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Soweit die Berufung zurückgenommen worden ist, wird das Berufungsverfahren eingestellt. Im Übrigen wird das angefochtene Urteil, soweit es berufungsbefangen ist, geändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 28.345,37 EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 3. August 1998 zu zahlen.
Von den Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge bis zur teilweisen Berufungsrücknahme trägt die Klägerin 1/10 und die Beklagte 9/10. Die übrigen Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte in vollem Umfang.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die jeweilige Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Die Beklagte betreibt seit März 1985 in der G. -F. -Straße 44 in von der Erbengemeinschaft T. angemieteten Räumen eine Schnellreinigung. Das Gebäude ist seit seiner Wiedererrichtung Anfang der 60er Jahre an die öffentliche Entwässerungsanlage der Klägerin angeschlossen. Schon vor dem Betrieb der Beklagten wurde in den Räumlichkeiten eine Reinigung betrieben. Im Betrieb der Beklagten wird das Reinigungsmittel Perchlorethylen in Reinigungsmaschinen verwendet.
3Am 16. September 1996 stellten Bedienstete der Klägerin anlässlich einer routinemäßigen Reinigung des Kanals in der G. -F. -Straße einen Perchlorethylengeruch fest. Sie entnahmen an verschiedenen Stellen, u.a. auch im Revisionsschacht des Grundstücks Nr. 44, Proben des abgelagerten Schlamms sowie Wasserproben. Dabei wurde auf dem Grundstück G. -F. -Straße 44 festgestellt, dass sich die Rückstauklappe des Triplex-Schiebers gelöst hatte und in den Revisionsschacht des Grundstücks gelangt war. Bedienstete der Klägerin stellten im Keller des Hauses Nr. 44 sechs Kanister sicher, von denen zwei frisches und vier altes Perchlorethylen enthielten. Außerdem wurden zwei Fässer Kontaktwasser und Reinigungsschlamm angetroffen.
4Die Analysen ergaben, dass ab dem Hausanschluss G. -F. -Straße 44 in Fließrichtung die Kanalisation mit Perchlorethylen belastet war. Wegen der Einzelheiten wird auf den Plan Beiakte 3 Bezug genommen. In dem Haus G. - F. -Straße 44 befinden sich neben der Reinigung noch ein Reisebüro, ein weiteres Büro sowie fünf Wohnungen. Am 19. September 1996 wurden weitere Proben entnommen. Am 23. September 1996 wurde der Kanal durch eine Spezialfirma gereinigt, das abgepumpte Material wurde von einer anderen Firma entsorgt.
5Nach einem ersten Versuch, die Eigentümer des Grundstücks G. -F. - Straße 44 zum Ersatz des entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, wandte sich die Klägerin mit Schreiben vom 17. September 1997 an die Beklagte und bat um Erstattung des geltend gemachten Schadens in Höhe von 62.872,04 DM. Die Kosten spezifizierte die Klägerin im Einzelnen mit 193,20 DM Kosten der Abteilung Grundstücksentwässerung zur Ermittlung des Verursachers und Regelung der notwendigen Maßnahmen, 5.452,-- DM Kosten der Kanalbetriebsabteilung für die Schadensfeststellung und städtische Maßnahmen bei der Reinigung des Kanals, 48.763,51 DM Kosten für die Kanalreinigung und die Entsorgung der Kanalschlämme durch Fremdfirmen sowie 8.463,33 DM Kosten der Chemisch-biologischen Laboratorien der Klägerin für Abwasseruntersuchungen zur Ermittlung des Verursachers und Sicherung des Klärwerks bei der Kanalreinigung. In dieser Summe ist ein Betrag von 6.512,30 DM enthalten, der allein dem - erfolglosen - Versuch diente, die Identität des im Kanal gefundenen und des bei der Beklagten vorgefundenen Perchlorethylens festzustellen. Die Beklagte lehnte die Begleichung des geltend gemachten Anspruchs ab.
6Mit der am 3. August 1998 erhobenen Klage hat die Klägerin den Schaden eingeklagt. Sie hat vorgetragen: Da sie keine Möglichkeit zum Erlass eines Leistungsbescheides habe, sei Klage vor dem Verwaltungsgericht geboten. Der Anspruch ergebe sich aus einer entsprechenden Anwendung der Grundsätze über die positive Forderungsverletzung auf das öffentlich-rechtliche Kanalbenutzungsverhältnis. Die Beklagte als Inhaberin und Betreiberin eines auf dem Grundstück befindlichen Betriebes sei gemäß § 2 Nr. 12 der Satzung über die Abwasserbeseitigung der Grundstücke im Stadtgebiet E. (Abwassersatzung vom 6. September 1989) anschlusspflichtig und damit auch den Pflichten aus dem Kanalbenutzungsverhältnis unterworfen, insbesondere der Pflicht aus § 7 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 Nr. 9 der Abwassersatzung, wonach die Einleitung bestimmter Stoffe in die Kanalisation, u.a. auch Perchlorethylen, verboten sei. Unabhängig davon, ob die Beklagte Anschlusspflichtige sei, sei sie jedenfalls Teilnehmerin des Kanalbenutzungsverhältnisses, das sich auf alle Personen erstrecke, die bewusst und zielgerichtet Abwasser in die städtische Entwässerungseinrichtung einleiteten. Insofern sei das Benutzungsverhältnis personenbezogen, während der Anschlusszwang grundstücksbezogen sei. Gegen dieses Verbot, bestimmte schädliche Abwässer in die Entwässerungsanlage einzuleiten, habe die Klägerin verstoßen, indem sie etwa 1 1/2 Liter Perchlorethylen in die Entwässerungsanlage eingeleitet habe. Ein anderer Einleiter als die Klägerin komme nicht in Betracht, da nur sie Perchlorethylen verwende und der Kanal zuletzt 1989 gereinigt worden sei, sodass es sich nicht um Produkte des vor der Eröffnung des klägerischen Betriebes 1985 dort ansässigen Reinigungsbetriebes handeln könne. Mit Rücksicht auf ersparte Kosten der Kanalreinigung hat die Klägerin die Klage in Höhe von 921,-- DM zurückgenommen.
