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Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Beklagte wird unter Änderung der Bescheide des W. V vom 7. Juni 1990 und der W. V vom 21. April 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der W. V vom 22. September 1998 verpflichtet, dem Kläger ab dem 1. April 1990 ein Unfallruhegehalt in Höhe von 80 v.H. der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge der Besoldungsgruppe A 10 zu gewähren.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Der Kläger gehörte im Range eines Hauptfeldwebels (A 9 BBesO A/B) als Fallschirmspringer der L. 27 an. Aufgrund eines Befehls vom 18. Mai 1988 nahm der Kläger mit einer Mannschaft seiner Einheit an der R. A. O. P. C. 1988 in B. L. teil. Bei einem Mannschaftsspringen am 23. Juli 1988 schlug der Kläger derart hart auf den Boden auf, dass er sich schwerwiegende Verletzungen zuzog. Infolge dieser Verletzungen wurde der Kläger mit Ablauf des 31. März 1990 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt.
3Mit Bescheid vom 7. Juni 1990 setzte das W. V die Versorgungsbezüge des Klägers fest. Danach wurde ihm Unfallruhegehalt nach § 27 Abs. 1 des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG) i.V.m. § 36 Abs. 1 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG) zugesprochen und die Gewährung eines erhöhten Unfallruhegehalts nach § 27 Abs. 1 SVG i.V.m. § 37 BeamtVG bis zur Klärung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) des Klägers ausgesetzt. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch.
4Aufgrund eines vor dem S. D. am 20. Dezember 1996 geschlossenen Vergleichs erkannte das W. V mit Bescheid vom 12. Februar 1997 als Wehrdienstbeschädigungsfolgen i.S.d. § 81 SVG folgende Gesundheitsstörungen an:
5" Unter leichter Keilform verheilter Stauchungsbruch des 3. LWK. Schwellneigung linkes oberes Sprunggelenk mit mittelgradiger Bewegungseinschränkung, sowie praktische Versteifung im linken unteren Sprunggelenk nach osteosynthetisch versorgter Luxationsfraktur. Schwellneigung rechtes oberes Sprunggelenk nach Talusluxation mit verheilter knöcherner Absprengung. Leicht bis mittelgradige posttraumatische Schwerhörigkeit links.
6Postkontusionelles Psychosyndrom mit depressiv-neurotischer Entwicklung sowie linksseitige Hautempfindungsstörungen, Verschleiß des linken Schultergelenkes."
7Für diese Gesundheitsstörungen wurde dem Kläger ein Ausgleich nach einer MdE um 100 v.H. ab 23. Juli 1988, um 80 v.H. ab 1. Oktober 1988 und um 60 v.H. ab 1. Januar 1989 bis zum Eintritt in den Ruhestand gewährt.
8Auf eine Anfrage des W. V vom 8. April 1997 schilderte der Kläger unter dem 26. Juni 1997 den Unfallhergang wie folgt:
9" Etwa gegen 10.00 Uhr wurde meine Mannschaft aufgerufen, sich für den ersten Sprung vorzubereiten. Beim Briefing vor dem Einsteigen in das Luftfahrzeug wurde der Sprungauftrag noch einmal genau durchgesprochen. Jedem Springer wurde eine Nummer zugeordnet. Der Auftrag lautete: In begrenzter Zeit eine bestimmte Formation bilden und fliegen - Formation trennen - in der numerisch festgelegten Reihenfolge zeitlich verzögert ziehen (Schirm öffnen) - in gleicher Reihenfolge auf dem Zielpunkt im Zielkreis landen. Nach Öffnung meines Fallschirmes MT 1 wurde ich von heftigen Windböen erfasst und in starke Pendelbewegungen am Schirm versetzt, so dass ein gefahrloses Weiterfliegen für mich ohne Gefährdung anderer Sprungkameraden nicht möglich war. Ein Zusammenschlagen der Schirmfläche zeichnete sich über mir ab, so dass ich gezwungen war, den Einstellwinkel meines Schirmes mit den Trimmleinen so zu verändern, dass ein Totalabsturz mit seinen Folgen zumindest vermieden werden konnte. Andererseits erhöhte sich durch diese Maßnahme meine Sinkgeschwindigkeit derart, dass ich den vorgegebenen Abstand zum Vordermann nicht einhalten konnte und aus der Notlage heraus zum Landeanflug gezwungen war, zumal ich die Mindesthöhe bereits erreicht hatte. Beim Eindrehen gegen den Wind zum Zielanflug wurde der Abstand zum Vordermann so gering, dass ein Kreuzen seiner Flugbahn bevorstand. In dieser - das Leben bedrohenden Situation - schrie Oberfeldwebel M. : '. hau ab, sonst schmieren wir beide ab!' Um das Leben meines Kameraden nicht zu gefährden, überstolte ich meinen Schirm mit der linken Steuerleine. Dadurch drehte sich mein Schirm erneut in den Wind, und es kam zum Strömungsabriss. Aufgrund der erhöhten Fallgeschwindigkeit und dem immer geringer werdenden Abstand zum Boden war mir in diesem Moment bewusst, dass eine weiche Landung ausgeschlossen war, und ich mich in akuter Lebensgefahr befand."
