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Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Die Klägerin wendet sich gegen die Höhe der durch den Beklagten für das Veranlagungsjahr 1998 festgesetzten Abwasserabgabe.
3Sie betreibt zur Beseitigung des in ihrem Gebiet anfallenden häuslichen und kommunalen Abwassers u. a. die Kläranlage (KA) G. . Die KA G. , an die im Veranlagungsjahr insgesamt 13.390 Einwohner angeschlossen waren, gehört zur Größenklasse 4 im Sinne des Anhangs 1 "häusliches und kommunales Abwasser" der Verordnung über Anforderungen an das Ableiten von Abwasser in Gewässer (Abwasserverordnung - AbwV). Das aus der KA G. abfließende gereinigte Wasser leitete sie in den Fluss X. ein. Wasserrechtliche Grundlage dieser Einleitung war der Erlaubnisbescheid des Regierungspräsidenten Arnsberg vom 25. Mai 1992 in der Fassung des 1. Änderungsbescheides vom 18. Mai 1994. In den vorgenannten Bescheiden wurde ein Höchstwasserabfluss von 552 m3/0,5 h sowie eine Jahresschmutzwassermenge von 2.277.000 m3/a festgesetzt. Zudem wurden u.a. folgende Überwachungswerte festgesetzt: für chemischen Sauerstoffbedarf (CSB) 40,0 mg/l, für Phosphor (Pges) 1,0 mg/l und für Gesamtstickstoff (Nges) 15,0 mg/l. Bezüglich der vorgenannten Parameter wurden im Rahmen der staatlichen Gewässeraufsicht für die genannten Schadstoffe qualifizierte Stichproben durchgeführt. Diese ergaben bei CSB jeweils 15 mg/l, bei Pges 1,18 mg/l (Messung vom 24.11.97), 1,56 mg/l, 0,57 mg/l und kleiner; für Nges wurde 5,1 mg/l, 5,0 mg/l und kleiner gemessen.
4Durch Bescheid vom 24. Oktober 2000 setzte der Beklagte eine Abwasserabgabe in Höhe von 291.096,40 DM (148.835,23 Euro) fest. Davon entfielen auf den Schadstoff CSB 127.470,00 DM, auf den Schadstoff Pges 68.006,40 DM und auf den Schadstoff Nges 95.620,00 DM. Eine Ermäßigung des Abgabesatzes nach § 9 Abs. 5 des Gesetzes über Abgaben für das Einleiten von Abwasser in Gewässer (Abwasserabgabengesetz - AbwAG) wurde für keinen Schadstoff gewährt. Zur Begründung wurde angeführt: Die Anforderungen nach § 7 a Abs. 1 des Gesetzes zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz - WHG) seien nicht eingehalten worden. Die Schadstofffracht sei auf Grund Verdünnung und Vermischung nicht so gering gehalten worden, wie dies nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik möglich gewesen sei.
5Gegen den Festsetzungsbescheid erhob die Klägerin unter dem 8. November 2000 Widerspruch mit dem Ziel einer Ermäßigung der Abwasserabgabe um 75 % für die Schadstoffe CSB, Pges und Nges. Zur Begründung führte sie aus: Zwar betrage der Fremdwasserzuschlag nach der vom Beklagten angewandten Methode mehr als 200 %, dieser Fremdwasserzuschlag sei aber nicht auf undichte Kanäle zurückzuführen, sondern auf die speziellen topografischen Verhältnisse der Wasserableitung im Siegerland und die außergewöhnliche meteorologische Situation im Kalenderjahr 1998, in dem ein ungewöhnlicher Anstieg der Niederschlagswassermenge stattgefunden habe. Dies müsse im Rahmen der vom Beklagten angewandten Verwaltungsvorschrift zur Ermittlung der Jahresschmutzwassermenge bei Einleitung von mit Niederschlagswasser vermischtem Schmutzwasser (vom 4. Februar 1991, MBl. NRW S. 281) berücksichtigt werden.
6Der Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 2001 zurück.
7Zur Begründung ihrer hiergegen erhobenen Klage hat die Klägerin ausgeführt: Die Voraussetzungen für eine Abgabesatzreduzierung nach § 9 Abs. 5 Satz 1 AbwAG seien erfüllt. Der Inhalt des wasserrechtlichen Einleitungsbescheides habe den Mindestanforderungen nach § 7 a WHG entsprochen. Diese seien auch im Veranlagungsjahr eingehalten worden, wie durch die Ergebnisse der amtlichen Überwachung und der Selbstüberwachung belegt sei.