7Die Klägerin hat beantragt,
8die Beklagte zu verurteilen, an sie 61.951,04 DM nebst 4 % Zinsen ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
9Die Beklagte hat beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Sie hat vorgetragen: Es fehle bereits an der Passivlegitimation, da nicht sie, sondern die Erbengemeinschaft T. als Grundstückseigentümerin Anschlussinhaberin und damit Verpflichtete aus dem Anschlussverhältnis sei. Jedenfalls habe sie aber auch Pflichten aus einem unterstellten Benutzungsverhältnis nicht verletzt. So sei bereits die festgestellte Konzentration von Perchlorethylen nicht als gefährlich und unzulässig einzustufen. Im Übrigen stamme das Perchlorethylen auch nicht aus ihrem Betrieb. Die von ihr benutzten Reinigungsmaschinen arbeiteten im geschlossenen System, d.h. Abwasser falle überhaupt nicht an. Vielmehr werde das verbrauchte Perchlorethylen an Entsorgungsbetriebe übergeben. Die 1995 neu angeschafften Maschinen, aber ebenso die seit 1985 genutzten Maschinen arbeiteten fehlerfrei. Sie habe Ankaufs- und Entsorgungsbelege vorgelegt, aus denen sich ergebe, dass das angeschaffte Perchlorethylen über die Entsorgungsfirmen entsorgt worden sei. Es sei auch unverständlich, warum sie eine Entsorgung des Perchlorethylens über die öffentliche Entwässerungsanlage betreiben sollte, da die Entsorgung von 1,5 Litern Perchlorethylen nur wenig koste. Möglicherweise sei das Perchlorethylen infolge des defekten Triplex-Schiebers als Rückstand aus dem Vorgängerbetrieb in die Kanalisation gelangt, der mit veralteten und funktionsuntüchtigen Maschinen gearbeitet habe.
12Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen.
13Dagegen richtet sich die zugelassene und rechtzeitig begründete Berufung der Klägerin, mit der sie ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft und insbesondere ausführt: Die Begründung eines Benutzungsverhältnisses könne auch durch tatsächliche Nutzung erfolgen, wie dies beispielsweise bei gemeindlichen Spiel- und Sportplätzen der Fall sei. Eine solche Differenzierung zwischen Anschlusspflichtigen und Einleitern ergebe sich auch aus der Satzung. Im Übrigen sei der Nachweis der Pflichtverletzung der Beklagten im Wege des Anscheinsbeweises geführt worden. Es sei Sache der Beklagten, diesen Anscheinsbeweis zu erschüttern, was ihr nicht gelungen sei. Entgegen der Darstellung der Beklagten könne die vorgefundene Verschmutzung nicht durch Einleiten von Haushaltsmitteln erklärt werden, da in den üblichen Haushaltsreinigungsmitteln die Konzentration von Perchlorethylen zu gering sei. Auch könne eine Verunreinigung durch die auf dem Grundstück G. -F. -Straße 42 befindliche Druckerei ausgeschlossen werden, da in einer Druckerei Perchlorethylen nicht verwendet werde und eine Untersuchung des Revisionsschachtes auf diesem Grundstück, der noch nie gereinigt worden sei, keinerlei Verschmutzungen dieser Art ergeben habe.
14Die Klägerin hat die Berufung in Höhe von 3.329,69 EUR für die Laboratoriumskosten zur Identitätsfeststellung des Perchlorethylens zurückgenommen und beantragt nunmehr,
15das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, 28.345,37 EUR nebst 4 % Zinsen ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
16Die Beklagte beantragt,
17die Berufung zurückzuweisen.
18Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und führt insbesondere aus: Ein verwaltungsrechtliches Schuldverhältnis ergebe sich auch nicht aus der Entwässerungssatzung. Eine Verunreinigung durch sie, die Beklagte, sei nicht nachgewiesen, auch nicht im Wege des Anscheinsbeweises. Dafür fehle es schon an der Darlegung eines typischen Sachverhaltes, denn die vielfache Verwendung von Perchlorethylen, das häufig in Haushaltsmitteln enthalten sei, schließe es aus, aus dem Vorfinden dieses Stoffes auf eine bestimmte Schadensursache zu schließen. Ihre Reinigungsmaschinen, in denen Perchlorethylen verwendet werde, würden nicht von Hand gefüllt, sondern von der Firma T. , die dazu spezielle Einfüllstutzen benutze. Die Entsorgung werde durch die Firma U. vorgenommen. Darüber hinaus komme auch eine Verunreinigung durch die auf dem Nachbargrundstück G. -F. -Straße 42 vorhandene Druckerei oder durch die von der Fließrichtung gesehen oberhalb im Nachbarhaus L. straße 70 gelegene Zahnarztpraxis in Betracht, in der ihres Wissens nach auch Perchlorethylen benutzt werde. Auch der Vorgänger in der Wäscherei komme in Betracht, da sich Perchlorethylen auch einen Zeitraum von zehn Jahren oder mehr in einer Kanalisation erhalten könne.
19Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und der dazu beigezogenen Unterlagen Bezug genommen.
20Entscheidungsgründe:
21Soweit die Berufung zurückgenommen worden ist, ist das Berufungsverfahren einzustellen.
