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Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 19. März 2003 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.225,84 EUR (= 20.000 DM) festgesetzt.
G r ü n d e :
2I.
3Die Klägerin bringt das Produkt "E. " in Deutschland in Verkehr. Hierbei handelt es sich nach Herstellerangaben um ein aus einer Mischung von verschiedenen organischen Säuren und Kräutern bestehendes und in unterschiedlich starken Lösungen - Säuregehalt von 1,5 - 2 % bzw. 6 - 8 % bzw. 30 - 39 % - zu verwendendes Klauenpflegemittel für Klauentiere. Nach einem Informationsblatt, das Vorderfüße des Rindes abbildet, soll "E. " mittels Rückenspritze 14-tägig auf bzw. zwischen die Klauen gespritzt werden; nach einer anderen Beschreibung wird vor Verätzung gewarnt. Das Landesinstitut für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (LÖGD) stufte das Produkt mit Prüfbericht vom 22. Juli 1999 als Arzneimittel ein.
4Nach entsprechender Anhörung untersagte die Beklagte der Klägerin mit Ordnungsverfügung vom 23. Oktober 2000 das Inverkehrbringen des Tierarzneimittels "E. " mit der Begründung: "E. " sei auf Grund seiner objektiven Zweckbestimmung, d. h. auf Grund seiner Inhaltsstoffe, ein Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes. Dem Gutachten des LÖGD vom 22. Juli 1999 zufolge handele es sich um eine konzentrierte, stark ätzende Flüssigkeit aus einem Gemisch von Ameisen- und Essigsäure mit einem Gesamtsäuregehalt von 30 bis 39 %. Ameisensäure werde pharmakologisch als Wirkstoff gegen Ektoparasiten eingesetzt und in der Verordnung EWG 2377/90 des Rates vom 26. Juni 1990 zur Schaffung eines Gemeinschaftsverfahrens für die Festsetzung von Höchstmengen für Tierarzneirückstände in Nahrungsmitteln tierischen Ursprungs in der zurzeit gültigen Fassung als pharmakologisch wirksamer Stoff aufgeführt. Unter dem Einfluss der Säuren, deren Wirkung über eine Reinigungs- und Pflegewirkung hinausgehe und die als Tierpflegemittel unüblich seien, komme es zur Denaturierung von Proteinen und zur Enzymhemmungen bei Krankheitserregern und Parasiten. Stoffe, die außer der Reinigung auch der Desinfektion dienten, seien keine Tierpflegemittel. "E. " sei weder zugelassen noch gemeinschaftsrechtlich genehmigt.
5Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 25. Juli 2001 zurück.
6Mit ihrer Klage hat die Klägerin vorgetragen: "E. " sei kein Arzneimittel, sondern ein reines Tierpflegemittel, das auch nach den Angaben auf der Verpackung und im Informationsblatt nur als Klauenpflegemittel vertrieben werde. Die Kräuter "E. " hätten eine pflegende Wirkung und die organischen Säuren dienten ausschließlich zur Reinigung der mit Kot und Mist verschmutzten Klauen. Eine desinfizierende Wirkung sei mit "E. " nicht verbunden. Es enthalte keine Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die vom Verkehr außerhalb der Apotheken ausgeschlossen seien, etwa Jod, und habe weder nach seiner objektiven noch seiner subjektiven Zweckbestimmung arzneiliche Wirkungen.
7Die Klägerin hat beantragt,
8die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 23. Oktober 2000, soweit sie nicht die Kostenfestsetzung betrifft, und deren Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2001 aufzuheben,
9hilfsweise,
10ein Sachverständigengutachten über die Verbrauchervorstellungen einzuholen, das heißt, dass das Produkt "E. " auf Grund seiner Aufmachung und aktuellen Bewerbung nicht als Tierarzneimittel, sondern ausschließlich als Tierpflegemittel/Kosmetikum verstanden wird.
11Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf die Gründe ihrer Verwaltungsentscheidungen Klageabweisung beantragt.
12Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat die Klage durch das angefochtene Urteil abgewiesen, weil "E. " ein Arzneimittel sei und die Untersagung nicht gegen Gemeinschaftsrecht verstoße.
13Hiergegen hat die Klägerin - nach Zulassung durch das Verwaltungsgericht - Berufung erhoben, mit der sie unter Wahrung der Begründungsfrist vorträgt:
14Das Verwaltungsgericht habe die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs an das Erscheinungsbild und die Zweckbestimmung anknüpfenden Abgrenzungskriterien falsch angewandt. "E. " deute nach seiner das Erscheinungsbild prägenden Aufmachung eindeutig nicht auf ein Arzneimittel hin; es werde auch von den angesprochenen Verbrauchern eindeutig nicht dahingehend verstanden. Für die Einordnung als Arzneimittel oder Kosmetikum komme es auf die Vorstellung eines beachtlichen Teils des angesprochenen Verbraucherkreises und nicht auf eine allgemeine Verkehrsauffassung an. Ob Ameisensäure allgemein als Mittel zur Tierkörperpflege bekannt ist, sei nicht entscheidend, weil "E. " durch seine Produktaufmachung ausschließlich als Tierpflegemittel angesehen werde und dadurch die Grundlage für seine Qualifizierung als Arzneimittel entzogen sei. Weder sein Name noch die Angaben auf Verpackung oder Informationsblatt wiesen auf arzneiliche Wirkungen, vielmehr nur auf pflegende Wirkungen hin. Angaben wie "Abwehrkraft" oder "Infektionsdruck" seien nicht prägend. Das dem Verbraucherkreis nicht angehörende Verwaltungsgericht habe ein abweichendes Verständnis des Verbrauchers, dass Ameisen- und Essigsäure gleichwohl arzneiliche Wirkung hätten, nicht, wie geboten, durch Sachverständigengutachten festgestellt, was nachzuholen sei. Dass ein solches Verständnis nicht bestehe, werde dadurch belegt, dass "E. " in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft als Tierkosmetikum angesehen und nicht beanstandet werde. Auch würden beispielsweise Essigreiniger auf Säurebasis seit Jahren verwendet, ohne dass ihnen