Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 18. März 2002 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,00 EUR festgesetzt.
G r ü n d e: I. Der Antragsteller wendet sich gegen den Widerruf der ihm erteilten Fahrlehrerlaubnis. Wegen sexueller Belästigung zweier Fahrschülerinnen wurde er mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Bochum vom 7. Februar 2002 (4 Ns 36 Js 71/01) wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 40 DM verurteilt. Nach den Feststellungen des genannten Urteils fasste der Antragsteller die Fahrschülerin K. am 18. November 2000 während der Fahrstunde an die Brust. Später griff er ihr über der Kleidung an die Scheide, nahm während der weiteren Fahrt ihre Hand und legte sie mit der Bemerkung, ihre Hand gehöre auf den Penis, auf sein Geschlechtsteil. Der Fahrschülerin M. fasste er während einer Fahrstunde im Oktober 2000 über der Bekleidung an die Scheide. Während einer weiteren Fahrstunde griff er der Schülerin unter der Bluse an die Brust. Kurz vor ihrer theoretischen Prüfung am 28. November 2000 sagte er zu der Schülerin M.: "Wenn du die Prüfung nicht schaffst, gibts die Todesstrafe: Dann fick ich dich!".
2Wegen dieses strafgerichtlich festgestellten Sachverhalts widerrief der Antragsgegner mit Bescheid vom 20. Februar 2002 die dem Antragsteller erteilte Fahrlehrerlaubnis unter Anordnung der sofortigen Vollziehung.
3Den auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gerichteten Antrag des Antragstellers hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen mit Beschluss vom 18. März 2002 abgelehnt.
4Mit seiner am 28. März 2002 eingelegten Beschwerde macht der Antragsteller im Wesentlichen geltend, der Widerruf seiner Fahrlehrerlaubnis sei unverhältnismäßig. Er sei nicht wegen sexueller Nötigung, sondern nur wegen Beleidigung verurteilt worden. Der Widerruf der Fahrlehrerlaubnis vernichte seine wirtschaftliche Existenz.
5Der Antragsteller beantragt,
61. den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 18. März 2002 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 20. Februar 2002 wiederherzustellen,
72.
8hilfsweise,
93. den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 18. März 2002 zu ändern und die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 20. Februar 2002 insoweit herzustellen, als sich der Widerruf der Fahrlehrerlaubnis zur Ausbildung von Fahrschülern und die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht auf die Durchführung des praktischen Teils der Fahrlehrerlaubnis beschränkt.
104.
11Der Antragsgegner beantragt,
12die Beschwerde zurückzuweisen.
13Er wiederholt und vertieft die Gründe des angefochtenen Bescheides.
14II. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 18. März 2002 hat keinen Erfolg.
151. Das Verwaltungsgericht hat die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO zu Recht abgelehnt. Die gemäß § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Abwägung zwischen dem privaten Interesse des Betroffenen, von der sofortigen Vollziehung bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens verschont zu bleiben, und dem öffentlichen Interesse an rascher Durchsetzung des Widerrufs der Fahrlehrerlaubnis fällt zu Lasten des Antragstellers aus.