22Die zulässige Berufung im Übrigen ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Die erhobene Leistungsklage ist zulässig und begründet. Der Verwaltungsrechtsweg ergibt sich unter dem Gesichtspunkt eines Anspruchs aus positiver Forderungsverletzung im öffentlich-rechtlichen Kanalbenutzungsverhältnis unmittelbar aus § 40 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), unter dem Gesichtspunkt eines Schadensersatzanspruchs aus unerlaubter Handlung nach § 823 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) aus § 17a Abs. 5 des Gerichtsverfassungsgesetzes. Die Zuweisung bestimmter Schadensersatzansprüche an den ordentlichen Rechtsweg in § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist hier nicht einschlägig, da dies nur Ansprüche gegen den Staat, nicht solche des Staates betrifft.
23Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 40 Rn. 73.
24Die Klägerin hat den geltend gemachten Zahlungsanspruch.
25Dieser ergibt sich jedoch nicht aus einer Pflichtverletzung im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Kanalbenutzungsverhältnisses.
26Allerdings ist anerkannt, dass bei einer Verletzung von Pflichten aus dem öffentlich-rechtlichen Kanalbenutzungsverhältnis ein Schadensersatzanspruch in entsprechender Anwendung der bürgerlich-rechtlichen Grundsätze über die positive Forderungsverletzung, für ab dem 1. Januar 2002 entstandene Schuldverhältnisse aus § 280 Abs. 1 BGB (vgl. die Übergangsvorschrift des Art. 229 § 5 Satz 1 des Einführungsgesetzes zum BGB), in Betracht kommt.
27Vgl. BVerwG, Urteil vom 1. März 1995 - 8 C 36.92 -, NJW 1995, 2303 (2309); OVG NRW, Urteil vom 23. Mai 1997 - 22 A 302/96 -, NWVBl. 1998, 196 (197) - Haftung des Anschlussnehmers bei der kommunalen Klärschlammentsorgung; Urteil vom 11. April 1996 - 22 A 3106/94 -, Gemhlt. 1998, 42 - Haftung der Gemeinde gegenüber einem Anschlussnehmer; Urteil vom 17. Januar 1996 - 22 A 3091/93 -, NWVBl. 1996, 389 - Haftung der Gemeinde gegenüber dem Anschlussnehmer; Urteil vom 24. März 1987 - 22 A 893/85 -, OVGE 39, 93 (94) - Haftung des Anschlussnehmers gegenüber der Gemeinde; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 9. Mai 1994 - 8 S 1101/93 -, NVwZ 1996, 201 - Haftung des Anschlussnehmers gegenüber der Gemeinde; Urteil vom 20. März 1991 - 5 S 542/89 -, NVwZ-RR 1992, 656 - Haftung des Anschlussnehmers gegenüber der Gemeinde.
28Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der in Anspruch Genommene Teilnehmer des Kanalbenutzungsverhältnisses als Benutzer ist. Die Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses an einer gemeindlichen öffentlichen Einrichtung obliegt der Gemeinde. Sie bestimmt, wer Benutzer sein darf und wie das Benutzungsverhältnis begründet wird. Hier richtet sich das Benutzungsverhältnis nach der im Zeitpunkt der Schadensentstehung gültigen Satzung über die Abwasserbeseitigung der Grundstücke im Stadtgebiet E. (Abwassersatzung) vom 6. September 1989 i.d.F. der 1. Änderung der Abwassersatzung vom 16. Dezember 1993 (AWS 1989) sowie der vorher geltenden Satzung über die Entwässerung der Grundstücke im Stadtgebiet E. vom 20. Mai 1977 i.d.F. der 1. Änderungssatzung vom 29. April 1980 (AWS 1977). Danach ist die Beklagte nicht Benutzerin der Entwässerungsanlage der Klägerin im Rechtssinne, weil sie nicht Teilnehmerin am Kanalbenutzungsverhältnis ist.
29Gemäß § 2 Abs. 1 AWS 1977 konnte jeder Eigentümer eines im Stadtgebiet liegenden Grundstückes den Anschluss seines Grundstückes an die Abwasseranlage verlangen, nach Abs. 2 der Vorschrift hatte jeder Anschlussberechtigte das Recht, die auf seinem Grundstück anfallenden Abwässer in die Abwasseranlage einzuleiten (Benutzungsrecht). Dabei erfasste § 1 Abs. 6 AWS 1977 auch die vom Straßenkanal bis zum Prüfschacht führende Grundstücksanschlussleitung, nicht jedoch die auf dem Grundstück herzustellenden Entwässerungsanlagen. Der in § 6 AWS 1977 geregelte Benutzungszwang richtete sich an die Anschlussnehmer. Allerdings waren nach § 6 Abs. 4 AWS 1977 "die sich aus dem Benutzungszwang ergebenden Verpflichtungen" "von allen Benutzern der Grundstücke zu beachten".
30Nach § 2 Nr. 12 Satz 1 AWS 1989 waren Anschlusspflichtige die Eigentümer näher bezeichneter Grundstücke. Nach Satz 2 der Vorschrift waren bestimmte am Grundstück dinglich Berechtigte und "Inhaber und Betreiber eines auf dem Grundstück befindlichen Betriebes und sonstige zur Nutzung eines Grundstückes dinglich Berechtigte" den Eigentümern als Anschlusspflichtigen gleichgestellt. Die so definierten Anschlusspflichtigen waren nach § 3 Abs. 1 AWS 1989 "berechtigt und verpflichtet, ihr die Anschlusspflicht auslösendes Grundstück an die öffentliche Abwasseranlage anzuschließen und diese Anlage zu benutzen (Anschluss- und Benutzungsrecht bzw. Anschluss- und Benutzungspflicht)". Dabei gehörten zur öffentlichen Abwasseranlage nach § 2 Nr. 7 AWS 1989 nicht der Anschlusskanal, d.h. der vom öffentlichen Straßenkanal bis zum Prüfschacht auf dem Grundstück verlaufende Kanal. Daneben definierte § 2 Nr. 10 AWS 1989 den Einleiter als denjenigen, der sein Abwasser in die öffentliche Abwasseranlage einleitet. § 13 Abs. 2 AWS 1989 regelte eine Haftung der Grundstückseigentümer und der Benutzer für schuldhaft verursachte Schäden an der öffentlichen Abwasseranlage.
