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Die Berufung wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d
2Der am 16. November 1953 geborene Kläger stand in der Zeit vom 11. Mai 1982 bis zum 31. Oktober 1997 als Beamter im feuerwehrtechnischen Dienst (Rettungsdienst) der Beklagten, zuletzt im Dienstgrad eines Oberbrandmeisters. Der Ernennung ging eine amtsärztliche Untersuchung durch den Oberkreisdirektor des F. -S. -Kreises vom 16. Oktober 1981 voraus, wonach der Kläger "gesundheitlich geeignet zur Einstellung als Feuerwehrmann-Anwärter" sei.
3Seit dem 29. August 1995 war er dienstunfähig. Einem ärztlichen Attest des Arztes für Neurologie und Psychiatrie C. vom 22. September 1995 zufolge sollte der Kläger wegen eines Wirbelsäulenleidens "Tätigkeiten mit zu langem Sitzen, Stehen, sowie das Heben und Tragen schwerer Lasten" vermeiden.
4Unter dem 2. November 1995 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf "Anerkennung als Berufskrankheit § 2108 Berufskrankheitenverordnung" und gab zur Begründung an: Am 24. August 1995 habe er sich im Rahmen eines Rettungseinsatzes beim Transport einer ca. 120 kg schweren Patientin so verhoben, dass sich bis zum heutigen Tag die Rückenbeschwerden nicht gebessert hätten. Der bei dem Einsatz gleichfalls anwesende Feuerwehrbeamte Hartkemper gab hierzu am 11. Januar 1996 auf Nachfrage der Beklagten an: Bei dem Transport der Kranken innerhalb des Hauses und bis zum Rettungstransportwagen habe er von dem Kläger nichts gehört. Erst bei der Ankunft am Krankenhaus habe dieser über Rückenschmerzen geklagt und gemeint, sich verhoben zu haben. Der Rettungsassistent Kramps, der ebenfalls an dem Einsatz beteiligt war, und der Feuerwehrbeamte N. , mit dem der Kläger am 25./26. und 27./28. August 1995 seinen Dienst versah, führten auf Nachfrage der Beklagten am 12. Januar 1996 übereinstimmend aus, der Kläger habe ihnen gegenüber keine Angaben über Rückenbeschwerden gemacht.
5Ein im Auftrag der Beklagten zur Frage der Einsatz- und Dienstfähigkeit erstelltes amtsärztliches Gutachten des Oberkreisdirektors des F. -S. -Kreises vom 15. Februar 1996 schließt mit der Feststellung, der Kläger sei wegen eines kleinen Bandscheibenvorfalls L 5/S 1 sowie einer geringen Vorwölbung der Bandscheibe L 4/5 mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung im Bereich des linken Fußes nicht mehr im Feuerschutz- und Rettungsdienst einsetzbar. Das Restleistungsvermögen umfasse lediglich leichte körperliche Tätigkeiten im Wechsel der Körperhaltung.
6Mit Bescheid vom 15. März 1996, dem eine Rechtsmittelbelehrung nicht beigefügt war, lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Anerkennung eines Dienstunfalls ab und gab zur Begründung an: Aufgrund der Angaben der befragten Zeugen könne nicht festgestellt werden, dass er sich anlässlich des Krankentransportes am 24. August 1995 ein Rückenleiden zugezogen habe. Nach dem amtsärztlichen Untersuchungsergebnis handele es sich nicht um ein schweres Rückenleiden, das überdies im Rahmen seiner Nebentätigkeit oder bei persönlichen Verrichtungen entstanden sein könne.
7Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 23. Januar 1997 Widerspruch ein, zu dessen Begründung er geltend machte: Zwischenzeitlich habe sich aufgrund einer Vielzahl von Untersuchungen herausgestellt, dass es sich bei seinem Bandscheibenleiden um eine Berufskrankheit der Nr. 2108 der Berufskrankheitenverordnung handele. Die von ihm durchgeführten Krankentransporte und Rettungsdiensteinsätze hätten das ständige Heben von Gewichten von 20 bis 25 kg erfordert. Er könne sich die Erkrankung nicht außerhalb des Dienstes zugezogen haben, weil er bei seiner Tätigkeit als Desinfektor kaum schwere Lasten tragen müsse. Der festgestellte Bandscheibenvorfall sei allein auf den Vorfall vom 24. August 1995 zurückzuführen.
8In einem zur Frage der anderweitigen Verwendungsmöglichkeiten des Klägers eingeholten weiteren amtsärztlichen Gutachten des Landrats des F. -S. - Kreises vom 29. Januar 1997 heißt es: Der Kläger habe sich im Oktober 1996 wegen auftretender Lähmungen einer Bandscheibenoperation in Höhe L 5/S 1 unterzogen. Im Dezember 1996 sei ein Bandscheibenvorfall in Höhe L 4/L 5 aufgetreten, unter dessen Begleiterscheinungen in Form von Schmerzen und erheblicher Bewegungseinschränkung der Kläger trotz intensiver Krankengymnastik und Elektrotherapie nach wie vor leide. Derzeit sei der Kläger für jegliche Art von Tätigkeit nicht einsatzfähig. Dies bedeute, dass er auch für den allgemeinen Verwaltungsdienst dienstunfähig sei. Es sei unwahrscheinlich, dass innerhalb der nächsten sechs Monate die Dienstfähigkeit wiederhergestellt werde, so dass die Voraussetzungen für eine dauernde Dienstunfähigkeit vorlägen.
9Mit Widerspruchsbescheid vom 7. April 1997 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 15. März 1996 zurück und führte aus: Das Vorliegen eines Dienstunfalls, das auch Voraussetzung für die Anerkennung einer Berufskrankheit sei, könne nicht festgestellt werden. Der festgestellte Bandscheibenvorfall sei kein plötzlich auftretendes Ereignis, das auf dem Vorfall vom 24. August 1995 beruhe. Die Anerkennung einer Berufskrankheit scheitere daran, dass der Kläger durch seine dienstliche Tätigkeit keiner erhöhten Gefahr ausgesetzt gewesen sei, an der Wirbelsäule zu erkranken. Die in den Rettungstransportfahrzeugen vorhandene sog. FERNO-Trage könne wegen des ausklappbaren Fahrgestells auf ebenen Flächen geschoben worden. Liegendtransporte, beispielsweise in engen Treppenhäusern, seien demgegenüber nicht die Regel. Zudem beinhalte seine nebenberufliche Tätigkeit als Desinfektor Belastungen für die Wirbelsäule, die für die Verschleißerscheinungen mitursächlich seien.
10Am 30. April 1997 hat der Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung er sein bisheriges Vorbringen ergänzt und vertieft hat. Darüber hinaus hat er geltend macht: Es treffe nicht zu, dass er bei der Ausübung der Nebentätigkeit schwere Lasten getragen habe. Für die erforderlichen Entrümpelungsarbeiten seien Aushilfskräfte eingestellt worden.
11Nach einem von der Beklagten eingeholten Gutachten des beim Institut für Medizinische Begutachtung tätigen Facharztes für Orthopädie L. -K. H. vom 18. Juni 1997, auf dessen Grundlage der Kläger in der Folgezeit auf seinen Antrag hin wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden ist, sind bei dem Kläger ein erneuter Bandscheibenvorfall L 4/5 rechts mit funktionellen und sensiblen Auswirkungen sowie Gangstörungen, ein sog. "Tennisellenbogen" und eine Hüftgelenksfehlanlage beiderseits mit erhaltenem Bewegungsumfang festgestellt worden. Das Gutachten schließt mit der Feststellung, dem Kläger könnten gegenwärtig keine Tätigkeiten zugemutet werden und auch nach einer erneuten Operation an der Lendenwirbelsäule sei nicht damit zu rechnen, dass er für Tätigkeiten im Brandschutz oder Rettungsdienst belastbar sei. Es sei zwar denkbar, dass er nach einer solchen Operation und erfolgreichen Anschlussbehandlung Bürotätigkeiten ausüben könne, eine Prognose sei jedoch derzeit nicht möglich.