16Die angefochtene Verfügung leidet nicht an offensichtlichen Rechtsfehlern, die das öffentliche Interesse an ihrem sofortigen Vollzug von vornherein ausschließen würden. Es spricht vielmehr nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen Prüfung vieles dafür, dass der Widerruf der Fahrlehrerlaubnis im Hauptsacheverfahren Bestand haben wird. Er findet seine Rechtsgrundlage in § 8 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über das Fahrlehrerwesen (Fahrlehrer-gesetz - FahrlG -) i.d.F. des Änderungsgesetzes vom 24. April 1998, BGBl. I S. 747. Hiernach ist die Fahrlehrerlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eingetreten sind, die den Inhaber der Erlaubnis für die Tätigkeit eines Fahrlehrers als unzuverlässig erscheinen lassen. Unzuverlässig ist er insbesondere dann, wenn er wiederholt die Pflichten gröblich verletzt hat, die ihm nach dem Fahrlehrergesetz obliegen (§ 8 Abs. 2 Satz 2 FahrlG), also solche Pflichten, die ihm im Zusammenhang mit der Ausbildung von Fahrschülern auferlegt sind. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die die Unzuverlässigkeit des Antragstellers begründenden Tatsachen ergeben sich aus dem seiner strafrechtlichen Verurteilung (Urteil des Landgerichts Bochum vom 7. Februar 2002 - 4 Ns 36 Js 71/01 -) zugrundeliegenden Sachverhalt. Die strafgerichtlich festgestellten sexuellen Übergriffe auf zwei Fahrschülerinnen rechtfertigen die Annahme, dass der Antragsteller die für die Tätigkeit als Fahrschullehrer notwendige Zuverlässigkeit nicht besitzt, ohne dass es darauf ankommt, ob der Antragsteller noch während der Dauer des strafgerichtlichen Verfahrens am 16. November 2001 eine weitere Fahrschülerin sexuell belästigt hat. Auch wenn die strafgerichtlichen Tatsachenfeststellungen für das verwaltungsgerichtliche Verfahren nicht bindend sind, steht ihre Richtigkeit mit der für das vorliegende einstweilige Rechtsschutzverfahren erforderlichen Gewissheit fest. Das Urteil des Amtsgerichts Bochum vom 11. Oktober 2001 (34 Ds 36 Js 71/01 AK 92/01) wie auch das des Landgerichts Bochum vom 7. Februar 2002 beruhen ausweislich der beigezogenen Strafakte des Antragstellers auf umfangreichen Beweisaufnahmen. Mit den sexuellen Übergriffen auf zwei Fahrschülerinnen hat der Antragsteller seine Berufspflicht zur gewissenhaften Ausbildung seiner Fahrschüler gröblich verletzt. Er hat die mit seiner Ausbildungsfunktion verbundene Autorität dahingehend ausgenutzt, dass er an Fahrschülerinnen während des Unterrichts - zum Teil, während diese das Schulungsfahrzeug steuerten - sexuelle Handlungen vornahm.
17Der Widerruf der Fahrlehrerlaubnis erweist sich nicht als unverhältnismäßig. Der Antragsteller hat wiederholt Fahrschülerinnen verbal und körperlich erheblich sexuell belästigt. Eine Wiederholung dieser Übergriffe wäre auch in Zukunft nicht ausgeschlossen. Die Übergriffe in der Vergangenheit belegen, dass der Antragsteller nicht in der Lage ist, seinen Geschlechtstrieb zu kontrollieren. Auch das Beschwerdevorbringen vermag die Verhältnismäßigkeit des Widerrufs nicht in Frage zu stellen. Selbst wenn die Vorwürfe der Fahrschülerin G. nicht zuträfen und der Antragsteller nach den abgeurteilten Taten tatsächlich keine weiteren Fahrschülerinnen belästigt hätte, ergäbe sich keine für ihn günstigere Zuverlässigkeitsprognose. Dieses Wohlverhalten hätte der Antragsteller erst unter dem Druck des Strafverfahrens und des gegen ihn eingeleiteten Widerrufsverfahrens gezeigt. Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist der Widerruf auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil der Antragsteller nicht wegen sexueller Nötigung, sondern "nur" wegen Beleidigung strafrechtlich verurteilt wurde. Denn für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs kommt es nicht auf die strafrechtliche Einordnung seiner Verfehlungen an. Entscheidend ist vielmehr allein, ob die festgestellten Taten als Verstöße gegen die ihm als Fahrlehrer obliegenden Berufspflichten zu werten sind. Dies ist beim Antragsteller aus den zuvor genannten Gründen der Fall. Mildere Maßnahmen als der verfügte Widerruf kommen nicht in Betracht. Ein teilweiser, lediglich die praktische Ausbildung betreffender Widerruf der Fahrlehrerlaubnis ist rechtlich ausgeschlossen. Nach § 8 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 2 FahrlG ist bei nachträglichem Eintritt der Unzuverlässigkeit die Fahrlehrerlaubnis zu widerrufen. Diese ist nicht teilbar. Sie berechtigt nach § 1 Abs. 1 bis 3 FahrlG sowohl zur Durchführung des allgemeinen Teils des theoretischen Unterrichts als auch zur praktischen Ausbildung.