jemals arzneiliche Wirkung zugeschrieben worden seien. Sie bestreite, dass arzneiliche Wirkungen der Säuren auch bei der von ihr empfohlenen Anwendungskonzentration von "E. " einträten. Auch wenn Ameisensäure nach der VO (EWG) 2377 als pharmakologisch wirksamer Stoff bezeichnet sei, trete eine solche Wirkung bei den anzuwendenden Mengen nicht ein. Auch die zur Haltbarmachung von Lebensmitteln verwendeten Essig- und Ameisensäuren seien nie als Arzneimittel angesehen worden. Das Verwaltungsgericht habe den im angefochtenen Verkehrsverbot liegenden Verstoß gegen Art. 28, 30 EG übersehen. Es liege nicht der Fall vor, dass die Qualifizierung eines Erzeugnisses in den Mitgliedstaaten unvermeidlich unterschiedlich ausfallen könne, sondern der, dass ein Produkt in einem Mitgliedstaat als Tierkosmetikum frei verkehrsfähig sei und dies deshalb auch in Deutschland sein müsse. Nach dem Bundesgerichtshof sei die Einordnung als Arzneimittel oder Lebensmittel, was auch für die Einordnung als Kosmetikum gelte, nach der an seine objektiven Merkmale anknüpfenden überwiegenden Zweckbestimmung und nicht nur nach der Auffassung der Wissenschaft vorzunehmen, wobei nach dem Europäischen Gerichtshof und anderen alle Merkmale des Produkts wie Zusammensetzung, pharmazeutische Wirkung, Gesundheitsrisiko etc. zu berücksichtigen seien. Auch davon ausgehend sei "E. " kein Arzneimittel. Von ihm gehe kein Gesundheitsrisiko aus. Die Abgrenzung eines Arzneimittels von einem Tierkosmetikum habe im Licht der maßgebenden Gemeinschafts-Richtlinien gemeinschaftskonform zu erfolgen. Eine Rechtfertigung für das Handelshemmnis aus Art. 30 EG für das in den Niederlanden frei verkehrsfähige Produkt "E. " bestehe nicht, weil von ihm keine Gefahr für Mensch, Tier oder Pflanzen ausgehe. Seit seinem Vertrieb sei es noch nicht zu Schadensfällen gekommen. Sie bestreite die von der Beklagten "E. " wegen des Gehalts an Säuren zugesprochenen gefährlichen Wirkungen. Insoweit sei die Einholung eines Sachverständigengutachtens notwendig. Für eine von "E. " ausgehende Gefahr trage die Beklagte die Beweislast. Im Rahmen der ihr zur 'Wahl stehenden Beweismittel beziehe sie sich zum Nachweis bisher nicht eingetretener Gesundheitsbeeinträchtigungen bei Anwendung von "E. " und dessen freier Verkehrsfähigkeit in den Niederlanden auf eine Zeugenanhörung und ein an die niederländischen Behörden zu richtendes Auskunftsersuchen. Gehe man davon aus, dass die angebotenen Zeugen keine Kenntnis von Gesundheitsbeeinträchtigungen durch "E. " hätten, sei das von der Beklagten aufgezeigte Gefahrenpotential widerlegt. Eine solche Gefahr unterstellt, sei im Rahmen des Art. 30 EG der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Etwaigen Gefahren könnte durch Hinweise auf der "Etikettierung" Rechnung getragen werden; sie könnten zudem wegen bisher nicht bekannter Schädigungen als irrelevant außer Betracht bleiben. Soweit sie zum Nachweis der freien Verkehrsfähigkeit von "E. " in den Niederlanden nicht in der Lage sei, habe das Gericht den Sachverhalt selbst durch Auskunftseinholung aufzuklären oder aufklären zu lassen.
15Die Klägerin regt an, dem Europäischen Gerichtshof eine von ihr mit Schriftsatz vom 30. Juni 2003 formulierte Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen. Sie hat den von ihr erbetenen Nachweis, dass "E. " in gleicher Zusammensetzung zu dem identischen Zweck in den Niederlanden rechtmäßig in Verkehr gebracht werde, in der gesetzten Frist nicht erbracht. Auf die Folgen des Fristversäumnisses aus § 87b Abs. 3 VwGO ist sie hingewiesen worden.
16Die Klägerin beantragt,
17das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.
18Die Beklagte beantragt,
19die Berufung zurückzuweisen.
20Sie trägt vor: Zwar sei ausgehend von § 2 Abs. 1 Nr. 1 Arzneimittelgesetz (AMG) für die Bewertung eines Produkts seine Bestimmung maßgebend. Dabei sei aber entscheidend das Erscheinungsbild für den durchschnittlichen informierten Verbraucher, das sich auch aus der stofflichen Zusammensetzung ergebe. Eine reine Orientierung am äußeren Erscheinungsbild des Produkts laufe der gebotenen Objektivierung des Arzneimittelbegriffs zuwider. Nur wenn ein Produkt nach seinen Inhaltsstoffen kein Arzneimittel sei, könne nach der von der Klägerin vertretenen Auffassung das ausschließlich pflegerische äußere Erscheinungsbild des Produkts zur Verneinung eines Arzneimittels führen. Nach der beim LÖGD erstellten Analyse, einer Sachverständigenbewertung, handele es sich bei "E. " um eine stark ätzende Säuremischung. Es sei geeignet, im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG u. a. Krankheiten zu verhüten. Durch seine desinfizierende Wirkung sei auch § 2 Abs. 1 Nr. 4 AMG erfüllt und handele es sich um ein sog. Arzneimittel "nach Funktion" im Sinne des Art. 1 Nr. 2 Abs. 2 Richtlinie 2001/82/EG i.d.F.d. Richtlinie 2004/28/EG. Auf Grund seiner stofflichen Zusammensetzung trete "E. " dem durchschnittlich informierten Verbraucher, dem die Wirkung von Ameisen- und Essigsäure allgemein bekannt sei, als zu therapeutischen Zwecken bestimmt gegenüber. Diese allgemeine Bekanntheit treffe auf alle Bevölkerungskreise zu, so dass das Verwaltungsgericht die Feststellung selbst habe treffen können und sie auch für Tierhalter anzunehmen sei. Es sei zweifelhaft, ob der betroffene Verbraucherkreis über die Qualifizierung eines Produkts in den einzelnen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft überhaupt informiert sei. Eine nicht vorliegende Beanstandung eines Produkts in anderen Bundesländern sei noch keine andere Qualifizierung des Produkts und spreche nur dafür, dass es anderen Behörden noch nicht aufgefallen sei. Das in dem angefochtenen Verbot liegende Handelshemmnis sei nach Art. 30 EG gerechtfertigt. Auf den vorliegenden Fall treffe die von der Klägerin herangezogene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs insoweit nicht zu, als bei Anwendung von "E. " wegen des hohen Säureanteils eine pharmakologische Wirkung gegeben und dies auch Verbraucherkreisen bekannt sei. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs dürfe ein Mitgliedstaat ein Arzneimittel, das vom Arzneimittelrecht eines anderen Mitgliedstaats nicht erfasst und dort frei verkehrsfähig sei, der Zulassungspflicht unterwerfen und sein Inverkehrbringen ohne eine Zulassung untersagen, wenn dies nach Art. 30 EG zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Tieren gerechtfertigt sei. Das sei bei "E. ", einer stark ätzenden, konzentrierten Flüssigkeit aus einem Gemisch aus Ameisen- und Essigsäure mit einem Gesamtsäuregehalt von 30 bis 39 %, der Fall. Dieser zur Tierkörperpflege nicht gebräuchliche Stoff habe desinfizierende, Erreger und Parasiten abtötende Wirkung und das auch bei der empfohlenen 20%igen Anwendungskonzentration. Pflegend wirkende Inhaltsstoffe seien bei "E. " nicht festgestellt worden; dass es auch nicht zur Pflege bestimmt sei, folge daraus, dass es nach Herstellerangaben auf der sauberen Klaue angewendet werden soll. Damit werde "E. " im Sinne des Art. 1 Nr. 2 RL 2004/28/EG am tierischen Körper verwendet, um die physiologischen Körperfunktionen durch pharmazeutische - antiseptische, antimikrobielle, antiparasitäre - Wirkung wiederherzustellen oder zu beeinflussen. Die vom Europäischen Gerichtshof zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geforderte einzelfallbezogene Beurteilung der Gesundheitsgefährdung durch ein Produkt sei erfolgt. Bei unsachgemäßer Anwendung von "E. " drohten Schädigungen des Gewebes durch die Säuren und es müsse die Gefahr für Menschen durch Spritzer und Dämpfe ausgeschlossen werden; bei Trächtigkeit eines Tieres dürfe das Produkt nicht angewendet werden; vor einer Überdosierung sei wegen der stark ätzenden Wirkung zu warnen.
21Wegen des übrigen Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
22II.
23Der Senat entscheidet über die Berufung durch Beschluss nach § 130a VwGO, weil er sie einstimmig für unbegründet und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu dieser Entscheidungsform gehört worden. Dass die Klägerin dieser Verfahrensweise widerspricht, steht der im Ermessen des Gerichts stehenden Entscheidungsform, deren Voraussetzungen nach wie vor gegeben sind, nicht entgegen. Das Gehörsrecht der Klägerin ist gewahrt.
24Die Berufung ist unbegründet.
25Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtene Untersagung des Inverkehrbringens von "E. " ohne Zulassung ist rechtmäßig. Die Voraussetzungen der von der Beklagten für ihre Untersagungsverfügung herangezogenen Ermächtigungsgrundlage des § 69 Abs. 1 AMG i. d. F. vom 11. Dezember 1998, BGBl. I S. 3586, die wegen des Charakters der Verfügung als Dauerverwaltungsakt und des aus dem materiellen Recht folgenden maßgeblichen gegenwärtigen Prüfungszeitpunkts
26vgl. OVG NRW, Urteil vom 10. Dezember 1998 - 13 A 2711/97 -, LRE 36, 150; BVerwG, Beschluss vom 23. November 1990 - 1 P 155.90 -, NVwZ 1991, 372,
27i. d. F. d. Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher Vorschriften vom 15. April 2005, BGBl. I S. 1068, anzuwenden ist, liegen vor: (1.) "E. " ist ein Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1., 4. und 5. AMG i. V. m. Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/82/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Tierarzneimittel (ABl. L 311/1) - RL 2001/82/EG - i. d. F. d. Richtlinie 2004/28/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Änderung der vorgenannten Richtlinie (ABl. 136/58) - RL 2004/28/EG -; (2.) als solches ist "E. " zulassungspflichtig nach § 21 Abs. 1 AMG i. V. m. Art. 5 RL 2001/82/EG und dem gemäß ist sein Inverkehrbringen ohne Zulassung von der zuständigen Behörde gemäß § 69 Abs. 1 AMG zu untersagen; (3.) die dem entsprechende hier angefochtene Untersagungsverfügung verstößt nicht gegen Gemeinschaftsrecht.
281. Die Einordnung eines Produkts als Arzneimittel richtet sich auf der Grundlage eines "objektiven" Arzneimittelbegriffs nach der Zweckbestimmung des Produkts, wie es sich für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher darstellt. Die Beurteilung kann an eine ggf. schon bestehende Auffassung über den Zweck vergleichbarer Mittel und ihrer Anwendung anknüpfen, die wiederum davon abhängt, welche Verwendungsmöglichkeiten solche Mittel ihrer Art nach haben. Mit zu den die Anschauungen der Verbraucher beeinflussenden Umständen gehören dabei regelmäßig die stoffliche Zusammensetzung und die pharmakologischen Eigenschaften eines Mittels. Die Vorstellung der Verbraucher von der Zweckbestimmung eines Produkts kann weiter durch die Auffassung der pharmazeutischen oder medizinischen Wissenschaft beeinflusst sein, ebenso durch die dem Mittel beigefügten oder in der Werbung enthaltenen Indikationshinweise oder Gebrauchsanweisungen sowie die Aufmachung, in der das Mittel dem Verbraucher entgegen tritt. Des weiteren können vor dem Hintergrund einer umfassenden Berücksichtigung aller Merkmale eines Erzeugnisses für die Verbrauchervorstellung der Umfang der Verbreitung eines Produkts, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern, aber auch Gefahren auf Grund von Nebenwirkungen und Risiken bei längerem Gebrauch von Bedeutung sein; die Auslegung und die Einstufung eines Mittels soll auch danach erfolgen, wie es am ehesten dem Schutz der öffentlichen Gesundheit entspricht.
