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1. Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Minden vom 27. September 1999 wird zugelassen.
2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu. 2 und zu 3. zu je einem Fünftel. Der Beigeladene zu 1. trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 50.000,- DM festgesetzt.
G r ü n d e :
2I.
3Der Antragsteller zu 5. beabsichtigte, auf dem Grundstück Gemarkung B. , Flur 8, Flurstück 47 in A. eine Windkraftanlage mit einer Nabenhöhe von 65 m, einem Rotordurchmesser von 40,30 m und einer Nennleistung von 500 kW zu errichten. Eigentümer des Baugrundstücks ist der Landwirt A. K. . In dem Nutzungsvertrag mit ihm vereinbarten die Antragsteller zu 2. und zu 5., die zu errichtende Windkraftanlage bleibe Eigentum des Bauherrn und sei einschließlich der Fundamente bei Vertragsende von dem Grundstück zu entfernen. Der Eigentümer des Nachbargrundstücks, der Landwirt F. S. , übernahm auf sein Grundstück Gemarkung B. , Flur 8, Flurstück 46 durch Baulast eine Abstandfläche für die zu errichtende Windkraftanlage. Der Antragsgegner erteilte unter dem 17. November 1995 dem Antragsteller zu 5. eine Baugenehmigung zur Errichtung der Windkraftanlage.
4Der Eigentümer des Nachbargrundstücks F. S. legte gegen diese Baugenehmigung Widerspruch ein. Er machte geltend, werde das genehmigte Bauvorhaben verwirklicht, werde die Errichtung einer vergleichbaren Anlage auf seinem Flurstück 46 verhindert. Der Antragsgegner verlange für benachbarte Anlagen in der Hauptwindrichtung einen Abstand des achtfachen Rotordurchmessers. Bei Abgabe der Baulasterklärung hätten der Antragsteller zu 5. und der Antragsgegner ihm zugesagt, er könne auf seinem Flurstück 46 eine eigene Anlage errichten; Einwände hiergegen würden nicht erhoben. Widerspruch und Klage blieben erfolglos (rechtskräftiges Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 7. September 1999 - 1 K 2498/97 -).
5Die Antragsteller errichteten die genehmigte Anlage im Oktober 1996. Sie betreiben sie als Gesellschaft bürgerlichen Rechts unter der Firma D. GbR mbH. Sie zeigten dem Antragsgegner den Bauherrenwechsel an.
6Der Antragsgegner erteilte dem Landwirt F. S. unter dem 26. Januar 1999 eine Baugenehmigung für die Errichtung einer Windkraftanlage mit einer Nabenhöhe von 70 m, einem Rotordurchmesser von 48 m und einer Nennleistung von 600 kW. Die Anlage sollte auf dem Grundstück Gemarkung B. , Flur 8, Flurstück 46 südöstlich der bereits errichteten Anlage der Antragsteller rund 195 m von ihr entfernt errichtet werden. Der Beigeladene zu 1. erwarb das Grundstück von dem Landwirt F. S. und übernahm die erteilte Baugenehmigung als Bauherr. Von ihm übernahmen die Beigeladenen zu 2. und zu 3. die Baugenehmigung. Sie haben die genehmigte Anlage inzwischen errichtet.
7Gegen die Baugenehmigung des Antragsgegners vom 26. Januar 1999 legte zunächst der Antragsteller zu 5. Widerspruch ein. Die Antragsteller stellten später klar, der Widerspruch sei im Namen aller Antragsteller als den Betreibern der Anlage gestellt.
8Die Bezirksregierung Detmold wies den Widerspruch des Antragstellers zu 5. durch Bescheid vom 26. Oktober 1999 zurück. Die Antragsteller haben gegen die Baugenehmigung des Antragsgegners vom 26. Januar 1999 beim Verwaltungsgericht Klage erhoben (1 K 3887/99 - VG Minden).
9Die Antragsteller haben mit dem sinngemäß gestellten Antrag,
10die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die Baugenehmigung des Antragsgegners vom 26. Januar 1999 zur Errichtung einer Windkraftanlage auf dem Grundstück Gemarkung B. , Flur 8, Flurstück 46 anzuordnen,
11beim Verwaltungsgericht um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Sie haben ein Gutachten des Sachverständigen L. vorgelegt und hierzu vorgetragen, der Betrieb der genehmigten Windkraftanlage der Beigeladenen werde die Standsicherheit ihrer eigenen Anlage gefährden. Die Anlage der Beigeladenen stehe in der Hauptwindrichtung vor ihrer Anlage. Sie werde auf Grund der geringen Entfernung beider Anlagen zueinander mit erhöhten Windturbulenzen auf ihre Anlage einwirken.
12Das Verwaltungsgericht hat den Antrag durch den angefochtenen Beschluss abgelehnt. Es hat die Auffassung vertreten, der Antragsgegner habe mit der streitigen Baugenehmigung nicht gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstoßen, die den Antragstellern baurechtlichen Drittschutz vermittelten.
13Hiergegen richtet sich der Antrag der Antragsteller auf Zulassung der Beschwerde. Sie verweisen unter anderem auf § 15 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW. Gegen diese Vorschrift verstoße die Baugenehmigung, wie sich dem vorgelegten Gutachten entnehmen lasse.
14Der Antragsgegner und die Beigeladenen hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verfahrensakte 1 K 2497/97 - VG Minden -, der Bauakten für die Windkraftanlage der Antragsteller (vier Hefte) und der Bauakten für die Windkraftanlage der Beigeladenen (zwei Hefte).
16II.
17Der Zulassungsantrag der Antragsteller ist zulässig und begründet. Der Senat lässt die Beschwerde gemäß § 146 Abs. 4, § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zu, weil die Rechtssache besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten aufweist. Die Antragsteller haben mit ihren Darlegungen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung geweckt, die sich nicht ohne weiteres im Zulassungsverfahren klären lassen, sondern die Durchführung eines Beschwerdeverfahrens erfordern. Sind die Erfolgsaussichten der angestrebten Beschwerde in dieser Weise offen, liegt der Zulassungsgrund der tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache vor,
18vgl. zu diesem Zulassungsgrund und seiner Darlegung: OVG NRW, Beschluss vom 31. Juli 1998 - 10 A 1329/98 - NVwZ 1999, 202.
