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I.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 21.02.2024 (Az. 1 O 183/20) teilweise abgeändert und klarstellend wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 173.502,00 € nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.05.2020 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.006,43 € nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.06.2020 zu zahlen.
II.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 21.02.2024 (Az. 1 O 183/20) wird zurückgewiesen.
III.
Die Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz trägt die Beklagte.
IV.
Das vorliegende und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung des vorliegenden und des angefochtenen Urteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages erbringt.
V.
Die Revision wird nicht zugelassen.
VI.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis 185.000,00 € festgesetzt.
Gründe
2I.
3Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Begehren des Klägers auf Kaufpreiszahlung in Höhe von 173.502,00 € für im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie gelieferte Schutzmasken; beide Parteien haben Berufung eingelegt. Der Kläger und die Beklagte sind durch einen sog. Open-House-Vertrag miteinander verbunden.
4Ein Open-House-Verfahren ist dadurch geprägt, dass ein öffentlicher Auftraggeber zum Zwecke der Güterbeschaffung Rahmenvertragsvereinbarungen veröffentlicht, zu deren Bedingungen jeder interessierte Lieferant ein vorformuliertes Angebot abgeben kann, das dann per Zuschlag angenommen wird, ohne dass eine Auswahlentscheidung getroffen wird. Da in der Konsequenz sämtliche Angebote angenommen werden, findet kein Wettbewerb zwischen den Teilnehmern statt. Das Verfahren unterfällt daher keinen vergaberechtlichen Vorschriften. Weitere Konsequenz ist, dass das Auftragsvolumen nicht immer klar vorhersehbar ist.
5Anlass für das hier in Rede stehende Open-House-Verfahren war der Beginn der Corona-Pandemie und der damit verbundene große Bedarf an medizinischer Schutzausrüstung für Personen (PSA), insbesondere in Form von Atemschutzmasken.
6Unter dem 27.03.2020 erfolgte durch die Beklagte eine Auftragsbekanntmachung über einen Lieferauftrag für Schutz- und Sicherheitskleidung, und zwar „FFP2 Masken, OP-Masken und Schutzkittel“ (Anlagenkonvolut B 1, Anlagenhefter). Beigefügt waren die Aufforderung zur Angebotsabgabe, das Angebotsformular, das Vertragsformular über die Lieferung von Schutzausrüstung, die Leistungsbeschreibung, die Teilnahmebedingungen sowie die Hinweise zum Datenschutz.
7Unter Ziffer II.2.4) der Leistungsbeschreibung ist folgendes festgehalten:
8„Das Vertragssystem beginnt ab sofort zu laufen und endet mit Ablauf des 30.4.2020. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass spätester Liefertermin der 30.4.2020 innerhalb der üblichen Geschäftszeiten der G. U. Q. & Co. KG, I.-straße 0 in 00000 S., ist.“
9Der „Gegenstand des Vertrages“ ist in dem Vertragsformular über die Lieferung von Schutzausrüstung (Anlage 04 der Vergabeunterlagen, Anlagenkonvolut 1, Anlagenhefter) unter § 1 S. 1 zunächst wie folgt definiert:
10„Gegenstand des Vertrages ist die Lieferung von Produkten folgender Produktgruppe(n):
111. FFP2 Masken Menge in Stück: Klicken Sie hier, um Text einzugeben. 2. OP- Masken Menge in Stück: Klicken Sie hier, um Text einzugeben. 3. Schutzkittel Menge in Stück: Klicken Sie hier, um Text einzugeben."
12Der Auftragnehmer konnte an dieser Stelle des vorgefertigten Vertragstextes die zu liefernde Stückzahl eingeben.
13Der Vertragstext beinhaltet sodann u.a. die folgenden Regelungen:
14„§ 2 Vertragsbestandteile
152.1. Folgende Unterlagen und Bestimmungen sind in Ergänzungen der Regelungen dieses Vertrages Bestandteile des Vertragsverhältnisses:
16a. die Leistungsbeschreibung mit den Stückpreisen für die einzelnen Produktgruppen (…)
17§ 3 Leistung/Lieferung (…)
183.2 Die Lieferung der Produkte hat an die G. U. Q. & Co. KG, I.-straße Str. 0 in 00000 S., während der üblichen Geschäftszeiten zu erfolgen; die üblichen Geschäftszeiten sind von dem AN bei der G. U. Q. & Co. KG zu erfragen. Die Lieferung ist der G. U. Q. & Co. KG in Textform mit einer Frist von mindestens drei Kalendertagen vor dem Liefertermin anzukündigen. Spätester Liefertermin ist der 30.04.2020 innerhalb der Geschäftszeiten gemäß S. 1. Bei Nichteinhaltung des spätesten Liefertermins entfallen die gegenseitigen Pflichten der Vertragspartner; eine verspätete Lieferung stellt keine Erfüllung des Vertrages durch den AN dar (absolutes Fixgeschäft).
19§ 5 Zahlung
205.1 Der AG zahlt die vereinbarte Vergütung bargeldlos binnen einer Woche nach erfolgter Lieferung und Eingang einer den Vorschriften des Umsatzsteuerrechts entsprechenden Rechnung bei der G. U. Q. & Co. KG, I.-straße Str. 0 in 00000 S., auf das von dem AN angegebene Konto.
215.2 Jede Zahlung erfolgt unter dem Vorbehalt des Anspruchs auf Rückerstattung wegen nicht oder mangelhaft erbrachter Leistungen. Der AN kann sich gegenüber einer berechtigten Rückforderung nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Ist der Zahlungseingang bei dem AG nicht innerhalb von 7 Kalendertagen nach Zugang eines Rückforderungsschreibens festzustellen, befindet sich der AN spätestens ab diesem Zeitpunkt mit seiner Rückzahlungsverpflichtung in Verzug. (…)
22§ 6 Mängelansprüche
236.1 Für Sach- und Rechtsmängelansprüche gelten die gesetzlichen Vorschriften, soweit nachfolgend nichts anderes bestimmt ist.
246.2 Eine Untersuchungs-/Rügeobliegenheit des AG beschränkt sich auf Mängel, die nach der Ablieferung unter äußerlicher Begutachtung offen zutage treten (z. B. Transportbeschädigungen, Falsch- und Minderlieferungen). Eine Rüge/Mängelanzeige gilt als unverzüglich und rechtzeitig, wenn sie innerhalb von sieben Kalendertagen beim AN eingeht.
25§ 7 Laufzeit des Vertrages/sonstige Vereinbarungen
267.1 Der Vertrag tritt mit Zuschlagserteilung des AG auf das im Open-House-Verfahren abgegebene Angebot des AN in Kraft und endet mit Ablauf des 30.04.2020. Die durch eine innerhalb der Vertragslaufzeit erfolgte Lieferung begründeten Rechte und Pflichten des AG und des AN bestehen auch nach dem Ablauf der Vertragslaufzeit fort.“
27Anlage 1 zum Vertrag beinhaltet die Leistungsbeschreibung (Anlage K 3, Bl. 21 f. LG-Akte, Anlage 3 der Vergabeunterlagen, Anlagenkonvolut B 1, Anlagenhefter):
28„FFP2 Masken: Preis pro Stück (€) netto 4,50
29Beschreibung: • Atmungsaktives Design, das nicht gegen den Mund zusammenfällt (z.B. Entenschnabel, becherförmig) • Versehen mit einer Metallplatte an der Nasenspitze • Kann wiederverwendbar* (aus robustem Material, das gereinigt und desinfiziert werden kann) oder Einwegartikel sein
30Normen/Standards:
31Atemschutzgerät „N95“ gemäß FDA Klasse II, unter 21 CFR 878.4040, und CDC NIOSH, oder „FFP2“ gemäß EN 149 Verordnung 2016/425 Kategorie III
32oder gleichwertige Normen, auch KN95 (CHN)“
33Der Kläger gab am 07.04.2020 ein Angebot über die Lieferung von 32.400 „FFP2 Masken" ab (Anlage K2, BI. 16 ff. LG-Akte), das am 09.04.2020 den Zuschlag erhielt (Anlage K4, BI. 23 LG-Akte, Anlage B6, Anlagenhefter). Das Gesamtauftragsvolumen umfasste bei einem Preis von 4,50 € zuzüglich Umsatzsteuer einen Betrag in Höhe von 173.502,00 €.
34Die Anlieferungen der Masken wurden im Auftrag der Beklagten durch die G. U. Q. & Co. KG (nachfolgend „G.") sowie die im fortgeschrittenen Stadium des Open-House-Verfahrens involvierte O. B. GmbH (nachfolgend: „O.") koordiniert. Nach Ankündigung einer Anlieferung durch den Auftragnehmer wiesen die Logistiker der geplanten Anlieferung eine oder mehrere Avisierungsnummern zu und teilten die Lieferadresse mit.
35Der Kläger kündigte die Lieferung der Masken mit Email vom 24.04.2020 an, woraufhin die G. W. X. GmbH ihm mit Email vom 29.04.2020 einen Lieferslot am 30.04.2020 für eines ihrer Lager in Z. zuwies (Anlage K5, BI. 25 LG-Akte).
36Der Kläger lieferte am 30.04.2020 die bestellten Masken, die als solche des Standards KN 95 ausgewiesen waren, unter der Avis-Nr. N01 in diesem Lager ab (Lieferschein Anlage K6, Bl. 26-28 LG-Akte; Anlage B7, Anlagenhefter) und übergab gleichzeitig die Rechnung über einen Betrag in Höhe von 173.502,00 € brutto (Anlage K7, BI. 29 LG-Akte). Die Rechnung wies folgenden Passus auf: „Die Ware bleibt bis zur vollständigen Bezahlung mein Eigentum."
37Mit Email vom 04.06.2020 (Anlage K9, BI. 31 f. LG-Akte) erklärte die Beklagte den Rücktritt vom Vertrag unter Hinweis auf Mängel der Masken. Diese hätten eine Durchlassprüfung nicht bestanden.
38Mit anwaltlichem Schreiben vom 05.06.2020 forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung zum 12.06.2020 vergeblich zur Zahlung des Kaufpreises sowie zur Übernahme der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten auf.
39Das Landgericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 08.09.2021 (BI. 840 ff. LG-Akte), neugefasst durch Beschluss vom 18.10.2021 (BI. 877 ff. LG-Akte), über die Mangelhaftigkeit der gelieferten Masken durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. D. R. vom 22.11.2022 nebst schriftlicher Stellungnahme vom 31.07.2023 und mündlicher Erläuterung im Termin vom 15.11.2023. Wegen des Inhalts des Gutachtens und der schriftlichen Stellungnahme wird auf BI. 1228 ff. LG-Akte sowie BI. 1427 ff. LG-Akte, wegen der mündlichen Erläuterung auf die Sitzungsniederschrift vom 15.11.2023 BI. 1602 ff. LG-Akte verwiesen.
40Mit Urteil vom 21.02.2024, auf das wegen der weiteren Feststellungen, des erstinstanzlichen Parteivorbringens, der in erster Instanz gestellten Anträge und der Entscheidungsgründe Bezug genommen wird (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), hat das Landgericht, die Beklagte verurteilt, an den Kläger 173.502,00 € zu zahlen, Zug-um-Zug gegen Lieferung von 32.400 Schutzmasken, die der Beschreibung der Produktgruppe „FFP2 Masken“ der Leistungsbeschreibung (Anlage 3 der Vergabeunterlagen, Anlagenkonvolut B 1, Anlagenhefter sowie Anlage K 3, Bl. 21-22 d.Z.) in der Anlage 1 des zwischen den Parteien am 07.04.2020 geschlossenen Vertrages über die Lieferung von Schutzausrüstung entsprechen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
41Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kaufpreisanspruch nicht durch den erklärten Rücktritt der Beklagten vom 04.06.2020 untergegangen sei.
42Eine Nachfristsetzung sei nicht gemäß § 3 Ziffer 3.2 des Open-House-Vertrages entbehrlich. Mit dieser Klausel hätten die Parteien die Rechtsfolgen eines absoluten Fixgeschäftes (nur) für den Fall vereinbart, dass bis zum Stichtag überhaupt keine Lieferung erfolgt sei. Für den Fall, dass bis zum Stichtag (oder einem einvernehmlich für eine Lieferung avisierten Tag) die Lieferung der Ware zwar erfolgt sei, aber sich als mangelhaft herausgestellt habe, sollten dagegen die gesetzlichen Mängelgewährleistungsvorschriften gelten. § 3 Ziffer 3.2 des Open-House-Vertrages sei – im Sinne der vorgenannten Auslegung – wirksam in den Vertrag einbezogen, insbesondere nicht überraschend gemäß § 305c BGB. Die Klausel benachteilige den jeweiligen Vertragspartner der Beklagten auch nicht unangemessen und entgegen der Gebote von Treu und Glauben, § 307 Abs. 1 BGB. Allerdings greife die Regelung des § 3 Ziffer 3.2 des Open-House-Vertrages im vorliegenden Fall nicht ein, da eine Schlechtleistung – mit Blick auf die gewählte Auslegung – nicht in den Anwendungsbereich der Klausel falle; auch der Eigentumsvorbehalt des Klägers führe nicht zur Anwendbarkeit der Klausel.
43Eine Entbehrlichkeit der Nachfristsetzung folge auch nicht aus § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Zwar sei eine vertragliche Terminvereinbarung getroffen worden. Es fehle allerdings an der zweiten Voraussetzung, wonach die termin- oder fristgerechte Leistung entweder nach einer Mitteilung des Gläubigers an den Schuldner vor Vertragsschluss oder auf Grund anderer den Vertragsschluss begleitenden Umstände – und damit für den Schuldner erkennbar – für den Gläubiger wesentlich gewesen sein muss. Die entsprechende Regelung in § 3 Ziffer 3.2 des Vertrages gelte nur im Zusammenhang mit einer Nichtleistung. Aufgrund der weiteren Regelung in § 6 Ziffer 6.1 und § 7 Ziffer 7.1 sowie der Begleitumstände hätten die Vertragspartner davon ausgehen können, dass das allgemeine Gewährleistungsrecht einschließlich des Rechts zur zweiten Andienung gelten solle.
44Die vorherige Fristsetzung zur Nacherfüllung sei auch nicht gemäß § 440 Satz 1 Variante 3 BGB oder gemäß § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich gewesen. Die bloße Tatsache, dass die Nacherfüllung Zeit benötige, während der Käufer die Sache nicht nutzen könne, führe nicht zur Unzumutbarkeit. Insbesondere habe die Beklagte keine Umstände vorgetragen, die eine Unzumutbarkeit der Nachfristsetzung begründen würden. Jedenfalls eine kurze Fristsetzung sei der Beklagten auch unter den besonderen Umständen der pandemiebedingten Beschaffung großer Mengen an Schutzausrüstung zumutbar gewesen.
45Schließlich sei der Kaufpreisanspruch auch nicht gemäß § 376 HGB erloschen. Diese Norm sein darauf gerichtet, ein relatives Fixgeschäft abweichend von § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB zu regeln, welches jedoch nach dem Verständnis der Kammer nicht vorliege. Den Klauseln in § 6 Ziffer 6.1 und § 7 Ziffer 7.1 sei vielmehr unmissverständlich zu entnehmen, dass für den Fall der rechtzeitigen, aber mangelhaften Lieferung das Vertragsverhältnis unverändert fortbestehen und über Gewährleistungsansprüche abgewickelt werden solle.