10Der vom Kläger als Zeuge benannte Oberfeldwebel der Reserve M. M. gab gegenüber der W. V unter dem 25. August 1997 an:
11" Der Formationssprung verlief ohne Besonderheiten und auch nach der Öffnung meines Fallschirmes konnte ich weder bei mir noch bei den Teamkameraden irgendwelche Probleme feststellen. Nach dem Einreihen in die vorgesehene Reihenfolge für den Zielsprung ich war der 2te oder 3te in der Reihenfolge, konzentrierte ich mich total auf meinen Anflug. In etwa 30 bis 50 m Höhe sah ich plötzlich von links oder rechts Herrn A. genau in meiner Höhe auf mich zukommen. Um eine Kollision, die in dieser Höhe sehr gefährlich ist, abzuwenden rief ich Herrn A. zu, er solle abdrehen, da seine Position sehr viel günstiger war. Dies tat er auch und ich konnte meinen Zielanflug normal beenden. Wie dieses Abdrehen des Herrn A. zu diesem schweren Unfall führte, habe ich selber nicht mehr beobachten können."
12Der ebenfalls vom Kläger als Zeuge benannte Stabsunteroffizier der Reserve U. W. erklärte gegenüber der W. V:
13" Da ich in der Mannschaft der schwerste war, wurde mir beim Briefing vor dem Sprung die tiefste Öffnungshöhe befohlen. Ich landete daher als erster auf dem Boden und wenn ich mich recht erinnere, als einziger meiner Mannschaft im Zielkreis. Die Witterungsbedingungen waren an diesem Tag so schlecht (böige Winde), dass das Springen mehrfach verschoben werden musste.
14Noch während ich meinen Schirm nach der Landung zusammenpackte, wurde ich Zeuge einer dramatischen Situation. Ich sah, wie die beiden Springer A. und M. in etwa gleicher Höhe aufeinander zuflogen. Ein Zusammenprall in der Luft schien mir unausweichlich. Unmittelbar vor der Kollision drehte Hfw A. seinen Schirm so extrem in eine Kurve, dass der MT 1 seine Tragfähigkeit verlor. Ich musste mit ansehen, wie A. neben dem Zielkreis hart aufschlug und aufgrund seiner starken Verletzungen sofort mit Blaulicht abtransportiert wurde. Das Springen wurde nach diesem Vorfall beendet."
15Auf eine Anfrage der W. V zur Bewertung des Unfallhergangs legte Major i.G. K. von der L. 31 unter dem 17. Dezember 1997 im Wesentlichen dar: Es erscheine offensichtlich, dass der Kläger selbst durch das Abweichen von Standardverfahren und das Nichtbeachten von Ausweich- /Vorfahrtsregeln ganz wesentlich zur Verursachung der Notsituation mit der dann schwerwiegenden Folge seiner Verletzung beigetragen habe. Bei korrekter Wahrnehmung seiner Pflichten als Fallschirmspringer und Anwendung der entsprechenden Luftfahrtregeln durch ihn wäre es zu dem Unfall gar nicht gekommen.
16Mit Bescheid vom 21. April 1998 ergänzte die W. V den Bescheid vom 7. Juni 1990 dahingehend, dass ein erhöhtes Unfallruhegehalt nicht gewährt werde. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die W. V mit Widerspruchsbescheid vom 22. September 1998 mit im Wesentlichen folgender Begründung zurück: Das Springen mit einem Fallschirm gehe über eine gewisse allgemeine Gefährlichkeit nicht hinaus, insbesondere sei damit keine besondere Lebensgefahr verbunden. Auch der konkrete Fallschirmabsprung des Klägers - ausgehend von seinem gedachten Verlauf sowie der Sprungvorbereitungen - sei nicht mit Umständen verbunden gewesen, die die während des Sprungs bestehende allgemeine Gefahr in dem Maße verstärkt haben könnte, dass der Verlust des Lebens vor dem Sprung als wahrscheinlich anzusehen gewesen wäre. Da es zu der lebensgefährlichen Situation erst während der Diensthandlung gekommen sei, könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger abgesprungen sei, um das Leben seines Kameraden zu retten. Damit fehle es an der geforderten Voraussetzung des bewussten Einsatzes des Lebens vor Beginn der Diensthandlung. Insofern sei es unerheblich und könne auch dahingestellt bleiben, ob der Kläger die lebensgefährliche Situation nach dem Absprung durch eigenes Fehlverhalten mitverschuldet habe.
