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Soweit die Berufung zurückgenommen worden ist, wird das Berufungsverfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Die Beklagte betreibt seit März 1985 in der G. -F. -Straße 44 in von der Erbengemeinschaft T. angemieteten Räumen eine Schnellreinigung. Das Gebäude ist seit seiner Wiedererrichtung Anfang der 60er Jahre an die öffentliche Entwässerungsanlage der Klägerin angeschlossen. Schon vor dem Betrieb der Beklagten wurde in den Räumlichkeiten eine Reinigung betrieben. Im Betrieb der Beklagten wird das Reinigungsmittel Perchlorethylen in Reinigungsmaschinen verwendet.
3Am 16. September 1996 stellten Bedienstete der Klägerin anlässlich einer routinemäßigen Reinigung des Kanals in der G. -F. -Straße einen Perchlorethylengeruch fest. Sie entnahmen an verschiedenen Stellen, u.a. auch im Revisionsschacht des Grundstücks Nr. 44, Proben des abgelagerten Schlamms sowie Wasserproben. Dabei wurde auf dem Grundstück G. -F. -Straße 44 festgestellt, dass sich die Rückstauklappe des Triplex-Schiebers gelöst hatte und in den Revisionsschacht des Grundstücks gelangt war. Bedienstete der Klägerin stellten im Keller des Hauses Nr. 44 sechs Kanister sicher, von denen zwei frisches und vier altes Perchlorethylen enthielten. Außerdem wurden zwei Fässer Kontaktwasser und Reinigungsschlamm angetroffen.
4Die Analysen ergaben, dass ab dem Hausanschluss G. -F. -Straße 44 in Fließrichtung die Kanalisation mit Perchlorethylen belastet war. Wegen der Einzelheiten wird auf den Plan Beiakte 3 Bezug genommen. In dem Haus G. - F. -Straße 44 befinden sich neben der Reinigung noch ein Reisebüro, ein weiteres Büro sowie fünf Wohnungen. Am 19. September 1996 wurden weitere Proben entnommen. Am 23. September 1996 wurde der Kanal durch eine Spezialfirma gereinigt, das abgepumpte Material wurde von einer anderen Firma entsorgt.
5Nach einem ersten Versuch, die Eigentümer des Grundstücks G. -F. - Straße 44 zum Ersatz des entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, wandte sich die Klägerin mit Schreiben vom 17. September 1997 an die Beklagte und bat um Erstattung des geltend gemachten Schadens in Höhe von 62.872,04 DM. Die Kosten spezifizierte die Klägerin im Einzelnen mit 193,20 DM Kosten der Abteilung Grundstücksentwässerung zur Ermittlung des Verursachers und Regelung der notwendigen Maßnahmen, 5.452,-- DM Kosten der Kanalbetriebsabteilung für die Schadensfeststellung und städtische Maßnahmen bei der Reinigung des Kanals, 48.763,51 DM Kosten für die Kanalreinigung und die Entsorgung der Kanalschlämme durch Fremdfirmen sowie 8.463,33 DM Kosten der Chemisch-biologischen Laboratorien der Klägerin für Abwasseruntersuchungen zur Ermittlung des Verursachers und Sicherung des Klärwerks bei der Kanalreinigung. In dieser Summe ist ein Betrag von 6.512,30 DM enthalten, der allein dem - erfolglosen - Versuch diente, die Identität des im Kanal gefundenen und des bei der Beklagten vorgefundenen Perchlorethylens festzustellen. Die Beklagte lehnte die Begleichung des geltend gemachten Anspruchs ab.