19Die Schwierigkeit ergibt sich aus der Annahme des Verwaltungsgerichts, der Vortrag der Antragsteller führe nicht auf die Verletzung einer drittschützenden Norm durch die von ihnen angefochtene Baugenehmigung. Das Verwaltungsgericht geht dabei nicht auf § 15 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW ein. Dieser Vorschrift kann nachbarschützende Wirkung zukommen. Ein Verstoß der angefochtenen Baugenehmigung gegen diese Vorschrift kommt nach dem Vortrag der Antragsteller in Betracht. Die damit aufgeworfenen Fragen lassen sich nicht im Zulassungsverfahren klären, sondern machen die Durchführung eines Beschwerdeverfahrens erforderlich.
20III.
21Der Senat entscheidet zugleich mit der Zulassung der Beschwerde über die zugelassene Beschwerde selbst. Ein solches Vorgehen ist zulässig,
22vgl. z.B. OVG NRW, Beschluss vom 20. Februar 1998 - 5 B 128/98 -.
23Der Senat hat die Beteiligten auf seine Absicht hingewiesen, die Entscheidungen über den Zulassungsantrag und über die Beschwerde selbst zusammenzufassen. Die Beteiligten haben Gelegenheit zum Vortrag in der Sache erhalten. Sie haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und der angekündigten Verfahrensweise nicht widersprochen.
24Die zugelassene Beschwerde ist unbegründet. Der Antrag der Antragsteller auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO ist zwar zulässig, aber unbegründet.
25Der Antrag ist zulässig.
26Die Antragsteller sind antragsbefugt. Einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO kann nur stellen, wer in entsprechender Anwendung von § 42 Abs. 2 VwGO geltend machen kann, durch den Verwaltungsakt, gegen dessen sofortige Vollziehung er sich wendet, in seinen eigenen Rechten verletzt zu sein. Die Antragsteller können geltend machen, durch die angefochtene Baugenehmigung des Antragsgegners in eigenen Rechten verletzt zu sein. Sie haben die Möglichkeit aufgezeigt, die streitige Baugenehmigung könne einerseits gegen § 15 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW, andererseits gegen § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB und das darin enthaltene Gebot der Rücksichtnahme verstoßen. Beide Vorschriften sind auch den Interessen Dritter zu dienen bestimmt. Die Antragsteller können als solche Dritte in den Schutzbereich nachbarschützender Vorschriften des öffentlichen Baurechts einbezogen sein. Sie fallen nicht deshalb aus deren Schutzbereich von vornherein heraus, weil sie nicht Eigentümer des Grundstücks sind, auf denen die von ihnen betriebene Windkraftanlage errichtet ist.
27Das öffentliche Bau-(Planungs-)Recht zielt unter anderem darauf ab, mögliche Konflikte bei der Nutzung von Grundstücken zu verhindern oder sachangemessen zu bewältigen. Das öffentliche Bau-(Ordnungs-)Recht will Gefahren abwehren, die von der Nutzung von Grundstücken, insbesondere von dort zu errichtenden baulichen Anlagen ausgehen können. Die Regelungen des öffentlichen Baurechts dienen, soweit sie mit Blick auf Nachbargrundstücke und deren Nutzung erlassen sind, dem Interessenausgleich im Bereich benachbarter Grundstücke. Sie bestimmen Inhalt und Schranken des Eigentums an den Grundstücken, die von ihnen betroffen sind (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG). Das öffentliche Baurecht ist damit grundstücksbezogen, nicht aber personenbezogen. Die Grundstücke werden aber durch ihren zivilrechtlichen Eigentümer als Inhaber der umfassenden Sachherrschaft repräsentiert. Adressaten der baurechtlichen Vorschriften sind deshalb jedenfalls die Eigentümer der von ihnen betroffenen Grundstücke.
28Vgl. Mampel, Nachbarschutz im öffentlichen Baurecht, Rdnrn. 261 ff mit zahlreichen weiteren Nachweisen.
29Die Antragsteller sind zwar nicht Eigentümer des Grundstücks, auf dem sie ihre Windkraftanlage errichtet haben. Sie sind aber Eigentümer dieser Windkraftanlage. Das Eigentum an dem Grundstück erstreckt sich nicht gemäß § 93 BGB auf die Windkraftanlage. Sie ist kein wesentlicher Bestandteil des Grundstücks. Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks gehören zwar die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen, insbesondere bauliche Anlagen (vgl. § 94 Abs. 1 Satz 1 BGB). Zu den Bestandteilen eines Grundstücks gehören jedoch solche Sachen nicht, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden sind. Das gilt auch für Gebäude und andere bauliche Anlagen, die in Ausübung eines Rechts an einem fremden Grundstück von dem Berechtigten mit dem Grundstück verbunden werden (vgl. § 95 Abs. 1 BGB). Danach ist die Windkraftanlage hier bloßer Scheinbestandteil des Grundstücks. Sie ist nach dem Inhalt des Nutzungsvertrages mit dem Eigentümer nur für die Dauer des Nutzungsvertrages und damit zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden worden. Die Parteien des Nutzungsvertrages haben darüber hinaus ausdrücklich vereinbart, die Anlage solle Eigentum der Antragsteller bleiben. Auf die massive Bauart der Anlage, namentlich ihrer Fundamente, kommt es unter diesen Umständen ebenso wenig an wie auf die Dauer des Nutzungsvertrages.
30Vgl. hierzu BGH, Urteil vom 4. Juli 1994 - VII ZR 270/83 - BGHZ 90, 70, 73; BGH, Urteil vom 22. Dezember 1995 - V ZR 334/94 - NJW 1996, 116.