29Vgl. EuGH, Urteile vom 21. März 1991 - Rs C 369/88 -, LRE 28, 1, vom 16. April 1991 - Rs C 112/89 -, LRE 28, 19, und vom 20. Mai 1992 - Rs C 290/90 -, LRE 28, 170; BVerwG, Urteile vom 24. November 1994 - 3 C 2.93 -, BVerwGE 97, 132 = NVwZ - RR 1995, 625 und vom 18. Dezember 1997 - 3 C 46.96 -, BVerwGE 106, 90 = NJW 1998, 3433; BGH, Urteile vom 10. Februar 2000 - I ZR 97/98 -, LRE 38, 157 = ZLR 2000, 375, vom 25. April 2001 - 2 StR 374/00 -, NJW 2001, 2812, und vom 11. Juli 2002 - I ZR 34/01 -, BGHZ 151, 286 = NJW 2002, 3469; OVG NRW, Beschlüsse vom 26. April 2005 - 13 A 1010/02 - und vom 14. August 2003 - 13 A 5022/00 -, LRE 46, 313 = ZLR 2004, 208.
30Mit diesen Kriterien steht der Arzneimittelbegriff des § 2 Abs. 1 AMG in Einklang mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht. Die neuesten Begriffsbestimmungen für Humanarzneimittel bzw. - hier in Betracht kommend - Tierarzneimittel finden sich insoweit in den am 30. April 2004 in Kraft getretenen und bis zum 30. Oktober 2005 in nationales Recht umzusetzenden Richtlinien 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. 2004, L 136/34) und 2004/28/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Änderung der Richtlinie 2001/82/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Tierarzneimittel (a.a.O.). Danach sind Arzneimittel a) alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten oder von Tierkrankheiten bestimmt sind, oder b) alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die im oder am menschlichen oder tierischen Körper verwendet oder einem Menschen oder Tier verabreicht werden können, um entweder die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen. Diese Definitionen gehen in ihrem Ursprung zurück auf die entsprechende Begriffsbestimmung in Artikel 1 der - durch Art. 128 Abs. 1 RL 2001/83/EG (ABl. 2001, L 311/67,100) aufgehobenen - Richtlinie des Rates vom 26. Januar 1965 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten (65/65/EWG) (ABl. 1965, 369/65). Nach den Erwägungsgründen der Richtlinien 2004/27/EG und 2004/28/EG sollen die arzneimittelrechtlichen Bestimmungen nach den durch diese Richtlinien geänderten Art. 2 Abs. 2 RL 2001/83/EG und RL 2001/82/EG auch zur Anwendung kommen in Zweifelsfällen, in denen ein Erzeugnis unter Berücksichtigung aller seiner Eigenschaften sowohl unter die Definition von "Arzneimittel" als auch unter die Definition eines Erzeugnisses fallen kann, das durch andere gemeinschaftliche Rechtsvorschriften geregelt ist. Dies entspricht der Sicht des Europäischen Gerichtshofs.
31Vgl. EuGH, Urteile vom 21. März 1991 - Rs C 369/88 -, LRE 28, 1, vom 16. April 1991 - Rs C 112/89 -, LRE 28, 19; BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1997 - 3 C 46.96 -, a.a.O.
32Die Richtlinie 2004/27/EG stellt, wie der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen vom 3. Februar 2005 in den Vorabentscheidungsersuchen des Senats HLH Warenvertriebs GmbH gegen Bundesrepublik Deutschland - Rechtssache C - 211/03 - u. a. unter Nr. 52. (http://curia.eu.int/, dort Rechtsprechung) ausführt, lediglich eine Bekräftigung und Verdeutlichung des bisherigen Gemeinschaftsrechts und der Rechtsprechung zur Definition des Arzneimittels dar, der auch bei noch laufender Umsetzungsfrist Bedeutung zukommt. Gleiches muss gelten für die hier relevante Richtlinie 2004/28/EG für Tierarzneimittel. Sie ist zwar noch nicht in nationales deutsches Recht umgesetzt, aber als Rechtsakt wirksam erlassen, der seitdem auch unabhängig von seiner nationalen Umsetzung dahingehende rechtliche Ausstrahlungskraft entfaltet, dass er - bestätigend und verdeutlichend - das gemeinschaftsrechtliche Verständnis von einem Tierarzneimittel und seine gemeinschaftsrechtliche Abgrenzung von anderen Produkten zum Ausdruck bringt. Insoweit kann bei der Auslegung des nationalen Begriffs des Tierarzneimittels am gemeinschaftsrechtlichen Verständnis bereits gegenwärtig die Richtlinie 2004/28/EG nicht unberücksichtigt bleiben, was noch keine direkte Anwendung der Richtlinie während der laufenden Umsetzungsfrist darstellt.
33Bei der Auslegung des § 2 AMG ist - auch im Hinblick auf die Abgrenzung von Tierarzneimittel und Tierkosmetikum - der gemeinschaftsrechtliche Arzneimittelbegriff heranzuziehen, denn die Gerichte haben diejenige Auslegung des nationalen Rechts zu wählen, die dem Inhalt von EG-Richtlinien in der vom Europäischen Gerichtshof vorgenommenen Auslegung entspricht. Mithin ist der Arzneimittelbegriff auch im Licht des Wortlauts und Zwecks der o.a. jüngsten EG-Arzneimittelrichtlinien zu verstehen,
34Vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 8. April 1987 - 2 BvR 687/85 -, BVerfGE 75, 223 = NJW 1988, 1459; Nds. OVG, Urteil vom 17. November 1992 - 10 L 233/89 -, juris,
35selbst wenn den Richtlinien eine unmittelbare Verbindlichkeit zu Lasten des Bürgers nicht zukommt.
36Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1997 - 3 C 46.96 -, a.a.O.
37Die mit Art. 1 Nr. 2.b) RL 2001/82/EG i. d. F. d. Art. 1 Nr. 1. RL 2004/28/EG vorgegebene gemeinschaftsrechtliche Definition des Tierarzneimittels, die mit ihrer Formulierung "... verabreicht werden können, um ..." sinngemäß auf die bloße Eignung eines Stoffes / einer Stoffzubereitung zur Herbeiführung der dort beschriebenen Wirkungen abstellt und nicht wie Nr. 2.a) auf seine Bestimmung abhebt, führt dazu, die von § 2 Abs. 1 AMG geforderte Bestimmung dahingehend zu interpretieren, dass sie jedenfalls auch unabhängig von individuellen Vorstellungen des Herstellers oder der Anwender über die Wirkung oder den Verwendungszweck des Stoffes (Stoffzubereitung) nach objektiven Erkenntnissen über die Wirkung des Stoffes (Stoffzusammensetzung) zu beurteilen ist. Dann aber muss erst recht, wie bereits die "Objektivierung" des Arzneimittelbegriffs zum Ausdruck bringt, die Vorstellung des Herstellers oder des Anwenders über die Wirkung oder den Verwendungszweck des/der eingesetzten Stoffs/Stoffzubereitung oder die vom Hersteller vorgegebene äußere Darstellung des Produkts in den Hintergrund treten.