31Nach diesen Bestimmungen der beiden Satzungen sind Benutzer von Hausentwässerungseinrichtungen nicht notwendig zugleich Benutzer der öffentlichen Abwasseranlage im Rechtssinne. Die Benutzung erfolgte, wie sich aus der Definition des materiellen Bestandes der öffentlichen Abwasseranlage ergibt, nach der Abwassersatzung 1977 durch Einleitung von Abwasser aus der privaten Hausanschlussleitung in den Prüfschacht, nach der Abwassersatzung 1989 durch Einleitung von Abwasser aus der privaten Grundstücksanschlussleitung in den Straßenkanal. Wenn demgegenüber die Benutzer der privaten Hausentwässerungseinrichtungen auch Benutzer der öffentlichen Abwasseranlage sein sollten, hätte dies, da der Benutzungsvorgang in diesen Fällen nur mittelbar erfolgt, einer hinreichend deutlichen Regelung in der Satzung bedurft. Denn diese Benutzer bestehen ihrerseits aus verschiedenen Typen, etwa aus den obligatorisch als Mieter oder Pächter der Räumlichkeiten zur Benutzung der Hausentwässerungseinrichtung Berechtigten, aus bloßen Besuchern dieser Berechtigten und schließlich aus nicht zur Benutzung der Hausentwässerungseinrichtung berechtigten Personen (etwa sich unberechtigt im Gebäude aufhaltende Personen). Sollten die bloß mittelbar durch Benutzung der privaten Hausentwässerungseinrichtung die öffentliche Abwasseranlage tatsächlich nutzenden Personen zugleich im Rechtssinn Benutzer der öffentlichen Abwasseranlage sein, wäre also eine satzungsrechtliche Klarstellung erforderlich, wer aus dem Kreis der so als Benutzer denkbaren Personen in das öffentlich- rechtliche Kanalbenutzungsverhältnis einbezogen werden soll.
32Beide Satzungen erfassen jedoch nur die Grundstückseigentümer eindeutig. Die Abwassersatzung 1989 erfasst darüber hinaus noch die Inhaber und Betreiber eines auf dem Grundstück befindlichen Betriebes. Jedoch ist der Anwendungsbereich dieser Regelung unklar: Schon die in der Aufzählung anschließende, alle vorgenannten Gruppen umfassende Personengruppe ("sonstige zur Nutzung eines Grundstückes dinglich Berechtigte") legt nahe, dass die erwähnten Betriebsinhaber und Betreiber nur erfasst sind, wenn sie über eine dingliche Berechtigung am Grundstück verfügen. Damit wäre die Beklagte als bloße Mieterin keine Teilnehmerin des Kanalbenutzungsverhältnisses. Jedenfalls wird man die Bestimmung nach ihrem Sinn und Zweck, soweit nicht eine dingliche Berechtigung zu fordern ist, allenfalls dahin verstehen können, dass nur Betriebe gemeint sind, die über einen eigenständigen Anschluss verfügen und insofern selbstständig Einleiter im Sinne des § 2 Nr. 10 AWS 1989 sind und gegebenenfalls einer Einleiterüberwachung nach § 9 AWS 1989 unterliegen. Dafür, dass auch Betriebe gemeint sein sollen, die wie gewöhnliche sonstige Nutzer der Hausentwässerungseinrichtung über keinen gesonderten Anschluss verfügen und auch keiner Einleiterüberwachung unterliegen, bestehen keine ausreichenden Anhaltspunkte.
33Schließlich kann auch den Regelungen über die Verpflichtungen der Benutzer der Grundstücke (§ 6 Abs. 4 AWS 1977) und die Haftung der Benutzer (§ 13 Abs. 2 AWS 1989) nichts für die Reichweite des Benutzerbegriffs entnommen werden, da sie den Begriff voraussetzen, aber nicht definieren. So lässt sich die Regelung der Abwassersatzung 1977 dahin verstehen, dass die Benutzer der Hausentwässerungseinrichtung zwar die den Grundstückseigentümer hinsichtlich der Benutzung der öffentlichen Abwasseranlage treffenden Pflichten beachten sollen, ohne jedoch selbst Benutzer zu werden. Darin kann alleine eine Verpflichtung der Grundstückeigentümer gesehen werden, den Mietern oder Pächtern diese Pflichten vertraglich aufzuerlegen. Der Begriff der Benutzer in § 13 Abs. 2 AWS 1989 lässt sich als Zusammenfassung der in § 2 Nr. 12 AWS 1989 genannten, den Grundstückseigentümern als Anschlussberechtigten gleichgestellten sonstigen zur Nutzung eines Grundstücks dinglich Berechtigten sowie der Einleiter verstehen. Mangels einer Definition des Benutzers spricht nichts dafür, dass durch diese haftungsrechtliche Vorschrift eine allgemeine Erweiterung des Kreises der Teilnehmer am Kanalbenutzungsverhältnis jenseits der in der Begriffsbestimmungsvorschrift des § 2 AWS 1989 genannten Gruppen erfolgen sollte.
