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Der Antrag wird auf Kosten des Beklagten abgelehnt.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 794,84 EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
2Die Berufung ist nicht zuzulassen. Die von dem Beklagten geltend gemachten Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) greifen nicht durch.
3Die gerichtliche Prüfung im Zulassungsverfahren richtet sich an den in dem Antrag auf Zulassung der Berufung angesprochenen Gesichtspunkten aus.
4Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschlüsse vom 9. Juli 1997 12 A 2047/97 -, Deutsches Verwaltungsblatt 1997, 1342, und vom 20. Oktober 1998 18 B 69/98 -.
5Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).
6Nach diesem Maßstab ergeben sich keine ernstlichen Zweifel i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Der Kläger erstrebte in erster Instanz eine Verpflichtung des beklagten Landes, ihm einen Schaden an seinem Pkw in Höhe von 3.109,14 DM laut dem Kostenvoranschlag einer Reparaturwerkstatt zu ersetzen. Der Kläger war am 24. Oktober beim Zurücksetzen seines Pkw in einer Parklücke mit diesem gegen einen Laternenpfahl gestoßen. Der Laternenpfahl verhakte sich hinter der vorderen Stoßstange. Stoßstange, Blinkleuchte und Frontmaske des Pkw wurden aus der Verankerung gerissen und der Kotflügel eingedrückt. Eine Reparaturrechnung legte der Kläger nicht vor. Er ließ seinen Pkw lediglich provisorisch reparieren.
7Das Verwaltungsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und den Beklagten unter Aufhebung der die Leistung von Schadensersatz ablehnenden Verwaltungsentscheidung der Bezirksregierung E. vom 19. Dezember /11. März verpflichtet, den Schadensersatzantrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden: Das dem Beklagten im Rahmen des § 91 Abs. 1 Satz 1 des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein- Westfalen (LBG NRW) zustehende Ermessen, ob Sachschadensersatz geleistet werde, sei zwar - schon wegen des Verschuldens des Klägers, im übrigen auch wegen einer bislang nicht vorliegenden Reparaturrechnung nicht zu Gunsten des Klägers dahin reduziert, den streitigen Schadensersatz zu bewilligen. Jedoch habe die Bezirksregierung E. ihre Ermessensentscheidung auf einer falschen Grundlage getroffen. Sie habe die Ablehnung darauf gestützt, der Kläger habe den Verkehrsunfall grob fahrlässig verursacht. Das sei nicht der Fall gewesen. Es habe sich um eine bloße Unachtsamkeit gehandelt. Nach der vom Beklagten nicht angezweifelten Darstellung des Klägers habe dieser während des Zurücksetzens des Pkw pflichtgemäß auch auf den Verkehr auf der Straße, insbesondere auf einen in Gegenrichtung fahrenden Radfahrer, geachtet. Dass es dabei zu einem Schlenker mit der Folge des Fahrens gegen den Laternenpfahl gekommen sei, rechtfertige nicht den Vorwurf einer groben Sorgfaltspflichtverletzung.
8Der Beklagte macht geltend: Die Fahrweise des Klägers sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts von nicht zu überbietender Leichtfertigkeit gewesen. Er hätte den Radfahrer erst vorbeifahren lassen müssen, um sich dann während des Rückwärtsfahrens bei dem Rangieren in der Parklücke (auch) auf den Autoverkehr konzentrieren zu können. In einem anderen Rechtsstreit, in dem ein nahezu gleicher Verkehrsunfall eine Rolle gespielt habe, habe das Verwaltungsgericht grobe Fahrlässigkeit des Pkw-Fahrers angenommen. Zumindest liege aber mittlere Fahrlässigkeit des Klägers vor, und auch dann hätte das Verwaltungsgericht die Klage in vollem Umfang abweisen müssen. Durch die teilweise Stattgabe habe das Gericht in unzulässiger Weise eigenes Ermessen ausgeübt. Bei einem hier nicht übermäßig hohen Sachschaden und bei einer dem mittleren Bereich zuzuordnenden Fahrlässigkeit des Klägers sei es nicht ermessensfehlerhaft, ihn den gesamten Schaden selbst tragen zu lassen. In Fällen der vorliegenden Art habe der Beklagte sein Ermessen stets in dieser Weise ausgeübt.
9Damit sind keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts führen.
10Dass der Kläger beim Zurücksetzen in der Parklücke grob fahrlässig handelte, wird aus dem Vorbringen des Beklagten nicht deutlich. Es mag zwar sein, dass der Kläger den Radfahrer besser erst hätte vorbeifahren lassen. Auch ist beim Rückwärtsfahren besondere Aufmerksamkeit und Umsicht angezeigt. Jedoch ist nicht jeder Unfall beim Rückwärtsfahren von vornherein auf grobe Fahrlässigkeit zurückzuführen. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalles.
11Vgl. hierzu etwa OVG NRW, Beschluss vom 13. Januar 2000 6 A 2016/99 -, betreffend den Fall eines Rückwärtsfahrens mit dem Pkw auf einem unübersichtlichen Parkplatz, den der Fahrer zum ersten Mal benutzt, ohne sich zuvor vergewissert zu haben, dass die Fahrstrecke, die er nehmen will, keine Hindernisse aufweist, die aus dem Fahrzeuginnenraum heraus beim Rückwärtsfahren nicht zu erkennen sind.