12Mit dem angefochtenen Urteil vom 3. Juni 1998 hat das Verwaltungsgericht die Klage mit dem Antrag,
13die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Stadtdirektors der Stadt I. vom 15. März 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. April 1997 zu verpflichten, sein Bandscheibenleiden als Berufskrankheit, hilfsweise als Folge eines am 24. August 1995 erlittenen Dienstunfalls anzuerkennen,
14mit im Wesentlichen folgender Begründung abgewiesen: Das Bandscheibenleiden des Klägers sei keine Berufskrankheit im Sinne des § 31 Abs. 3 Sätze 1 und 3 BeamtVG und gelte damit nicht als Dienstunfall. Es sei bereits nicht dargelegt oder sonst ersichtlich, dass die Art der dienstlichen Verrichtung des Klägers dermaßen gewesen sei, dass sie erfahrungsgemäß im Ganzen gesehen ihrer Art nach eine hohe Wahrscheinlichkeit der Erkrankung dergestalt in sich geborgen hätte, dass eine Bandscheibenerkrankung des Klägers die - im Vergleich zur übrigen Bevölkerung erheblich häufiger vorkommende - typische Erkrankung darstelle. Zwar sei nicht zu verkennen, dass die Tätigkeiten des Klägers als Rettungssanitäter mitunter mit besonderen körperlichen Belastungen verbunden gewesen sein dürften, welche im Einzelfall potentiell auch zu Körperschäden hätten führen können. Solche dienstbedingten Körperschäden infolge einer besonderen körperlichen Belastung im Einzelfall unterfielen indes allein dem Regime des § 31 Abs. 1 BeamtVG, weil sie nicht dermaßen typisch für den Dienst eines Rettungssanitäters seien, dass sie von der Berufskrankheiten- Verordnung generell erfasst würden. Darüber hinaus setze die allein in Betracht kommende Nr. 2108 der Berufskrankheiten- Verordnung konkret voraus, dass die bandscheibenbedingte Erkrankung durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten hervorgerufen worden sei, was nur dann der Fall sei, wenn der Betroffene über mehrere Jahre hinweg ständig oder zumindest ganz überwiegend schwere Lasten zu tragen gehabt habe. Hiervon könne im vorliegenden Fall keine Rede sein, weil der Kläger nur gelegentlich schwere Lasten zu tragen gehabt habe, insbesondere wenn zu tragende Patienten nicht mit technischen Hilfsmitteln hätten transportiert werden können. Die bandscheibenbedingten Leiden des Klägers könnten auch nicht als Dienstunfall i.S.v. § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG anerkannt werden. Es sei nicht ersichtlich, dass am 24. August 1995 ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis stattgefunden habe. Insofern hätten die Angaben des Klägers durch Zeugenaussagen der dienstlich beteiligten Beamten im Hinblick auf das plötzliche Eintreten eines Körpersachschadens beim Kläger nicht bestätigt werden können. Dem entspreche es auch, dass der Kläger nach dem 24. August 1995 zunächst noch weiterhin Dienst versehen habe, was bei einem an diesem Tag erlittenen Bandscheibenvorfall kaum möglich gewesen wäre.
15Die mit Beschluss vom 10. September 1998, den Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 18. September 1998, zugelassene Berufung haben diese am 13. Oktober 1998 begründet.
16Bereits mit dem Zulassungsantrag hat der Kläger eine ärztliche Bescheinigung der praktischen Ärztin D. D. -T. vom 6. Juli 1998 vorgelegt, aus der sich ergibt, dass er am 29. August 1995 wegen Rückenschmerzen behandelt worden sei.
17Am 20. August 1999 hat ein Erörterungstermin vor dem Berichterstatter des damals zuständigen 12. Senats des erkennenden Gerichts stattgefunden. Dabei haben die Beteiligten zum Tätigkeitsbild eines Rettungssanitäters übereinstimmend erklärt: Bei den jährlich durchschnittlich 100 Schichten, die ein Rettungssanitäter zu absolvieren habe, ergäben sich im Schnitt 3,175 Einsätze. Diese Einsätze seien Notfalleinsätze des Rettungstransportwagens, bei denen es in fast allen Fällen zu Liegendtransporten komme, Einsätzen des Rettungstransportwagens als Krankentransportwagen und Einsätzen als Fahrer des Notarztfahrzeuges, bei denen die Notfallausrüstung mit einem Gewicht von 30 kg zu tragen sei.
18Weiterhin sind anlässlich dieses Termins die Zeugen I. , L. und N. zu dem Vorfall am 24. August 1995 befragt worden. Wegen deren Erklärungen wird auf das Sitzungsprotokoll (Blatt 156 bis 167 der Gerichtsakte) verwiesen.
19Mit Beschluss vom 30. September 1999 hat der damals zuständige 12. Senat des erkennenden Gerichts beschlossen, über die Frage, ob Beamte, die im feuerwehrtechnischen Dienst der Beklagten als Rettungssanitäter eingesetzt sind, der Gefahr, an einem Bandscheibenleiden infolge des Hebens und Tragens schwerer Lasten (Nr. 2108 der Berufskrankheiten- Verordnung) über Jahre hinweg zu erkranken, in besonderem Maße, d. h. typisch und in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind, Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Facharztes für Orthopädie H. vom Institut für Medizinische Begutachtung E. zu erheben. In dem von diesem unter dem 23. Dezember 1999 erstellten orthopädischen Fachgutachten heißt es im Wesentlichen: Mit den ermittelten 3,175 geeigneten belastenden Hebevorgängen pro Schicht würden auch die niedrigsten Dosisgrenzwerte einer gesetzlichen Unfallversicherung nicht erreicht. Die Ausprägung der Wirbelsäulenschäden an allen drei Abschnitten der Wirbelsäule des Klägers spreche für eine anlagebedingte Schädigung, da eine besondere Belastung der Halswirbelsäule beim Rettungssanitäter nicht abzuleiten sei. Es fehle die Notwendigkeit der überwiegend in Vorbeugung auszuübenden belastenden Tätigkeiten. Eine weitere Voraussetzung sei, dass die besondere Gefährdung durch die dienstlichen Verrichtungen typisch und in höherem Maße als bei der übrigen Bevölkerung sein müsse. Die Juristen hätten bisher ein zweifach höheres Maß als Notwendigkeit vorgegeben. Bei Durchsicht der gesamten Literatur einschließlich der aktuellen Datenbanken gebe es bisher keine Meldungen oder gar Untersuchungen, die auf eine besondere Gefährdung für Rettungssanitäter hinsichtlich der Nr. 2108 der Berufskrankheiten-Verordnung hinwiesen. Vermutlich liege das daran, dass die Dosisgrenzwerte pro Schicht nicht erreicht würden. Nicht erfüllte formelle und aus seiner Sicht nicht erfüllte medizinische Anspruchsvoraussetzungen machten es nicht wahrscheinlich, dass der Kläger an einer Berufskrankheit im Sinne der Nr. 2108 der Anlage 1 der Berufskrankheiten- Verordnung leide.