34Auch der Sinn und Zweck eines Kanalbenutzungsverhältnisses erfordert es nicht, die durch Benutzung der Hausentwässerungseinrichtung mittelbar die öffentliche Abwasseranlage Nutzenden in das Verhältnis einzubeziehen. Im Gegenteil erscheint eine Differenzierung der Benutzer jenseits des Einleitungspunktes aus dem privaten Anschlusskanal in den öffentlichen Entwässerungskanal als nicht sachgerecht, da in diesem Falle bei unzulässiger Benutzung der regelwidrige Benutzer identifiziert werden muss, was angesichts des einheitlichen Einleitungsvorgangs nur schwer möglich ist. Sind demgegenüber nur der Grundstückseigentümer oder sonstige dinglich Berechtigte als Anschlussnehmer und gegebenenfalls Einleiter mit eigenem Anschluss Benutzer der öffentlichen Abwasseranlage, sind diejenigen, denen der Eigentümer im Wege der Vermietung oder Verpachtung unmittelbar die Nutzung der Hausentwässerungseinrichtungen erlaubt und damit mittelbar die Nutzung der öffentlichen Abwasseranlage ermöglicht, im Verhältnis zur Stadt seine Erfüllungsgehilfen hinsichtlich seiner aus dem Kanalbenutzungsverhältnis entspringenden Pflichten, für deren Pflichtverletzungen er in entsprechender Anwendung des § 278 BGB haftet.
35Vgl. dazu, dass zivilrechtlich aus demselben Gedanken der Nutzungsüberlassung der Mietsache Angestellte, Familienangehörige und Besucher des Mieters seine Erfüllungsgehilfen hinsichtlich der Benutzung der Mietsache gegenüber dem Vermieter sind, Heinrichs, in: Palandt, BGB, 62. Aufl., § 278 Rn. 18.
36Damit liegt eine schuldhafte unzulässige Benutzung der öffentlichen Abwasseranlage durch den Grundstückseigentümer immer dann vor, wenn aus seinem Anschluss schuldhaft durch ihn oder durch diejenigen, denen er die Benutzung seiner Hausentwässerungseinrichtungen gestattet hat, unzulässige Stoffe eingeleitet werden.
37Ist somit die Beklagte als Mieterin nicht selbst Benutzerin im Rahmen des Kanalbenutzungsverhältnisses, sondern nur Erfüllungsgehilfin der den Anschluss nehmenden Grundstückseigentümer, zwischen denen und der Klägerin allein das Kanalbenutzungsverhältnis besteht, so scheidet ein vertragsähnlicher Anspruch der Klägerin aus positiver Forderungsverletzung gegen die Beklagte aus.
38Ebenso besteht kein Anspruch der Klägerin aus dem Mietvertrag zwischen den Grundstückseigentümern und der Beklagten. Zwar ist es rechtstechnisch möglich, die Pflichten der Grundstückseigentümer aus dem Kanalbenutzungsverhältnis gegenüber der Klägerin auch zum Gegenstand der Mieterpflichten der Beklagten zu machen und diese sogar so weit zu verstärken, dass der Klägerin im Falle der Verletzung dieser Pflichten ein eigenständiger vertraglicher Schadensersatzanspruch gegenüber der beklagten Mieterin eingeräumt wird (Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter).
39Vgl. dazu, dass Mietverträge für den Vermieter Verträge mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter sind, soweit Familienangehörige oder Hausangestellte des Mieters durch einen nicht vertragsgemäßen Zustand der Mietsache zu Schaden kommen, Heinrichs, in: Palandt, BGB, 62. Aufl., § 328 Rn. 28.
40Es spricht zwar viel dafür, dass eine die öffentliche Abwasseranlage nicht schädigende Benutzung der Hausentwässerungseinrichtung Gegenstand der Mieterpflichten ist. Jedoch liegen keine Anhaltspunkte dafür vor und wird auch nicht behauptet, dass diese Pflichten dadurch verstärkt wurden, dass die Klägerin in den Schutzbereich des Mietvertrages einbezogen wurde. Dafür besteht schon deshalb kein Anlass, weil, wie oben ausgeführt, die Klägerin ohnehin einen eigenen vertragsähnlichen Schadensersatzanspruch gegen den vermietenden Grundstückeigentümer hat.
41Vgl. dazu, dass der Mietvertrag zwischen Vermieter und Mieter keine Schutzwirkung zu Gunsten des Untermieters entfaltet, weil dieser ohnehin einen eigenständigen vertraglichen Anspruch gegen den Hauptmieter hat, BGH, Urteil vom 15. Februar 1978 - VIII ZR 47/77 -, BGHZ 70, 327.
42Jedoch hat die Klägerin den geltend gemachten Anspruch aus Deliktsrecht gemäß § 823 Abs. 1 BGB gegen die Beklagte. Nach dieser Vorschrift ist derjenige, welcher vorsätzlich oder fahrlässig das Eigentum eines anderen widerrechtlich verletzt, dem anderen zum Ersatze des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Diese Voraussetzungen liegen vor.
43Das Eigentum der Klägerin, nämlich die von ihr betriebene öffentliche Abwasseranlage, die u.a. aus dem Kanalsystem und den Kläreinrichtungen besteht, ist widerrechtlich dadurch verletzt worden, dass eine erhebliche Menge Perchlorethylen vom Anschluss des Hauses G. -F. -Straße 44 in die öffentliche Abwasseranlage eingeleitet worden ist. Durch diese Einleitung ist zwar die Substanz des Kanalsystems nicht beschädigt worden. Eine Substanzverletzung ist für die Verletzung des Eigentums im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB nicht erforderlich, vielmehr reicht es aus, wenn der bestimmungsgemäße Gebrauch einer Sache beeinträchtigt wird, hier der Gebrauch der öffentlichen Entwässerungsanlage.
44Vgl. Mertens, in: Münchener Kommentar zum BGB, 2. Aufl., § 823 Rn. 90.
