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Das angefochtene Urteil wird geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Die Klägerin betrieb auf ihrem Werksgelände in K. -N. eine Anlage mit zwei Drehtrommelöfen zur Veraschung von Industrieschlämmen (Schlammverbrennungsanlage) mit thermischer Abgasnachverbrennung und Elektrofilter mit einer Verbrennungskapazität von 4,25 t Schlämmen pro Stunde. Errichtung und Betrieb der Anlage wurden durch den Beschlussausschuss der Stadt K. mit Bescheiden vom 4. April und 25. Juli 1968 gemäß § 16 GewO genehmigt. Zum damaligen Zeitpunkt produzierte die Klägerin in den Werken K. -N. und D. . Im Jahr 1970 ging das Werk in S. in Betrieb.
3Unter dem 10. Januar 1974 zeigte die Klägerin der Beklagten die Schlammverbrennungsanlage nach § 9 AbfG a. F. an. In der Anzeige heißt es u. a., in der Anlage würden die in den Werken K. , D. und W. täglich anfallenden Abwasser, Schleif- und Farbschlämme sowie Altöl entsprechend den Auflagen der Genehmigung vernichtet. Gleichzeitig beantragte die Klägerin die Einsammlungs- und Beförderungsgenehmigung für die Abfälle aus dem Werk in D. und erklärte, hinsichtlich der Abfälle aus W. werde die Transportgenehmigung beim Regierungspräsidenten in D. beantragt werden.
4Ein von der Beklagten mit Datum vom 23. Oktober 1981 für die Schlammverbrennungsanlage erteilter Änderungsbescheid - wesentlicher Gegenstand war der Einbau eines Abhitzekessels - enthielt als Nebenbestimmung u.a. die Festlegung der Abfallstoffe, die in der Anlage verbrannt werden durften; ferner legte er Emissionsgrenzwerte für Abgase fest.
5In der Folgezeit wurden in der Schlammverbrennungsanlage neben Schlämmen aus den Werken K. -N. , D. und W. auch Abfälle aus dem Werk in S. verbrannt. Nachdem die Zulässigkeit der Anlieferung dieser zuletzt genannten Abfälle von der Beklagten in Zweifel gezogen worden war und sich auch in mehreren Besprechungen zwischen den Beteiligten nicht hatte klären lassen, beantragte die Klägerin am 12. März 1985 bei der Beklagten die Genehmigung der "Erweiterung des Entsorgerkreises auf alle deutschen Werke der F. -W. Aktiengesellschaft sowie auf Fremdentsorger" gemäß § 7 Abs. 2 AbfG in der damaligen Fassung.
6Mit Bescheid vom 10. Februar 1988 erteilte die Beklagte der Klägerin gestützt auf § 15 i.V.m. § 6 BImSchG die Genehmigung, in der Schlammverbrennungsanlage Abfälle aus den Werken in K. -N. , D. , W. und S. zu beseitigen. Dabei wurde die Genehmigung zur Beseitigung der Abfälle aus dem F. -Werk S. bis zum 31. Dezember 1992 befristet. Zur Begründung der Befristung verwies die Beklagte darauf, dass Abfälle grundsätzlich ortsnah entsorgt werden sollen. Die beantragte Erweiterung des Entsorgerkreises auf Fremdentsorger lehnte die Beklagte ab.
7Unter dem 3. März 1988 legte die Klägerin gegen eine andere Nebenbestimmung des Genehmigungsbescheides Widerspruch ein, den sie am 25. Juli 1988 wieder zurücknahm.
8Mit Bescheiden vom 25. Februar 1988 und 25. Januar 1989 erteilte der Minister für Umwelt des Saarlandes der Klägerin - zunächst bis 31. Dezember 1992 befristet - die Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang für die Abfälle aus dem Werk S. . Mit Ergänzungsbescheid vom 17. November 1992 wurde die Befreiung bis zum 31. Dezember 1996 verlängert.
