Seite drucken
Entscheidung als PDF runterladen
Ein auf Naturalrestitution gerichteter Schadensersatzanspruch kann aus Gründen des schadensrechtlichen Bereicherungsverbots ausgeschlossen sein und sich in einen reinen (einseitigen) Geldanspruch umwandeln, der der Höhe nach auf den entgangenen Gewinn beschränkt ist, wenn der Anspruch des Gläubigers dieses grundsätzlich im Austauschverhältnis stehenden Schadensersatzanspruchs ohnehin schon auf eine Geldleistung gerichtet war und die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) dem nicht entgegen stehen. In diesem Fall verliert der Gläubiger des Schadenersatzanspruchs das Recht, die von ihm geschuldete Gegenleistung zu erbringen.
Die PreisV 30/53 in der bis zum 31.3.2022 geltenden Fassung gilt grundsätzlich auch für öffentliche Aufträge, die auf der Grundlage eines Open-House-Verfahrens zustande gekommen sind, wenn nicht von der Befreiungsmöglichkeit nach § 2 Abs. 2 PreisV 30/53 a.F. Gebrauch gemacht worden ist.
Bei der Bestimmung des verkehrsüblichen Preises nach § 4 Abs. 1 PreisV 30/53 a.F. ist – sofern kein einheitlicher, objektiver Marktpreis feststellbar ist, grundsätzlich der sog. betriebssubjektive Preis maßgeblich, also der Preis, den der jeweilige Anbieter unter Wettbewerbsbedingungen auf dem Markt auch anderweitig für die gegenständliche Leistung erzielt. Ein Vergleich mit der Verkehrsüblichkeit von Preisen anderer Anbieter findet nicht statt.
Von diesen Grundsätzen ist auch angesichts des im Open-House-Verfahren zu beachtenden Gleichheitsgrundsatzes nicht abzuweichen, da hierfür angesichts der Möglichkeit des § 2 Abs. 2 PreisV 30/53 a.F. keine Notwendigkeit besteht und der öffentliche Auftraggeber die Geltung der PreisV 30/53 a.F. nicht durch bloße Wahl des Open-House-Verfahrens außer Kraft setzen kann.
Ist ein Vertrag aufgrund eines Verstoßes gegen die preisrechtlichen Vorschriften hinsichtlich des vereinbarten Preises gemäß § 1 Abs. 3 PreisV 30/53 a.F. teilnichtig, ist es dem öffentlichen Auftraggeber grundsätzlich auch dann nicht gemäß § 242 BGB nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf diese Teilnichtigkeit zu berufen, wenn er ursprünglich – irrtümlich – davon ausgegangen ist, der von ihm im Open-House-Verfahren einseitig vorgegebene und nicht verhandelbare Preis verstoße nicht gegen die preisrechtlichen Vorschriften. Dies ergibt sich daraus, dass die preisrechtlichen Vorschriften nicht in erster Linie den öffentlichen Auftraggeber als Rechtssubjekt schützen, sondern den Fiskus und die Gemeinschaft der Steuerzahler.
Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des Landgerichts Bonn vom 28.06.2023 – 1 O 110/22 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 258.000,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag von 6.127,50 € seit dem 23.09.2022 und aus einem Betrag von 251.872,50 € seit dem 11.10.2023 zu zahlen.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, dem Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.865,- € zu erstatten.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 98 % und die Beklagte zu 2%.
Dieses Urteil und – im Umfang der Zurückweisung der Berufung – das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch den jeweiligen Vollstreckungsgläubiger durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger seinerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 21.420.000 € festgesetzt.
Gründe
2I.
3Der Kläger macht Ansprüche aus einem Open-House-Verfahren zur Beschaffung von Schutzmasken geltend, welches die Beklagte im März/April 2020 durchführte.
4Die Beklagte veröffentlichte am 27.03.2020 unter der Referenznummer N01 eine Auftragsbekanntmachung betreffend einen Open-House-Vertrag über die Lieferung von Schutzausrüstung, u.a. FFP2-Masken und OP-Masken (Anl. K2, Bl. 168ff eA LG). Die Auftragsunterlagen konnten über einen in der Auftragsbekanntmachung angegebenen Link abgerufen werden. Zu diesen Auftragsunterlagen gehörten die Teilnahmebedingungen (Anl. K 3, Bl. 174ff eA LG), die Leistungsbeschreibung sowie das Vertragsformular und das Angebotsformular.