17Am 7. Oktober 1998 hat der Kläger Klage erhoben. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht den Antrag,
18die Beklagte unter entsprechender Änderung der Bescheide des W. V vom 7. Juni 1990 und der W. V vom 21. April 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der W. V vom 22. September 1998 zu verpflichten, dem Kläger ein Unfallruhegehalt in Höhe von 80 v.H. der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge der Besoldungsgruppe A 10 zu gewähren,
19mit im Wesentlichen folgender Begründung abwiesen: Der Freifallabsprung des Klägers im Rahmen der Teilnahme an dem Mannschaftswettbewerb habe keine Dienstverrichtung dargestellt, der eine besondere, also eine über das übliche Maß der Lebens- und Gesundheitsgefährdung hinausgehende Gefahr eigen gewesen sei. Ein manueller Freifallsprung zu Übungszwecken sei - selbst wenn er im Rahmen eines Mannschaftswettbewerbs stattfinde - unter normalen Bedingungen am Tage typischerweise nicht mit einer besonderen Lebensgefahr verbunden. Entgegen der Ansicht des Klägers fehle es in dem vorliegenden Fall an Anhaltspunkte dafür, dass vor dem Absprung andere Umstände hinzugekommen wären, die die Annahme rechtfertigen könne, der Kläger habe im Bewusstsein des Vorliegens einer besonderen Lebensgefahr den Absprung vorgenommen. Solche Umstände seien nicht bereits in der mit dem Sprung verbundenen Aufgabenstellung begründet. Auch die am Absprungtag herrschenden böigen Windverhältnisse rechtfertigten nicht die Annahme einer besonderen Lebensgefahr vor dem Absprung. Ob die Diensthandlung im weiteren Geschehensablauf objektiv mit einer besonderen Lebensgefahr verbunden gewesen sei, wofür einiges spreche, bedürfe keiner weiteren Prüfung. Es lasse sich nämlich nicht feststellen, dass der Kläger bei der Diensthandlung sein Leben "eingesetzt" habe. Denn der Einsatz des Lebens setze voraus, dass der Beamte bzw. Soldat die Gefahr erkenne, ihm die Lebensgefahr bewusst werde und er trotz dieser Lebensgefahr die Diensthandlung fortführe, obwohl ihm ein Entkommen möglich sei. So liege es hier indes nicht, da für den Kläger in dem Zeitpunkt, als ihm die während des Absprungs eingetretene Gefährdungslage bewusst geworden sei, nicht mehr die Möglichkeit bestanden habe, über den Einsatz seines Lebens zur Fortführung der Diensthandlung zu entscheiden. In der eingetretenen Situation sei die von ihm getroffene Maßnahme allein noch geeignet gewesen, eine Kollision in der Luft zu vermeiden, wodurch noch eine größere Gefährdungslage entstanden wäre.
20Mit der zugelassenen und fristgerecht begründeten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
21Zur Aufklärung des Sachverhalts hat der Senat eine Stellungnahme der L. - und L. der Bundeswehr in A. vom 10. Juni 2002 eingeholt, in der es im Wesentlichen heißt: Vorherrschende Windböen am geöffneten Fallschirm seien nicht zwangsläufig eine Gefahr für Leib und Leben des Fallschirmspringers. Hier spielten Richtung und Geschwindigkeit eine entscheidende Rolle. Grundsätzlich könne durch Eintreten starker Windböen die Aerodynamik der Fallschirmkappe negativ beeinflusst werden. So könne z. B. starker böiger Seitenwind gegen die Fallschirmkappe dazu führen, dass die Staukammern zusammengedrückt würden, die Luft darin entweiche und die Fallschirmkappe ihre Fähigkeit des Tragflügelprinzips verliere. Die Veränderung des Anstellwinkels durch Betätigung der Trittvorrichtung sei in der geschilderten Situation nicht grundsätzlich falsch. Zur Einleitung eines notwendigen Ausweichmanövers sei das Ziehen der linken oder rechten Steuerleine die richtige Maßnahme. Mit dem Ziehen einer Steuerleine allein sei ein "Überstolen" (Strömungsabriss) nicht möglich. Ein Strömungsabriss mit der Folge eines Absturz könne nur durch Betätigung beider Steuerleinen verursacht werden und stelle in Bodennähe eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben dar. Das vom Kläger geschilderte Ziehen der linken Steuerleine führe zu einer Linksdrehung der Kappe mit zunehmender Drehgeschwindigkeit und zur Erhöhung der Sinkgeschwindigkeit. Sei eine solche Verhaltensweise in Bodennähe erforderlich, könne dies zu einer lebensbedrohenden "harten" Landung führen.
22Der ebenfalls vom Senat um Stellungnahme gebetene frühere Kommandeur der L. - und L. in A. , Oberst a. D. E. R. , hat unter dem 24. Juni 2002, ergänzt mit Schreiben vom 3. Juli 2002, dargelegt: Die Durchführung eines Formationssprungs in der vom Kläger geschilderten Art sei mit einer besonderen Lebensgefahr verbunden, wenn damit zu rechnen sei, dass während der Sprungphase böige Winde herrschten. Zum Zeitpunkt, als der Kläger von heftigen Windböen erfasst worden sei, habe er sich in einer besonderen Lebensgefahr befunden. Die vom Kläger in Anbetracht des sich abzeichnenden Zusammenschlagens der Schirmfläche vorgenommene Veränderung des Einstellwinkels des Fallschirms mittels der Trimmleine stelle eine fachgerechte Verhaltensweise dar. Es gebe keine andere Möglichkeit, Störungen an der Fallschirmkappe zu beheben, als die Arbeit mit den Steuerleinen. Das vom Kläger zur Vermeidung eines Zusammenstoßes vorgenommene "Überstolen" des Fallschirms sei auf jeden Fall sachgerecht gewesen. Es sei die einzige Möglichkeit gewesen, ein Zusammenstoß der beiden Springer zu vermeiden. Bei dem "Überstolen" des Fallschirms sei dem Kläger klar gewesen, dass ein Zusammenstoß mit seinem Kameraden schwerste Folgen nach sich ziehen werde und auf jeden Fall, selbst bei Inkaufnahme absehbarer schwerer eigener Gefährdung, zu vermeiden sei. Der Kläger habe sozusagen bewusst das vermeintlich kleinere Übel gewählt und die Gefährdung seines Lebens in Kauf genommen. Aufgrund des geringen Abstands zum Boden habe durch das "Überstolen" des Fallschirms eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Gefährdung seines Lebens bestanden.