9Am 19. August 1992 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen "Antrag auf Fristverlängerung zur Beseitigung von Abfällen aus dem F. -Werk S. " "... über den 31.12.1992 hinaus". Zur Begründung führte sie aus, der Betrieb der Schlammverbrennungsanlage, an dem sich nichts Wesentliches geändert habe, laufe reibungslos; eine ortsnahe Entsorgungsmöglichkeit werde auch ab 1993 nicht zur Verfügung stehen.
10Mit Bescheid vom 29. Oktober 1992 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass dem Antrag auf Fristverlängerung nicht entsprochen werden könne. Nach § 43 Abs. 2 VwVfG NRW ende die Wirksamkeit eines befristeten Verwaltungsakts mit dem bestimmten Zeitpunkt; weder das Bundesimmissionsschutzgesetz noch das Abfallgesetz räumten die Möglichkeit einer Fristverlängerung ein. Es bleibe der Klägerin unbenommen, den Sachverhalt in den ausstehenden Genehmigungsantrag zur Erfüllung der Anforderungen der 17. BImSchV einzubeziehen.
11Die Klägerin erhob gegen diesen Bescheid am 4. Dezember 1992 Widerspruch. Zur Begründung ihres nach Ziffer 1. des Widerspruchsschreibens auf "eine befristete Verlängerung bis zur Erteilung der Sanierungsgenehmigung" gerichteten Begehrens machte sie geltend: Das Abfallgesetz und das Bundesimmissionsschutzgesetz schlössen eine Verlängerungsmöglichkeit nicht explizit aus. Die Möglichkeit der Fristverlängerung ergebe sich aus allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen. Die Fristverlängerung sei angesichts der im Saarland nach wie vor fehlenden Entsorgungsmöglichkeiten auch sinnvoll. Sollte die Beklagte bei ihrer Auffassung verbleiben, dass eine Fristverlängerung im Rahmen des Ermessens nicht in Betracht komme, werde - so Ziffer 2. des Widerspruchsschreibens - vorsorglich ausdrücklich der Antrag gestellt, eine Änderungsgenehmigung für die Schlammverbrennungsanlage zu erteilen, dass ab dem 1. Januar 1993 bis zum 31. März 1994, dem Datum der zeitweiligen Stilllegung der Anlage zur Erfüllung der Anforderungen der 17. BImSchV, die Behandlung der Lackschlämme aus dem Werk S. genehmigt werde. Der Sachverhalt habe sich seit März 1985 nicht geändert. Daher werde gebeten, von der erneuten Einreichung von Unterlagen sowie der Offenlegung des Antrags und dem Behördenbeteiligungsverfahren abzusehen.
12Mit Bescheid vom 21. Dezember 1992 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen die Ablehnung des Fristverlängerungsantrags zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Genehmigung ende mit Ablauf des 31. Dezember 1992. Dem Begehren der Klägerin könne nur im Wege einer Neu- oder Änderungsgenehmigung entsprochen werden. Über den hilfsweise gestellten Änderungsantrag erhalte die Klägerin einen gesonderten Bescheid. Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 23. Dezember 1992 zugestellt.
13Am 25. Januar 1993, einem Montag, hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen:
14Die ursprüngliche Fristbestimmung sei nicht nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz erfolgt, da ein entsprechender Antrag nach § 12 BImSchG der Befristung der Genehmigung vom 10. Februar 1988 nicht zugrundegelegen habe. Auch das Abfallrecht sehe keine Befristung einer Genehmigung vor. Damit handele es sich bei der gesetzten Frist um eine solche im Sinne von § 31 VwVfG NRW. Als behördliche Frist könne sie nach § 31 Abs. 7 VwVfG NRW verlängert werden. Zur Ablehnung dieses Antrags fehlten im Bescheid der Beklagten jegliche Ermessenserwägungen. Da zwischenzeitlich keine Änderung der Sachlage eingetreten sei, sei von einer Ermessensschrumpfung auf Null auszugehen: Das Werk sei unverändert, eine Entsorgungsmöglichkeit im Saarland sei nicht gegeben und eine Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang liege vor. Den Regelungen der 17. BImSchV sei dadurch Rechnung getragen, dass die Verlängerung der Befristung nur bis zum 28. Februar 1994 beantragt worden sei. In anderen Fällen seien von der Beklagten Befristungen problemlos verlängert worden. Von einem Rechtsmittel gegen die Befristung in der Genehmigung habe sie, die Klägerin, seinerzeit abgesehen, da sich das Genehmigungsverfahren schon lange genug hingezogen habe. Die von der Beklagten im gerichtlichen Verfahren nachgeholte Ermessensbetätigung sei unzulässig.