8Außerdem nehme sie - die Klägerin - keine regelwidrige Vermischung oder Verdünnung von Schmutzwasser vor. Das Vermischungsverbot des § 3 Abs. 3 AbwV beziehe sich auf eine Behandlungstechnik in der Anlage. Es fehlten vorliegend nicht nur ein darauf gerichteter Wille und entsprechende zielgerichtete Handlungen; sie - die Klägerin - sei vielmehr an einer hydraulischen Entlastung ihrer Kanalisation und sonstigen Abwasseranlagen interessiert. Dem Beklagten stehe keine eigene Kompetenz zu, über einen ordnungsgemäßen Kanalisations- oder Kläranlagenbetrieb zu befinden. Ihm sei es verwehrt, eigene technische Regeln aufzustellen. Im Wasserrecht existiere kein verbindlicher Begriff des so genannten Fremdwassers. Der Begriff des Verdünnens/Vermischens werde bundesrechtlich nicht eindeutig definiert. Das so genannte Fremdwasser sei definitionsgemäß Bestandteil von Schmutzwasser im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 AbwAG. Abgesehen davon halte sie das von dem Beklagten noch als regelgerecht angesehene Verhältnis von Schmutzwasser zu Fremdwasser (200 % Fremdwasserzuschlag) ein. Der Berechnung des Mischungsverhältnisses seien andere Annahmen und Daten zu Grunde zu legen, als es der Beklagte getan habe. Es sei nicht möglich, allein ausgehend von der aus der öffentlichen Wasserversorgung bezogenen Trinkwassermenge die vom Beklagten noch als regelgerecht akzeptierten 200 % Fremdwasser durch rein rechnerische Methoden ohne jedwede wasserrechtliche Begründung und ohne jedweden wasserwirtschaftlichen Bezug zu ermitteln und allein diese Relation zum Maßstab für die daran anknüpfende abwasserabgabenrechtliche Bewertung zu machen. So sei u. a. nicht nachvollziehbar, warum nur ein Zuschlag von bis zu 200 % noch als regelgerecht angesehen werden könne.
9Die Klägerin hat wörtlich beantragt,
10den Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 24. Oktober 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2001 aufzuheben, soweit die darin festgesetzte Abwasserabgabe den Betrag von 72.744,10 DM (= 37.208,81 Euro) übersteigt.
11Der Beklagte hat beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Zur Begründung hat er u. a. ausgeführt: Die niedrigen Ablaufwerte in der KA G. resultierten überwiegend aus einer übermäßigen Verdünnung. Ein hoher Fremdwasseranteil im Abwasser wirke sich nach einhelliger Meinung in der Fachliteratur negativ aus und sei zu vermeiden. In Nordrhein-Westfalen werde nach ständiger Verwaltungspraxis die noch tolerierbare Fremdwassermenge wie folgt ermittelt: Ausgehend von einem üblichen häuslichen Schmutzwasseranteil je Einwohner und Tag von 150 l werde aus technischer Sicht ein tatsächlicher häuslicher Schmutzwasseranteil von maximal 300 l pro Einwohner und Tag toleriert. Liege der tatsächliche häusliche Schmutzwasseranteil in einem Bereich von 300 l bis 450 l pro Einwohner und Tag, müsse an sich vom Einleiter ein geeigneter Nachweis über die Zu- und Ablaufmengen der Abwasserbehandlungsanlage erbracht werden. Da ein solcher Nachweis für die Vergangenheit regelmäßig nicht erbracht werden könne, würde nach der ständigen Verwaltungspraxis zu Gunsten des Einleiters auch ohne Nachweis ein spezifischer täglicher Schmutzwasseranteil von maximal 450 l pro Einwohner und Tag als noch den Regeln der Technik entsprechend gewertet. Damit sei hinsichtlich des Wirkungsgrades der Kläranlage die Höchstgrenze dessen erreicht, was noch als regelgerechte Abwassereinleitung angesehen werden könne. Dieses Verhältnis werde im Fall der Kläranlage G. überschritten. Bezüglich des Niederschlagswassers könnten weitere Nachlauftage wegen der Topografie entgegen der Ansicht der Klägerin nicht berücksichtigt werden. Nach der einschlägigen Verwaltungsvorschrift müsse der Einleiter den Nachweis für die Einbeziehung weiterer Nachlauftage erbringen, was nicht geschehen sei. Entgegen der Ansicht der Klägerin sei eine Verringerung des Fremdwasseranteils nicht objektiv unmöglich, weil eine Vielzahl von Sanierungsmöglichkeiten zur Verringerung des Fremdwasseranteils zur Verfügung stehe.