20Zur Begründung der Berufung macht der Kläger im Wesentlichen geltend: Der Sachverständige habe übersehen, dass im Erörterungstermin vom 20. August 1999 nicht von 3,175 Hebevorgängen pro Schicht, sondern von 3,175 Einsätzen pro Schicht ausgegangen worden sei. Hierin liege ein erheblicher Unterschied, denn bei jeder Schicht könnten etwa 20 belastende Hebevorgänge auftreten. Der Sachverständige habe auch die Tragweite seines Untersuchungsauftrags verkannt. Wenn die von ihm für erforderlich gehaltene Einzelfallbewertung eine Einschätzung des Technischen Aufsichtsdienstes der Berufsgenossenschaften zwingend voraussetze, wäre es seine Aufgabe gewesen, anzugeben, welche Einschätzungen er benötige, um die Einzelfallbegutachtung vorzunehmen. Viel zu kurz greife auch dessen Bemerkung, man hätte sicher für die aktuelle Fragestellung Röntgenaufnahmen aller drei Wirbelsäulenabschnitte veranlasst. So bleibe völlig offen, welche Konsequenzen aus einem etwaigen Unterlassen der Befunde überhaupt resultierten. Ferner sei nicht zu erkennen, ob überhaupt alle Befunde und Unterlagen hätten berücksichtigt werden können und berücksichtigt worden seien. Insbesondere sei nicht ersichtlich, ob dem Sachverständigen die Berichte und Röntgenbilder der Ärzte für Radiologie und Diagnostik Dr. Q. /K. C. ring , des Arztes für Neurologie und Psychiatrie X. C. und des Prof. Dr. I. von der Neurochirurgischen Universitätsklinik Knappschaftskrankenhaus C. vorgelegen hätten. Weiterhin könne man sich nicht dem Eindruck verschließen, dass der Sachverständige mit seinem Gutachten die wissenschaftliche Kontroverse zur BK 2108 fortgesetzt habe und seine Ergebnisse beeinflusst und maßgeblich geprägt worden seien durch seine wissenschaftliche Auffassung zu der in der Literatur umstrittenen, von ihm verneinten Frage, ob es einen typischen belastungskonformen Bandscheibenschaden gebe. Bei der Subsumtion unter die gesetzlichen Vorschriften seien die arbeitstechnische und medizinische Konkretisierung durch das von dem Bundesministerium für Arbeit herausgegebene Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zu Nr. 2108 sowie die Materialien zu berücksichtigen. Anhand dieser Maßgaben hätte der Sachverständige eine Einzelfallentscheidung treffen müssen.
21Der Kläger hat seinen erstinstanzlichen Antrag klarstellend dahingehend neu gefasst, dass er beantragt,
22den Bescheid des Stadtdirektors der Stadt I. vom 15. März 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. April 1997 aufzuheben und
23die Beklagte zu verpflichten, sein Bandscheibenleiden als Dienstunfall i.S.v. § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG (Berufskrankheit) anzuerkennen,
24hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, sein Bandscheibenleiden als Folge eines am 24. August 1995 erlittenen Dienstunfalls i.S.v. § 31 Abs. 1 BeamtVG anzuerkennen,
25Der Kläger beantragt,
26das angefochtene Urteil zu ändern und den neu gefassten erstinstanzlichen Anträgen zu entsprechen.
27Die Beklagte beantragt,
28die Berufung zurückzuweisen.
29Zur Begründung verweist sie auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil und führt ergänzend an: Der Gutachter habe die in dem Beweisbeschluss aufgeworfene Frage zutreffend verneint. Dessen irrtümliche Gleichsetzung von Einsatzzahlen und Hebevorgängen sei unerheblich, weil die Hebevorgänge für die Frage der Verursachung offensichtlich ohnehin nur eine untergeordnete Rolle spielten. Die vom Kläger angenommenen etwa 20 belastenden Hebevorgänge seien auch nicht mit Wahrscheinlichkeitsüberlegungen zu begründen.
30In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Sachverständige H. sein unter dem 23. Dezember 1999 erstelltes schriftliches Gutachten erläutert. Hinsichtlich der Einzelheit der Erklärungen des Sachverständigen wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
31Weiterhin ist in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat der Zeuge Peter Stahlberg zu dem Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit dem Transport einer Patientin während eines Notfalleinsatzes am 24. August 1995 um ca. 1.30 Uhr gehört worden. Zu dessen Erklärung im Einzelnen wird ebenfalls auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
32Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
33E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
34Die zulässige, insbesondere auch den Begründungsanforderungen des § 124 a Abs. 3 Sätze 1 und 4 VwGO genügende Berufung ist unbegründet.
35Die Klage hat insgesamt keinen Erfolg.
36Die zulässige Hauptantrag ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass sein Bandscheibenleiden als Dienstunfall i.S.v. § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG (Berufskrankheit) anerkannt wird. Der Bescheid des Stadtdirektors der Stadt I. vom 15. März 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. April 1997 ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
37Als Rechtsgrundlage kommt für das klägerische Begehren allein § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG in Betracht.
38Die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für eine Anerkennung der Erkrankung als Dienstunfall (Berufskrankheit) sind gegeben. Voraussetzung für die begehrte Anerkennung eines Dienstunfalls ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht die fristgerechte Anzeige des Unfallgeschehens durch den Beamten. Eine solche ist hier erfolgt.
39Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG sind Unfälle, aus denen Unfallfürsorgeansprüche aus diesem Gesetz (BeamtVG) entstehen können, innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Jahren nach dem Eintritt des Unfalls bei dem Dienstvorgesetzten des Verletzten zu melden. Diese Fristregelung findet auch auf die Fallkonstellation des § 31 Abs. 3 BeamtVG Anwendung.
40Vgl. BVerwG, Urteil vom 1. August 1985 - 2 B 34.84 -, Buchholz 232.5 § 45 Nr. 1; Schütz/Maiwald, Beamtenrecht, § 31 Rn. 162.
41Dabei beginnt der Lauf der gesetzlichen Melde- und Ausschlussfrist mit dem objektiven Auftreten der Krankheit. Vorliegend begann der Lauf der Meldefrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG (frühestens) im August 1995, da zu diesem Zeitpunkt die Bandscheibenbeschwerden, deren Anerkennung als Dienstunfall/Berufskrankheit der Kläger nunmehr begehrt, erstmals objektiv auftraten. Eine Dienstunfallmeldung im Sinne des § 45 Abs. 1 BeamtVG
42- vgl. zu den Anforderungen an eine Dienstunfallmeldung: BVerwG, Urteil vom 6. März 1986 - 2 C 37.84 -, Buchholz 232.5 § 45 BeamtVG Nr. 2 = = DVBl. 1986, 945 = NJW 1986, 2588 = NVwZ 1986, 923 = ZBR 1986, 304 -
43hat der Kläger im November 1995 abgegeben. Zu diesem Zeitpunkt war der Zweijahreszeitraum des § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG noch nicht verstrichen. Dies gilt selbst dann, wenn auch schon die Untersuchung im Mai 1994 bei Dr. Katthagen durch Beschwerden bedingt erfolgt ist.
44Die materiellen Voraussetzungen einer Anerkennung der Erkrankung des Klägers als Dienstunfall (Berufskrankheit) nach § 31 Abs. 3 BeamtVG sind hingegen nicht erfüllt.
45Nach § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG gilt, falls ein Beamter, der nach der Art seiner dienstlichen Verrichtung der Gefahr der Erkrankung an bestimmten Krankheiten besonders ausgesetzt ist, an einer solchen Krankheit erkrankt, dies als Dienstunfall, es sei denn, dass sich der Beamte die Krankheit außerhalb des Dienstes zugezogen hat. Die in Betracht kommenden Krankheiten bestimmt die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates (§ 31 Abs. 3 Satz 3 BeamtVG). Aufgrund dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung die Verordnung zur Durchführung des § 31 des Beamtenversorgungsgesetzes (Bestimmung von Krankheiten für die beamtenrechtliche Unfallfürsorge) vom 20. Juni 1977 (BGBl. I S. 1004) erlassen. Nach § 1 dieser Verordnung werden als Krankheiten im Sinne des § 31 Abs. 3 BeamtVG die in der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung vom 8. Dezember 1976 (BGBl. I S. 3329) in der jeweils geltenden Fassung genannten Krankheiten mit den dort im einzelnen bezeichneten Maßgaben bestimmt.