6Mit der am 3. August 1998 erhobenen Klage hat die Klägerin den Schaden eingeklagt. Sie hat vorgetragen: Da sie keine Möglichkeit zum Erlass eines Leistungsbescheides habe, sei Klage vor dem Verwaltungsgericht geboten. Der Anspruch ergebe sich aus einer entsprechenden Anwendung der Grundsätze über die positive Forderungsverletzung auf das öffentlich-rechtliche Kanalbenutzungsverhältnis. Die Beklagte als Inhaberin und Betreiberin eines auf dem Grundstück befindlichen Betriebes sei gemäß § 2 Nr. 12 der Satzung über die Abwasserbeseitigung der Grundstücke im Stadtgebiet E. (Abwassersatzung vom 6. September 1989) anschlusspflichtig und damit auch den Pflichten aus dem Kanalbenutzungsverhältnis unterworfen, insbesondere der Pflicht aus § 7 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 Nr. 9 der Abwassersatzung, wonach die Einleitung bestimmter Stoffe in die Kanalisation, u.a. auch Perchlorethylen, verboten sei. Unabhängig davon, ob die Beklagte Anschlusspflichtige sei, sei sie jedenfalls Teilnehmerin des Kanalbenutzungsverhältnisses, das sich auf alle Personen erstrecke, die bewusst und zielgerichtet Abwasser in die städtische Entwässerungseinrichtung einleiteten. Insofern sei das Benutzungsverhältnis personenbezogen, während der Anschlusszwang grundstücksbezogen sei. Gegen dieses Verbot, bestimmte schädliche Abwässer in die Entwässerungsanlage einzuleiten, habe die Klägerin verstoßen, indem sie etwa 1 1/2 Liter Perchlorethylen in die Entwässerungsanlage eingeleitet habe. Ein anderer Einleiter als die Klägerin komme nicht in Betracht, da nur sie Perchlorethylen verwende und der Kanal zuletzt 1989 gereinigt worden sei, sodass es sich nicht um Produkte des vor der Eröffnung des klägerischen Betriebes 1985 dort ansässigen Reinigungsbetriebes handeln könne. Mit Rücksicht auf ersparte Kosten der Kanalreinigung hat die Klägerin die Klage in Höhe von 921,-- DM zurückgenommen.
7Die Klägerin hat beantragt,
8die Beklagte zu verurteilen, an sie 61.951,04 DM nebst 4 % Zinsen ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
9Die Beklagte hat beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Sie hat vorgetragen: Es fehle bereits an der Passivlegitimation, da nicht sie, sondern die Erbengemeinschaft T. als Grundstückseigentümerin Anschlussinhaberin und damit Verpflichtete aus dem Anschlussverhältnis sei. Jedenfalls habe sie aber auch Pflichten aus einem unterstellten Benutzungsverhältnis nicht verletzt. So sei bereits die festgestellte Konzentration von Perchlorethylen nicht als gefährlich und unzulässig einzustufen. Im Übrigen stamme das Perchlorethylen auch nicht aus ihrem Betrieb. Die von ihr benutzten Reinigungsmaschinen arbeiteten im geschlossenen System, d.h. Abwasser falle überhaupt nicht an. Vielmehr werde das verbrauchte Perchlorethylen an Entsorgungsbetriebe übergeben. Die 1995 neu angeschafften Maschinen, aber ebenso die seit 1985 genutzten Maschinen arbeiteten fehlerfrei. Sie habe Ankaufs- und Entsorgungsbelege vorgelegt, aus denen sich ergebe, dass das angeschaffte Perchlorethylen über die Entsorgungsfirmen entsorgt worden sei. Es sei auch unverständlich, warum sie eine Entsorgung des Perchlorethylens über die öffentliche Entwässerungsanlage betreiben sollte, da die Entsorgung von 1,5 Litern Perchlorethylen nur wenig koste. Möglicherweise sei das Perchlorethylen infolge des defekten Triplex-Schiebers als Rückstand aus dem Vorgängerbetrieb in die Kanalisation gelangt, der mit veralteten und funktionsuntüchtigen Maschinen gearbeitet habe.
12Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.