46Der fällige Anspruch des Klägers auf Zahlung des Kaufpreises sei jedoch gemäß §§ 322, 320 Abs. 1 BGB nur Zug um Zug gegen Nachlieferung neuer, der Leistungsbeschreibung des Vertrages entsprechender Masken durchsetzbar. Der Beklagten stehe der einredeweise geltend gemachte Anspruch auf Nachlieferung von Masken aus §§ 437 Nr. 1, 439 BGB zu. Es stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass die vom Kläger gelieferten Masken im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB mangelhaft seien, da der nicht auszuräumende Verdacht einer Mangelhaftigkeit bestehe.
47Hiergegen richten sich die Berufung des Klägers und der Beklagten.
48Der Kläger rügt in Bezug auf die Annahme eines Sachmangels durch die Kammer, dass die sogenannte Dioxin-Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine starke Abweichung vom Regelfall darstelle und nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar sei (Bl. 252 ff. GA). Die Infektion mit Corona sei nicht vergleichbar mit der Aufnahme von dioxinverseuchten Lebensmitteln (Bl. 253 GA). Außerdem habe es im Dioxin-Fall eine Eigenuntersuchung des Käufers gegeben, die den Mangelverdacht zum Zeitpunkt der Anlieferung immerhin habe begründen können. Ob jedoch die streitgegenständlichen Masken bei Anlieferung mangelhaft gewesen seien, gelte es noch zu beweisen (Bl. 255 GA).
49Die Kammer lege des Weiteren einen falschen Prüfungsmaßstab an, wenn sie verlange, dass sie Masken sowohl dem Standard EN149 als auch dem Standard GB2626 genügen müssten (Bl. 255 ff. GA). Zunächst sei der Aufdruck auf den Masken irrelevant und der Kläger hierfür nicht verantwortlich. Vielmehr habe die Beklagte sich durch die „Verordnung zur Beschaffung von Medizinprodukten und persönlicher Schutzausrüstung bei der durch das Coronavirus SARS-CoV2 verursachten Epidemie“ vom 09.04.2020 selbst zum „Einführer“ bestimmt und habe damit die Verantwortung für etwaige Kennzeichnungen übernommen, die ansonsten – insbesondere aus China – in Europa illegal gewesen wären (Bl. 260 f. GA).
50Die Leistungsbeschreibung des Open-House-Vertrages beinhalte für die Kaufsache „FFP2-Maske“ eine Legaldefinition. Aus der Beschreibung gehe klar hervor, dass jede Maske, die einem der genannten Standards oder einem ähnlichen Standard entspreche, vertragsgemäß sei (Bl. 264 GA). Das Landgericht habe nicht festgestellt, dass die Masken zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs keiner genannten oder gleichwertigen Norm entsprachen; ein Sachmangel sei nicht bewiesen (Bl. 265 GA).
51Des Weiteren sei das vom Sachverständigen vorgelegte Gutachten nicht geeignet, einen Sachmangel zu belegen. Zum einen habe er nicht alle relevanten Normen geprüft. Zum anderen habe er bei der Untersuchung nach GB2626 eine falsche Partikelkonzentration (20mg/m³) verwendet, was die Prüfung unbrauchbar mache (Bl. 265 ff. GA). Die hier anwendbare GB2626-2006 (nicht: GB2626-2019) sei so zu verstehen, dass eine Maske bezüglich der Filterleistung dann als normkonform gelte, wenn sie bei einem Wert zwischen 0 und 200 mg/m³ den Grenzwert einhalte. Wenn dieselbe Maske bei einer anderen Partikelkonzentration den Grenzwert nicht erreiche, sei das unerheblich. Der Sachverständige habe trotz dieser normativen Vorgaben die Prüfung nach GB2626 nur mit einer Partikelkonzentration von 20mg/m³ durchgeführt (Bl. 268 GA). Überdies sei die experimentelle Prüfung des Sachverständigen unzureichend. Es sei weder zulässig noch plausibel, aus der Prüfung einer einzigen Maske Rückschlüsse auf 32.400 Masken zu ziehen, wobei die Partikelkonzentration auch nur auf lediglich 40ml/m³ erhöht worden sei (Bl. 269 GA). Des Weiteren habe die Kammer nicht hinreichend berücksichtigt, dass sich der Zeitablauf und die Lagerbedingungen auf die Filterleistung der Masken auswirken könne. Insoweit könne das Landgericht auch keinen weiteren Vortrag des Klägers verlangen, da die genauen Umstände der Lagerung ausschließlich der Beklagten bekannt seien (Bl. 273 f. GA). Unabhängig davon, dass die Untersuchung und Bewertung der Lagerumstände nicht Teil des Gutachtenauftrages gewesen sei, habe der Sachverständige nicht alle Lager gesehen, in denen die Masken gelagert worden seien. Die Stichprobenziehung erfolgte überdies auf einer „Beschaufläche“ und nicht im eigentlichen Hochregallager (Bl. 275 GA) Schließlich zitiere der Sachverständige Studien falsch (Bl. 278 GA).
52Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen eines Sachmangels sei der Zeitpunkt des Gefahrübergangs, hier der Anlieferung. Ein Mindesthaltbarkeitsdatum sei auch nicht konkludent zwischen den Parteien vereinbart (Bl. 280 ff. GA). Zudem maße die Kammer sich bezüglich des Alterungsverhaltens von Atemschutzmasken und Filterfließen einen Sachverstand an, den sie nicht besitze (Bl. 250, 285 ff. GA). Die Annahme der Sachverständigen, die die Kammer ungeprüft übernehme, dass sich der Zeitablauf nicht auf die Filterleistung auswirke, sei nicht belastbar (Bl. 283 ff. GA). Eine „allgemeine Lebenserfahrung“ der Kammer dahingehend, dass die Messwerte nur dadurch zu erklären seien, dass die Masken schon bei Ablauf des Haltbarkeitsdatums mangelhaft gewesen seien und nach Ablauf des Verfallsdatums damit zu rechnen sei, dass die Filterleistung plötzlich und stark abfalle, gebe es nicht (Bl. 285f. GA).
53Schließlich könne es dahinstehen, ob die gelieferten Schutzmasken bei Anlieferung tatsächlich mangelhaft gewesen seien. Die Beklagte habe ihre Rügeobliegenheit aus § 6 Ziffer 6.2 des Vertrages verletzt. Danach sei sie – entsprechend des Rechtsgedankens des § 377 HGB – über den Wortlaut der vertraglichen Regelung hinaus verpflichtet, sämtliche entdeckten (und nicht nur äußerlich zutage getretenen) Mängel unverzüglich, spätestens binnen sieben Tagen zu rügen. Ein erkannter verdeckter Mangel müsse binnen kurzer Frist angezeigt werden (Bl. 289 GA). Im konkreten Fall sei zwischen Kenntnis der Beklagten und Rüge ein Monat verstrichen.
54§ 5 des Open-House-Vertrages normiere eine unbedingte Zahlungspflicht der Beklagten binnen sieben Tagen nach Lieferung, unabhängig von der Lieferung mangelfreier oder mangelhafter Waren (Bl. 290 GA). Dies jedenfalls so lange, bis die Beklagte wirksam den Rücktritt erklärt und damit einen (wirksamen und fälligen) Rückzahlungsanspruch begründe. Andernfalls würde die in § 5 des Vertrages normierte Zahlungspflicht – abhängig nur von der Lieferung –bedeutungslos (Bl. 291 GA). Eine Differenzierung zwischen Fälligkeit und Durchsetzbarkeit sei dem Vertrag auch nicht zu entnehmen. Die kurze Zahlungsfrist habe zudem dem damaligen Parteiwillen entsprochen. Diese sei Hauptmotivator für viele Lieferanten gewesen, an dem Open-House-Verfahren teilzunehmen, denn Erwerb und Einfuhr der Schutzausrüstung setzte damals erhebliche Investitionen voraus (Bl. 29 GA). Auch die Formulierung in § 5 Ziffer 5.2 Satz 1 des Vertrages ergebe nur Sinn, wenn dem Lieferanten auch bei mangelhafter Ware ein Kaufpreisanspruch zustehe. Ergänzend lege § 5 Ziffer 5.2. Satz 2 des Vertrages fest, dass die Lieferanten sich im Falle der Rückforderung des an sie gezahlten Kaufpreises nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen könnten. Stünde der Beklagten indes die Einrede des § 320 BGB zu, hätte sie im Falle einer mangelhaften Lieferung die Kaufpreiszahlung verweigern dürfen bis zur mangelfreien Nacherfüllung; der Anwendungsbereich der §§ 812 ff. BGB wäre dann gar nicht erst eröffnet (Bl. 292 GA). Das nachvertragliche Verhalten der Beklagten, welches Rückschlüsse auf den Parteiwillen bei Vertragsschluss zulasse (Bl. 293 GA), zeige, dass diese selbst davon ausgegangen sei, dass sie jedenfalls bis zur Erklärung des Rücktritts unabhängig vom (Nicht-)Vorliegen eines Sachmangels verpflichtet gewesen sei, den Kaufpreis zu zahlen. Dies zeige sich darin, dass sie in einer Vielzahl von Parallelverfahren für den Zeitraum zwischen Fälligkeit und Rücktrittserklärung Verzugszinsen und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten gezahlt habe (Bl. 294 GA).
55Hilfsweise bringt der Kläger vor, dass kein wirksamer und fälliger Gegenanspruch der Beklagten bestehe. Ein etwaiger Nacherfüllungsanspruch der Beklagten sei (derzeit) nicht fällig. Dieser sei ein sog. verhaltener Anspruch, der ohne Verlangen des Käufers nicht fällig sei. Konkret verlange die Beklagte keine Nacherfüllung, sondern verweigere sogar die Annahme der Nacherfüllung ausdrücklich (Bl. 298 GA).
56Überdies sei die Einrede nach § 320 BGB auch nach § 242 BGB ausgeschlossen, da die Beklagte trotz des angeblichen Mangels dem Kläger nicht die Möglichkeit der Nacherfüllung einräume und somit gegen ihre Obliegenheit zur Mitwirkung an der Nacherfüllung verstoße (Bl. 299 GA). Die Beklagte handele auch offensichtlich widersprüchlich, wenn sie dem Kläger mit der Einrede aus § 320 BGB eine nicht erbrachte Nacherfüllung vorwerfe und dadurch Verzugszinsen in erheblicher Höhe einspare, während sie gleichzeitig die Annahme der Nacherfüllung verweigere (Bl. 300 GA); jedenfalls bis zur Erhebung der Eventualwiderklage (SS vom 04.04.2002) (Bl. 301GA). Insoweit sei es auch unbillig dem immer nacherfüllungsbereiten Kläger das Zinsrisiko für den Zeitraum zwischen Fälligkeit und Kaufpreiszahlung aufzuerlegen (Bl. 302 GA). Die verzugsausschließende Wirkung des § 320 BGB sei jedenfalls dadurch ausgeschlossen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Nacherfüllung in Verzug befinde (Bl. 304 ff. GA). Der Kläger habe – auch in der Berufungsbegründung – der Beklagten die Nacherfüllung angeboten, obwohl dies bereits entbehrlich (§ 295 BGB) gewesen sei, da die Beklagte keinen Zweifel daran gelassen habe, dass sie eine Nacherfüllung nicht annehmen würde.
57Im Übrigen, insbesondere zur Unwirksamkeit des absoluten Fixgeschäftes, schließe sich der Kläger (Bl. 363 ff. GA) der Entscheidung des OLG Köln vom 21. Juni 2024, Az. 6 U 112/23 an.
58Der Kläger beantragt,
59in Abänderung des Urteils des Landgerichts Bonn vom 21.02.2024 (Az. 1 O 183/20)
60I.
611. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 173.502,00 € zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 8. Mai 2020;
622. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.006,42 EUR zu erstatten, nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. Juni 2020.
63II. hilfsweise, für den Fall, dass der Senat die Kaufpreisforderung nur Zug-um- Zug gegen Nacherfüllung zuspricht:
641. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 173.502,00 € zu zahlen, Zug-um- Zug gegen Lieferung von 32.400 Schutzmasken, die der Beschreibung der Produktgruppe „FFP2 Masken“ der Leistungsbeschreibung (Anlage 3 der Vergabeunterlagen, Anlagenkonvolut B1, Anlagenhefter sowie Anlage K 3, Bl. 21-22 d.Z.) in der Anlage 1 des zwischen den Parteien am 7. April 2020 geschlossenen Vertrages über die Lieferung von Schutzausrüstung entsprechen;
652. die Beklagte zu verurteilen, auf die Kaufpreisforderung aus dem Antrag zu II.1. an den Kläger Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 8. Mai 2020, hilfsweise seit dem 4. Juni 2020 (Rücktrittserklärung), hilfsweise seit dem 24. Juli 2020 (Zugang der Verteidigungsanzeige), hilfsweise seit dem 7. Oktober 2020 (Zustellung der Klageerwiderung), hilfsweise seit dem 17. Februar 2021 (abgelehntes Angebot der Nacherfüllung in der mündlichen Verhandlung) zu zahlen;
663. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.006,42 € zu erstatten, nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. Juni 2020.
67III. Hilfsweise zu I. und II. beantragt der Kläger,
68das Urteil aufzuheben und zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Bonn zurückzuverweisen.
69IV. Ferner beantragt der Kläger,
70die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
71Die Beklagte beantragt,
72unter Abänderung des am 21.02.2024 verkündeten Urteils des Landgerichts Bonn, Az. 1 O 183/20, die Klage in vollem Umfang abzuweisen und der Hilfswiderklage vom 06.11.2023 auf Feststellung der Verpflichtung zur Erstattung der Lagerungskosten und auf Abholung der streitgegenständlichen Schutzmasken vollumfänglich stattzugeben.