45Das ist durch das eingeleitete Perchlorethylen geschehen. Perchlorethylen ist eine giftige, insbesondere stark wassergefährdende Substanz, durch deren biozide Wirkung auf die Bakterienflora Störungen des Faulprozesses in Kläranlagen auftreten können, sodass das Eindringen in die Kanalisation zu vermeiden ist. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die im Kanal der G. -F. -Straße gefundene Perchlorethylenmenge alleine nicht zur Funktionsunfähigkeit der Kläranlage geführt hätte, denn angesichts der vielen Einleiter erfordert jeder Einzelfall einer unzulässigen gefährlichen Einleitung deren Beseitigung, damit nicht aus einer Summierung nicht bekämpfter, für sich nicht zur Funktionsunfähigkeit führender Einleitungen eine Funktionsunfähigkeit herbeigeführt wird. Außerdem wird die Wartungsmöglichkeit des Kanalsystems beeinträchtigt, weil für die Mitarbeiter im Falle einer Perchlorethylenverunreinigung Schutzmaßnahmen insbesondere zur Vermeidung des Einatmens dieses Stoffes zu treffen sind. Schließlich führt bei der gegebenen Wahrscheinlichkeit von Leckagen im Kanalsystem die Perchlorethylenverunreinigung dazu, dass auch die Gefahr eines Eintrags in das Grundwasser bestand. Aus all diesen Gründen konnte die Entwässerungsanlage der Klägerin nicht ohne Beseitigung der Verunreinigung weiterbetrieben werden, sodass der bestimmungsgemäße Gebrauch der Entwässerungsanlage beeinträchtigt und damit das Eigentum der Klägerin verletzt worden ist.
46Hier ist Perchlorethylen in erheblichen Mengen vom Anschluss des Hauses G. -F. -Straße 44 in den Straßenkanal eingeleitet worden. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus den vom Beklagten in Auftrag gegebenen Untersuchungen der Wasser- und Schlammproben. Diese weisen nämlich ab den Anschluss G. -F. -Straße 44 in Fließrichtung starke Perchlorethylenverunreinigungen auf (Hausanschluss G. -F. -Str. 44: 12 mg/l Wasserprobe, 12 g/kg Schlammprobe; Schacht 5198 vor Haus Nr. 42: 14 mg/l Wasserprobe, 2,4 g/kg Schlammprobe; Schacht 5197 vor Haus Nr. 34: 1,3 mg/l Wasserprobe, 0,24 g/kg Schlammprobe). Demgegenüber weisen die Proben aus dem oberhalb des Hauses Nr. 44 gelegenen Schacht Nr. 5157 keine auffälligen Werte auf (0,009 mg/l Wasserprobe). Dies kann nur erklärt werden durch eine Einleitung aus dem Haus G. -F. -Str. 44 . Dem steht der höhere Wasserprobenwert aus dem in Fließrichtung gelegenen Schacht 5198 nicht entgegen, da er durch Sedimentaufrührungen mit dadurch verursachter höherer Perchlorethylenfreisetzung erklärt werden kann. Zudem könnte dies allenfalls auf eine zusätzliche Perchlorethyleneinleitung zwischen dem Schacht 5198 und dem Hausanschluss G. -F. -Str. 44 hindeuten, würde aber die Verunreinigung im Hausanschluss G. -F. -Str. 44 nicht in Frage stellen, da dieser Anschluss oberhalb der Fließrichtung liegt. Im Übrigen gibt es auf der Strecke zwischen dem Schacht 5198 und dem Hausanschluss G. -F. -Str. 44 keine weitere Einleitungsstelle außerhalb der Grundstücks G. -F. -Str. 44, sodass auch diese Möglichkeit ausscheidet.
47Oberhalb des Hausanschlusses G. -F. -Str. 44 ist jedenfalls nicht die gesamte Einleitung erfolgt. Das ergibt sich aus dem Umstand, dass im oberhalb gelegenen Schacht 5157 keine relevante Verunreinigung gefunden wurde. Zwar gibt es zwischen diesen beiden Punkten wohl noch eine Einleitungsstelle aus dem Haus Karlstraße 70, in dem sich nach dem Vortrag der Beklagten eine Zahnarztpraxis befinden und die auch Perchlorethylen verwenden soll. Dem braucht der Senat jedoch nicht weiter nachzugehen, denn jedenfalls ist eine erhebliche Menge Perchlorethylen auch aus dem Hausanschluss G. -F. -Str. 44 eingeleitet worden. Denn selbst bei einer Einleitung aus dem Haus L. straße 70 wäre die Verunreinigung im Hausanschluss G. -F. -Str. 44 nicht zu erklären, da das Abwasser vom Hausanschluss zum Straßenkanal, nicht aber von dort zum Hausanschluss fließt. Selbst bei einem Rückstau vom Straßenkanal in den Hausanschluss ist es ausgeschlossen, dass sich Perchlorethylen in so hoher Konzentration im Hausanschluss ablagert.
48Weiter ist es auch ausgeschlossen, dass die Verunreinigung ausschließlich aus der Druckerei im Haus G. -F. -Str. 42 stammt. Zum einen liegt sie in Fließrichtung unterhalb des Hauses G. -F. -Str. 44, was von vorneherein ausschließt, dass die Verunreinigung im Hausanschluss G. -F. -Str. 44 aus dem Haus G. -F. -Str. 42 stammt. Zum anderen wurde bei einer Schöpfprobe im Revisionsschacht des Hauses G. -F. -Str. 42 am 27. März 2002 eine Perchlorethylenkonzentration von unter 0,0001 mg/l gemessen. Dies stellt zwar lediglich eine nicht repräsentative Stichprobe für eine aktuelle Perchlorethyleneinleitung dar, jedoch lässt sich daraus jedenfalls schließen, dass in der Hausanschlussleitung G. -F. -Str. 42 keine stark perchlorethylenhaltige Schlämme vorhanden sind, weil dies zu einer höheren Belastung des Abwassers geführt hätte. Dabei fällt zusätzlich ins Gewicht, dass nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin dieser Revisionsschacht noch nie gereinigt wurde. Ausgeschlossen ist schließlich, dass es sich bei den im Hausanschluss G. -F. - Str. 44 gefundenen Perchlorethylenrückständen um solche aus dem Vorgängerbetrieb der Wäscherei der Beklagten handelt. Der Senat kann die zwischen den Beteiligten streitige Frage, wie lange sich Perchlorethylen unzersetzt unter Kanalisationsbedingungen hält, offenlassen. Es ist nämlich ausgeschlossen, dass sich in einem Revisionsschacht eines mehrstöckigen Hauses, durch den täglich Abwasser fließt, ein Perchlorethylenrückstand der festgestellten Konzentration über mindestens elf Jahre hält. Derartige Rückstände wären längst ausgewaschen bzw. fortgespült.
