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Verstößt ein von einem vorgesetzten Arzt angeordnetes Vorgehen, welches in der konkreten Behandlungssituation von der bisherigen Praxis des Krankenhauses abweicht, gegen medizinisches Basiswissen und begründet es erkennbar erhöhte Risiken, aber keine Vorteile für den Patienten, so treffen sowohl einen Oberarzt als auch einen Assistenzarzt eine Remonstrationspflicht, bei deren Verletzung sie persönlich haften.
Der zu einer persönlichen Entlastung geeignete Gesichtspunkt eines Handelns auf Anordnung eines vorgesetzten Arztes im Rahmen vertikaler Arbeitsteilung ist für die Frage, ob ein festgestellter Behandlungsfehler als grob zu qualifizieren ist und zu einer Beweislastumkehr führt, nicht von Bedeutung. Insoweit ist – anders als bei der Feststellung des Behandlungsfehlers als solchem – allein eine objektive Betrachtungsweise maßgeblich.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 21.05.2024 – 3 O 51/20 – unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger ein ererbtes Schmerzensgeld in Höhe von 2.000,00 € zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.07.2021 zu zahlen.
Die Beklagten zu 1) und 3) werden darüber hinaus als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger ein weiteres ererbtes Schmerzensgeld in Höhe von 2.000,00 € zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.07.2021 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, den Klägern sämtliche künftigen unvorhersehbaren immateriellen sowie alle vergangenen und künftigen materiellen Schäden, die ihnen infolge der fehlerhaften Behandlung vom 00.00.2016 der Ehefrau bzw. Mutter, D. X., geboren am 00.00.1967, verstorben am 00.00.2016, entstanden sind bzw. noch entstehen werden, zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz Instanzen tragen die Kläger zu 7 % und die Beklagten zu 93 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden den Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die andere Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e
2I.
3Die Kläger fordern von den Beklagten Schmerzensgeld aus ererbtem Recht und begehren die Feststellung der Haftung aufgrund einer behauptet fehlerhaften medizinischen Behandlung ihrer am 00.00.1967 geborenen und am 00.00.2016 verstorbenen Ehefrau bzw. Mutter D. X. (im Folgenden: Patientin), deren Erben sie sind.
4Am 00.00.2016 stellte sich die Patientin, überwiesen durch ihre Gynäkologin, ambulant in der Klinik der Beklagten zu 1) vor. Dort wurde bei ihr eine Hypermenorrhoe in Verbindung mit einem bekannten Uterus myomatosus diagnostiziert. Daraufhin wurde eine ambulante Hysteroskopie mit fraktionierter Abrasio für den 00.00.2016 vereinbart. Am geplanten Tag, dem 00.00.2016, wurde die Patientin von der Beklagten zu 2), Assistenzärztin der Gynäkologie, und der Beklagten zu 3), Oberärztin der Gynäkologie, operiert. Bei dem Eingriff erfolgte zunächst eine Kürettage des Gebärmutterhalses, gefolgt von einem mehrfachen Einführungen des Hysteroskops. Die Beklagten setzten dabei ein monopolares Resektoskop ein, um einen vorhandenen Polypen vollständig zu entfernen. Als Spülmittel nutzten sie etwa 2,5 Liter destilliertes Wasser.
5Gegen 11:30 Uhr kam es bei der Patientin zu einer Asystolie, was eine 25-minütige kardiopulmonale Reanimation durch das Team der Anästhesie erforderlich machte. Nach Stabilisierung um 11:55 Uhr wurde die Patientin intubiert und zur weiteren Behandlung auf die interdisziplinäre Intensivstation verlegt. Um 12:35 Uhr erfolgte aufgrund des Verdachts auf eine intraabdominelle Blutung eine Laparotomie, bei der etwa 1,5 Liter nicht geronnenes Blut in der Bauchhöhle abgesaugt wurden; eine Uterusperforation konnte jedoch nicht festgestellt werden. Stattdessen zeigte sich eine Blutung am Ligamentum falciforme hepatis mit einem oberflächlichen Riss in der Leberkapsel. Das Ligament wurde reseziert und die Blutung an der Leberoberfläche gestillt.
6Im Anschluss wurde die Patientin aufgrund der Reanimationsmaßnahmen prophylaktisch gekühlt und die intensivmedizinische Behandlung wurde fortgesetzt. Da ein Hirnödem auftrat, wurde eine Therapie zur Senkung des Hirndrucks eingeleitet. Trotz neurochirurgischer und neurologischer Untersuchung wurde von einer Verlegung in ein Krankenhaus der Maximalversorgung abgesehen. Am 00.00.2016 verstarb die Patientin an einem protrahierten Schock und Multiorganversagen, ohne seit Einleitung der Narkose jemals wieder das Bewusstsein erlangt zu haben.
7Die Beklagten zahlten den Klägern einen Betrag von 30.000 €, der mit den Beerdigungskosten und dem Unterhaltsschaden verrechnet wurde.
8Die Kläger haben den Beklagten mehrere Behandlungsfehler vorgeworfen. Die Verwendung des eingesetzten monopolaren Resektoskops stelle eine veraltete Operationstechnik dar. Außerdem sei als Distensionsmedium fehlerhaft destilliertes Wasser in den Blutkreislauf der Patientin eingebracht worden, was eine Hämolyse mit schwerwiegenden Folgen zur Folge gehabt habe. Zusätzlich sei es zu einer Lufteinschwemmung in den Gefäßkreislauf gekommen, was eine Luftembolie verursacht habe.