31Fallen - wie hier - das Eigentum an einem Grundstück und das Eigentum an einer darauf errichteten baulichen Anlage auseinander, kann auch der Eigentümer der baulichen Anlage im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO klage- und antragsbefugt sein. Auch seinen Interessen sind jedenfalls solche baurechtlichen Normen zu dienen bestimmt, die den Schutz einer baulichen Anlage oder ihrer Nutzung gegen Beeinträchtigungen durch andere Grundstücksnutzungen bewirken wollen. Dazu gehören die hier in Rede stehenden Vorschriften, die durch die angefochtene Baugenehmigung möglicherweise verletzt sind. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW bezweckt den Schutz nicht nur des Nachbargrundstücks gegen eine Gefährdung der Tragfähigkeit des Baugrundes, sondern auch den Schutz bestehender baulicher Anlagen gegen eine Gefährdung ihrer Standsicherheit. Die Norm unterscheidet bereits in ihrem Tatbestand zwischen diesen beiden Schutzobjekten. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB bezweckt den Schutz bestehender baulicher Anlagen und ihrer Nutzung gegen Immissionen, die entweder die bauliche Anlage selbst oder ihre Nutzung beeinträchtigen.
32Im Übrigen besteht kein rechtlich erheblicher Unterschied zu anderen Fällen des Baunachbarrechts, in denen die Rechtsprechung die Klagebefugnis des § 42 Abs. 2 VwGO über den Kreis der Grundstückseigentümer hinaus auf andere dinglich Berechtigte erstreckt hat. Namentlich erkennt die Rechtsprechung dem Eigentümer einer Eigentumswohnung die Klagebefugnis zu. Er kann mittels einer öffentlich-rechtlichen Nachbarklage Beeinträchtigungen seines Sondereigentums abwehren, die ihre rechtliche Grundlage in der einem Dritten erteilten Baugenehmigung haben,
33Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20. August 1992 - 4 B 92.92 - Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 406.19 Nachbarschutz Nr. 110.
34Unabhängig davon sind die Antragsteller Inhaber der Baugenehmigung für die von ihnen betriebene Windkraftanlage. Als Bauherren können sie jedenfalls eine Verletzung des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW durch die Genehmigung einer baulichen Anlage auf dem Nachbargrundstück geltend machen. Ist die Standsicherheit einer baulichen Anlage gefährdet, ist der Bauherr gegenüber der Bauaufsichtsbehörde für die Erhaltung der Standsicherheit ordnungspflichtig. Wegen dieser ihn möglicherweise treffenden Ordnungspflicht ist auch der Bauherr in den Schutzbereich des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW einbezogen, selbst wenn er die bauliche Anlage, die durch die Zulassung einer weiteren baulichen Anlage in ihrer Standsicherheit gefährdet wird, auf einem fremden Grundstück errichtet hat.
35Den Antragstellern fehlt nicht das Rechtsschutzinteresse für ihren Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Zwar ist die streitige Windkraftanlage inzwischen errichtet. Die Antragsteller wehren sich aber gerade gegen die Nutzung der Anlage und die von ihr ausgehenden Beeinträchtigungen ihrer eigenen Anlage. Unter diesen Voraussetzungen kann ihnen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die erteilte Baugenehmigung noch nutzen, obwohl die streitige Anlage errichtet ist.
36Der Antrag ist jedoch unbegründet. Das Interesse der Beigeladenen zu 2. und zu 3. daran, die erteilte Baugenehmigung für die Errichtung einer Windkraftanlage sofort ausnutzen zu dürfen, überwiegt das Interesse der Antragsteller, dieses Vorhaben vorerst zu verhindern.
37Ein solches überwiegendes Interesse ergibt sich allerdings nicht schon daraus, dass die in der Hauptsache erhobene Klage aller oder einiger Antragsteller bereits unzulässig ist. Zwar hat ursprünglich nur der Antragsteller zu 5. Widerspruch gegen die Baugenehmigung des Antragsgegners vom 26. Januar 1999 eingelegt. Die weiteren Antragsteller haben sich diesem Widerspruch aber später mit Schriftsatz vom 20. September 1999 angeschlossen. Anders als dem Antragsteller zu 5. hatte der Antragsgegner ihnen die Baugenehmigung vom 26. Januar 1999 nicht bekannt gegeben. Mangels Bekanntgabe war im Zeitpunkt der Einlegung des Widerspruchs durch sie die Widerspruchsfrist nicht abgelaufen. Der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Detmold vom 26. Oktober 1999 bezieht sich ausdrücklich zwar nur auf den Widerspruch des Antragstellers zu 5.. Dennoch scheitert die in der Hauptsache erhobene Klage der anderen Antragsteller nicht bereits daran, dass sie kein Widerspruchsverfahren durchgeführt haben. Entweder ist der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Detmold vom 26. Oktober 1999 dahin auszulegen, dass die Bezirksregierung mit ihm auch die Widersprüche der weiteren Antragsteller hat bescheiden wollen, die sich dem Widerspruch des Antragstellers zu 5. angeschlossen hatten. Anderenfalls wäre deren Klage jedenfalls als Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO zulässig, weil die Bezirksregierung Detmold dann über die Widersprüche der Antragsteller zu 1. bis 4. nicht innerhalb angemessener Frist entschieden hätte.
38Ein überwiegendes Interesse der Beigeladenen zu 2. und zu 3. an der Verwirklichung der Baugenehmigung besteht ferner nicht bereits deshalb, weil der Antragsteller zu 5. mit Wirkung auch zu Lasten der anderen Antragsteller auf ein Abwehrrecht gegen das streitige Vorhaben verzichtet oder ein solches Abwehrrecht verwirkt hätte. Der von den Beigeladenen vorgetragene, von den Antragstellern jedoch bestrittene Sachverhalt gibt weder für die Annahme eines Verzichts noch einer Verwirkung etwas her. Danach soll der Antragsteller zu 5. gegenüber dem Grundstückseigentümer S. erklärt haben, er habe keine Einwände, wenn auf dem Grundstück des Eigentümers S. eine Windkraftanlage errichtet werde. Diese Erklärung soll der Antragsteller zu 5. im Zusammenhang mit der Erteilung einer Baulast abgegeben haben, die der Eigentümer S. eingeräumt hat, um die Errichtung der jetzt von den Antragstellern betriebenen Anlage zu ermöglichen. Schon nach dem eigenen Vortrag der Beigeladenen ging es dabei aber nur um die Befürchtung des Eigentümers S. , die von ihm einzuräumende Baulast könne ihn hindern, auf seinem belasteten Grundstück eine eigene Windkraftanlage zu errichten. Nach dem eigenen Vortrag der Beigeladenen hat der Antragsteller zu 5. lediglich diese Bedenken durch seine Erklärung zerstreut, die einzuräumende Baulast stehe der Errichtung einer eigenen Anlage auf dem Grundstück S. nicht entgegen. Die behauptete Erklärung des Antragstellers zu 5. könnte danach allenfalls als Verzicht auf ein solches Abwehrrecht gedeutet werden, das mit Blick auf die eingeräumte Baulast aus einer Nichteinhaltung der bauordnungsrechtlichen Abstandflächen hergeleitet wird. Auch eine Verwirkung hätte keinen weiter gehenden Umfang. Der von den Beigeladenen behauptete Sachverhalt gibt jedenfalls nichts für einen Verzicht auf und eine Verwirkung von Abwehrrechten her, die aus einer Verletzung von § 15 Abs. 1 BauO NRW oder von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB hergeleitet werden.