49Damit steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Eigentumsverletzung durch unzulässige Perchlorethyleneinleitung in den Anschluss des Hauses G. - F. -Str. 44 alleine oder zusammen durch weitere Perchlorethyleneinleitungen von anderen Grundstücke verursacht worden ist. Ob solche weiteren Perchlorethyleneinleitungen existieren, kann offen bleiben, denn in jedem Falle haftet derjenige, der das Perchlorethylen in den Hausanschluss des Hauses G. -F. - Str. 44 eingeleitet hat, gemäß § 830 Abs. 1 BGB voll für den entstandenen Schaden. Nach dieser Vorschrift ist, wenn sich nicht ermitteln lässt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat, jeder für den Schaden verantwortlich. Hier lässt sich schon nicht ermitteln, ob überhaupt noch ein weiterer Perchlorethyleneinleiter außerhalb des Kreises der Nutzer des Hausanschlusses G. -F. -Str. 44 existiert, geschweige denn, wer den Schaden in welchem Umfange verursacht hat.
50Die Beklagte oder einer ihrer Verrichtungsgehilfen haben das Perchlorethylen vorsätzlich oder fahrlässig in den Hausanschluss des Hauses G. -F. -Str. 44 eingeleitet und damit das Eigentum der Klägerin auf die vorbeschriebene Weise vorsätzlich oder fahrlässig verletzt. Die Einleitung des Perchlorethylen durch die Beklagte oder einen ihrer Verrichtungsgehilfen ergibt sich aus einem Beweis des ersten Anscheins. Diese Beweisart erlaubt es im hier interessierenden Zusammenhang, aus einem feststehenden Sachverhalt, der nach der Lebenserfahrung Folge eines typischen Geschehensablaufs ist, auf die Ursache zu schließen. Der Beweis ist dann erbracht, wenn die typische Folge zur Überzeugung des Gerichts feststeht, und er ist erst dann erschüttert, wenn im Einzelfall Umstände feststehen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs im konkreten Fall ergibt.
51Vgl. zum Beweis des ersten Anscheins BVerwG, Beschluss vom 1. Dezember 1995 - 8 B 150.95 -, NWVBl. 1996, 125 (126); Lüke/Wax, Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 2. Aufl., § 286 Rn. 48 ff.
52Hier steht folgender Sachverhalt fest: Perchlorethylen wurde in einer Konzentration und Menge, wie sie in Haushaltsmitteln nicht vorhanden sind, in einen zur Hausentwässerungseinrichtung des Hausanschlusses G. -F. -Str. 44 gehörenden Ausguss geschüttet. Das ergibt sich aus den im Hausanschluss festgestellten Perchlorethylenrückständen. Es ist ausgeschlossen, dass diese Rückstände, wie die Beklagte behauptet, auch durch Einleitung perchlorethylenhaltiger Haushaltsmittel verursacht worden ist. Das hätte nicht zu der im Hausanschluss G. -F. -Str. 44 vorgefundenen Flüssigphase reinen Perchlorethylens, also eines vom allgemeinen Abwasser separierten Teils reinen Perchlorethylens, führen können. Weiter steht fest, dass zu den Nutzungen im Haus eine Perchlorethylen verwendende Wäscherei und ansonsten nur Wohnungen und Büros gehören. Nach den Bekundungen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung steht schließlich noch fest, dass in der Wäscherei jedenfalls mit sogenanntem Kontaktwasser, also mit Perchlorethylen in einer Konzentration von 300 bis 500 mg/l vermengtem Wasser, manuell umgegangen wird, sodass in der Wäscherei Perchlorethylen nicht etwa nur in geschlossenen Systemen vorkommt.
53Bei dieser Konstellation entspricht es der Lebenserfahrung, dass die Perchlorethyleneinleitung aus dem Bereich der Wäscherei stammt, in der mit diesem Stoff in einer dem Befund im Hausanschluss entsprechenden Konzentration und Menge manuell umgegangen wird. Es wäre lebensfremd und allenfalls als Versuch bewusster Schädigung der Wäscherei erklärbar, wenn sich jemand aus dem Bereich der übrigen Nutzer eine so große Menge Perchlorethylens besorgt und in die Hausentwässerungseinrichtung gegeben hätte. Für ein derartiges Szenario, das ohnehin schon wenig wahrscheinlich ist, gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Demgegenüber ist es auf vielfältige Weise denkbar, dass das Perchlorethylen aus dem Bereich der Wäscherei stammt: Es kann zu Verschüttungen oder Leckagen gekommen sein, in deren Gefolge ausgetretenes Perchlorethylen bewusst oder irrtümlich in den Ausguss geschüttet wurde. Es kann Kontaktwasser manuell im Rahmen des sogenannten Anbürstens zur Beseitigung besonders hartnäckiger Flecken verwendet und das benutzte Perchlorethylen daraufhin in den Ausguss geschüttet worden sein. Es kann Kontaktwasser irrtümlich in den Ausguss geschüttet worden sein. Jedenfalls entspricht nur die Annahme, der Stoff stamme aus der Wäscherei, der Lebenserfahrung. Insbesondere ist ein Vergleich zwischen den von der Beklagten eingekauften Mengen Perchlorethylens und den von ihr entsorgten Mengen untauglich, um festzustellen, ob alles Eingekaufte auch entsorgt wurde, sodass gegebenenfalls die Herkunft aus dem Wäschereibetrieb ausgeschlossen wäre. Denn dies wäre nur dann ein gangbarer Weg, wenn neben der entsorgten Menge auch der genaue Perchlorethylengehalt der entsorgten Schlämme und Kontaktwässer bekannt wäre, was, wie die Hauptbeteiligten übereinstimmend in der mündlichen Verhandlung erklärt haben, nicht der Fall ist.