13Dagegen richtet sich die zugelassene und rechtzeitig begründete Berufung der Klägerin, mit der sie ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft und insbesondere ausgeführt hat: Die Begründung eines Benutzungsverhältnisses könne auch durch tatsächliche Nutzung erfolgen, wie dies beispielsweise bei gemeindlichen Spiel- und Sportplätzen der Fall sei. Eine solche Differenzierung zwischen Anschlusspflichtigen und Einleitern ergebe sich auch aus der Satzung. Im Übrigen sei der Nachweis der Pflichtverletzung der Beklagten im Wege des Anscheinsbeweises geführt worden. Es sei Sache der Beklagten, diesen Anscheinsbeweis zu erschüttern, was ihr nicht gelungen sei. Entgegen der Darstellung der Beklagten könne die vorgefundene Verschmutzung nicht durch Einleiten von Haushaltsmitteln erklärt werden, da in den üblichen Haushaltsreinigungsmitteln die Konzentration von Perchlorethylen zu gering sei. Auch könne eine Verunreinigung durch die auf dem Grundstück G. -F. - Straße 42 befindliche Druckerei ausgeschlossen werden, da in einer Druckerei Perchlorethylen nicht verwendet werde und eine Untersuchung des Revisionsschachtes auf diesem Grundstück, der noch nie gereinigt worden sei, keinerlei Verschmutzungen dieser Art ergeben habe.
14Die Klägerin hat die Berufung in Höhe von 3.329,69 EUR für die Laboratoriumskosten zur Identitätsfeststellung des Perchlorethylens zurückgenommen.
15Die Beklagte hat ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft und insbesondere ausgeführt: Ein verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis ergebe sich auch nicht aus der Entwässerungssatzung. Eine Verunreinigung durch sie, die Beklagte, sei nicht nachgewiesen, auch nicht im Wege des Anscheinsbeweises. Dafür fehle es schon an der Darlegung eines typischen Sachverhaltes, denn die vielfache Verwendung von Perchlorethylen, das häufig in Haushaltsmitteln enthalten sei, schließe es aus, aus dem Vorfinden dieses Stoffes auf eine bestimmte Schadensursache zu schließen. Ihre Reinigungsmaschinen, in denen Perchlorethylen verwendet werde, würden nicht von Hand gefüllt, sondern von der Firma T1. , die dazu spezielle Einfüllstutzen benutze. Die Entsorgung werde durch die Firma U. vorgenommen. Darüber hinaus komme auch eine Verunreinigung durch die auf dem Nachbargrundstück G. -F. -Straße 42 vorhandene Druckerei oder durch die von der Fließrichtung gesehen oberhalb im Nachbarhaus L.---straße 70 gelegene Zahnarztpraxis in Betracht, in der ihres Wissens nach auch Perchlorethylen benutzt werde. Auch der Vorgänger in der Wäscherei komme in Betracht, da sich Perchlorethylen auch einen Zeitraum von zehn Jahren oder mehr in einer Kanalisation erhalten könne.
16Der Senat hat der Klage durch Urteil vom 14. Januar 2003 stattgegeben, das das Bundesverwaltungsgericht unter Zurückverweisung der Sache an das erkennende Gericht durch Beschluss vom 30. Juli 2003 aufgehoben hat. Der Senat hat ein Sachverständigengutachten des Diplom-Chemikers Dr. F1. zu der Frage der Verursachung der Kanalverunreinigung und weiterer damit zusammenhängender Fragen eingeholt. Wegen des Ergebnisses wird auf die Beiakte 4 und 5 sowie die schriftliche Antwort des Sachverständigen vom 22. Mai 2005 auf eine Frage der Klägerin (Bl. 409 f. der Gerichtsakte) Bezug genommen.