9Darüber hinaus haben die Kläger gerügt, dass grob fehlerhaft weder eine Volumenbilanzierung noch eine Druckbegrenzung durchgeführt worden sei. Die Operationsdauer sei zudem außergewöhnlich lang gewesen und die Beklagte zu 2) habe nicht über die nötige Kompetenz verfügt.
10Weiterhin haben die Kläger den Vorwurf mangelnder Aufklärung erhoben. Die Patientin sei weder über die erheblichen Risiken des Eingriffs noch über die Verwendung einer veralteten Operationstechnik informiert worden.
11Durch die fehlerhafte Behandlung habe sich ein Hirnödem entwickelt und die Patientin sei letztlich an einem Multiorganversagen verstorben. Sie haben daher ein Schmerzensgeld von 20.000 € für angemessen gehalten.
12Die Kläger haben erstinstanzlich beantragt,
131. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtgläubiger aus der fehlerhaften Behandlung der Ehefrau bzw. Mutter, D. X., geboren am 00.00.1967, verstorben am 00.00.2016 vom 00.00.2016 ein angemessenes vererbtes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichtes gestellt wird, mindestens jedoch 20.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit dem 16.07.2017;
142. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, den Klägern sämtliche künftigen unvorhersehbaren immateriellen sowie alle vergangenen und künftigen materiellen Schäden, die ihnen infolge der fehlerhaften Behandlung der Ehefrau bzw. Mutter, D. X., geboren am 00.00.1967, verstorben am 00.00.2016 vom 00.00.2016 entstanden sind bzw. noch entstehen werden, zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen werden.
15Die Beklagten haben beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Die Beklagten haben behauptet, der Eingriff am 00.00.2016 sei ordnungsgemäß und nach den anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt. Das Hysteroskop sei ausschließlich zu diagnostischen Zwecken eingesetzt worden, weshalb kein Strom durch das Gerät geleitet worden sei. Die Entfernung des Polypen sei ohne Hysteroskopie lediglich durch Kürettage vorgenommen worden.
18Da das Hysteroskop nur diagnostisch eingesetzt worden sei, sei weder eine Flüssigkeitsbilanzierung erforderlich noch durch das undichte Hysteroskop ohne Druckanzeige überhaupt möglich gewesen. Von den insgesamt verwendeten ca. 2,5 Litern Wasser seien 1,7 Liter aufgefangen worden; der Rest sei auf die Kleidung der Opera-
19teure und den Boden des OP-Saals gelangt. Die Nutzung von destilliertem Wasser sei unter diesen Umständen daher nicht zu beanstanden gewesen.
20Zudem betonen die Beklagten, dass die Beklagte zu 2) als Assistenzärztin im dritten Weiterbildungsjahr hinreichend qualifiziert gewesen sei, um den Eingriff ordnungsgemäß durchzuführen. Auch der Vorwurf einer unzureichenden Aufklärung sei unbegründet: Die Patientin sei am 00.00.2016 umfassend über die Indikation, die Art des Eingriffs und die damit verbundenen Risiken informiert worden. Zudem sei auch die Anästhesie fachgerecht und vollständig erläutert worden.
21Wegen der Einzelheiten des streitigen Vorbringens der Parteien und der tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil (Bl. I 345 ff) Bezug genommen.
22Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung schriftlicher und mündlicher Sachverständigengutachten (Beweisbeschluss vom 17.07.2020, Bl. I 177 ff.). Für das Beweisergebnis wird auf die schriftlichen Sachverständigengutachten von Prof. Dr. I. vom 10.01.2023 (Bl. I 209 ff.) und von Dr. J. vom 15.05.2023 (Bl. I 262 ff.) sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 16.04.2024 Bezug genommen.
23Das Landgericht hat die Beklagten zu 1) bis 3) zu einem Schmerzensgeld von 8.000 €, das den Klägern als Erben der verstorbenen Patientin zustehe, verurteilt und die Haftung der Beklagten zu 1) bis 3) für sämtliche künftigen unvorhersehbaren immateriellen sowie alle vergangenen und künftigen materiellen Schäden festgestellt. Die Kläger hätten einen groben Behandlungsfehler bewiesen. Die Durchführung der Hysteroskopie, bei der destilliertes Wasser statt einer isotonischen Lösung als Distensionsmedium verwendet worden sei, um die Gebärmutterhöhle zu entfalten, habe den medizinischen Standards widersprochen und letztlich zum Tod der Patientin geführt. Der gerichtlich bestellte Sachverständige Prof. Dr. I. habe in seinem Gutachten bestätigt, dass es sich bei der Wahl von destilliertem Wasser um einen groben gynäkologischen Behandlungsfehler handele. Destilliertes Wasser sei für den Einsatz in der Gebärmutterhöhle ungeeignet, da es nicht in die Blutbahn gelangen dürfe – eine Grundregel, die bereits Medizinstudenten lernen würden. Der Fehler habe mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Hämolyse, das heißt die Auflösung der roten Blutkörperchen, verursacht, was wiederum zu einem Hirnödem und letztlich zum Tod der Patientin am 00.00.2016 geführt habe.
