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Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
Der Beschluß ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.904,00 DM festgesetzt.
G r ü n d e :
2I.
3Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Gemarkung A , Flur 4, Flurstück 298 (B straße 5) in C . Unter dem 15. Juni 1960 wurde ihm für dieses Grundstück eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Wohnhauses erteilt. Die Entwässerung des Grundstücks sollte danach mangels eines in der B straße verlegten Kanals in den Wegegraben erfolgen, wobei für das Schmutzwasser mittels einer Drei-Kammer- Faulgrube eine Vorklärung durch Entschlammung erfolgen sollte. Sobald eine zentrale Kanalisation ausgebaut würde, mußte nach einer Nebenbestimmung zur Baugenehmigung der Anschluß daran erfolgen.
4Tatsächlich betrieb 1960 im Rahmen der Bebauung der B straße die damalige Gemeinde A die Verlegung eines Kanals, und zwar von der B straße bis zur Einmündung in die D straße, von dort bis zur E straße und da abknickend bis zum F bach, in den das Abwasser eingeleitet wurde. Die Ausschreibung erfolgte durch die Gemeinde A unter Einschaltung des Amtes C ; die Gemeinde bemühte sich, Durchleitungsrechte für sich zu erlangen. Die Finanzierung wurde in der Weise sichergestellt, daß die Anlieger der B straße sich verpflichteten, jeweils 1.000,00 DM vor Auftragserteilung durch die Gemeinde zu zahlen, was auch erfolgt ist. Der mit der Planung beauftragte Ingenieur erstellte am 8. Mai 1961 einen "Bestandsplan Teilkanalisation Gem. A , Krs. G ", in dem die Lage des Kanals in der B straße bis zum F bach verzeichnet ist. Der Kläger leitete in diesen Kanal den Überlauf der Klärgrube und das Regenwasser ein.
5Am 1. Januar 1969 wurde die Gemeinde A in die Stadt C eingegliedert. 1972 verlegte die Stadt im Gebiet der Stadt A einen Hauptsammler, der an das Klärwerk in H angeschlossen war. An diesen Hauptsammler wurde der von der B straße ausgehende Kanal angeschlossen. 1983 wurde dieser mittels Fernsehkamera untersucht. 1991 wurde der Kanal in der B straße gegen einen neuen ausgetauscht. Mit Bescheid vom 27. Mai 1992 zog der Beklagte den Kläger zu einem Kanalanschlußbeitrag über 7.904,00 DM heran. Auf den den Widerspruch des Klägers zurückweisenden Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 20. Dezember 1994 hin hat der Kläger rechtzeitig Klage erhoben. Er hat vorgetragen: Durch die Neuherstellung des Kanals in der B straße im Jahre 1991 sei keine erneute Beitragspflicht entstanden, da es sich nicht um eine erstmalige Kanalisierung handele. Vielmehr sei bereits 1969 eine einmalige Anschlußgebühr vorgesehen gewesen. Spätestens sei 1972, als die Vorklärungsnotwendigkeit infolge des Anschlusses an den Hauptsammler weggefallen sei, eine Beitragspflicht entstanden, soweit diese nicht wegen des vorhergehenden Entstehens einer Anschlußgebühr von vornherein entfiel. Es sei unerheblich, daß die B straße nicht im Verzeichnis der Straßen und Ortsteile mit betriebsfertigen Entwässerungs- und Abwasseranlagen verzeichnet gewesen sei, da einem solchen Verzeichnis keine konstitutive Bedeutung zukomme.
6Der Kläger hat beantragt,
7den Bescheid des Beklagten vom 27. Mai 1992 und den Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 1994 aufzuheben.
8Der Beklagte hat beantragt,
9die Klage abzuweisen.
10Er hat vorgetragen: Erst 1990/1991 sei ein öffentlicher Abwasserkanal in der B straße verlegt worden, dessen Fertigstellung am 5. Februar 1992 öffentlich bekannt gemacht worden sei. Dadurch sei die Beitragspflicht ausgelöst worden.
11Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingelegte Berufung des Beklagten, mit der er vorträgt: Vor der Verlegung des Kanals 1991 in der B straße habe eine Beitragspflicht oder eine Anschlußgebührenpflicht nicht entstehen können, da der alte Kanal in der B straße technisch nicht geeignet für die unschädliche Ableitung des Abwassers und somit nicht Teil der öffentlichen Entwässerungsanlage C gewesen sei. Voraussetzung für eine unschädliche Entwässerung sei die Zuführung der Abwässer zu einer Zentralkläranlage. Daher könne die Ableitung in den F bach von vorneherein nicht als unschädliche Entwässerung angesehen werden. Auch nach dem Anschluß des alten Kanals der B straße an den 1972 verlegten Hauptsammler habe eine Beitragspflicht nicht entstehen können, da der alte Kanal infolge seines mangelhaften technischen Standards zur Aufnahme ungeklärten Abwassers ungeeignet gewesen sei. Daher seien die Kleinkläranlagen in der B straße anläßlich des Anschlusses an den Hauptsammler auch nicht stillgelegt worden. Die Untersuchung des Kanals 1983 habe die technische Ungeeignetheit des Kanals zum Transport ungeklärter Abwässer nachgewiesen. Er, der Beklagte, habe keine Gebühren für die Nutzung des Kanals erhoben und ihn auch nicht in die Beitragsbedarfsberechnung eingestellt, weil keine betriebsfertige öffentliche Abwasserleitung in der B straße vorhanden gewesen sei.
12Der Beklagte beantragt,
13das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Antrag erster Instanz zu erkennen.
14Der Kläger beantragt,
15die Berufung zurückzuweisen.
16Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und trägt insbesondere vor: Der alte Kanal in der B straße habe von Anfang an zur gemeindlichen Entwässerungsanlage gehört. Die Ableitung des vorgeklärten Abwassers in den F bach habe den damaligen Standards für eine unschädliche Entwässerung genügt. Die Tatsache, daß der alte Kanal 1991 ausgetauscht worden sei, beruhe auf einem normalen Reparaturbedarf nach etwa 30 Jahren. Im übrigen habe der Beklagte auch erst sieben Jahre nach der Feststellung der Mängel die Notwendigkeit für eine Reparatur gesehen.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und der dazu beigezogenen Unterlagen Bezug genommen.
18II.
19Der Senat entscheidet nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluß gemäß § 130a VwGO, dessen Voraussetzungen vorliegen.
20Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Rechte des Klägers (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
21Der Beitrag durfte nicht festgesetzt werden, weil eine Beitragspflicht nicht entstanden ist. Das Grundstück gehört nämlich nicht zum Kreis der einer Beitragspflicht unterliegenden Grundstücke. Gemäß § 7 Abs. 2 der Satzung der Stadt C über die Erhebung von Beiträgen und Gebühren für die Entwässerung der Grundstücke und den Anschluß an die öffentliche Abwasseranlage vom 5. Oktober 1972 (ABS 1972) entsteht für Grundstücke, die beim Inkrafttreten der Satzung (1. Januar 1973) bereits angeschlossen waren, keine Anschlußbeitragspflicht, wenn für den Anschluß des Grundstücks eine Anschlußgebühren- oder eine Beitragspflicht nach früherem Recht entstanden war, auch wenn sie durch Zahlung, Erlaß oder Verjährung erloschen ist.
22Unerheblich ist, ob die ABS 1972 wirksames Ortsrecht war. Aus Gründen des Vertrauensschutzes können nämlich solche an sich gültigen, den Kreis der der Beitragspflicht unterliegenden Grundstücke einschränkenden Tatbestandsregelungen einer ungültigen Satzung durch eine spätere gültige Satzung nur für solche Grundstücke beseitigt werden, die nach dem Inkraftsetzen der die Einschränkung beseitigenden Satzung angeschlossen werden.
23Vgl. OVG NW, Urteil vom 7. September 1987 - 2 A 993/87 -, StuGR 1988, 299 (300).
24Der Tatbestand des die Beitragspflicht ausschließenden § 7 Abs. 2 ABS 1972 ist erfüllt. Das Grundstück des Klägers war am 1. Januar 1973 an die öffentliche Abwasseranlage angeschlossen. Der Kanal in der B straße war nämlich entgegen der Auffassung des Beklagten Teil der öffentlichen Abwasseranlage der Stadt C . Ob ein Kanal Teil der öffentlichen Abwasseranlage ist, bestimmt sich danach, ob er zum entwässerungsrechtlichen Zweck durch Widmung bestimmt ist, die nicht formgebunden ist und auch konkludent erfolgen kann.