17Die Klägerin trägt ergänzend vor: Die Tatsache, dass reines Perchlorethylen im Revisionsschacht des Hauses G. -F. -Straße 44 gefunden worden sei, belege, dass dieser Stoff nicht durch Haushaltsreiniger oder Ähnliches eingetragen worden sein könne, die diesen Stoff nur in geringer Konzentration enthielten, Der Sachverständige komme zutreffend zu dem Ergebnis, dass die Kanalverunreinigung aus dem Betrieb der Beklagten stamme. Aus den Feststellungen zu den im entsorgten Schlamm enthaltenen Mindestmengen an Perchlorethylen im Zusammenspiel mit den Ausführungen des Sachverständigen ergebe sich, dass alleine der Betrieb der Beklagten als Schadensquelle in Betracht komme. Soweit der Sachverständige nicht ausschließen wolle, dass die im Revisionsschacht des Grundstücks G. -F. -Straße 44 seiner Zeit vorgefundene Blase reinen Perchlorethylens vom Betrieb der vorherigen Reinigung stamme, könne dies nach der Alltagserfahrung ausgeschlossen werden, da sich eine solche Blase nicht über zwölf Jahre lang in einem von Regen- und Schmutzwasser durchflossenen Schacht halten könne.
18Sie beantragt,
19das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, 28.345,37 EUR nebst 4 % Zinsen ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
20Die Beklagte beantragt,
21die Berufung zurückzuweisen.
22Sie trägt weiter vor: Die Perchlorethyleneinleitung stamme nicht aus dem Betrieb der Beklagten. Zugang zum Keller, in dem sich die gelagerten Reinigungsmittel befänden, hätten außer der Beklagten nur ihre Mitarbeiter gehabt. Die Behältnisse mit den Reinigungsmitteln seien stets verschlossen gewesen. Demgegenüber hätten zur Waschküche, in der der Revisionsschacht liege, alle Mieter Zugang. Die Reinigungsmaschinen seien nicht an die Kanalisation angeschlossen und es seien weder im Lager noch im Maschinenraum Abflüsse vorhanden, in den der Stoff habe eingeleitet werden könne, wie der Sachverständige bestätigt habe. Zum Anbürsten sei Perchlorethylen nur bis zum Anfang der 90er Jahre benutzt worden, die Klägerin gehe aber selbst davon aus, dass sich der Stoff so lange nicht in der Kanalisation halten könne. Auch sei das Anbürstmittel im Betrieb so verwendet worden, dass es in den Maschinenkreislauf zurückgeführt und nicht in die Kanalisation eingeführt wurde. Auch der Sachverständige bestätige, dass Anbürstmittel als Ursache der Verunreinigung ausscheide. Das im Schlamm gefundene Perchlorethylen könne bereits vor 30 oder 40 Jahren eingeleitet worden sein. Die sogenannte Perchlorethylenblase im Revisionsschacht sei nie objektiv analysiert worden. Die geltend gemachten Kosten seien überhöht.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und der dazu beigezogenen Unterlagen Bezug genommen.
24Entscheidungsgründe:
25Soweit die Berufung zurückgenommen worden ist, ist das Berufungsverfahren einzustellen.
26Die zulässige Berufung im Übrigen ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die erhobene Leistungsklage ist zwar zulässig, aber unbegründet. Der Verwaltungsrechtsweg ergibt sich unter dem Gesichtspunkt eines Anspruchs aus positiver Forderungsverletzung im öffentlich-rechtlichen Kanalbenutzungsverhältnis unmittelbar aus § 40 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), unter dem Gesichtspunkt eines Schadensersatzanspruchs aus unerlaubter Handlung nach § 823 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) aus § 17a Abs. 5 des Gerichtsverfassungsgesetzes. Die Zuweisung bestimmter Schadensersatzansprüche an den ordentlichen Rechtsweg in § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist hier nicht einschlägig, da dies nur Ansprüche gegen den Staat, nicht solche des Staates betrifft.
27Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 40 Rn. 73.
28Der Klägerin steht der geltend gemachten Zahlungsanspruch jedoch nicht zu.
29Dieser ergibt sich weder aus einer Pflichtverletzung im Rahmen des öffentlich- rechtlichen Kanalbenutzungsverhältnisses in entsprechender Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Grundsätze über die positive Forderungsverletzung (für ab dem 1. Januar 2002 entstandene Schuldverhältnisse heute aus § 280 Abs. 1 BGB) noch aus Deliktsrecht gemäß § 823 Abs. 1 BGB oder § 831 Abs. 1 Satz 1 BGB. Alle denkbaren Ansprüche setzen voraus, dass die Beklagte, ein Erfüllungsgehilfe oder ein Verrichtungsgehilfe das Eigentum der Klägerin beschädigt hat, indem die Person Perchlorethylen in die Kanalisation eingeleitet oder die Beklagte durch mangelhafte Organisation des Betriebs nicht ausgeschlossen hat, dass einer ihrer Verrichtungsgehilfen dies getan hat. Dies kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden.