14Das Verwaltungsgericht hat der Klage durch das angefochtene Urteil stattgegeben. Der angefochtene Bescheid des Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides sei rechtwidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten, soweit die darin festgesetzte Abwasserabgabe den Betrag von 72.744,10 DM übersteige. Die (teilweise) Rechtswidrigkeit ergebe sich daraus, dass der Abgabesatz für die Parameter CSB, Pges und Nges entgegen § 9 Abs. 5 Satz 1 AbwAG nicht um 75 % auf 17,50 DM ermäßigt worden sei. Die Kammer habe nicht feststellen können, dass die Klägerin die als Konzentrationswerte festgelegten Anforderungen für die hier in Rede stehenden Schadstoffparameter im Veranlagungsjahr durch ein nicht dem Stand der Technik entsprechendes Verfahren, nämlich durch eine unzulässige Verdünnung (mit Fremdwasser) erreicht habe. Für die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 AbwV bezüglich der in Rede stehenden Schadstoffparameter im Veranlagungsjahr 1998 vorgelegen hätten, genüge es entgegen der Ansicht des Beklagten nicht, das Vorhandensein von Fremdwasser in einer bestimmten Größenordnung (Fremdwasserzuschlag > 200 %) nachzuweisen. § 3 Abs. 3 AbwV verlange vielmehr einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der (nicht dem Stand der Technik entsprechenden) regelwidrigen Verdünnung einerseits und der Einhaltung der als Konzentrationswerte festgelegten Anforderungen andererseits. Dies ergebe sich entscheidend aus dem Wortlaut des § 3 Abs. 3 AbwV.
15Das Gericht habe nicht feststellen können, dass eine regelwidrige Verdünnung ursächlich für die Einhaltung der als Konzentrationswerte festgelegten Anforderungen für die hier in Rede stehenden Schadstoffparameter gewesen sei. Zwar spreche vieles dafür, dass ein dem Stand der Technik widersprechender zu einer Verdünnung führender Fremdwasseranteil im Veranlagungsjahr 1998 vorgelegen habe. Um den Nachweis zu führen, dass dadurch die Anforderungswerte eingehalten worden seien, sei eine Vergleichsberechnung erforderlich. Zu vergleichen seien die im Rahmen der amtlichen Überwachung gemessenen Konzentrationswerte für die einzelnen Schadstoffparameter mit einem von der Behörde auf der Grundlage des Verdünnungsanteils und der Ablaufkonzentration zu schätzenden höheren Anforderungswertes, der ohne eine Vermischung zu erwarten gewesen wäre. Dabei lasse sich das Verdünnungsverhältnis durch einen Quotienten wiedergeben, der sich aus der Division von Gesamtwasseranfall bei Trockenwetter (Dividend) und der Differenz aus Gesamtwasseranteil bei Trockenwetter und Fremdwasseranfall (Divisor) ergebe. Dabei sei nicht der gesamte festgestellte Fremdwasserteil, sondern nur die dem Stand der Technik widersprechende Fremdwassermenge in die Kausalitätsbetrachtung einzubeziehen. Unter Berücksichtigung der bisherigen Verwaltungspraxis des beklagten Landes sei der entsprechende Ursachenzusammenhang zwischen der dem Stand der Technik widersprechenden Verdünnung und der Einhaltung der als Konzentrationswerte festgelegten Anforderungen hier nicht festzustellen. Bei dieser Vergleichsberechnung sei es dem Gericht verwehrt, den vom Beklagten bislang als dem Stand der Technik entsprechenden Fremdwasserzuschlag von bis zu 200 % zu ersetzen. Mit Blick auf die hinsichtlich der Bestimmung des Standes der Technik der Exekutive zukommenden Beurteilungsspielräume bei der Anwendung und Weiterentwicklung naturwissenschaftlich technischer Begriffe sei es deren Aufgabe, die Spielräume auszufüllen. Im Interesse der Einheitlichkeit des Verwaltungshandelns bei normativ auszufüllenden Beurteilungsspielräumen könne das Gericht diesen Spielraum nicht selbst ausfüllen. Dies gehe zu Lasten des Beklagten, weil der Nachweis, dass eine die Abgabesatzermäßigung ausschließende Verdünnung im Sinne des § 3 Abs. 3 AbwV stattgefunden habe, derjenige zu erbringen habe, der sich darauf berufe.
