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Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Nutzung einer objektiv unbrauchbaren zahnärztlichen Versorgung vorliegt, die ein Interesse des Patienten an der Leistung des Zahnarztes begründet und zum Fortbestand des Honoraranspruchs führt.
Die gegen die Drittwiderbeklagte eingelegte Berufung des Beklagten wird als unzulässig verworfen.
Soweit sich die Berufung gegen die Klägerin und die zu ihren Gunsten erfolgte Verurteilung des Beklagten wendet, wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 05.09.2024 – 3 O 241/22 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen die Parteien wie folgt:
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Beklagten tragen die Klägerin zu 37 %, der Beklagte zu 40 % und die Drittwiderbeklagte zu 23 %. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt diese selbst.Die außergerichtlichen Kosten der Drittwiderbeklagten tragen die Drittwiderbeklagte zu 36 % und der Beklagte zu 64 %.
Die Kosten des Rechtsstreits in zweiter Instanz tragen die Parteien wie folgt:
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Beklagten tragen die Klägerin zu 48 % und der Beklagte zu 52 % Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt diese selbst. Die außergerichtlichen Kosten der Drittwiderbeklagten trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
2I.
3Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 544 Abs. 2 Nr. 1, 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
4II.
51.
6Die gegen die teilweise Abweisung der (Dritt-)Widerklage eingelegte Berufung ist unzulässig, denn sie ist nicht innerhalb der Berufungsfrist von einem Monat ab Zustellung des angefochtenen Urteils eingelegt worden.
7a. Das Urteil des Landgerichts Köln ist dem Beklagten am 27.06.2024 gegen Empfangsbekenntnis seiner Prozessbevollmächtigten zugestellt worden. Innerhalb der bis zum 29.07.2024 laufenden einmonatigen Berufungsfrist gemäß § 517 ZPO hat der Beklagte keine Berufung gegen die Drittwiderbeklagte eingelegt. Die Berufungsschrift vom 23.07.2024 (Bl. 2 f d.A.) führt im Rubrum lediglich die Klägerin als Berufungsbeklagte auf, während die Drittwiderbeklagte nicht als Berufsbeklagte bezeichnet ist. Der Schriftsatz lässt auch ansonsten nicht erkennen, dass sich die Berufung nicht nur gegen die Klägerin, sondern auch gegen die Drittwiderbeklagte richten sollte. Die Berufungsschrift ist aufgrund der klaren und eindeutigen Bezeichnung der Parteien einer Auslegung nicht zugänglich. Der Verweis des Beklagten auf das Urteil des BGH vom 08.11.2001 –VII ZR 65/01 – führt zu keiner anderen Beurteilung. Der Bundesgerichtshof hat in dieser Entscheidung ausgeführt, dass eine uneingeschränkt eingelegte Berufung gegen ein klageabweisendes Urteil sich im Zweifel gegen alle erfolgreichen Streitgenossen richtet und auch dann, wenn nur der an erster Stelle des Urteilsrubrums stehende Streitgenosse als Berufungsbeklagter genannt ist, das Urteil auch gegenüber den anderen angefochten ist, sofern die Berufungsschrift keine Beschränkung erkennen lässt (BGH, Urteil vom 08.11.2001 – VII ZR 65/01, juris Rn. 9, unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 16.11.1993 – XI ZR 214/92, NJW 1994, 512, 514). Diese Grundsätze sind auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Anders als in dem der Entscheidung des BGH zugrundeliegenden Fall, in dem der Kläger mit einer gegen mehrere Streitgenossen erhobenen Klage vollständig unterlegen war, hat der Beklagte die Klägerin und Drittwiderbeklagte nicht als Streitgenossen in Anspruch genommen. Die Widerklage richtet sich nicht gegen die Klägerin und die Drittwiderbeklagte (sog. streitgenössische Drittwiderklage), sondern ausschließlich gegen die Drittwiderbeklagte. Klage und Widerklage stehen auch nicht in einem derart engen Verhältnis zueinander, dass sich eine Berufung, die sich gegen das Zusprechen der Klageforderung richtet, im Zweifel auch gleichzeitig gegen die (teilweise) Abweisung der Drittwiderklage richten musste. Mit der Klage macht die Klägerin gegen den Beklagten Honorar für eine Zahnbehandlung aus abgetretenem Recht der Drittwiderbeklagten geltend, während der Beklagte mit der Widerklage die Drittwiderbeklagte auf Zahlung von Schmerzensgeld, Erstattung vorgerichtlicher Kosten und auf Feststellung der Schadensersatzpflicht in Anspruch nimmt. Eine Überschneidung der für ein Berufungsverfahren entscheidungserheblichen Fragen, insbesondere ob eine sog. „schädliche Nutzung der Zahnprothetik“ anzunehmen ist, die dem Wegfall des Honoraranspruchs des Zahnarztes für die objektiv unbrauchbare Versorgung entgegen steht, und ob das Landgericht bei der Bemessung des mit der Drittwiderklage geltend gemachten Schmerzensgeldes alle schmerzensgeldrelevanten Tatsachen berücksichtigt hat, liegt nicht vor. Nach dem Inhalt des landgerichtlichen Urteils, welches der Berufungsschrift beigefügt war, war dies auch im Zeitpunkt der Einreichung der Berufungsschrift anzunehmen, der für deren Auslegung maßgeblich ist.