23Zur Begründung der Berufung führt der Kläger im Wesentlichen an: Der Fallschirmsprung, bei dem er sich so schwerwiegend verletzt habe, habe eine lebensgefährliche Diensthandlung dargestellt. Schon das Fallschirmspringen an sich stelle eine Verrichtung mit besonders hoher Gefährdungsrate dar. Dies lege auch § 63 Abs. 1 Nr. 3 SVG 1987, der einen Anspruch auf eine einmalige Unfallentschädigung eröffne, wenn ein Soldat als Angehöriger des springenden Personals der Luftlandetruppen während des Sprungdienstes ein Unfall erleide und infolge des Unfalls in seiner Erwerbsfähigkeit um mindestens 80 v.H. beeinträchtigt sei. Vorliegend sei durch besondere Umstände noch eine Erhöhung des Gefährdungsgrads eingetreten. Diese besonderen Umstände seien zum einen in dem unter Wettkampfbedingungen angeordneten manuellen Freifallgruppenformationssprung zu sehen. Zum anderen seien die vorhandenen böigen Windverhältnisse zu berücksichtigen, die für seine Person von besonderer Relevanz gewesen seien, da er der leichteste Springer der Gruppe gewesen sei. Hinzu komme, dass er sich durch das "Überstolen" des Fallschirms bewusst in eine lebensgefährdende Situation begeben habe. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts habe für ihn zu diesem Zeitpunkt eine Handlungsalternative bestanden, so dass nicht davon ausgegangen werden könne, für ihn habe keine Möglichkeit mehr bestanden, über den Einsatz seines Lebens zur Fortführung der Diensthandlung zu entscheiden. Ihm könne auch nicht vorgeworfen werden, mit dem "Überstolen" des Fallschirms unsachgemäß gehandelt zu haben. Vielmehr belegten die im Rahmen des Berufungsverfahrens eingeholten Stellungnahmen die Sachangemessenheit seines Vorgehens. Die gegenteilige Äußerung des Major i. G. K. sei insbesondere wegen der bei diesem fehlenden Fachkenntnisse nicht verwertbar.
24Der Kläger beantragt,
25das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.
26Die Beklagte beantragt,
27die Berufung zurückzuweisen.
28Zur Begründung stützt sie sich auf das angefochtene Urteil und führt ergänzend an: Entgegen der Auffassung des Klägers stelle ein Fallschirmsprung an sich keine gesteigerte Gefährdungslage dar. Auch die besonderen Umstände des Einzelfalls könnten die Annahme einer besonderen Lebensgefahr vor dem Absprung nicht begründen. So berge ein manueller Fallschirmformationssprung mit anschließender Ziellandung bei Tag zwar ein nicht ausschließbares Gefährdungspotential in sich, sei aber typischerweise nicht mit einer besonderen Lebensgefahr verbunden. Ob zum Zeitpunkt des Absprungs tatsächlich böige Windverhältnisse vorherrschten, sei nicht entscheidungserheblich, da es an der subjektiven Voraussetzung des bewussten Einsatzes des Lebens fehle. Erforderlich sei dafür das bewusste Eingehen einer Lebensgefahr um der Vornahme einer - als lebensgefährlich erkannten - Diensthandlung willen. Sein Leben setze nur ein, wer die Lebensgefahr erkenne und trotzdem - unter Hintanstellung der eigenen Rettung - die Diensthandlung fortsetze, obwohl ihm ein Entkommen möglich sei. Daran fehle es hier, da für den Kläger eine Handlungsalternative nicht bestanden habe.
29Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (ein Band) Bezug genommen.
30E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
31Die Berufung hat Erfolg.
32Die zulässige Klage ist begründet.
33Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger ein Unfallruhegehalt in Höhe von 80 v.H. der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge der Besoldungsgruppe A 10 zu gewähren. Die Bescheide des W. V vom 7. Juni 1990 und der W. V vom 21. April 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der W. V vom 22. September 1998 sind insoweit rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), als sie dessen Versorgungsbezüge nicht dementsprechend festsetzen.
34Rechtsgrundlage für das Begehren ist § 27 Abs. 1 SVG i.V.m. § 37 Abs. 1 BeamtVG in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung. Die durch das Versorgungsänderungsgesetz 2001 vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3926) eingetretene Änderung des § 37 Abs. 1 BeamtVG kommt auf den vorliegenden Fall nicht zur Anwendung, da § 94 a SVG bestimmt, dass sich die Rechtsverhältnisse der am 1. Januar 1992 vorhandenen Empfänger von Versorgungsbezügen, sofern der Versorgungsfall nach dem 31. Dezember 1976 eingetreten ist, nach dem bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Recht regeln. Da der Kläger mit Ablauf des 31. März 1990 in den Ruhestand getreten ist, richtet sich die Höhe seines Ruhegehalts nach der früheren Rechtslage.
35Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 SVG ist auf einen Berufssoldaten, der - wie hier der Kläger - wegen Dienstunfähigkeit infolge eines Dienstunfalls in den Ruhestand versetzt worden ist, u.a. § 37 BeamtVG entsprechend anzuwenden. § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG in der hier maßgeblichen Fassung sieht vor, dass bei der Bemessung des Unfallruhegehalts für den Fall, dass ein Beamter bei Ausübung einer Diensthandlung, mit der für ihn eine besondere Lebensgefahr verbunden ist, sein Leben einsetzt und er infolge dieser Gefährdung einen Dienstunfall erleidet, 80 v.H. der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der nächsthöheren Besoldungsgruppe zugrunde zu legen sind, wenn er infolge dieses Dienstunfalls dienstunfähig geworden und in den Ruhestand getreten und im Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand infolge des Dienstunfalls in seiner Erwerbsfähigkeit um mindestens 50 v.H. beschränkt ist. Diese Voraussetzungen sind in der Person des Klägers erfüllt.
36Der Kläger ist wegen des am 23. Juli 1988 erlittenen Dienstunfalls dienstunfähig geworden und in den Ruhestand getreten. Bei Eintritt in den Ruhestand zum 1. April 1990 lag bei ihm ausweislich des Bescheids des W. V vom 12. Februar 1997 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 60 v.H. vor. Ein Anhalt dafür, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht im vollen Umfang eine Folge des Dienstunfalls sein könnte, ist nicht ersichtlich und wird auch von Seiten der Beklagten nicht geltend gemacht.
37Der Fallschirmabsprung des Klägers am 23. Juli 1988 stellt sich als Ausübung einer Diensthandlung dar. Denn die Teilnahme an dem Fallschirmsprungwettbewerb insgesamt und damit auch an dem Mannschaftsspringen, bei dem sich der Dienstunfall ereignete, erfolgte auf der Grundlage des Befehls der L. 27 vom 18. Mai 1988.
38Die Ausübung dieser Diensthandlung war für den Kläger mit einer besonderen Lebensgefahr verbunden. Dieses (objektive) Tatbestandsmerkmal kann bei zwei unterschiedlichen Fallkonstellationen erfüllt sein: Zum einen bei Tätigkeiten, die bereits allgemein (d.h. bei "normaler" Dienstverrichtung) besonders "gefahrgeneigt" (d.h. mit Lebensgefahr verbunden) sind, und zum anderen bei dienstlichen Verrichtungen, die zwar ihrer Art nach nicht generell besonders gefährlich sind, bei denen jedoch im Einzelfall durch eine unvermutete Veränderung der Verhältnisse eine (damit: "besondere") Lebensgefahr eintritt.
39Vgl. GKÖD O § 37 Rn. 9; VGH B. .-Württ., Urteil vom 15. Februar 1989 - 11 S 789/87 -.
40Bei dem Fallschirmabsprung des Klägers am 23. Juli 1988 handelte es sich um eine allgemein mit einer Lebensgefahr verbundene - und in diesem Sinne "gefahrgeneigte" - dienstlichen Tätigkeit.
41Zwar birgt ein manueller Freifallsprung zu Übungszwecken im Rahmen einer Weiterbildung unter normalen Bedingungen bei Tage ein nicht ausschließbares Gefährdungspotential, er stellt jedoch in der Regel keine Dienstverrichtung dar, der typischerweise eine besondere Lebensgefahr inhärent ist.
42Vgl. VGH B. .-Württ., Beschluss vom 8. November 1999 - 4 S 1657/97 -, Schütz/Maiwald, BeamtR ES/C II 3.7 Nr. 2 = VBlBW 2000, 163.
43Vorliegend sind jedoch zu den allgemein mit einem Freifallsprung verbundenen Gefahren besondere Umstände hinzu getreten, die die Annahme einer allgemein mit einer Lebensgefahr verbundenen Diensthandlung rechtfertigen.
44So ist zunächst von wesentlicher Bedeutung für die Beurteilung der Gefahrenlage, dass es sich um ein Mannschaftsspringen mit einer besonderen Aufgabenstellung handelte. Diese bestand für die einzelnen Springer darin, im Freifall eine Formation zu bilden und anschließend zeitlich verzögert in einer vorgegebenen Reihenfolge in ein und demselben Zielkreis zu landen. Diese Aufgabenstellung erforderte es, dass die Springer sowohl während des Freifalls als auch nach dem Öffnen ihrer Fallschirme stets darauf bedacht sein mussten, den Abstand zueinander nicht zu groß werden zu lassen. Infolge dessen bestand die erhöhte Gefahr einer Kollision zweier Springer und eines mit einer Lebensgefahr verbundenen Absturzes.
45Dieses Gefährdungspotential aus den Besonderheiten der Aufgabenstellung bei dem Mannschaftsspringen wurde weiter dadurch erhöht, dass zum Zeitpunkt des Absprungs widrige Witterungsverhältnisse vorherrschten. So ist mit dem Kläger davon auszugehen, dass mit dem Auftreten von Windböen gerechnet werden musste. Derartige Windböen erhöhen das Risiko einer Kollision zweier Springer und der damit verbundenen Folge eines Absturzes. Denn wenn ein Springer nach dem Öffnen des Fallschirms von einer Windböe erfasst wird, führt dies jedenfalls dazu, dass er zumindest zeitweise den Flug nicht in gleicher Weise kontrollieren kann, wie ihm dies bei normalen Windverhältnissen möglich wäre.
