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Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klägerin einen Auskunftsanspruch begehrt hat. Insoweit ist das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 7. Mai 2002 wirkungslos.
Im Übrigen wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 7. Mai 2002 auf die Berufung der Klägerin geändert.
Die Beklagte zu 2. wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 18. Dezember 2001 verpflichtet, die Wahl zur Vollversammlung der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer E. -X. -L. zu E. 2001 für ungültig zu erklären und eine Wiederholungswahl anzuordnen.
Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen tragen die Beklagten.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Die Klägerin ist ein Unternehmen im Bezirk der Beklagten zu 1. und wendet sich gegen die Wahl zur Vollversammlung der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer E. -X. -L. zu E. 2001.
3Die Kammerzugehörigen wählen nach § 2 der Satzung der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer E. -X. -L. zu E. vom 2. Dezember 1999 - Satzung - der Beklagten zu 1. vom 2. Dezember 1999 eine Vollversammlung, die aus 82 unmittelbar gewählten Mitgliedern und bis zu 10 mittelbar zugewählten Mitgliedern besteht. Die Mitglieder werden nach § 1 der Wahlordnung vom 5. Dezember 2000 für die Dauer von fünf Jahren gewählt. Aktiv wahlberechtigt sind die Kammerzugehörigen, die nach ihrer Branchenzugehörigkeit in acht Wahlgruppen eingeteilt sind. In jeder Wahlgruppe wird eine in § 7 der Wahlordnung vom 5. Dezember 2000 festgelegte Anzahl von Mitgliedern der Vollversammlung gewählt. Für fünf Wahlgruppen sind Wahlbezirke gebildet worden, denen jeweils eine bestimmte Anzahl an Sitzen zugeordnet worden ist. Der Geschäftsführer der Klägerin trat in der Wahlgruppe VI im Wahlbezirk Kreis L. als Kandidat an und wurde gewählt.
4Am 5. Dezember 2000 wählte die Vollversammlung die Mitglieder des Wahlausschusses sowie das Ehrenmitglied T. zu dessen Vorsitzenden nach § 8 der Wahlordnung vom 24. Mai 1977, zuletzt geändert am 11. Dezember 1996 - Wahlordnung a.F. -.
5In dem nach § 9 der Satzung zugleich als amtliches Verkündungsorgan dienenden Mitteilungsblatt der Kammer "Thema Wirtschaft" erschien in der Ausgabe Juli/August 2001 die 3. Bekanntmachung des Wahlausschusses mit der Bewerberliste für die Wahl zur Vollversammlung der Kammer 2001. In der gleichen Ausgabe wurden mit Bild und Darstellung des Lebenslaufs vier Vollversammlungsmitglieder vorgestellt, die Ende des Jahres 2000 durch mittelbare Wahl in die Vollversammlung gewählt wurden bzw. nach Ausscheiden von Vollversammlungsmitgliedern nachgerückt waren. Zwei von ihnen kandidierten bei der angefochtenen Wahl.
6Am 7. September 2001 wurden die Wahlunterlagen versandt. In dem beigefügten "Wegweiser für die Briefwahl IHK Wahl 2001" wurde unter anderem ausgeführt, dass auf dem Stimmzettel stehe, wie die Stimme abgegeben werden könne (I.1.). Die Stimme sei nur gültig, wenn die Hinweise auf dem Stimmzettel beachtet worden seien (II.2). Der Stimmzettel für die Wahlgruppe VI, Wahlbezirk Kreis L. , enthält den Hinweis:
7"Es sind 4 Vollversammlungsmitglieder zu wählen. Nach § 13 der Wahlordnung sind Stimmzettel ungültig, a)... c) in denen mehr Bewerber angekreuzt sind, als in dem Wahlbezirk der Wahlgruppe zu wählen sind,..."
8Die Frist zur Stimmabgabe lief am 5. Oktober 2001, einem Freitag, ab. Am 8. Oktober 2001 fand die Auszählung durch und unter Aufsicht von Mitarbeitern der Beklagten zu 1. statt. Der Vorsitzende und ein weiteres Mitglied des Wahlausschusses waren bei der Auszählung anwesend. Das Ergebnis der Wahl stellte der Wahlausschuss in seiner Sitzung am 22. Oktober 2001 fest. In der November-Ausgabe des Mitteilungsblattes wurde das Wahlergebnis bekannt gemacht.
9Mit Schreiben vom 8. November 2001 bat die Klägerin um Angaben zur - Anzahl der Wahlberechtigten gesamt - Anzahl der abgegebenen Stimmen gesamt - Wahlbeteiligung in % - Aufgliederung der vorgenannten Daten nach Wahlgruppen - Anzahl der Stimmen pro Kandidat, absolut und in % bezogen auf die jeweilige Wahlgruppe.
10Die Beklagte zu 1. lehnte das Begehren unter dem 30. November 2001 mit der Begründung ab, dass ein über die Bekanntmachung nach § 14 Abs. 2 der Wahlordnung hinaus gehender Anspruch nicht bestehe.
11Durch ein am 3. Dezember 2001 bei der Beklagten zu 1. eingegangenes Schreiben legte die Klägerin Einspruch gegen die Wahl ein, mit dem sie folgende Rügen erhob: Es sei nicht nachvollziehbar, nach welchen Kriterien die Wahlgruppen aufgestellt worden seien; sie entsprächen jedenfalls nicht der Wirtschaftsstruktur im Kammerbezirk. Es müsse überprüfbar sein, welche Überlegungen zur Einteilung der Wahlgruppen geführt hätten. Die Kriterien müssten abstrakt definiert werden, bevor sie angewendet würden, und auf einen demokratischen Willensbildungsakt der Vollversammlung zurückzuführen sein. Die Bildung der Wahlgruppen mit sehr unterschiedlichen Mitgliederzahlen führe zudem zu sehr unterschiedlichen Bedingungen für Bewerber, die Wahlwerbung betreiben wollten. Damit wirkten sich die unterschiedlich großen Wahlgruppen zwangsläufig auch auf die Wahlchancen aus. Dies hätte bei der Bildung der Gruppen nicht unberücksichtigt bleiben dürfen. Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl sei verletzt worden, weil die Stimmen einen unterschiedlichen Erfolgswert hätten. Je unterschiedlicher der Erfolgswert der Stimmen durch das Wahlsystem ausfalle, um so mehr müsse hierfür eine Rechtfertigung vorliegen. Eine solche sei nicht erkennbar. Der Erfolgswert werde zusätzlich dadurch in Frage gestellt, dass die in die Vollversammlung unmittelbar Gewählten weitere Mitglieder in die Vollversammlung hinzuwählen bzw. berufen könnten. Für diese lediglich mittelbare Wahl bestehe keine Notwendigkeit und keine Legitimation durch das IHKG. Der Wählerwille könne so verfälscht werden, weil nicht gewählte Bewerber dennoch in die Vollversammlung aufgenommen werden könnten. In der Wahlordnung fehle auch eine Bestimmung, nach der die Wahl von einem unabhängigen Gremium auf ordnungsgemäße Durchführung, auf das Vorhandensein rechtsstaatlicher Kriterien und deren Anwendung überprüft werde. Der Stimmzettel für die Wahlgruppe VI genüge nicht den formalen Ansprüchen, die sich aus der Wahlordnung ergäben. Die dortige Bestimmung, dass eine bestimmte Anzahl von Kandidaten zu wählen sei, bezeichne nur eine Höchstzahl der zu wählenden Personen. Es könnten aber auch weniger Kandidaten gewählt werden. Darauf sei weder auf den Stimmzetteln noch in den Wahlunterlagen hingewiesen worden.
12Nachdem der Wahlausschuss beschlossen hatte, dem Einspruch nicht abzuhelfen, fasste die Vollversammlung der IHK in der alten Zusammensetzung am 11. Dezember 2001 den Beschluss, den Einspruch zurückzuweisen. Dies wurde der Klägerin durch ein als Widerspruchsbescheid bezeichnetes Schreiben vom 18. Dezember 2001 mitgeteilt.
13Am 16. Januar 2002 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung hat sie ergänzend vorgetragen: Die Wahlgruppeneinteilung sei rechtlich nicht hinreichend abgegrenzt worden. Die Begriffe "Industrie", "Einzelhandel", "Verkehrsgewerbe" und "sonstige Dienstleistungsgewerbe" seien rechtlich nicht eindeutig. Rechtswidrig sei insbesondere die Tatsache, dass die Wahlgruppen I, II, III, VI und VII jeweils in 3 Wahlbezirke unterteilt und den Bezirken sogar Sitze der Vollversammlung zugeordnet worden seien. Eine Begründung hierfür gehe aus der Wahlordnung nicht hervor. Der Erfolgswert einer Stimme sei dadurch nicht einmal innerhalb der Wahlgruppe gewährleistet. Besondere Kriterien für die Aufteilung der Sitze auf die Wahlbezirke gebe es nicht. Es liege deshalb Willkür vor. Der Hauptgeschäftsführer der Beklagten zu 1. habe mit seinem Rundschreiben vom 7. Dezember 2001 massiv in den Wahlkampf eingegriffen. Dieser Eingriff mache die Wahl rechtswidrig. § 14 der Wahlordnung verstoße gegen das Demokratieprinzip und sei deshalb rechtswidrig. Zur Bekanntgabe eines Wahlergebnisses gehöre die Mitteilung über die Wahlbeteiligung und die Mitteilung der Stimmen, die jeder einzelne Bewerber erhalten habe.
14Die Klägerin hat beantragt,
151. die Beklagte zu 1. zu verurteilen, Auskunft zu geben über a) die Anzahl der Wählerstimmen insgesamt, b) die Anzahl der abgegebenen Stimmen gesamt, c) die Wahlbeteiligung in Prozenten, d) die Aufgliederung der vorgenannten Daten nach Wahlgruppen, e) die Anzahl der Stimmen pro Kandidat, absolut und in Prozenten bezogen auf die jeweilige Wahlgruppe.