8b. Die in der Berufungsbegründung vom 05.09.2024 konkludent zu sehende Berufungseinlegung gegen die Drittwiderbeklagte ist erst nach Ablauf der bis zum 29.07.2024 laufenden Berufungsfrist und damit nicht mehr rechtzeitig erfolgt.
92.
10Die Berufung des Beklagten ist begründet, soweit sich diese gegen die Verurteilung zur Zahlung von Zahnarzthonorar iHv 3.162,96 € und weiteren 27,63 € nebst Zinsen, Mahnkosten und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten richtet.
11a. Die Klägerin verlangt von dem Beklagten aus abgetretenem Recht Zahlung von Zahnarzthonorar. Ein solcher Anspruch ist nicht gegeben, weil die durch die Zedentin und Drittwiderbeklagte erbrachte zahnprothetische Versorgung aufgrund von Mängeln völlig unbrauchbar und daher für den Beklagten ohne Interesse war.
12aa. Der Vergütungsanspruch des Zahnarztes kann entfallen, wenn die fehlerhaft erbrachte Leistung infolge einer Kündigung des Vertrages für den Patienten kein Interesse mehr hat. Voraussetzung hierfür ist, dass die zahnärztliche Leistung für den Patienten vollkommen unbrauchbar ist. Es genügt allerdings nicht, dass sie objektiv wertlos ist, wenn der Patient sie gleichwohl nutzt (BGH, Urteil vom 29.03.2011 - VI ZR 133/10, VersR 2011, 883 f, juris Rn. 18; Beschlüsse des Senates vom 19.10.2015 - 5 U 44/15, juris Rn. 2; vom 30.03.2015 - 5 U 139/14, juris Rn. 3; vom 27.08.2012 - 5 U 52/12, juris Rn. 2). Dies folgt bei einem beendeten Zahnarztvertrag aus einem sich aus § 280 BGB ergebenden Freistellungsanspruch des Patienten, bei einem unbeendeten Vertrag aus § 628 BGB (vgl. Senat, Urteil vom 12.02.2020 - 5 U 43/18, juris; BGH, Urteil vom 13.09.2018 – III ZR 294/16, BGHZ 219, 298, juris Rn. 13). Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, begründet eine fehlerhafte Leistungserbringung nur einen auf die Erstattung der Kosten für die fehlerbedingt erforderlich gewordene Nachbehandlung gerichteten Schadensersatzanspruch des Patienten, der dem fortbestehenden Honoraranspruch des Behandlers – gegebenenfalls unter Berücksichtigung etwaiger Sowiesokosten – im Wege der Aufrechnung entgegengehalten werden kann (st. Rspr., vgl. Urteil vom 13.09.2018 – III ZR 294/16, BGHZ 219, 298, juris Rn. 17 m.w.N.). An die Feststellung der vollständigen Unbrauchbarkeit sind hohe Anforderungen zu stellen. Eine Leistung ist für den Patienten nur dann vollständig unbrauchbar, wenn ein Nachbehandler auf ihr nicht aufbauen und durch eine Nachbesserung gegenüber einer Neuherstellung Arbeit ersparen kann (vgl. BGH, Urteil vom 29.03.2011 - VI ZR 133/10, VersR 2011, 883 f, juris Rn. 18). Handelt es sich gemessen an diesem Maßstab um eine für den Patienten wertlose Leistung, bleibt der Vergütungsanspruch gleichwohl dann erhalten, wenn der Patient die – objektiv wertlose – Leistung tatsächlich nutzt, sie für ihn daher subjektiv von Wert ist (vgl. Urteile des Senats vom 10.06.2020 – 5 U 171/19, NJW-RR 2020, 112 und vom 12.02.2020 - 5 U 43/18, zitiert nach juris).
