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Die Berufung wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in derselben Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über Sachschadenersatz.
3Die Klägerin steht als beamtete Lehrerin für Sonderpädagogik im Dienst des beklagten Landes. Sie ist an der X-Schule in Y tätig. Seit Jahren führte die Schule einen mobilen Elternsprechtag durch. Sofern dies von den Erziehungsberechtigten gewünscht wurde, stattete der jeweilige Klassenlehrer zusammen mit den Fachlehrern einen Hausbesuch ab.
4Mit Schreiben vom 00.00.00 lud der Schulleiter die Eltern zur Teilnahme an dem Elternsprechtag ein, der am 00. und 00.00.00 geplant war. Mit weiterem Schreiben vom 00.00.00 bat der Schulleiter das Schulamt für den Kreis X um die Erteilung einer Dienstreisegenehmigung für alle Kollegen unter Verzicht auf Reisekosten. Das Schulamt für den Kreis X erteilte durch Bescheid vom 00.00.00 den Klassenlehrern und Fachlehrern für die Hausbesuche im Rahmen des Elternsprechtages am 00. und 00.00.00 nachträglich Dienstreisegenehmigungen; Dienstunfallschutz werde gewährt. Reisekosten könnten nicht erstattet werden.
5Die Klägerin trat am 00.00.00 mit ihrem privateigenen Pkw nach drei Elternbesuchen von Z aus die Heimfahrt nach M an. Sie übersah in Z gegen 10.10 Uhr ein vorfahrtberechtigtes Fahrzeug. Ihr eigener Pkw wurde bei dem Zusammenstoß erheblich beschädigt. Die Firma N stellte für die Reparatur 5.566,17 DM in Rechnung.
6Mit Schreiben vom 00.00.00 zeigte die bei dem Unfall nicht verletzte Klägerin einen "Dienstunfall" an. Der Schulleiter begründete die Praxis des mobilen Elternsprechtages in einem Schreiben vom 00.00.00 damit, schon vor mehr als zehn Jahren habe die Lehrerkonferenz diese Form des Elternsprechtages erörtert und darüber für die Zukunft einen Beschluß gefaßt. Die Lehrerkonferenz habe es aus sonderpädagogischen Gründen als erforderlich angesehen, daß die Lehrer anläßlich des ersten Elternsprechtages im ersten Schulhalbjahr in die Elternhäuser führen. Gespräche im Umfeld des Elternhauses seien wenigstens einmal im laufenden Schuljahr notwendig. Effektive schulische Arbeit könne nur in Wahrnehmung des äußeren und familienpädagogischen Bedingungsfeldes geleistet werden. Für die Erforderlichkeit der Hausbesuche spreche auch, daß viele Eltern nicht über einen eigenen Pkw verfügten und somit die Schule nicht erreichen könnten. Die Schüler der X- Schule kämen aus 22 verschiedenen Orten in den Kreisen Z und U. Die Lehrer könnten keine öffentlichen Verkehrsmittel nutzen und seien auf den eigenen Pkw angewiesen. Sämtliche Lehrer hätten in der Vergangenheit unter Verzicht auf Reisekosten ihren eigenen Pkw für die Hausbesuche eingesetzt. Der zweite Elternsprechtag werde in der Schule abgehalten. Diese Form der Elternsprechtage werde von allen Seiten, auch dem Schulamt, begrüßt.
7Durch Bescheid vom 00.00.00 erkannte der Regierungspräsident X den von der Klägerin gemeldeten Schaden als Sachschaden gemäß § 32 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG) an. Die Höhe des zu leisteten Erstattungsbetrages könne zur Zeit noch nicht festgesetzt werden. Als Höchstbetrag könne nur ein Betrag von 650,-- DM gezahlt werden. Zur Begründung berief sich der Regierungspräsident X auf Tz der Allge- meinen Verwaltungsvorschrift zum Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVGVwV). Eine Überschreitung des Höchstbetrages von 650,-- DM komme nicht in Betracht, weil der Dienstherr die Verwendung des privateigenen Kraftfahrzeugs nicht veranlaßt habe. Wegen des Verschuldens müsse die Klägerin mit einer Reduzierung des Erstattungsbetrages auf die Hälfte rechnen.