24Die Kammer sei davon überzeugt, dass die Beklagte zu 1) für die Fehler ihrer Mitarbeiterinnen, der Beklagten zu 2) und zu 3), hafte, da diese die Hysteroskopie ausgeführt hätten und die Beklagte zu 1) gemäß § 278 BGB eintrittspflichtig sei. Die Kammer habe ihre Entscheidung auf die überzeugenden Aussagen des Sachverständigen gestützt. Auch der Anästhesist Dr. J. habe in seinem Gutachten bestätigt, dass der Einsatz von destilliertem Wasser mit mehr als 50 % Wahrscheinlichkeit für den Tod der Patientin ursächlich gewesen sei. Weiterhin hat die Kammer berücksichtigt, dass im Krankenhaus der Beklagten zu 1) offenbar die Anweisung bestanden habe, bei diagnostischen Hysteroskopien destilliertes Wasser zu verwenden, um eine Korrosion des Geräts zu vermeiden. Dennoch stufe die Kammer den Fehler der Beklagten zu 2) und zu 3) als grob ein, da das Wissen um die Risiken von destilliertem Wasser zum Basiswissen gehöre und von erfahrenen Ärzten wie den Beklagten beachtet werden müsse. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes hat das Landgericht einen Betrag von 8.000 € als angemessen erachtet, da die Patientin eine erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigung erlitten habe, die schließlich zu ihrem Tod geführt habe. Diesen Betrag halte die Kammer für einen gerechten Ausgleich, der jedoch nicht höher bemessen werden könne, weil die Patientin den tödlichen Verlauf aufgrund der Sedierung vermutlich nicht bewusst erlebt habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
25Mit der Berufung wenden sich die Beklagten gegen die Verurteilung der Beklagten zu 2) und 3) insgesamt und halten ferner die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes für rechtsfehlerhaft. Der Feststellungstenor des Urteils wird, soweit es um die Beklagte zu 1) und deren Haftung geht, dagegen nicht angegriffen.
26Die Berufung hält es für rechtsfehlerhaft, dass den Beklagten zu 2) und 3) jeweils ein grober Behandlungsfehler mit der Begründung zur Last gelegt werde, dass es zum Basiswissen des Medizinstudiums gehöre, kein Wasser in die Blutbahn einzuleiten. Tatsächlich hätte das hierarchische Prinzip der vertikalen Arbeitsteilung in der Rangfolge vom ärztlichen Direktor und Chefarzt über den Oberarzt sowie den Assistenten berücksichtigt werden müssen. Die Verantwortung für das Handeln der Angewiesenen trage ausschließlich der Weisungsberechtigte. Der Beklagten zu 2) könne unter Berücksichtigung des unbestritten gebliebenen Vortrages der Beklagten und der Angaben der Beklagten zu 2) in ihrer informatorischen Anhörung nicht angelastet werden, dass destilliertes Wasser im Rahmen der Hysteroskopie verwendet worden sei. Denn ein Arzt in Weiterbildung, der vom Chef- oder Oberarzt zu einer bestimmten Vorgehensweise angewiesen werde, habe dieser Anweisung in der Regel Folge zu leisten. Er dürfe sich grundsätzlich auf die Richtigkeit der vom Facharzt getroffenen Entscheidung verlassen. Die Beklagte zu 2) als Assistenzärztin im dritten Weiterbildungsjahr habe die beanstandete Entscheidung zur Verwendung von destilliertem Wasser weder getroffen noch sei sie darin eingebunden gewesen. Neben der Oberärztin, der Beklagten zu 3), sei auch der ältere erfahrene Oberarzt Dr. K. zugegen gewesen. Dr. K. habe die Verwendung des operativen Hysteroskops beschlossen. Dieser habe auch die Anweisung gegeben, destilliertes Wasser zu verwenden. Dies hätten auch die beiden OP-Schwestern der Beklagten zu 3) gesagt unter Verweis auf die mögliche Korrosion des Gerätes. Auch der Chefarzt Dr. F. habe mit der pflegerischen Leitung abgesprochen, dass in dieser Situation destilliertes Wasser benutzt werden solle. Schließlich habe die Beklagte zu 3) der Beklagten zu 2) mitgeteilt, dass Herr Dr. K. gesagt habe, sie könnten das Gerät auch mit Wasser unbedenklich benutzen. Die Beklagte zu 2) habe dann nicht infrage gestellt, was der Oberarzt gesagt habe. Darauf könne eine Verurteilung der Beklagten zu 2) nicht gestützt werden. In keinem Falle aber komme bezüglich der Beklagten zu 2) die Annahme eines groben Fehlers in Betracht. Denn die Verwendung des destillierten Wassers könne ihr nicht unmittelbar zugerechnet werden, weil sie dies nicht entschieden habe und auch nicht entscheidungsbefugt gewesen sei. Allenfalls könnte der Beklagten zu 2) zur Last gelegt werden, sich nicht geweigert zu haben, weiter an der Operation teilzunehmen und eine Diskussion eröffnet zu haben. Dies könne allenfalls ein leichter Fehler sein.
27Auch der Beklagten zu 3) sei ein Fehler nicht zur Last zu legen. Diese habe auf die Angabe des mit anwesenden Oberarztes Dr. K. vertraut, dass der damalige Chefarzt die Verwendung des destillierten Wassers mit der pflegerischen Leitung abgesprochen habe. Sie habe auf die Angaben des erfahrenen Kollegen vertraut und vertrauen dürfen. Ein grober Fehler sei der Beklagten zu 3) nicht zur Last zu legen, denn sie hätte ja erkannt, dass die Verwendung des destillierten Wassers kritisch sein könne und dieses Thema angesprochen. Mehr habe sie nicht tun können.
28Ein Schmerzensgeld schuldeten sämtliche Beklagte nicht. Die Patientin habe in keiner Weise gelitten, was sich aus der Anhörung des Sachverständigen ergebe. Dieser habe ausgeführt, dass die Patientin eine etwa erfolgte Luftembolie nicht verspürt habe, weil sie intubiert gewesen und nicht mehr aus der Narkose aufgewacht sei. Dies habe der Sachverständige Dr. J. bestätigt. Der zunehmende Funktionsverlust des Hirns habe die Wahrnehmung der Patientin eingeschränkt. Es sei anerkannt, dass dann, wenn der Tod in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Verletzungsereignis eintrete, ohne dass der Verletzte wieder zu sich komme, es an einem abgrenzbaren immateriellen Schaden fehle. Der Tod selbst begründe nach der gesetzlichen Regelung des § 253 Abs. 2 BGB kein Schmerzensgeld.