38Nach den vorstehenden Kriterien, insbesondere unter Berücksichtigung des "objektivierten" Arzneimittelbegriffs und der jüngsten gemeinschaftsrechtlichen Abgrenzungsvorgabe, ist das von der angefochtenen Untersagungsverfügung betroffene Produkt "E. " ein Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 AMG.
39"E. " ist eine Stoffzubereitung, die durch Anwendung am tierischen Körper, nämlich im Klauenbereich des Rindes, ggf. auch anderer Tiere, zur Verhütung einer Krankheit objektiv geeignet und bestimmt ist. Objektiv ist es u. a. geeignet, Krankheitserreger und Parasiten, die etwa Wundstellen, Eiterungen, Fäulnis, Pilzbefall etc. an der Klaue bewirken können oder bewirkt haben, abzutöten oder deren Einnisten abzuwehren. Damit hat es im Falle drohender oder vorliegender Erkrankungen am Fuß des Tieres durch Keime oder Parasiten eine Krankheiten dieses Körperteils verhütende oder eine die Funktion eines Körperteils wiederherstellende oder zumindest bessernde Wirkung. Diese naturwissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechende objektive Wirkung hat es auch in den vom Hersteller empfohlenen Lösungskonzentrationen. Obwohl die Wirkung auf den vorliegenden Beschreibungsblättern für "E. " neben den dort angeführten Vorteilen bei Verwendung des Mittels nicht angegeben ist, kommt es dem Hersteller und dem Anwender erkennbar auf die naturwissenschaftliche Wirkung der Ameisen- und Essigsäure an, und ist diese unausgesprochen ein wesentlicher, wenn nicht sogar der wesentliche Wirkstoff auch aus Sicht des Anwenders. Denn nur bei dem Effekt "Klauengesundheit", der jedenfalls auf einem Beschreibungsblatt der Klägerin als die Grundlage für die verschiedenen nachfolgenden Vorteile herausgestellt ist, macht es für den Anwender Sinn, das Produkt entgeltlich zu erwerben und einzusetzen.
40Der Senat ist auf Grund seiner Kenntnisse über die landwirtschaftliche Tierhaltung davon überzeugt, dass der Anwender von "E. ", nämlich in aller Regel der Landwirt, der die Rinderhaltung im Stall oder auf der Weide betreibt, durch Parasiten ausgelöste Entzündungen oder Hornzerstörung im Klauenbereich seiner Rinder bekämpfen und diesen Tiererkrankungen vorbeugen muss. Derartige durch das Stehen des Rinderfußes in verunreinigter Streu, Weideland, Kot usw. drohende Erkrankungen beeinträchtigen die Milchproduktion und können zur vorzeitigen Schlachtung des Tiers und somit zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten beim Tierhalter führen. Dieser wird die Kosten für ein antiparasitäres Klauenbehandlungsmittel nur aufwenden, wenn sie erforderlich sind, um die Gesundheit der Tiere wieder herzustellen oder zu erhalten, nicht aber der Ästhetik und des sauberen Äußeren der Klauen wegen. Die Rinderklaue ist typischerweise mit unansehnlichen Substanzen behaftet. Käme es dem Landwirt nur auf eine ästhetische Rinderklaue an, könnte ein solcher Effekt durch deren Reinigung von Erdreich, Kot usw. durch schlichten Einsatz von Wasser preisgünstiger erzielt werden.
41Damit erfüllt "E. " sowohl die Merkmale des § 2 Abs. 1 und 4 AMG als auch die Definition des Tierarzneimittels nach Art. 1 Nr. 2.b) RL 2001/82/EG i. d. F. d. Art. 1 Nr. 1 RL 2004/28/EG. Das gilt selbst dann, wenn die Einordnung von "E. " als Arzneimittel oder Kosmetikum auch von seinem Verwendungszweck aus Verbrauchersicht abhängig gemacht würde, denn der Senat ist davon überzeugt, dass es vom Anwender - in aller Regel der Landwirt - weit überwiegend zur Erzielung pharmazeutischer Wirkungen im Sinne des § 2 Abs. 1 und 4 AMG eingesetzt wird. Insoweit drängt sich dem Senat die Einholung eines Sachverständigengutachtens über den Bestimmungszweck von "E. " aus Anwendersicht nicht auf.
42Dass von dem fraglichen Produkt eine Gesundheitsgefahr für Mensch und/oder Tier ausgehen müsse, verlangt die Definition "Arzneimittel" nach den genannten Vorschriften nicht. Wohl kann eine solche Gefahr ein Kriterium für die Ermittlung sein, ob ein Stoff pharmakologische Wirkung hat und deshalb ein Arzneimittel "nach der Wirkung" vorliegt. Dass im Übrigen solche Gefahren gegeben sind, ist nachfolgend dargelegt.
43Mag auch der Hersteller oder der Vertreiber von "E. " das Produkt als Pflegemittel bezeichnen und seine arzneiliche Wirkung erkennbar überspielen wollen, ändert das nichts an dem objektiven Vorhandensein der auch erkennbar gewollten arzneilichen Wirkungen. Dass diese und nicht etwa eine kosmetische Wirkung für ihn wie auch für den Anwender im Vordergrund stehen, wird augenfällig durch die Produktinformation, nach der die beste Infektionsdruck - d.h. Infektionsgefahr - mindernde Wirkung auf der "sauberen" Klaue - etwa "nach" dem in gewisser Weise kosmetisch wirkenden Einsatz von Wasser - erzielt wird. Damit steht zugleich fest, dass "E. " nicht gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 4 AMG deshalb kein Arzneimittel ist, weil es "ausschließlich" dazu bestimmt ist, äußerlich am Tier zur Reinigung oder Pflege ... angewendet zu werden. Zwar hängen das Erscheinungsbild und die Zweckbestimmung eines Produkts weitgehend von der Konzeption des Herstellers über Wahl und Konzentration der im Produkt enthaltenen Wirkstoffe sowie seiner Form und seiner Bezeichnung ab. Jedoch stützt dies angesichts der "Objektivierung" des Arzneimittelbegriffs für sich genommen noch nicht die Einschätzung, dass es nicht als Arzneimittel einzuordnen ist. Auch wenn ein Hersteller ein Produkt nicht als Arzneimittel, sondern als Kosmetikum bezeichnet und darstellt, steht dies einer Einstufung als Arzneimittel nicht entgegen, wenn sie - wie hier - bei objektiver Bewertung gerechtfertigt bzw. geboten ist.
44Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. November 1994 - 3 C 2.93 -, a. a. O.; OVG NRW, Beschluss vom 26. April 2005 - 13 A 1010/02 -; Rehmann, AMG, § 2 Rdn. 28.
45Die von der Klägerin geforderte Abgrenzung nach dem überwiegenden Verwendungszweck wie zwischen Arzneimittel und anderen, keine Kosmetika darstellenden Mitteln ist nicht vorzunehmen. Denn das Arzneimittelgesetz gibt selbst vor, dass lediglich bei einer "ausschließlichen" Zweckbestimmung zur Reinigung, Pflege ... ein Kosmetikum vorliegen kann (§ 2 Abs. 3 Nr. 4 AMG). Den von der Klägerin in dem Zusammenhang geforderten Aufklärungen ist daher nicht nachzukommen.
462. "E. " ist ein (Tier-)Arzneimittel, das im voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht wird und damit ein Fertigarzneimittel ist. Als Fertigarzneimittel im Sinne der §§ 2 Abs. 1, 4 Abs. 1 AMG darf es gemäß § 21 Abs. 1 AMG nur bei Zulassung durch die zuständige Bundesoberbehörde - eine Genehmigung eines gemeinschaftsrechtlichen Organs oder eine Freistellung nach § 36 AMG kommt erkennbar nicht in Betracht bzw. liegt nicht vor - in den Verkehr gebracht werden. Die Bindung eines legalen Inverkehrbringens dieses Produkts an eine Zulassung folgt ferner aus Art. 5 RL 2001/82/EG. An einer solchen Zulassung für "E. " fehlt es. Dem darin liegenden Gesetzesverstoß kann die zuständige Behörde, hier die Beklagte, gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 AMG durch Untersagung des Inverkehrbringens begegnen.
47Ermessensfehler sind bezüglich der Entscheidung der Beklagten, das weitere Inverkehrbringen von "E. " zu untersagen, nicht feststellbar. Auch wenn in der angefochtenen Ordnungsverfügung formuliert ist, die Beklagte habe die zur Beseitigung festgestellter und zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Maßnahmen zu treffen, lässt das nicht auf eine in Verkennung des Ermessensspielraums angenommene Bindung der Behörde schließen. Denn die Beklagte hat, wie die weiteren Formulierungen zum Ausdruck bringen, eine Abwägung der Interessen der Klägerin und der öffentlichen Schutzinteressen vorgenommen, was eine Ermessensausübung belegt. Sachwidrige Erwägungen liegen der Entscheidung ersichtlich nicht zu Grunde, zumal bei einer - auch hier gegebenen - Regelung zum Schutz öffentlicher Interessen die behördliche Schutzmaßnahme die Regel und ein Absehen davon, für das besondere Gründe vorliegen müssen, die Ausnahme ist.
48Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 27. Dezember 2004 - 13 B 2314/04 -, vom 1. Juli 2004 - 13 B 2436/03 -, NWVBl. 2004, 474, und vom 11. Februar 2004 - 13 B 2435/03 -.
49Die Beklagte hat hinreichend deutlich gemacht, dass sie sich zum Einschreiten veranlasst gesehen hat, weil wegen der fehlenden Überprüfung durch die zuständige Bundesoberbehörde im Zulassungsverfahren der Schutz von Mensch und Tier vor potenziell gefährlichen Stoffen nicht gewährleistet ist. Gemäß § 96 Nr. 5 AMG i. V. m. § 21 Abs. 1 AMG stellt das Inverkehrbringen eines zulassungsbedürftigen Arzneimittels ohne Zulassung eine Straftat dar. Die Verhinderung einer Straftat wirkt ermessensbestimmend im Sinne der hier in Frage stehenden Verfügung. Anhaltspunkte dafür, dass eine andere Maßnahme geeigneter und weniger einschneidend und mithin das in Frage stehende Verkehrsverbot unverhältnismäßig ist, sind nicht erkennbar. Der Klägerin ist zumutbar, die arzneimittelrechtliche Zulassung für "E. " einzuholen. Die damit verbundenen Kosten können notfalls auf das Produktentgelt umgelegt werden.
50Die Beklagte war auch nicht mit Blick auf das Gemeinschaftsrecht gehalten, von der Untersagungsverfügung abzusehen. Denn der angefochtenen Ordnungsverfügung steht, wie unter 3.) ausgeführt, Gemeinschaftsrecht nicht entgegen. Insofern ist die Klägerin dadurch, dass die Beklagte dem gemeinschaftsrechtlichen Gesichtspunkt im Verwaltungsverfahren möglicherweise noch nicht die gebührende Bedeutung zugemessen hat, nicht in ihren Rechten im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verletzt.
513. Die Klägerin behauptet, "E. " sei in den Niederlanden frei verkehrfähig. Die Richtigkeit dessen unterstellt, stellt die angefochtene Ordnungsverfügung zwar eine Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung im Sinne des Art. 28 EG dar, weil die Untersagung des weiteren Inverkehrbringens des in den Niederlanden hergestellten Produkts "E. " dessen Einfuhr nach Deutschland letztlich sinnlos macht. Das darin liegende Handelshemmnis ist jedoch durch Art. 30 EG gerechtfertigt. Danach steht u. a. Art. 28 EG Einfuhr-... Durchfuhrverboten oder -beschränkungen nicht entgegen, die aus Gründen der öffentlichen ... Ordnung und Sicherheit, zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren ... gerechtfertigt sind.