73Ferner beantragt die Beklagte,
74die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
75Zwischen den Parteien sei ein (relatives) Fixgeschäft vereinbart, welches auch für den Fall der Schlechtleistung gelte. Zur Vereinbarung eines relativen Fixgeschäftes verweist sie auf ihren Schriftsatz vom 18.10.2023 (Bl. 1500 ff. LG-Akte), in dem sie ausgeführt hat, dass sich die Wesentlichkeit der termin- und fristgerechten Lieferung bereits aus Ziffer II.1.4 und II.2.4 den der Auftragsbekanntmachung beigefügten Teilnahmebedingungen sowie aus § 3 Ziffer 3.2 S. 3 und 4, § 7 Ziffer 7.1 des Open-House- Vertrages ergäben (im Einzelnen Bl. 1502 f. LG-Akte und Bl. 234 ff. GA). Bei der Auslegung des Begriffs der „Wesentlichkeit“ habe der Gesetzgeber bei der Neufassung des § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB im Jahre 2014 von der strengen Anwendung der Formel, dass der Vertrag mit der Einhaltung des Termins „stehe oder falle“, Abstand genommen (Bl. 234 GA). Für den Kläger sei angesichts der genannten Unterlagen offensichtlich gewesen, dass das Interesse der Beklagten an der Lieferung der Masken bei Nichteinhaltung der Leistungszeit entfallen würde und die Beklagte die damalige, angespannte Marktlage durch attraktive (aber noch marktübliche) Preise kompensiert habe (Bl. 236 GA). Die nunmehr vom Landgericht getroffene Unterscheidung zwischen Nicht- und Schlechtleistung stelle eine konstruierte Unterscheidung dar, die weder von der gesetzlichen Regelung noch vom konkreten Vertrag gedeckt sei. So sähen die gesetzlichen Regelungen bei der Annahme eines absoluten Fixgeschäftes auch im Falle der Schlechtleistung gemäß §§ 323 Abs. 2 Nr. 2, 326 Abs. 5 BGB eine Rücktrittsmöglichkeit ohne vorherige Fristsetzung vor. Das Rücktrittsrecht ohne vorheriges Fristsetzungserfordernis eröffne sich bei Unmöglichkeit der Nacherfüllung, also spätestens nach Überschreiten des vertraglich vereinbarten Liefertermins über §§ 437 Nr. 2, 326 Abs. 5 BGB. Der Rechtsgrundverweis in § 326 Abs. 5 BGB auf § 323 BGB gelte aber auch in Fällen der Schlechtleistung (Bl. 222 GA). Der gesetzlichen Lage entsprechend verweise der Open-House-Vertrag in § 6 Ziffer 6.1 bei Überschreiten des Fixtermins auf die Sach- und Rechtsmängelansprüche nach den gesetzlichen Vorschriften. Indem der Kläger sich entschieden habe, seine (mangelhafte) Leistung erst kurz vor Ablauf der „Avisierungsfrist“, dem 27.04.2020, nämlich am 24.04.204 zu avisieren, werde eine Nacherfüllung faktisch unmöglich, selbst wenn die Beklagte die Mängel am 30.04.2020 sofort hätte erkennen können. Damit habe sich der Kläger selbst die Möglichkeit der zweiten Andienung genommen (Bl. 223 f. GA).
76Die vom Landgericht in Abweichung zu seiner bisherigen Rechtsprechung vorgenommene Differenzierung würde zudem dazu führen, dass der Schuldner ein bestehendes absolutes Fixgeschäft durch Erbringung einer mangelhaften Leistung umgehen könnte, da ihm in diesem Fall ein Recht zur (nicht) fristgerechten Nacherfüllung zustünde. Der Schlechtliefernde würde also besser stehen als der Nichtliefernde, und zwar selbst dann, wenn er ein Aliud liefern würde (Bl. 223 GA). Auch die Vertragsauslegung zeige gerade keine Differenzierung zwischen Nicht- und Schlechtleistung. So beinhalte bereits der Wortlaut des § 3 Ziffer 3.2 keine Unterscheidung zwischen Schlecht- und Nichtleistung, vielmehr heiße es, dass im Falle des „Nichteinhaltens“ des spätesten Liefertermins die gegenseitigen Pflichten entfielen und eine verspätete „Lieferung“ keine Erfüllung darstelle. Letztgenannte Formulierung meine sowohl die Lieferung im Rahmen des Primäranspruchs als auch eine etwaige „Nachlieferung“. Es komme der Parteiwille zum Ausdruck, dass das Geschäft mit dem Einhalten des Liefertermins stehen und fallen solle (Bl. 224 GA). § 6 Ziffer 6.2 des Vertrages habe allein klarstellende Funktion und sei keine Abkehr von der gesetzlich vorgesehenen Rechtsfolge eines Fixgeschäftes (Bl. 224 GA). Entgegen der Auffassung des Landgerichts regele § 7 Ziffer 7 des Open-House Vertrages bereits nach seiner Überschrift die Laufzeit des Vertrages und sonstige Vereinbarungen. Der Passus in § 6 Ziffer 6.1. „sofern nichts anderes bestimmt ist“, beziehe sich auf Ziffer 6.2. und nicht § 7 Ziffer 1. Im Übrigen, wie bereits dargestellt sei, ordneten die gesetzlichen Regelungen im Falle des Überschreitens des Fixtermins die Entbehrlichkeit der Fristsetzung bei einer termingerechten Schlechtleistung an. Satz 2 von § 7 Ziffer 1 des Vertrages wolle nach seinem Wortlaut „nur Rechte und Pflichten des AG und AN“ fortbestehen lassen, die „durch…eine Lieferung“ entstanden seien; Gewährleistungsrechte entstünden aber nicht alleine durch eine Lieferung, sondern erst durch entsprechende Geltendmachung der Rechte durch den Käufer. Insoweit beinhalte § 7 Ziffer 7.1 Satz 2 des Open House Vertrages die rein deklaratorische Feststellung, dass mit Ablauf des vereinbarten Fixtermins durch die Lieferung begründete Rechte und Pflichten – etwa der Kaufpreisanspruch bei mangelfreier Lieferung – fortbestünden und nicht durch Ablauf der Vertragslaufzeit entfielen. Eine Modifikation der Rechtsfolgen im Falle eines Fixgeschäftes sei darin nicht zu sehen (Bl. 225 GA).
77Hilfsweise bringt die Beklagte vor, dass eine Nachfristsetzung gemäß § 440 S. 1 Alt. 3 BGB entbehrlich sei, da die Nachlieferung unzumutbar geworden sei. Zweck des Vertrages sei eine kurzfristige Beschaffung von Schutzausrüstung zur Überbrückung eines akuten Bedarfs gewesen. Hätte die Beklagte den Lieferanten Nachlieferungsmöglichkeiten eingeräumt, so hätten die Anlieferungen, die strikt getaktet gewesen seien, erst mit deutlicher Verzögerung erfolgen können (Bl. 228 GA). Des Weiteren sei es der Beklagten nur durch die Lieferfrist als Begrenzung möglich gewesen, hinreichende sofortige Qualitätsprüfungen sicherzustellen; und zwar durch von Prüfungsinstituten vorgenommene umfangreiche Wareneingangs- und Laborprüfungen. Das Vorhalten weiterer Prüfmöglichkeiten für einen unbestimmbaren Zeitraum sei der Beklagten aus haushalterischen Gründen nicht zumutbar gewesen. Nach Durchführung der regulären Anlieferungen seien keine TÜV Prüfer mehr vor Ort gewesen (Bl. 229 GA). Ferner habe der Kläger gegen regulatorische Vorgaben verstoßen, indem er (vorsätzlich) die Atemschutzmasken mit unrichtigen CE-Kennzeichnungen und Bezugnahme auf EN 149 versehen und eine gefälschte Konformitätsbescheinigung verwendet habe (im Einzelnen Bl. 230 ff., Bl. 719 ff. GA). Jedenfalls in der Gesamtschau liege eine Unzumutbarkeit der Nachlieferung vor, insbesondere mit Blick darauf, dass der Open House-Vertrag auf einen einmaligen Beschaffungsvorgang im Sinne einer „Anschubhilfe“ ausgerichtet gewesen sei (Bl. 232 GA).
78Eine Nachfristsetzung sei auch nach § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB, der neben § 440 S. 1 BGB anwendbar sei, entbehrlich gewesen. Den geschilderten „Umständen“ auf der Seite der Beklagten stünde nur das allgemeine Interesse des Klägers an einer „zweiten Chance“ zur Vertragserfüllung gegenüber. Eine besondere Schutzbedürftigkeit sei jedoch nicht gegeben, da der Vertrag offensichtlich auf eine einmalige Chance zur Lieferung zugeschnitten gewesen sei (Bl. 233 GA).
79Eine Entbehrlichkeit der Nachfrist sei auch nach Maßgabe des § 376 Abs. 1 HBG zu bejahen. Zum einen fehle es bereits an der Anzeige der Käuferin – hier der Beklagten – nach § 367 Abs. 1 S. 2 HGB, dass sie auf Erfüllung bestehe. Zum anderen sollte durch die Umsetzung der Verbraucherrichtlinie in § 323 BGB der Gleichlauf mit § 367 HGB, wie nach der früheren Fassung des § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB der Fall, nicht aufgegeben werden (Bl. 237 f. GA).
80Auch für den Fall der Schlechtleistung – wie vom Landgericht angenommenen, dem sich die Beklagte insoweit anschließe – seien die Regelungen des Vertrages AGB-rechtlich wirksam (Bl. 238 ff., 448 ff. GA). Insbesondere könne aus der (vermeintlichen) AGB-rechtlichen Unwirksamkeit eines relativen Fixgeschäftes nicht auf die Unwirksamkeit des absoluten Fixgeschäftes geschlossen werden (Bl. 448 GA).
81Schließlich rügt die Beklagte mit Schriftsatz vom 18.02.2025, der Vertrag sei wegen Verstoßes gegen die § 1 Abs. 3 VO PR Nr. 30/53 a.F. (sog. Preisverordnung) in Verbindung mit § 134 BGB teilweise nichtig (Bl. 723 ff. GA). Gemäß der „Preistreppe“ der Preisverordnung sei vorliegend der Selbstkostenpreis maßgeblich, da sich ein verkehrsüblicher Marktpreis nicht feststellen lässt. Der anwendbare Selbstkostenpreis des Klägers lag weit unterhalb der 4,50 € netto pro Maske (Bl. 730 GA).
82Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und das Sitzungsprotokoll vom 26.02.2025 Bezug genommen (Bl. 842 ff. GA).
83II.
84Die zulässige Berufung des Klägers ist hinsichtlich des Hauptantrages [1.] einschließlich der Nebenforderungen [2.] begründet; der Hilfsantrag kommt nicht zum Tragen. Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet [3.].
851.
86Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Kaufpreiszahlung in Höhe von 173.503,00 € aus § 433 Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem zwischen den Parteien abgeschlossenen, wirksamen [a)] Open-House-Vertrag zu. Der von der Beklagten unter dem 04.06.2020 erklärte Rücktritt ist nicht wirksam erfolgt, da die Beklagte dem Kläger keine vorherige Frist zur Nacherfüllung gemäß § 323 Abs. 1 BGB gesetzt hat [b)].
87Der Kläger muss sich vorliegend auch nicht auf eine Vorleistungspflicht verweisen lassen [c)]. Die Einrede des nicht erfüllten Vertrages gemäß § 320 BGB kann die Beklagte ebenfalls nicht mit Erfolg geltend machen [d)].
88Auf die Frage der Mangelhaftigkeit der Masken kommt es demnach im konkreten Fall nicht an.
89a) Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag ist nicht gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 3 VO PR Nr. 30/53 in der bis zum 31. März 2022 geltenden Fassung (im Folgenden „VO PR Nr. 30/53 a.F.“) teilweise nichtig. Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 18.02.2025 vorbringt, die geltend gemachte Klageforderung sei wegen eines Verstoßes gegen das gesetzliche Verbot nach § 134 BGB i.V.m. § 1 Abs. 3 VO PR Nr. 30/53 unschlüssig, da der im Open-House-Vertrag vereinbarte Kaufpreis von 4,50 € pro Schutzmaske den zulässigen Höchstpreis übersteige und damit gegen § 1 Abs. 3 VO PR Nr. 30/53 verstoße, vermag sie damit nicht durchzudringen.
90aa) Der erstmals mit Schriftsatz vom 18.02.2025 erfolgte Tatsachenvortrag der Beklagten zu einer behaupteten Überschreitung des Höchstpreises ist bereits unbeachtlich. Es handelt sich um neuen und als solchen verspäteten Vortrag gemäß § 531 Abs. 2 ZPO. Neu im Sinne von § 531 Abs. 2 ZPO sind Angriffs- und Verteidigungsmittel, wenn sie nicht schon in erster Instanz vorgebracht worden sind (Heßler in: Zöller, 35. Auflage 2024, § 531 Rn. 21). Erstmals im Berufungsverfahren trägt die Beklagte vor, dass der vertraglich von der Beklagten selbst im Rahmen des Open-House-Verfahrens angebotene und zwischen den Parteien vereinbarte Preis den zulässigen Höchstpreis nach der VO PR Nr. 30/53 a.F. überschreitet.
91(1) Dieser neue Tatsachenvortrag ist nicht gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen. Dies wäre dann der Fall, wenn der neue Tatsachenvortrag einen Gesichtspunkt beträfe, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden wäre. Dies ist, dem Vorgesagten entsprechend, nicht der Fall. In erster Instanz fehlte es an jeglichem Vortrag der Beklagten zu diesem Aspekt der (behaupteten) teilweisen Nichtigkeit des Vertrages. Vielmehr ist sie selbst von der Angemessenheit des Stückpreises von 4,50 € ausgegangen. Das Erstgericht war dementsprechend auch nicht gemäß § 139 ZPO zu einem Hinweis verpflichtet mit der Folge, dass der neue Vortrag auch nicht gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen ist.
92(2) Der von der Beklagten neu vorgebrachte Sachvortrag ist von dem Kläger auch substantiiert bestritten worden. Mit Schriftsatz vom 24.02.2025 trägt er qualifiziert dazu vor, dass er im Jahre 2020 ca. 70.000 FFP- bzw. KN95-Masken verkauft habe und die Netto-Preise im April 2020 bei 3,95 bis 4,25 € pro Maske gelegen hätten (Bl. 828 GA).
93bb) Darüber hinaus ergibt sich aus dem Beklagtenvortrag kein Verstoß gegen § 1 Abs. 3 der VO PR Nr. 30/53 a.F., bei dem es sich um ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB handelt. Die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen des Verstoßes gegen ein Verbotsgesetz trägt grundsätzlich derjenige, der sich auf die Nichtigkeit des streitgegenständlichen Rechtsgeschäfts beruft. Nach der Rechtsprechung trägt dementsprechend die Darlegungslast für einen Verstoß gegen das Preisrecht nach allgemeinen Grundsätzen derjenige, der aus diesem Verstoß günstige Rechtsfolgen ableitet (OLG Köln, Urteil vom 6. Februar 2025 – 8 U 38/23, juris Rn. 185 mwN).