15Mit Schreiben vom 16. November 1993 nahm die Klägerin gegenüber der Beklagten den im Widerspruch vom 4. Dezember 1992 hilfsweise gestellten Antrag auf Genehmigung der Änderung des Betriebs der Schlammverbrennungsanlage zurück. Zum 1. März 1994 nahm sie die Schlammverbrennungsanlage zur Altanlagensanierung vorübergehend außer Betrieb. Die in der Zeit zwischen dem 1. Januar 1993 und dem 28. Februar 1994 im Werk S. angefallenen Lackschlämme wurden anderweitig entsorgt. Mit Schreiben vom 21. August 1995 forderte die Klägerin die Beklagte auf, die ihr für diese Entsorgung der Abfälle aus dem Werk S. entstandenen Mehrkosten in Höhe von 1.310.807,-- DM auszugleichen, anzuerkennen oder insofern auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. Am 20. Dezember 1995 hat sie insofern, gestützt auf § 39 Abs. 1 Buchst. b OBG NRW Klage gegen das Land Nordrhein-Westfalen beim Landgericht K. (5 O 441/95) eingereicht. Unter dem 30. Dezember 1996 genehmigte die Beklagte die wesentliche Änderung der Schlammverbrennungsanlage der Klägerin. Die Genehmigung lässt unter anderem auch die Verbrennung von Lackschlämmen aus dem Werk der Klägerin in S. zu.
16Die Klägerin, die ursprünglich beantragt hatte,
17die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 29. Oktober 1992 und ihres Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 1992 zu verpflichten, den Verlängerungsantrag vom 14. August 1992 positiv zu bescheiden,
18hilfsweise,
19die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 29. Oktober 1992 und ihres Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 1992 zu verpflichten, den Verlängerungsantrag vom 14. August 1992 neu zu bescheiden,
20hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
21festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 29. Oktober 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 1992 rechtswidrig war.
22Die Beklagte hat beantragt,
23die Klage abzuweisen.
24Sie hat geltend gemacht: Eine Fristverlängerung nach § 31 Abs. 7 VwVfG NRW sei nicht in Betracht gekommen, da es sich bei der Befristung der Erweiterung des Entsorgerkreises um eine uneigentliche Frist handele, bei der eine Verlängerungsmöglichkeit nur bei ausdrücklicher entsprechender gesetzlicher Regelung zulässig sei. Eine derartige Regelung fehle. Eine Verlängerung sei nur im Wege des Neu- bzw. Änderungsgenehmigungsverfahrens in Betracht gekommen, da der Kernbereich der Anlage betroffen gewesen sei; dies hätte eine erneute umfassende Prüfung der Belange des Abfall- wie Immissionsschutzrechts erfordert, da sich die Sach- und Rechtslage in der Zeit zwischen 1988 und 1992 geändert habe. So habe sich zwischenzeitlich die Lärmsituation geändert, da seit 1988 im Umfeld der Anlage diverse Bauvorhaben durchgeführt worden seien. Auch habe die Anlage nicht mehr den geltenden Emissionswerten für Luftschadstoffe und den Anforderungen der TA Abfall entsprochen. Jedenfalls habe eine Ermessensreduzierung zu Gunsten der Klägerin nicht vorgelegen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Entsorgung der Lackschlämme ureigenste Aufgabe der Klägerin sei.