39Ein überwiegendes Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Verwirklichung des streitigen Vorhabens ergibt sich ferner nicht daraus, dass die hierfür erteilte Baugenehmigung offensichtlich oder doch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften verletzt, welche den Interessen der Antragsteller als Nachbarn zu dienen bestimmt sind, und die in der Hauptsache erhobene Klage deshalb voraussichtlich erfolglos bleiben wird. Allerdings lässt sich auch umgekehrt derzeit nicht zu Gunsten der Antragsteller feststellen, dass die erteilte Baugenehmigung sie offensichtlich oder doch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in ihren Rechten verletzt. Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand des Senats ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens vielmehr offen. Der Rechtsstreit wirft Fragen auf, die sich in einem Beschwerdeverfahren nicht klären lassen.
40Es ist weder offensichtlich noch überwiegend wahrscheinlich, dass die angefochtene Baugenehmigung des Antragsgegners gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften des Bauplanungsrechts verstößt, welche den Antragstellern Nachbarschutz vermitteln. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich nach § 35 BauGB. Die streitige Windkraftanlage soll unstreitig im Außenbereich errichtet werden; sie ist dort nach § 35 Abs. 1 Nr. 6 BauGB grundsätzlich zulässig. Gegen nachbarschützende Bestimmungen verstieße die Baugenehmigung nur, wenn die Windkraftanlage schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen könnte (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB). Verstieße die Baugenehmigung gegen diese Vorschrift, wären die Antragsteller dadurch in ihren eigenen Rechten verletzt. Denn der öffentliche Belang, Vorhaben zu verhindern, von denen schädliche Umwelteinwirkungen ausgehen, umfasst und konkretisiert das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme.
41Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieser Bestimmung machen die Antragsteller in zwei Richtungen geltend. Sie befürchten zum einen, die Anlage der Beigeladenen, die in der Hauptwindrichtung vor ihrer eigenen Anlage errichtet werde, werde wegen dieser Lage Wind abhalten und dadurch die Windenergie vermindern, die auf ihre eigene Anlage einwirken könne. Als Folge davon werde ihre Anlage mit geringerem Ertrag arbeiten, als sie dies ohne die ihr vorgesetzte Anlage der Beigeladenen könnte. Es spricht derzeit wenig dafür, dass dieser Abschattungseffekt als schädliche Umwelteinwirkung im Verständnis von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB anzusprechen ist und die Bauaufsichtsbehörde gestützt auf ihn eine Baugenehmigung versagen dürfte und im Interesse der Antragsteller versagen müsste. Was unter schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB zu verstehen ist, richtet sich nach den Begriffsbestimmungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes. Nach § 3 Abs. 1 BImSchG sind schädliche Umwelteinwirkungen Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Immissionen sind nach § 3 Abs. 2 BImSchG auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkende Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen. Diese Begriffsbestimmung legt zumindest nahe, das bloße Vorenthalten oder den Entzug von Wind nicht als schädliche Umwelteinwirkung zu deuten,
42zu § 906 BGB vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 1991 - V ZR 308/89 - NJW 1991, 1671, 1672.
43Noch weniger eine Frage baurechtlicher Zulässigkeit ist es, ob die beabsichtigte Nutzung aus ökonomischen Gründen Erfolg verspricht. Das öffentliche Baurecht reguliert nicht, ob ein Vorhaben bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise sinnvoll ist. Derartige Entscheidungen überlässt es grundsätzlich dem Eigentümer, der sein Grundstück verwerten will.
44Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 5. Januar 1996 - 4 B 306.95 - BRS 58 Nr. 91.
45Mit der Erteilung einer Baugenehmigung für ein bestimmtes Vorhaben geht danach nicht gleichsam ein öffentlich- rechtliches Schutzversprechen einher, die genehmigte Nutzung werde nicht durch die Zulassung anderer an sich ebenfalls zulässiger Nutzungen in ihrer Wirtschaftlichkeit beeinträchtigt werden. Der Nachbar, der sich seine Bauwünsche erfüllt hat, hat es nicht in der Hand, durch die Art und Weise seiner Bauausführung unmittelbaren Einfluss auf die Bebaubarkeit anderer Grundstücke zu nehmen. Die Baugenehmigung schafft keine Grundlage dafür, weitere Vorhaben mit dem Argument abzuwehren, für das behördlich gebilligte eigene Baukonzept sei von ausschlaggebender Bedeutung gewesen, dass der Eigentümer des angrenzenden Grundstücks die Nutzungsmöglichkeiten, die das Baurecht auch ihm an sich eröffnet, nicht voll ausschöpft,
46Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 6. Dezember 1996 - 4 B 215/96 - BRS 58 Nr. 164.