8Mit ihrem Widerspruch wandte sich die Klägerin gegen die Begrenzung des Erstattungsbetrages und führte zur Begründung aus, sie habe keine öffentlichen Verkehrsmittel nutzen können, weil ein Bus nur alle drei Stunden verkehre. Der Regierungspräsident X hielt dem entgegen, daß noch keine abschließende Entscheidung getroffen sei. Aus den vorhandenen Unterlagen gehe hervor, daß das Schulamt für den Kreis Y die Benutzung des privateigenen Pkw nicht veranlaßt habe. Durch Bescheid vom 00.00.00 setzte der Regierungspräsident X den zu erstattenden Betrag auf 325,-- DM fest. Er verwies zur Begründung auf den Bescheid vom 00.00.00 und einen Runderlaß des Kultusministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 30. April 1990 - Z B 1/2-24/20-89/90 -.
9Den Widerspruch der Klägerin wies der Regierungspräsident X durch Bescheid vom 00.00.00 zurück, der am 00.00.00 zugestellt wurde. Zur Begründung führte er ergänzend aus, eine Einflußnahme des Dienstherrn, die vor Antritt der Dienstfahrt aktenkundig gemacht worden wäre, sei nicht ersichtlich. Elternsprechtage seien grundsätzlich in der Schule durchzuführen. Aus schulfachlicher Sicht sei es nur in begründeten Ausnahmefällen sinnvoll, wenn ein Lehrer das Elternhaus eines Schülers aufsuche.
10Die Klägerin hat am 00.00.00 Klage erhoben, auf ihr bisheriges Vorbringen Bezug genommen und ergänzend vorgetragen, sie hätte ihre Dienstpflichten verletzt, wenn sie sich nicht - mit ihrem eigenen Pkw - am mobilen Elternsprechtag beteiligt hätte. Das Schulamt sei vor Antritt der Dienstreise unterrichtet gewesen und habe im übrigen jahrelang Dienstreisegenehmigungen erteilt.
11Die Klägerin hat beantragt,
12das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides des Regierungspräsidenten X vom 00.00.00 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 00.00.00 zu verpflichten, an sie 2.458,08 DM nebst 4% Zinsen ab 24. Februar 1993 zu zahlen.
13Der Beklagte hat beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Er hat sich auf die Begründung der Bescheide berufen.
16Das Verwaltungsgericht hat dem Klagebegehren durch das angefochtene Urteil entsprochen und zur Begründung ausgeführt, das von der Klägerin verfolgte Begehren richte sich, weil kein Körperschaden eingetreten sei, nach § 91 Abs. 1 des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (LBG). Der Beklagte habe von dem ihm nach dieser Vorschrift eingeräumten Ermessen in der Weise Gebrauch gemacht, daß er in der dazu ergangenen Verwaltungsvorschrift auf die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Beamtenversorgungsgesetz und dazu ergangene Durchführungshinweise Bezug genommen habe. Der Runderlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 9. April 1987 (MBl NW 606) sehe einen Sachschadenersatz ohne die Begrenzung nach Tz. BeamtVGVwV vor, wenn der Einsatz des beschädigten privateigenen Kraftfahrzeugs auf dem ausdrücklichen Verlangen oder der Einflußnahme des Dienstherrn beruhe. Das Verlangen oder die Einflußnahme des Dienstherrn müsse vor Antritt der Reise ausgesprochen sein und aktenkundig festgehalten werden. Im vorliegenden Fall habe der Dienstherr auf die Verwendung des privateigenen Kraftfahrzeugs der Klägerin Einfluß genommen, indem der Schulleiter der X-Schule in Fortführung einer langjährigen Praxis sowie in Kenntnis und in Billigung des Schulamtes für den Kreis Y den jährlich stattfindenden mobilen Elternsprechtag im November 19.. festgelegt und organisiert habe. Mit dem Schreiben des Schulleiters sei die Einflußnahme aktenkundig geworden. Weil der mobile Elternsprechtag nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln durchgeführt werden könne und keine Dienstfahrzeuge zur Verfügung gestellt worden seien, habe die Klägerin ihre Dienstpflicht zur Durchführung des Elternsprechtages nur so verstehen können, daß der Dienstherr von ihr erwarte, ihr privateigenes Kraftfahrzeug für Elternbesuche zu verwenden. Die Kürzung des Sachschadenersatzes um 50 % wegen des Verschuldens der Klägerin sei nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte, die eine abweichende Quote bei einer Überschreitung des Höchstbetrages von 650,-- DM rechtfertigen könnten, seien nicht ersichtlich. Der Zinsanspruch beruhe auf § 291 BGB.