29Die Beklagten beantragen,
30unter teilweiser Abänderung des Urteils der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 21.05.2024 - 3 O 51/20 -
311. die gegen die Beklagten zu 2) und 3) gerichteten Klagen vollumfänglich abzuweisen,
322. die gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Klage mit dem auf Zahlung eines Schmerzensgeldes gerichteten Antrag abzuweisen.
33Die Kläger beantragen,
34die Berufung zurückzuweisen.
35Mit der Berufungserwiderung verteidigen die Kläger das angefochtene Urteil. Dass destilliertes Wasser nicht als Distensionsmedium benutzt werden dürfe, sei Basiswissen eines jeden Medizinstudenten. Es komme daher überhaupt nicht darauf an, ob die Beklagte zu 3), was mit Nichtwissen bestritten werde, sich bei dem damaligen Chefarzt noch rückversichert habe, ob destilliertes Wasser verwendet werden könne. Es sei erstmals in der mündlichen Verhandlung behauptet worden, dass die Beklagte zu 3) für die Verwendung des destillierten Wassers nicht verantwortlich gewesen sein wolle. In der Klageerwiderung habe es noch geheißen, dass nicht genau eruiert werden könne, wer entschieden habe, destilliertes Wasser zu verwenden. Soweit nunmehr eine Anweisung des Chefarztes behauptet werde, ergebe sich dies aus der Aussage der Beklagten zu 3) nicht. Diese habe lediglich angegeben, dass die OP-Schwestern berichtet hätten, dass die Herstellerfirma angegeben habe, dass man das Gerät nicht mit einer salzhaltigen Lösung benutzen könne, da das Gerät dann korrodieren würde. Eine Anweisung des Chefarztes, der die Beklagte zu 3) hätte Folge leisten müssen, habe es damit nicht gegeben. Eine Anweisung des Oberarztes Dr. K., destilliertes Wasser zu verwenden, ergebe sich aus der Anhörung nicht. Jedenfalls hätten die Beklagten zu 2) und 3) einer solchen Anweisung nicht Folge leisten dürfen. Sie hätten, sofern eine solche Anweisung tatsächlich bestanden hätte, den Eingriff verweigern müssen. Die Bemessung des Schmerzensgeldes sei angemessen gewesen, da gröbste Fehlleistungen vorlägen, was bei der Bemessung des Schmerzensgeldes zu berücksichtigen sei. Die Patientin sei auch nicht sofort an den Folgen der Fehlbehandlung verstorben, sondern der Todeskampf habe mindestens einen Tag lang angedauert.
36II.
37Die Berufung der Beklagten zu 2) und 3) ist unbegründet, soweit sie auf eine Abweisung des Feststellungsantrags gerichtet ist (dazu 1.). Teilweisen Erfolg hat die Berufung der Beklagten zu 1) bis 3) in Bezug auf die Höhe des ausgeurteilten Schmerzensgeldes (dazu 2.).
381. Die Kläger haben, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, gegen die Beklagten zu 1) bis 3) als Gesamtschuldner einen Anspruch auf Schmerzensgeld und Feststellung der Haftung gemäß §§ 280 Abs. 1, 823 Abs. 1, 831 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB wegen eines groben Behandlungsfehlers. Das landgerichtliche Urteil erweist sich entgegen der Auffassung der Berufung auch im Hinblick auf die Beklagten zu 2) und 3) als richtig.
39a. Das Landgericht hat aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. I. es als grob behandlungsfehlerhaft bewertet, dass die Beklagten bei der diagnostischen Hysteroskopie unter Nutzung eines monopolaren Resektoskops mit anschließender Ausschabung destilliertes Wasser benutzt haben. Bei einer lediglich diagnostischen Hysteroskopie hätte eine isotonische Lösung, z.B. Kochsalzlösung, verwendet werden können, wohingegen bei einer operativen Hysteroskopie, die hier allerdings nicht vorgenommen werden sollte, die Wahl eines elektrolytfreien Mediums, z.B. Glycin, Purisol oder Manitol richtig gewesen wäre (vergleiche Gutachten vom 11.01.2023, Bl. 4, Bl. I 212). Der Sachverständige hat insoweit ausgeführt, dass die Verwendung von destilliertem Wasser als Distensionsmedium grob fehlerhaft gewesen sei, da Wasser im Blutkreislauf eine lebensgefährliche Hämolyse auslösen könne (Bl. I 213, 216). Der Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung ergänzt, dass es zum Basiswissen gehöre, dass man Wasser nicht spritzen dürfe und dass dieses nicht in die Blutbahn gelangen dürfe. Schon der Medizinstudent lerne, dass auf keinen Fall Wasser in die Blutbahn gelangen dürfe, sodass er die Verwendung für unverständlich halte (Bl. I 336, 337). Die Verwendung einer hypotonen und elektrolytfreien Spüllösung sei nur dann erforderlich gewesen, wenn das mit monopolarem Strom betriebene Resektoskop operativ verwendet worden wäre und es auf eine ordnungsgemäße Ableitung des Stroms angekommen wäre. In diesem Falle hätte aber statt destilliertem Wassers eine hypotone Lösung, so z.B. Purisol, verwendet werden müssen. Aufgrund der bereits einem Studenten bekannten Gefährlichkeit der Nutzung von destilliertem Wasser und der Tatsache, dass eine hypotone Lösung für die diagnostische Hysteroskopie nicht erforderlich war, sondern hier vielmehr ein zusätzliches Risiko ohne dem gegenüberstehenden Vorteil für die Patientin gesetzt wurde, hat die Kammer zutreffend einen groben Fehler, der objektiv unverständlich ist, angenommen. Diese Einschätzung hat die Berufung im Hinblick auf die Beklagte zu 1) auch nicht in Frage gestellt.