94(1) Soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass der Selbstkostenpreis maßgeblich gewesen sei, gehört hierzu aufgrund der Systematik der Verordnung, insbesondere von § 1 Abs. 1, §§ 4, 5 der Verordnung a.F. („Preistreppe“) auch die Darlegung zu § 5 Abs. 1 a.F., dass in der konkret vorliegenden Konstellation kein vorrangiger Preistyp maßgeblich war, also auch, dass es zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses tatsächlich keinen feststellbaren Marktpreis im Sinne von § 4 Abs. 1 bis 3 gab. Dies hat die Beklagte nicht hinreichend substantiiert dargetan. Sie behauptet, ein verkehrsüblicher Preis sei auf dem allgemeinen Markt nicht feststellbar, sondern es sei von einem temporären Marktversagen auszugehen. Hierzu verweist sie auf einen Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses „Maske“ des bayrischen Landtages, in dem es im Wesentlichen heißt, dass die Preise angesichts des bedrohlich niedrigen Vorratsstandes ins Unermessliche gestiegen seien (Bl. 731 GA) und gibt an, dass die ihr angebotenen Preise zwischen 2,85 € und 3,95 € pro Maske (inklusive) Lieferkosten gelegen hätten (Bl. 732 GA). Dass es indes – auch mit Rücksicht auf die Mangellage – keine wettbewerbliche Preisbildung gegeben habe, lässt sich dem nicht entnehmen. Die Beklagte trägt dabei schon nicht vor, welche Beschaffungsversuche sie außerhalb des Open-House Verfahrens konkret unternommen hätte und wie sich die erzielten bzw. erzielbaren Preise dabei dargestellt hätten. Vielmehr wird auch aus ihrem Vortrag deutlich, dass zum damaligen Zeitpunkt durchaus entsprechende Ware am Markt erworben werden konnte und diese auch einen – aufgrund erheblich gestiegener Nachfrage naturgemäß erheblich höheren – Marktpreis gehabt hatte. Auch der Verlauf des Open-House-Verfahrens spricht dafür, dass es einen verkehrsüblichen Preis gab. Die Auslobung eines Preises von 4,50 € je FFP2-Maske hatte bis zum Ablauf der Angebotsfrist nicht nur die Abgabe von einer Vielzahl von Angeboten interessierter Verkäufer zur Folge. Sie führte wenige Wochen später, ab Ende April, auch zu einer von der Beklagten vorher so nicht im Ansatz erwarteten Anlieferungsspitze entsprechender Schutzausrüstung bei den eingeschalteten Logistikdienstleistern. Auch der Kläger gibt an, dass er im Jahr 2020 ca. 70.000 FFP- bzw. KN95-Masken verkauft habe und die Preise im April 2020 bei 3,95 bis 4,24 € netto je Maske gelegen hätten; der Markt habe sich den veränderten Bedingungen angepasst und funktioniert (Bl. 829 GA). Die Beklagte selbst ging im hiesigen Verfahren sowie in dem Verfahren OLG Köln, Urteil vom 6. Februar 2025 – 8 U 38/23 (juris Rn. 194) bis zu ihrem neuen Tatsachenvortrag davon aus, dass es sich bei dem Preis von 4,50 € je Maske um den marktüblichen und angemessenen Preis gehandelt habe.
95(2) Auch eine sekundäre Darlegungslast des Klägers besteht nicht. Das Open-House-Verfahren veranlasste eine Vielzahl von Lieferanten zu einem Vertragsschluss mit der Beklagten und verursachte eine Anlieferungsspitze ab Ende April 2020. Naturgemäß können diese Anbieter, die sich gerade aufgrund des ausgelobten Preises der Beklagten auf das Vertragsverhältnis mit ihr einlassen, nicht darlegen, zu welchem Preis sie die beschafften Masken stattdessen weltweit hätten veräußern können. Hierzu hätte keine Veranlassung bestanden und hätten die Lieferanten in den meisten Fällen auch keine Möglichkeit gehabt, da sie ja gerade vertraglich an die Beklagte gebunden waren.
96cc) Schließlich wäre es der Beklagten auch nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf die behauptete Teilnichtigkeit nach § 134 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 3 VO PR Nr. 30/35 a.F zu berufen. Es liegt ein Ausnahmefall dahingehend vor, dass sich das Berufen auf die Nichtigkeit des Vertrages als unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB) darstellt. Der Beklagten ist die Berufung auf die Nichtigkeit des mit dem Kläger geschlossenen Open-House-Vertrages indes nicht bereits deswegen verwehrt, weil sie den Inhalt des Vertrages vorgegeben und damit für den (behaupteten) Verstoß gegen § 1 Abs. 3 der VO PR Nr. 30/53 a.F. verantwortlich zeichnet. Denn nicht jedes rechts- oder pflichtwidrige Verhalten hat ohne weiteres zur Folge, dass die Ausübung der hierdurch erlangten Rechtsstellung unzulässig wird. Treuwidriges Verhalten eines Vertragspartners kann zwar dazu führen, dass ihm die Ausübung eines Rechts zu versagen ist, wenn er sich dieses Recht gerade durch das treuwidrige Verhalten verschafft hat, was der Beklagten vorliegend jedoch nicht vorgeworfen werden kann. Lässt sich, wie hier, ein zielgerichtetes treuwidriges Verhalten des Rechtsausübenden nicht feststellen, muss durch eine umfassende Abwägung der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls entschieden werden, ob und inwieweit ihm die Durchsetzung seiner Rechtsposition nach Treu und Glauben verwehrt sein soll (zum Ganzen BGH, Urteil vom 20. Juli 2012 – V ZR 217/11, juris Rn. 17 mwN). Im konkreten Fall ist der Beklagten ausnahmsweise die Berufung auf § 134 BGB bei Abwägung aller Umstände zu versagen.
97Zunächst hat die Beklagte im Rahmen des von ihr gewählten Open-House-Verfahrens den Inhalt des abzuschließenden Vertrages nebst Leistungsbeschreibung und insbesondere den Stückpreis von 4,50 € für FFP2-Masken einseitig festgesetzt. Es war den Lieferanten nur möglich, die Stückzahl zu bestimmen; auf den hier maßgeblichen Stückpreis hatten sie keinerlei Einfluss. Damit wäre ein etwaiger Verstoß gegen die VO PR Nr. 30/53 a.F. ausschließlich auf ein Fehlverhalten der Beklagten zurückzuführen, während den Verkäufern als einzige Möglichkeit, keinen Verstoß zu begehen, nur der komplette Verzicht auf ein Angebot geblieben wäre. Zudem hatten die Verkäufer aus damaliger Sicht keine Veranlassung, den Kaufpreis aktiv auf Verkehrsüblichkeit zu überprüfen. Sie hatten angesichts des großen Bedarfs an Schutzausrüstung von Beginn an die Gewissheit, dass sie auf ein Angebot auch den Zuschlag erhalten würden. Sie mussten sich daher – anders als bei anderen, üblichen Vergabeverfahren – nicht mit den anderen Vergabeteilnehmern messen und zu keinem Zeitpunkt befürchten, keinen Zuschlag zu bekommen, weil sie keinen konkurrenzfähigen Preis geboten hätten. Im Vorfeld der Angebotsabgabe war aus kaufmännischer Sicht daher nur rechnerisch zu prüfen, ob der gebotene Kaufpreis unter Berücksichtigung unter anderem des Einkaufspreises, der Fracht- und Logistikkosten sowie der erzielbaren Gewinnmarge als lukrativ anzusehen war oder nicht. Hinzu kommt, dass die Beklagte gerade aus zeitlichen Gründen kein normales Vergabeverfahren gewählt hat. Durch die einseitige Auslobung eines offensichtlich durchaus lukrativen Kaufpreises hat sich die Beklagte den Vorteil verschafft, dass die Lieferanten einen Anreiz hatten, große Mengen Masken und andere Schutzausrüstung innerhalb weniger Wochen vor allem in China zu beschaffen und gerade nach Deutschland zu liefern. Durch das schematische Abstellen auf das Verbot des § 1 Abs. 3 VO PR Nr. 30/53 bliebe dieser Umstand nicht nur gänzlich unberücksichtigt, sondern würde dazu führen, dass die gezogenen Vorteile bei der Beklagten und zumindest die wirtschaftlichen Nachteile ausschließlich und ohne Ausgleich bei den Lieferanten verblieben. Für die Richtigkeit dieses Ergebnisses votiert schließlich auch, dass auch die Bundesregierung im Januar 2025 auf eine schriftliche Anfrage äußerte, dass der gerichtliche Vortrag des Bundesministeriums für Gesundheit vom Dezember 2024 zum Preisrecht ausschließlich zivilprozessuale Gründe habe. Die Verordnung PR Nr. 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen werde, wie andere Fragestellungen auch, im Rahmen der möglichen Prozessstrategien thematisiert (BT- Drucksache 20/14639, S. 61).
98b) Die Beklagte ist nicht wirksam vom Vertrag zurückgetreten. Die Rücktrittsvoraussetzungen nach §§ 433, 434, 437 Nr. 2, 346 Abs. 1, 323 Abs. 1, 326 Abs. 5 BGB liegen nicht vor. Es fehlt unstreitig an einer ordnungsgemäßen Fristsetzung zur Nacherfüllung gemäß § 323 Abs. 1 BGB. Die Fristsetzung war nach §§ 323 Abs. 2, 440 BGB auch nicht entbehrlich. ´
99aa) Zunächst war die Frist – wie das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend annimmt – nicht ausnahmsweise nach § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB entbehrlich. § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB erklärt die Fristsetzung für entbehrlich, wenn der Schuldner erstens die Leistung zu einem im Vertrag bestimmten Termin oder innerhalb einer bestimmten Frist nicht bewirkt und zweitens der Gläubiger im Vertrag den Fortbestand seines Leistungsinteresses an die Rechtzeitigkeit der Leistung gebunden hat (relative Fixschuld).
100Die insoweit ausschließlich in den von der Beklagten vorformulierten und damit der AGB-Kontrolle unterfallenden Vertragsbedingungen enthaltene Vereinbarung eines „absoluten Fixgeschäftes“ (1) ist unwirksam (2). Auch eine darüberhinausgehend individualvertragliche Vereinbarung eines relativen Fixgeschäftes (3) oder eine einseitige Mitteilung der Wesentlichkeit durch die Beklagte (4) liegen nicht vor.
101(1) Die von den Parteien in § 3.2. des Open-House-Vertrages getroffene Vereinbarung sieht ein „absolutes Fixgeschäft“ vor.
102(a) Mit der unter Ziffer 3.2. in den Sätzen 3 und 4 des Open-House-Vertrages enthaltenen Regelung: „Spätester Liefertermin ist der 30.04.2020 innerhalb der Geschäftszeiten gemäß S. 1. Bei Nichteinhaltung des spätesten Liefertermins entfallen die gegenseitigen Pflichten der Vertragspartner; eine verspätete Lieferung stellt keine Erfüllung des Vertrages durch den AN dar (absolutes Fixgeschäft).“, wurde die Vereinbarung eines „absoluten Fixgeschäftes“ getroffen. Ein gesetzlich nicht definiertes absolutes Fixgeschäft wird angenommen, wenn die Einhaltung der Leistungszeit nach dem Vertragszweck und der gegebenen Interessenlage für den Gläubiger derart wesentlich ist, dass – wie auch in § 3.2. Satz 4 des Open-House-Vertrages zutreffend beschrieben – eine verspätete Leistung keine Erfüllung mehr darstellt (Grüneberg in: Grüneberg, BGB, 84. Auflage, 2025, § 323 Rn. 19). Die Nichteinhaltung der Leistungszeit begründet demgemäß dauernde Unmöglichkeit. Der Wortlaut der Regelung ist insoweit eindeutig, da nicht nur das Fixgeschäft ausdrücklich als ein „absolutes Fixgeschäft“ benannt, sondern darüber hinaus auch die Rechtsfolgen zutreffend ausgeführt werden. Angesichts des klaren Wortlautes ist diese Regelung aber von vornherein aus sich heraus und auch im Kontext mit den anderen in den Vertragsbedingungen des Open-House-Vertrages schriftlich fixierten Regelungen keiner Auslegung dahingehend zugänglich, dass hiervon abweichend ein relatives Fixgeschäft vereinbart werden sollte, hierzu unter aa) (2) (OLG Köln, Urteil vom 21. Juni 2024 – I-6 U 112/23, juris Rn. 64).
103(b) Entgegen der Auffassung des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung, hält § 3 Ziffer 3.2 des Vertrages, der nicht nur die Setzung einer Nachfrist entbehrlich werden lässt, sondern zudem auch den Anspruch auf die Gegenleistung, wie die Formulierung in § 3 Ziffer 3.2. S. 3 „bei Nichteinhaltung des spätesten Liefertermins entfallen die gegenseitigen Pflichten der Vertragspartner“ zeigt, der Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB nicht stand.
104(aa) Die Bedingungen des Open-House-Vertrages sind unstreitig Vertragsgegenstand geworden. Es handelt sich dabei um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB, da die Klausel für eine Vielzahl von Fällen vorformuliert in den ausgeschriebenen Vertragsbedingungen der Beklagten enthalten war (OLG Köln, Urteil vom 9. Januar 2025 – 8 U 46/23, juris Rn.89).
105(bb) Entgegen der Auffassung der Beklagten (Bl. 449 f. GA) unterliegt § 3 Ziffer 3.2 des Open-House-Vertrages der Inhaltskontrolle. Der Versuch der Beklagten, die Kontrollfähigkeit der Klausel mit der Erwägung in Frage zu stellen, sie weiche im Sinne von § 307 Abs. 3 BGB nicht von Rechtsvorschriften ab, weil § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB das relative Fixgeschäft gerade regele (Bl. 238 f. GA, 449 f. GA) beruht auf einem Zirkelschluss, weil § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGG das relative Fixgeschäft nennt, aber nicht sein Vorliegen in jeglichen Verträgen herbeiführt, wie die Beklagte in anderem Zusammenhang zutreffend selbst annimmt (OLG Köln, Urteil vom 21. Juni 2024 – I-6 U 112/23, juris Rn. 65). Dort formuliert die Beklagte, dass eine vertragliche Verpflichtung zu einem relativen Fixgeschäft werde, wenn dem Schuldner die Wesentlichkeit der termingerechten Leistung vor Vertragsschluss durch den Gläubiger mitgeteilt werde und dieser in Kenntnis der Wesentlichkeit der termins- oder fristgerechten Leistungserbringung den Vertrag schließe (§ 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB) (Bl. 461 GA).
106(cc) Die Regelung ist – jedenfalls im Kontext mit den übrigen vertraglichen Klauseln – wegen Intransparenz im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam. Nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners, die gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB die Unwirksamkeit der betreffenden Bestimmung zur Folge hat, auch daraus ergeben, dass diese nicht klar und verständlich ist. Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen, Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Der Verwender muss folglich einerseits die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für ihn keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Der Vertragspartner soll andererseits ohne fremde Hilfe möglichst klar und einfach seine Rechte feststellen können, damit er nicht von deren Durchsetzung abgehalten wird. Dabei ist auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders im Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen (zum Ganzen BGH, Urteil vom 16. Januar 2020 – IX ZR 351/18, juris Rn. 24; so auch BGH, Urteil vom 19. Mai 2016 – III ZR 274/15, juris Rn. 26). Das Transparenzgebot gilt auch für das Hauptleistungsversprechen, das Preis- / Leistungsversprechen sowie im unternehmerischen Verkehr (Grüneberg in: Grüneberg, BGB, 84. Auflage, 2025, § 307 Rn. 20 mwN).
107Dem formularmäßigen Open-House-Vetrag ist nicht klar zu entnehmen, in welchem Verhältnis die in § 3 Ziffer 3.2 nach dem Wortlaut getroffene Vereinbarung eines absoluten Fixgeschäftes mit der in § 6 Ziffer 6.1. des Open-House Vertrages getroffenen Regelung, dass für Sach- und Rechtsmängelansprüche die gesetzlichen Vorschriften gelten, stehen sollen. Namentlich ist die auch hier streitgegenständliche Frage, ob bei einer fristgerechten, aber – unterstellten – mangelhaften Lieferung der Vertrag das Recht zur Nacherfüllung ausschließt, nicht eindeutig geregelt. Dies folgt bereits daraus, dass nicht nur die Parteien, sondern auch die Beklagte selbst und verschiedene mit der Klausel befasste Spruchkörper die „Fixklausel“ jedenfalls im Kontext mit den weiteren Regelungen jeweils unterschiedlich auslegen und ihre Auslegung teilweise sogar im Laufe der Zeit geändert haben.