47Die Antragsteller befürchten zum anderen, ihre Anlage werde wegen des geringen Abstands der ihr vorgelagerten Anlage der Beigeladenen von Verwirbelungen in der Nachlaufströmung dieser Anlage erfasst. Diese erhöhte Turbulenzintensität werde zu erheblichen Mehrbelastungen ihrer Anlage und dadurch zu einem schnelleren Verschleiß von Anlagenteilen führen. Es erscheint derzeit nicht ausgeschlossen, Luftverwirbelungen und eine erhöhte Turbulenzintensität als ähnliche Umwelteinwirkung im Sinne des § 3 Abs. 2 BImSchG zu werten; diese Einwirkung dürfte den dort genannten Erschütterungen durchaus vergleichbar sein. Die weiter beschriebenen Folgen einer solchen erhöhten Turbulenzintensität können ebenfalls nicht von vornherein von der Hand gewiesen werden. Jedoch bedarf noch weiterer Klärung im Hauptsacheverfahren, ob nach den konkreten Umständen dieses Falles die Schwelle zum erheblichen Nachteil oder zur erheblichen Belästigung im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG überschritten und die Einwirkungen auf die Anlage der Antragsteller als unzumutbar und deshalb rücksichtslos einzustufen sind. Diese notwendige Beurteilung anhand der konkreten Umstände des Falles wird derzeit nicht durch allgemein anerkannte Richtwerte für den erforderlichen Abstand verschiedener Windkraftanlagen zueinander erleichtert oder gar ersetzt. Derartige Richtwerte ergeben sich insbesondere nicht aus den "Grundsätzen für Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen",
48Gemeinsamer Runderlass des Ministeriums für Bauen und Wohnen, des Ministeriums für Stadtentwicklung, Kultur und Sport, des Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft und des Ministeriums für Wirtschaft und Mittelstand, Technologie und Verkehr vom 29. November 1996, MBl. NRW 1996, Seite 1664, geändert durch Runderlass vom 28. September 1998, MBl. NRW 1998, Seite 1110.
49Diese Grundsätze empfehlen unter "IV. baurechtliche Zulässigkeit von Vorhaben" in ihrer Nummer "2.4 Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme" zur optimalen Ausnutzung des hereinkommenden Windes, die Abstände der Windkraftanlagen untereinander als ein Vielfaches des Rotordurchmessers der jeweils geplanten Windkraftanlage zu bestimmen. Die Windkraftanlagen sollen danach in einem Winkelbereich von +/- 30° zur Achse der Hauptwindrichtung vor den benachbarten Windkraftanlagen das Achtfache ihres Rotordurchmessers als Abstand haben; in allen übrigen Windrichtungen das Vierfache des Rotordurchmessers. Im Bereich des Übergangs von Haupt- und Nebenwindrichtung soll der Abstand mindestens das Vierfache des Rotordurchmessers zur Achse der Hauptwindrichtung betragen. Bei den empfohlenen Abständen geht es indes darum, den hereinkommenden Wind optimal auszunutzen. Die Gesamtfläche einer im Flächennutzungsplan dargestellten Konzentrationszone soll möglichst effektiv ausgenutzt werden. Mit dem hier betrachteten Phänomen von Luftverwirbelungen und ihrer Auswirkung auf die schnellere Abnutzung benachbarter Anlagen hat dies zunächst nichts zu tun. Die Empfehlungen konkretisieren mit dieser Zielsetzung keine Erfahrungen über notwendige Abstände, die zur Vermeidung vorzeitigen Verschleißes benachbarter Anlagen oder gar zur Wahrung ihrer Standsicherheit einzuhalten sind. Mit ihrer mehr planerischen Zielsetzung (effektive Nutzung der Gesamtfläche einer im Flächennutzungsplan ausgewiesenen Konzentrationszone) geben sie der Gemeinde einen Anhalt, wie diese bei der Umsetzung eines Flächennutzungsplans mit dieser Darstellung in einen Bebauungsplan die Standorte dort zulässiger Anlagen möglichst optimal aufeinander abstimmen kann. Das sehen die erwähnten "Grundsätze" offenbar ebenso. Sie empfehlen nämlich des Weiteren, (außerhalb der konkreten Festsetzung von Standorten durch Bebauungsplan) eine zivilrechtliche Vereinbarung mit den Eigentümern der in Hauptwindrichtung gelegenen Grundstücke abzuschließen, um den wirtschaftlichen Betrieb einer Anlage auf Dauer zu gewährleisten.
50Ob die von den Antragstellern geschilderten Turbulenzeffekte das Maß des ihnen Zumutbaren überschreiten und als rücksichtslose Einwirkung auf ihre Anlage zu qualifizieren sind, kann nur mit Blick darauf beurteilt werden, dass auch die Antragsteller sich mit ihrer Anlage in einem Windpark angesiedelt haben, in dem zahlreiche weitere Anlagen dieser Art errichtet werden sollen. Einen von anderen Anlagen gänzlich unbeeinflussten Betrieb ihrer Anlage konnten die Antragsteller von vornherein nicht erwarten. Mit einem gewissen Maß an Beeinträchtigungen durch das Zusammenwirken verschiedener Anlagen auf engem Raum mussten sie rechnen. Nicht jede erhöhte Turbulenzintensität überschreitet unter dieser Voraussetzung das Maß des Zumutbaren. Die Abgrenzung im Einzelnen muss, auch mit Blick auf die folgenden Ausführungen zur Standsicherheit, dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben,
51so auch OVG NRW, Beschluss vom 24. Januar 2000 - 7 B 2180/99 -.
52Die streitige Baugenehmigung des Antragsgegners vom 26. Januar 1999 verstösst nicht offensichtlich gegen Vorschriften des Bauordnungsrechts, welche den Antragstellern Nachbarschutz vermitteln. Eine Verletzung solcher Vorschriften ist indes auch nicht ausgeschlossen. Vielmehr besteht insoweit ein Bedarf an weiterer Klärung, die nur im Hauptsacheverfahren zu leisten ist.
53Als nachbarschützende Vorschrift des Bauordnungsrechts, die verletzt sein könnte, kommt § 15 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW in Betracht. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW muss jede bauliche Anlage im Ganzen und in ihren Teilen sowie für sich allein standsicher sein. Die Standsicherheit anderer Anlagen und die Tragfähigkeit des Baugrundes dürfen nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW nicht gefährdet werden. Soweit bauliche Anlagen auf Nachbargrundstücken durch die Errichtung einer baulichen Anlage betroffen sein können, hat die Vorschrift nachbarschützenden Charakter,
54vgl. bereits OVG NRW, Beschluss vom 16. März 1993 - 10 B 108/93 -.