46Dass das realistische Risiko des Auftretens von Windböen bestand, findet seine Bestätigung nicht nur in den Angaben des Klägers, sondern auch in der im Rahmen des Verwaltungsverfahrens abgegebenen Erklärung des Stabsunteroffiziers der Reserve U. W. . Dieser hat ausdrücklich bekundet, aufgrund böiger Winde habe das Springen mehrfach verschoben werden müssen. Auch die Beklagten hat diesen Umstand eingeräumt. Soweit sie aber darauf abstellt, aus den witterungsbedingten Verschiebungen des Absprungs könne nicht ohne weiteres darauf geschlossen werden, dass auch zum Zeitpunkt des Sprungs böige Windverhältnisse vorgeherrscht hätten, rechtfertigt dies keine anderen Entscheidung. Denn es bestand offensichtlich weiterhin die Gefahr des Auftretens von Windböen, was eindrucksvoll dadurch belegt wird, dass sich dieses Risiko ausweislich der auch von der Beklagten nicht in Frage gestellten Schilderung des Absprungverlaufs durch den Kläger tatsächlich realisiert hat.
47Zusammenfassend ist deshalb festzustellen, dass jedenfalls das Zusammentreffen eines Mannschaftsspringens mit der dargestellten besonderen Aufgabenstellung einerseits und das Risiko des Auftretens von Windböen andererseits das allgemein mit einem Freifallsprung verbundene Gefährdungspotential derart erhöht hat, dass von einer allgemein mit einer Lebensgefahr verbundenen Diensthandlung auszugehen ist.
48Diese Einschätzung findet ihre Bestätigung in der Stellungnahme des mit den Besonderheiten des Freifallabsprungs besonders vertrauten ehemaligen Leiters der L. - und L. Oberst a.D. R. vom 24. Juni 2002. Dieser hat die ihm im Verlauf des Berufungsverfahren von Seiten des Gerichts gestellte Frage, ob die Durchführung eines Formationssprungs, wie er vom Kläger dargestellt worden sei, mit einer besonderen Lebensgefahr für den Fall verbunden sei, wenn damit zu rechnen sei, dass während der Sprungphase böige Winde herrschten, eindeutig bejaht. Wenn Oberst a.D. R. auch keine nähere Begründung für seine Einschätzung geliefert hat, bleibt jedoch festzustellen, dass für ihn offensichtlich kein Zweifel daran besteht, dass der Absprung des Klägers sich als eine allgemein mit einer Lebensgefahr verbundenen Diensthandlung darstellt.
49Der ebenfalls eingeholten Stellungnahme der L. - und L. vom 10. Juni 2002 lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Diese verhält sich in Beantwortung derselben Frage nur allgemein zu einer Risikoerhöhung bei dem Überschreiten von bestimmten Bodenwindgeschwindigkeiten. Zum Gefährdungspotential böiger Winde bei Mannschaftsspringen mit den dargestellten Besonderheiten findet sich in der Stellungnahme keine nähere Aussage.
50Soweit die Beklagte das Vorliegen einer besonderen Lebensgefahr damit verneint, dass entsprechende Flugmanöver bei windigem Wetter für einen erfahrenen Springer wie den Kläger nichts Ungewöhnliches sein dürften, zumal unerwartete Windböen auch bei normalen Windverhältnissen auftreten könnten, verkennt sie, dass die Gefährdungssituation im Wesentlichen durch die besondere Art des Mannschaftsspringens und der damit zwangsläufig verbundenen Nähe der einzelnen Springer geprägt war. Aufgrund dessen handelte es sich gerade nicht um ein regelmäßig bei windigem Wetter auftretendes Flugmanöver.
51Aber auch wenn man das Vorliegen einer besonderen Lebensgefahr nicht aus einer allgemein als besonders gefahrgeneigt einzuschätzenden Tätigkeit herleiten könnte, wäre das (objektive) Tatbestandsmerkmal einer mit einer besonderen Lebensgefahr verbundenen Diensthandlung zu bejahen. Denn eine besondere Lebensgefahr ist jedenfalls im vorliegenden Einzelfall durch eine unvermutete Veränderung der Verhältnisse eingetreten, die in dem Flugmanöver zu sehen ist, das der Kläger zur Vermeidung eines Zusammenstoßes mit dem Oberfeldwebel M. eingeleitet hat.
52Mit dem starken Ziehen der linken Steuerleine seines Fallschirms zu einem Zeitpunkt, als er sich bereits in der für den Landeanflug vorgesehenen Mindesthöhe befand, hat der Kläger eine Diensthandlung vorgenommen, die mit einer Gefahr für sein Leben verbunden war. Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger - im Übrigen ebenso wie Major i.G. K. von der Oldenburgischen L. 31 in seiner im Rahmen des Verwaltungsverfahrens abgegebenen Stellungnahme vom 18. Dezember 1997 - das Flugmanöver zutreffend als "Überstolen" bezeichnet hat oder ob davon, wie es in der Stellungnahme der L. - und L. vom 10. Juni 2002 heißt, nur dann ausgegangen werden kann, wenn beide Steuerleinen zugleich betätigt werden. Jedenfalls hatte das Ziehen der Steuerleine, wie auch von der L. - und L. eingeräumt wird, eine Erhöhung der Sinkgeschwindigkeit zur Folge. Da dieses Manöver in Bodennähe erfolgte, drohte dem Kläger, wie ebenfalls von der L. - und L. zugestanden worden ist, eine sein Leben gefährdende "harte" Landung.