18Vgl. Eckhardt, Fahrlehrergesetz, 5. Aufl. 1991, § 1 Rn. 1.
19Die Aufforderung zur unverzüglichen Herausgabe des Fahrlehrerscheins findet ihre Rechtsgrundlage in § 8 Abs. 3 FahrlG. Die auf §§ 55 Abs. 1, 60, 63 VwVG NRW gestützte Zwangsgeldandrohung und die Erhebung der Verwaltungsgebühr nebst Auslagen (vgl. §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 Nr. 1 der Gebührenverordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr vom 26. Juni 1970, BGBl I. S. 865 - GebOSt - i.d.F. der Änderung vom 11. Dezember 2001, BGBl. I 3617 i.V.m. Anlage zu § 1 GebOSt, Gebührentarif- Nr. 306) unterliegen ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken.
20Überwiegende oder gleich gewichtige Interessen des Antragstellers stehen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Widerrufs der Fahrlehrerlaubnis nicht gegenüber. Namentlich wirtschaftliche Interessen des Antragstellers rechtfertigen nicht die Aussetzung der Vollziehung. Der Antragsteller, dessen Fahrschulerlaubnisse für seine drei Fahrschulen nicht widerrufen wurden, kann den Betrieb seiner Fahrschulen dadurch aufrechterhalten, dass er andere Fahrlehrer einstellt. Selbst wenn der Widerruf seine wirtschaftliche Existenzgrundlage bedrohen würde, hätte das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers gegenüber dem öffenlichen Vollziehungsinteresse zurückzustehen. Das öffentliche Interesse an einem effektiven Schutz der Allgemeinheit davor, dass der Antragsteller unter Ausnutzung seiner Fahrlehrertätigkeit zukünftig weitere sexuelle Handlungen an Fahrschülerinnen vornimmt, überwiegt seine privaten Interessen. Der Antragsteller hat die für ihn wirtschaftlich nachteiligen Folgen des Widerrufs durch eigenes persönliches Fehlverhalten verursacht.
212. Der Hilfsantrag des Antragstellers hat - ungeachtet der bereits dargestellten Unteilbarkeit der Fahrlehrerlaubnis - ebenfalls keinen Erfolg. Auch insoweit fällt die nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers aus. Mit den seiner strafrechtlichen Verurteilung zugrundeliegenden Verfehlungen hat der Antragsteller in solchem Maße gegen die ihm als Fahrlehrer obliegenden Berufspflichten verstoßen, dass er für jegliche Ausbildungstätigkeit eines Fahrlehrers ungeeignet erscheint.
22Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
23Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13 Abs. 1, 14 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG. Der Senat bemisst das wirtschaftliche Interesse an Verfahren, in denen - wie hier - um eine Fahrlehrerlaubnis gestritten wird, nach dem aus der Fahrlehrertätigkeit zu erzielenden jährlichen Mindest-Nettogewinn (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 3. Juni 1996 - 25 A 5043/95 -). Diesen bewertet er mit einem pauschalierenden Einsatzbetrag von 15.000,00 EUR. Im Hinblick auf den vorläufigen Charakter des vorliegenden Verfahrens legt der Senat nur die Hälfte dieses Betrages zugrunde.
24Dieser Beschluss ist gem. § 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG unanfechtbar.