16Zur Begründung seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung vertieft der Beklagte sein erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend führt er aus: Eine Fremdwassermenge von mehr als 450 l pro Einwohner und Tag habe die Folge, dass die Reinigungsleistung der Kläranlage herabgesetzt und mehr Schmutzfracht dem Gewässer zugeführt werde. Sie führe auch dazu, dass die Einhaltung der als Mindestanforderung festgelegten parameterbezogenen Werte daraus resultieren könnte, dass die Schadstoffe durch den hohen Fremdwasseranteil verdünnt worden seien. Deshalb komme es lediglich darauf an, ob eine dem Stand der Technik widersprechende Verdünnung durch Fremdwasser tatsächlich erfolge. Dann sei die Einhaltung der Mindestanforderungen nicht mehr durch entsprechende Reinigungsverfahren gegeben, sondern resultiere aus der Zuführung des hohen Fremdwasseranteils. Selbst wenn man mit dem Verwaltungsgericht das Erfordernis eines Kausalitätsnachweises annehmen würde, bestünden erhebliche Zweifel an der Berechnung des Verwaltungsgerichts. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene - auf der vermeintlichen Praxis in Baden-Württemberg beruhende - Berechnung, sei fehlerhaft. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts müsse bei der Kausalitätsbetrachtung die gesamte Menge des Fremdwassers berücksichtigt werden, nicht nur der Anteil, der über dem noch dem Stand der Technik entsprechenden Fremdwasseranteil liege.
17Der Beklagte beantragt,
18das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
19Die Klägerin beantragt,
20die Berufung zurückzuweisen.
21Zur Begründung vertieft sie ihre Ausführungen aus dem erstinstanzlichen Verfahren und stützt sich zusätzlich auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil.
22Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
23E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
24Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat der Klage durch das angegriffenen Urteil zu Recht stattgegeben. Die Klage ist begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 24. Oktober 2000 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 8. Februar 2001 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit die festgesetzte Abwasserabgabe den Betrag von 37.208,81 Euro übersteigt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
25Die angefochtenen Bescheide sind insoweit rechtswidrig, als bei der Berechnung der Abwasserabgabe als Abgabesatz für die Parameter CSB, Pges und Nges der Betrag von 70,00 DM/SE zu Grunde gelegt wurde; der Klägerin steht eine Ermäßigung des Abgabesatzes gemäß § 9 Abs. 5 Satz 1 AbwAG um 75 % auf 17,50 DM/Schadeinheit (SE) zu.
26Im hier maßgeblichen Veranlagungsjahr 1998 galten bis zum 28. August gemäß § 9 Abs. 5 Satz 1 AbwAG für die Ermäßigung des Abgabesatzes folgende Voraussetzungen: Der Abgabesatz nach Abs. 4 ermäßigte sich außer bei Niederschlagswasser (§ 7) und bei Kleineinleitungen (§ 8) um 75 % für Schadeinheiten, die nicht vermieden wurden, obwohl nach § 9 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AbwAG der Inhalt des Bescheids nach § 4 Abs. 1 AbwAG mindestens den von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates festgelegten Anforderungen nach § 7 a WHG entsprach und nach § 9 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AbwAG die von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates festgelegten Anforderungen nach § 7 a WHG im Veranlagungszeitraum eingehalten wurden, sofern sie nicht entgegen den allgemein anerkannten Regeln der Technik durch Verdünnung oder Vermischung erreicht wurden. Die zuletzt genannten Voraussetzungen (betreffend Verdünnung und Vermischung) sind in der ab dem 29. August 1998 geltenden Fassung des § 9 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AbwAG nicht mehr enthalten. Über den dortigen Verweis auf § 7 a WHG und den in Absatz 1 Satz 2 dieser Vorschrift enthaltenen Verweis auf die Abwasserverordnung (AbwV) ist insoweit seither § 3 Abs. 3 AbwV maßgeblich. Danach dürfen die als Konzentrationswerte festgelegten Anforderungen nicht entgegen dem Stand der Technik durch Verdünnung erreicht werden.
27Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 5 Satz 1 AbwAG für eine Abgabesatzermäßigung liegen bezüglich der Parameter CSB, Pges und Nges vor. Dies gilt unabhängig davon, welche der beiden vorgenannten Regelungsfassungen bei der Bestimmung des Abgabesatzes zu Grunde gelegt wird.
28Für das Abwasser der hier in Rede stehenden Kläranlage der Größenklasse 4 galten im gesamten Veranlagungsjahr 1998 gemäß 4.2.3 des Anhangs 1 Teil C der Abwasserverordnung für CSB 90 mg/l, für Pges 2 mg/l und für Nges 18 mg/l als dem Stand der Technik entsprechende Anforderungswerte. Die im Erlaubnisbescheid des Regierungspräsidenten Arnsberg vom 25. Mai 1992 in der Fassung des 1. Änderungsbescheides vom 18. Mai 1994 festgesetzten Überwachungswerte von 40 mg/l für CSB, von 1 mg/l für Pges und von 15 mg/l für Nges unterschreiten diese Mindestanforderungen. Ausgehend von den Ergebnissen der amtlichen Überwachung sind bei den Abwassereinleitungen aus der Kläranlage die festgesetzten Mindestanforderungen nach § 7 a WHG im Veranlagungsjahr 1998 eingehalten worden.
29Der Senat kann anhand der Angaben des Beklagten nicht feststellen, dass die Klägerin die Einhaltung der Mindestanforderungen durch eine regelwidrige Verdünnung des Abwassers erreicht hat; letzteres ist auch nicht offenkundig. Dabei kann zunächst dahinstehen, ob es bezüglich der Regelwidrigkeit einer etwaigen Verdünnung des Abwassers auf einen Widerspruch gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik (Rechtslage bis zum 28. August 1998) oder einen Verstoß gegen den Stand der Technik (Rechtslage ab dem 29. August 1998) ankommt. Das Eingreifen der genannten Voraussetzungen für eine Versagung der Abgabesatzermäßigung ist jedenfalls vom Beklagten darzulegen und (gegebenenfalls) zu beweisen, weil es sich um eine anspruchsvernichtende Regelung handelt.
30Vgl. dazu auch: OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. April 1999 - 12 A 13126/96 -, NVwZ-RR 1999, 671; Dahme, in: Sieder/Zeitler/Dahme, WHG und AbwAG, Loseblattkommentar, Band 2, Stand Dezember 2004, § 9 AbwAG, Rdnr. 39;
31Der Beklagte hat bereits nicht ansatzweise plausibel gemacht, dass die Einhaltung der Mindestanforderungen bei den Parametern CSB, Pges und Nges auf einer regelwidrigen Verdünnung des Abwassers beruht. Hierzu wäre eine nachvollziehbare Darlegung erforderlich gewesen, dass eine den allgemein anerkannten Regeln bzw. dem Stand der Technik widersprechende Verdünnung des Abwassers stattgefunden hat sowie dass die Einhaltung der Anforderungswerte ursächlich auf dieser (regelwidrigen) Verdünnung beruhte. Das zuletzt genannte Erfordernis der Ursächlichkeit kann entgegen der vom Beklagten geübten Verwaltungspraxis nicht bei Überschreiten einer bestimmten Fremdwassermenge im Abwasser unterstellt werden. Deshalb liegen die Voraussetzungen für eine Versagung der Abgabesatzermäßigung zunächst nicht schon deswegen vor, weil - so die Aufassung des Beklagten - ein bestimmtes Maß der Verdünnung des Abwassers durch Fremdwasser, namentlich etwa ein 200 % übersteigender Fremdwasserzuschlag, festzustellen ist. Vielmehr ist die vom Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil vertretene Ansicht zutreffend, wonach für die Versagung der Abgabesatzermäßigung auch ein Kausalitätsnachweis dahin zu fordern ist, dass die Einhaltung der maßgeblichen Werte durch (regelwidrige) Verdünnung erreicht worden ist. Auf die Begründung des Verwaltungsgerichts wird zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit Bezug genommen. Dieses Verständnis der einschlägigen bundesrechtlichen Regelungen wird von der hierzu bislang ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung geteilt.
32Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 28. September 2000 - 2 S 944/98 -, NVwZ-RR 2001, 330; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28. März 2002 - 12 A 11616/01 -, ZfW 2003, 53.
33Das Regelungsverständnis hat zudem ausdrücklich Niederschlag in verschiedenen Landesrechten gefunden. So verlangt § 8 a des bayerischen Ausführungsgesetzes zum AbwAG, dass im Falle des Überschreitens des zulässigen Fremdwasseranteils die Entscheidung über die Abgabesatzermäßigung von einem gesondert zu ermittelnden Anforderungswert abhängig gemacht wird.
34Vgl. dazu und zum Beurteilungsspielraum bei der Schätzung" des Fremdwasseranteils: Bayerischer VGH, Urteil vom 23. Dezember 2004 - 22 B 01.3142 -, juris.
35Auch nach baden-württembergischem Landesrecht ist der umschriebene Kausalitätsnachweis erforderlich. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Beklagte mitgeteilt, dieser Sichtweise künftig folgen zu wollen.
36Auf der Grundlage dieses Regelungsverständnisses kann die bislang praktizierte Vorgehensweise des Beklagten, wonach bei Überschreitung eines 200-prozentigen Fremdwasserzuschlags immer die Abgabesatzermäßigung versagt wurde, nicht aufrecht erhalten bleiben. Im Übrigen fehlt es an jeglicher durch nachvollziehbare Tatsachengrundlagen gestützter Darlegung des Beklagten, dass im vorliegenden Fall überhaupt eine den allgemein anerkannten Regeln bzw. dem Stand der Technik widersprechende Verdünnung des Abwassers stattgefunden hat, bzw., dass die Einhaltung der Mindestanforderungen durch eine regelwidrige Verdünnung des Abwassers erreicht wurde.
37Unter den allgemein anerkannten Regeln der Technik sind diejenigen Prinzipien und Lösungen zu verstehen, die in der Praxis erprobt und bewährt sind und sich bei der Mehrheit der Praktiker durchgesetzt haben.
38Vgl. BverwG, Beschluss vom 30. September 1996 - 4 B 175.96 - NVwZ-RR 1997, 214.
39Unter dem Stand der Technik ist der Entwicklungsstand technisch und wirtschaftlich durchführbarer fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen zu verstehen, die als beste verfügbare Techniken zur Begrenzung von Emissionen praktisch geeignet sind (vgl. § 7 a Abs. 5 WHG).
40Der Beklagte hat nicht aufgezeigt, dass es überhaupt eine fachlich fundierte Aussage gibt, wonach generell - unabhängig von den Umständen des Einzelfalles - ab einem bestimmten Fremdwasserzuschlag im Abwasser von einem Widerspruch zu den allgemein anerkannten Regeln der Technik bzw. zum Stand der Technik ausgegangen werden kann. Eine einheitliche normative Vorgabe existiert in der Bundesrepublik Deutschland und auch innerhalb Nordrhein-Westfalens hierzu nicht. In einigen Bundesländern bestehen Regelungen, die den zulässigen" Fremdwasserzuschlag im Abwasser mehr oder weniger konkret bestimmen; dabei werden unterschiedliche Werte als zulässig" angesehen bzw. teilweise (Sachsen) die Einhaltung der Regeln der Technik für jeden Einzelfall separat festgelegt. Andere Bundesländer (Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Berlin) verfügen hingegen über keinerlei Regelungen. Schließlich lassen wiederum andere Bundesländer (Brandenburg, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern) den Fremdwasserzuschlag bei der Gewährung der Abgabesatzreduzierung völlig unberücksichtigt.
41Vgl. im Einzelnen: Arbeitsbericht der ATV- DVWK-Arbeitsgruppe ES-1.3 Fremdwasser", Fremdwassersituation in Deutschland, KA - Abwasser, Abfall 2003, 70, 72.
