aufgrund eigener Sachkunde beurteilen kann. Es ist nicht ersichtlich, dass dazu Kenntnisse oder Fähigkeiten erforderlich wären, über die der Senat nicht selbst verfügt. Hinzu kommt hier, dass es für die einstweilige Sicherstellung ohnehin nur einer überschlägigen Prüfung bedarf.
196b) Die Regelungen der Sicherstellungsverordnung überschreiten den Ermächtigungsrahmen des § 42 e LG NRW nicht deshalb, weil der Bereich schon zuvor unter Schutz gestanden hat. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Rückgriff auf diese Ermächtigungsgrundlage ausgeschlossen sein könnte, wenn die Sicherstellung - wie hier - nach Ablauf der zeitlich befristeten Geltungsdauer einer Landschaftsschutzverordnung der Überbrückung des Zeitraums bis zum Erlass eines Landschaftsplans dient.
197Zu Unrecht rügt der Kläger, die Sicherstellungsverordnung gehe deshalb über den Ermächtigungsrahmen des § 42 e LG NRW hinaus, weil der Katalog der Verbote in § 2 Abs. 1 SiVO 2004 gegenüber der früheren Landschaftsschutzverordnung aus dem Jahr 1984 um zwei Ziffern ergänzt worden ist. Auf die Regelungen der früheren Landschaftsschutzverordnung kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Gemäß § 42 e Abs. 1 Satz 2 LG NRW sind während der Sicherstellung nach Maßgabe der Sicherstellungsanordnung alle Handlungen verboten, die geeignet sind, den Schutzgegenstand nachteilig zu verändern. Es ist mithin nicht zulässig, dem sichergestellten Bereich - befristet - den umfassenden Schutz einer verbindlichen Schutzgebietsausweisung zu verleihen. Daher deckt die Ermächtigung des § 42 e Abs. 1 LG NRW - nicht zuletzt zur Vermeidung unverhältnismäßiger Belastungen betroffener Eigentümer - nur das Verbot von Handlungen, die die beabsichtigte Festsetzung verhindern oder erschweren, nicht aber Handlungsgebote, wie sie etwa in einem festgesetzten Naturschutzgebiet zur Entwicklung, Herstellung oder Wiederherstellung von Lebensgemeinschaften oder Lebensstätten zulässig sind (vgl. § 20 Satz 2 LG NRW).
198Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Oktober 1997 - 7 A 123/94 -, juris Rn. 54 ff.
199Die in § 2 SiVO 2004 im Einzelnen aufgeführten Verbote sind mit diesen rechtlichen Vorgaben zu vereinbaren. Sie dienen ausschließlich der Verhinderung nachteiliger Veränderungen des status quo, insbesondere durch Errichtung baulicher oder sonstiger Anlagen.
200c) Die Bestimmtheit der SiVO 2004 wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass sich die parzellenscharfe Gebietsabgrenzung nicht unmittelbar aus der Verordnung und der dieser beigefügten Karte im Maßstab 1:150.000 ergibt. Gemäß § 42 e Abs. 1 Satz 4 LG NRW i.V.m. § 42 d Abs. 1 Satz 1 LG NRW ist die Abgrenzung geschützter Flächen in der ordnungsbehördlichen Verordnung entweder
201zu beschreiben, wenn sie sich mit Worten zweifelsfrei erfassen lässt, oder
202grob zu beschreiben oder zu bezeichnen und in Karten darzustellen, die einen Bestandteil der Verordnung bilden, oder
203grob zu beschreiben oder zu bezeichnen und in Karten darzustellen, die bei der erlassenden Landschaftsbehörde oder bei der Gemeinde eingesehen werden können; die betreffende Gemeinde ist in der Verordnung zu benennen.
204§ 42 d Abs. 1 LG NRW entspricht den verfassungsrechtlichen Anforderungen, die das Bundesverwaltungsgericht aus dem im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Gebot der Normenklarheit hergeleitet hat. Danach muss eine Landschaftsschutzverordnung die Abgrenzung eines Schutzgebiets entweder in ihrem Wortlaut umreißen, wenn es sich mit Worten erfassen lässt, oder durch eine als Anlage im Verkündungsblatt beigegebene Landkarte genau ersichtlich machen oder bei bloß grober Umschreibung im Wortlaut durch Verweisung auf eine an einer genau zu benennenden Amtsstelle niedergelegte und dort in den Dienststunden für jedermann einsehbare Landkarte, deren archivmäßige Verwahrung zu sichern ist, angeben.
205Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 1967 - 4 C 105.65 -, BVerwGE 26, 129, Beschluss vom 24. Mai 1995 - 4 NB 37.94 -, NuR 1995, 456, und Urteil vom 31. Januar 2001 - 6 CN 2.00 -, BVerwGE 112, 373, juris Rn. 9.
206Die Gebietsabgrenzung in § 1 SiVO 2004 genügt den genannten verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Anforderungen. Die hier von der Beklagten gewählte Form der Gebietsabgrenzung steht mit § 42 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c LG NRW im Einklang. Die Kombination aus einer stichwortartigen Bezeichnung des betroffenen Gebiets und einer im Amtsblatt veröffentlichten Übersichtskarte mit einer sogenannten Ersatzbekanntmachung durch Verweis auf die bei der Bezirksregierung einsehbaren Landschaftsschutzkarte trägt dem Umstand Rechnung, dass eine verbale Beschreibung eines Schutzgebiets, das einen besonders großen Bereich erfasst, etwa den gesamten Außenbereich eines Kreises, die Verordnung unübersichtlich machen und damit eine verlässliche Kenntnisnahme vom Inhalt und Geltungsumfang sogar eher erschweren würde.
207Vgl. Schink, Naturschutz- und Landschaftspflegerecht Nordrhein-Westfalen, 1989, Rn. 678.
208Dahinstehen kann, ob allein der räumliche Bezug zum Kreis Soest schon als ausreichende, grobe Beschreibung angesehen werden kann, weil bereits dadurch deutlich wird, welchen Teil des Regierungsbezirks die Verordnung betrifft.
209Zu den Anforderungen an die Bezeichnung eines Bebauungsplans, die vermitteln muss, in welchem Teil der Gemeinde neues Baurecht gilt, vgl. BVerwG, Urteil vom 10. August 2000 - 4 CN 2.99 -, NVwZ 2001, 203.
210Die Gebietsabgrenzung ist jedenfalls durch die die Bezeichnung des Kreises ergänzende, zugleich im Amtsblatt veröffentlichte Karte im Maßstab 1:150.000 hinreichend bezeichnet. Eine Bezeichnung i.S.d. § 42 d Abs. 1 Satz 1 Buchst. c LG NRW muss, anders als die in § 42 d Abs. 1 Satz 1 Buchst. a LG NRW genannte Beschreibung, nicht notwendig durch Worte erfolgen. Auch eine Übersichtskarte groben Maßstabs kann eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende grobe Umschreibung im Sinne der vorstehend wiedergegebenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sein.
211Vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2001 - 6 CN 2.00 -, a.a.O.
212Im Hinblick auf das rechtsstaatliche Gebot der Normenklarheit ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Normadressat anhand dieser in die Verordnung aufgenommenen Karte beurteilen kann, ob er möglicherweise von der Regelung betroffen ist, d.h. ob es geboten ist, sich durch Einsichtnahme in die bei der erlassenden Landschaftsbehörde einsehbare genauere, möglichst, aber - wie aus § 42 d Abs. 1 Satz 2 LG NRW folgt - nicht notwendig parzellenscharfe Karte kleineren Maßstabs nähere Informationen über den konkreten Grenzverlauf zu verschaffen. Dieser Funktion wird die Übersichtskarte im Maßstab 1:150.000 gerecht.
2132. Die Errichtung der geplanten Windkraftanlage ist in dem einstweilig sichergestellten Landschaftsschutzgebiet unzulässig.
214a) Nach § 2 Abs. 1 Nr. SiVO 2004 ist die Errichtung baulicher Anlagen in den sichergestellten Landschaftsschutzgebieten untersagt.
215Das Vorbringen des Klägers, der Standort liege nicht innerhalb, sondern außerhalb des Landschaftsschutzgebiets, trifft nicht zu. Der Kläger kann sich insbesondere nicht auf §§ 42 e Abs. 1 Satz 4 i.V.m. 42 d Abs. 1 Satz 3 LG NRW berufen, wonach ein Grundstück im Zweifelsfall als nicht betroffen gilt, wenn seine Zugehörigkeit zu der geschützten Fläche nicht hinreichend klar zu erkennen ist. Nach dem im Baugenehmigungsverfahren vom Kläger eingereichten Lageplan (Maßstab 1:1.000) beträgt der Abstand der geplanten Windkraftanlage (gemessen vom Mittelpunkt des ca. 9 m breiten Turms) zur westlichen Flurstücksgrenze etwa 83 m, nach der Eintragung der ebenfalls im Baugenehmigungsverfahren vom Kläger eingereichten Deutschen Grundkarte (Maßstab 1:5.000) etwa 75 m. Ausweislich der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung im Original vorgelegten Landschaftskarte im Maßstab 1:25.000 verläuft die Grenze des Schutzgebiets im mittleren Bereich, in dem die Anlage errichtet werden soll, in einer Entfernung von mindestens 110 m zu der westlichen Flurstücksgrenze. Danach liegt der Standort eindeutig innerhalb des Schutzgebiets.