40b. Auch hinsichtlich der Beklagten zu 2) und zu 3) ist die Kammer zutreffend von einem Behandlungsfehler, der als grober Behandlungsfehler zu bewerten ist, ausgegangen.
41aa. Ein Assistenzarzt darf auf die vom Facharzt angeordneten Maßnahmen vertrauen, sofern nicht für ihn erkennbare Umstände hervortreten, die ein solches Vertrauen nicht gerechtfertigt erscheinen lassen (OLG Frankfurt, Urteil vom 18.04.2006, Az. 8 U 107/05; OLG Köln VersR 1993,1157; OLG Zweibrücken VersR 2000,728; für den Arzt in Weiterbildung: OLG München, OLGR 1994, 13). Der nachgeordnete ärztliche Dienst ist in eine hierarchische Struktur eingebunden, die ihn auch haftungsrechtlich schützt und die, soweit er sich im Rahmen dieser Unterordnung bewegt, die deliktische Verantwortung einschränken kann. Bei der sogenannten vertikalen Arbeitsteilung ist der nachgeordnete Arzt an die Anweisungen des ihn leitenden Arztes gebunden. Der nachgeordnete Arzt haftet daher nur bei einem allein von ihm zu verantwortenden Verhalten, etwa, weil ihm eine Behandlung zur selbstständigen Ausführung überlassen wird, wenn er durch voreiliges Handeln einer ihm erteilten Anweisung der ärztlichen Leitung zuwider handelt, er pflichtwidrig eine gebotene Remonstration unterlässt oder ihm ein Übernahmeverschulden vorgehalten werden kann (OLG Zweibrücken, OLGR 2001, 315; OLGR 1999, 151; OLG Düsseldorf, VersR 2005, 230; OLG Celle, VersR 2002, 1558; für den Assistenz- oder Stationsarzt in Weiterbildung (Anfängerarzt): Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 6. Aufl., Kap. A Rn. 59; OLG Brandenburg Urt. v. 25.2.2010 – 12 U 60/09, BeckRS 2010, 8975). Diese Grundsätze gelten entsprechend für das Verhältnis zwischen Chefarzt und Oberarzt.
42bb. Die Beklagte zu 3), die zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Operation seit einem Monat Oberärztin war, konnte sich bereits nach dem von ihr dargestellten Sachverhalt nicht auf eine für die Behandlungssituation maßgebliche Anweisung des Chefarztes Dr. F. berufen. Eine direkte Anweisung des Chefarztes bezüglich der Operation der Patientin hat die Beklagte zu 3) bereits selbst nicht behauptet. Sie hat lediglich in ihrer Anhörung angegeben, dass ihr die OP-Schwestern erklärt hätten, dass das operative Hysteroskop nach einer Absprache zwischen dem Chefarzt und der Leiterin des OP-Pflegepersonals im Hinblick auf die Vorgabe des Herstellers, keine salzhaltige Lösung zu verwenden, mit destilliertem Wasser benutzt werden sollte, da das Gerät sonst korrodiere (Bl. I 334). Die Beklagte zu 3) wusste aber ihrer Anhörung zufolge auch, dass in der Klinik bisher für diagnostische Zwecke das operative Hysteroskop nicht verwendet wurde und ansonsten für Eingriffe wie den streitgegenständlichen eine isotonische Lösung als Distensionsmittel verwendet wurde (Bl. I 333 unten). Die aus zweiter Hand übermittelte Anweisung des Chefarztes konnte sich daher nicht auf die erstmalige Verwendung des monopolaren Resektoskops zu Diagnosezwecken beziehen, sondern lediglich auf den operativen Einsatz, in der es für die Verwendung des Resektoskops und die Eingehung der höheren Risiken durch die Verwendung einer hypotonen Lösung einen medizinischen Grund gab. Dies konnte die Beklagte zu 3) erkennen.
43Es kann die Beklagte zu 3) auch nicht entlasten, dass der weitere Oberarzt Dr. K. das operative Hysteroskop zu Diagnosezwecken ausprobieren wollte. Gegenüber der Beklagten zu 3) war der weitere Oberarzt gleichgeordnet und konnte ihr keine verbindlichen Anordnungen erteilen. Die Beklagte zu 3) hatte ihren Angaben zufolge durchaus die Verwendung von destilliertem Wasser hinterfragt, als sie vor Beginn der Operation bemerkt hatte, dass eine Spüllösung vorbereitet war, mit der sie nicht gerechnet hatte (Bl. I 334). In einer Situation, in der jedenfalls Unsicherheit über das verwendete Distensionsmedium bestand, durfte die Beklagte zu 3) keine der bloßen Geräteerprobung dienende, risikoreichere Operation, durch die die Patientin keinen damit korrespondierenden Vorteil – etwa eine Polypenentfernung unter Sicht – hatte, beginnen.