17Der Beklagte hat gegen das am 00.00.00 zugestellte Urteil am 00.00.00 Berufung eingelegt und trägt zu deren Begründung vor: Die Durchführung "mobiler Elternsprechtage" beruhe ausschließlich auf einer Eigeninitiative des Kollegiums der X- Schule. Um für die von den Lehrern gewünschte atypische Form des Elternsprechtages, die mehr Zeitaufwand erfordere und mehr Unterrichtsausfall nach sich ziehe als der übliche Elternsprechtag in der Schule, eine Genehmigung der Schulaufsicht zu erhalten, seien Dienstreisegenehmigungen unter Verzicht auf Reisekosten beantragt worden. Lediglich der Dienstunfallschutz habe sichergestellt werden sollen. Den Lehrkräften sei offensichtlich klar gewesen, daß sie ohne Verzicht auf Reisekosten aufgrund der aus Sicht des Dienstherrn zweifelhaften Notwendigkeit keine Genehmigung erhalten hätten. Das Schulamt habe die von den Lehrkräften gewünschte Form des Elternsprechtages lediglich gebilligt, nicht aber für notwendig erachtet. Wenn die Lehrkräfte nicht von sich aus bereit gewesen wären, ihren Pkw einzusetzen, hätte es aus Sicht des Dienstherrn die unproblematische und letztlich auch sachgerechtere Alternative des Elternsprechtages in der Schule gegeben, der seit 19.. nur noch praktiziert werde. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts liege keine Entscheidungsreife vor. Im Rahmen der Ermessenserwägungen sei der Gesichtspunkt der sparsamen Haushaltsführung und somit die Höhe des vom Land zu tragenden Anteils in die Abwägung einzubeziehen. Bislang habe angesichts des geringen Betrages der Gesichtspunkt der sparsamen Haushaltsführung erkennbar keine Rolle gespielt. Weil wegen des Alleinverschuldens der Klägerin ohne weiteres eine ungünstigere Quote vertretbar und ermessensfehlerfrei gewesen wäre, könne der Gesichtspunkt der sparsamen Haushaltsführung bei einem höheren Erstattungsbetrag in den Vordergrund treten.
18Der Beklagte beantragt,
19das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
20Die Klägerin beantragt,
21die Berufung zurückzuweisen.
22Sie wiederholt das bisherige Vorbringen und führt zusätzlich aus, ein Beschluß des Lehrerkollegiums sei nicht entscheidend. Maßgebend sei auf die Anordnung des Schulleiters abzustellen. Ihr sei nicht bekannt, aus welchen Gründen der Schulleiter eine beschränkte Genehmigung der Dienstreisen beantragt habe.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte Bezug genommen.
24Entscheidungsgründe:
25Die Berufung hat keinen Erfolg.
26Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten mit zutreffenden Erwägungen, auf die Bezug genommen wird, verpflichtet, weiteren Sachschadenersatz in Höhe von 2.458,08 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu bewilligen.