13bb. Der Beklagte hat mit an den Geschäftsführer der Drittwiderbeklagten gerichtetem Schreiben vom 10.01.2022, in dem er mitteilte, dass seine Beschwerden immer noch vorhanden seien und ihm mittlerweile das nötige Vertrauen fehle, dass er bei der Drittwiderbeklagten gut aufgehoben sei (vgl. den Eintrag in der elektronischen Patientenkarteikarte vom 10.01.2022, Bl. 62 d.A.), den mit der Drittwiderbeklagten geschlossenen Behandlungsvertrag gekündigt. Die Kündigung des Behandlungsvertrags war auch berechtigt. Die durch die Drittwiderbeklagte eingesetzte Zahnprothetik war mangelhaft (siehe dazu im Weiteren unter cc.). Auf eine erneute Nachbesserung durch die Drittwiderbeklagte musste sich der Beklagte nicht einlassen. Er war am 10.11.2021 und 25.11.2021 in der Praxis der Drittwiderbeklagten erschienen und hatte seine Unzufriedenheit über die bestehende Gebisssituation im Oberkiefer geäußert. Er beklagte, dass er jetzt lispeln und sich verletzen würde, und dass er auf der Seite nicht beißen könne. Die Zähne täten weh und er fühle einen kompletten Druck. Zudem wies er auf farbliche Unterschiede zwischen der auf Zahn 21 eingebrachten Krone und den Kronen 11, 12 und 22 hin. Die Beschwerden des Beklagten wurden in der Folgezeit nicht zu seiner Zufriedenheit behoben. Jedenfalls die störenden Schleifspuren an den Kronen palatinal bestanden fort. Auch die Farbgebung der Krone 21 wurde nicht angepasst. Die Passungenauigkeiten der Kronenränder waren bei der Drittwiderbeklagten zu keinem Zeitpunkt ein Thema, eine Nachbesserung wurde insoweit nicht für notwendig gehalten und daher nicht angeboten.
14cc. Die Leistungen der Drittwiderbeklagten waren für den Beklagten vollkommen unbrauchbar. Die vier in den Oberkiefer inserierten Kronen waren fehlerhaft und mussten vollständig erneuert werden. Dies ergibt sich aus dem Gutachten von Dr. J.. Der Sachverständige hat nach klinischer Untersuchung und Erstellung von Röntgenbildern festgestellt, dass die im Oberkiefer des Beklagten eingebrachten Kronen auf den Zähnen 11, 12, 21, und 22 an mehreren Stellen Passungenauigkeiten aufwiesen. Es bestanden Stufenbildungen. Zudem konnten die Kronen mit der Sonde unterhakt werden. Die Passungenauigkeiten im Bereich der Kronenränder führten zu einer Entzündung der Gingiva. Darüber hinaus waren die Kronen wegen eines von Anfang an bestehenden, zu strammen Kontakts mit den unteren Zähnen palatinal massiv eingeschliffen worden, was zu kantigen und wulstigen Arealen der Kronen palatinal und damit für den Beklagten zu einem Störgefühl im Bereich seiner Zunge führte. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dr. J., denen der Senat wie auch das Landgericht folgt und gegen die die Klägerin sich im Berufungsverfahren auch nicht wendet, entsprach der Zahnersatz nicht dem zahnmedizinischen Standard. Dass die Kronen neu angefertigt werden müssen, hat Dr. J. in seinem schriftlichen Gutachten bestätigt.