55Die Antragsteller sehen die Standsicherheit ihrer Windkraftanlage durch die erhöhte Intensität der Windturbulenzen gefährdet, die infolge des Betriebs der Windkraftanlage der Beigeladenen auf ihre Anlage einwirken könnten. Neben § 15 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW oder möglicherweise auch diese Vorschrift verdrängend könnte § 18 Abs. 3 BauO NRW thematisch einschlägig sein. Nach dieser Vorschrift sind Erschütterungen oder Schwingungen, die von ortsfesten Anlagen oder Einrichtungen in baulichen Anlagen oder auf Baugrundstücken ausgehen, so zu dämmen, dass Gefahren oder unzumutbare Belästigungen nicht entstehen. Möglicherweise fallen in den Schutzbereich des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW nur solche Gefährdungen für die Standsicherheit anderer baulicher Anlagen, die durch die Errichtung der (neuen) baulichen Anlage, nämlich durch die Art ihrer Gründung, durch Grundwasserabsenkungen oder durch ihre Last verursacht werden. Dem Schutzbereich des § 18 Abs. 3 BauO NRW könnten hingegen solche Gefahren für andere bauliche Anlagen zuzuordnen sein, die von der Nutzung der (neuen) baulichen Anlage, namentlich von dort installierten Maschinen und anderen technischen Bauteilen, ausgehen, wenn deren Betrieb durch Erschütterungen oder Schwingungen, sei es durch den Baugrund, sei es durch die Luft übertragen, auf die Standfestigkeit benachbarter Anlagen nachteilig einwirkt.
56Eine Verletzung einer dieser Vorschriften oder beider Vorschriften lässt sich nach dem derzeitigen Erkenntnisstand des Senats nicht hinreichend beurteilen.
57§ 15 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW verlangt zunächst, die Verantwortungsbereiche der beiden betroffenen Bauherren näher abzugrenzen. Grundsätzlich hat der Bauherr einer bestehenden baulichen Anlage selbst für die Standsicherheit seiner Anlage einzustehen. Dies folgt bereits aus § 15 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW. Andererseits kann er in gewissem Umfang darauf vertrauen, die Umstände, welche für die Standsicherheit seiner Anlage maßgeblich sind, würden nicht zu seinen Lasten mit der Folge verändert, dass ein Nachrüsten seiner Anlage erforderlich wird, um deren Standsicherheit nach solchen Veränderungen weiter zu gewährleisten. Wer eine neue bauliche Anlage errichtet, muss demgemäß nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW seinerseits darauf achten, dass er die Bedingungen der Standsicherheit benachbarter Anlagen nicht in einer Weise verändert, mit welcher der Bauherr der benachbarten Anlage bei deren Errichtung und ordnungsgemäßer Unterhaltung nicht rechnen musste. Dieses Spannungsverhältnis zwischen den Pflichten des Bauherrn einer bestehenden baulichen Anlage einerseits und des Bauherrn einer hinzutretenden baulichen Anlage andererseits gilt auch in den Fällen, in denen sich mehrere Betreiber von Windkraftanlage in einem Windpark ansiedeln, der einer unbestimmten Vielzahl solcher Anlagen offen steht,
58OVG NRW, Beschluss vom 24. Januar 2000 - 7 B 2180/99 -.
59Der Senat hat keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, die Errichtung und Nutzung der Windkraftanlage der Beigeladenen werde die Bedingungen der Standsicherheit für die Anlage der Antragsteller in einer Weise verändern, die nicht mehr deren eigenen Risikobereich zuzurechnen ist. Zur abschließenden Beurteilung bedarf es vielmehr weiterer Prüfungen, die dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten sind.
60Wird eine Windkraftanlage in Windrichtung vor einer bereits bestehenden Windkraftanlage errichtet, kann sie durch Erhöhung der Turbulenzintensität einen schnelleren Verschleiß von Anlagenteilen der nachgesetzten Anlage bewirken und damit auf Dauer deren Standsicherheit beeinträchtigen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kann dieser Wirkungszusammenhang nicht mit der Überlegung aus dem Schutzbereich des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW ausgeblendet werden, die Verminderung der Lebensdauer einer Anlage falle in den Risikobereich des Betreibers und sei baurechtlich nicht von Bedeutung. Wird die Standsicherheit einer bestehenden baulichen Anlage durch die Errichtung einer weiteren Anlage gefährdet, ist diese Gefährdung dem Bauherrn der zu errichtenden neuen Anlage nicht erst zuzurechnen, wenn die bestehende Anlage akut einzustürzen droht. Eine dem Bauherrn der zu errichtenden neuen Anlage gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW zuzurechnende Gefährdung der benachbarten Anlage kommt vielmehr auch dann in Betracht, wenn es besonderer, über den Regelfall deutlich hinausgehender Sicherungs- oder Wartungsmaßnahmen bedarf, um die Standsicherheit der bestehenden Anlage weiter (auf Dauer) zu gewährleisten,
61OVG NRW, Beschluss vom 24. Januar 2000 - 7 B 2180/99 -.
62Wann dem Bauherrn der bestehenden Anlage eine Gefährdung der Standsicherheit seiner eigenen Anlage nicht mehr zuzurechnen ist, hängt wesentlich davon ab, welche Veränderungen der Windverhältnisse er schon beim Bau seiner Anlage in Rechnung stellen musste. Wer in einem Windpark eine Windkraftanlage errichtet, kann nicht darauf vertrauen, seine Anlage werde auf Dauer den bestehenden örtlichen Windverhältnissen unverändert ausgesetzt bleiben. Er muss vielmehr von vornherein damit rechnen, dass weitere Windkraftanlagen aufgestellt werden, die seiner Anlage nicht nur Wind nehmen, sondern diesen auch in seiner Qualität verändern. Für die konkrete Abgrenzung der Risikobereiche ist insbesondere von Bedeutung, mit welchen Abständen konkurrierender Anlagen die Betreiber von Windkraftanlagen in Windparks üblicherweise rechnen können und müssen,
63OVG NRW, Beschluss vom 24. Januar 2000 - 7 B 2180/99 -.