52Das Verbot des Inverkehrbringens eines zulassungspflichtigen Fertigarzneimittels ohne Zulassung ist im Ergebnis ein Einfuhr- und Durchfuhrverbot, das erkennbar dem Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier dient, was keiner weiteren Begründung bedarf. Den durch Inverkehrbringen eines zulassungspflichtigen, aber nicht zugelassenen Fertigarzneimittels nicht gegebenen Gesundheitsschutz im Sinne des Arzneimittelgesetzes herzustellen, ist Zweck der hier angefochtenen Untersagungsverfügung betreffend "E. " ohne Zulassung. Folglich stellt es an sich, wenn ein industriell hergestelltes Erzeugnis unter die Definition des Arzneimittels gemäß Art. 1 RL 2001/82/EG i. d. F. d. Art. 1 Nr. 1 RL 2004/28/EG fällt, keine durch Art. 28 EG verbotene Beschränkung des innergemeinschaftlichen Handels dar, den Importeur im Ergebnis zu verpflichten, vor der Vermarktung des Erzeugnisses im Einfuhrmitgliedstaat gemäß der Richtlinie 2001/82/EG eine Verkehrsgenehmigung einzuholen.
53Vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 29. April 2004 - Rechtss. C-150/00 - (Kommission/Österreich), Rdn. 57, noch zu Art. 1 Nr. 2 RL 65/65 und zur Abgrenzung Arzneimittel/Lebensmittel, http://www.jurisweb.de, Rechtsprechung.
54Allerdings können unterschiedliche Wertungen der zuständigen Behörden der einzelnen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft dazu führen, dass ein Einfuhrmitgliedstaat einem Produkt die Eigenschaft eines Arzneimittels zuerkennt, während der Staat der Herstellung oder ein anderer Mitgliedstaat es als frei verkehrsfähiges Produkt, etwa als Kosmetikum, wertet. In diesem Fall unterliegt es dem den Gesundheitsschutz betreffenden Ermessen der Behörden des Einfuhrmitgliedstaats zu entscheiden, in welchem Umfang sie den Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen gewährleisten wollen und ob sie für das Inverkehrbringen des Arzneimittels eine vorherige Zulassung verlangen (vgl. hierzu EuGH, aaO, Rdn. 85 m.w.N.). Hierbei ist zur Vermeidung einer fehlenden Rechtfertigung des in dem gleichwohl verfügten Verkehrsverbot liegenden Handelshemmnisses der Verhältnismäßigkeitgrundsatz zu beachten, der nur bei im Einzelfall nachgewiesener Erforderlichkeit des Verbots für die zu schützenden Interessen und realen Gesundheitsrisiken bei Inverkehrbringen des Produkts ohne Zulassung gewahrt ist.
55Vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 30. November 1983 - Rechtss. 227/82 - (Van Bennekom), EuGHSlg. 1983, 3883, Rdn. 39/40; Urteil vom 29. April 2000 - Rechtss. C-150/00 - (Kommission/Österreich), Rdn. 85/89.
56Bei der Risikobewertung sind dem Mitgliedstaat Schutzmaßnahmen auch nach dem Vorsorgeprinzip erlaubt.
57Vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 23. September 2003 - Rechtss. C-192/01 - (Kommission/Dänemark), EuGHSlg. I 9693/9739, Rdn. 49.
58Zwar spricht aus Sicht des Senats einiges dafür, dass "E. " auch in den Niederlanden nicht frei verkehrsfähig ist, d.h. von den dortigen zuständigen Behörden von Rechts wegen als Arzneimittel und ohne Zulassung oder Genehmigung als nicht verkehrsfähig angesehen wird. Das von ihr behauptete Gegenteil sowie die Voraussetzung, dass überhaupt ein nach der stofflichen Zusammensetzung und der äußeren Darstellung gleiches Produkt wie das streitbefangene tatsächlich in den Niederlanden in Verkehr gebracht ist, hat die Klägerin nicht belegt. Ob und ggf. inwieweit sie diesbezüglich nachweispflichtig ist, weil sie eine ihr günstige Behauptung aufgestellt hat, nur sie das Vertreiben eines vergleichbaren Produkts in den Niederlanden und dessen Identität mit dem streitbefangenen nachweisen kann und sie problemlos den Hersteller von "E. " zur Beibringung entsprechender behördlicher Nachweise anhalten kann, mag offen bleiben. Der Senat sieht sich auch und bereits wegen der Nähe der Klägerin zur Beibringung geeigneter Nachweise für ihre Behauptung und der von der Beklagten zwischenzeitlich bei der Regierung der Niederlande erbetenen Stellungnahme nicht gehalten, im Rahmen des Amtsermittlungsprinzips ein "Auskunftsersuchen" an die von der Klägerin angegebenen niederländischen Behörden zu richten. Die Anhörung der von der Klägerin benannten Zeugen wäre bereits kein geeignetes Beweismittel. Die von der Klägerin behauptete freie Verkehrsfähigkeit von "E. " in den Niederlanden im oben beschriebenen Sinne - also nicht ein mangels Aufmerksamwerden der Behörden unbeanstandetes Inverkehrbringen - kann nämlich unterstellt werden. Deshalb braucht die von der Beklagten erbetene Stellungnahme der niederländischen Behörden nicht abgewartet zu werden. Denn selbst wenn sie die freie Verkehrsfähigkeit bestätigte, wären die in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geforderten Voraussetzungen für eine Rechtfertigung eines Handelshemmnisses nach Art. 30 EG vorliegend gegeben:
59Die Beklagte hat "E. " einer wissenschaftlich fundierten Untersuchung auf seine Zusammensetzung und seine pharmakologischen Wirkungen unterzogen, mithin eine einzelfallbezogene Bewertung vorgenommen. Sie hat festgestellt und dargelegt, dass von dem Produkt eine reale Gesundheitsgefahr ausgeht. Diese liegt darin, dass, wie zur Überzeugung des Senats durch den fachwissenschaftlichen Untersuchungsbericht der LÖGD belegt ist und von der Klägerin eingeräumt wird, wesentliche Bestandteile des Produkts "E. " Ameisensäure und Essigsäure sind und von diesen, ebenfalls zur Überzeugung des Senats, schädigende Wirkungen für Tier und Mensch ausgehen können. Diese Säuren, insbesondere die erstere, wirken, wie den Senatsmitgliedern bereits aus naturwissenschaftlichem Schulunterricht und im Übrigen allgemein bekannt sowie durch Internetrecherchen - etwa unter http://de.wikipedia.org/wiki/Ameisensäure - belegt ist und von der Klägerin auch nicht bestritten wird, ätzend und ihre Dämpfe reizen Atemwege und Augen. Die unsachgemäße Handhabung schon des Behältnisses mit dem unverdünnten Produkt und die unsachgemäße Mischung der Flüssigkeit oder ihre unsachgemäße Anwendung am Tier, etwa durch zu hohe Säurekonzentration, kann beim Tier und beim anwendenden Menschen gewebezerstörende schmerzhafte Verätzungen und Beeinträchtigungen der Atemwege und der Augen bewirken. Der Anwender muss Schutzkleidung gegen Spritzer tragen und/oder von der Spritzdüse Abstand wahren. Selbst im vom Hersteller vorgegebenen verdünnten Zustand kann "E. " beim Tier auch am unverletzten Fuß bei Einsatz in zu kurzen Intervallen Rötungen, Reizungen und Verätzungen und solche Wirkungen erst recht an verletzten Hautpartien auslösen. Die in "E. " enthaltene Säurekonzentration ist ausreichend, um die beschriebenen Verätzungen und Reizungen zu bewirken. Sie ist ersichtlich auch so zur Vernichtung von Parasiten beabsichtigt und zur Kosmetik unüblich.