15Soweit die Klägerin mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 13.01.2025 unter Bezugnahme auf ein Urteil des BGH vom 18.09.2018 (gemeint ist offenbar das Urteil des BGH vom 13.09.2018 – III ZR 294/16) die Auffassung vertritt, jedenfalls die durch die Drittwiderbeklagte angefertigten Provisorien seien für den Beklagten nicht vollkommen unbrauchbar, weswegen für diese eine Vergütung geschuldet sei, kann dem nicht gefolgt werden. Der BGH hat in der zitierten Entscheidung ausgeführt, dass bei der Frage, ob die Leistung wirtschaftlich verwertbar sei, der Fortbestand eines selbständig verwertbaren Arbeitsanteils entscheidend sei (BGH aaO, juris Rn. 25). Wirtschaftlich verwertbare Teilleistungen, für die die Klägerin eine Vergütung verlangen könnte, liegen indes nicht vor. Solche stellen auch nicht die vor dem endgültigen Einsatz der Kronen auf den Zähnen 11, 12, 22 und 21 eingefügten Provisorien dar. Die Provisorien dienten als Zwischenlösung vor Einsatz der Kronen. Einen eigenen wirtschaftlichen Wert besitzen sie nicht mehr. Sie stellen keine Leistung dar, auf die ein Nachbehandler aufbauen könnte. Dass die alten Provisorien bei der Drittwiderbeklagten noch vorhanden sind und von dem Nachbehandler Dr. X. als Provisorien weiterverwendet werden könnten, trägt die Klägerin nicht vor. Dafür ist auch nichts ersichtlich. Der Senat geht vielmehr davon aus, dass die Anfertigung neuer Provisorien erforderlich ist, wie es die zwischen Dr. X. und dem Beklagten getroffene „Vereinbarung von Leistungen und Übersicht über voraussichtliche Kosten“ vom 13.04.2022 vorsieht.
16dd. Der Beklagte hat die Zahnprothetik zwar über einen Zeitraum von etwa 2 Jahren und 8 Monaten genutzt. Anders als Landgericht geht der Senat jedoch nicht von einer dem Entfallen des Honoraranspruchs entgegenstehenden tatsächlichen Nutzung der Zahnprothetik durch den Beklagten aus.
17Der Senat hat mit Urteil vom 12.02.2020 (Az. 5 U 43/18, veröffentlicht bei juris und bei beck-online, BeckRS 2020, 22339) entschieden, dass eine tatsächliche Nutzung nicht schon dann vorliegt, wenn ein Patient die Versorgung für einen noch so kurzen Zeitraum im Mund trägt. Eine derartige Situation ist schlechthin unvermeidbar und würde darauf hinauslaufen, dass eine objektive völlige Unbrauchbarkeit niemals den Honoraranspruch entfallen lassen könnte. Tatsächliche Nutzung liegt vielmehr dann vor, wenn der Patient die Versorgung auch tatsächlich als Versorgung nutzen will, obwohl er eine reelle und zumutbare Möglichkeit hat, sie nicht zu nutzen. Sie liegt nicht vor, wenn sie nur als Notmaßnahme zur Vermeidung eines eventuell noch größeren Übels weiterverwendet wird. Sie muss letztlich Ausdruck dessen sein, dass der Patient noch ein gewisses „Interesse“ an ihr hat. Ein solches Nutzungsinteresse, das über die Situation einer Notmaßnahme hinaus geht, wird etwa anzunehmen sein, wenn über einen längeren Zeitraum keinerlei Anstrengungen unternommen werden, die die ernste Absicht einer Neuversorgung erkennen lassen, etwa die Erstellung eines Heil- und Kostenplans durch einen Nachbehandler. Es wird ferner gegeben sein, wenn eine behauptete und womöglich zunächst auch in die Wege geleitete Neuversorgungsabsicht über einen unverständlich langen Zeitraum hinweg nicht ernsthaft weiterverfolgt wird. Maßstab hierfür ist das Handeln eines vernünftig denkenden Menschen, dessen Motivation primär an seiner Gesundheit ausgerichtet ist und der von dem Willen getragen ist, so schnell wie objektiv möglich und gesundheitlich wie rechtlich wie wirtschaftlich zumutbar den Zustand einer brauchbaren Versorgung zu erlangen. Entscheidend sind die Umstände des einzelnen Falles, die einer wertenden Gesamtbetrachtung unterzogen werden müssen (Urteil des Senats vom 12.02.2020, aaO, juris Rn. 15).