64Im Hauptsacheverfahren wird in diesem Zusammenhang insbesondere zu prüfen sein, welche Bedeutung der Typenstatik, auf der die bauaufsichtliche Zulassung der Anlage der Antragsteller beruht, und den dort zu Grunde gelegten Lastannahmen zukommt. Ist dem Baugenehmigungsverfahren eine bestimmte Prüfung der Standsicherheit - hier in Form der Typenstatik - zu Grunde gelegt und ist diese Prüfung im konkreten Fall nicht mehr verwertbar, weil sie Verhältnisse zu Grunde legt, die infolge des Hinzutretens einer weiteren Anlage nicht mehr zutreffen, mag sich im Allgemeinen allein daraus ein rechtlich erheblicher Verstoß gegen § 15 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW noch nicht herleiten lassen. Das Hinzutreten der neuen Anlage mag Anlass nur zu neuen Überprüfungen geben. Nach der vorgelegten Typenstatik liegen dieser Lastannahmen zu Grunde, die unter anderem auf einer Turbulenzintensität von höchstens 0,2 beruhen. Für den Nachweis der Standsicherheit des Turmes und der Gründung einer Windkraftanlage ist die "Richtlinie für Windkraftanlagen - Einwirkungen und Standsicherheitsnachweise für Turm und Gründung", herausgegeben vom Deutschen Institut für Bautechnik, bindend. Diese Richtlinie ist gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 BauO NRW als technische Baubestimmung bauaufsichtlich eingeführt,
65Runderlass des Ministeriums für Bauen und Wohnen vom 8. Februar 1996, MBl. NRW Seite 465.
66Nach dieser Richtlinie ist bei der rechnerischen Ermittlung eines Beanspruchungskollektivs als Einwirkung unter anderem die Windturbulenz mit einer Turbulenzintensität in Höhe des Rotormittelpunktes von 0,2 zu berücksichtigen,
67Nr. 8.2 der Richtlinie a.a.O. MBl. NRW Seite 465, 490.
68Entspricht es danach einer allgemein anerkannten Regel der Technik, bei der Errichtung von Windkraftanlagen für deren Beanspruchung durch Windturbulenz eine Turbulenzintensität des Faktors 0,2 (aber auch nicht mehr) als Grenzwert zu berücksichtigen, kann dies für den hier betrachteten Zusammenhang bedeuten, dass der Bauherr zwar bei der Errichtung einer typengeprüften Anlage einen Standort wählen muss, dessen natürliche Gegebenheiten keine höhere als die zu Grunde gelegte Turbulenzintensität von 0,2 erwarten lassen. Er darf aber möglicherweise andererseits auch darauf vertrauen, dass die natürlichen Gegebenheiten nicht zu seinen Lasten durch die Zulassung anderer Windkraftanlagen verändert werden und die Windturbulenz die für Anlagen dieser Art sonst allgemein vorausgesetzte Intensität von 0,2 überschreitet.
69Der Senat hat indes derzeit keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür, die Nutzung der streitigen Windkraftanlage könne die Windbedingungen so ändern, dass die in Windrichtung hinter ihr stehende Anlage der Antragsteller von Windturbulenzen heimgesucht wird, deren Intensität den Faktor 0,2 überschreitet.
70Es versteht sich nicht ohne weiteres von selbst, dass bei Abständen zweier Windkraftanlagen zueinander, wie sie hier in Rede stehen, die in Windrichtung nachgesetzte Anlage im Nachlauf der vorgesetzten Anlage Turbulenzen einer Intensität ausgesetzt ist, welche die Standsicherheit gefährden können. Der Abstand der beiden Anlagen zueinander beträgt etwa 195 m und damit rund das Vierfache des Rotordurchmessers. Die Antragsteller haben selbst eine "Gutachterliche Stellungnahme zur Wahl der Turbulenzintensität des Windes von 0,2 sowie des Einflusses der Turbulenzintensität auf die Lebensdauer von Windenergieanlagen" der Windtest G. GmbH vom 28. Januar 2000 vorgelegt. Diese gutachterliche Stellungnahme verweist darauf, die Turbulenzintensität sei abhängig von der Höhe über Grund (sie nehme in der Regel mit zunehmender Höhe leicht ab) sowie von der Topographie der Umgebung und sonstigen aerodynamischen Hindernissen, wie beispielsweise Wäldern, Bauwerken und Windkraftanlagen. An Standorten in einem komplex strukturierten Gelände sei die Turbulenzintensität deutlich höher als im Flachland oder an der Küste. Werde an einem solchen Standort eine Windkraftanlage in Hauptwindrichtung vor einer bereits vorhandenen Windkraftanlage errichtet, könne die Turbulenzintensität in der Nähe der Lee-Anlage (Anlage im Windschatten) den Wert von 0,2 überschreiten. Ob allerdings die Turbulenzintensität der Lee- Anlage unzulässig durch die Luv-Anlage (vorgelagerte Anlage) erhöht werde oder nicht, bedürfe einer Einzelfallprüfung. In der Regel werde ein Abstand des fünffachen Rotordurchmessers in Hauptwindrichtung zwischen benachbarten Anlagen als bedenkenlos angesehen. Für die Aufstellung von Anlagen mit kleineren Abständen (dreifachem bis fünffachem Rotordurchmesser in Hauptwindrichtung) seien die örtlichen Windbedingungen (mittlere Windgeschwindigkeit, Turbulenzintensität, Windrichtung) sowie Abschattungseffekte zu berücksichtigen. Für komplexe Standorte sei in diesem Fall ein Nachweis zur Einhaltung der Turbulenzintensität von 0,2 sehr empfehlenswert.