5Unter Ziffer II.2.4 der Auftragsbekanntmachung heißt es u.a., dass die Lieferanten durch Einreichung eines vollständig ausgefüllten Angebotsformulars sowie eines vollständig ausgefüllten Vertrages die Geltung der Vertragsbedingungen, welche nicht individuell verhandelbar seien, akzeptieren. Dort heißt es außerdem: „Der Auftraggeber prüft die eingereichten Unterlagen (Angebotsformular und Vertrag). Der Beitritt zu dem Vertragssystem bzw. der Vertragsschluss zwischen Auftraggeber und Lieferant erfolgt durch Zuschlagserteilung auf das Angebot.“ und „Der Lieferant ist bis zum 10.04.2020 an sein Angebot gebunden. Der Vertrag kommt wirksam zwischen dem Auftraggeber und dem Lieferanten zustande, wenn der Auftraggeber innerhalb dieses Zeitraums das Angebot durch Zuschlagserteilung annimmt. Mit Zugang der Zuschlagserklärung beim Lieferanten ist der Zuschlag wirksam erteilt (vgl. § 130 BGB).“ In den Teilnahmebedingungen heißt es unter Ziffer III. u.a.: „Der Auftraggeber prüft die eingereichten Unterlagen. Der Beitritt zu dem Vertragssystem bzw. der Vertragsschluss zwischen Auftraggeber und Lieferant erfolgt durch Zuschlagserteilung auf das Angebot. Ein Vertragsschluss erfolgt mit allen Lieferanten, welche die Vertragsbedingungen akzeptieren und dies durch Einreichung eines vollständig ausgefüllten Angebotsformulars sowie eines vollständig ausgefüllten Vertrags bestätigen. […] Der Lieferant ist bis zum Ablauf der Bindefrist an sein Angebot gebunden. Der Vertrag kommt wirksam zwischen dem Auftraggeber und dem Lieferant zustande, wenn der Auftraggeber innerhalb dieses Zeitraums das Angebot durch Zuschlagserteilung annimmt. Mit Zugang der Zuschlagserklärung beim Lieferanten ist der Zuschlag wirksam erteilt (vgl. § 130 BGB).“
6In der Auftragsbekanntmachung unter Ziffer II 1.4.) und in den Teilnahmebedingungen unter Ziffer III. heißt es jeweils: „Zu berücksichtigen ist jedoch, dass spätester Liefertermin der 30.04.2020 […] ist.“ In den von der Beklagten gestellten Vertragsbedingungen heißt es unter § 3 (Ziffer 3.2): „Spätester Liefertermin ist der 30.04.2020 innerhalb der Geschäftszeiten gemäß VT. 1. Bei Nichteinhaltung des spätesten Liefertermins entfallen die gegenseitigen Pflichten der Vertragspartner; eine verspätete Lieferung stellt keine Erfüllung des Vertrages durch den AN dar (absolutes Fixgeschäft).“
7Seitens des Klägers, Inhaber der W. F. R., wurden in der Zeit vom 03.04.2020 bis zum 07.04.2020 eine Vielzahl von E-Mails, die Angebote über die Lieferung von FFP2- und zum Teil auch OP-Masken zum Gegenstand hatten, an die dafür vorgesehene E-Mail-Adresse der Beklagten (E-Mail01) gesandt. Hierbei handelte der Kläger erstmalig mit Schutzmasken.
8Zur Korrespondenz im Einzelnen:
9Mit E-Mail vom 03.04.2020 (14.16 Uhr), 03.04.2020 (16.28 Uhr), 03.04.2020 (15.07 Uhr) und 04.04.2020 (20.57 Uhr) wurden seitens des Klägers jeweils 1 Mio. FFP2-Masken und 5 Mio. OP-Masken angeboten. Dabei wurde die E-Mail vom 03.04. (15.07 Uhr) vom Kläger persönlich verfasst, die übrigen von Herrn C. für den Kläger bzw. die W. F. R.. Daraufhin erteilte die Beklagte dem Kläger am 05.04.2020 (12.25 Uhr) einmalig den Zuschlag zur Lieferung für 1 Mio. FFP2-Masken und 5 Mio. OP-Masken.
10Mit E-Mail vom 05.04.2020 (14.44.00 Uhr) (Anl. PwC 7, Bl. 837 eA LG), wiederum adressiert an E-Mail01, schrieb Herr C.:
11„Sehr geehrte Frau H.,
12Vor dem Hintergrund der Zuschlagserteilung für unser Angebot vom 03.04.2020, würden wir Sie gerne darüber in Kenntnis setzen, dass wir zusätzlich 4,000,000 (vier Millionen) FFP2 Masken liefern können. Anbei finden Sie hierzu die entsprechend ausgefüllten Formulare.