53Der Kläger hat sein Leben bei der Ausübung der Diensthandlung eingesetzt. Diese (subjektive) Voraussetzung ist zu bejahen, wenn der Beamte die Gefahr erkennt, ihm die Lebensgefahr bewusst wird und er trotz dieser Lebensgefahr die Diensthandlung aufnimmt bzw. fortführt.
54Vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Oktober 1998 - 2 C 17/98 -, Buchholz 239.1 § 37 BeamtVG Nr. 2 = DÖD 1999, 62 = DÖV 1999, 304 = DVBl. 1999, 323 = NVwZ-RR 1999, 324 = ZBR 1999, 95; OVG NRW, Urteil vom 15. Januar 1991 - 12 A 2008/88 -, Schütz/Maiwald, BeamtR ES/C II 3.5 Nr. 2, m.w.N.; VGH B. .-Württ., Urteil vom 15. Februar 1989 - 11 S 789/87 -.
55Dabei ist es nicht erforderlich, dass der Beamte die zu erwartende Gefahr in allen Einzelheiten erkennt. Vielmehr reicht es aus, dass er diese in ihren Umrissen sieht und ihm die Lebensgefahr deutlich und bewusst wird.
56Vgl. Hess. VGH, Urteil vom 5. November 1986 - I OE 72/82 -, ZBR 1987, 215; VGH B. .-Württ., Urteil vom 15. Februar 1989 - 11 S 789/87 -; Plog/Wiedow/Bayer, BBG/BeamtVG, § 37 BeamtVG Rn. 8; GKÖD O § 37 Rn. 10.
57Im Zweifel ist diese Voraussetzung als gegeben anzusehen, wenn aufgrund äußerer Umstände die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Beamte sich der drohenden Lebensgefahr bewusst war.
58Vgl. Hess. VGH, Urteil vom 5. November 1986 - I OE 72/82 -, a.a.O.; Schütz/Maiwald, BeamtR § 37 BeamtVG Rn. 22; Nr. 37.1.2 der Verwaltungsvorschrift zu § 37 BeamtVG.
59Diese Anforderungen sind in der Person des Klägers erfüllt, und zwar unabhängig davon, ob die mit einer Lebensgefahr verbundene Diensthandlung bereits in dem Fallschirmsprung im Rahmen des Mannschaftsspringens mit der dargestellten besonderen Aufgabenstellung und dem Risiko des Auftretens von Windböen oder erst in dem zur Vermeidung eines Zusammenstoßes eingeleiteten Flugmanöver zu sehen ist.
60Für den Fall, dass die relevante Diensthandlung bereits in dem Sprung an sich zu sehen ist, folgt dies ohne Weiteres daraus, dass sich der Kläger als erfahrener Springer der unter den dargestellten Voraussetzungen mit dem Absprung verbundenen Gefahr für sein Leben hinreichend konkret bewusst war. Dies wird auch von der Beklagten nicht in Frage gestellt.
61Sieht man die maßgebliche Diensthandlung in dem durch das Ziehen an der Steuerleine eingeleiteten Flugmanöver, ist Ähnliches festzustellen. Auch in dieser Situation war dem Kläger in Anbetracht seiner Erfahrung und der Nähe zum Boden die Gefährlichkeit seines Tuns und die lebensbedrohlichen Folgen der drohenden "harten" Landung nach den äußeren Umständen bewusst.
62Dem kann nicht mit Erfolg entgegen gehalten werden, der Eintritt einer lebensbedrohenden Situation sei dem Kläger erst nach Durchführung des Flugmanövers klar geworden. Insoweit ist zwar zuzugestehen, dass der Kläger bei der Schilderung des Absprungsverlaufs im Rahmen des Verwaltungsverfahren erklärt hat, ihm sei im Zeitpunkt des Eintritts des Strömungsabrisses bewusst geworden, dass eine weiche Landung ausgeschlossen sei und er sich in akuter Lebensgefahr befinde. Damit hat der Kläger jedoch lediglich zum Ausdruck gebracht, zu welchem Zeitpunkt ihm die konkreten Einzelheiten der drohenden Gefahrensituation klar geworden sind. Es ist aber davon auszugehen, dass ihm bereits bei Einleitung des Flugmanövers zumindest in Umrissen das Gefährdungspotential seines beabsichtigten Handelns bewusst war. Denn es ist zu berücksichtigen, dass er sich schon nach der Reaktion auf das wegen der Windböen drohende Zusammenschlagen seines Fallschirms darüber im Klaren war, sich infolge der erhöhten Sinkgeschwindigkeit und der nur noch geringen Flughöhe in einer besonderen Gefahrensituation zu befinden. Dieses Gefahrenbewusstsein bestand bei dem eingeleiteten Flugmanöver zur Vermeidung des Zusammenstoßes in verstärktem Maße fort, da nur kurze Zeit vergangen war und sich die Flughöhe weiter verringert hatte. In einer solchen Situation ist einem erfahrenen Springer wie dem Kläger bewusst, dass er sich durch eine Maßnahme wie die vorgenommene, durch die die Sinkgeschwindigkeit weiter vergrößert wird, in eine lebensbedrohliche Situation begibt.