108Dass die Parteien ein unterschiedliches Verständnis des Vertragsinhalts haben, zeigt sich bereits daran, dass die Lieferanten, auch der Kläger, jeweils davon ausgingen, sowohl im Falle der Nichtleistung als auch im Falle der Schlechtleistung zur Nachlieferung berechtigt zu sein.
109Die Beklagte selbst vertrat zum Vertragsinhalt gegenüber dem Kläger zwei divergierende Auffassungen. In der streitgegenständlichen Klausel des Open-House-Vertrags schreibt die Beklagte wörtlich „absolutes Fixgeschäft“. Auch unter Ziffer II.2.4) der Leistungsbeschreibung ist formuliert, dass das Vertragssystem mit Ablauf des 30.04.2020 endet. Flankiert wird dies durch die in Ziff. 2 „FAQ Open-House-Verfahren“ enthaltene Antwort auf die Frage, ob Lieferungen nach dem 30.04.2020 akzeptiert würden. Darin heißt es wiederum, dass der 30.04.2020 der späteste Liefertermin sei, es handele sich um ein absolutes Fixgeschäft (Bl. 560 GA). Im hiesigen Klageverfahren war die Beklagte hingegen zunächst die Auffassung, es sei mit § 3 Ziffer 3.2 des Vertrages ein relatives Fixgeschäft vereinbart worden (Bl. 124 LG-Akte).
110Auch seitens der bisher befassten Gerichte stehen sich unterschiedliche Auffassungen gegenüber. Einerseits wird ein absolutes Fixgeschäft angenommen, wobei die 20. Zivilkammer des Landgerichts Bonn in ihrem Urteil vom 12. Juli 2023 von dessen Wirksamkeit (20 O 49/22, juris Rn. 75), der 6., 8. und 21. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln hingegen von dessen Unwirksamkeit ausgehen. Demgegenüber vertritt die 1. Zivilkammer des Landgerichts Bonn in der angefochtenen Entscheidung eine differenzierende Auffassung, wonach sie für die Nichtlieferung ein absolutes Fixgeschäft und für die Schlechtlieferung ein relatives Fixgeschäft annimmt und begründet dies im Einzelnen anhand der vertraglichen Regelungen Die Unterschiede in der Auslegung der Klausel durch die einzelnen Spruchkörper, die inzwischen seit mehreren Jahren in zahlreichen sog. Maskenfällen mit der Frage befasst waren und sind, konnten in Bezug auf das Recht zur Nacherfüllung nicht beigelegt werden.
111(dd) Dies bedeutet auch, dass § 3 Ziffer 3.2 des Open-House-Vertrages derart unklar ist, dass Zweifel bei der Auslegung nach § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten der Beklagten gehen. Unklar gemäß § 305c Abs. 2 BGB sind Klauseln, bei denen nach Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel verbleibt und mindestens zwei unterschiedliche Auslegungen vertretbar sind (BGH, Urteil vom 14. Juni 2017 – IV ZR 161/16, juris Rn. 12). An der grundsätzlichen Vertretbarkeit der seitens der Kollegialgerichte gefundenen Auslegungen der streitigen Ziffer des Open-House-Vertrages bestehen keine Zweifel. Dass die Vertragspartner der Beklagten anhand der verwendetenen Klausel nicht klar und einfach ihre Rechte feststellen können, damit sie nicht von deren Durchsetzung abgehalten werden, wie es die eingangs zitierte Rechtsprechung (vgl. nur BGH, Urteil vom 16. Januar 2020 – IX ZR 351/18, juris Rn. 24) fordert, liegt auf der Hand. Der Beklagten als Verwenderin wäre es auch ohne weiteres möglich gewesen, das Spannungsverhältnis zwischen den Klauseln § 3 Ziffer 3.2 und § 6 Ziffer 6.1. des Open-House Vertrages aufzulösen und eine klare Regelung zum Recht zur Nacherfüllung in den Vertrag aufzunehmen. Dem ist sie nicht nachgekommen, so dass die bestehenden Zweifel zu ihren Lasten gehen.
112(ee) Die nach dem Wortlaut der Klausel § 3 Ziffer 3.2 getroffene formularmäßige Vereinbarung eines absoluten Fixgeschäftes ist des Weiteren gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Insofern hat der BGH bereits im Aluminiumkapsel-Fall entschieden, dass eine Formularbestimmung, die der Vereinbarung den Charakter des Fixhandelskaufs beimisst, ebenso überraschend im Sinne von § 3 AGB-Gesetz (jetzt § 305 c BGB) wie unangemessen im Sinne von § 9 AGB-Gesetz (jetzt § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB) ist, wenn nicht die Voraussetzungen eines Fixgeschäftes auf der Grundlage der individualvertraglichen Abrede vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Januar 1991 – VIII ZR 292/88), da sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. Januar 1990 – VIII ZR 292/88 , BGHZ 110, 88-98, juris Rn. 23 und OLG Köln Beschluss vom 24.5.2022 – 15 U 116/21, juris Rn.- 10 und 14). Diese Auffassung wird auch nach der Schuldrechtsreform jedenfalls im Grundsatz weiterhin vertreten (vgl. OLG Köln Beschluss vom 24.5.2022 – 15 U 116/21, juris Rn. 15; OLG Hamburg, Urteil vom 23. Januar 2013 – 13 U 198/10, juris Rn. 70 f.; LG Bamberg, Urteil vom 11. Februar 2020 – 13 O 117/19, juris Rn. 104 ff.; LG Bonn, Urteil vom 19. Januar 2022 – 20 O 191/20, juris Rn. 80; nur bezüglich der unangemessenen Benachteiligung a.Z. OLG Bamberg, Urteil vom 5. März 2021 – 3 U 68/20, juris Rn. 97) und Schrifttum (vgl. Fornasier in: MüKo-BGB, 9. Auflage, 2022, § 305c Rn. 15; Wurmnest in: MüKo-BGB 9. Auflage, 2022, § 309 Nr. 4 Rn. 15; Weiler in: BeckOGK/Weiler, § 309 Nr. 4 BGB Rn. 72 [Stand: 01.12.2024]; Grunewald in: MüKo-HGB, 6. Auflage, 2025, § 376 Rn. 14; Achilles in: EBJS, HGB, 4. Auflage, 2020. § 376 Rn. 14; nur bezüglich der unangemessenen Benachteiligung a.Z. Schwartze in: BeckOK-HGB, § 376 Rn. 5 [Stand:01.01.2025]).
113Die völlige Freistellung der Beklagten als Klauselverwenderin von dem Erfordernis der Fristsetzung ist jedenfalls wegen einer für die Lieferanten gegebenen unangemessenen Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht wirksam. Auf die Platzierung der Fixklausel im Vertragstext und ihre Erkennbarkeit kommt es insofern nicht entscheidend an. Dem berechtigten Interesse der Beklagten, kurzfristig einwandfreie, sofort verwendbare Schutzmasken zu beschaffen, konnte auch ohne eine solche Klausel und mit kurzer Nachfristsetzung Rechnung getragen werden (vgl. zur Unwirksamkeit auch der formularmäßigen Vereinbarung relativer Fixgeschäfte Wurmnest in: MüKoBGB, 9. Auflage, 2022, BGB § 309 Nr. 4 Rn. 15, explizit zu Verträgen mit Unternehmern).
114Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang darauf hinweist, dass eine zweite Andienung nach Ablauf des Liefertermins zu unmöglich handhabbaren logistischen Herausforderungen geführt hätte (Bl. 223 GA) der durch die Fixklausel entgegengewirkt werden sollte, und das Vorhalten von Prüfmöglichkeiten für einen unbestimmten Zeitraum nicht zumutbar gewesen sei (Bl. 229 GA), ist ihr entgegenzuhalten, dass die Alternative hierzu, die Neubeschaffung im Rahmen eines anderen – förmlichen – Vergabeverfahrens oder eines neuen Open House-Verfahrens, mit jeweils deutlich weitergehenden Verzögerungen verbunden gewesen wäre. Deshalb überzeugt es auch nicht, nunmehr anstehende Beweisaufnahmen als Beleg dafür heranzuziehen, dass im damaligen Zeitpunkt die Heranziehung eines neuen Lieferanten schneller gewesen wäre als Prüfinstitute mit der Durchführung von Wareneingangsprüfungen zu beauftragen (Bl. 229 GA) (vergleichbar OLG Köln, Urteil vom 21. Juni 2024 – I-6 U 112/23, juris Rn. 66).
115Demgegenüber kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass sie ihrerseits ein Interesse an der zügigen Vertragsabwicklung gehabt habe und auch aus logistischen Gründen nicht in der Lage gewesen sein will, Nachlieferungen abzuwickeln – insbesondere mit Blick auf Lagerkapazitäten und Nachtestungen (Bl. 464 GA). Die sich für sie aus dem von ihr selbst initiierten Open-House-Verfahren letztlich ergebenen logistischen Schwierigkeiten konnten den Lieferanten bei Vertragsabschluss nicht bekannt sein bzw. waren für sie nicht vorherzusehen und liegen ausschließlich in der Verantwortungssphäre der Beklagten.
116Sofern der BGH in der Entscheidung vom 17.01.1990 offengelassen hat, ob die vorgenommene Wertung nach den §§ 3, 9 AGB-Gesetz (heute § 305 c, 307 BGB) eine andere ist, wenn dort, wo Fixgeschäfte branchenüblicherweise vorkommen, der formularmäßige Zusatz „fix“ in unmittelbarem textlichen Zusammenhang mit der Regelung der Leistungsfrist verwendet wird, kann dies auch für die hiesige Entscheidung dahin gestellt bleiben. Denn dafür, dass der Charakter als Fixgeschäft im „typischen Vertragszweck“ solcher Vereinbarungen, wie sie hier getroffen worden sind, liegt, gibt es keinen Anhaltspunkt, dies wird auch letztlich von der Beklagten nicht behauptet.
117Sofern die Beklagte in Abgrenzung zu vorgenannter Rechtsprechung auf die besonderen erkennbaren Begleitumstände abstellt, welche die Vertragsgestaltung zulässig machen (Bl. 457 GA), kann dies vorliegend ebenfalls dahin gestellt bleiben, da derartige Gründe – wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt – hier bereits nicht ersichtlich sind und insbesondere nicht alleine mit Blick auf die Corona-Pandemie begründet werden können. Die bloße Dringlichkeit der Maskenbeschaffung alleine rechtfertigt nicht, dem Verkäufer von Waren sein Nachbesserungsrecht gänzlich zu verwehren, zumal dem Käufer auch ohne Fixabrede genügend Druckmittel zur Verfügung gestanden hätten, um über die gesetzlichen Verzugsvorschriften mit entsprechend kurzen Fristsetzungen auf eine schnelle Lieferung hinzuwirken (so zutreffend LG Bonn, Urteil vom 19. Januar 2022 – 20 O 191/22, juris Rn. 81). Nichts anders folgt demnach daraus, dass teilweise im Schrifttum angenommen wird, dass Klauseln die ein Fixgeschäft begründen, jedenfalls dann wirksam sind, wenn ein Fixgeschäft zumindest im Vertragszweck begründet liegt (so Wurmnest in: MüKo-BGB, 9. Auflage, 2022, § 309 Nr. 4 Rn. 15), wenn die Leistungspflicht einen hinreichenden Fixcharakter aufweist (so Achilles in: EBJS, HGB, 4. Auflage 2020, § 376 Rn. 14), wenn der Fixcharakter für einen Vertrag typisch ist (so Weiler in: BeckOGK, § 309 Nr. 4 BGB Rn. 72 [Stand: 1.12.2024]), wenn der Vertrag bereits aus anderen Gründen einem Fixgeschäft ähnlich ist (so Schwartze in: BeckOK-HGB, § 376 Rn. 5 [Stand:01.01.2025]) oder wenn gewichtige, für den Belasteten bei den Vertragsverhandlungen erkennbare Gründe für eine solche Vertragsgestaltung sprechen (so Grunewald in: MüKo-HGB, 6. Auflage 2025, § 376 Rn. 14), da diese Voraussetzungen im Streitfall – wie ausgeführt – nicht erfüllt sind.
118Die unangemessene Benachteiligung wird auch durch den angeblich vergleichsweise hohen „attraktiven“ Kaufpreis nicht aufgewogen (ua. Bl. 223 GA). Soweit die Beklagte sich ferner darauf beruft, § 5 des Kaufvertrags ordne eine schnelle Bezahlung der Verkäufer an, übersieht sie, dass § 5.1 eine Vorleistungspflicht für den Verkäufer vorsieht und der Kaufpreis abweichend vom gesetzlichen Leitbild nicht einmal Zug um Zug gegen Erhalt der Ware gezahlt werden muss (vgl. LG Bonn, Urteil vom 19. Januar 2022 – 20 O 191/20, juris Rn. 81; OLG Köln Beschluss vom 24.5.2022 – 15 U 116/21, juris Rn. 18).
119Auch eine von der Beklagten bemühte ergänzende Vertragsauslegung, § 306 Abs. 2 BGB, die zu dem Ergebnis führen soll, dass die Parteien bei Kenntnis des Wegfalls der unwirksamen Klausel eine Regelung im Vertrag getroffen hätten, die die Einhaltung der Frist zum 30. April 2020 als wesentlich eingestuft, ihre Nicht-Einhaltung aber zu keiner Unmöglichkeit geführt hätte und sich die Parteien mithin auf die Vereinbarung eines relativen Fixgeschäftes geeinigt hätten, überzeugt nicht, sondern führt letztlich zu einer unzulässigen geltungserhaltenden Reduktion der unwirksamen Regelung. Der Kläger wird insbesondere auch nicht unbillig darauf zurückgeworfen werden, dass weder ein konkreter Liefertermin noch eine Wesentlichkeit dieses Termins vereinbart war. Denn ein fester Liefertermin blieb bestehen, die Klägerin muss nur mit den Folgen der Verwendung einer evident unzulässigen AGB-Klausel leben, die dazu führt, dass sie nicht ohne Fristsetzung infolge behaupteter Mängel zurücktreten konnte. Es liegt auch gerade nicht der Fall vor, dass nur § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB die entstandene Lücke füllen könnte; hierbei handelt es sich vielmehr um einen vom Ergebnis her gedachten erkennbaren Zirkelschluss (OLG Köln, Urteil vom 9. Januar 2025 – 8 U 46/23, juris Rn. 84). Überdies kommt § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB, worauf die Beklagte wiederholt verweist (Bl. 466 ff. GA), nicht zur Anwendung, da – wie dargestellt – die Abwägung der beiderseitigen Interessen gerade keinen sofortigen Rücktritt erfordert (OLG Köln, Urteil vom 21. Juni 2024 – I-6 U 112/23, juris 79).
