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Der angefochtene Beschluss wird geändert.
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern für die Zeit vom 1. Juli 2003 bis zum 31. Dezember 2003 Hilfe zur Pflege im Umfang der nicht durch Einkünfte gedeckten Pflegekosten im Johanniter-Altenheim E. zu gewähren.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Gründe:
2Die Beschwerde der Antragsteller hat Erfolg. Der Antragsgegner ist vorläufig verpflichtet, den Antragstellern die Kosten für die stationäre Pflege zu gewähren, soweit sie diese nicht aus ihren Einkünften (Renten, Zahlungen der Pflegekasse) aufbringen können.
3Den unstreitig pflegebedürftigen und auf die Heimpflege im tatsächlich in Anspruch genommenen Umfang angewiesenen Antragstellern kann nicht entgegengehalten werden, dass sie über Vermögen verfügen, das mit rund 7.000 Euro den Schonbetrag von zusammengenommen 2.915 Euro (vgl. § 88 Abs.2 Nr. 8 BSHG sowie § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a sowie Nr. 2 der dazu erlassenen Verordnung) nicht unerheblich übersteigt. Wenngleich der über dem Schonvermögen nach § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG liegende Betrag nach keiner anderen Bestimmung des § 88 Abs. 2 BSHG vom vorrangigen Einsatz ausgenommen wird, würde ein solcher Einsatz für die Antragsteller jedenfalls eine Härte iSv § 88 Abs. 3 Satz 2 iVm Satz 1 BSHG bedeuten.
4Die Vorschriften über das Schonvermögen (§§ 88, 89 BSHG) sollen insgesamt gewährleisten, dass die Inanspruchnahme von Sozialhilfe nicht zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der vorhandenen Lebensgrundlagen des Hilfesuchenden führt, dem Sozialhilfeempfänger und seinen Angehörigen vielmehr eine gewisse wirtschaftliche Bewegungsfreiheit erhalten bleibt und so eine Lähmung des Selbsthilfewillens und eine nachhaltige soziale Herabstufung vermieden werden; diesem Zweck dienen sowohl die in § 88 Abs. 2 BSHG benannten einzelnen Verschonungstatbestände als auch die allgemeine generalklauselartige Härtefallregelung des § 88 Abs. 3 BSHG. Die letztere Vorschrift zielt auf atypische Fälle ab, die unter wertendem Gesichtspunkt den in § 88 Abs. 2 BSHG genannten Fällen vergleichbar sind. Speziell für die hier begehrte Hilfe in besonderen Lebenslagen bestimmt § 88 Abs. 3 Satz 2 BSHG, dass eine Härte vor allem vorliegt, soweit durch den Vermögenseinsatz für den Einsatzpflichtigen oder seine unterhaltsberechtigten Angehörigen unter anderem die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde. Diese Voraussetzung wäre erfüllt, wenn die Antragsteller zur Sicherstellung ihrer Heimpflege genötigt wären, die mit einem Bestattungsinstitut geschlossenen sog. Bestattungsvorsorgeverträge über Beträge von je 3.474,68 Euro zu kündigen.
5Der Senat hat keine durchgreifenden Bedenken, den mittels der genannten Vorsorgeverträge auf eine vertragliche Grundlage gestellten Bestattungsbedarf der Antragsteller als Teil ihrer angemessenen Alterssicherung iSv § 88 Abs. 3 Satz 2 BSHG zu bewerten.
6So auch OVG Berlin, Urteil vom 28. Mai 1998 - 6 B 20.95 -, FEVS 49, 218 (223); Kunz, in Oestreicher/Schelter/Kunz, BSHG, Loseblatt- Kommentar (Stand: Juni 2003), § 88 Rn. 24 a.E.; Müller-Hannemann, ZFSH/SGB 2000, 715 (717).
7Anders als das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz,
8Beschluss vom 24. März 2003 - 12 A 10302/03 -, FEVS 54, 534 = SAR-aktuell 2003, 86,
9und diesem folgend das Verwaltungsgericht, die den Tod und die diesem unmittelbar nachfolgenden Bedarfslagen nicht als Bestandteil des Lebensabschnitts "Alter" verstehen, hält der Senat ein weitergehendes Begriffsverständnis für geboten. Das gilt für den hier vorliegenden Fall hilfesuchender Eheleute schon deshalb, weil wahrscheinlich einer der Ehepartner dem anderen im Tode vorangehen wird, so dass sich die Bestattung und die damit verbundenen Kosten aus der Sicht des Längerlebenden als Bedarf zu Lebzeiten erweisen wird; es unterliegt keinem Zweifel, dass die auch in § 15 BSHG angesprochene Bestattungspflicht zuvörderst den zum Erben eingesetzten Ehepartner trifft und die würdige Bestattung des Erstverstorbenen für den zurückbleibenden Ehepartner auch ideell ein wesentliches, dem Lebensabschnitt des Alters zugeordnetes Anliegen darstellt. Aber auch ungeachtet der besonderen Sachlage bei sozialhilfebedürftigen Eheleuten spricht nichts Überzeugendes gegen eine Einbeziehung der Absicherung des Bestattungsbedarfs in den Begriff der Alterssicherung. Die Vorsorge für eine angemessene und würdige Bestattung ist für die weit überwiegende Zahl der Menschen ein Bedürfnis, das mit zunehmendem Alter und besonders in den letzten Lebensjahren immer größere Bedeutung gewinnt, wobei häufig das Motiv hinzutritt, im Hinblick auf die Bestattungskosten nicht Kindern oder Enkeln zur Last zu fallen oder aber auf Kosten öffentlicher Kassen mit einem spärlichen "Armenbegräbnis" vorliebnehmen zu müssen. Auch der Gedanke, dass die Vorsorge für das Alter auch deshalb geschützt wird, weil in diesem Lebensabschnitt regelmäßig keine neuen Einkommensquellen mehr erschlossen werden können, ist nicht nur für den Lebensabschnitt "Alter" im engeren Sinne, sondern auch für den diesen Lebensabschnitt abschließenden Todesfall und den damit zusammenhängenden Bestattungsbedarf tragfähig.