71Dies wird bestätigt durch das Schreiben des Ministeriums für Bauen und Wohnen vom 9. November 1999 an das Verwaltungsgericht Arnsberg in einem dort anhängig gewesenen Verfahren mit vergleichbarer Problematik. Es enthält dieselben Aussagen, wie die von den Antragstellern vorgelegte gutachterliche Stellungnahme. Das Ministerium verweist für diese Aussagen auf eine Stellungnahme des Germanischen Lloyd, die ihrerseits auf einer Studie im Rahmen eines Forschungsvorhabens der Europäischen Union verweist. Ein Abstand von weniger als dem Dreifachen des Rotordurchmessers ist nach diesen Erkenntnissen im Hinblick auf die Standsicherheit als gefährlich einzustufen. Den Abstand von drei Rotordurchmessern unterschreitet die Anlage der Beigeladenen nicht. Das Ministerium weist ergänzend darauf hin, die Fachkommission "Bautechnik" der ARGEBAU (eine Fachkommission der Konferenz der für Städtebau, Bau- und Wohnungswesen zuständigen Minister und Senatoren) überarbeite zur Zeit die "Richtlinie für Windenergieanlagen, Einwirkungen und Standsicherheitsnachweise für Turm und Gründung". Es ist danach vorgesehen, in diese Richtlinie Anforderungen an die Abstände von Windkraftanlagen aufzunehmen, die aus Gründen der Standsicherheit erforderlich sind. Ähnlich hat sich das Ministerium für Bauen und Wohnen des Landes Nordrhein- Westfalen in einem Schreiben vom 16. Dezember 1999 an den Antragsteller zu 5. geäußert.
72Dass die zu Grunde gelegte Turbulenzintensität von 0,2 gleichsam notwendig überschritten wird, wenn in Hauptwindrichtung vor einer bestehenden Windkraftanlage eine andere Anlage in einem Abstand von weniger als dem Fünffachen, aber von mehr als dem Dreifachen des Rotordurchmessers errichtet wird, läßt sich danach nicht annehmen.
73Durchgreifende Anhaltspunkte für eine über den Faktor 0,2 erhöhte Turbulenzintensität ergeben sich nicht aus dem "Gutachten über die gegenseitige Beeinflussung einer genehmigten und einer bestehenden Windenergieanlage" des Sachverständigen L. (8Punkt2 Ingenieurbüro) vom 23. Juli 1999. Das Gutachten beschreibt zunächst abstrakt, wie sich mehrere Windkraftanlagen in einem Windpark durch Nachlaufeffekte und Abschattungen beeinflussen, namentlich mit Blick auf Leistungsverluste, die sich im Vergleich zu einzeln stehenden Anlagen ergeben. Der Sachverständige verweist sodann für den hier in Rede stehenden Standort A. -B. auf langjährig gemessene Werte der Turbulenzintensität von 0,164 in 30 m Höhe. Davon ausgehend schätzt er bezogen auf die Anlage der Antragsteller ohne die genehmigte und hier streitige Anlage der Beigeladenen die Turbulenzintensität auf 0,16, wobei er einerseits die Nabenhöhe von 65 m und andererseits einen in der Nähe gelegenen, Turbulenzen verstärkenden Teileinschnitt berücksichtigt. Daran schließt sich die Behauptung an, mit der vorgelagerten Anlage werde aber der Wert 0,2 überschritten, ohne dass diese Behauptung davor oder im Folgenden weiter hergeleitet wird. Vielmehr verweist der Sachverständige im Nachsatz lediglich auf die Zusammenfassung seines Gutachtens. Die Zusammenfassung enthält jedoch ebenfalls lediglich die Behauptung, durch die Erhöhung der Turbulenzintensität über den Faktor 0,2 sei die Standsicherheit der Anlage gefährdet. Wie der Gutachter zu seiner Annahme kommt, die Turbulenzintensität sei über den Faktor 0,2 erhöht, sagt er auch an dieser Stelle nicht.
74Aus ähnlichen Gründen kann derzeit nicht festgestellt werden, dass von einer Nutzung der Anlage der Beigeladenen Erschütterungen oder Schwingungen auf die Anlage der Antragsteller einwirken werden, die als Gefahren (für die Standsicherheit) oder als unzumutbare Belästigung im Sinne von § 18 Abs. 3 BauO NRW zu begreifen sind.
75Hiernach ist bei der im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung offen, ob nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts oder des Bauordnungsrechts zu Lasten der Antragsteller verletzt sind. Die Interessenabwägung, die deshalb unabhängig von dem mutmaßlichen Ausgang des Hauptsacheverfahrens vorzunehmen ist, geht zu Lasten der Antragsteller aus. Die Beigeladenen haben nicht anders als die Antragsteller ihre Anlage in einem Gebiet errichtet, das einer unbestimmten Vielzahl solcher Anlagen zur Verfügung steht. Mit dem hier gewählten Abstand, der das Maß des fünffachen Rotordurchmessers unterschreitet, wird die Standsicherheit der Anlage der Antragsteller noch nicht konkret gefährdet. Anhaltspunkte für eine solche Gefährdung liegen nicht vor, wie bereits dargelegt ist. Soweit im Gutachten des Sachverständigen L. ausgeführt wird, die "Lebensdauer" der Anlage der Antragsteller vermindere sich um 8 bis 12 %, geht es der Sache nach um einen möglicherweise gesteigerten Wartungsaufwand, wie in dem Gutachten selbst hervorgehoben wird. Dieser fällt erst in Jahren an und kann ohne weiteres finanziell ausgeglichen werden, wenn sich bei der Überprüfung im Hauptsacheverfahren die Anlage der Beigeladenen zu Lasten der Antragsteller als nachbarrechtswidrig erweisen sollte. Schließlich ist den Antragstellern die regelmäßige Überprüfung ihrer Anlage zuzumuten, zumal die ihnen erteilte Baugenehmigung ohnehin Überprüfungen der Anlage in Zeitabständen von höchstens zwei Jahren vorschreibt (Nebenbestimmung Nr. 15). Soweit die Antragsteller finanzielle Nachteile durch eine verminderte Leistung ihrer Anlage infolge der beklagten Windabschattung befürchten, schlägt dies in der Abwägung nicht zu ihren Gunsten zu Buche. Die Betreiber von Windkraftanlagen in einem Windpark müssen stets damit rechnen, dass ihnen der Wind in gewissem Umfang von anderen Anlagen genommen wird.
76Zu diesen Gesichtspunkten vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24. Januar 2000 - 7 B 2180/99 -.
77Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO, § 100 ZPO, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 20 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
78Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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