162. die Beklagte zu 2. unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Dezember 2001 zu verpflichten, die Wahl zur Vollversammlung im Jahre 2001 für ungültig zu erklären und insoweit eine Wiederholungswahl anzuordnen.
17Die Beklagten haben beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Sie haben ergänzend vorgetragen, der Klägerin fehle für ihr Verlangen nach einer detaillierten Auskunft das Rechtsschutzinteresse. Sie habe keinen selbständigen, von der Wahlanfechtung unabhängigen Auskunftsanspruch. Die Forderung der Klägerin, die Wahlunterlagen vorzulegen, scheitere daran, dass der Wahleinspruch nicht ausreichend substantiiert sei und sich die gerichtliche Überprüfung auf diejenigen Punkte beschränke, zu denen rechtzeitig und konkret Mängel des Wahlverfahrens gerügt worden seien.
20Die Bildung von Wahlgruppen und die Sitzverteilung seien keine Rechenaufgabe, sondern beruhten auf einer Wertung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Kammerbezirks. Insoweit bestehe ein Gestaltungsspielraum. Nach der allgemeinen Erfahrung der Industrie- und Handelskammern sei dazu eine Kombination aus der Zahl der Unternehmen und ihren Gewerbeerträgen bzw. Gewerbesteuermessbeträgen am besten geeignet, im vorliegenden Fall noch ergänzt um die Zahl der Beschäftigten (Arbeitnehmer und Auszubildende). Diese drei Aspekte ergänzten sich gegenseitig und garantierten, dass die Vollversammlung ein Spiegelbild der Bezirkswirtschaft sei.
21Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen und ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Auskunft über die näheren Einzelheiten des Wahlergebnisses. Eine Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf detaillierte Auskünfte sei nicht ersichtlich. Die Klägerin könne sich insbesondere nicht mit Erfolg auf die Erwägung stützen, die verlangten Auskünfte dienten dem Wahlprüfungsverfahren. Neue Anfechtungsgründe könne die Klägerin auf die verlangten Angaben nicht stützen. Gegenstand der Klage sei nicht unmittelbar die Gültigkeit der angefochtenen Wahl, sondern der auf den Einspruch hin ergangene Bescheid. Daraus ergebe sich zugleich, dass der allgemeine Grundsatz des Wahlprüfungsrechts zu beachten sei, der das Verwaltungsgericht auf die Prüfung der innerhalb der Einspruchsfrist vorgetragenen Einspruchsgründe beschränke. Die rechtzeitig erhobenen Rügen der Klägerin zur Wahl seien unbegründet.
22Auf den Antrag der Klägerin hat der Senat die Berufung durch Beschluss vom 21. November 2002 zugelassen.
23Die Klägerin bezieht sich zur Begründung der Berufung auf ihr bisheriges Vorbringen und führt ergänzend aus: Der unterschiedliche Erfolgswert auch innerhalb der Wahlgruppen zeige sich besonders in der Wahlgruppe VI. Gründe dafür, Wahlbezirke nicht für alle Gruppen zu bilden, seien nicht gegeben. Der Grund für die Aufteilung in Wahlbezirke sei sachfremd, weil er mit der Neuordnung der Kammerbezirke - E. , Kreis X. und Kreis L. - zusammenhänge.
24Die in der Wahlordnung niedergelegten Kriterien seien bei der Sitzverteilung auf die einzelnen Wahlgruppen fehlerhaft angewendet worden. Die Beklagte zu 1. habe wertend eingegriffen, indem sie die Gewerbeerträge doppelt in Anrechnung gebracht habe und weitere Kriterien wie z.B. Ausbildungsverhältnisse, Sozialversicherungspflichtigkeit der Beschäftigten oder Umsatz berücksichtigt habe. Hierzu fehle eine Legitimation durch die Wahlordnung. Dass in der Vollversammlung vom 5. Dezember 2000 die Wahlordnung ohne jeden Hinweis auf die zusätzlichen Kriterien zur Abstimmung gestellt worden sei, könne nur als bewusst verkürzende Informationspolitik gedeutet werden. Wegen der weiteren Einwände der Klägerin zu den bei der Sitzverteilung berücksichtigten Kriterien sowie zu der Berechnung der Sitzverteilung und den unterschiedlichen Erfolgswerten der Stimmen wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 25. Februar 2003, Bl. 130 ff. der Gerichtsakte, Bezug genommen.
25Eine Zuwahl von vier Personen sei mittlerweile erfolgt. Sie stammten, wie zu erwarten gewesen sei, alle aus E. . Zwei davon hätten kandidiert, seien aber nicht gewählt worden. Die Wahl des Vorsitzenden des Wahlausschusses stehe nicht mit der gültigen Wahlordnung in Einklang. Die Wahlordnung a.F. schreibe vor, dass zum Vorsitzenden möglichst ein Mitglied des Präsidiums gewählt werden solle. Dieses könne nur ein Vollversammlungsmitglied sein. Ausweislich der Niederschrift der 4. Sitzung des Wahlausschusses am 11. Dezember 2001 seien neben dem Vorsitzenden, der entgegen der Wahlordnung gewählt worden sei, nur vier weitere Mitglieder anwesend gewesen. Der Ausschuss sei somit nicht beschlussfähig gewesen.
26Hinsichtlich des Antrags der Klägerin auf Erteilung von detaillierten Auskünften haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt.
27Die Klägerin beantragt nunmehr,
28das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 7. Mai 2002 zu ändern und die Beklagte zu 2. unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Dezember 2001 zu verpflichten, die Wahl zur Vollversammlung der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer E. -X. -L. zu E. im Jahre 2001 für ungültig zu erklären und insoweit eine Wiederholungswahl anzuordnen.
29Die Beklagte zu 2. beantragt,
30die Berufung zurückzuweisen.
31Zur Begründung führt sie aus, es gehöre zu den allgemeinen, in ständiger Rechtsprechung bestätigten Wahlrechtsgrundsätzen, dass sich die gerichtliche Nachprüfung von Wahlen auf die konkret, substantiiert und fristgerecht vorgetragenen Wahleinsprüche beschränke. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juni 2002 - 6 C 21.01 -, GewArch 2002, 432, könne daher nur als "Ausreißer" bezeichnet werden. Die Klägerin verkenne, dass es sich nicht um politische Wahlen, sondern um gebündelte Gruppenwahlen handele. Der Gesetzgeber habe bewusst einen weiten Rahmen für die Wahlordnung vorgegeben, um den wirtschaftlichen Besonderheiten der Kammerbezirke gerecht zu werden. Die in der Wahlordnung vom 5. Dezember 2000 neu geregelte Sitzverteilung nach nur vier Jahren zeige, wie stark der Strukturwandel im Kammerbezirk gewesen und wie schnell und genau ihm die Wahlordnung gefolgt sei, damit die Vollversammlung ein Spiegelbild der gewerblichen Wirtschaft bleibe. Die Sitzverteilung folge dabei eng den statistischen Daten, soweit dies möglich sei.
32Die Aufteilung in Wahlbezirke hänge mit den Besonderheiten einer Persönlichkeitswahl zusammen. Die aufgeteilten Wahlgruppen seien sehr groß. In der Regel erfolge keine Wahlwerbung der Kandidaten. Nach Möglichkeit solle jedoch ein Großteil der Wähler die Bewerber kennen. Dies werde durch die Bildung von Wahlbezirken wesentlich gefördert. Alle Flächenkammern hätten solche Wahlbezirke gebildet, weil damit zugleich den Besonderheiten des Kammerbezirks Rechnung getragen und die Spiegelbildlichkeit in der Zusammensetzung der Vollversammlung noch verfeinert werde. Die nicht aufgeteilten Wahlgruppen seien so überschaubar, dass die Bildung von Wahlbezirken nicht notwendig sei und vor allem die Zahl der auf sie entfallenden Sitze zu klein würde. Erfahrungsgemäß verringere sich dann die Wahlbeteiligung. Bei der Abgrenzung liege es nahe, auf die wirtschaftlichen Schwerpunkte des Bezirks zurückzugreifen, wie sie auch im Namen der IHK zum Ausdruck kämen. Eine Ungleichbehandlung scheide schon deshalb aus, weil für Wahlgruppen und Wahlbezirke derselbe Maßstab gelte. Die Beanstandungen zum Stimmzettel seien auch deshalb unbegründet, weil es sich durchweg um erfahrene Kaufleute handele, die schon mehrfach an Kammerwahlen teilgenommen hätten und die zitierte Formulierung nicht missverstünden.
33Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
34Entscheidungsgründe:
35Soweit die Beteiligten das Verfahren hinsichtlich des Auskunftsanspruchs in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren einzustellen und das angefochtene Urteil für wirkungslos zu erklären (entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1, § 173 VwGO, § 269 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO).
36Im Übrigen ist die vom Senat zugelassene und auch sonst zulässige Berufung begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die Klage ist zulässig (I.) und begründet (II.).
37I. Die von der Klägerin als wahlberechtigte Kammerzugehörige (§ 2 Abs. 1 Wahlordnung vom 5. Dezember 2000) gegen die Zurückweisung ihres Einspruchs gegen die Wahl zur Vollversammlung 2001 erhobene Klage ist zulässig.
381. Die Klage ist insoweit zutreffend gegen die Beklagte zu 2. gerichtet worden. Es handelt sich bei der Klage betreffend die Gültigkeit einer Kammerwahl nach gefestigter Rechtsprechung um eine Verpflichtungsklage, so dass die Klage gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, § 5 Abs. 2 Satz 1 AG VwGO NRW gegen die Behörde zu richten ist, die den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat bzw. erlassen soll.