46Vgl. zur Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht BVerwG, Beschluss vom 12. September 1995 - 2 B 61.95 -, Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 10, unter Hinweis auf den Beschluss des BVerwG vom 13. Januar 1978 - 6 B 57.77 -.
47Vorliegend findet die Anlage 1 zur Berufskrankheiten- Verordnung - BKVO - in der Fassung der Zweiten Änderungsverordnung vom 18. Dezember 1992 (BGBl. I S. 2342) Anwendung, da die Beeinträchtigungen des Klägers frühestens im Mai 1994, jedenfalls aber erstmals im August 1995 für diesen objektiv bemerkbar aufgetreten sind. Denn die Frage, ob eine Krankheit als Dienstunfall gilt, ist nach dem Recht zu beantworten, das in dem Zeitpunkt gegolten hat, in dem sich der Beamte die Krankheit zugezogen hat.
48Vgl. OVG NRW, Urteil vom 2. Dezember 1997 - 6 A 2874/96 -, RiA 1999, 101, mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung.
49Entscheidend für die begehrte Anerkennung eines Dienstunfalls i.S.v. § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG ist demnach, ob der Kläger an einer der in der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung - BKVO - genannten Krankheiten erkrankt ist und ob er nach der Art seiner dienstlichen Verrichtung der Gefahr der Erkrankung an einer derartigen Krankheit besonders ausgesetzt gewesen ist.
50Vorliegend scheitert eine Anerkennung als Dienstunfall i.S.v. § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG schon daran, dass es an einer Erkrankung der in der Anlage 1 zur BKVO genannten Art fehlt.
51Für das Begehren des Klägers kommt nach den bei ihm erhobenen Befunden allein eine Krankheit i.S.d. Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO in Betracht. Durchgreifende Bedenken gegen die Aufnahme dieser Erkrankung in den Katalog der Berufskrankheiten bestehen nicht.
52Vgl. im Einzelnen BSG, Urteile vom 31. Mai 1996 - 2 BU 237/95 -, NZS 1997, 133, und vom 23. März 1999 - B 2 U 12/98 R -, BSGE 84, 30.
53Nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO gelten folgende Krankheiten als Berufskrankheit:
54Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können
55Danach müssen die folgenden tatbestandlichen Vorausetzungen gegeben sein, damit eine Krankheit im Sinne dieser Bestimmung angenommen werden kann:
56a) eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule (Gesundheitsschaden).
57b) ein langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung (arbeitstechnische Voraussetzungen)
58c) ein Kausalzusammenhang zwischen der Tätigkeit und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität)
59d) ein Zwang zur Unterlassung aller Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können (besonderes versicherungsrechtliches Merkmal).
60Bei dem Kläger liegt ein von der Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO erfasster Gesundheitsschaden in Form einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule vor. Ausweislich des amtsärztlichen Gutachtens des Oberkreisdirektors des F. -S. -Kreises vom 15. Februar 1996 bestanden bei dem Kläger zum Zeitpunkt der Untersuchung am 7. Februar 1996 Beeinträchtigungen der Bandscheiben im Lendenwirbelbereich in den Segmenten L 5/S 1 und L 4/5 in Form eines kleinen Vorfalls und einer geringen Vorwölbung, die mit einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung und Sensibilitätsstörungen im Bereich des linken Fußes verbunden waren. In der Folgezeit verstärkten sich die Beeinträchtigungen des Klägers dergestalt, dass es ausweislich des amtsärztlichen Gutachtens des Landrats des F. -S. - Kreises vom 29. Januar 1997 im Oktober 1996 wegen aufgetretener Lähmungen zu einer Bandscheibenoperation in Höhe des Segments L 5/S 1 kam und im Dezember 1996 ein mit Schmerzen und erheblicher Bewegungseinschränkung verbundener Bandscheibenvorfall in Höhe des Segments L 4/5 auftrat. Diesen Bandscheibenvorfall hat auch der Sachverständige H. in seinem im Rahmen des Zurruhesetzungsverfahrens für die Beklagte erstellten orthopädischen Fachgutachten vom 18. Juni 1997 festgestellt. Ihre Bestätigung finden diese Feststellungen auch darin, dass sich nach einem CT der Lendenwirbelsäule durch die Dres. Pallapis/C. ring am 11. September 1995 im Segment L 4/5 ein medialer nach rechts betonter Bandscheibenvorfall gezeigt hat und dass die Magnetresonanztomographie der Lendenwirbelsäule durch die Dres. Q. /C. ring vom 12. Januar 1996 einen medial rechtsbetonten Bandscheibenvorfall im Segment L 4/5 und zusätzlich eine deutliche degenerative Bandscheibenvorwölbung im Segment L 5/S 1 ausgewiesen hat.
61In der Tätigkeit des Klägers als Rettungssanitäter im Dienste der Beklagten sind jedoch nicht die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO erfüllt.
62Wann genau von einem "langjährigen Heben oder Tragen schwerer Lasten" gesprochen werden kann, lässt sich dem Wortlaut der Vorschrift nicht entnehmen. Vielmehr hat der Verordnungsgeber mit den von ihm verwandten Begriffen gezielt auslegungsbedürftige unbestimmte Rechtsbegriffe gewählt, um die schädigende Exposition zu kennzeichnen, und bewusst keine konkreten Belastungsarten mit genau festgelegten Grenzwerten angegeben, wodurch u.a. die Berücksichtigung neuerer - im Wesentlichen medizinischer - nach Erlass der Verordnung gewonnener bzw. bekannt gewordener Erkenntnisse ermöglicht werden soll. Mit Blick darauf ist es die Aufgabe der Gerichte, unter Zurhilfenahme medizinischer Sachkunde zu prüfen, welche Einwirkungen nach den neuesten gesicherten medizinischen Erkenntnissen, regelmäßig in Form von medizinischen Erfahrungssätzen, geeignet sind, bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule herbeizuführen, und so einen der unbestimmten Rechtsbegriffe näher auszufüllen.
63Vgl. BSG, Urteil vom 2. Mai 2001 - B 2 U 16/00 R -.
64Bei dem Merkmal "langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten" sind drei unterschiedliche Begriffselemente zu unterscheiden, nämlich im Einzelnen die Fragen, wann von einer Langjährigkeit gesprochen werden kann, unter welchen Voraussetzungen ein Last als schwer angesehen werden kann und in welchem Umfang es zu Hebe- oder Tragevorgängen gekommen sein muss.
65Hinsichtlich der Langjährigkeit wird für den Regelfall (noch) von einer mindestens zehnjährigen belastenden Tätigkeit ausgegangen,
66- vgl. im Einzelnen Becker, Soziale Sicherheit 1995, 100; ders., SGb 2000, 116 (117); jeweils m.w.N. -
67wenn auch der Sachverständige H. auf S. 9 seines im vorliegenden Verfahren eingeholten Gutachtens von einem Trend zu einer deutlich über der bisherigen Zehnjahresgrenze liegenden Gesamtbelastungszeit spricht. Ob und unter welchen Voraussetzungen auch eine kürzere Tätigkeitszeit als zehn Jahre ausreichen kann, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, da der Kläger in der Zeit von Oktober 1981 bis August 1995 und damit deutlich über zehn Jahre als Rettungssanitäter eingesetzt war.
68Für die Bestimmung der erforderliche Schwere der zu hebenden oder zu tragenden Lasten wird im Allgemeinen auf die im "Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zu Nr. 2108" (herausgegeben vom Bundesarbeitsministerium, BArbBl. 1993, 50) angegebene Tabelle zurückgegriffen, wonach das Lastgewicht, dessen regelmäßiges Heben oder Tragen mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung bandscheibenbedingter Erkrankungen der Lendenwirbelsäule verbunden ist, 25 kg bei Männern von 18 bis 39 Jahre und 20 kg bei Männern ab 40 Jahren beträgt.