30Der Senat lässt offen, ob für den Fall, dass - was nach der Beweisaufnahme feststeht - erstens eine Perchlorethylenverunreinigung des öffentlichen Kanals durch Einleitung aus einem bestimmten Haus stattgefunden hat, zweitens diese Verunreinigung nicht durch Einleiten von perchlorethylenhaltigen Haushaltsmitteln erfolgt ist und drittens in dem Haus keine Wohnungen oder Betriebe vorhanden sind, in denen manuell mit Perchlorethylen in für die Verunreinigung relevanter Konzentration umgegangen wird, außer einer Wäscherei, in der dies geschieht, ein Beweis des ersten Anscheins dahin möglich ist, dass die Einleitung aus dem Bereich der Wäscherei stammt. Um eine durch Anscheinsbeweis erhärtete Vermutung dieser Art annehmen zu können, müssten die genannten festgestellten Tatsachen einen Sachverhalt als typischern Geschehensablauf darstellen, der nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache als maßgeblich für den Eintritt eines bestimmten Erfolges hinweist und es rechtfertigt, die besonderen Umstände des einzelnen Falles zurücktreten zu lassen.
31Vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2002 - 8 C 20.01 -, Buchholz 428 § 31 VermG Nr. 9, S. 15.
32Im vorliegenden Fall würde weder ein solcher Anscheinsbeweis noch ein durch die genannten festgestellten Tatsachen geführter Vollbeweis, dass die Einleitung aus dem Bereich der Wäscherei stammt, einen Beweis für die die Haftung der Beklagten begründenden Tatsachen liefern. Dafür wäre erforderlich, dass feststünde, dass die Einleitung zu einer Zeit erfolgte, in der die Beklagte Inhaberin der Wäscherei war. Dies steht nicht fest.
33Die von der Klägerin bei der Probeentnahme vorgefundene Blase reinen Perchlorethylens im Revisionsschacht lässt es nämlich als möglich erscheinen, dass die Einleitung aus dem Vorgängerbetrieb stammt, wofür die Beklagte nicht haften würde. Wenn auch aus den oben genannten feststehenden Tatsachen regelmäßig gefolgert werden kann, dass die Einleitung in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit einer festgestellten Kanalverschmutzungen geschehen sein muss, so ist diese Vermutung im vorliegenden Fall erschüttert. Durch die Perchlorethylenblase, die sich vor einem Schmutzhügel, der sich wiederum vor dem abgerissenen Triplexschieber gebildet hatte, gestaut hatte und über die hinweg das Abwasser abfloss, ist es, wie der Sachverständige ausgeführt hat, möglich, dass dadurch eine Abgabe aus dem Perchlorethylendepot über einen längeren Zeitraum erfolgt ist. Das Abwasser reißt nämlich je nach den Strömungsverhältnissen einen Teil der Blase mit sich.
34Für die Erschütterung einer nach den Regeln des Anscheinsbeweises gewonnenen Vermutung ist erforderlich, dass Tatsachen vorliegen, welche die ernstliche und naheliegende Möglichkeit eines vom typischen Sachverhalt abweichenden Geschehens- oder Ursachenverlaufs begründen.
35Vgl. BVerwG, Urteil vom 24. August 1999 - 8 C 24.98 -, Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 305, S. 12.