25Mit Urteil vom 13. Februar 1998, auf das verwiesen wird, hat das Verwaltungsgericht antragsgemäß festgestellt, dass der Bescheid der Beklagten vom 29. Oktober 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 1992 rechtswidrig war. Das Urteil wurde der Beklagten am 10. März 1998 zugestellt.
26Auf den fristgemäß am 14. April 1998, dem Dienstag nach Ostern, gestellten Antrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 8. Februar 2000 die Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zugelassen.
27Die Beklagte macht geltend: Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts habe es sich bei der Genehmigung vom 10. Februar 1988 um eine Erweiterung der Befugnisse der Klägerin gehandelt. Das ergebe sich daraus, dass die ursprüngliche Genehmigung von 1968 datiere, während das Werk in S. erst 1970 in Betrieb genommen worden sei. Dies folge weiter aus der Anzeige dieser Anlage durch die Klägerin nach § 9 AbfG von 1974 und werde auch dadurch bestätigt, dass die Klägerin 1985 ausdrücklich eine Erweiterung des Entsorgerkreises beantragt habe. Mit Ablauf der in der Genehmigung vom 10. Februar 1988 enthaltenen Befristung für die Verbrennung von Abfällen aus dem Werk S. sei die Genehmigung insofern erloschen. Die Verlängerung einer befristeten Genehmigung sähen weder das Bundesimmissionsschutzgesetz noch das Abfallgesetz vor; vielmehr sei allein eine komplette Neuerteilung möglich.
28§ 31 Abs. 7 VwVfG NRW sei bereits tatbestandlich nicht anwendbar. Selbst wenn man jedoch von dieser Norm ausginge, habe sie, die Beklagte, ihr Ermessen nicht fehlerhaft ausgeübt. Eine Ermessensreduzierung zu Gunsten der Klägerin sei nicht eingetreten. Zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidung habe sich der Sachverhalt gegenüber 1988 geändert dargestellt. Es habe die Notwendigkeit bestanden, die Anforderungen der 17. BImSchV einzuhalten, denen die Schlammverbrennungsanlage seinerzeit nicht genügt habe. Da die Anlage die Grenzwerte für Dioxin nicht eingehalten habe, sei eine weitere Erhöhung des Verbrennungsaufkommens nicht vertretbar gewesen. Hierbei handele es sich entgegen der Ansicht der Klägerin nicht um ein Nachschieben von Ermessensgründen, sondern um die Darlegung der damals angestellten Erwägungen. Das Inkrafttreten der 17. BImSchV könne entgegen der Ansicht der Klägerin nicht als "völlig neuer Gesichtspunkt" angesehen werden.
29Die Beklagte beantragt,
30das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
31Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt, dass sie mit ihrer Klage ihr ursprüngliches Verpflichtungsbegehren im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage weiterverfolge, und beantragt,
32festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet war, antragsgemäß die Verlängerung der Genehmigung zur Verbrennung der Schlämme aus dem Werk S. über den 31. Dezember 1992 hinaus zu erteilen.
33Sie macht geltend: Grund für die Befristung der Erweiterung des Entsorgerkreises sei aus Sicht der Beklagten die Unmöglichkeit einer ortsnahen Entsorgung der Abfälle aus S. gewesen. Dieser Grund habe 1992 unverändert fortbestanden. Die Verlängerung sei allein aus der - nach den erstinstanzlichen Darlegungen unzutreffenden - Erwägung abgelehnt worden, das Gesetz sehe eine Verlängerung der Befristung nicht vor. Dem widerspreche bereits die ständige Praxis der Beklagten; die Verlängerung sei seinerzeit als Formsache angesehen worden. Änderungen der Rechtslage oder des Standes der Technik seien zwischen 1988 und 1992 nicht eingetreten. Aus dem Ablehnungsbescheid vom 29. Oktober 1992 ergebe sich auch, dass die Beklagte in eine materielle Prüfung nicht eingetreten sei. Bei den von der Beklagten nunmehr zur Ablehnung der Verlängerung vorgetragenen Erwägungen handele es sich um ein Nachschieben von Ermessenserwägungen, das auch in Ansehung der Neufassung des § 114 VwGO nicht zulässig sei.
34Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten in diesem und dem Verfahren vor dem Landgericht K. , 5 O 441/95, sowie der von der Klägerin und der Beklagten in diesen Verfahren vorgelegten Unterlagen (Beiakten Hefte 1 bis 7) Bezug genommen.
35Entscheidungsgründe:
36Die zugelassene Berufung ist zulässig. Sie ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die von der Klägerin als Fortsetzungsfeststellungsklage weitergeführte Verpflichtungsklage (§§ 113 Abs. 5, 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog) ist mit dem im Berufungsverfahren zuletzt gestellten Antrag zwar zulässig, aber unbegründet.
37Dabei kann dahinstehen, ob das von der Klägerin nach ihrer Erklärung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat im Berufungsverfahren verfolgte Klagebegehren gegenüber dem erstinstanzlich zuletzt verfolgten Klagebegehren im Sinne des § 91 VwGO geändert ist, oder ob - wovon der Senat ausgeht - lediglich eine notwendige Klarstellung erfolgt ist. Eine in der Erklärung eventuell zu erblickende Klageänderung, die die Klägerin gemäß § 127 VwGO zulässigerweise zum Gegenstand des von der Beklagten geführten Berufungsverfahrens hätte machen können, wäre jedenfalls sachdienlich im Sinne von § 91 Abs. 1 VwGO. Die Klägerin hat lediglich das mit der Klageerhebung ursprünglich verfolgte Verpflichtungsbegehren - im nach Erledigung der Hauptsache gegebenen Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage - wieder aufgegriffen und der Streitgegenstand ist im Ergebnis unverändert geblieben ist.
38Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist damit das von der Klägerin im Berufungsverfahren in entsprechender Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO verfolgte Begehren, festzustellen, dass sie - bevor sich das Verfahren durch vorübergehende Stilllegung der Schlammverbrennungsanlage zur Altanlagensanierung und anderweitige Entsorgung der in der Zwischenzeit im Werk S. angefallenen Abfälle in der Hauptsache erledigt hatte - gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Verlängerung der in der Genehmigung vom 10. Februar 1988 für die Entsorgung von Abfällen aus diesem Werk enthaltenen Befristung hatte, ohne dass hierfür ein förmliches immissionsschutzrechtliches Änderungsgenehmigungsverfahren durchzuführen gewesen wäre.
39Letztere Begrenzung des Streitgegenstandes folgt unmittelbar aus dem ursprünglichen Klagebegehren. Dass das mit der Klage ursprünglich verfolgte Begehren allein auf eine solche nichtförmliche "Verlängerung" der Befristung durch die Beklagte nach § 31 Abs. 7 VwVfG NRW, nicht hingegen auf eine immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung nach § 15 BImSchG a.F. gerichtet war, die die Klägerin mit demselben Ziel hätte anstreben können, ergibt sich bereits daraus, dass mit dem streitbefangenen Bescheid vom 29. Oktober 1992 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. Dezember 1992 allein der auf nichtförmliche Verlängerung gerichtete Antrag abgelehnt worden war, während die Beklagte sich eine Entscheidung über den im Widerspruchsschreiben der Klägerin hilfsweise gestellten Antrag auf Erteilung einer Änderungsgenehmigung ausdrücklich noch vorbehalten hatte. Die Begrenzung des Klagebegehrens auf eine nichtförmliche Verlängerung wird auch dadurch bestätigt, dass die Klägerin den bei der Beklagten hilfsweise gestellten Antrag auf Änderungsgenehmigung noch vor seiner Bescheidung zurückgenommen hat.