12Der Sachverhalt, wie er sich aus den vorliegenden Akten ergibt, bietet jedoch auch unter Berücksichtigung der Argumente des Beklagten keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger beim Zurücksetzen seines Pkw die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders hohem Maße verletzte, indem er ganz einfache und naheliegende Überlegungen, die jedem einleuchten mussten, nicht anstellte. Zwar lenkte ihn der Radfahrer bei dem Manövrieren in der Parklücke offenbar ab. Gleiches gilt möglicherweise für den nach seinen Angaben regen Autoverkehr in einer ca. 50 m entfernten unübersichtlichen Kurve, der seine Aufmerksamkeit ebenfalls stark in Anspruch nahm. Wenn ihm aufgrund dessen der "Rempler" mit der Straßenlaterne unterlief, hatte er sich zwar bei dem Zurücksetzen seines Pkws in fahrlässiger Weise verschätzt. Eine leichtsinnige Unüberlegtheit im Sinne grober Fahrlässigkeit lag dem missglückten Rangieren mit dem Pkw jedoch nicht zugrunde.
13Entgegen der Auffassung des Beklagten hat das Verwaltungsgericht auch nicht in unzulässiger Weise in den Ermessensspielraum der Behörde eingegriffen. Indem das Verwaltungsgericht den Beklagten zur Neubescheidung des Antrags des Klägers auf Ersatz des Sachschadens unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verpflichtet hat, hat es diesen Ermessensspielraum im Gegenteil respektiert. Eine Aussage darüber, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Sachschadensersatz zu leisten sei, ist damit nicht getroffen worden. Die Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsentscheidung beruht darauf, dass das Verwaltungsgericht die allein genannte Ermessenserwägung des Beklagten laut dem Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung E. vom 11. März, der Kläger habe den Verkehrsunfall grob fahrlässig verursacht, als nicht tragfähig i.S.v. § 114 Satz 1 VwGO angesehen hat.
14Eine Ermessensreduzierung auf Null zu Lasten des Klägers ist ebenfalls nicht dargelegt. Der Vortrag des Beklagten, er habe "in Fällen dieser Art in der Vergangenheit immer wieder sein Ermessen in dieser Weise ausgeübt", reicht insoweit nicht aus. Wie ausgeführt worden ist, ist die Ermessensentscheidung nach § 91 Abs. 1 Satz 1 LBG NRW aufgrund der Umstände des Einzelfalles zu treffen. Hiernach erscheint es nicht als ausgeschlossen, dass der Beklagte, wenn er davon ausgeht, dass der Kläger den Unfall nicht grob fahrlässig verursacht hat, den Schaden in rechtlich nicht zu beanstandender Weise jedenfalls teilweise ersetzt. Der Umstand, dass der Kläger keine Reparaturrechnung vorgelegt und seinen Pkw offenbar nur "provisorisch" hat reparieren lassen, dürfte allerdings ebenfalls ein beachtlicher Gesichtspunkt bei der erneuten Ermessensausübung sein. Hierauf hat das Verwaltungsgericht zu Recht hingewiesen.
15Besondere rechtliche Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) weist die Rechtssache nicht auf. Ihr kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu. Dass beim Rückwärtsfahren mit einem Pkw besondere Vorsicht geboten ist, ist geklärt. "Ob dabei entstehende Schäden an unbeweglichen Gegenständen grob fahrlässig verschuldet wurden", ist eine Frage des Einzelfalles. Die des Weiteren aufgeworfene Frage, "ob das Gericht bei Vorliegen mittlerer Fahrlässigkeit sein eigenes Ermessen an die Stelle des behördlichen Ermessens setzen kann", stellt sich nach den obigen Ausführungen nicht. Soweit der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aus einem früheren Urteil des Verwaltungsgerichts betreffend einen Fall herleiten will, in welchem bei einem nahezu gleichen Unfall grobe Fahrlässigkeit bejaht worden sei, führt dies ebenfalls nicht zur Zulassung der Berufung. Eine konkrete, sich aus dem vorliegenden Rechtsstreit ergebende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, die für das angestrebte Berufungsverfahren erheblich sein wird, ist auch damit nicht aufgeworfen worden.
16Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
17Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 13 Abs. 1 Satz 1, 14 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes. Gegenstand des Zulassungsverfahrens ist im Unterschied zur ersten Instanz, in der es um eine Verpflichtung des Beklagten zur Leistung von Sachschadensersatz in der bezifferten Höhe von 1.589,68 EUR ging die Rechtmäßigkeit der vom Verwaltungsgericht ausgesprochenen Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung. Hiernach erscheint es angemessen, den Streitwert für das Zulassungsverfahren mit der Hälfte des erstinstanzlichen Streitwerts zu bemessen.
18Mit der Ablehnung des Zulassungsantrages wird das Urteil des Verwaltungsgerichts in vollem Umfang rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
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