13Vielen Dank für Ihre Kenntnisnahme.
14Freundliche Grüsse,
15W. F. R.
16K. C.“
17Dieser E-Mail waren die ausgefüllten Vertragsunterlagen, datierend auf den 03.04.2020, beigefügt (s. Anl. PwC 7, Bl. 840ff eA LG). 54 Sekunden später, mithin am 05.04.2020 um 14.44.54 Uhr, übersandte Herr C. das Angebot über 4 Mio. FFP2-Masken inklusive der identischen Unterlagen erneut an die o.g. Emailadresse, adressiert an Herrn Y. (s. Anl. PwC 8, Bl. 848 eA LG).
18Mit E-Mail vom 05.04.2020 (18.30 Uhr) (Anl. PwC 9, Bl. 864 eA LG) bat Frau U. für die Beklagte wie folgt um Klarstellung:
19„Vielen Dank für die Vielzahl der übersendeten Angebote der W. F. R..
20Ich bitte um eine Zusammenfassung, wie viele Angebote uns wann über welche Mengen an Produkten von welchem Mitarbeiter unterbreitet wurden, damit es zu keinen doppelten Erfassungen oder Missverständnissen kommt.“
21Mit E-Mail vom 06.04.2020 (3.30 Uhr) (Anl. PwC 10; Bl. 871 eA LG) antwortete Herr C.:
22„Sehr geehrte Frau U.,
23Vor dem Hintergrund der Zuschlagserteilung vom 05.04.2020 (12:25 Uhr / bearbeitet von: V.) für unser Angebot vom 03.04.2020 (14:16 Uhr / bearbeitet von: N.), ist gegenwärtig das Angebot für zusätzlich 4.000.000 (vier Millionen) FFP2-Masken vom 05.04.2020 geltend und ausstehend (sh. Anhang).
24Darüber hinaus wurden unsererseits vorgängig zwei weitere Angebote am 03.04.2020 (16.28 Uhr / bearbeitet von: Y.) und am 04.04.2020 (20:57 Uhr / bearbeitet von: H.) unterbreitet. Diese erübrigen sich im Rahmen der zuvor erwähnten Zuschlagserteilung vom 03.04.2020 für die Lieferung von 1.000.000 FFP2-Masken und 5.000.000 OP-Masken. (…)”
25Dieser E-Mail war ein Angebotsformular über 4 Mio. FFP2-Masken nebst den weiteren Vertragsunterlagen beigefügt, die auf den 05.04.2020 datiert waren (s. Anl. PwC 10, Bl. 891 eA LG).
26Alle eingereichten Angebote des Klägers sahen entsprechend der Vorgaben der Beklagten einen Preis pro FFP2-Maske in Höhe von 4,50 € netto vor. Dies entspricht bei 4 Mio. FFP2-Masken einem Betrag von 18.000.000 € netto und 21.420.000 € brutto. Auch im Übrigen entsprachen die Angebote inhaltlich den Vorgaben der Beklagten im Open-House-Verfahren.
27Hinsichtlich der Lieferung von 4 Mio. FFP2-Masken erteilte die Beklagte dem Kläger keinen Zuschlag, auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt.
28Mit E-Mail vom 07.04.2020 (21:12 Uhr) (Anl. PwC 11, Bl. 892 eA LG) schrieb Herr C. an die Beklagte:
29„Sehr geehrte Damen und Herren,
30Zusätzlich zu unserem Angebot vom 03.04.2020, worauf wir eine Zuschlagserteilung erhalten haben, würden wir Ihnen gerne ein weiteres, separates Angebot für die Lieferung von 450.000 FFP-2 Masken unterbreiten. (…)“
31Dieses Angebot über 450.000 FFP2-Masken bezuschlagte die Beklagte.
32Der Kläger konnte das bezuschlagte Angebot über 1 Million FFP2-Masken und 5 Millionen OP-Masken nicht fristgemäß avisieren und erbat mit E-Mail vom 27.04.2020 (Anl. PwC 15, Bl. 905 eA LG) einen Aufschub der Lieferfrist um 14 Tage. Mit E-Mail vom 06.05.2020 (Anl. PwC 19, Bl. 920 eA LG) teilte Herr C. mit, dass die für den 06.05.2020 avisierte Anlieferung von 450.000 FFP2 Schutzmasken „aufgrund unerwarteter logistischer Herausforderungen“ nicht erfolgen könne. Letztlich erfüllte der Kläger diese beiden Aufträge nicht.