40Die Verpflichtungsklage mit diesem Begehren war zulässig. Insbesondere führte die Rücknahme des Antrags auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigung nicht dazu, dass für das Begehren auf nichtförmliche Verlängerung der Befristung das Rechtsschutzinteresse entfiel.
41Zweifel an einem Fortsetzungsfeststellungsinteresse der Klägerin für den in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat formulierten Feststellungsantrag bestehen nicht. Anders als bei dem in erster Instanz zuletzt gestellten Klageantrag könnten die Erfolgsaussichten für den beim Landgericht K. bereits anhängigen Entschädigungsprozess im Falle einer dem nunmehr gestellten Klageantrag gemäßen Feststellung nicht von vornherein verneint werden.
42Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hatte bis zum Eintritt der Hauptsacheerledigung keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erteilung einer Verlängerung der Befristung der Genehmigung über den 31. Dezember 1992 hinaus ohne Durchführung eines förmlichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens.
43Als Rechtsgrundlage für einen solchen Anspruch auf eine nichtförmliche Verlängerung, die für eine Vollgenehmigung wie die hier streitgegenständliche weder das Bundesimmissionsschutzgesetz noch das Abfallgesetz vorsehen, kam allein die von der Klägerin auch in Anspruch genommene Regelung des § 31 Abs. 7 VwVfG NRW in Betracht; hiernach können Fristen, die von einer Behörde gesetzt sind, - auch rückwirkend - verlängert werden. Diese Vorschrift ist jedoch für die Verlängerung von Befristungen, die immissionsschutzrechtlichen Vollgenehmigungen beigegeben worden sind, nicht anwendbar; eine Anwendung dieser Vorschrift wird durch die speziellen und insofern abschließenden Regelungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes verdrängt.
44Die Regelungen des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts sind nur anwendbar, wenn sich aus den anzuwendenden spezialgesetzlichen Regelungen des einschlägigen Rechtsgebiets nichts Gegenteiliges ergibt. Das ist hier jedoch der Fall. Gegen die Anwendbarkeit des § 31 Abs. 7 VwVfG NRW im immissionsschutzrechtlichen Anlagegenehmigungsverfahren sprechen bereits gesetzessystematische Gründe.
45§ 12 BImSchG, der die Beifügung von Nebenbestimmungen zu immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen regelt, stellt nach überwiegender Meinung eine abschließende und die allgemeinen Regelungen des § 36 VwVfG verdrängende Vorschrift dar.
46Vgl. etwa Jarass, BImSchG, 4. Aufl., § 12 Rdn. 20; Storost, in: Ule/Laubinger, BImSchG, § 12 Anm. B 1; Sellner, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 12 BImSchG Rdn. 7.
47Es besteht kein Anlass anzunehmen, dass dieser Ausschluss des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts durch die Regelungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes zwar für die erstmalige Festsetzung einer - in § 12 BImSchG abschließend geregelten - Befristung, nicht hingegen für deren spätere Verlängerung durch folgende "Anschluss-Befristungen" gelten sollte.
48Auch der Umstand, dass der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber die Möglichkeit einer Verlängerung befristet erteilter immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen ersichtlich gesehen, aber allein für Versuchsanlagen in Form einer auf eine einmalige Verlängerung um maximal ein Jahr beschränkten Ermessensermächtigung (§ 2 Abs. 3 S. 1 Halbs. 2 der 4. BImSchV) geregelt hat, zwingt zu dem Gegenschluss, dass es mit dieser singulären Verlängerungsmöglichkeit außerhalb eines förmlichen (Änderungs-) Genehmigungsverfahrens im Anwendungsbereich des Bundesimmissionsschutzgesetzes sein Bewenden haben sollte; wäre § 31 Abs. 7 VwVfG NRW neben den immissionsschutzrechtlichen Regelungen anwendbar, verlöre diese Vorschrift ihren Sinn.