44Selbst wenn von einer Anordnung des Chefarztes auszugehen wäre, lägen bezüglich der Beklagten zu 3) Anhaltspunkte vor, nach denen ein Vertrauen in die Anordnung nicht gerechtfertigt war, die für eine fehlerhafte Vorgehensweise sprachen und die eine Remonstrationspflicht begründeten. Der Grund hierfür liegt darin, dass die Gefährlichkeit von destilliertem Wasser und insbesondere dessen Eindringen in die Blutbahn nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. I. bekannt ist und bereits Medizinstudenten bewusst sein muss. Gegenüber dieser für die rechtliche Beurteilung zentralen Bewertung bringen die Beklagten in der Berufungsbegründung keine beachtlichen Einwendungen vor. Sie wiederholen im Wesentlichen nur die Darstellung der Beklagten zu 2) und 3) aus der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung. Der Sachverständige hat im schriftlichen Gutachten weiter ausgeführt, dass die Ausschabung der Gebärmutter eine Wundfläche verursachte, durch die das Distensionsmedium noch einfacher in die Blutbahn eindringen konnte (Bl. I 213). Diese Gefahr musste und konnte der Beklagten zu 3) als Oberärztin im Bereich der Gynäkologie und Geburtshilfe bekannt sein. Insbesondere angesichts der erstmaligen Verwendung des Resektoskops zu Diagnosezwecken, was für die Patientin zusätzliche Risiken, aber keine Vorteile erbrachte, hätte die Beklagte zu 3) ihre Remonstrationspflicht ausüben müssen. Sie hat diese nicht erfüllt. Sie hat die Verwendung von destilliertem Wasser nach ihrer Darstellung zwar gegenüber den Anwesenden zunächst als aus ihrer Sicht falsche Lösung angesprochen. Nach den ihr gegebenen Erklärungen hat sie aber nicht an ihren Bedenken festgehalten, diese nicht gegenüber dem Chefarzt als Urheber einer möglichen Anordnung geltend gemacht und nicht auf deren Änderung gedrungen. Es kommt hinzu, dass die Beklagte zu 3) nach ihren eigenen Angaben die Operation mit dem monopolarem Resektoskop begonnen hat, ohne sich vorher mit dem für sie neuen Gerät vertraut zu machen (Bl. I 334); ihr war nicht bekannt und sie hatte nicht überprüft, ob das Gerät eine Druckanzeige aufwies und ob der Druck regulierbar war.
45cc. Auch die Beklagte zu 2) hat gegen die ihr obliegende Remonstrationspflicht verstoßen. Ihren Angaben zufolge hat die Beklagte zu 3) ihr mitgeteilt, dass der Oberarzt Dr. K. die Verwendung des operativen Hysteroskops mit Wasser als unbedenklich angesehen habe. Sie hat erklärt, dass sie es als ausreichend angesehen habe, dass der erfahrene Oberarzt keine Bedenken gehabt habe. Sie habe das, was der Oberarzt gesagt habe, wegen der Hierarchie auch nicht infrage gestellt (Bl. I 335). Ausgehend davon, dass der Sachverständige die durch destilliertes Wasser hervorgerufenen Risiken als medizinisches Basiswissen bezeichnet und bewertet hat, insbesondere hervorgehoben hat, dass destilliertes Wasser nicht in die Blutbahn gelangen darf, während die Verwendung eines operativen Hysteroskops mit destilliertem Wasser schon nach der ständigen Praxis im Krankenhaus der Beklagten zu 1) für die geplante diagnostische Hysteroskopie offensichtlich nicht erforderlich war, traf die Beklagte zu 2) die Verpflichtung, fachliche Fragen bezüglich des Distensionsmediums jedenfalls aufzuwerfen. Dies war der Beklagten zu 2) auch insofern zuzumuten, als sich aus ihrer Anhörung ergibt, dass sie keine direkte Anordnung des erfahrenen Oberarztes Dr. K. erhalten hatte, sondern ihr dessen Auffassung nur von der Beklagten zu 3) mitgeteilt worden war. Eine Remonstration hätte dementsprechend gegenüber der Beklagten zu 3) erfolgen können und müssen, von der die Beklagte zu 2) wusste, dass sie eine derartige Operation ebenfalls zuvor noch nicht durchgeführt hatte, weshalb ein Wissens- oder Erfahrungsvorsprung nicht oder nicht erheblich bestand.
46Dass eine Remonstration der Beklagten zu 2) am weiteren Verlauf nichts geändert hätte und der Ausgang für die Patientin auch ohne die Verletzung der Remonstrationspflicht durch die Beklagte zu 2) derselbe gewesen wäre, kann nicht festgestellt werden. Ihren Angaben zufolge hatte die Beklagte zu 3) das destillierte Wasser als ungewöhnliche Spüllösung wahrgenommen und es für notwendig gehalten, mit den OP-Schwestern darüber zu sprechen. Hätte die Beklagte zu 2) ebenfalls Bedenken angemeldet und auf die Gefahr eines Eintritts von destilliertem Wasser in die Blutbahn hingewiesen, hätte dies durchaus dazu führen können, dass sich die Zweifel der Beklagten zu 3) verstärkt hätten und diese entsprechend der üblichen Vorgehensweise ein diagnostisches Hysteroskop mit isotonischer Spüllösung eingesetzt hätte.
47c. Auch hinsichtlich der Beklagten zu 2) und 3) ist von einem groben Behandlungsfehler auszugehen. Denn insoweit und für den Eintritt einer an einen groben Behandlungsfehler geknüpften Beweislastumkehr kommt es allein auf die objektive Fehlerqualität an, die im subjektiven Verschuldensbereich keine Entsprechung finden muss (Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht 8. Auflage 2022, B Rnr 252 m.w.N.). Dass die Verwendung destillierten Wassers eindeutig gegen medizinische Erkenntnisse und bewährte ärztliche Behandlungsregeln und Erfahrungen verstieß und einem Arzt in einer vergleichbaren Situation schlechterdings nicht unterlaufen darf, ist oben bereits erläutert worden.