39Vgl. Urteil vom 5. September 1980 - 15 A 538/79 -, OVGE 35, 75 (77) m.w.N; vgl. auch VGH Bad. Württ., Vorlagebeschluss vom 2. Dezember 1997 - 9 S 785/95 -, GewArch 1998, 65 (66).
40Nach der Wahlordnung der Beklagten zu 1. ist danach die Vollversammlung die richtige Beklagte. Der Wahlausschuss kann nach § 15 Abs. 2 der Wahlordnung einem Einspruch gegen die Wahl abhelfen, andernfalls entscheidet hierüber die Vollversammlung in der alten Besetzung. Diese Regelung erfasst nur den Fall, dass die alte Vollversammlung über den Einspruch vor der Konstituierung der neu gewählten Vollversammlung entscheidet. Eine Beteiligung der Vollversammlung der abgelaufenen Wahlperiode in der damaligen Zusammensetzung kommt demgegenüber im derzeitigen Verfahrensstadium nicht mehr in Betracht. Zur Ungültigerklärung der Wahl und Anordnung einer Wiederholungswahl kann nur die neue Vollversammlung verpflichtet werden.
41Dass die Klage zunächst nicht gegen die Beklagte zu 2., sondern allein gegen die Beklagte zu 1. als Rechtsträger gerichtet war, ist unschädlich. Nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 VwGO genügt zur Bezeichnung des richtigen Beklagten die Angabe der Behörde. Für den hier einschlägigen Fall, dass nach § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 1 AG VwGO NRW die Klage gegen die Behörde zu erheben und statt dessen die Körperschaft verklagt worden ist, gilt entsprechend, dass zur Bezeichnung der Behörde die Angabe ihrer Körperschaft ausreicht. Die Bezeichnung des Beklagten kann von Amts wegen richtig gestellt werden.
42Vgl. OVG NRW, Urteil vom 13. März 1991 - 22 A 871/90 -, NJW 1991, 2586; Meissner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 78 Rdnr. 58.
432. Die Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) der Klägerin folgt aus ihrer Einspruchsberechtigung. Als Kammerzugehörige hat sie ein rechtliches Interesse daran, dass die Wahl ordnungsgemäß durchgeführt und nicht durch Wahlmängel beeinflusst worden ist. Unerheblich ist, ob die Klägerin geltend machen kann, durch die von ihr behaupteten Wahlfehler in eigenen Rechten verletzt worden zu sein. Denn das Wahlanfechtungsverfahren dient nicht in erster Linie dem individuellen Rechtsschutz des einzelnen Wählers oder Wahlbewerbers, sondern dem Schutz des objektiven Wahlrechts. Eine § 101 Abs. 1 Halbsatz 2 Handwerksordnung entsprechende Regelung, dass sich jeder Kammerzugehörige bei den Wahlen zur Vollversammlung nur gegen die Wahl von Mitgliedern seiner eigenen Wahlgruppe wenden kann, enthält weder das IHKG noch die Wahlordnung.
44Vgl. OVG NRW, Urteil vom 5. September 1980, a.a.O., S. 78 f.; VG Berlin, Urteil vom 7. Oktober 1981 - 4 A 162/80 -, UA S. 6 f.; VG Karlsruhe, Urteil vom 11. April 2002 - 9 K 778/01 -, juris; Frentzel/Jäkel/Junge, IHKG, 6.Aufl. 1999, § 5 Rdnr. 80.
453. Der Zulässigkeit der Klage steht auch nicht entgegen, dass das vorgeschriebene Vorverfahren (§ 68 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 VwGO) nicht durchgeführt worden ist. Der Einspruch der Klägerin ist kein Widerspruch gegen die Feststellung des Wahlergebnisses; er hat ein eigenständiges Verwaltungsverfahren erst eingeleitet. Die Notwendigkeit zur Durchführung eines Vorverfahrens ist auch nicht wegen der insoweit unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung entfallen.
46Vgl. VGH Bad. Württ., Urteil vom 23. Juli 1998 - 8 S 3189/96 -, NVwZ-RR 1999, 431 (432); VG Karlsruhe, a.a.O.
47Von der Durchführung des Vorverfahrens kann allerdings nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus Gründen der Prozessökonomie abgesehen werden, wenn sich der Beklagte auf die Klage sachlich eingelassen und deren Abweisung beantragt hat. Entscheidend ist dabei, ob dem Zweck des Vorverfahrens bereits Rechnung getragen ist oder sich sein Zweck ohnehin nicht mehr erreichen lässt. Die Durchführung des Vorverfahrens ist von vornherein zwecklos, wenn erkennbar keine Änderung der angefochtenen Entscheidung herbeigeführt werden könnte.
48Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. April 1994 - 11 C 2.93, NVwZ-RR 1995, 90; VGH Bad.Württ., Urteil v. 23. Juli 1998, a.a.O., S. 432.
49So liegt der Fall hier. Die Beklagte zu 2. hat sich auf die Klage eingelassen, ohne das fehlende Vorverfahren zu rügen, und ist der Klage mit Gründen entgegengetreten, aus denen deutlich wird, dass ein Vorverfahren zu keinem anderen Ergebnis geführt hätte.
50II. Die Wahlanfechtungsklage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zu 2., die Ungültigkeit der Wahl zur Vollversammlung 2001 festzustellen und eine Wiederholungswahl anzuordnen (§ 113 Abs. 5 S.1 VwGO).
511. Nach § 14 Abs. 2 der Wahlordnung stellt der Wahlausschuss das Wahlergebnis fest. Einsprüche gegen die Feststellung des Wahlergebnisses sind nach § 15 Abs. 1 der Wahlordnung zulässig. Nähere Voraussetzungen für die Begründetheit eines Einspruchs nennt die Wahlordnung nicht. Für die Regelung des Wahlrechts und des Wahlprüfungsrechts hat § 5 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern vom 18. Dezember 1956 (BGBl. I 920) zuletzt geändert durch Art. 6 des Neunten Euro-Einführungsgesetzes vom 10. November 2001 (BGBl. I 2992) - IHKG - dem Satzungsgeber weitgehende Gestaltungsfreiheit eingeräumt. Zu beachten sind aber die Grenzen, die sich aus den allgemeinen Wahlrechtsgrundsätzen ergeben.
52Frentzel/Jäkel/Junge, a.a.O. § 5 Rdnr. 28.
53Ob im Hinblick auf das Demokratieprinzip eine einschränkende Auslegung des § 15 Abs. 1 der Wahlordnung dahin geboten ist, dass nur ein Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften, durch den das Wahlergebnis beeinflusst werden kann, zur Ungültigkeit der Wahl führt, kann letztlich dahin stehen. Dafür spricht allerdings, dass der Bestandsschutz einer gewählten Vertretung es ausschließt, Wahlfehler einfacher Art und ohne jedes Gewicht ohne Weiteres zum Wahlungültigkeitsgrund zu erheben. Der Eingriff in die Zusammensetzung einer gewählten Vertretung durch eine wahlprüfungsrechtliche Entscheidung muss vor diesem Bestandserhaltungsinteresse gerechtfertigt werden. Je tiefer und weiter die Wirkungen eines Eingriffs in die Zusammensetzung einer gewählten Vertretung reichen, desto schwerer muss der Wahlfehler wiegen, auf den dieser Eingriff gestützt wird.
54Vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Februar 2001 - 2 BvF 1/00 -, NJW 2001, 1048 (1051 f.).
55Im vorliegenden Verfahren liegt jedenfalls ein Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften vor, durch den das Wahlergebnis beeinflusst werden konnte.
562. Rechtsgrundlage für die angefochtene Wahl ist § 5 IHKG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 der Satzung der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer E. - X. -L. zu E. vom 2. Dezember 1999 sowie der Wahlordnung. Danach wählen die Kammerzugehörigen in gleicher, allgemeiner, unmittelbarer und geheimer Wahl 82 Mitglieder der Vollversammlung, während bis zu weitere 10 Mitglieder in mittelbarer Wahl von den unmittelbar gewählten Vollversammlungsmitgliedern gewählt werden können, § 1 der Wahlordnung.
57Die Wahl zur Vollversammlung der IHK ist nicht - wie die Klägerin meint - schon deshalb ungültig und zu wiederholen, weil die der Wahlordnung zu Grunde liegende Vorschrift des § 5 Abs. 3 IHKG verfassungswidrig (dazu 2.2.) oder die Wahlordnung der Beklagten zu 1. wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht nichtig (dazu 2.3.) wäre. Die Wahl leidet jedoch an einem ergebnisrelevanten Wahlfehler (dazu 2.4.). Dies führt zur Verpflichtung der Beklagten zu 2., die Wahl für ungültig zu erklären und eine Wiederholungswahl anzuordnen.
582.1. Die Prüfung des Senats ist dabei nicht auf die von der Klägerin innerhalb der Einspruchsfrist vorgebrachten Gründe beschränkt. § 15 der Wahlordnung enthält keine materielle Präklusionsvorschrift, die das Einspruchsrecht des Wahlberechtigten auf rechtzeitig vorgebrachte Einspruchsgründe begrenzt. Nach seinem Wortlaut bestimmt § 15 Abs. 1 der Wahlordnung lediglich die Einspruchsfrist. Anhaltspunkte für eine Präklusionsregelung ergeben sich daraus nicht. Der Vorschrift lässt sich nicht entnehmen, dass nach Ablauf der Einspruchsfrist erhobene Einwendungen keine Bedeutung für die Wahlprüfung haben und dass im gerichtlichen Verfahren nicht auch solche Gesichtspunkte geprüft werden dürfen, auf die sich der jeweilige Kläger nicht gestützt hat. Sinn und Zweck der Bestimmung erfordern auch unter Berücksichtigung der Sicherung der Funktionsfähigkeit der Vollversammlung der IHK keine Auslegung dahin, dass nicht innerhalb der Einspruchsfrist substantiiert geltend gemachte Gründe für eine Wahlanfechtung präkludiert sind. Die Wirksamkeit der Beschlüsse der Vollversammlung wird durch den Einspruch nämlich nicht berührt, solange die Bestellung der Vollversammlungsmitglieder nicht rechtskräftig für ungültig erklärt worden ist.
59Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 1998 - 1 C 7.98 -, BVerwGE 108, 169 (176 f.).
60Hätte die Wahlordnung einem gleichwohl noch bestehenden Interesse an der raschen und verbindlichen Klärung der Zusammensetzung des Vertretungsorgans entscheidendes Gewicht beimessen und daher in einem bestimmten Umfang eine Präklusion anordnen wollen, hätte dies angesichts der Tragweite einer solchen Regelung eindeutig und unmissverständlich in der Wahlordnung angeordnet werden müssen. Dies gebieten einerseits die subjektiven Rechte des Anfechtungsberechtigten und andererseits die rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit.
61Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2002 - 6 C 21.01 -, GewArch 2002, 432 (433 f.) zu § 101 Abs. 3 Satz 1 HwO, und Beschluss vom 13. Mai 1998 - 6 P 9.97 -, BVerwGE 106, 378 (380 ff.) zu § 22 LPVG NRW; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 17. Februar 1999 - 7 K 8643/97 -, UA S. 9 ff. (zur Wahlordnung der Ärztekammer Nordrhein), Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt durch Beschluss des Senats vom 14. März 2000 - 8 A 2193/99 -.
62Zu keinem anderen Ergebnis führt die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Wahlprüfungssachen.
63Vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 1998 - 2 BvC 5/88 - BVerfGE 79, 50.
64Das dort anerkannte Gebot, den Wahleinspruch innerhalb der Einspruchsfrist substantiiert zu begründen, findet seine Grundlage in den jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen über die Gültigkeit von politischen Wahlen. Nach § 2 Abs. 3, Abs. 4 Satz 1 WahlPrüfG ist der Einspruch schriftlich zu begründen und muss innerhalb der festgelegten Einspruchsfrist beim Bundestag eingehen. Bereits dieser Wortlaut legt eine Auslegung nahe, die Wahlprüfung ausschließlich auf Gründe zu erstrecken, die innerhalb der Einspruchsfrist angeführt wurden. Die Rechtfertigung jenes Gebots ergibt sich aus dem Interesse an der raschen und verbindlichen Klärung der ordnungsgemäßen Zusammensetzung des Parlaments.
65Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Mai 1998, a.a.O., S. 383 f.
66Demgegenüber bietet die Wahlordnung der Beklagten zu 1. nicht einmal einen Anhalt dafür, dass der Wahleinspruch zu begründen ist.
67Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass es der Dispositionsmaxime und Mitwirkungspflicht der Beteiligten widersprechen würde, wenn die Gerichte ohne erkennbaren und aktenkundigen Anlass Wahlunterlagen beiziehen, um nach Gründen zu forschen, aus denen sich die Ungültigkeit der Wahlergebnisse ergeben könnte. Der Gedanke einer Beschränkung der gerichtlichen Wahlprüfung im Wesentlichen auf das, was durch das Vorbringen der Beteiligten veranlasst worden ist, verdient im Interesse einer schnellen Durchsetzung des Wählerwillens durch Entscheidung über das mit der Antragsbegründung zum Ausdruck gebrachte Wahlprüfungsbegehren Beachtung. Weder ein rechtzeitig gestellter, in der Sache uneingeschränkter Antrag noch der Untersuchungsgrundsatz verpflichten die Gerichte, ungefragt sämtlichen hypothetischen Wahlrechtsverstößen nachzugehen. Allerdings sind die Verwaltungsgerichte nicht gehindert, nicht von vornherein ausscheidende Wahlanfechtungsgründe zum Anlass zu nehmen, auch ungerügte Wahlrechtsverstöße zu prüfen.
68Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Mai 1998, a.a.O., S. 384.
692.2.
70Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 5 Abs. 3 Satz 2 IHKG, auf dem die Wahlordnung beruht, bestehen nicht. Es verstößt nicht gegen höherrangiges Recht, dass bei der nach dieser Vorschrift vorgesehenen Gruppenwahl der Erfolgswert der Stimmen nicht von Gruppe zu Gruppe gleich ist. Der für politische Wahlen geltende Grundsatz der streng formalen Wahlgleichheit ist auf die Kammerwahl nicht übertragbar. Die Kammerwahl zielt nicht auf die Schaffung einer parlamentarischen Vertretung im politischen Raum, sondern auf die Wahl eines Repräsentativorgans im Rahmen der funktionalen Selbstverwaltung.
71Vgl. Frentzel/Jäkel/Junge, a.a.O., § 5 Rdnr 28; Oebbecke, Demokratische Legitimation nicht- kommunaler Selbstverwaltung, in: VerwArch 1990, 349, 364 ff.;
72Die gesetzlich angeordnete Aufteilung der Kammerzugehörigen in besondere Wahlgruppen verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Ein hinreichender sachlicher Grund für die Gruppenwahl und den damit verbundenen unterschiedlichen Erfolgswert der Stimmen ist die unterschiedliche gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Gewerbegruppen. Die Vollversammlung soll nach § 5 Abs. 3 Satz 2 IHKG nicht das rechnerische Ergebnis aus der Anzahl der abgegebenen Stimmen, sondern ein Spiegelbild der wirtschaftlichen Verhältnisse des Kammerbezirks darstellen. Hätte jede Stimme den gleichen Erfolgswert, würden die für den Kammerbezirk bedeutenderen Wirtschaftszweige in der Vollversammlung nicht ausreichend berücksichtigt.
73Vgl. zu § 93 Abs. 1 HwO: BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2002, a.a.O., S. 434, das die Verfassungsmäßigkeit der Gruppenwahl nicht in Frage stellt.
742.3. Auch die von der Klägerin gegen die Wahlordnung erhobenen Bedenken greifen nicht durch.
752.3.1. Nicht zu beanstanden ist, dass die Wahlordnung eine Kombination aus unmittelbarer Gruppenwahl und mittelbarer Wahl (hier von bis zu 10 weiteren Mitgliedern der Vollversammlung) vorsieht. Der in § 5 IHKG gezogene gesetzliche Rahmen enthält keine Festlegung auf nur ein bestimmtes Wahlsystem, sondern überlässt die Einzelheiten u.a. über "die Ausübung des Wahlrechts" und die "Durchführung der Wahl" dem Satzungsgeber. Dieser ist in der Wahl und Ausgestaltung eines Wahlsystems weitgehend frei. Er muss allerdings sicherstellen, dass die Mitglieder der Vollversammlung überhaupt durch Wahlakt bestimmt,
76zur Unzulässigkeit der sog. Friedenswahl BVerwG, Beschluss vom 27. März 1980 - 5 C 2.79 -, GewArch 1980, 296,
77sowie die wirtschaftlichen Besonderheiten des Kammerbezirks und die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Gewerbegruppen Berücksichtigung finden und dass die Wahlberechtigten zu diesem Zweck in besondere Wahlgruppen aufgeteilt werden (§ 5 Abs. 3 Satz 2 IHKG).
78Einen Vorrang der unmittelbaren vor der mittelbaren Wahl gibt es danach im Kammerwahlrecht nicht.
79Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. September 1963 - I C 113.61 -, BVerwGE 16, 312 (316); Hess. VGH, Urteil vom 2. August 1961 - OS II 148/59 -, ESVGH 14, 16 (20 ff.); Nds. OVG, Urteil vom 15. Juni 1992 - 8 L 43/90 -, GewArch 1992, 420 (421); Frentzel/Jäkel /Junge, a.a.O., § 5 Rdnr 37 ff.
80Eine begrenzte Zuwahl durch die Mitglieder der Vollversammlung, die insoweit als Wahlmänner fungieren, kann insbesondere deshalb sachgerecht sein, um eine Ergänzung der Vollversammlung durch Vertreter von - für das Bild des Kammerbezirks - bedeutsamen Wirtschaftszweigen zu ermöglichen, die über das Wahlgruppenverfahren keinen Sitz erlangt haben, oder um im Laufe der Amtsperiode Gewichtsverschiebungen zwischen den Wahlgruppen auszugleichen.
81Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. September 1963, ebda., Frentzel/Jäkel/Junge ebda.
82Vor diesem Hintergrund ist es auch unbedenklich, dass die Zuwahl von Kammerzugehörigen möglich ist, die bei der unmittelbaren Wahl als Bewerber angetreten, aber nicht gewählt worden sind. Von der befürchteten Verfälschung des Wählerwillens kann insoweit nicht die Rede sein.
832.3.2 Die konkrete Wahlgruppenaufteilung in § 7 der Wahlordnung ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
842.3.2.1
85Die Wahlgruppeneinteilung ist entgegen der Annahme der Klägerin bestimmt genug. Die von ihr monierten Begriffe "Industrie", "Einzelhandel", "Verkehrsgewerbe" und "sonstige Dienstleistungsgewerbe (genauer: sonstige überwiegend unternehmensbezogene bzw. sonstige verbraucherbezogene Dienstleistungen)" sind hinreichend klar. Die Abgrenzung geht im Wesentlichen von den Begriffen aus, die das Statistische Bundesamt für die Klassifikation der Wirtschaftszweige (Ausgabe 1993 bzw. nunmehr 2003) verwendet.
86Vgl. www.destatis.de/allg/d/klassif/wz93.htm.
87Diese Einteilung geht zurück auf die Verordnung (EWG) Nr. 761/93 der Kommission vom 24. März 1993 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3037/90 des Rates betreffend die statistische Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft, Abl. EG Nr. L 83,1.