49Im Übrigen stellte sich die von der Klägerin angenommene Möglichkeit einer Verlängerung der Gültigkeitsdauer einer Genehmigung nach § 31 Abs. 7 VwVfG NRW aufgrund einer Ermessensentscheidung ohne Durchführung eines förmlichen Genehmigungsverfahrens als Fremdkörper im Gefüge der immissionsschutzrechtlichen Regelungen dar:
50Das Immissionsschutzrecht enthält umfangreiche Regelungen über das Verfahren bei der Erteilung von Genehmigungen für die Errichtung und den Betrieb sowie Änderungen genehmigungsbedürftiger Anlagen (§ 10 BImSchG i.V.m. der 9. BImSchV) wie derjenigen der Klägerin (vgl. § 4 Abs. 1 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 1 und Nr. 8.1 Spalte 1 des Anhangs zur 4. BImSchV i.d.F. vom 24. Juli 1985, BGBl. I S. 1586). Zweck dieser Regelungen ist es, einen Interessenausgleich zwischen den widerstreitenden schutzwürdigen Belangen des Anlagenbetreibers einerseits und denjenigen der Nachbarn der Anlage und der Allgemeinheit andererseits herzustellen.
51Gewicht kommt hierbei zum einen dem Schutz der Eigentumsrechte des Anlagenbetreibers zu, der zur Errichtung der Anlage regelmäßig ganz erhebliche Investitionen tätigt, die sich erst nach einem längerfristigen Anlagenbetrieb wirtschaftlich rentieren. Dem Schutz dieser Interessen dient es, dass es sich bei immissionsschutzrechtlichen Anlagegenehmigungen um gebundene Entscheidungen handelt, auf deren Erteilung der Anlagenbetreiber beim Fehlen von Versagungsgründen einen Anspruch hat (§ 6 BImSchG). Dem widerspräche eine Regelung, die der Genehmigungsbehörde hinsichtlich der Verlängerung der Befristung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung einen Ermessensspielraum einräumt.
52Für das immissionsschutzrechtliche Anlagegenehmigungsverfahren kommt des Weiteren der Beteiligung der Öffentlichkeit ein besonderes Gewicht zu. Diese erfordert eine Bekanntgabe aller wesentlichen Aspekte einer beantragten Anlagengenehmigung. Die Zeitspanne, innerhalb derer eine genehmigungsbedürftige Anlage betrieben werden soll, ist ohne weiteres als in diesem Sinne wesentlich anzusehen. Ließe man eine Verlängerung der Befristung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung außerhalb des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens zu, so führte dies dazu, dass hinsichtlich dieses wesentlichen Aspekts des Anlagenbetriebs die Öffentlichkeitsbeteiligung unterlaufen würde.
53So auch Blankenagel, in: Koch/Scheuing, GK- BImSchG, § 12 Rdn. 24.
54Insgesamt ist hieraus der Schluss zu ziehen, dass jedenfalls bei einer - hier im Streit stehenden - Vollgenehmigung die Verlängerung einer ursprünglich angeordneten Befristung nicht in Anwendung des § 31 Abs. 7 VwVfG NRW, sondern allein in einem formellen immissionsschutzrechtlichen Neu- oder Änderungsgenehmigungsverfahren nach §§ 10 bzw. 19 BImSchG erfolgen kann. Dies entspricht auch der herrschenden, wenn nicht der einhelligen Auffassung im immissionsschutzrechtlichen Schrifttum.
55Vgl. Vallendar, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, § 12 BImSchG Rdn. 9; Jarass, a.a.O., § 12 Rdn. 18; Blankenagel, in: Koch/ Scheuing, a.a.O., § 12 Rdn. 24; Sellner, in: Landmann/Rohmer, a.a.O., § 12 BImSchG Rdn. 64; wohl auch Storost, in: Ule/Laubinger, a.a.O., § 12 Anm. D 15 "Antrag auf Genehmigung des Weiterbetriebs".