18Nach diesen Grundsätzen kann in dem hier zu beurteilenden Fall nach Auffassung des Senates von einer von Nutzungsinteresse getragenen tatsächlichen Nutzung der streitgegenständlichen Zahnprothetik durch den Beklagten nicht ausgegangen werden. Der Beklagte hat die Versorgung zu keinem Zeitpunkt akzeptiert. Bereits am 09.03.2022 und damit zwei Monate nach Abbruch der Behandlung bei der Drittwiderbeklagten hat sich der Beklagte bei seinem Nachbehandler Dr. X. vorgestellt. Dort wurden mit ihm die erforderlichen Behandlungsmaßnahmen besprochen und unter dem 13.04.2022 ein Heil- und Kostenplan („Vereinbarung von Leistungen und Übersicht über voraussichtliche Kosten“) erstellt. Zwei Monate später beauftragte der Beklagte seine jetzigen Prozessbevollmächtigten mit der Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen. Zwar leitete der Beklagte in der Folgezeit kein selbständiges Beweisverfahren ein. Dies war aber auch aus Sicht eines an einer möglichst zügigen Neuanfertigung der Zahnprothetik interessierten Patienten nicht geboten. Denn die Klägerin hatte ihrerseits bereits im September 2022 Klage gegen den Beklagten auf Zahlung von Zahnarzthonorar erhoben. Der Beklagte durfte erwarten, dass auf seine Mängeleinrede die Frage der Fehlerhaftigkeit des Zahnersatzes durch einen gerichtlichen Sachverständigen überprüft werden würde, wie es dann auch tatsächlich geschehen ist. Zu einer deutlich schnelleren Beweisaufnahme wäre es auch dann nicht gekommen, wenn der Beklagte ein selbständiges Beweisverfahren eingeleitet hätte.
19Dass der Beklagte nicht unmittelbar nach Erstellung des für ihn günstigen Gutachtens durch Dr. J. am 19.05.2023 mit der Erneuerung des Zahnersatzes begonnen hat, sondern bis zur Anhörung des Gerichtssachverständigen am 10.04.2024 mit der Neuversorgung seiner Zähne zuwartete, indiziert nicht sein Interesse an einer weiteren Nutzung des von ihm von Anfang an als mangelhaft gerügten Zahnersatzes. Der Beklagte hat die Anfang 2022 zeitnah eingeleitete Neuversorgung unmittelbar nach der mündlichen Verhandlung fortgesetzt und sich am 17.06.2024 die vier Kronen auf den oberen Frontzähnen entfernen lassen. Dies folgt aus der Rechnung der K. Bank GmbH für Dr. X. vom 19.07.2024 (Bl. 305 der Berufungsakte), deren inhaltliche Richtigkeit nicht streitig ist. Der Beklagte hatte ein nachvollziehbares Interesse daran, das Ergebnis der Beweisaufnahme, die erst mit Anhörung von Dr. J. beendet war, abzuwarten. Zwar hatte der Sachverständige den Beklagten untersucht und damit die für eine zahnmedizinische Beurteilung erforderlichen Befunde erhoben. Gleichwohl bestand ein gewisses und aus Sicht des Beklagten zu vermeidendes Risiko, durch eine Neuanfertigung der Zahnprothetik den Prozess zu verlieren. So hätte das Landgericht in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten können, dass das Sachverständigengutachten von Dr. J. nicht verwertbar und die Einholung eines neuen Gutachtens erforderlich sei, sei es wegen einer - möglicherweise erst in der mündlichen Anhörung des Sachverständigen zutage tretenden - Voreingenommenheit des Sachverständigen, die zu einer Ablehnung wegen Befangenheit führen konnte, oder sei es, weil das Landgericht das Gutachten von Dr. J. nach dessen Anhörung für nicht genügend hielt. Der Umstand, dass von der Erstattung des schriftlichen Gutachtens durch Dr. J. und der mündlichen Anhörung des Sachverständigen insgesamt 11 Monate vergingen, lag außerhalb des Verantwortungsbereichs des Beklagten und kann daher ein Nutzungsinteresse nicht belegen.
20b. Da der Klägerin gegen den Beklagten kein Anspruch auf Zahlung von Honorar zusteht, sind auch die geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung von Zinsen auf die Honorarforderung, auf Ersatz von Mahnkosten sowie auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten nicht gegeben.
213.
22Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
23Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Klägerin vom 13.1.2025 und des Beklagten vom 15.1.2025 geben keinen Anlass zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
244.
25Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO). Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Der Senat weicht mit seiner die Berufung gegen die Drittwiderbeklagte verwerfenden Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des BGH oder andere Obergerichte ab. Entscheidungserheblich ist insoweit die einzelfallbezogene Auslegung der Berufungsschrift.
26Streitwert der 1. Instanz: 8.690,59 € (3.190,59 + 5.500)
27Streitwert der 2. Instanz: 6.690,59 € (3.190,59 + 3.500)