88Der Einwand der Klägerin, die Bezeichnung "Industrie" sei diffus, ist unbegründet. Gegen die Verwendung dieses Oberbegriffs bestehen keine Bedenken. Die Klägerin erläutert diesen Begriff insoweit selbst zutreffend entsprechend dem allgemeinem Sprachgebrauch mit "Herstellung/Produktion". Zudem kann im Einzelfall bei Zweifelsfragen die Zuordnung zu einer Wahlgruppe nach § 9 der Wahlordnung auch noch im Wahlverfahren geändert werden.
892.3.2.2
90Auch die von der Klägerin beanstandete Sitzverteilung hält einer rechtlichen Überprüfung stand.
912.3.2.2.1
92Zunächst verkennt die Klägerin, dass es nach der Formulierung des Gesetzes nicht erforderlich ist, die abstrakten Maßstäbe für die Aufteilung der Wahlberechtigten in Wahlgruppen in der Wahlordnung zu verankern, da sich diese Maßstäbe - wirtschaftliche Besonderheiten im Kammerbezirk und gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Gewerbegruppen - bereits aus dem Gesetz ergeben. Sie normativ noch weiter zu konkretisieren,
93vgl. hierzu Oebbecke, a.a.O., S. 366 f.
94ist jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn die Wahlordnung - wie hier in § 7 Abs. 3 der Wahlordnung - die konkrete Sitzverteilung für die einzelnen Gruppen und Bezirke festlegt. Im Hinblick auf diese Regelung ist kein Grund dafür ersichtlich, abstrakte Maßstäbe für die Verteilung der Sitze in die Wahlordnung aufzunehmen. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob die konkrete Sitzverteilung rechtlich zu beanstanden ist (s.u.).
95Die Rüge, in der Vollversammlung am 5. Dezember 2000 sei die Sitzverteilung ohne Hinweis auf die angewandten Kriterien, die über § 7 Abs. 1 Satz 2 der Wahlordnung hinaus gegangen seien, zur Abstimmung gestellt worden, führt zu keinem anderen Ergebnis. Ob insoweit eine - wie die Klägerin meint - bewusst verkürzende Informationspolitik statt gefunden hat und wie die vorgeschlagene Sitzverteilung in der Vollversammlung im Einzelnen begründet worden ist, ist hier letztlich ohne Belang. Die streitige Satzungsregelung würde auch ohne weiter gehende Erörterung in der Vollversammlung nicht an einem zur Rechtswidrigkeit führenden Abwägungs- oder Begründungsdefizit leiden. Ebenso wie die Überprüfung der Vertretbarkeit einer gesetzgeberischen Einschätzung in der Regel nicht auf die vom Gesetzgeber angestellten und gegebenenfalls dokumentierten Überlegungen beschränkt ist,
96vgl. Verfassungsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17. Dezember 1990 - VerfGH 2/90 -, NWVBl 1991, 187 (189),
97kann sich auch die Vereinbarkeit der streitigen Satzungsregelung mit § 5 Abs. 3 Satz 2 IHKG aus objektiven Gründen ergeben. Nach den Angaben der Beklagten zu 2. im Berufungsverfahren zu der maßgeblichen Formel für die Sitzverteilung bestehen hinreichende objektive Gründe, die die Entscheidung der Vollversammlung im Ergebnis als vertretbar erscheinen lassen (dazu im Folgenden).
982.3.2.2.2
99Die Wahlordnung hat bei der Sitzverteilung die wirtschaftlichen Besonderheiten des Kammerbezirks und die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Gewerbegruppen in nicht zu beanstandender Weise berücksichtigt. Die Sitzverteilung kann aus den bereits angeführten Gründen nicht ohne Weiteres an den aus dem Bereich staatlicher politischer Wahlen übernommenen Maßstäben gemessen werden. Das Kammerwahlsystem muss dem Ziel dienen, eine Abbildung der besonderen wirtschaftlichen Strukturen in der Vollversammlung zu erreichen. Weil die praktische Verwirklichung dieses Ziels in erster Linie eine Frage des Einzelfalls ist, hat der Satzungsgeber - ausgerichtet am Maßstab des § 5 Abs. 3 Satz 2 IHKG - auch bei der Abgrenzung der Wahlgruppen einen weiten Gestaltungsspielraum. Die Entscheidung des Satzungsgebers ist hinzunehmen, solange nicht sachwidrige oder willkürliche Kriterien zugrunde gelegt werden.
100Vgl. BVerwG, Urteil vom 3. September 1963 - I C 113.61 -, a.a.O., S. 316 ff.; Nds. OVG, Urteil vom 15. Juni 1992 - 8 L 43/90 -, a.a.O., S. 421; Frentzel/Jäkel /Junge, a.a.O., § 5 Rdnr. 54 ff.
101Die Beklagte zu 2. hat hierzu im Einzelnen die Formel zur Errechnung der auf die einzelnen Gruppen entfallenen Sitze dargelegt und erläutert. Diese berücksichtigt die in § 7 Abs. 1 Satz 2 der Wahlordnung ausdrücklich genannten Kriterien des Gewerbeertrags, der Anzahl der Beschäftigten und der Zahl der Kammerzugehörigen. Der Einwand der Klägerin, es fehle an einer Legitimation dafür, dass die Gewerbeerträge doppelt gewichtet und darüber hinaus auf die Anzahl der Ausbildungsverhältnisse und die Sozialversicherungspflichtigkeit der Beschäftigungsverhältnisse abgestellt worden sei, stellt die Rechtmäßigkeit der Sitzverteilung nicht in Frage. § 7 Abs. 1 Satz 2 der Wahlordnung steht der angewendeten Formel schon deshalb nicht entgegen, weil die Vorschrift nicht abschließend ist, sondern nur die Kriterien nennt, nach denen sich die Sitzverteilung "insbesondere" richten soll. Ungeachtet dessen hat die Wahlordnung selbst - wie dargelegt - die Sitzverteilung normativ festgelegt.
102Hiervon ausgehend und gemessen an den dargestellten gesetzlichen Vorgaben ist die doppelte Gewichtung der Gewerbeerträge als wesentliches Kriterium für die wirtschaftliche Bedeutung der Kammerzugehörigen und damit der jeweiligen Wahlgruppen nicht zu beanstanden. Auch die zusätzlich in die Formel eingestellten Kriterien halten sich in dem - wie angeführt - weiten Ermessensrahmen. Die Anzahl der Ausbildungsverhältnisse und der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse erscheinen als sachgerechte Indikatoren für die Bewertung der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung der Gewerbegruppen. Die Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 25. Februar 2003 geben keinen Anlass, die Vertretbarkeit der angewandten Kriterien in Frage zu stellen. Der Vortrag der Klägerin ist widersprüchlich, wenn zunächst die besondere Gewichtung des Gewerbeertrags moniert, andererseits die Bedeutung, die der Anzahl der Ausbildungsverhältnisse zukommt, beanstandet wird, schließlich aber eingeräumt wird, dass die "Sonderstellung" des Gewerbeertrags durch die Berücksichtigung der Ausbildungsverhältnisse "mehr als aufgehoben wird".
103Im Übrigen wird die Beklagte zu 2. zu beobachten haben, ob das von der Klägerin gerügte Kriterium der "Sozialversicherungspflichtigkeit" der Beschäftigungsverhältnisse auch unter veränderten arbeits- und sozialrechtlichen Rahmenbedingungen und der tatsächlichen Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt ein geeigneter Indikator für die Bewertung der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung der Gewerbegruppen sein kann. Auf der anderen Seite ist die Beklagte zu 2. jedoch auch nicht gehindert, aus Gründen der Praktikabilität von einer weiter gehenden Verfeinerung der anzustrebenden Spiegelbildlichkeit der Zusammensetzung der Vollversammlung abzusehen. 2.3.3
104Die Bildung der Wahlbezirke: Stadt E. , Kreis X. und Kreis L. in den Wahlgruppen I, II, III, VI und VII lässt keine Rechtsfehler erkennen.
105Die Beklagte zu 2. hat auch hinsichtlich der Aufteilung der Wahlgruppen in Wahlbezirke einen Gestaltungsspielraum. Es ist der Satzungsregelung überlassen, in welcher Weise die wirtschaftlichen Besonderheiten des Kammerbezirks bei der Aufteilung innerhalb der einzelnen Gruppen berücksichtigt werden. Dies kann je nach den Verhältnissen unter Berücksichtigung regionaler Besonderheiten geschehen. Eine Verteilung der auf die einzelnen Gruppen entfallenden Mitglieder der Vollversammlung auf Landkreise und kreisfreie Städte ist grundsätzlich zulässig. Denn dadurch können mosaikartig die wirtschaftliche Struktur des Kammerbezirks erfasst und durch Zusammenfügung der Erkenntnisse das Gesamtbild im Bezirk ermittelt werden. Da die Verteilung auf einzelne Kreise nicht als selbständiges Kriterium im Gesetz bestimmt ist, kann die Einbeziehung der Kreise in den Aufteilungsmaßstab allerdings nur verfeinernde Bedeutung haben, indem dadurch die wirtschaftlichen Besonderheiten des Kammerbezirks und die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der einzelnen Gruppen genauer erfasst werden. Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 2002 a.a.O., S. 434 f.; zu § 5 IHKG: Nds. OVG, a.a.O., S. 421.
106Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Bildung der Wahlbezirke in fünf der acht Wahlgruppen nicht zu beanstanden. Die Beklagten haben die Gründe für die Aufteilung im Berufungsverfahren im Einzelnen dargelegt. Das Abstellen auf die Größe der aufgeteilten Wahlgruppen, die Verfeinerung der Spiegelbildlichkeit in der Zusammensetzung der Vollversammlung und die regionale Abgrenzung nach den wirtschaftlichen Schwerpunkten lässt keine Verletzung des Gleichheitssatzes erkennen. Für die Zuteilung der Sitze auf die Wahlbezirke ist derselbe Maßstab wie bei der Sitzverteilung auf die Wahlgruppen angelegt worden. Damit wird auch innerhalb der Wahlgruppen die Zusammensetzung der Vollversammlung unter Berücksichtigung der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung verfeinert. Die Einschätzung, dass die Wahlgruppen IV,V und VII so überschaubar seien, dass eine Aufteilung in Wahlbezirke nicht notwendig, sondern die Anzahl der zu verteilenden Vollversammlungssitze dafür zu klein sei, ist ebenfalls anhand der vorgelegten Unterlagen nachvollziehbar.
1072.3.4.
108Der Einwand der Klägerin, es fehle an einer Kontrolle der Durchführung und des festgestellten Ergebnisses der Wahl durch ein unabhängiges Gremium, führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Wahlordnung. Nach § 5 Abs. 3 IHKG regelt die Wahlordnung u.a. das Nähere über die Ausübung des Wahlrechts und die Durchführung der Wahl. Damit ist es der Satzungsautonomie der Beklagten überlassen, die Kontrolle der Durchführung der Wahl und der Feststellung des Ergebnisses zu regeln. Die Wahlordnung sieht hierzu im Einzelnen Regelungen über die Bildung und Zusammensetzung des Wahlausschusses, der für die Durchführung der Wahl, die Feststellung der Gültigkeit der abgegebenen Stimmen und des Wahlergebnisses verantwortlich ist, vor. Der Wahlausschuss besteht aus Vollversammlungsmitgliedern, die von der Vollversammlung zu wählen sind. Die Bildung eines solchen Gremiums ist auch bei politischen Wahlen üblich, soll eine gegenseitige Kontrolle gewährleisten und Unkorrektheiten damit weitgehend ausschließen.
109Vgl. OVG Rh.-Pf., Urteil vom 4. Dezember 1990 - 7 A 11827/90 -, NVwZ 1991, 598 (599); VG Gelsenkirchen, Urteil vom 17. Februar 1999 - 7 K 8642/97, UA, S. 12 f.
110Ein weiter gehender Grundsatz der Art, dass eine "unabhängige" Kontrolle der Wahl durch Dritte bzw. nicht Wahlberechtigte und/oder Wahlbewerber gewährleistet sein müsste, ergibt sich weder aus dem Recht der Industrie- und Handelskammern noch aus sonstigem allgemeinen Wahlverfahrensrecht.
1112.3.5. Rechtlich nicht zu beanstanden ist, dass nach § 14 Abs. 2 der Wahlordnung lediglich die Namen der gewählten Bewerber bekannt gemacht werden. Die von der Klägerin zusätzlich verlangte Angabe der Zahl der Wahlberechtigten, der Zahl der abgegebenen Stimmen, der Zahl der gültigen Stimmen und der Zahl der gültigen Stimmen je Kandidat sind für eine wirksame Bekanntgabe des Wahlergebnisses nicht erforderlich.
112VG Karlsruhe Urteil vom 11. April 2002 - 9 K 778/01 -, juris; Frentzel/Jäkel/Junge a.a.O., § 5 Rdnr. 77.
113Unter der Bekanntgabe des Wahlergebnisses ist nicht mehr zu verstehen als die Mitteilung, welche Kandidaten gewählt wurden. Die zusätzlichen Angaben, die die Klägerin vermisst, sind zwar beispielsweise für Nachrücker durchaus von erheblichem Interesse. Dennoch handelt es sich bei diesen Angaben nur um eine Begründung, weshalb es zu dem bekannt gegebenen Wahlergebnis gekommen ist, nicht aber um einen Teil des Wahlergebnisses selbst. Daher besteht auch keine Pflicht der Beklagten, diese Angaben zusammen mit den Namen der gewählten Bewerber zu veröffentlichen. Abgesehen davon wäre ein Fehler bei der Veröffentlichung des Wahlergebnisses unbeachtlich, da sich ein diesbezüglicher Mangel auf die Zusammensetzung des gewählten Gremiums nicht ausgewirkt hätte.
114Vgl. VG Karlsruhe a.a.O.
1152.4. Die Wahl zur Vollversammlung 2001 weist jedoch in ihrer praktischen Durchführung einen Wahlfehler auf, der sich auf das Wahlergebnis ausgewirkt haben kann.
1162.4.1
117Nicht zu beanstanden ist allerdings die Bekanntmachung der Kandidatenliste in der Juli/August-Ausgabe der Zeitschrift "Thema Wirtschaft" und die Gestaltung dieser Ausgabe im Übrigen.
118Auch für die Kammerwahl sind die Grundsätze der Chancengleichheit der Wahlbewerber und der Wahlfreiheit zu beachten, die zu den wesentlichen Vorschriften über das Wahlverfahren gehören. Die allgemeinen Wahlrechtsgrundsätze, wie sie in Art. 38 Abs. 1 GG niedergelegt sind, gelten im Verhältnis der Wahlbewerber untereinander - anders als etwa der Grundsatz der Wahlgleichheit im Hinblick auf den Erfolgswert der Wählerstimme - gleichermaßen für politische wie nicht politische Wahlen, also auch bei Wahlen zu anderen öffentlich-rechtlichen Vertretungskörperschaften als Volksvertretungen.
119Vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Oktober 1985 - 1 BvL 44/83 -, BVerfGE 71, 81 (94 f.); Tettinger, Kammerrecht, 1997, S. 111.; Oebbecke, a.a.O., S. 362 ff.; Schiffer, Wahlrecht, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, 1983, S. 295 (296)
120Dies gilt insbesondere für den Grundsatz der Freiheit der Wahl mit dem ihm korrespondierenden Recht auf chancengleiche Wahlteilnahme. Nur ein Wahlverfahren, das diesem Grundsatz Rechnung trägt, kann demokratische Legitimation verleihen.
121BVerfG, Urteil vom 2. März 1977 - 2 BvE 1/76 -, NJW 1977, 751 (752 f.); BVerwG, Urteil vom 18. April 1997 - 8 C 5.96 -, Buchholz 160 Wahlrecht Nr. 44, 9 (11); vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 19. August 1988 - 15 A 924/88 -, NVwZ-RR 1989, 149; Oebbecke, a.a.O., S. 362 ff.;
122Nach dem Grundsatz der Freiheit der Wahl soll jeder Wahlberechtigte sein Wahlrecht ohne (physischen) Zwang oder (psychologischen) Druck oder sonstige unzulässige direkte oder indirekte Einflussnahme auf die Entschließungsfreiheit - durch die öffentliche Hand, durch politische Parteien oder durch sonstige Institutionen, gesellschaftliche Gruppierungen oder von privater Seite - ausüben können. Der Wahlberechtigte muss die seiner Überzeugung entsprechende Wahlentscheidung in einem freien, offenen Prozess der Meinungsbildung gewinnen und fällen können.
123Vgl. BVerfG, Urteil vom 2. März 1977 - 2 BvE 1/76 -, a.a.O., S. 751.
124Eine Wahlbeeinflussung ist insbesondere dann unzulässig, wenn ein Hoheitsträger unter Verstoß gegen das ihm obliegende Neutralitätsgebot in mehr als nur unerheblicher Weise parteiergreifend auf die Bildung des Wählerwillens eingewirkt hat. Vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Februar 2001 - 2 BvF 1/00 -, a.a.O. S. 1051; OVG NRW, Urteil vom 19. August 1988 - 15 A 924/88 -, a.a.O., S. 149 f.
125Als funktional ausgerichtete öffentlich-rechtliche Körperschaft mit Pflichtmitgliedschaft unterliegt die Beklagte zu 1. bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben dem Gebot der Neutralität. Zudem müssen die Veröffentlichungen in einem Amtsblatt grundsätzlich dem Neutralitätsgebot in besonderem Maße Rechnung tragen.
126Vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Februar 1996 - 1 S 2570/95 -, NVwZ-RR 1996, 411 (413), Urteil vom 17. Februar 1992 - 1 S 226/91 - , NVwZ 1992, 504 (505), und Urteil vom 7. November 1983 - 1 S 1311/83 -, DVBl. 1985, 170; Hess. VGH, Urteil vom 25. Februar 1999 - 8 UE 4368/98 -, ESVGH 49, 167 (169); Bay. VGH, Urteil vom 27. November 1991 - 4 B 91.573 -, NVwZ 1992, 287 (288).
127Aus diesen Grundsätzen ergibt sich für die Bekanntmachung der gültigen Wahlvorschläge durch den Wahlausschuss gemäß § 11 Abs. 6 der Wahlordnung, dass dem Wähler alle zur Wahl stehenden Kandidaten in neutraler Form zu präsentieren sind. Kein Wahlbewerber darf gegenüber den anderen hervorgehoben oder zurückgesetzt werden. Deshalb dürfen schon die Wahlbewerbungen nur Namen, Geburtsdatum, Beruf bzw. Stellung und kammerzugehöriges Unternehmen und dessen Anschrift enthalten, vgl. § 11 Absatz 2 Satz 4 der Wahlordnung. Jegliche Wahlwerbung ist dem Wahlausschuss untersagt. Er darf lediglich zur Wahl aufrufen mit dem Ziel, eine hohe Wahlbeteiligung anzuregen. Eine textliche, bildliche oder andersartige optische Unterschiedlichkeit in der Präsentation der Kandidaten birgt die Gefahr, einzelne Kandidaten so darzustellen, dass sie den Wählern mehr auffallen oder nachhaltiger im Gedächtnis bleiben als andere Kandidaten.
128Vgl. Frentzel/Jäkel/Junge, a.a.O. § 5 Rdnr. 28.
129Die Bewerberliste ist danach ordnungsgemäß in der Juli/August-Ausgabe der Zeitschrift "Thema Wirtschaft", dem amtlichen Verkündungsorgan der IHK, veröffentlicht worden.