54Allerdings bleibt die genaue Täterschaft unklar: Es kann die Beklagte selbst oder eine Angestellte gewesen sein. Jedenfalls war es aber nur ein im Rahmen des Wäschereibetriebes Tätiger. Denn nur solchen Personen war es möglich, die von der Beklagten gemieteten Räumlichkeiten mit den in ihnen befindlichen Hausentwässerungseinrichtungen zu benutzen und in diese das nur in der Wäscherei in diesem Umfange benutzte Perchlorethylen einzuleiten. Zu Recht hat die Beklagte in diesem Zusammenhang in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, Laien hätten hinter der Reinigungsmaschine nichts zu suchen. Damit haftet die Beklagte, wenn sie nicht selbst die schädigende Handlung vorgenommen hat und demnach für eine eigene unerlaubte Handlung haftet, gemäß § 831 Abs. 1 Satz 1 BGB für die unerlaubten Handlungen ihrer Verrichtungsgehilfen. Nach dieser Vorschrift ist derjenige, der einen anderen zu einer Verrichtung bestellt, zum Ersatze des Schadens verpflichtet, den der andere in Ausführung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich zufügt. Aus dem Umstand, dass das wäschereitypische Perchlorethylen eingeleitet wurde, ergibt sich, dass der Täter, wenn es nicht die Beklagte selbst war, in den Wäschereibetrieb integriert war und damit das für eine Verrichtungsgehilfeneigenschaft erforderliche Bestimmungsrecht des Geschäftsherrn vorgelegen hat.
55Vgl. zum Bestimmungsrecht BGH, Urteil vom 30. Juni 1966 - VII ZR 23/65 -, BGHZ 45, 311 (313).
56Ebenfalls aus dem Umstand der Einleitung dieses Stoffes ergibt sich weiter, dass die Tat nicht nur bei Gelegenheit der Verrichtung, sondern in deren Ausführung erfolgte, denn der Umgang mit dem wäschereitypischen Einsatzstoff gehört zu den in einer Wäscherei geforderten Verrichtungen. Damit besteht ein unmittelbarer innerer Zusammenhang zwischen der aufgetragenen Verrichtung nach ihrer Art und ihrem Zweck einerseits und der schädigenden Handlung andererseits.
57Vgl. zur Abgrenzung eines Delikts "in Ausführung" und "bei Gelegenheit" der Verrichtung BGH, Urteil vom 6. Oktober 1979 - VI ZR 56/69 -, NJW 1971, 31 (32).
58Die Ersatzpflicht der Beklagten ist, soweit sie nicht selbst Täterin war, nicht wegen § 831 Abs. 1 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Danach tritt die Ersatzpflicht nicht ein, wenn der Geschäftsherr bei der Auswahl der bestellten Person und, sofern er Vorrichtungen oder Gerätschaften zu beschaffen oder die Ausübung der Verrichtung zu leiten hat, bei der Beschaffung oder der Leitung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde. Dies ist weder nach Aktenlage erkennbar, noch stehen dem Senat Aufklärungsmöglichkeiten zur Verfügung, um diese Entlastung bejahen oder aufklären zu können. Angesichts des Umstandes, dass auf Seiten der Beklagten mehrere Verrichtungsgehilfen in Betracht kommen, muss für alle diese Entlastungsfeststellung getroffen werden können.
59Schäfer, Staudinger, BGB, 12. Aufl., § 831 Rn. 136.
60Das kann allenfalls die Beklagte leisten, die diesen Beweis nicht erbracht hat.
61Hinsichtlich der Höhe des geltend gemachten Schadens bestehen nach der Teilklagerücknahme wegen ohnehin angefallener Reinigungskosten und der Teilberufungsrücknahme wegen der Kosten der letztlich fruchtlosen Perchlorethylenidentitätsbestimmung zur Feststellung des Verursachers keine Bedenken. Das gilt auch für die geltend gemachten 98,78 EUR (= 193,20 DM), die aufgewandten Lohn und Fahrtkosten für die Tätigkeit des Herrn P. am 16. September 1996 darstellen. Allerdings ist der Zeitaufwand für außergerichtliche Tätigkeit zur Wahrung von Entschädigungsansprüchen, auch soweit er bei angestellten Kräften angefallen ist, regelmäßig nicht ersatzfähig.
62Vgl. BGH, Urteil vom 6. November 1979 - VI ZR 254/77 -, BGHZ 75, 230 (231 ff.); Urteil vom 9. März 1976 - VI ZR 98/75 -, BGHZ 66, 112 (114 ff.).
63Jedoch handelt es sich bei den geltend gemachten Kosten nicht um solche der Schadensregulierung. Vielmehr ging es um die Bestandsaufnahme des Schadens und die Vorbereitung der Sanierung. Soweit in diesem Zusammenhang auch die Ursache der Verunreinigung ermittelt wurde, handelt es sich um einen untrennbaren Bestandteil der Schadensbeseitigung, auch wenn diese Feststellungen für die Schadensregulierung von Bedeutung sind.
64Der Prozesszinsenanspruch ergibt sich gemäß Art. 229 § 1 Satz 3 EGBGB aus § 291 BGB in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 21. Juli 1999 (BGBl. I S. 1642).
65Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, soweit die Beklagte unterlegen ist, und auf § 155 Abs. 2 VwGO, soweit die Klägerin die Klage und die Berufung zurückgenommen hat.
66Die Regelung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
67Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
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