69Vgl. Becker, SGb 2000, 116 (117); zum Charakter des Merkblatts BSG, Urteil vom 22. August 2000 - B 2 U 34/99 R -.
70Ob und unter welchen Voraussetzungen auch das Heben und Tragen geringerer Lastgewichte ausreichen kann, bedarf keiner Entscheidung, da ein Rettungssanitäter im Dienste der Beklagten regelmäßig - wie hier - schwerere Gewichte zu heben bzw. zu tragen hatte. Als belastende Tätigkeit kommt für die Tätigkeit als Rettungssanitäter das Tragen bzw. Heben von Personen insbesondere auf einer Krankentrage anlässlich von Liegendtransporten bei Notfalleinsätze des Rettungstransportwagens und bei Einsätze des Rettungstransportwagens als Krankentransportwagen in Betracht. Als weitere belastende Tätigkeit ist das Tragen bzw. Heben der Notfallausrüstung mit einem Gewicht von 30 kg bei Einsätzen als Fahrer des Notarztfahrzeugs zu berücksichtigen. Beide Arten von Tätigkeiten waren somit mit einem Heben bzw. Tragen von Gewichten verbunden, die deutlich über den Grenzwerten von 25 bzw. 20 kg lagen.
71In welchem Umfang es bei der belastenden Tätigkeit zu Hebe- oder Tragevorgängen gekommen sein muss, ist umstritten. So geht nach dem im vorliegenden Verfahren eingeholten Gutachten des Sachverständigen H. auf der einen Seite die Berufsgenossenschaft Wohlfahrt von mindestens 16 Hebevorgängen mit kritischem Lastgewicht während einer Schicht aus, während auf der anderen Seite die Bau-Berufsgenossenschaften einen Mindestanteil ausschließlich wirbelsäulenbelastender Tätigkeit von einem Drittel der Schichtdauer verlangen.
72Vgl. auch Becker, SGb 2000, 116 (117).
73Allerdings kann nicht von einem allgemeinen medizinischen Erfahrungssatz ausgegangen werden, dass wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten im Durchschnitt wenigstens während eines Drittels der täglichen Arbeitszeit verrichtet worden sein müssen, um (generell) ursächlich für eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule zu sein.
74Vgl. BSG, Urteil vom 2. Mai 2001 - B 2 U 16/00 R -, im Gegensatz zu dem vorgehenden Urteil des LSG Berlin vom 8. Februar 2000 - L 2 U 95/98 -.
75Das vom Bundesarbeitsministerium herausgegebene "Merkblatt für die ärztliche Untersuchung zu Nr. 2108" wiederum nennt unter Hinweis auf epidemiologische Studien als Beispiele die Fälle der Schwesternhelferinnen, die zu ca 12 % der Schicht Arbeiten mit Heben oder Tragen von schweren Lasten zu verrichten haben, und der Stahlbetonarbeiter, die ca. 40 Mal pro Schicht Gewichte von mehr als 20 kg zu heben oder zu tragen haben.
76Vorliegend bedarf es keiner Festlegung eines näheren Grenzwerts, da die Häufigkeit der von einem Rettungssanitäter im Dienste der Beklagten während seiner Tätigkeit vorzunehmenden Hebe- oder Tragevorgänge jedenfalls unter der niedrigsten angenommenen Mindestbelastung liegt.
77So haben die Beteiligten für den Senat nachvollziehbar zutreffend und übereinstimmend festgestellt, dass ein Rettungssanitäter bei der Beklagten durchschnittlich 3,175 Einsätze während einer Schicht zu absolvieren hat. Dies bedeutet, worauf der Kläger in seiner Kritik an dem im vorliegenden Verfahren eingeholten Gutachten des Sachverständigen H. zutreffend hingewiesen hat, allerdings nicht, dass es lediglich zu 3,175 Hebevorgängen je Schicht kommt. Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass es während eines einzelnen Einsatzes durchaus zu mehreren Hebe- und Tragevorgängen kommen kann. So kann beispielsweise eine Person auf der Krankentrage bei Liegendtransporten zunächst anzuheben, sodann zu dem Rettungstransportwagen hin und weiter in diesen hinein und schließlich wieder aus diesem heraus zu tragen sein. Für das Tragen der Notfallausrüstung bei einem Einsatz als Fahrer des Notarztes können vergleichbare Hebevorgänge anfallen. Auf der anderen Seite ist aber gleichermaßen zu berücksichtigen, dass durchaus auch Einsätze stattfinden können, anlässlich derer es zu keinerlei Hebe- oder Tragevorgängen kommt. Solches ist etwa denkbar bei einem Einsatz des Rettungstransportwagens als Krankentransportwagen, bei dem eine noch gehfähige Person zu transportieren ist. Angesichts dieser Umstände kann als Durchschnittswert lediglich von vier Hebe- oder Tragevorgängen je Einsatz ausgegangen werden. Dies bedeutet, dass ein Rettungssanitäter im Dienste der Beklagten je Schicht durchschnittlich 12,7 Hebe- oder Tragevorgänge zu bewältigen hat. Damit liegt er deutlich unter dem von der Berufsgenossenschaft Wohlfahrt angenommenen 16 belastenden Vorgängen.
78Vgl. auch das - vom Sachverständigen H. seinem Gutachten beigefügte - Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 23. April 1998 - L 10 U 4476/97 -, mit dem die arbeitstechnischen Voraussetzungen i.S.d. Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO unter Hinweis auf eine vom Technischen Aufsichtsdienst eingeholten Stellungnahme bei einem Kläger verneint worden sind, der seit 35 Jahren beim Roten Kreuz als Rettungssanitäter gearbeitet hatte.
79Aber auch wenn man zugunsten des Klägers von dessen Vorbringen ausgeht, es komme je Schicht zu 20 belastenden Vorgängen, liegt die Häufigkeit immer noch unter der niedrigsten angenommenen Mindestbelastung der Berufsgenossenschaft Wohlfahrt. Denn bei der Ermittlung der Gesamtbelastung ist zu berücksichtigen, dass ein Rettungssanitäter im Dienste der Beklagten ausweislich der übereinstimmenden Feststellungen der Beteiligten lediglich ca. 100 Schichten im Jahr abzuleisten hat. Die Zahl von mindestens 16 Hebevorgängen der Berufsgenossenschaft Wohlfahrt basiert hingegen auf der regelmäßigen Arbeitszeit eines Beschäftigten im Dreischichtendienst (Früh-, Spät- und Nachtschicht) und damit auf jährlich etwa 200 Schichten. Mit Blick darauf ist die vom Kläger genannte Zahl von 20 belastenden Vorgängen im Mindesten zu halbieren mit der Folge, dass sie dann deutlich unter dem von der Berufsgenossenschaft Wohlfahrt zugrunde gelegten Wert liegt.
80Der weiterhin erforderliche Kausalzusammenhang zwischen einer belastenden Tätigkeit (hier: langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten) und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) ist bei dem Kläger ebenfalls nicht festzustellen.
81Zur Bejahung des Kausalzusammenhangs muss kein Vollbeweis erbracht werden. Vielmehr reicht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit aus. Von einer solchen ist auszugehen, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung begründet werden kann.
82Vgl. BSG, Urteile vom 16. Februar 1971 - 1 RA 113/70 -, BSGE 32, 203, und vom 2. Februar 1978 - 8 RU 66/77 -, BSGE 45, 285; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21. Juni 2000 - L 17 U 112/98 -.