63Ob das subjektive Tatbestandsmerkmal des Einsetzens des Lebens unter Hinweis darauf, dass dem Beamten bzw. Soldaten bewusst sein muss, dass ihm ein Entkommen möglich ist,
64so ausdrücklich - allerdings ohne eine nähere Erläuterung, was darunter zu verstehen ist - OVG NRW, Urteil vom 15. Januar 1991 - 12 A 2008/88 -, a.a.O.; nachfolgend unter Wiedergabe des Obersatzes aus der Entscheidung des OVG NRW: BVerwG, Beschluss vom 10. Mai 1991 - 2 B 48.91 -; unter Übernahme des Obersatzes aus der Entscheidung des OVG NRW OVG Rh.-Pf., Urteil vom 26. Januar 1998 - 2 A 10106/97 -, IÖD 1998, 185,
65generell zu verneinen ist, wenn sich der Beamte bzw. Soldat zu dem Zeitpunkt, in dem er sich zu der sein Leben gefährdenden Diensthandlung entschließt, bereits in einer - anderen - lebensgefährdenden Situation befindet, bedarf hier keiner Entscheidung. Jedenfalls wenn der Beamte bzw. Soldat in einer derartigen Situation die Diensthandlung vornimmt, um größeres Unheil abzuwenden, die Unfallfolgen zu mindern oder andere zu warnen,
66vgl. zu dieser Formulierung BVerwG, Urteil vom 12. April 1978 - 6 C 59.76 -, Buchholz 232 § 141a BBG Nr. 4 = ZBR 1978, 334; GKÖD O § 37 Rn. 10,
67er sich also bewusst ist, einen anderen Kausalverlauf einzuleiten, der ebenfalls eine Gefahr für sein Leben begründet, liegt ein Einsetzen des Lebens vor. Allein ein solches Verständnis der Anspruchsvoraussetzung wird der Ausgleichsfunktion des § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG für ein bewusst erbrachtes Sonderopfer gerecht.
68Ausgehend davon hat das Verwaltungsgericht zu Unrecht darauf abgestellt, dem Kläger sei kein Entkommen möglich gewesen, da sein Leben bei einem Unterlassen des Flugmanövers in gleicher Weise in Gefahr gewesen sei. Dieser Einwand greift zu kurz. Denn mit ihm wird verkannt, dass der Kläger durch seine Verhaltensweise das ihm Mögliche versucht hat, eine Gefahrensituation, die nicht nur ihm, sondern auch Oberfeldwebel M. drohte, zu entschärfen. So erfolgte die Einleitung des Flugmanövers mit dem - auch erreichten - Ziel, das Leben des Oberfeldwebels M. zu retten. Mit Blick darauf ist davon auszugehen, dass der Kläger das Flugmanöver durchgeführt hat, um größeres Unheil zu verhindern, und sich dafür seinerseits in eine wenn auch andere, aber doch ebenfalls lebensgefährdende Situation begeben hat.
69Der Dienstunfall ist schließlich auch infolge der mit der Diensthandlung verbundenen Gefährdung eingetreten. Insbesondere war für dessen Eintritt kein Verschulden des Klägers ursächlich. Dem kann nicht mit Erfolg entgegen gehalten werden, der Kläger habe - wie Major i.G. K. von der Oldenburgischen L. 31 in seiner Stellungnahme vom 18. Dezember 1997 ausgeführt hat - durch ein Abweichen von Standardverfahren und das Nichtbeachten von Ausweich-/Vorfahrtsregeln das Eintreten der Notsituation selbst verursacht. Denn zum einen trägt Major i.G. K. dem Umstand nicht hinreichend Rechnung, dass der Kläger erst dadurch in die Situation eines drohenden Zusammenstoßes geraten ist, dass er zuvor auf die Schwierigkeiten reagieren musste, die eingetreten waren, nachdem er von einer starken Windböe erfasst worden war und wegen des sich abzeichnenden Zusammenschlagens der Fallschirmflächen ein Absturz zu befürchten war. In dieser Situation war der Kläger in seinen Reaktionsmöglichkeiten erheblich eingeschränkt, so dass ihm ohne nähere Angaben nicht vorgeworfen werden kann, sich nicht sachgerecht verhalten zu haben. Im Übrigen bestätigen auch die eingeholten Stellungnahmen des Oberst a.D. R. und der L. - und L. , dass die Verhaltensweise des Klägers sachgerecht war.
70Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 2, 711 Satz 1 ZPO.
71Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 132 Abs. 2 VwGO, § 127 BRRG).
72Rechtsmittelbelehrung
73Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
74Die Beschwerde ist beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils einzulegen. Die Beschwerde muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
75Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem oben genannten Gericht einzureichen.
76Für das Beschwerdeverfahren besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und für die Begründung. Danach muss sich jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellt, durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst vertreten lassen.
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