120Soweit die Beklagte, wie erstinstanzlich vorgebracht, meint, der sog. "blue pencil-Test" führe dazu, dass jedenfalls der Liefertermin "spätestens 30.04.2020" bestehen bleibe und nicht von der Unwirksamkeit des nach seinem Wortlaut vereinbarten absoluten Fixgeschäfts erfasst werde (Bl. 1521 LG-Akte), überzeugt auch dies nicht. Denn die Streichung des Passus "Bei Nichteinhaltung des spätesten Liefertermins entfallen die gegenseitigen Pflichten der Vertragspartner; eine verspätete Lieferung stellt keine Erfüllung des Vertrages durch den AN dar (absolutes Fixgeschäft)." führte zwar dazu, dass nur der Liefertermin bestehen bliebe. Wie nachfolgend noch auszuführen ist, konnte ein solcher Liefertermin auch eine Bedeutung im Sinne von § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB (Leistung nach dem Kalender bestimmt) haben und kann nicht für die Begründung eines relativen Fixgeschäfts herangezogen werden (OLG Köln, Urteil vom 21. Juni 2024 – I-6 U 112/23, juris Rn. 68).
121(2) Dass die Parteien sich außerhalb dieser Formularabrede auf ein Fixgeschäft geeinigt hätten, wie es die Beklagte in der Berufungsbegründung formuliert (Bl. 234 ff. GA, Bl. 461 ff. BA), ist nicht ersichtlich. Eine außerhalb der Formularbedingungen getroffene Verständigung der Parteien auf ein relatives Fixgeschäft kann nicht festgestellt werden.
122Eine solche vertragliche Vereinbarung ist grundsätzlich denkbar. Ausreichend ist aber nicht eine genaue Bestimmung der Leistungszeit. Vielmehr liegt ein relatives Fixgeschäft liegt vor, wenn die Einhaltung der Leistungszeit für die Parteien derart wesentlich ist, dass mit der zeitgerechten Leistung das Geschäft „stehen und fallen“ soll (BGH, Urteil vom 18. April 1989 – X ZR 85/88, juris Rn. 29; Grüneberg in: Grüneberg, aaO, § 323 Rn. 20). Dies kann sich außer aus einer ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarung auch aus einer formlosen Mitteilung des Gläubigers vor Vertragsschluss oder aus den sonstigen Umständen ergeben, wie der Wortlaut der Vorschrift klarstellt. Erforderlich ist demnach die Einigkeit der Parteien darüber, dass der Vertrag mit der Einhaltung oder Nichteinhaltung der Lieferzeit stehen oder fallen solle. Ist dies im Vertrag nicht ausdrücklich ausgesprochen, muss durch Auslegung unter Berücksichtigung aller Umstände ermittelt werden, ob die Parteien der vereinbarten Lieferfrist eine so weitgehende Bedeutung beimessen wollten. Dabei wirkt sich jeder Zweifel gegen die Annahme eines Fixgeschäfts aus (OLG Köln, Urteil vom 21. Juni 2024 – I-6 U 112/23, juris Rn. 64).
123Sofern die Beklagte in diesem Zusammenhang einwendet (Bl. 234 ff. GA, Bl. 449 GA), dass insoweit zu Unrecht auf die bereits vom Reichsgericht entwickelte Formel („stehen und fallen“) zurückgegriffen werde und dieser strenge Maßstab nach heutiger Rechtslage nicht mehr haltbar sei, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Die ganz herrschende Auffassung – auch der Gesetzgeber – versteht die im Jahr 2014 vorgenommene Änderung des § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB, mit der dessen Wortlaut an die Verbraucherrechterichtlinie angepasst wurde, als bloße terminologische Anpassung ohne inhaltliche Änderung gegenüber dem vorherigen Rechtszustand (vgl. nur Beckmann in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Auflage, Stand: 01.02.2023, § 323 Rn. 56 m.w.N.; ebenso verweist Grüneberg, in: Grüneberg, a.a.O., § 323 Rn. 20 auf diese Rechtsprechung).
124Gegen eine Verständigung der Parteien auf ein in diesem Sinne zu verstehendes relatives Fixgeschäft spricht wiederum zunächst der entgegenstehende eindeutige Wortlaut des § 3.2. Satz 4 des Open-House-Vertrages, der auch der Annahme einer sog. falsa demnostratio non nocet entgegensteht. Diese von dem Landgericht zuvor vertretene Rechtauffassung hält die Kammer in der angefochtenen Entscheidung (und in der Entscheidung vom 20.12.2023 – 1 O 156/21) selbst nicht mehr aufrecht. Insoweit führt die Kammer in diesem Punkt zutreffend Folgendes aus: „Die Annahme einer irrtümlichen Falschbezeichnung und damit einer übereinstimmenden Parteivereinbarung eines relativen Fixgeschäfts begegnet insoweit Bedenken, als die Beklagte in § 3 Ziff. 3.2 des Vertrags a.E. nicht nur von einem absoluten Fixgeschäft spricht, sondern auch eine Art Legaldefinition des von ihr gewählten Begriffs aufstellt: „Bei Nichteinhaltung des spätesten Liefertermins entfallen die gegenseitigen Pflichten der Vertragspartner; eine verspätete Lieferung stellt keine Erfüllung des Vertrages durch den AN dar“. Dies stellt gerade die übliche Rechtsfolge eines (im Gesetz gar nicht ausdrücklich geregelten) absoluten Fixgeschäftes dar.“ (S. 10 UA, LG Bonn Urteil vom 20. Dezember 2023 – 1 O 156/21, juris Rn. 104). Und weiter: „Dass mit der Klausel tatsächlich (nur) die Voraussetzungen von § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB – mithin ein relatives Fixgeschäft – vereinbart werden sollten, ist dagegen mit dem Wortlaut nicht zu vereinbaren. Wie bereits dargestellt, passt schon die in Ziff. 3.2 des Vertrages festgelegte Rechtsfolge nicht. Insbesondere würden ihr die Vereinbarungen, dass „die gegenseitigen Pflichten der Vertragspartner“ entfallen sollen und dass „eine verspätete Lieferung […] keine Erfüllung des Vertrages durch den AN dar[stellt]“, entgegenstehen. Beim relativen Fixgeschäft kann zwar eine Rücktrittserklärung ohne Nachfristsetzung erklärt werden, dies muss aber nicht geschehen; die Vertragspflichten würden im letzten Fall unverändert fortbestehen und nicht – wie in der Klausel vorgesehen – automatisch entfallen. Gerade dieser in der Klausel unmissverständlich vorgesehene Automatismus bezüglich der Folgen ist dem relativen Fixgeschäft fremd (S. 11 UA sowie LG Bonn Urteil vom 20. Dezember 2023 – 1 O 156/21, juris Rn. 107).
125Die Annahme einer solchen von dem Vertragstext unabhängig getroffene Vereinbarung lässt sich auch nicht unter Heranziehung der im Übrigen zu berücksichtigenden Umstände in sonstiger Weise begründen. Insbesondere kann eine solche Verständigung nicht aus den von der Beklagten vorgebrachten Gesamtumständen gefolgert werden.
126Soweit anerkannt ist, dass die Verwendung von Begriffen wie „spätestens“ in Verbindung mit einer festen Lieferfrist auf ein relatives Fixgeschäft hindeuten kann (siehe nur Grüneberg in: ders, a.a.O., § 323 Rn. 20), was sich außer an der bereits zitierten Stelle im Vertrag etwa auch in der Auftragsbekanntmachung vom 27.03.2020 oder den Teilnehmerbedingungen findet, ist dies keine zwingende Schlussfolgerung, sondern kann es sich vielmehr auch um die bloße Mitteilung eines Liefertermins handeln, dessen Versäumung dann jedenfalls geeignet wäre, Verzug ohne das Erfordernis einer Mahnung herbeizuführen (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Da es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs insoweit nicht auf einseitige Motive des Gläubigers, sondern vielmehr auf den Empfängerhorizont bzw. – nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB – auf eine nach allen Seiten interessengerechte Auslegung ankommt (BGH, Urteil vom 18. April 1989 – X ZR 85/88, juris Rn. 30), ist insoweit richtigerweise zu fordern, dass die Wesentlichkeit auch für den Kläger erkennbar gewesen sein muss. An einer solchen objektiv erkennbaren Wesentlichkeit der Lieferfrist fehlt es aber im Streitfall.
127Die von der Beklagten insoweit hervorgehobenen Gesamtumstände, insbesondere die Notwendigkeit einer zügigen Beschaffung unter den Bedingungen einer sich entwickelnden Pandemielage mit einer erheblichen (Gesundheits-)Gefährdung für die Bevölkerung, können nicht entscheidend ins Feld geführt werden, um zu begründen, dass die Einhaltung des 30.04.2020 für die Beklagte derart wesentlich war, dass das Geschäft mit der Nichteinhaltung dieser Frist bzw. mit der Lieferung mangelhafter Masken zu diesem Zeitpunkt stehen oder fallen sollte. Wie der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln im Beschluss vom 24. Mai 2022 – 15 U 116/21, juris Rn. 10 zutreffend ausgeführt hat, bestand zwar ein für den Kläger erkennbares Interesse der Beklagten an einer raschen Vertragsabwicklung. Angesichts der für beide Seiten ebenfalls erkennbar noch fortdauernden und nicht kurzfristig zum Abschluss kommenden Pandemie war aber nicht davon auszugehen, dass eine – unter Umständen auch nur geringfügige – Teil- oder Schlechtlieferung für die Beklagte ein Entfallen ihres Interesses an der Lieferung zur Folge haben würde, wie letztlich auch die teilweise auf Veranlassung der Beklagten erfolgte zeitliche Verschiebung von Anlieferungen über den 30.04.2020 hinaus belegt. Dass die Beklagte wortreich belegen will, dass es sich hierbei um logistische zwingende Gründe gehandelt habe, kann nichts daran ändern, dass diese zeitliche Streckung der Anlieferungen – auch wenn sie nach Vertragsschluss erfolgte – indiziell gegen den Charakter als Fixgeschäft spricht.
128Soweit die Beklagte ausführt, dass die im Open-House-Verfahren zu liefernden Schutz- bzw. OP- Masken nicht unbegrenzt verkehrsfähig gewesen seien (Bl. 464 GA), kann diese (behauptete) begrenzte Verkehrsfähigkeit nicht für die Wesentlichkeit der Frist angeführt werden. Die maßgebliche Verordnung, die die Verkehrsfähigkeit regelte („Verordnung zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Produkten des medizinischen Bedarfs bei der durch das Coronavirus SARS-CoV-2 verursachten Epidemie“, kurz: MedBVSV) trat erst deutlich nach dem Liefertermin, nämlich am 27.05.2020, in Kraft (§ 10 S. 1 MedBVSV, Verkündung im BGBl. am 26.05.2020). Erst am 31.12.2023 trat die Verordnung dann außer Kraft (§ 10 S. 2 MedBVSV), wobei es für die hier vorzunehmende Auslegung aus „ex ante“-Sicht der Parteien nur auf die Unabsehbarkeit des fortdauernden Bedarfs ankommt. Auch die entsprechende Empfehlung 2020/403 der Europäischen Kommission vom 13.03.2020, mit der die Zulassung von persönlicher Schutzausrüstung ohne CE-Kennzeichnung angeregt wurde, wurde auf den durchaus ungewissen Zeitraum „für die Dauer der derzeitigen Gesundheitsbedrohung“ erstreckt. Bei dieser Sachlage konnte und musste der Kläger nicht annehmen, dass es der Beklagten derart auf die Einhaltung der Frist ankam, dass noch nicht einmal eine kurze Nachfrist von bspw. zwei Wochen (innerhalb derer jedenfalls nicht mit einem Außerkrafttreten der entsprechenden Regelungen bzw. dem Ende der Pandemie zu rechnen war) zumutbar erschien.
129Auch spricht es nicht für die Auslegung als relatives Fixgeschäft, dass die Beklagte ein für den Kläger erkennbares Interesse daran gehabt haben könnte, eine Deckelung des aufgrund des Open House-Verfahrens zu erwartenden Einkaufsvolumens durch die Vorgabe eines Liefertermins vorzunehmen, nach dessen Verstreichen sie sich von geschlossenen Verträgen ohne Fristsetzung lösen konnte. Denn diesem Anliegen hatte die Beklagte bereits durch die kurze Frist zur Angebotsabgabe (zwischen dem 27.03.2020 und dem 08.04.2020) bzw. die Verkürzung der ursprünglich bis 30.04.2020 laufenden Frist zur Abgabe von Angeboten auf den 08.04.2020 Rechnung getragen, sodass es aus Sicht der jeweiligen Bieter bzw. Teilnehmer an dem Verfahren nicht zwingend oder auch nur naheliegend erscheinen musste, dass der als „spätestens“ bezeichnete Liefertermin eine (weitere) Begrenzung der zu erwartenden Angebote in Form einer unmittelbaren Vertragslösungsmöglichkeit für die Beklagte darstellte (OLG Köln, Urteil vom 21. Juni 2024 – I-6 U 112/23, juris Rn. 77).
130Unerheblich ist es auch, dass nach dem Vortrag der Beklagten bereits bei Vertragsschluss absehbar war, dass die Preise für Atemschutzmasken wieder deutlich sinken würden, sofern die entsprechenden Industriesektoren auf die Nachfrage reagiert hätten (Bl. 228 GA). Denn auch aus zeitnah zu erwartenden Preissenkungen bzw. einem nur kurzfristigen Überbrückungsinteresse folgt kein schützenswertes Interesse der Beklagten daran, dem Kläger nicht wenigstens eine kurze Nacherfüllungsfrist setzen zu müssen (vgl. OLG Köln Beschluss vom 24. Mai 2022 – 15 U 116/21, juris Rn. 12).
131Sofern die Beklagte nunmehr ergänzend anführt, dass solche Akteure ausgeschlossen werden sollten, "die zu jenem Zeitpunkt nicht in der Lage waren, die Lieferverpflichtung zu erfüllen und deshalb darauf hofften, ihre Lieferfähigkeit zu einem anderen ungewissen Zeitpunkt herstellen zu können" (Bl. 463 GA), spricht dies nicht gegen eine kurze Nacherfüllungsfrist. Gegenüber solchen nicht lieferfähigen Akteuren wäre es ebenfalls ohne weiteres möglich gewesen kurze Nachfristsetzungen vorzunehmen, so wie die in gleicher Massenhaftigkeit ausgesprochenen Rücktrittserklärungen. Der Vereinbarung eines Fixgeschäfts bedurfte es nicht (vergleichbar OLG Köln, Urteil vom 21. Juni 2024 – I-6 U 112/23, juris Rn. 79).
132Auch wenn es demgemäß hierauf nicht mehr entscheidend ankommt, spricht gegen die Annahme der Vereinbarung eines relativen Fixgeschäftes aufgrund der im Übrigen gegebenen Umstände indiziell auch das eigene Verhalten der Beklagten gegenüber anderen Vertragspartnern. Wenn auch die Umstände im Einzelnen hinsichtlich der anderen Vertragsverhältnisse zwischen den Parteien umstritten sind, ist jedenfalls im Grundsatz feststellbar, dass – aus welchen konkreten Gründen auch immer – jedenfalls nach dem 30.04.2020 noch umfangreich Maskenlieferungen von der Beklagten angenommen worden sind.