130Die Zeitschrift enthält auch eine klare Unterscheidung zwischen dem redaktionellen Teil und den Bekanntmachungen.
131Zur möglichen Doppelfunktion eines Verkündungsorgans und den daraus sich ergebenden Anforderungen: OVG Lüneburg, Urteil vom 15. Juni 1992 - 8 L 43/90 -, a.a.O., 420; Frentzel/Jäkel/Junge, a.a.O., § 5 Rdnr. 38 ff.
132Trotz der auch im amtlichen Teil vorhandenen Werbung ist insoweit eine ausreichende Differenzierung gegeben. Bereits das Inhaltsverzeichnis unterscheidet zwischen Bekanntmachungen und den übrigen Inhalten. Der jeweilige Abschnitt der Zeitschrift wird auf jeder Doppelseite schlagwortartig und farblich hervorgehoben. Die Veröffentlichung der Bewerberliste erfolgt für den Leser erkennbar auf den Seiten 62 ff. in dem Abschnitt "Bekanntmachungen", der bereits als solcher im Inhaltsverzeichnis der Ausgabe aufgeführt wird.
133Der von der Klägerin monierte Bericht über vier neue Vollversammlungsmitglieder findet sich in derselben Ausgabe der Zeitschrift auf S. 37 unter dem Abschnittsnamen "IHK und Niederrhein" und der Überschrift "Veränderungen in der Vollversammlung". Der Klägerin ist einzuräumen, dass der Bericht auch in einer anderen Ausgabe der Zeitschrift hätte erscheinen können. Nach den hier gegebenen Umständen ist die Vorstellung der beiden Mitglieder, die zugleich Wahlbewerber sind, aber letztlich nicht zu beanstanden. Der Bericht enthält keinen Hinweis auf die Wahl und auch im Übrigen ist ein Kontext mit der Wahl oder ein Zusammenhang mit der Bekanntmachung der Bewerberliste nicht ersichtlich. Vielmehr knüpft der Bericht an die personellen Veränderungen in der Vollversammlung Ende 2000 an und hat damit nach der äußeren Darstellung und dem Inhalt neutralen, informativen Charakter. Es besteht somit kein Anlass zu der Annahme, die Wahlchancen der beiden Bewerber seien durch den Bericht erhöht worden. Die Grenze zu einer unzulässigen Wahlbeeinflussung ist damit noch nicht überschritten.
1342.4.2.
135Der behauptete Eingriff in die Wahl durch das Schreiben des Hauptgeschäftsführers vom 7. Dezember 2001 liegt schon deshalb nicht vor, weil der Wahlvorgang zum Zeitpunkt dieses Schreibens bereits abgeschlossen war.
1362.4.3.
137Auch die Gestaltung der Stimmzettel ist nicht zu beanstanden.
138Die Stimmzettel haben keinen irreführenden Hinweis enthalten, der einen erheblichen Verstoß gegen ungeschriebenes Wahlverfahrensrecht bedeuten würde. Zusätze auf den Stimmzetteln dürfen unkundige Wähler nicht davon abzuhalten, von ihrem Stimmrecht vollen Gebrauch zu machen. Dass ein Wähler sich wenigstens auf die Richtigkeit der Angaben auf dem Stimmzettel uneingeschränkt verlassen können muss, ist selbstverständlich und bei jeder Wahl zu beachten.
139Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.6. 1990 - 6 P 2.90 -, PersV 1990, 536.
140Sind Stimmzettel unrichtig gestaltet, so führt dies dann zur Ungültigkeit der gesamten Wahl, wenn die Gestaltung unklare, Gültigkeitsfragen aufwerfende Stimmabgaben zur Folge hat, die der Zahl nach für das Wahlergebnis erheblich sind. Dies folgt aus dem allgemeinen Gebot, Abstimmungsvorgänge klar und eindeutig abzuwickeln, und zwar sowohl im Allgemeininteresse an der Verwirklichung des Demokratieprinzips (Sicherung der Mehrheitsfindung) als auch im Einzelinteresse der Wahlberechtigten (Sicherung der Stimmgültigkeit).
141Vgl. OVG Saarland, Urteil vom 16. Dezember 1993 - 1 R 50/92 -, juris.
142Nach diesen Grundsätzen muss der Stimmzettel einen eindeutigen Hinweis darauf enthalten, wie viele Bewerber wählbar sind. Dieser Anforderung ist genügt. Der Stimmzettel ist auch nicht deshalb irreführend, weil - wie die Klägerin meint - nicht hinreichend deutlich gemacht geworden sei, dass auch weniger als in dem jeweiligen Wahlbezirk bzw. der jeweiligen Wahlgruppe höchstens zu wählende Bewerber hätten angekreuzt werden dürfen. Nach § 12 Abs. 4 der Wahlordnung darf der Wähler höchstens so viele Bewerber ankreuzen, wie in dem Wahlbezirk der Wahlgruppe zu wählen sind. Der Stimmzettel der Wahlgruppe VI - Wahlbezirk L. - hebt im Fettdruck hervor, dass vier Vollversammlungsmitglieder zu wählen seien. Dies entspricht der Anzahl der höchstens wählbaren Bewerber. Dieser Satz kann - isoliert betrachtet - (auch) dahin verstanden werden, dass der Wähler für einen gültigen Stimmzettel (zwingend) vier Bewerber zu wählen habe. Ein ausdrücklicher Hinweis darauf, dass es sich hierbei um die maximal zu wählende Anzahl an Bewerbern handelt und auch weniger Kandidaten angekreuzt werden können, fehlt. Der Stimmzettel ist deshalb jedoch weder fehlerhaft noch irreführend. Denn jedenfalls in Verbindung mit der nachfolgenden Erläuterung im zweiten Satz ergibt sich hinreichend deutlich, dass die Wähler für eine gültige Stimmabgabe auf dem Stimmzettel auch weniger als vier Bewerber ankreuzen können. Unter a) bis d) wird dort im Einzelnen ausgeführt, unter welchen Voraussetzungen ein Stimmzettel nach § 13 der Wahlordnung ungültig ist. Einen Hinweis darauf, dass das Ankreuzen von weniger als vier Bewerbern zur Ungültigkeit führen könnte, enthält der Stimmzettel gerade nicht. Entscheidend gegen die Annahme, der Stimmzettel erwecke einen falschen oder irreführenden Eindruck, spricht insoweit der ausdrücklich unter c) genannte Fall, dass ein Stimmzettel ungültig ist, in dem mehr Bewerber angekreuzt sind, als in dem Wahlbezirk der Wahlgruppe zu wählen sind. Jedenfalls durch diese Erläuterung wird hinreichend deutlich, dass die Möglichkeit besteht, auch weniger als vier Bewerber anzukreuzen.
1432.4.4
144Ein Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften, der zur Ungültigkeit der Wahl führt, liegt jedoch vor, weil die Wahl von einem Wahlausschuss durchgeführt wurde, der den Vorschriften der maßgeblichen Wahlordnung nicht entspricht. Zudem hat er die wesentlichen Entscheidungen im Zusammenhang mit der Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses nicht selbst getroffen.
1452.4.4.1
146Nach § 8 Abs. 1 der Wahlordnung wählt die Vollversammlung zur Durchführung jeder Wahl einen Wahlausschuss, der aus fünf Personen besteht; der Wahlausschuss wählt aus seiner Mitte einen Vorsitzenden. Der Wahlausschuss ist beschlussfähig, wenn mindestens drei Mitglieder anwesend sind, § 8 Abs. 1 Satz 4 der Wahlordnung.
147Die Beklagte zu 2. hat jedoch in der Vollversammlung am 5. Dezember 2000, in der die zum Zeitpunkt der Wahl in Kraft getretene und damit für die angefochtene Wahl maßgebliche Wahlordnung beschlossen wurde, noch nach § 8 der Wahlordnung a.F. einen neunköpfigen Wahlausschuss und zugleich den Vorsitzenden gewählt. Mit Inkrafttreten der neuen Wahlordnung konnte und durfte jedoch - mangels einer Übergangsregelung - nur noch ein den neuen Vorschriften entsprechender Wahlausschuss die Wahl durchführen.
148Fehlerhaft, weil nicht mit der maßgeblichen Wahlordnung vereinbar, ist danach bereits die unmittelbare Wahl des Vorsitzenden durch die Vollversammlung sowie die Größe des Wahlausschusses. Auch die Regelung über die Beschlussfähigkeit des Wahlausschusses nach § 8 Abs. 1 Satz 4 der Wahlordnung, wonach lediglich drei Mitglieder, also ein Drittel des tatsächlich gewählten Wahlausschusses, anwesend sein müssen, während nach der alten Fassung die Anwesenheit von fünf Mitgliedern erforderlich gewesen wäre, macht deutlich, dass der tätig gewesene Wahlausschuss kein Wahlausschuss im Sinne der für die Wahl maßgeblichen Wahlordnung war.
149Die Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 2., der Wahlausschuss sei ein Organ der Beklagten zu 1. oder 2., das auf Dauer gewählt und im Bestand von der Fassung der jeweiligen Wahlordnung unabhängig sei, geht fehl. Dies folgt bereits aus § 8 Abs. 1 der Wahlordnung, wonach zur Durchführung "jeder Wahl" ein Wahlausschuss gewählt wird. Entsprechend ist auch die Beklagte zu 2. verfahren, die für die Wahl 2001 einen Wahlausschuss gewählt hat. Diese Ansicht wird auch von der Beklagten zu 1. vertreten, wie ihr Vertreter in der mündlichen Verhandlung erläutert hat.