25Vgl. OVG NW, Urteil vom 7. September 1987, a.a.O.
26Der alte Kanal in der B straße war ursprünglich Teil der öffentlichen Entwässerungsanlage der Gemeinde A und hat die Eigenschaft, Teil der öffentlichen Entwässerungsanlage zu sein, nicht verloren, als die Gemeinde A am 1. Januar 1969 in der Stadt C aufging. Dies ergibt eine Gesamtwürdigung der Umstände: Der Kanal wurde durch die Gemeinde A zum Zweck der Ableitung von Oberflächenwasser und vorgeklärtem Schmutzwasser im Rahmen der Bebauung der B straße erstellt, indem die Gemeinde die Planung und Ausschreibung veranlaßte und den Auftrag zur Verlegung des Kanals im wesentlichen im öffentlichen Straßenraum vergab. Bei diesem Kanal handelte es sich auch nicht um ein bloßes Provisorium, sondern um eine nach den damaligen Verhältnissen als ausreichend angesehene Form der Entwässerung von Regenwasser und vorgeklärtem Schmutzwasser. Das ergibt sich schon daraus, daß der Kanal nicht zur vorläufigen Behebung eines eingetretenen Entwässerungsmißstandes, sondern im Rahmen der anstehenden Bebauung der B straße erstellt wurde. Auch die Entwässerungsrechtslage sah zum damaligen Zeitpunkt die Ableitung von Oberflächenwasser und von in Klärfaulgruben entschlammtem häuslichen Abwasser in Gewässer, soweit sie reichlich Niedrigwasser führten, als ausreichend an.
27Vgl. Punkt 2.232 der DIN 4261 von Oktober 1954 (Kleinkläranlagen), eingeführt durch Runderlaß des Ministers für Wiederaufbau und des Ministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 11. November 1954, MBl. NW Spalte 2037; vgl. auch die erneute Bekanntgabe durch Runderlaß des Ministers für Landesplanung, Wohnungsbau und öffentliche Arbeiten sowie des Ministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 18. Februar 1964, MBl. NW S. 389; siehe auch zur Maßgeblichkeit dieser technischen Vorschrift und der Zulässigkeit der Einleitung vorgeklärter Abwässer in einen Vorfluter für die Rechtslage 1970 Gädtke, Kommentar zur BauO NW, 3. Aufl. 1970, S. 373, 379.
28Die seinerzeit gewählte Form der Abwasserbeseitigung war daher geeignet, den Entwässerungszweck herbeizuführen, so daß kein Grund besteht, den alten Kanal nur als Provisorium, das noch nicht Teil der öffentlichen Entwässerungsanlage geworden ist, anzusehen. Unerheblich ist, ob eine erforderliche wasserrechtliche Erlaubnis für eine Einleitung vorlag und ob konkret die gewählte Entwässerung nach der Ableitung aus dem Bereich der angeschlossenen Grundstücke zu keiner Umweltbelastung führte.
29Vgl. OVG NW, Urteil vom 7. September 1987, a.a.O.
30Der Umstand, daß die Baugenehmigung und die Bauunterlagen noch von einem Einleiten des Oberflächenwassers und des vorgeklärten Schmutzwassers in einen Wegegraben ausgingen, ändert nichts daran, daß die Gemeinde A den Kanal gerade als Ersatz für eine Entwässerung über den Wegegraben konzipiert und damit eine öffentliche Entwässerungsanlage geschaffen hat.
31An der Eigenschaft des alten Kanals in der B straße, Teil der gemeindlichen öffentlichen Abwasseranlage zu sein, hat sich durch das Aufgehen der Gemeinde A in der Stadt C nichts geändert: Der Begriff der öffentlichen Abwasseranlage und deren Zweck sind in § 1 der Satzung der Stadt C über die Entwässerung der Grundstücke und den Anschluß an die städtischen Entwässerungs- und Abwasseranlagen vom 5. Dezember 1969 (EWS 1969) so weit und so generell gefaßt (die Stadt hat "für eine unschädliche Ableitung der Abwässer (Schmutz- und Oberflächenwasser) zu sorgen"; die Stadt läßt "Leitungen" sowie "Anlagen zur Reinigung der Abwässer" bauen, wobei Abwasseranlagen "auch aus offenen Entwässerungsgräben und Vorflutern" und "Privatkanäle(n)" bestehen können), daß angesichts der auch noch Ende 1969 als grundsätzlich ausreichend angesehenen Entwässerungsform der Ableitung in einer Klärgrube vorgeklärter Abwässer in einen Vorfluter der alte Kanal in der B straße auch Teil der öffentlichen Entwässerungsanlage der Stadt C geworden ist.