216Der mit dem Hilfsbeweisantrag zu 6. beantragten Einholung eines Gutachtens eines öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs zu der Frage, ob sich der geplante Standort innerhalb oder außerhalb des Landschaftsschutzgebiets befindet, bedarf es nicht. Der Senat kann die Feststellung, dass der Standort innerhalb des Schutzgebiets liegt, aufgrund eigener Sachkunde treffen. Diese Feststellung ist anhand des zur Verfügung stehenden Kartenmaterials unter Benutzung eines Lineals mit Hilfe einfacher Rechenoperationen möglich. Dabei ist der Abstand des Vorhabenstandorts von der Grenze des Landschaftsschutzgebiets so groß, dass selbst etwaige Messungenauigkeiten im Ergebnis unerheblich wären.
217Dass die Grenze des sichergestellten Landschaftsschutzgebiets hier nicht mit einer Grundstücksgrenze identisch ist, stellt weder die Bestimmtheit der Schutzgebietsausweisung noch die Betroffenheit des Vorhabenstandorts in Frage. Gegenteiliges folgt nicht daraus, dass § 42 d Abs. 1 LG NRW in den Sätzen 2 und 3 den Begriff des Grundstücks verwendet. Daraus ist bei sachgerechter, den Sinn und Zweck der Schutzgebietsabgrenzung berücksichtigender Auslegung nicht zu schließen, dass die Grenzen eines Schutzgebiets zwingend vorhandenen Flurstücksgrenzen folgen müssten bzw. dass ein Grundstück nur ganz, aber nicht teilweise in ein Schutzgebiet einbezogen sein kann. Da sich die räumliche Abgrenzung eines Schutzgebiets an den landschaftsrechtlichen Kategorien der Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit zu orientieren hat, sind katastermäßige Flurstücksgrenzen, deren Verlauf nicht notwendig mit naturräumlichen Gegebenheiten übereinstimmen muss, für die landschaftsrechtliche Schutzgebietsabgrenzung unerheblich. Ob die hier für die einstweilige Sicherstellung in Anlehnung an die Landschaftsschutzverordnung aus dem Jahr 1984 gewählte Gebietsabgrenzung im konkreten Fall landschaftsfachlich zu rechtfertigen ist, muss der abschließenden Entscheidung über den endgültigen Schutzstatus vorbehalten bleiben.
218b) Ein Anspruch auf Zulassung einer Ausnahme, über den die Beklagte im Rahmen des vorliegenden immissionsschutzrechtlichen Verfahrens zu entscheiden hätte (vgl. § 13 BImSchG), steht dem Kläger nicht zu.
219Die Zulassung einer Ausnahme von den Verboten des § 2 Abs. 1 SiVO 2004 setzt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 SiVO 2004 voraus, dass die beabsichtigte Handlung mit dem Schutzzweck nach § 1 SiVO 2004 zu vereinbaren ist. Das ist hier nicht der Fall.
220Die Errichtung einer Windkraftanlage stellt eine nachteilige Veränderung des Schutzgebiets dar, die dessen Schutzwürdigkeit mit Blick auf den Schutz sowohl des Landschaftsbilds als auch der Erholungsfunktion berühren würde. Das Vorhaben würde der abschließenden Entscheidung über die Schutzgebietsausweisung sowie Art und Umfang der anzuordnenden Verbote vorgreifen und damit dem Schutzzweck der einstweiligen Sicherstellung zuwiderlaufen. Es kann nicht angenommen werden, dass die Errichtung der Anlage für die genannten Schutzzweck ohne nennenswerte negative Auswirkungen bliebe. In diesem Zusammenhang kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass das Landschaftsbild hier durch die in unmittelbarer Nähe des Schutzgebiets vorhandene - allerdings deutlich kleinere - Windkraftanlage bereits vorbelastet ist, so dass die Errichtung einer weiteren - erheblich größeren - Anlage die Schutzwürdigkeit unter beiden genannten Aspekten ernstlich in Frage stellen könnte.