83Durchgreifende Bedenken gegen die Anwendbarkeit dieser im Rahmen des Unfallversicherungsrechts von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit entwickelten Voraussetzungen für die Annahme eines Kausalzusammenhangs bestehen nicht. Deren Prüfung bei der dem Bereich der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge zuzurechnenden Frage des Vorliegens eines Dienstunfalls i.S.v § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG ist eine vom Gesetz vorgegebene Konsequenz. Aus dessen Verweisung in § 31 Abs. 3 Satz 3 BeamtVG i.V.m. § 1 der Verordnung zur Durchführung des § 31 des Beamtenversorgungsgesetzes folgt die Bestimmung der in Betracht kommenden Krankheiten durch die - auf sozialrechtlichen Grundlagen erlassene - Anlage 1 der BKVO. Sofern für die dort genannten Erkrankungen ein Kausalzusammenhang gefordert ist, ist es damit vom Gesetz her vorgegeben, auch im Bereich der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge die sozialrechtlichen Maßstäbe anzuwenden. Dem steht auch nicht entgegen, dass § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG neben dem Vorliegen einer in der Anlage 1 der BKVO genannten Krankheit lediglich verlangt, dass der Beamte nach der Art seiner dienstlichen Verrichtung der Gefahr der Erkrankung an einer derartigen Krankheit besonders ausgesetzt gewesen ist. Die darin liegende Beweiserleichterung in der Form einer gesetzlichen Vermutung für den Kausalzusammenhang zwischen der dienstlichen Verrichtung und der Erkrankung
84- vgl. Stegmüller/Schmalhofer/C. , BeamtVG, § 31 Erl. 3.3 -
85wird durch die Übernahme der sozialrechtlichen Maßstäbe nicht betroffen. Denn es sind zwei unterschiedliche, nach verschiedenen Voraussetzungen zu beantwortende Fragen zu unterscheiden. Zum einen muss eine in Betracht kommende Krankheit i.S.d. Anlage 1 zur BKVO vorliegen. Dies führt in dem hier relevanten Fall der Nr. 2108 - wegen der dort vorhandenen Wendung "durch" - zu der Notwendigkeit einer Prüfung des Kausalzusammenhangs zwischen der Erkrankung und einer bestimmten Tätigkeit, für den - wie dargestellt - die von der Sozialgerichtsbarkeit entwickelten Anforderungen gelten. Zum anderen muss für die Anerkennung eines Dienstunfalls i.S.v. § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG darüber hinaus - ähnlich wie für den sozialrechtlichen Bereich früher nach Halbs. 2 des § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO und nunmehr nach Halbs. 2 des § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII, wonach der Versicherte die Krankheit bei bzw. infolge einer der versicherten Tätigkeiten erlitten haben muss - auch ein Kausalzusammenhang zwischen den dienstlichen Verrichtungen und der Erkrankung bestehen. So reicht beispielsweise bei der hier in Rede stehenden Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO nicht die Feststellung aus, dass die bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule allgemein durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten eingetreten sind. Hinzukommen muss vielmehr, dass gerade ein im Rahmen des Dienstes erfolgtes Heben oder Tragen der Lasten die Erkrankung verursacht hat. Nur in diesem - vorliegend schon wegen des Fehlens einer Krankheit i.S.d. der Anlage 1 zur BKVO gar nicht zu prüfenden - Zusammenhang greift die dargestellte Beweiserleichterung nach § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG.
86Gemessen an dem mithin relevanten Maßstab einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit kann vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass für die Erkrankung des Klägers die Ausübung einer Tätigkeit der in der Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO beschriebenen Art kausal gewesen ist.
87Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule haben eine multifaktorielle Ätiologie. Sie sind weit verbreitet und kommen in allen Altersgruppen, sozialen Schichten und Berufsgruppen vor.
88Vgl. Merkblatt des Bundesarbeitsministeriums für die ärztliche Untersuchung zu Nr. 2108, BArbBl. 1993, 50; LSG NRW, Urteil vom 21. Juni 2000 - L 17 U 112/98 -; LSG Schl.-H., Urteil vom 31. Januar 2001 - L 8 U 40/00 -.
89So können sie durch Fehlbelastungen im privaten Bereich, "typische Zivilisationsfolgen" wie Bewegungs- und Belastungsarmut sowie toxische und chemische Einflüsse ebenso hervorgerufen werden wie durch berufliche Einwirkungen.
90Vgl. LSG Sachsen, Urteil vom 30. März 2000 - L 2 U 86/98 -.
91Da wegen dieser multifaktoriellen Ätiologie von bandscheibenbedingten Erkrankungen der Lendenwirbelsäule eine direkte Diagnose eines ursächlichen Zusammenhangs kaum möglich ist, ist - wie auch vorliegend durch den Sachverständigen H. geschehen - auf das Mittel der Ausschlussdiagnose zurückzugreifen. Danach scheidet ein Kausalzusammenhang zwischen der Erkrankung und der belastenden Tätigkeit aus, wenn andere Krankheitsbilder diagnostiziert werden können, die als wesentliche Ursache in Betracht kommen.
92Vorliegend sind in der Person des Klägers Ausschlussdiagnosen von einer derartigen Gewichtigkeit festzustellen, dass eine etwaige durch berufliche Belastungen hervorgerufene (Teil-)Ursache (im erkenntnistheoretischen Sinne) für die bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule des Klägers von den anderen Ursachen ganz in den Hintergrund gedrängt wird.
93So weist die Wirbelsäule des Klägers nicht ein sog. "belastungskonformes Schadensbild"
94- vgl. zur Abgrenzung der Begriffe des belastungskonformen und des belastungsspezifischen/belastungstypisc hen Krankheitsbilds Becker, SGb 2000, 116 (119) -
95auf. Die in der Unfallmedizin derzeit herrschende Lehre geht davon aus, dass bei einer entsprechenden schädigenden rezidivierenden, langjährigen Exposition neben den unteren auch die ebenfalls belasteten oberen Segmente der Lendenwirbelsäule - wenn auch nacheilend - Veränderungen aufweisen, zumindest in Form von "Anpassungsphänomenen" bzw. belastungsadaptiven osteochondrotischen und/oder spondylostischen Reaktionen an allen Deck- und Tragplatten der Wirbelkörper ohne eigenständigen Krankheitswert.
96Vgl. Hess. LSG, Urteil vom 5. Juli 2000 - L 3 U 427/99 -; ebenso LSG Rh.- Pf., Urteil vom 8. September 1998 - L 3 U 206/97 -; LSG Bln., Urteil vom 16. September 1999 - L 3 U 235/96 -; LSG NRW, Urteil vom 21. Juni 2000 - L 17 U 112/98 -; jeweils m.w.N.
97Die gegenteilige Auffassung des LSG Berlin, nach der die haftungsausfüllende Kausalität schon dann zu bejahen ist, wenn eine Bandscheibenschädigung für zwei Etagen gesichert ist und die höheren Segmente keinen vergleichbaren Schaden aufweisen,
98- vgl. Urteil vom 8. Februar 2000 - L 2 U 95/98 -
99greift zu kurz. Zwar ist es nicht erforderlich, dass an den höheren Segmenten vergleichbare Schäden wie an den unteren vorliegen. Mit Blick darauf, dass unter Berücksichtigung der Ergebnisse biomechanischer Untersuchungen und Berechnungen für das unterste Segment der Lendenwirbelsäule (L 5/S 1) nur eine um etwa 30 % höhere Belastung als für das oberste Segment (L 1/2) besteht,
100- vgl. LSG Nds., Urteil vom 30. November 1998 - L 6 U 422/97 -; Becker, SGb 2000, 116 (119) -
101kann aber von einer von der Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO erfassten belastungsbedingten Schädigung nur dann ausgegangen werden, wenn auch die oberen Segmente der Lendenwirbelsäule gewisse Veränderungen aufweisen.