27Entgegen seiner mit der Berufungsbegründung bekräftigten Auffassung hat der Beklagte als Dienstherr auf die Verwendung eines privateigenen Pkw Einfluß genommen. Der Beklagte verkennt, daß nach dem Runderlaß des Finanzministers vom 9. April 1987 betreffend die Durchführung des Beamtenversorgungsgesetzes (MBl NW 606) die grundsätzlich volle Erstattung von Sachschäden an privateigenen Pkw zunächst in Fällen in Betracht kommt, in denen ein ausdrückliches Verlangen des Dienstherrn vorliegt. Daneben reicht aber auch die Einflußnahme des Dienstherrn, ein Verhalten, bei dem der Beamte annehmen kann, daß der Einsatz seines privateigenen Pkw für dienstliche Zwecke von ihm erwartet werde. Somit ist es nicht entscheidend, daß von dem Einsatz privateigener Pkw in den Schreiben, die der Schulleiter der X-Schule vor dem Unfalltag abgesetzt hat, nicht die Rede ist, und diese Frage auch sonst nicht mit dem Schulleiter erörtert worden ist. Nach den unwidersprochenen Angaben der Klägerin ließ sich der seit Jahren praktizierte mobile Elternsprechtag wegen der Wohnverhältnisse der Eltern nicht - auch nicht unter Inkaufnahme von deutlichen Verspätungen - mit öffentlichen Verkehrsmitteln verwirklichen. Weil Dienstkraftfahrzeuge nicht zur Verfügung standen, brachte der Schulleiter mit der Festsetzung des Sprechtages und der an die Eltern gerichteten Einladung die Erwartung zum Ausdruck, daß die Lehrkräfte, wie auch in den Jahren zuvor, etwaigen Besuchswünschen der Eltern Rechnung trugen und dazu ihren eigenen Pkw verwendeten. Dies reicht als aktenkundig gewordene Einflußnahme aus, ohne daß es darauf ankommt, ob sich die Klägerin dem nach den Umständen eindeutigen Konzept hätte entziehen können. Ohne Belang für die vorherige Einflußnahme ist auch, daß das Schulamt für den Kreis Borken die Dienstreisegenehmigungen erst nachträglich erteilt hat, weil die Einflußnahme durch den Schulleiter ausreicht. Der Beklagte muß sich die Entscheidung des Schulleiters zurechnen lassen, zu einem mobilen Elternsprechtag einzuladen, und zwar unabhängig davon, inwieweit derartige Einladungen den Vorstellungen der Lehrkräfte entsprachen. Es kommt auch nicht darauf an, daß das Schulamt für den Kreis X in dem Bescheid vom 00.00.00 die Erstattung von Reisekosten versagt hat. Dies betrifft die nach dem Landesreisekostengesetz dem Dienstreisenden zustehende Reisekostenvergütung, nicht aber die Frage, wer das Risiko eines Unfalls tragen soll. Die Einschränkung in der Dienstreisegenehmigung ändert somit nichts daran, daß im Schadensfall nach § 91 Abs. 1 LBG und den dazu erlassenen, vom Verwaltungsgericht im einzelnen erörterten Verwaltungsvorschriften zu verfahren ist.
28Dem Verwaltungsgericht ist darin zu folgen, daß die Sache mit dem in der mündlichen Verhandlung noch verfolgten Klagebegehren spruchreif ist (§ 113 Abs 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO). Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 LBG steht die Ersatzleistung zwar im Ermessen des Beklagten. Dieses Ermessen ist jedoch begrenzt durch die in Verwaltungsvorschriften zum Ausdruck gelangende Verwaltungspraxis. Die Verwaltungsvorschrift zu § 91 LBG verweist auf die zu § 32 BeamtVG erlassene BeamtVGVwV. Nach Tz 32.1.2 BeamtVGVwV ist zu prüfen, ob dem Beamten nach Lage der Verhältnisse, insbesondere nach dem Maße seines Verschuldens, zugemutet werden kann, den Schaden ganz oder teilweise selbst zu tragen, wenn der Beamte den Dienstunfall fahrlässig herbeigeführt hat. Eine derartige Prüfung hat der Regierungspräsident Y vorgenommen und in Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalles eine Halbierung des in Betracht kommenden Erstattungsbetrages für angemessen erachtet. Es ist nichts dafür ersichtlich, mit welchen Erwägungen der Regierungspräsident Y zu einem anderen Abwägungsergebnis gelangen könnte, weil sich im gerichtlichen Verfahren herausgestellt hat, daß die von ihm herangezogene Höchstgrenze nach Tz 32.1.9 BeamtVGVwV nicht einschlägig ist. Der für eine Überschreitung der 650,-- DM-Grenze maßgebende Gedanke der Risikoverlagerung bei einer Einflußnahme des Dienstherrn läßt auch unter Berücksichtigung fiskalischer Gesichtspunkte keine der Klägerin ungünstigere Er-stattungsquote zu.
29Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozeßordnung.
30Die Revision ist nicht zuzulassen, weil weder die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO noch die des § 127 des Beamtenrechtsrahmengesetzes hierfür gegeben sind.
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