60Dieses "E. " anhaftende Gefahrenpotential für Mensch und Tier ist nicht erst dann erwiesen, wenn ein konkreter Schadensfall nachgewiesen ist. Ein solcher soll gerade nach Sinn und Zweck des Gesetzes vermieden werden. Eine Gefahr ist deshalb bereits dann anzunehmen, wenn bei realistischer Betrachtung der Eintritt eines solchen Schadens auf Grund bestimmter Eigenschaften des Produkts nicht völlig fern liegt. Das ist hier der Fall.
61Vor dem Hintergrund drängt sich dem Senat die von der Klägerin begehrte Beweisaufnahme durch Sachverständigengutachten zur potentiell schädigenden Wirkung der wesentlichen Inhaltstoffe von "E. " und damit von "E. " selbst nicht auf. Ebenso drängt sich in dem Zusammenhang eine Zeugenvernehmung nicht auf. Es kann unterstellt werden, dass den benannten Zeugen ein Schadensfall bei Anwendung von "E. " nicht bekannt geworden ist. Das schließt das Bestehen der von Ameisensäure und Essigsäure ausgehenden, beschriebenen Gefahren nicht aus. Diese sind entgegen der Ansicht der Klägerin durch eine unterstellte Unkenntnis der Zeugen weder widerlegt noch irrelevant.
62Soweit die Klägerin nach wie vor für strittig hält, ob "E. " tatsächlich schädliche Substanzen enthält oder der empfohlenen Mischung ein Gefahrenpotential anhaftet, und die Einholung von Sachverständigengutachten fordert, ist dem nicht nachzugehen. Die Klägerin macht insoweit nur eine rechtliche Wertung geltend, dass nämlich trotz der - in Wahrheit unstrittigen - naturwissenschaftlichen Wirkung der genannten Säuren bei Anwendung von "E. " Gefahren für Mensch und Tier nicht eintreten oder eintreten dürften. Der Senat ist jedenfalls von der dargestellten Wirkung der in "E. " enthaltenen Säuren und der daraus resultierenden Gefahren überzeugt, zumal die Klägerin selbst in einem zu den Akten gereichten "Produktetikett" auf die ätzende Wirkung und gebotene Sicherheitsmaßnahmen hinweist. Insbesondere wegen der von der Klägerin selbst angenommenen gefahrbegründenden ätzenden Wirkung ist es auch unerheblich, dass sie die Richtigkeit des vom LÖGD ermittelten Säuregehalts - im Übrigen unsubstantiiert, weil den von ihr für richtig gehaltenen Säuregehalt nicht angebend - bestreitet. Denn die beschriebenen Gefahren bestehen bereits bei derjenigen Säurekonzentration, wie sie unabhängig von ihrem Zahlenwert in "E. " im Abgabebehältnis gegeben ist, und die Klägerin geht selbst von ihnen aus, wie ihre Hinweise auf die ätzende Wirkung von "E. " im "Produktetikett" belegen.
63Diesen Gefahren kann begegnet werden durch eine im Zulassungsverfahren nachzuweisende Beschreibung der pharmakologischen Wirkung des Produkts und durch Warn- und Anwendungshinweise auf dem Behältnis und/oder in der Packungsbeilage (vgl. § 11 Abs. 1 Nrn 2, 8, 9, 10 u. 13 AMG), die dem Zulassungsantrag beizufügen sind und deren Fehlen oder Mängel einen Grund für die Versagung der Zulassung darstellen (vgl. §§ 22 Abs. 7, 25 Abs. 2 Nr. 1 u. Abs. 4 AMG). Hieran fehlt es vorliegend bei dem Fertigarzneimittel "E. ". Das reicht für die Annahme eines realen Gesundheitsrisikos für Tier und/oder Mensch und damit als Rechtfertigung des in dem Verbringungsverbot liegenden Handelshemmnisses aus. Ob den beschriebenen Gefahren mit dem nötigen Nachdruck bereits durch entsprechende "Etikettierung" Rechnung getragen werden könnte, wie die Klägerin meint, kann offen bleiben. Im Übrigen ist auch der Wortlaut der "Etikettierung" Gegenstand des Zulassungsverfahrens (§ 22 Abs. 7 AMG). Solange, wie hier, eine ausreichende "Etikettierung", die auf die Gefahren hinweist und warnt sowie Sofortmaßnahmen im Verätzungsfall beschreibt, nicht vorliegt, ist ein Außerverkehrziehen des streitbefangenen Produkts jedenfalls kein unverhältnismäßiges Mittel zur Beseitigung der Gefahr.
64Auf die von der Klägerin für geboten gehaltene Feststellung des dem Produkt "E. " vom Anwenderkreis zugeschriebenen Bestimmungszwecks durch eine Verbraucherbefragung und die Klärung bestimmter Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts durch den Europäischen Gerichtshof kommt es mithin nicht an.
65Die Kostenentscheidung und ihre vorläufige Vollstreckbarkeit folgen aus § 154 Abs. 2 VwGO und § 67 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, die Nichtzulassung der Revision aus dem Nichtvorliegen eines Grundes des § 132 Abs. 2 VwGO und die Streitwertentscheidung aus §§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 1 GKG a. F., § 72 Nr. 1 GKG n. F.
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