150Dieser Fehler führt zur Ungültigkeit der Wahl und zur Anordnung einer Wiederholungswahl. Nur der den Vorschriften entsprechende Wahlausschuss ist Wahlausschuss im Sinne der Wahlordnung und als solcher befugt, die dem Wahlausschuss übertragenen Aufgaben zu erfüllen und Entscheidungen zu treffen, die für den Ablauf und das Ergebnis der Wahl von Bedeutung sind. Entsprach der Wahlausschuss in seiner Zusammensetzung nicht den Wahlvorschriften, folgt daraus stets die Möglichkeit einer Beeinflussung des Wahlergebnisses und der Anfechtbarkeit der Wahl.
151Vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. November 1959 - VII P 18.58 -, BVerwGE 9, 357 (361).
1522.4.4.2
153Ein Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften ergibt sich auch daraus, dass der Wahlausschuss die Wahl zu einem großen Teil nicht selbst durchgeführt und wesentliche Entscheidungen im Zusammenhang mit der Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses nicht selbst getroffen hat.
154Die Durchführung der Wahl obliegt - wie bereits dargelegt - nach § 8 ff. der Wahlordnung einem von der Vollversammlung gewählten Wahlausschuss. Der Senat muss im vorliegenden Verfahren nicht abschließend entscheiden, welche Schritte bei der Durchführung der Wahl der Wahlausschuss selbst vornehmen muss und in welchen Fällen er sich gemäß § 8 Abs. 1 Satz 5 der Wahlordnung bei der Wahrnehmung seiner Tätigkeit der Unterstützung durch die Geschäftsführung bedienen kann. Diese Vorschrift ermöglicht es dem Wahlausschuss, bei seiner Arbeit in personeller und sachlicher Hinsicht Hilfe durch die Geschäftsführung der Beklagten zu 1. in Anspruch zu nehmen. Danach dürfte auch im Hinblick auf die ehrenamtliche Tätigkeit der Vollversammlungsmitglieder und bei einem verhältnismäßig langen Zeitraum für die schriftliche Stimmabgabe eine Hilfeleistung durch die Geschäftsführung in einem weiten Rahmen zulässig sein. Die Möglichkeit zur Heranziehung von Wahlhelfern kann den Wahlausschuss aber nicht von der Verpflichtung zur Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben entbinden. Jedenfalls bei der eigentlichen Ermittlung des Wahlergebnisses - nämlich bei der Entscheidung über gültige und ungültige Stimmen sowie beim Auszählen der gültigen Stimmen - handelt es sich um die originäre Aufgabe des Wahlausschusses. Zwar regelt die Wahlordnung nicht ausdrücklich, wer die Auszählung der Stimmen vorzunehmen hat. Da der Wahlausschuss nach § 8 Abs. 1 der Wahlordnung aber für die "Durchführung" der Wahl insgesamt zuständig ist, besteht keine Veranlassung zu der Annahme, die Wahlordnung lasse für diesen wesentlichen Teil der Wahl eine Übertragung der Aufgaben durch den Wahlausschusses auf Dritte zu.
155Die Hinzuziehung von Wahlhelfern mag danach auch bei der Auszählung der Stimmen zulässig sein. Eine Übertragung der Kompetenzen auf Wahlhelfer zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung kommt insoweit jedoch auch nicht auf der Grundlage des § 8 Abs. 1 Satz 5 der Wahlordnung in Betracht. Diese Vorschrift lässt (lediglich) eine "Unterstützung" des Wahlausschusses "bei der Wahrnehmung seiner Tätigkeit", aber keine Übertragung auf bzw. Wahrnehmung der wesentlichen Aufgaben des Wahlausschusses durch Dritte an Stelle des Wahlausschusses zu. Insoweit hat der Wahlausschuss die Entscheidungen als Ganzes zu treffen und nicht Dritten zu überlassen. Die Feststellung des Ergebnisses der Wahl ist - wie dargelegt - dem Wahlausschuss, der aus einer Mehrzahl von Vollversammlungsmitgliedern besteht, überantwortet worden, damit eine gegenseitige Kontrolle gewährleistet ist und Unkorrektheiten weitgehend ausgeschlossen werden. Dies gilt in besonderem Maße bei der Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses, die noch mehr als die Wahlhandlung selbst die Gefahr von Inkorrektheiten in sich birgt.
156Vgl. OVG Rh.-Pf., , Urteil vom 4. Dezember 1990, a.a.O., S. 598; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 17. Februar 1999, a.a.O., S. 12 f.; vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 27. November 1997 - 1 A 878/97. PVB -, UA S. 19 ff.;
157Diese Grundsätze sind bei der angefochtenen Wahl nicht beachtet worden. Nach der Ergebnisniederschrift über die 2. Sitzung des Wahlausschusses am 21. Mai 2001, TOP 4, Bl. 4, beschloss der Wahlausschuss, zur Entgegennahme und Öffnung der Wahlbriefe, zur Aufsicht bei der Bearbeitung der Wahlbriefe und bei der Auszählung der Stimmen geeignete Mitglieder der Geschäftsführung und Mitarbeiter der Kammer durch den Verwaltungsleiter der Kammer benennen zu lassen. Zur Begründung wurde angegeben, eine unmittelbare Wahrnehmung der Tätigkeiten durch den Wahlausschuss sei praktisch nicht möglich. Wie sich aus der Niederschrift über den Wahlablauf, Bl. 3, ergibt, "wurde die Auszählung von Mitarbeitern der Kammer vorgenommen, die gemäß Ermächtigung des Wahlausschusses vom 21.05.2001 vom Verwaltungsdirektor bestimmt worden waren. Die Aufsicht führten gemäß dem genannten Ermächtigungsbeschluss Ass. H. und Ass. I. . Während der gesamten Auszählung waren ferner der Vorsitzende des Wahlausschusses, Herr Klaus T. , und als Mitglied des Wahlausschusses Herr Dr. T. M. zugegen, um den ordnungsgemäßen Ablauf zu kontrollieren."
158Damit steht fest, dass kein Mitglied des Wahlausschusses am Auszählvorgang unmittelbar beteiligt gewesen ist. Die Aufsicht bei der Stimmenauszählung übten nicht die beiden anwesenden Wahlausschussmitglieder - was ohnehin unzureichend gewesen wäre -, sondern Beschäftigte der Beklagten zu 1. aus. Der Wahlausschuss ist am Tag der Auszählung der Stimmen nicht einmal beschlussfähig gewesen, um über die Gültigkeit oder Ungültigkeit der Stimmen in Zweifelsfällen entscheiden zu können.
159Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht, dass nach der Ergebnisniederschrift über die 3. Sitzung des Wahlausschusses am 22. Oktober 2001 zu TOP 2 und 3 der Wahlausschuss zwei Wochen nach der Auszählung die bei der Auszählung von den Bearbeitern getroffene Entscheidung über die Gültigkeit bzw. Ungültigkeit der Stimmzettel gebilligt und das Wahlergebnis festgestellt hat. Den Ausschussmitgliedern wurde in dieser Sitzung, wie sich aus dem Protokoll ergibt, über den Wahlablauf berichtet und eine Liste über das vorläufige Ergebnis der Wahl zugänglich gemacht. Die beiden Wahlausschussmitglieder, die bei der Auszählung anwesend waren, "ergänzten, dass diese reibungslos abgelaufen sei." Weiter heißt es, dass die für die Auszählung verwandten Strich- und Zähllisten, die Stimmzettel und Wahlumschläge, zurückgewiesene Wahlbriefe sowie die Wahlscheine sämtlicher Wahlgruppen und -bezirke während der Sitzung ausgelegen hätten. Diese Vorgehensweise genügt nicht ansatzweise den dargelegten Anforderungen, die die Wahlordnung an die Ermittlung und Feststellung des Wahlergebnisses durch den Wahlausschuss stellt.
160Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung, ob auch dieser Verstoß zu einer Wiederholungswahl führen würde oder ob insoweit nur die Anordnung einer erneuten Auszählung und Feststellung des Ergebnisses in Betracht gekommen wäre.
161Denn jedenfalls die nicht vorschriftsmäßige Zusammensetzung des Wahlausschusses führt zur Anordnung der Wiederholungswahl. Ob darüber hinaus die Feststellung des Wahlergebnisses auch nicht "unverzüglich" im Sinne des § 14 Abs. 2 der Wahlordnung erfolgt ist, kann hier offen bleiben.
162III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Absatz 2 VwGO, § 161 Abs. 2 VwGO. Soweit der Rechtsstreit hinsichtlich des Antrags zu 1. in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, entspricht es billigem Ermessen, den Beklagten auch insoweit die Kosten aufzuerlegen. Es spricht Vieles dafür, dass die Klägerin auch insoweit obsiegt hätte. Die Klägerin hatte jedenfalls als Einspruchsführerin zumindest einen Anspruch auf die hilfsweise begehrte Einsicht in die Wahlunterlagen.
163Vgl. Frentzel/Jäkel/Junge, a.a.O., Rdnr. 81
164Zudem ist auch nicht ersichtlich, aus welchem Grund die Beklagte zu 1. einem Kammerzugehörigen - unabhängig von einer Wahlanfechtung - Einblick in das detaillierte Wahlergebnis verwehren könnte. Zwar besteht keine ausdrücklich normierte Anspruchsgrundlage für ein solches Begehren. Insbesondere scheitert ein Anspruch nach § 4 des Informationsfreiheitsgesetzes NRW im Falle der Klägerin schon daran, dass sie eine juristische Person ist. Die Auskunftserteilung dürfte danach im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten stehen.
165Vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 13. August 1998 - 13 A 2118/96 -, NWVBl 1999, 139 m.w.N.
166Schutzwürdige öffentliche Interessen oder Belange Dritter, die dem Interesse eines Kammerzugehörigen, sich Kenntnis über die Einzelheiten des Wahlergebnisses zu verschaffen, entgegen stehen könnten, sind jedoch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
167Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
168Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
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