102Diese Voraussetzungen sind bei dem Kläger nicht erfüllt. Bei ihm sind anlässlich aller Untersuchungen allein Beeinträchtigungen im Bereich der Segmente L 5/S 1 und L 4/5 festgestellt worden. Dafür, dass auch die anderen Segmente der Lendenwirbelsäule des Klägers betroffen sein könnten, findet sich in keinem der vorliegenden ärztlichen Berichte ein Anhalt. Auch Dr. Katthagen hat unter dem 17. Mai 1994 beginnende degenerative Deck- und Bodenplattenausziehungen lediglich am Segment L 4/5 festgestellt.
103Gegen die (berufliche) Belastungsbedingtheit der Erkrankung des Klägers spricht weiterhin, dass er ausweislich der Feststellungen des Sachverständigen H. an einer anlagebedingten Seitabweichung (Skoliose) der Wirbelsäule mit Rechtsfehlhaltung an der oberen und leichter Linksschwingung an der unteren Lendenwirbelsäule leidet.
104Vgl. zu einer Skoliose auch LSG Rh.- Pf., Urteil vom 2. Juli 1998 - L 7 U 348/97 -.
105So kann es durch eine skoliotische Fehlhaltung zu einer asymetrischen Fehlhaltung kommen, welche zu einem vorzeitigen Bandscheibenverschleiss prädisponiert. Allerdings wirken sich nur erhebliche Fehlhaltungen in dieser Weise aus. Handelt es sich dagegen nur um geringe Abweichungen, welche sich noch als Normvariante auffassen lassen, kommt diesen kein wesentlicher Einfluss auf das Ergebnis der Zusammenhangsbegutachtung zu.
106Vgl. LSG Sachsen, Urteil vom 30. März 2000 - L 2 U 86/98 -, m.w.N.
107Als klinisch relevant wird eine Skoliose mit einem Winkel von mehr als 10 Grad angesehen.
108Vgl. Becker, SGb 2000, 116 (120), m.w.N.
109Zu welchem Grad an Fehlhaltungen es bei dem Kläger gekommen ist, lässt sich dem Gutachten des Sachverständigen H. zwar nicht unmittelbar entnehmen. Der Umstand, dass die Skoliose Aufnahme in das Gutachten gefunden hat, belegt jedoch, dass der Sachverständige H. dieser einen relevanten Krankheitswert beigemessen hat. Seine Bestätigung findet dies in dessen Erläuterungen des Gutachtens in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat. Dort hat der Sachverständige H. ausdrücklich erklärt, die "befundete" Skoliose gehöre zum Bereich der Ausschlussdiagnostik.
110Ebenfalls gegen eine von der Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO erfassten Belastungsbedingtheit der Erkrankung des Klägers spricht, dass der Sachverständige H. ausgebildete degenerative Veränderungen an der Hals- und an der Brustwirbelsäule des Klägers und eine Verringerung des Bewegungsbereichs der Brustwirbelsäule festgestellt hat.
111Ist die gesamte Wirbelsäule degenerativ verändert, d.h. finden sich solche Störungen nicht nur oder vorwiegend an den durch körperliche Tätigkeiten besonders belasteten unteren Lendenwirbelsäulenabschnitten, so ist dies ein Indiz dafür, dass berufliche Einflüsse nicht wesentlich zu den Veränderungen der Letztgenannten beigetragen haben. Nur wenn die übrige Wirbelsäule im Gegensatz zu der unteren Lendenwirbelsäule weitgehend unauffällig ist, kann das ein Indiz für eine berufliche Verursachung sein.
112Vgl. Hess. LSG, Urteil vom 5. Juli 2000 - L 3 U 427/99 -; ebenso LSG Rh.- Pf., Urteil vom 2. Juli 1998 - L 7 U 348/97 -; LSG Bad.-Württ., Urteile vom 12. August 1998 - L 2 U 3586/97 - und vom 11. Februar 1999 - L 7 U 1059/98 -; LSG Rh.-Pf., Urteil vom 8. September 1998 - L 3 U 206/97 -; LSG NRW, Urteil vom 17. November 1999 - L 17 U 305/98 - ; LSG Schl.-H., Urteil vom 31. Januar 2001 -L 8 U 40/00 -; einschränkender LSG Sachsen, Urteil vom 30. März 2000 - L 2 U 86/98 -; jeweils m.w.N.
113Mit Blick auf diese - auch als Hamburger Konsens bezeichnete -
114- vgl. LSG Bad.-Württ., Urteil vom 12. August 1998 - L 2 U 3586/97 -
115Auffassung hat der Sachverständige H. zutreffend darauf hingewiesen, dass die ausgebildeten degenerativen Veränderungen an der Hals- und an der Brustwirbelsäule des Klägers eher für eine anlagebedingte Störung sprechen. Dies gilt umso mehr, als ein Beleg dafür, dass es bei Hebe- und Tragevorgängen zu besonderen Belastungen der Hals- und der Brustwirbelsäule kommt, nicht ersichtlich ist. Auch der Sachverständige H. hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat darauf hingewiesen, dass bei den Hebevorgängen im Rahmen der Tätigkeit als Rettungssanitäter die Halswirbelsäule nicht in relevanter Weise belastet wird.
116Als weitere Ausschlussdiagnosen sind schließlich auch noch die bei dem Kläger festgestellten Ellenbogen- und Hüftgelenksleiden anzuführen. So hat der Sachverständige H. im Rahmen der Erläuterung seines Gutachtens vor dem Senat dargetan, dass der in seinem für die Beklagte erstellten Gutachten vom 18. Juni 1997 beschriebene sog. "Tennisellenbogen", der bei dem Kläger im Hinblick auf die röntgenologische Auffälligkeit als besonders ausgeprägt anzusehen ist, und die dort ebenfalls dargelegte beiderseitige Hüftgelenksfehlanlage unter dem Gesichtspunkt der Ausschlussdiagnostik als mögliche Ursache für degenerative Veränderungen in Betracht gezogen werden müssen.
117Nach alledem bleibt die Klage mit dem Hauptantrag ohne Erfolg, weil bei dem Kläger wegen Fehlens der arbeitstechnischen Voraussetzungen und der haftungsausfüllenden Kausalität eine - für den Kläger allein in Betracht zu ziehende - Berufskrankheit i.S.d. Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKVO nicht vorliegt. Die Angriffe des Klägers gegen das Sachverständigengutachten vom 23. Dezember 1999 gehen vor den dargestellten Tatsachen im Ergebnis insgesamt ins Leere. Sie sind von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung auch nicht aufgegriffen worden, nachdem der Sachverständige in der Beweisaufnahme sein Gutachten erläutert hat.
118Der Hilfsantrag ist ebenfalls unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass sein Bandscheibenleiden als Folge eines am 24. August 1995 erlittenen Dienstunfalls i.S.v. § 31 Abs. 1 BeamtVG anerkannt wird. Der Bescheid des Stadtdirektors der Stadt I. vom 15. März 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. April 1997 ist auch insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
119Nach der als Rechtsgrundlage allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG ist ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist.
120Vorliegend scheitert die Anerkennung als Dienstunfall i.S.v. § 31 Abs. 1 BeamtVG bereits daran, dass nicht festgestellt werden kann, welches konkrete Ereignis im Sinne dieser Bestimmung bei dem in Rede stehenden Einsatz des Klägers am 24. August 1995 überhaupt eingetreten ist.
121So hat der Kläger selbst lediglich geschildert, sich beim Heruntertragen einer Patientin verhoben zu haben. Nähere Angaben zu einem konkreten Unfallgeschehen hat er nicht gemacht. Vielmehr hat er es bei diesem pauschalen Vortrag belassen, der jegliche nähere Substantiierung vermissen lässt. Insbesondere ist der Schilderung des Klägers nicht zu entnehmen, bei welcher Bewegung und an welcher Stelle seines Körpers er Beeinträchtigungen festgestellt hat.