133Sofern das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung dahingehend argumentiert, dass die Parteien in § 3 Ziffer 3.2 des Open-House-Vertrages vereinbarten, dass für den Fall, dass bis zum Stichtag 30.04.2020 überhaupt keine Lieferung erfolgt, ein absolutes Fixgeschäft gewollt sei und für den Fall, dass bis zu diesem Zeitpunkt mangelhafte Ware geliefert wurde, die gesetzlichen Gewährleistungsvorschriften gelten (Bl. 9 LG-U), überzeugt dies nicht. Zunächst spricht, wie auch das Landgericht konstatiert (Bl. 11 LG-U), der Wortlaut gegen diese Auslegung. Dieser differenziert nicht zwischen Schlecht- und Nichtleistung, sondern formuliert, dass „bei Nichteinhaltung des spätesten Liefertermins“ die gegenseitigen Pflichten entfallen und eine verspätete Lieferung keine Erfüllung darstelle. Wie bereits dargelegt, kommt hierbei der Wille zum Ausdruck, dass das Geschäft maßgeblich von der Einhaltung des Liefertermins abhängt, daher auch die Verwendung des Begriffs „absolutes Fixgeschäft“ (so auch die Beklagte, Bl. 224 GA). Auch die in § 6 Ziffer 6.1. des Open-House Vertrages getroffene Regelung, dass für Sach- und Rechtsmängelansprüche die gesetzlichen Vorschriften gelten, soweit nichts anderes bestimmt sei, stützt nicht die Auffassung des Landgerichts (Bl. 12 UA), dass bei nicht differenzierender Auslegung von § 3 Ziffer 3.2 des Vertrages der Anwendungsbereich auf deutlich vor dem Liefertermin liegende, aber mangelhafte Lieferungen beschränkt sei, bei denen die Nacherfüllung noch bis zum Stichtag hätte vollzogen werden können (Bl. 12 UA). Vielmehr ist der Regelung gerade zu entnehmen, dass es bezüglich der sonstigen Gewährleistungsrechte der Beklagten bei den gesetzlichen Regelungen ohne Einschränkungen verbleiben soll. Schließlich ist auch § 7 Ziffer 7.1 des Open-House-Vertrages nicht dahingehend zu verstehen, dass (nur) bei einer „innerhalb der Vertragslaufzeit“ – also vor Ablauf des Liefertermins – erfolgten mangelhaften Lieferung die gesetzlichen Regelungen über die Nacherfüllung greifen sollen. Vielmehr wird – auch mit Blick auf die Überschrift „Laufzeit des Vertrages/sonstige Vereinbarungen“ – klargestellt, dass mit Ablauf des vereinbarten Fixtermins „durch die Lieferung“ begründete Rechte und Pflichten – wie der Kaufpreisanspruch – fortbestehen und nicht mit Ablauf der „Vertragslaufzeit“ entfallen.
134(3) Des Weiteren liegt auch keine Entbehrlichkeit der Fristsetzung gemäß § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB aufgrund einer einseitigen Mitteilung der Wesentlichkeit des Termins durch die Beklagte vor. Unabhängig von der streitigen Frage, inwieweit nach der Gesetzesänderung eine einseitige Mitteilung des Gläubigers für die Herstellung eines Fixcharakters im Sinne des § 323 BGB genügt (so für den Fall der Branchenüblichkeit OLG Bamberg, Urteil vom 5. März 2021 – 3 U 68/20, juris Rn. 70 ff.), fehlt es im konkreten Fall bereits an der objektiven Erkennbarkeit der Wesentlichkeit des Liefertermins für den Kläger. Da es nicht auf einseitige Motive des Gläubigers, sondern vielmehr auf den Empfängerhorizont ankommt, muss die Wesentlichkeit auch für die Vertragspartner erkennbar gewesen sein (OLG Köln, Urteil vom 21. Juni 2024 – I-6 U 112/23, juris Rn. 74). An einer solchen objektiv erkennbaren Wesentlichkeit der Lieferfrist fehlt es im Streitfall. Vielmehr liegt nach dem Empfängerhorizont die Deutung näher, dass es sich um die bloße Mitteilung eines Liefertermins handelte, dessen Versäumung dann jedenfalls geeignet wäre, Verzug ohne das Erfordernis einer Mahnung herbeizuführen (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Zwar findet sich der „späteste“ Liefertermin in Ziffer II. 2.4) der Leistungsbeschreibung, Ziffer III. der Teilnahmebedingungen sowie in der unwirksamen Klausel § 3 3.2 des Vertragstextes. Der Vereinbarung eines Fixgeschäfts im Sinne des § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB durch die einseitige Mitteilung eines „spätesten“ Liefertermins durch die Beklagte steht jedoch entgegen, dass die Beklagte außerhalb des Open-House-Verfahrens in keiner Weise darauf hingewiesen hat, dass und wieso nach ihrem Dafürhalten das gesamte Vertragsverhältnis mit der Einhaltung der Lieferfrist stehen und fallen soll. Aus den bereits dargelegten Umständen und dem akuten Mangel an Schutzausrüstung folgte für die Lieferanten lediglich, dass die Beklagte ein Interesse an einer raschen Lieferung hatte. Im Falle einer Schlecht- oder Nichtleistung sprachen die den Lieferanten bekannten Umstände der Pandemie nicht für ein Vertragsende, sondern im Gegenteil für die Möglichkeit einer (raschen) Nachlieferung. Dass die Beklagte einen „spätesten“ Liefertermin vorgab, war – zumindest bei objektiver Betrachtung – auch der Tatsache geschuldet, dass die Beklagte eine nicht bekannte Zahl an Lieferungen antizipieren musste. Bei nur einem Vertragspartner liegt es nahe, vertraglich einen bestimmten Liefertermin, z.B. den 30. April 2020, zu vereinbaren. Bei einer unbekannten Vielzahl an Lieferung ist es hingegen untauglich, einen bestimmten Liefertermin zu definieren. Denn zur Abwicklung einer großen Anzahl von Lieferungen genügt ein einzelner Leistungstag nicht. Hier ist bereits aus praktischen Gründen ein Lieferzeitraum erforderlich, der mehrere Tage umfasst, was sich in der Folge auch bewahrheitete. Dem Bedürfnis nach Regulierung der Anlieferungen wurde die Beklagte durch die gewählte Formulierung gerecht. Es kommt nach dem Empfängerhorizont zum Ausdruck, dass die Lieferung spätestens am 30. April 2020 erfolgen sollte, aber auch zu einem früheren Zeitpunkt erfolgen kann. Hierzu fügt sich die Formulierung in Ziffer III. der Teilnahmebedingungen, dass das Vertragssystem ab sofort zu laufen beginne und mit Ablauf des 30.04.2020 ende. Hinzu kommt, dass für alle Beteiligten ersichtlich und vorhersehbar war, dass die Pandemie nicht mit Ablauf der Lieferfrist endete und daher das Vertragsinteresse der Beklagten auch über den vereinbarten Liefertermin hinaus fortbestand (OLG Köln, Urteil vom 9. Januar 2025 – 8 U 46/23, juris Rn. 91). Dass dies der Fall war, zeigt - wie die Beklagte selbst vorträgt - der Umstand, dass auch nach dem vertraglich bestimmten Liefertermin noch Lieferungen erfolgten, welche die Beklagte annahm.
135bb) Die vorherige Fristsetzung zur Nacherfüllung ist auch nicht gemäß § 440 Satz 1 Var. 3 BGB oder gemäß § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich gewesen.
136(1) Gemäß § 440 Satz 1 Var. 3 BGB ist ein Rücktritt auch ohne Nachfristsetzung möglich, wenn dem Käufer die ihm zustehende Art der Nacherfüllung unzumutbar ist. Dies ist – anders als im Rahmen von § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB – allein aus der Perspektive des Käufers zu bestimmen. Dabei kann sich die Unzumutbarkeit der Nacherfüllung aus der Person des Verkäufers, aus der Art des Mangels oder aus den mit der Nacherfüllung verbundenen Begleitumständen ergeben (Faust in: BeckOK, BGB, 73. Auflage, Stand: 01.02.2025, BGB § 440 Rn. 40 ff.). Die bloße Tatsache, dass die Nacherfüllung Zeit benötigt, während der der Käufer die Sache nicht nutzen kann, führt jedoch nicht zur Unzumutbarkeit. Denn aus dem Erfordernis der Nachfrist folgt gerade, dass der Käufer diese Zeit prinzipiell in Kauf nehmen muss (Faust in: BeckOK BGB, aaO, § 440 Rn. 46 mwN.).
137Umstände, die eine Unzumutbarkeit der Nacherfüllung begründen, hat die Beklagte nicht dargelegt. Soweit sie hierzu ausführt, wiederholt sich die Argumentation weitestgehend mit der Begründung, die für die Annahme eines relativen Fixgeschäfts angeführt werden. Insbesondere vermögen weder die vorgebrachten Gesundheitsgefahren noch die Störung des Betriebsablaufs durch Nachlieferungen und auch nicht die „Gesamtschau der Umstände“ eine Unzumutbarkeit der Nachfristsetzung zu begründen. Denn jedenfalls eine kurze Fristsetzung wäre der Beklagten auch unter den besonderen Umständen der pandemiebedingten Beschaffung großer Mengen an Schutzausrüstung zumutbar gewesen. Dass sie nicht über die haushalterischen Mittel verfügt hätte, ein Prüfinstitut wie den TÜV Nord „über einen unbestimmten Zeitraum“ mit der Prüfung von Nachlieferungen zu beauftragen, vermag ebenso wenig zu überzeugen. Denn die Beklagte hat sämtliche angelieferten Masken binnen kurzer Zeit einer stichprobenartigen Überprüfung durch den TÜV unterzogen. Dass die Institute nicht auch noch für etwaige – nach kurzer Nachfristsetzung – gelieferte Masken hätten beauftragt werden können, wird nicht vorgebracht.
138Eine etwaige Unzumutbarkeit ergibt sich – entgegen der Ansicht der Beklagten – unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls auch nicht aus der fehlerhaften CE-Kennzeichnung der gelieferten Masken auf dem Beipackzettel bzw. Zertifikat (Bl. 718 f. GA). Zwar kann sich die Unzumutbarkeit im Sinne von § 440 S. 1 BGB aus der Person des Verkäufers im Sinne einer nachhaltigen Störung des Vertrauensverhältnisses ergeben (BGH, Urteil vom 15. April 2015 – VIII ZR 80/14, juris Rn. 22; Faust in: BeckOK, aaO, § 440 Rn. 40). Die von der Beklagten vorgebrachte Unzuverlässigkeit des Klägers ist indes vorliegend nicht anzunehmen. Zum einen existierte damals auf dem europäischen Markt – wie auch die Beweisaufnahme im hiesigen Verfahren zeigt – kein validiertes Verfahren für Kennzeichnungen von aus China gelieferten Schutzmasken. Die Standards für KN95-Maksen waren auf dem europäischen Markt weder erforscht noch vorgegeben. Insoweit muss dem Kläger zugutegehalten werden, dass er Masken geliefert hat, die der Leistungsbeschreibung im Open-House-Verfahren, nämlich „auch KN95 (CHN)“, entsprachen. Hierbei handelte es sich um eine einmalige Lieferung des Klägers unter Zeitdruck angesichts der von der Beklagten im Open-House-Verfahren gesetzten Bedingungen. Sonstige Anhaltspunkte, die eine Unzuverlässigkeit in der Person des Klägers und damit eine darin begründete Unzumutbarkeit der Nachfristsetzung begründen könnten, sind weder ersichtlich oder noch vorgetragen.
139(2) Die vorherige Fristsetzung zur Nacherfüllung war auch nicht gemäß § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich. Aus den bereits dargelegten Gründen fehlt es an „besonderen Umständen“, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen. Vielmehr gebietet die Abwägung der Interessen jedenfalls die Setzung einer kurzen Nachfrist zur Nachlieferung.
140cc) In Bezug auf den in der Rechnung seitens des Klägers aufgenommenen Eigentumsvorbehalt gilt mit der insoweit zutreffenden Begründung in der angefochtenen Entscheidung jedenfalls, dass die Beklagte ihren Rücktritt hierauf nicht stützen kann. Dies ist ihr gemäß § 242 BGB nach Treu und Glauben verwehrt. Hätte sie sich vertragswidrig verhalten und den Kaufpreis, wie vertraglich geschuldet, an den Kläger „binnen einer Woche ab Lieferung“ den Kaufpreis gezahlt, § 5 Ziffer 5. 1 des Vertrages, hätte sie ohne Weiteres den Bedingungseintritt herbeiführen können.
141dd) Auf die von den Parteien thematisierten Fragen, ob § 376 HGB vorliegend – und bei einem einseitigen Handelskauf (hierzu Steimle/Dornieden in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock/ Wöstmann, HGB, 6. Auflage 2023, § 376 HGB Rn. R mwN) – eingreift, ob die Beklagte im Hinblick auf Treu und Glauben oder wegen Art. 3 GG daran gehindert ist, sich auf eine Fixabrede in dem Vertrag zu berufen, kommt es – da eine Fixabrede bereits nicht als wirksam vereinbart angesehen werden kann – folglich nicht mehr an.
142c) Der Kläger kann seinen Kaufpreisanspruch nunmehr auch unbedingt geltend machen, d.h. nicht erst nach Erfüllung der ihm nach dem Vertrag obliegenden Lieferverpflichtung oder aber Zug um Zug gegen die Erfüllung ihrer vertraglichen Lieferpflichten.
143aa) Die ursprünglich zwischen den Parteien in § 5.1 des Open-House-Vertrages vereinbarte Vorleistungspflicht des Klägers ist nachträglich entfallen (so auch OLG Köln, Urteil vom 9. Januar 2025 – 8 U 46/23, juris Rn. 111). Der Vertrag sieht in §§ 3 und 5 eine Vorleistungspflicht des Verkäufers bezüglich der primären Vertragspflicht dergestalt vor, dass er die vertragliche Menge an Schutzausrüstung zunächst liefert und erst an diese Lieferung knüpft der Vertrag die Fälligkeit der Zahlungspflicht der Beklagten, die erst sieben Tag nach Lieferung und Rechnungstellung zu erfüllen ist – so auch das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung (S. 23 UA).
144Schranken dieser sogenannten beständigen Vorleistungspflicht ergeben sich aus § 321 BGB, vor allem aber aus § 242 BGB. Die Vorleistungspflicht entfällt, wenn der andere Teil ernsthaft erklärt hat, er könne oder wolle nicht mehr erfüllen (vgl. hierzu Grüneberg in: Grüneberg, aaO, § 320 Rn. 18; Beckmann in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Auflage, § 320 BGB (Stand: 01.02.2023), Rn. 26). So etwa, wenn – wie im vorliegenden Fall – die vorleistungsberechtigte Vertragspartei durch Berufung auf einen von ihr zu Unrecht erklärten Rücktritt eindeutig und unmissverständlich zum Ausdruck bringt, sie wolle die ihr obliegende Leistung nicht mehr erbringen (BGH, Urteil vom 16. Mai 1968 – VII ZR 40/66, BGHZ 50, 175 (177), juris Rn. 19; BGH, Urteil vom 20. Januar 1978 – V ZR 171/75, juris Rn. 20).