36Das ist hier der Fall: Die Blase lässt es als ernstlich möglich erscheinen, dass die Kanalverunreinigung nicht durch Einleitung von Perchlorethylen aus der Wäscherei der Beklagten in den Hausanschluss und von dort unmittelbar in Kanalisation der Klägerin geschehen ist, sondern durch Abtrag aus der vorhandenen Perchlorethylenblase im Revisionsschacht des Hauses in die Kanalisation. Darauf, dass eine solche Perchlorethylenblase auf eine Einleitung aus der Wäscherei der Beklagten und nicht aus dem mehr als elf Jahre zuvor geführten Vorgängerbetrieb zurückzuführen ist, kann sich die Vermutung nicht erstrecken, denn wegen der Einzigartigkeit einer solchen Sachverhaltskonstellation gibt es insoweit keinen typischen Geschehensablauf, der nach der Lebenserfahrung den genannten Schluss erlaubt.
37Daher kommt es für die Haftung der Beklagten entscheidend darauf an, ob die genannte Perchlorethylenblase durch Einleitung aus der Wäscherei der Beklagten entstanden ist. Das kann nicht festgestellt werden. Zwar hat der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vom 22. Februar 2005 vor dem Senat ausgeführt, dass er es für möglich halte, dass eine solche Perchlorethylenblase ein paar Jahre bestehen bleibe könne, er aber "gefühlsmäßig" einen Zeitraum von elf Jahren ausschließe. Zur Klärung des Alters der Blase hat der Senat eine ergänzende Begutachtung durch den Sachverständigen angeordnet. Diese hat ergeben, dass die Analysedaten, die die Klägerin aus dem der Blase entnommenen Perchlorethylen gewonnen hat, keinen Rückschluss auf deren Alter zulassen, da es sich bei Perchlorethylen um einen chemisch sehr resistenten Stoff handelt, der praktisch nur biochemisch zersetzt wird. Da die Zersetzungsbedingungen im Umfeld der inzwischen beseitigten Perchlorethylenblase aber nicht bekannt sind, kann aus den Analysedaten nicht auf das Alter geschlossen werden. Diese auf den schlüssigen Ausführungen des Gutachters beruhenden Überlegungen, denen die Klägerin hinsichtlich der zu Grunde liegenden Tatsachen nicht entgegentritt, überzeugen den Senat, dass unter chemischen Gesichtspunkten das Alter der Perchlorethylenblase nicht feststellbar ist.
38Allenfalls ließe sich abschätzen, wie lange sich eine solche Perchlorethylenblase hydrodynamisch in einem Hausanschlussschacht, durch den Schmutz- und Niederschlagswasser geleitet wird, halten kann. Insoweit erscheint es wenig wahrscheinlich, dass sich dies über elf Jahre erstrecken kann, was auch der Sachverständige ausgeführt hat. Allerdings handelt es sich bei dieser Meinung um eine Einschätzung ohne gesicherte Erkenntnisgrundlage "aus dem Bauch heraus" oder - wie der Sachverständige es ausgedrückt hat - um eine gefühlsmäßige Einschätzung.
39Dabei muss der Senat, um eine Haftung der Beklagten bejahen zu können, davon überzeugt sein, dass die Kanalverunreinigung aus dem Bereich der Wäscherei der Beklagten und daher die Perchlorethylenblase nicht aus dem Vorgängerbetrieb stammt. Diese Überzeugung konnte der Senat nicht gewinnen. Zwar ist dafür nicht erforderlich, dass die Herkunft aus dem Vorgängerbetrieb völlig auszuschließen ist, da keine unumstößliche Gewissheit erforderlich ist.
40Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. April 1985 - 9 C 109.84 -, BVerwGE 71, 180 (181); Urteil vom 10. Dezember 1959 - III C 135.57 -, Buchholz 427.3 § 339 LAG Nr. 92; BGH, Urteil vom 17. Februar 1970 - III ZR 139/67 -, BGHZ 53, 245 (255 f.).
41Jedoch muss die Überzeugung von der Tatsache jenseits eines vernünftigen Zweifels bestehen und die Tatsache in diesem Sinne mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen.
42Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. November 2003 - 8 C 10.03 -, BVerwGE 119, 232 (237); Höfling, in: Sodan/Ziekow, VwGO, Loseblattsammlung (Stand: Januar 2003), § 108 Rn. 81; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. § 108 Rn. 5.