122Auch die an dem Einsatz beteiligten Zeugen haben ein solches Ereignis nicht unzweifelhaft bestätigen können. So hat der Zeuge L. , der neben dem Kläger unmittelbar an dem Transport der Patientin beteiligt war, eindeutig bekundet, der Kläger habe ihm gegenüber keine Angaben zu Rückenschmerzen gemacht. Der als Fahrer des Notarztfahrzeugs eingesetzte Zeuge I. hat lediglich ausgesagt, der Kläger habe ihm gegenüber bei der Ankunft im Krankenhaus über Rückenschmerzen geklagt und dazu gemeint, sich verhoben zu haben. Dem lässt sich jedoch nicht entnehmen, wann sich dieser Vorfall ereignet haben soll, und damit erst recht nicht, dass es gerade bei dem in Rede stehenden Einsatz zu einem Körperschaden gekommen ist. Die Aussage des als Notarzt an dem Einsatz beteiligten Zeugen T. ist ebenfalls unergiebig. Er hat lediglich bekunden können, sich nicht genau erinnern zu können, ob ihn der Kläger noch in derselben Nacht auf irgendwelche Leidens- oder Schmerzzustände angesprochen habe. Dass er ein derartiges Ansprechen aber auch nicht ausschließen kann, reicht nicht aus, um ein im vorliegenden Zusammenhang relevantes Ereignis annehmen zu können.
123Weiterhin spricht gegen den Eintritt eines derartigen Ereignisses am 24. August 1995, dass der Kläger in den folgenden Tagen noch zwei weitere Schichten abgeleistet hat, ohne - wie die Aussage des Zeuge N. belegt - über Rückenbeschwerden zu klagen. Dem kommt besonderes Gewicht zu, weil der Kläger in diesen Schichten auch als Rettungssanitäter eingesetzt war und im Rahmen dieser Tätigkeit ohne Zweifel Hebe- und Tragevorgänge mit schweren Lasten zu bewältigen gehabt hat.
124Schließlich ist gegen den Eintritt eines konkreten Ereignisse am 24. August 1995 anzuführen, dass der Kläger seine Dienstunfallmeldung erst über zwei Monate später eingereicht hat und diese zusätzlich mit der Überschrift "Anerkennung als Berufskrankeit § 2108 Berufskrankheitenverordnung" versehen hat. Diese Umstände sprechen dafür, dass der Kläger selbst nicht von dem Eintritt eines Dienstunfalls i.S.v. § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG, sondern eher von dem Vorliegen einer Berufskrankheit ausgegangen ist. Die den Kläger treffende Feststellungslast führt bereits unter diesen Umständen zur Abweisung des Hilfsantrages.
125Aber auch wenn der Eintritt eines konkreten Ereignisse bejaht werden könnte, hätte der Hilfsantrag noch keinen Erfolg. Denn weiterhin müsste ein Ursachen- und Zurechnungszusammenhang zwischen dem fraglichen Ereignis und dem erlittenen Körperschaden vorhanden sein. Ein solcher Zusammenhang kann vorliegend jedoch nicht mit der für einen Erfolg des Hilfsantrags nötigen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit festgestellt werden.
126Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind als Ursache im Rechtssinne auf dem Gebiet der beamtenrechtlichen Dienstunfallversorgung nur solche für den eingetretenen Schaden ursächlichen Bedingungen anzuerkennen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg nach natürlicher Betrachtungsweise zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Beim Zusammentreffen mehrerer Ursachen ist eine als alleinige Ursache im Rechtssinne anzusehen, wenn sie bei natürlicher Betrachtungsweise überragend zum Erfolg mitgewirkt hat, während jede von ihnen als wesentliche (Mit-)Ursache im Rechtssinne anzusehen ist, wenn sie nur annähernd die gleiche Bedeutung für den Eintritt des Erfolgs hatte. Alle übrigen Bedingungen scheiden als Ursache im Rechtssinne aus. Wesentliche Ursache im Dienstunfallrecht kann hiernach auch ein äußeres Ereignis sein, das ein anlagebedingtes Leiden auslöst oder (und) beschleunigt, wenn diesem Ereignis nicht im Verhältnis zu anderen Bedingungen - zu denen auch die bei Eintritt des äußeren Ereignisses schon vorhandene krankhafte Veranlagung bzw. das anlagebedingte Leiden in dem bei Eintritt des Ereignisses bestehenden Stadium gehören - eine derart untergeordnete Bedeutung für den Eintritt der Schadensfolge zukommt, dass diese anderen Bedingungen bei natürlicher Betrachtungsweise allein als maßgeblich anzusehen sind. Nicht Ursachen im Rechtssinne sind demgemäß so genannte Gelegenheitsursachen, d.h. Ursachen, bei denen zwischen dem eingetretenen Schaden und dem Dienst eine rein zufällige Beziehung besteht, d.h. wenn die krankhafte Veranlagung oder das anlagebedingte Leiden so leicht ansprechbar war, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen nicht besonderer, in ihrer Eigenart unersetzlicher Einwirkungen bedurfte, sondern auch ein anderes alltäglich vorkommendes Ereignis denselben Erfolg herbeigeführt hätte.
127Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 30. Juni 1988 - 2 C 77.86 -, DÖD 1988, 295 = RiA 1989, 157 = ZBR 1989, 57; OVG NRW, Urteil vom 7. Mai 1998 - 6 A 31/97 -, Schütz/Maiwald, BeamtR ES/C II 3.1 Nr. 74.
128Ein derartiges anlagebedingtes und damit den erforderlichen Ursachen- und Zurechnungszusammenhang ausschließendes Leiden hat bei dem Kläger vorgelegen.
129Dafür spricht zum einen, dass nach dem von dem Sachverständigen H. im Rahmen des Zurruhesetzungsverfahrens für die Beklagte erstellten orthopädischen Fachgutachten vom 18. Juni 1997 Dr. L. aus I. bereits unter dem 17. Mai 1994 eine leichte Rechtsfehlhaltung an der oberen Lendenwirbelsäule mit leichter Linksschwingung an der unterer Lendenwirbelsäule und beginnende degenerative Deck- und Bodenplattenausziehungen bauchseitig am Segment L 4/5 festgestellt hat. Zum anderen hat der Sachverständigen H. bei seiner Untersuchung am 17. April 1997 u.a. eine anlagebedingte Seitabweichung der Wirbelsäule mit Rechtsfehlhaltung an der oberen Lendenwirbelsäule und leichter Linksschwingung an der unteren Lendenwirbelsäule und Hinweise dafür festgestellt, dass bei dem Kläger alle drei Wirbelsäulenabschnitte betroffen seien und eine anlagebedingte Seitabweichung der Wirbelsäule hinzukomme (vgl. S 10 des vom Senat eingeholten Gutachtens). Bei derartigen Vorschädigungen des Klägers im Bereich der Bandscheiben bedeutet ein Hebevorgang wie das Tragen einer schwergewichtigen Patientin in einem Tragestuhl auf einer Treppe lediglich den "letzten Tropfen, der das Maß zum Überlaufen brachte bei einer Erkrankung, die ohnehin ausgebrochen wäre, wenn ihre Zeit gekommen war".
130Vgl. zu dieser Formulierung Schütz/Maiwald, BeamtR § 31 BeamtVG Rn. 41, m.w.N.
131Zwischen dem Dienst des Klägers und dem eingetretenen Schaden hat demnach nur eine rein zufällige Beziehung bestanden. Derselbe Erfolg wäre auch durch ein anderes alltäglich vorkommendes ähnliches Ereignis herbeigeführt worden.
132Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.
133Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe i.S.v. § 132 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 127 BRRG nicht gegeben sind.
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