48Im Übrigen trifft die Beklagte zu 3) auch unter Berücksichtigung der Grundsätze der vertikalen Arbeitsteilung in subjektiver Hinsicht ein grobes Versäumnis und ein grober Fehler. Für die Beklagte zu 2) gilt dies dagegen nicht. Hierzu wird auf die nachstehenden Ausführungen des Senats zu der sich im Rahmen der Bemessung des Schmerzensgeldes stellenden Frage, ob den beiden Ärztinnen grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt oder nicht, verwiesen.
49d. Nach den im Berufungsverfahren nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts, die von den Ausführungen der Sachverständigen getragen werden, wären die bei der Patientin eingetretene Hämolyse, die weiteren Komplikationen wie der Herzstillstand und das Hirnödem sowie der Tod der Patientin ohne die Verwendung von destilliertem Wasser und dessen Eindringen in den Blutkreislauf mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 50 % vermieden worden. Die Hämolyse als Primärschaden und die auf der Grundlage der Erläuterungen der Sachverständigen jedenfalls als typische Sekundärschäden einzuordnenden Komplikationen einschließlich des Todes der Patientin sind von der sich aus dem groben Behandlungsfehler ergebenden Beweislastumkehr umfasst.
502. Die Berufung der Beklagten zu 1) bis 3) hat bezüglich des ausgeurteilten Schmerzensgeldes zum Teil Erfolg, denn die Kläger können ein Schmerzensgeld aus ererbtem Recht ihrer Ehefrau und Mutter lediglich in Höhe von 4.000 € verlangen. Für diesen Betrag haften die Beklagten zu 1) und 3) gesamtschuldnerisch in voller Höhe, die Beklagte zu 2) nur für einen Betrag von 2.000 €.
51a. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes sind die folgenden höchstrichterlichen Vorgaben zu berücksichtigen:
52aa. Die Festsetzung der Höhe des Schmerzensgeldes ist an der Funktion des Schmerzensgeldes auszurichten. Diese besteht einerseits darin, dem Verletzten einen Ausgleich für erlittene Schmerzen und Leiden zugute kommen zu lassen. Das Schmerzensgeld soll ihn in die Lage versetzen, sich Erleichterungen und Annehmlichkeiten zu verschaffen, die die erlittenen Beeinträchtigungen jedenfalls teilweise ausgleichen. Darüber hinaus soll es dem Geschädigten Genugtuung für das verschaffen, was der Schädiger ihm angetan hat (vgl. BGHZ 18, 149; BGH NJW 1995, 781; BGHZ 212, 48; OLG Nürnberg NJW 1998, 2293).
53Unter Berücksichtigung dieser Zielsetzung finden bei der Schmerzensgeldbemessung neben dem Ausmaß und der Schwere der Verletzungen und den aus der Behandlungsbedürftigkeit resultierenden Belastungen für den Verletzten auch die Dauer und der Umfang der schädigungsbedingten Behandlungsmaßnahmen sowie etwa bestehende Unsicherheiten hinsichtlich des weiteren Krankheitsverlaufs und einer endgültigen Heilung Berücksichtigung (vgl. Grüneberg-Grüneberg, BGB 81. Auflage, § 253 Rn. 16; BGHZ 212, 48). Ergänzend zu berücksichtigen sind auch etwaige besondere Umstände in der Person des Verletzten wie auch in der Person des Schädigers, insbesondere die konkreten Umstände der Verletzungshandlung und die Schwere des dem Schädiger zur Last fallenden Verschuldens.
54bb. Die Zubilligung eines Schmerzensgeldes setzt nicht stets voraus, dass der Geschädigte die ihm zugefügten Verletzungen empfunden hat. Vielmehr kann in Fällen schwerster Schädigung eine ausgleichspflichtige immaterielle Beeinträchtigung gerade darin liegen, dass die Persönlichkeit ganz oder weitgehend zerstört und hiervon auch die Empfindungsfähigkeit des Verletzten betroffen ist, wobei ein völliger Mangel an Empfindungsfähigkeit auch in solchen Fällen die Höhe des Schmerzensgeldes mindern kann. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist es entscheidend, ob der das Bewusstsein des Verletzten auslöschenden Körperverletzung gegenüber dem alsbald und ohne zwischenzeitliche Wiedererlangung der Wahrnehmungsfähigkeit eintretenden Tod überhaupt noch die Bedeutung einer abgrenzbaren immateriellen Beeinträchtigung zukommt. Für einen Anspruch auf Schmerzensgeld nach § 847 BGB a.F. oder nunmehr § 253 Abs. 2 BGB ist dies vorauszusetzen, weil diese Vorschrift nach der grundsätzlichen Wertung des Gesetzgebers weder für den Tod noch für die Verkürzung der Lebenserwartung eine Entschädigung vorsieht. Es kommt daher darauf an, ob die Körperverletzung gegenüber dem nachfolgenden Tod eine immaterielle Beeinträchtigung darstellt, die nach Billigkeitsgrundsätzen einen Ausgleich in Geld erforderlich macht. Der Bundesgerichtshof hat für Fälle, in denen die Verletzungshandlung sofort zum Tode führt, und solche, bei denen selbst bei schwersten Verletzungen diese bei durchgehender Empfindungslosigkeit des Geschädigten alsbald den Tod zur Folge haben und dieser nach den konkreten Umständen des Falles, insbesondere wegen der Kürze der Zeit zwischen Schadensereignis und Tod, sowie nach dem Ablauf des Sterbevorgangs derart im Vordergrund steht, dass eine immaterielle Beeinträchtigung durch die Körperverletzung als solche nicht fassbar ist, einen Ausgleich in Geld auch aus Billigkeitsgrundsätzen nicht als geschuldet angesehen (vgl. BGH, Urteil vom 12.05.1998 – VI ZR 182/97, NJW 1998, 2714).