42Eine diesbezügliche generalisierende Aussage zum Stand der Technik bzw. zu den allgemein anerkannten Regeln der Technik ist auch der Fachliteratur nicht zu entnehmen. Aus der Angabe des Beklagten, es entspreche der einvernehmlichen Aufassung sämtlicher Fachleute, die sich mit der Fremdwasserproblematik beschäftigen", dass ein gerade noch zulässiger Fremdwasseranteil kleiner als 100 % sein müsse, lässt sich nichts Entscheidendes herleiten. Insbesondere ist damit weder eine Aussage über die Größe des etwa nicht mehr den allgemein anerkannten Regeln der Technik bzw. dem Stand der Technik entsprechenden Fremdwasserzuschlags getroffen noch darüber, dass die baden-württembergische Regelung für den Kausalitätsnachweis auf die Verhältnisse in Nordrhein-Westfalen ohne weiteres übertragen werden kann. Der vom Beklagten in diesem Zusammenhang als Beleg angeführte - oben zitierte - Arbeitsbericht gibt für eine verallgemeinerbare Aussage zum zulässigen Fremdwasserzuschlag nichts her. Der Bericht enthält insofern lediglich die Angabe, dass der Fremdwasseranteil immer kleiner als 100 % ist. Dies liegt indes auf der Hand, denn anderenfalls bestünde das Abwasser nur aus Fremdwasser. Der Fremdwasserzuschlag hingegen kann nach dem zitierten Arbeitsbericht ohne weiteres über 100% betragen.
43Eine bezüglich des zulässigen Fremdwasserzuschlages für die Beurteilung des vorliegenden Falles aussagekräftige Angabe ist auch ansonsten in der Fachliteratur nicht offenkundig vorhanden. Einigkeit besteht nur insoweit, dass das Eindringen von Fremdwasser in eine Kanalisation in der Regel als unvermeidlich angesehen wird. Gegen die Existenz einer - auch nur für Nordrhein-Westfalen existierenden - generell verbindlichen Aussage zur Höhe eines noch dem Stand oder den allgemeinen Regeln der Technik entsprechenden Fremdwasserzuschlags sprechen im Übrigen die regional höchst unterschiedlichen Verhältnisse in Bezug auf die Fremdwasserproblematik. Sie liegen unter anderem in den verschiedenen Ursachen des Fremdwasseranfalls und ihrer Beherrschbarkeit begründet. Die Höhe des Fremdwasseranteils im Abwasser von Kläranlagen hängt maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls im Einzugsgebiet der jeweiligen Kläranlage ab. Insbesondere sind die Niederschlagsmengen und im Zusammenhang damit die Bodenbeschaffenheit, der Grundwasserspiegel und andere hydrologische und topografische Verhältnisse sowie die Kanalbeschaffenheit entscheidend.
44Vgl. Pecher, Fremdwasseranfall im Kanalnetz - ein wasserwirtschaftliches Problem?, in: KA 1998, 2250 ff. Angesichts der unterschiedlichen Ursachen des Eindringens von Fremdwasser in eine Kanalisation sind naturgemäß auch die technischen Erfordernisse bzw. Möglichkeiten für die Vermeidung desselben von den Umständen des Einzelfalles abhängig. Bei diesem Befund ist zusätzlich in den Blick zu nehmen, dass die Festlegung eines Standes der Technik nach dem Wortlaut des § 7 a Abs. 5 WHG auch den Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit von Maßnahmen beachten muss. Dementsprechend erscheint für die gesetzeskonforme Beantwortung der Frage, wann Anforderungswerte durch eine dem Stand bzw. den allgemein anerkannten Regeln der Technik widersprechende Verdünnung erreicht worden sind, die Öffnung für eine Einzelfallbetrachtung geboten.
45Vgl. auch Berendes, Das Abwasserabgabengesetz, 3. Aufl. 1995, S. 149
46Gemessen an den vorbeschriebenen, im Einzelfall in den Blick zu nehmenden Besonderheiten hat der Beklagte nicht im Ansatz - wie dies zumindest erforderlich wäre - dargelegt, dass die Einhaltung der Mindestanforderungen im Fall der Klägerin auf einer regelwidrigen Verdünnung des Abwassers beruht. Der Versuch einer gerichtlichen Sachaufklärung ist nicht veranlasst. Denn es ist zunächst Sache des einzelnen Prozessbeteiligten, dem Gericht die Umstände, aus denen er die für ihn günstigen Rechtsfolgen herleiten will, vollständig und richtig darzulegen. Erst hierdurch wird dem Gericht die Möglichkeit eröffnet, etwaige sachdienliche Beweise zu erheben.
47Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juli 1976 - IV A 1.75 -, NJW 1977, 163.
48Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
49Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
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