56Mit ihrer abweichenden Ansicht kann die Klägerin sich auch nicht auf die von ihr genannten Literaturauffassungen stützen. Diese Stimmen verweisen zwar hinsichtlich der Möglichkeit einer rückwirkenden Verlängerung nach Ablauf der Befristung auf § 31 Abs. 7 VwVfG; sie weisen aber an denselben Stellen darauf hin, dass über den Antrag "im Genehmigungsverfahren nach §§ 10 oder 19 entschieden werden" müsse -
57Schmatz/Nöthlichs, Immissionsschutz, § 12 BImSchG Anm. 5 -
58bzw. "die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen" müssten -
59Stich/Porger, Immissionsschutzrecht, § 12 BImSchG Rdn. 21 -,
60wobei die zuletzt genannten Autoren unmittelbar zuvor -
61a.a.O., Rdn. 20 -
62die Bedeutung des Antrags für den Ablauf des Genehmigungsverfahrens herausstellen und hieraus den Schluss ziehen, eine Befristung einer Genehmigung über den im Antrag genannten Termin hinaus sei wegen Unterlaufens der Information der Öffentlichkeit unzulässig - eine Einwendung, die auch gegen eine spätere Verlängerung der Frist durch die Behörde außerhalb des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens und damit ohne Öffentlichkeitsbeteiligung anzumelden ist.
63Die von der Klägerin für eine Anwendung des § 31 Abs. 7 VwVfG NRW genannten Gründe greifen demgegenüber nicht durch. Das von der Klägerin hervorgehobene Fehlen eines auf die Befristung der ursprünglichen Genehmigung zielenden Antrags hätte zwar möglicherweise zu einer Rechtswidrigkeit der in der Genehmigung vom 10. Februar 1988 ausgesprochenen Befristung, nicht aber dazu geführt, dass diese nicht als eine Befristung im Sinne von § 12 BImSchG angesehen werden könnte, sondern als eine allgemeine verwaltungsverfahrensrechtliche Befristung auf Grundlage des § 36 VwVfG NRW angesehen werden müsste, da - wie ausgeführt - für eine Anwendung der zuletzt genannten Vorschrift bei immissionsschutzrechtlichen Anlagegenehmigungen kein Raum ist. Der möglichen Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Befristung kam wegen der eingetretenen Bestandskraft auch im Übrigen keine Bedeutung zu. Die Klägerin konnte schließlich auch aus den nach ihren Angaben in der Vergangenheit von der Beklagten mehrfach gewährten Verlängerungen keine Rechte herleiten. Sollten diese Verlängerungen vergleichbare Fallgestaltungen betroffen haben, wären sie rechtswidrig gewesen. Ein Anspruch auf weiteres rechtswidriges Handeln der Beklagten ergab sich hieraus nicht.
64Konnte die Klägerin sich somit für ihr Verlängerungsbegehren nicht auf eine Ermessensvorschrift stützen, so gehen sowohl ihre Erwägungen zur Ermessensausübung der Beklagten und zum Nachschieben von Ermessenserwägungen als auch die tragenden Ausführungen im angefochtenen Urteil des Verwaltungsgerichts bereits vom Ansatz her ins Leere; im Übrigen konnte entgegen dem Ausgangspunkt des Verwaltungsgerichts im angefochtenen Urteil die "Genehmigung zur Erweiterung des Entsorgerkreises" vom 10. Februar 1988 schon deshalb keine Beschränkung einer ursprünglichen Befugnis der Klägerin zum uneingeschränkten Betrieb der Schlammverbrennungsanlage zum Inhalt haben, weil die ursprüngliche Genehmigung vom 4. April/ 25. Juli 1968 das erst 1970 in Betrieb gegangene Werk in S. ersichtlich nicht einschloss und eine Verbrennung von Abfällen aus diesem Werk daher nicht gestattet hat.
65Vgl. zum Regelungsgehalt einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1989 - 7 C 35.87 -, BVerwGE 84, 220 (224).
66Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
67Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.
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