43Eine solche Sicherheit kann hier nicht gewonnen werden, da die Frage, wie lange sich eine Perchlorethylenblase in einem Revisionsschacht halten kann, von nicht bekannten und nicht mehr erforschbaren Tatsachen zu den konkreten Strömungsverhältnissen im Revisionsschacht abhängt, so dass die Annahme, länger als elf Jahre sei dies nicht möglich, eine bloße Spekulation ohne Tatsachenbasis ist. Denn die Überlebensdauer einer solchen Blase hängt maßgeblich von ihrer ursprünglichen Größe und den Fließverhältnissen in ihrer Umgebung ab. Alle diese Umstände sind unbekannt und nicht mehr mit einer für eine hydrodynamische Begutachtung erforderlichen Sicherheit rekonstruierbar: Weder ist die Größe des Schmutzhügels bekannt, der sich vor dem abgerissenen Triplexschieber gebildet hatte und der für die Maximalgröße der Perchlorethylenblase maßgeblich war, noch gibt es Informationen über die Strömungsverhältnisse um die Blase herum und die Häufigkeit und Intensität der Abflussmengen, was für den Austrag aus der Blase und damit für deren Verkleinerung maßgeblich ist. Auch die Klägerin hat dazu keine eine weitere Beweisaufnahme begründenden Tatsachen vorgebracht oder Beweisanregungen gegeben. Die von ihr in der mündlichen Verhandlung vom 28. Juni 2005 dargelegten Starkregenereignisse vermögen die notwendige Überzeugungssicherheit, dass das Perchlorethylen aus dem Betrieb der Beklagten stammt, nicht zu begründen. Wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, ist selbst bei den Starkregenereignissen 1986/87 und 1993 die Hausanschlussleitung zwar über 50 %, aber nicht vollständig gefüllt gewesen. Es ist daher nicht auszuschließen, dass bei ausreichender Größe der Perchlorethylenblase und entsprechenden Lage- und Strömungsverhältnissen auch dann noch das Abwasser über die Blase hinwegströmte und nur einen Teil des Perchlorethylens mitriss, ohne die Blase ganz zu beseitigen. Auch die von der Klägerin aufgestellte These, dass der Triplexschieber nicht mehr als elf Jahre abgerissen gewesen sein könne, weil sich sonst eine Verstopfung gebildet haben würde, ist eine bloße These aus dem Gefühl heraus. Es ist nicht auszuschließen, dass der vor dem Triplexschieber gebildete Schlammberg ab einer bestimmten Größe immer wieder vom vorbeiströmenden Abwasser abgetragen wurde, so dass keine Verstopfung eintrat. Auch diese Frage lässt sich ohne Kenntnis der Anfangsbedingungen nicht beantworten. Schließlich kann auch aus dem Umstand, dass bei der Reinigung des städtischen Kanals im Jahre 1989 keine Perchlorethylenverschmutzung festgestellt wurde, nicht geschlossen werden, dass es zu diesem Zeitpunkt, als etwa vier Jahre nach der Aufnahme des Betriebs durch die Beklagte, diese Perchlorethylenblase nicht gegeben hat. Wie der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung 22. Februar 2005 ausgeführt hat, hätte man zwar das Perchlorethylen riechen müssen, der Kanalschlamm ist seiner Zeit aber nicht untersucht worden. Ob ein Perchlorethylengeruch durch die damaligen Mitarbeiter der Klägerin hätte festgestellt werden müssen, lässt sich heute auch nicht mehr mit der erforderlichen Sicherheit beantworten. Dies hängt von Umständen ab, wie etwa den einzelnen Handlungen zur Kanalreinigung und dem Abwassereintrag in den Kanal kurz vor der Reinigungshandlung, die ebenfalls nicht mehr mit der erforderlichen Sicherheit rekonstruiert werden können.
44Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und auf § 155 Abs. 2 VwGO, soweit die Klägerin die Berufung zurückgenommen hat.
45Die Regelung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
46Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
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