55cc. Ergänzend zu berücksichtigen sind auch etwaige besondere Umstände in der Person des Verletzten wie auch in der Person des Schädigers, insbesondere die konkreten Umstände der Verletzungshandlung und die Schwere des dem Schädiger zur Last fallenden Verschuldens. Auch wenn bei der ärztlichen Behandlung das Bestreben der Behandlungsseite im Vordergrund steht, dem Patienten zu helfen und ihn von seinen Beschwerden zu befreien, stellt es unter dem Blickpunkt der Billigkeit einen wesentlichen Unterschied dar, ob dem Arzt grobes - möglicherweise die Grenze zum bedingten Vorsatz berührendes - Verschulden zur Last fällt oder ob ihn nur ein geringfügiger Schuldvorwurf trifft. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass grobe Fahrlässigkeit nicht bereits dann zu bejahen ist, wenn dem Arzt ein grober Behandlungsfehler unterlaufen ist. Ein grober Behandlungsfehler ist weder mit grober Fahrlässigkeit gleichzusetzen noch kommt ihm insoweit eine Indizwirkung zu. Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Diese Sorgfalt muss in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und es muss dasjenige unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Ein objektiv grober Pflichtenverstoß rechtfertigt für sich allein noch nicht den Schluss auf ein entsprechend gesteigertes persönliches Verschulden. Vielmehr ist ein solcher Vorwurf nur dann gerechtfertigt, wenn eine auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung vorliegt, die das in § 276 Abs. 2 BGB bestimmte Maß erheblich überschreitet. Damit sind auch Umstände zu berücksichtigen, die die subjektive, personale Seite der Verantwortlichkeit betreffen, und konkrete Feststellungen nicht nur zur objektiven Schwere der Pflichtwidrigkeit, sondern auch zur subjektiven Seite zu treffen (BGH NJW 2022, 1443 Rn. 13 ff.).
56b. Nach Maßgabe der vorstehenden Grundsätze gilt Folgendes: Bei dem hier in Rede stehenden Fall ist nach den Ausführungen der Sachverständigen, insbesondere des Anästhesisten Dr. J., davon auszugehen, dass die Patientin vom Beginn der Operation an bis zu ihrem Tod, der am 00.00.2016 um 11:53 Uhr und damit fast exakt 24 Stunden nach Eintritt des Kreislaufzusammenbruchs eintrat, durchgehend bewusstlos war. Sie konnte die Reanimation mit Rippenbrüchen und Leberriss, die folgende Operation und auch die späteren Verschlechterungen ihres Zustandes bis hin zum Tod nicht beweisbar wahrnehmen. Dr. J. hat hierzu ergänzt, dass er Schmerzempfindungen der Patientin zwar nicht ausschließen könne, sich dafür aber keine Indizien in Form von Kreislaufschwankungen, die dokumentiert worden wären, finden würden (Bl. I 339).
57Der Senat sieht aufgrund der Überlebenszeit der Patientin von 24 Stunden und den durchgeführten zahlreichen Maßnahmen an der Patientin bei stetiger Verschlechterung ihres Zustandes trotz der durchgehenden Empfindungsunfähigkeit dennoch eine fassbare immaterielle Beeinträchtigung durch die Körperverletzung, die die Zumessung eines Schmerzensgeldes rechtfertigt. Die Patientin hat nicht lediglich 24 Stunden bewusstlos und ruhig im Krankenbett gelegen, sondern hat sich einer Vielzahl medizinischer Eingriffe ausgesetzt gesehen, die ihre Gesundheit weiter beeinträchtigt haben, so z.B. durch die Rippenbrüche und den Leberriss bei der Reanimation und die erforderlich gewordene Laparotomie. Sie war die gesamte restliche Lebenszeit intensivpflichtig. Im Ergebnis hält der Senat, auch verglichen mit anderen vom Senat entschiedenen Fällen, einen Betrag von 2.000 € für angemessen. Dieser ist jedoch für die Beklagten zu 1) und 3), denen ein gesteigertes persönliches Verschulden im Sinne einer auch subjektiv schlechthin unentschuldbaren Pflichtverletzung zur Last zu legen ist, um weitere 2.000 € zu erhöhen. Bei der Beklagten zu 3) spricht ausschlaggebend für eine subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung, dass sie wusste, dass die mit erhöhten Risiken verbundene Verwendung des operativen Hysteroskops allein dem von Dr. K. angestrebten Erproben des Geräts diente, ohne dass die Patientin einen Vorteil durch diese Risikoerhöhung, etwa in Form der Operation des Polypen unter Sicht, hatte. Das grob fahrlässige Verhalten der Beklagten zu 3) ist der Beklagten zu 1), für die die Beklagte zu 3) als Erfüllungsgehilfe handelte, zuzurechnen. Der genannte Gesichtspunkt trifft im Hinblick auf die Beklagte zu 2) als nicht für die Operationsplanung insgesamt Verantwortliche allerdings nicht zu, sodass die Beklagte zu 2) lediglich in Höhe von 2.000 € gesamtschuldnerisch haftet.
58III.
59Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 92 Abs. 1 und 2, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
60Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO). Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die entscheidungserheblichen Fragen sind in der obergerichtlichen Rechtsprechung, die der Senat insbesondere bezüglich der Remonstrationspflicht nachgeordneter Ärzte zugrunde gelegt hat, geklärt oder solche des Einzelfalls. Die Entscheidung des Senates setzt sich, soweit ersichtlich, in keinem Punkt in Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes oder eines anderen Oberlandesgerichts.
61Wert des Berufungsverfahrens: 208.000 €