32Der Anschluß des klägerischen Grundstücks an diese öffentliche Entwässerungsanlage hat, wie § 7 Abs. 2 ABS 1972 weiter verlangt, zu einer Anschlußgebührenpflicht nach früherem Recht geführt. § 3 Abs. 1 der Gebührenordnung zur Satzung der Stadt C über die Entwässerung der Grundstücke und den Anschluß an die städtische Entwässerungs- und Abwasseranlage vom 5. Dezember 1969 (GBO 1969) regelte nämlich, daß eine einmalige Anschlußgebühr für das Nehmen oder Haben (Behalten) des Anschlusses an die städtischen Entwässerungs- und Abwasseranlagen zu zahlen war.
33Unerheblich ist für die satzungsrechtliche Beschränkung des Kreises der der Beitragspflicht unterliegenden Grundstücke in § 7 Abs. 2 ABS 1972, daß das Grundstück des Klägers sowohl während der Existenz der Gemeinde A als auch im Zeitpunkt des Übergangs auf die Stadt C am 1. Januar 1969 nur über einen Teilanschluß verfügte, weil das Schmutzwasser einer Vorklärung durch eine Kleinkläranlage bedurfte. Maßgeblich ist alleine, ob der Anschluß, sei es ein Vollanschluß, sei es ein Teilanschluß, zum Entstehen der vollen Anschlußgebühr geführt hat.
34Vgl. OVG NW, Urteil vom 7. September 1987, a.a.O.; Urteil vom 21. August 1979 - II A 792/77 -, MittStGB NW 1979, 364.
35Das ist der Fall. § 3 Abs. 1 GBO 1969 setzt als Tatbestandsmerkmal für das Entstehen der Anschlußgebühr alleine das - hier allein in Betracht kommende - Haben (Behalten) des Anschlusses an die städtischen Entwässerungs- und Abwasseranlagen voraus. Eine Teilanschlußgebühr war lediglich in § 3 Abs. 3 GBO 1969 für den Fall vorgesehen, daß von einem unbebauten Grundstück nur Oberflächenwasser in die öffentlichen Enwässerungs- und Abwasseranlagen eingeleitet wurde. Für den Fall, daß von einem bebauten Grundstück Oberflächenwasser und vorgeklärtes Schmutzwasser eingeleitet wurden, war keine Teilanschlußgebühr vorgesehen. Entscheidend ist daher für das Entstehen der vollen Anschlußgebühr nur, ob der Anschluß des klägerischen Grundstücks ein Anschluß im Sinne des § 3 Abs. 1 GBO 1969 war. Das ist zu bejahen.
36Ein Anschluß in diesem Sinne liegt nämlich vor, wenn er ein von der EWS 1969 vorgesehener Anschluß war. Die EWS 1969 kannte nicht nur den vollen Anschluß, sondern auch den auf die unmittelbare Einleitung des Regenwassers und vorgeklärten Schmutzwassers beschränkten Anschluß. § 8 Abs. 2 Buchst. d EWS 1969 sah nämlich insoweit vor, daß dann, wenn in die Abwasserleitung menschliche Abgänge nicht eingeführt werden durften, eine Grundstückskläreinrichtung angelegt werden mußte, deren Überlauf ausnahmsweise mit Einverständnis des Stadtdirektors an die Netzleitung angeschlossen werden durfte, wenn das Abwasser nach dem genehmigten Entwurf behandelt worden war. Die EWS 1969 sah damit genau die Art des Anschlusses vor, die vor der Eingliederung der Gemeinde A in die Stadt C mit dem Willen der Gemeinde A hergestellt war. Der so im Zeitpunkt des Inkrafttretens der GBO 1969 vorhandene Anschluß war also ein entwässerungsrechtlich vorgesehener Anschluß und damit ein das Entstehen der vollen Anschlußgebühr auslösender Anschluß im Sinne des § 3 Abs. 1 GBO 1969.
37Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 163 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
38Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
39Die Streitwertentscheidung beruht auf §§ 14 Abs. 1, 13 Abs. 2 GKG.
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