145Zwar weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass der Entfall der Vorleistungspflicht nicht endgültig sein muss, sondern diese wiederaufleben kann, wenn der Vorleistungsberechtigte seine eigenen vertraglichen Verpflichtungen nach früherem Leugnen vorbehaltlos wieder anerkennt. Dies ist hier durch die Beklagte – anders als in dem von dem Bundesgerichtshof entschiedenen Fall – gerade nicht geschehen. Die Beklagte hält vielmehr weiter an der Wirksamkeit des von ihr erklärten Rücktritts fest und erkennt demgemäß ihre vertraglichen Verpflichtungen gerade nicht vorbehaltlos, sondern nur „hilfsweise“ an (zum Ganzen OLG Köln, Urteil vom 19. Juli 2024 – I-6 U 101/23, juris Rn. 87).
146bb) Ferner kann sich die Beklagte entgegen der Auffassung des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung (S. 22 f. UA) auch nicht auf die Einrede des nicht erfüllten Vertrages gemäß § 320 BGB berufen, so dass der Anspruch des Klägers auch nicht lediglich Zug um Zug gegen die ihr obliegenden Lieferpflichten zu erfüllen ist. Denn das Zurückbehaltungsrecht setzt gemäß § 320 Abs. 1 S. 1 BGB voraus, dass beide Seiten Ansprüche auf Vertragserfüllung haben und keine Seite eine Vorleistungspflicht trifft; denn im Falle von Vorleistungspflichten sind gegenseitige Pflichten nicht mehr Zug-um-Zug zu erbringen. Letzteres ist hier jedoch der Fall. Denn nach Ziffer 5.1 und 5.2 des Kaufvertrages war zunächst die Auftragnehmerin vorleistungspflichtig und musste liefern, bevor die Beklagte zu zahlen hatte. Sodann war die Beklagte wiederum verpflichtet, den Kaufpreis innerhalb kurzer Frist unter dem Vorbehalt der späteren Rückforderung wegen Nichtleistung oder mangelhafter Leistungen zu begleichen (OLG Köln, Urteil vom 19. Juli 2024 – I-6 U 101/23, juris Rn. 90). Diese Regelung kann bei verständiger Würdigung nur dahingehend ausgelegt werden, dass weder Lieferung und Zahlung einerseits, noch Zahlung und Mangelbeseitigung bzw. Nacherfüllung andererseits nach dem gesetzlichen Leitbild Zug-um-Zug erfolgen sollten, sondern vielmehr gestaffelte Vorleistungspflichten gelten sollten. Die vertragliche Regelung schließt es daher aus, dass die Beklagte den Kaufpreis wegen denkbaren Zurückbehaltungsgründen im Sinne von § 320 BGB wie einer Nichtleistung oder Mängeln zurückhalten darf. Vielmehr sollte sie – jedenfalls unter Berücksichtigung der Unklarheitenregel gemäß § 305c Abs. 2 BGB hinsichtlich des Passus "nach erfolgter Lieferung" in § 5.1 des Vertrages – unbedingt leisten und bei etwaigen Mängeln auf die Möglichkeit einer späteren Rückforderung verwiesen werden (OLG Köln, Beschluss vom 24. Mai 2022 – 15 U 116/21, juris Rn. 24; LG Bonn, Urteil vom 12. Juli 2023 – 20 O 49/22, juris Rn. 101).
147Auch § 5 Ziff. 5.2 S. 2 Open-House-Vertrages spricht für eine durchsetzbare Zahlungspflicht der Beklagten, namentlich, dass die Fälligkeit der Vergütung nur von der Lieferung als solcher, nicht aber von der Lieferung mangelfreier Ware abhängig ist. Dort regelt der Vertrag, dass die Lieferanten sich im Falle einer Rückforderung des an sie gezahlten Kaufpreises nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen können. Stünde der Beklagten die Einrede aus § 320 BGB zu, hätte es einer derartigen Regelung nicht bedurft. Die Auffassung des Landgerichts, dass sich aus der Regelung zur Fälligkeit der Kaufpreiszahlung in § 5 Ziffer 5.1 des Vertrages nicht ergebe, dass die Beklagte unabhängig von einer etwaigen Mangelhaftigkeit zur Kaufpreiszahlung verpflichtet wäre (S. 23 UA), überzeugt nicht. In § 5 Ziffer 5.2. heißt es ausdrücklich und ergänzend, dass jede Zahlung unter dem Vorbehalt des Anspruchs auf Rückerstattung wegen nicht oder mangelhaft erbrachter Leistung stehe. Dass dies – so das Landgericht – in erkennbarem Zusammenhang mit der Ansicht, mögliche Einwände gegen einen Rückforderungsanspruch nach § 814 BGB auszuschließen, stehe, trifft zwar mit Blick auf den nachfolgenden Satz zu („Der AN kann sich gegenüber einer berechtigten Rückforderung des AG nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen.“), lässt aber angesichts des klaren Wortlautes in § 5 Ziffer 5.2 S. 1 des Vertrages nicht den Schluss zu, dass sich für die Beklagte bei Lieferung mangelhafter Waren keine Kaufpreiszahlungspflicht ergebe.
148Die Regelung der schnellen und unbedingten Zahlung im Rahmen der Open-House-Verträge hat auch dem damaligen Parteiwillen entsprochen. Die kurze Zahlungsfrist war Hauptmotivator für viele Lieferanten, am Open-House-Verfahren teilzunehmen. Immerhin mussten diese Lieferanten selbst erhebliche Summen investieren, um die damals schwer erhältliche Schutzausrüstung zu erwerben und einzuführen, sowie eine hohe Umsatzsteuervorauszahlung leisten. Die Beklagte „lockte“ also die Lieferanten mit dem Versprechen einer schnellen und von einem Streit um etwaige Mängel unabhängigen Kaufpreiszahlung. Dementsprechend kann der Passus "nach erfolgter Lieferung" in § 5 Ziffer 5.1 des Kaufvertrags nur dahin auszulegen sein, dass die Fälligkeit der Vergütung nur von der Lieferung als solcher, nicht aber von der Lieferung mangelfreier Ware abhängig ist und der Beklagten gerade nicht die Einrede aus § 320 BGB zusteht, die das vertraglich fixierte Versprechen einer schnellen Bezahlung aushebeln würde.
149Der Beklagten ist es auch nach Treu und Glauben wegen fehlender eigener Vertragstreue verwehrt, die Einrede des nichterfüllten Vertrages zu erheben. Dies gilt mit Rücksicht darauf, dass die Einrede des nicht erfüllten Vertrages voraussetzt, dass der die Einrede erhebende Schuldner seinen Pflichten nachkommt und sich „vertragstreu“ verhält. Demgemäß kann die Einrede gemäß § 320 BGB nicht erheben, wer sich vertragswidrig endgültig von dem Vertrag lossagt und die Annahme der Gegenleistung schlechthin ablehnt (BGH, Urteil vom 16. Mai 1968 – VII ZR 40/66, BGHZ 50, 175-179, juris Rn. 16 ff.; BGH, Urteil vom 17. Juli 2013 – VIII ZR 163/12 –, juris Rn. 26; auch Schwarze in: Staudinger, 2020 (Stand: 03.03.2023) § 320 BGB, Rn. 38). Dazu zählt auch die (unberechtigte) Geltendmachung von Rechten, die – wie hier der von der Beklagten erklärte Rücktritt – auf die Beendigung des Vertrages zielen (BGH, Urteil vom 4. Juli 2002 – I ZR 313/99, Rn. 27, juris). Die Einrede des § 320 BGB hat allein die Funktion, die geschuldete (Gegen-)Leistung zu erzwingen. Sie hat – wie es im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25. Januar 1982 – VIII ZR 310/80, juris Rn. 18 heißt– „nur verzögerlichen Charakter und dient dazu, den anderen Teil zur Erfüllung des mit der Einrede geltend gemachten Anspruchs anzuhalten". Dagegen kann sich derjenige, der deutlich gemacht hat, dass er an dem Vertrag nicht festzuhalten gedenke, die Einrede nicht zunutze machen (BGH, Urteil vom 4. Juli 2002 – I ZR 313/99 –, Rn. 27, juris). Dies ist vorliegend der Fall. Die Beklagte verteidigt sich gegen das Zahlungsbegehren des Klägers in erster Linie mit dem erklärten Rücktritt, und macht damit deutlich, dass zumindest ihrer Auffassung nach der Vertrag seine Beendigung gefunden habe. Nur hilfsweise macht sie das Zurückbehaltungsrecht geltend, soweit der Senat die Rechtsansicht der Beklagten hinsichtlich des Vorliegens eines relativen Fixgeschäftes und der Möglichkeit, ohne Fristsetzung zurückzutreten, nicht teilen sollte. Anders als in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom BGH, Urteil vom 10. April 1995 – VIII ZR 346/93, juris Rn. 30 ff.) stützt sie ihre Argumentation jedoch nicht auf beachtliche Gründe hinsichtlich der Unwirksamkeit des Vertrages, sondern wollte sich durch den Rücktritt endgültig vom Vertrag lossagen. Soweit sie nunmehr fünf Jahre nach Einleitung des Verfahrens eine teilweise Unwirksamkeit des Vertrags aufgrund Verstoßes gegen die Preisverordnung vorbringt, stellt sich dies als nachgeschoben dar und lässt die eigene Vertragstreue nicht aufleben, zumal der Einwand auch nicht durchgreift. Demgemäß ist der Beklagten die Einrede des nichterfüllten Vertrages vorliegend mit der Folge verwehrt, dass sie zur unbedingten Zahlung zu verurteilen ist.
1502.
151Die Nebenforderungen des Klägers sind ebenfalls begründet.
152a) Dem Kläger stehen antragsgemäß Verzugszinsen ab dem 08.05.2020 zu. Die Höhe der Verzugszinsen von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basisziinssatz sowie der Umstand, dass die Zinsen auf die Bruttokaufpreisforderung zu zahlen sind, wird beklagtenseits bereits nicht in Abrede gestellt.
153Gemäß § 286 Abs. 1 BGB gerät der Schuldner in Verzug, wenn er auf eine nach Fälligkeit erfolgte Mahnung des Gläubigers nicht leistet. Gemäß § 286 Abs. 2 BGB bedarf es u.a. einer Mahnung dann nicht, wenn für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist.
154Voraussetzung für den Verzug ist zunächst, dass die Fälligkeit der Forderung eingetreten ist. Die Fälligkeit der Kaufpreisforderung ist nach § 5 Ziffer 5.1 des Vertrages binnen einer Woche nach der Lieferung der Waren – unabhängig von deren Mangelfreiheit – am 30.04.2020, also mit dem Ablauf des 07.05.2020 eingetreten. Denn die Parteien haben – wie bereits dargelegt– in § 5.1 des Open-House-Vertrages gestaffelte Vorleistungspflichten vereinbart. Dass der Kläger die geschuldete Menge an Masken fristgerecht geliefert hat, steht außer Streit.
155Nach § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB bedurfte es für den Eintritt des Verzugs keiner Mahnung, weil für die geschuldete Leistung der Beklagten im Vertrag eine Zeit nach dem Kalender bestimmt war.
156b) Dem Antrag auf Erstattung von vorprozessualen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.006,42 € nebst Zinsen für die Tätigkeit der Rechtsanwälte T. & Partner ist ebenfalls stattzugeben. Dem Vorgesagten entsprechend ist Schuldnerverzug mit Ablauf des 07.05.2020 eingetreten, die Beauftragung der Rechtsanwälte ist am 05.06.2020 (Bl. 10 LG-Akte) erfolgt, so dass ein durch den Verzug kausal verursachter Schaden besteht. Bedenken gegen die Höhe der Gebührenforderung bestehen nicht.
1573.
158Die Berufung der Beklagten hat hingegen keinen Erfolg.
159Über die hilfsweise erhobene Widerklage der Beklagten auf Feststellung der Verpflichtung zur Erstattung der Lagerkosten und auf Abholung der streitgegenständlichen Schutzmasken muss der Senat nicht entscheiden, da die beklagtenseits gestellte Bedingung, dass die Klage "jedenfalls überwiegend abzuweisen" (Bl. 1544 LG-Ate) sei, nicht eingetreten ist. Denn die Klage hat in der Hauptforderung vollumfänglich Erfolg.
160Im Übrigen ist eine unter eine solche Bedingung gestellte Widerklage nicht zulässig. Die Widerklage kann nur unter die (innerprozessuale) Bedingung gestellt werden, dass die Klage erfolglos oder erfolgreich ist (BGH, Urteil vom 16. Oktober 2008 – III ZR 253/07, juris Rn. 11; Roth in: Stein/Roth, ZPO, 24. Auflage 2024, § 33 ZPO Rn. 37). Wann die Bedingung eintritt, dass die Klage "jedenfalls überwiegend abzuweisen" ist, lässt sich mangels Unbestimmtheit nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen. Hierauf hat der Senat in mündlichen Verhandlung vom 26.02.2025 ausdrücklich hingewiesen (Bl. 843 GA).
161Die nachgelassenen Schriftsätze der Parteien nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat der Senat zur Kenntnis genommen. Sie rechtfertigen jedoch weder eine von den obenstehenden Ausführungen abweichende Beurteilung der Sach- und Rechtslage noch die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
162III.
163Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.
164IV.
165Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen entgegen der Auffassung der Beklagten nicht vor. Weder hat die Sache grundsätzliche Bedeutung, noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Der Rechtsstreit betrifft lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsgrundsätze im konkreten Einzelfall; entscheidungserhebliche und klärungsbedürftige abstrakt-generelle Rechtsfragen stellen sich im Verfahren nicht. Auch steht die Entscheidung des Senats nicht in Divergenz, sondern vielmehr im Ergebnis im Einklang mit anderer, im Themenkomplex der Open-House-Verfahren zum deutschen autonomen Sachrecht ergangener obergerichtlicher Rechtsprechung (OLG Köln, Beschluss vom 27. April 2022 – 21 U 52/21, Beschluss vom 24. Mai 2022 – 15 U 116/21; Urteil vom 21.Juni 2024 –6 U 112/23; Urteil vom 19. Juli 2024 – 6 U 101/23; Urteil vom 9. Januar 2025 – 8 U 46/23; Urteil vom 6. Feburar 2025 – 8 U 38/23, alle abrufbar bei juris ).
166Die beklagtenseits angeführte Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg (Urteil vom 05.03.2021 – 3 U 68/20, juris) betrifft schließlich die vorliegend zu entscheidende Konstellation nicht. Das Oberlandesgericht Bamberg hat die Zulässigkeit des zwischen den dortigen Parteien klauselmäßig vereinbarten Fixgeschäfts maßgeblich auf die Branchenüblichkeit derartiger Klauseln gestützt. Das vorliegende Verfahren betrifft demgegenüber die einmalige Beschaffung von Schutzmasken in einer pandemischen Notsituation, so dass eine Branchenüblichkeit weder ersichtlich, noch vorgetragen ist. Zudem enthielt die fragliche Klausel anders als die im vorliegenden Verfahren streitgegenständliche Klausel pauschale Nachfristen und regelte nicht etwa das automatische Entfallen der vertraglichen Pflichten bei Nichteinhaltung des Liefertermins.
167V.
168Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis 185.000,00 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1 S. 1 GKG). Zwischen den Berufungen des Klägers und des Beklagten besteht wirtschaftliche Identität. Über streitwerterhöhende Hilfsanträge war nicht zu entscheiden (§ 45 Abs. 1 S. 2 GKG).