221Eine Privilegierung seines Vorhabens nach § 4 Abs. 1 Satz 2 SiVO 2004 in Verbindung mit § 35 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BauGB macht der Kläger selbst nicht geltend.
222c) Die Versagung der gemäß § 4 Abs. 2 SiVO 2004 i.V.m. § 69 LG NRW im Ermessen der Beklagten stehenden Befreiung ist rechtmäßig.
223Die Befreiung kann nach § 69 Abs. 1 Satz 1 LG NRW erteilt werden, wenn
224a) die Durchführung der Verbotsvorschrift im Einzelfall
225aa) zu einer nicht beabsichtigten Härte führen würde und die Abweichung mit den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu vereinbaren ist, oder
226bb) zu einer nicht gewollten Beeinträchtigung von Natur und Landschaft führen würde oder
227b) überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfor-dern.
228Das Vorliegen dieser tatbestandlichen Voraussetzungen hat die Beklagte, die sich insoweit die Begründung des vor Umstellung des Klageantrags auf ein immissionsschutzrechtliches Begehren ergangenen Versagungsbescheids der Unteren Landschaftsbehörde zu Eigen gemacht hat, im Ergebnis zu Recht verneint. Die Folgen des Verbots, bauliche Anlagen im Landschaftsschutzgebiet zu errichten, stellen keine unbeabsichtigte Härte dar, sondern entsprechen vielmehr dem Zweck des Bauverbots. Jedenfalls ist die Errichtung einer Windkraftanlage hier mit den Belangen der Landschaftspflege nicht zu vereinbaren.
229Zu den Anforderungen vgl. OVG NRW, Urteile vom 5. September 2006 - 8 A 1971/04 -, NWVBl. 2007, 156, und vom 19. Januar 2001 - 8 A 2049/99 -, NVwZ 2001, 1179.
230Die vorstehenden Ausführungen dazu, dass die Zulassung einer Ausnahme nach § 4 SiVO 2004 mit dem Schutzzweck der Sicherstellungsverordnung nicht zu vereinbaren wäre, gelten insoweit entsprechend.
231Überwiegende Gründe des Gemeinwohls sind auch in Ansehung der Ausführungen des Klägers dazu, dass Windkraftanlagen einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, nicht ersichtlich. Zwar besteht ein durch die Regelungen des Gesetzes über den Vorrang erneuerbarer Energien (EEG) dokumentiertes Interesse des Gesetzgebers an der Nutzung der Windkraft; daraus folgt aber nicht, dass überwiegende Gründe die Errichtung einer Windkraftanlage gerade in diesem landschaftsrechtlich sichergestellten Bereich erfordern.
232Darüber, ob die Voraussetzungen für die Zulassung einer Ausnahme bzw. Erteilung einer Befreiung gegeben sind, kann der Senat entscheiden, ohne das mit dem Hilfsbeweisantrag zu 7. beantragte Sachverständigengutachten zur Landschaftsbildbeeinträchtigung einzuholen. Die unter Beweis gestellte Behauptung, dass die streitgegenständliche Anlage nicht zu unzumutbaren Beeinträchtigungen bzw. einer Verunstaltung des Landschaftsbildes führt, ist in dieser Form bereits nicht erheblich. Der Hilfsbeweisantrag zielt auf die Voraussetzungen des § 35 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 BauGB, der hier aber, da es sich um einen förmlich unter Schutz gestellten Landschaftsbereich handelt, von den speziellen Maßstäben der Sicherstellungsverordnung überlagert wird. Unabhängig davon sind keine Umstände dafür ersichtlich, die dafür sprechen, dass das Gericht - anders als im Regelfall - die erforderliche landschaftsrechtliche Bewertung in Bezug auf das geschützte Landschaftsbild und die Erholungseignung des Gebiets nicht aufgrund eigener Sachkunde treffen können sollte.
233B. Aus den vorstehenden Gründen kann auch der auf Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids gerichtete Hilfsantrag keinen Erfolg haben. Das Vorhaben ist ungeachtet der bauordnungsrechtlichen Abstanderfordernisse und der Frage der Erschließung nicht genehmigungsfähig.
234Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen entspricht der Billigkeit, weil die Beigeladene einen Antrag gestellt und sich daher einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).
235Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO.
236237
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
238