10Auch die Höhe des für die Bestattung der Antragsteller gleichsam hinterlegten Betrages verlässt (noch) nicht den Rahmen der Sicherstellung einer angemessenen Bestattung. Wenngleich die Beträge mit rund 3.500 Euro für jeden der beiden Antragsteller recht hoch erscheinen und möglicherweise die Aufwendungen für die Todesbenachrichtigung (Todesanzeige in der Tagespresse und Trauerbriefe) über das erforderliche Maß hinausgehen, erreichen diese Bedenken nicht ein solches Gewicht, dass den Antragstellern die Aufgabe der vertraglich geregelten Bestattungsvorsorge zugemutet werden könnte. Insoweit wirkt sich vor allem aus, dass der sozialhilferechtliche Einsatz der bei der Bestattungsfirma X. T. eingezahlten Beträge vermutlich nicht ohne wirtschaftliche Verluste erfolgen könnte - die Antragsteller gehen insoweit von einem Verlust von bis zu 15%, d.h. rund 1.050 Euro, aus - und daher die Ersetzung des bestehenden Bestattungsvertrages durch eine andere, für sich betrachtet geringfügig kostengünstigere Bestattungsvorsorge mit hoher Wahrscheinlichkeit den Antragsgegner nicht bzw. nicht nennenswert entlasten würde. Keine Bedenken gegen die Angemessenheit der Bestattungskosten bestehen ebenfalls im Hinblick auf die offensichtlich besonders stark zu Buche schlagenden Mehrkosten für eine Wahlgrabstätte. Gerade der Bestattungsort bzw. - wie vorliegend - die Einbeziehung in ein Familienwahlgrab ist ein wesentliches und in gewissen finanziellen Grenzen, die angesichts der vorliegend angegebenen Friedhofsgebühren von je 1.130,80 Euro nicht überschritten sind, auch für das Sozialhilferecht prinzipiell beachtliches Element einer individuellen Gestaltung der Beisetzung.
11In diesem Sinne auch OVG Berlin, Urteil vom 28. Mai 1998 - 6 B 20.95 -, aaO. (224).
12Dem kann auch nicht mit der Erwägung entgegengetreten werden, dass das Sozialhilferecht mit der Regelung des § 15 BSHG eine der Menschenwürde entsprechende Bestattung - mit geringerem Kostenaufwand - gewährleiste. Der Verweis auf eine dem sozialhilferechtlichen Mindeststandard entsprechende Bestattung würde nicht in hinreichendem Maße die Verwirklichung der nachvollziehbaren persönlichen Gestaltungswünsche der Antragsteller ermöglichen; das gilt hier insbesondere für die den Antragstellern wichtige Nutzung der Familiengrabstätte. Generell gilt, dass die Ausgestaltung des Leistungsrechts und der Schutz vorhandenen Vermögens nach dem Bundessozialhilfegesetz nicht denselben Regeln unterworfen sind; tendenziell ermöglicht § 88 BSHG ein Absehen von der Verwertung auch für Vermögensgegen-stände, auf deren Anschaffung, insbesondere im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt, kein Anspruch bestünde,
13vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. September 1997 - 24 A 2749/94 -, Juris,
14wie sich beispielhaft anhand der Regelungen des § 88 Abs. 2 Nr. 5 und 7 BSHG verdeutlichen lässt.
15Den Antragstellern kann schließlich auch nicht - etwa im Wege der Anwendung von § 25 Abs. 2 Nr. 1 BSHG - entgegengehalten werden, dass sie den Bestattungsvorsorgevertrag erst in Kenntnis ihrer Sozialhilfebedürftigkeit geschlossen haben, weil insoweit kein auf den Missbrauch sozialhilferechtlicher Gewährleistungen abzielendes Verhalten festzustellen ist. Der Betreuer bzw. Bevollmächtigte der Antragsteller hat vielmehr billigenswerte Gründe dargelegt, die ihn zum Abschluss des Bestattungsvorsorgevertrages im Namen der Antragsteller bewogen haben. Herr H. hat insoweit unter Namhaftmachung nachvollziehbarer Einzelheiten ausgeführt, dass nur er sich um die Antragsteller kümmere und wegen seiner zeitweiligen Abwesenheit die Sicherstellung einer den Wünschen der Antragsteller entsprechenden Bestattung durch feste vertragliche Vorkehrungen erforderlich gewesen sei; anderenfalls habe man nicht zuverlässig ausschließen können, dass etwa bei einem Versterben des Antragstellers zu 1. während seiner - Herrn H. - urlaubsbedingten Abwesenheit hinsichtlich der Bestattung Fakten geschaffen werden, die nicht mit zu respektierenden Wünschen und Vorstellungen der Antragsteller übereinstimmen.
16Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2 und 188 Satz 2 VwGO.
17Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
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