33Parallel zum Open-House-Verfahren bot der Kläger am 12.03.2020 der Bundeswehr FFP3-Masken zum Kauf an und fasste am 25.03.2020 deshalb nochmal nach. Nachdem dieses Anliegen an die Generalzolldirektion weitergleitet worden war, meldete sich Herr E. X. am 09.04.2020 diesbezüglich beim Kläger mit einigen Nachfragen, worauf klägerseits mit E-Mail vom 12.03 2020 reagiert wurde. Schließlich kam es am 14.04.2020 zu einem Telefonat zwischen Herrn X. und dem Kläger, in welchem Baumustereigenschaften und Produktspezifikationen erörtert wurden und Herr X. dem Kläger auf dessen Nachfrage hin mitteilte, er solle noch bis zum 27.04.2020 abwarten, und dass danach sicherlich ein Zuschlag erteilt würde, wenn der Bedarf und die Stückzahlen der Lieferung feststehen.
34Mit E-Mail vom 27.05.2020 (Anl. PwC 13, Bl. 898 eA LG) schrieb Herr C.:
35„Sehr geehrte Damen und Herren,
36Im Zuge des Open House Verfahrens N01 haben wir Ihnen diverse Angebote zukommen lassen. Zwei unserer Angebote haben eine Zuschlagserteilung erhalten (Angebot A: 03.04.20, 14:15 Uhr, Angebot B: 07.04.20, 21:12 Uhr).
37Hierbei wollten wir Ihnen mitteilen, dass Sie gegen Vergabevorschriften verstossen haben. Dieser Vergabeverstoss liegt darin, dass Sie die folgenden Angebote, welche fristgemäss und ordnungsgemäss eingereicht wurden, weder angenommen noch begründet abgelehnt haben:
38DATUM |
UHRZEIT |
FFP2 |
OP-Maske |
3. Apr. 2020 |
16:28 |
1´000´000 |
5´000´000 |
4. Apr. 2020 |
20:57 |
1´000´000 |
5´000´000 |
5. Apr. 2020 |
14:44 |
4´000´000 |
- |
5. Apr. 2020 |
14:45 |
4´000´000 |
- |
6. Apr. 2020 |
03:30 |
4´000´000 |
- |
Wir fordern, dass die Vergabeverordnung rechtsgemäss einhalten wird und die Zuschlagserteilung für die o.g. Angebote gem. des OpenHouse Verfahrens (Annahme aller ausstehenden Angebote) Ihrerseits gewährleistet wird. (…)“.
40Mit E-Mail vom 10.06 2020 (Anl. PwC 14, Bl. 900 eA LG) wandte sich Frau Rechtsanwältin Dr. O. für den Kläger an die Beklagte. In der E-Mail heißt es auszugsweise:
41„Zutreffend ist, dass gemäß E-Mail meines Mandanten vom 06.04.2020 3:30 nur noch ein Angebot ausständig war, das noch bezuschlagt werden sollte, und alle anderen Angebote entweder bezuschlagt worden waren oder sich durch den Zuschlag erledigt hatten. […]
42Auf dieses ausstehende Angebot hätte Ihr Haus einen Zuschlag erteilen können und müssen. […]
43Mein Mandant hat bei Missachtung der Grundsätze der Transparenz und Gleichbehandlung Schadenersatzansprüche gegen Ihr Haus. Diese richten sich zwar in der Regel nach dem negativen Interesse. Da das Angebot meines Mandanten aber die von Ihnen aufgestellten Anforderungen erfüllt hat und Ihr Haus eine Abnahmegarantie gegeben hatte, besteht hier vorliegend sogar ein Schadenersatzanspruch auf positives Interesse, mithin auf entgangenen Gewinn.
44Nach alledem gehe ich davon aus, dass meine Mandanten im Falle einer gerichtlichen Geltendmachung ihren entgangenen Gewinn bezüglich der 4.000.000 FFP2-Masken gegen Ihr Haus durchsetzen könnte.
45Da mein Mandant aber an einer einvernehmlichen Beilegung dieser Angelegenheit interessiert ist und ihm zudem bekannt ist, dass weiterhin Beschaffungsbedarf hinsichtlich der damals ausgeschriebenen FFP2-Masken besteht, schlagen wir vor, dass Sie meinem Mandant die zuletzt mit E-Mail vom 06.04.2020 3:30 angebotenen 4.000.000 FFP2-Masken zu den damaligen Bedingungen abnehmen und im Gegenzug mein Mandant keine Schadenersatzansprüche gegen Ihr Haus geltend machen würde.
46Ich bitte bis spätestens 18.06.2020 um Ihre Rückmeldung. Nach fruchtlosem Fristablauf behält sich mein Mandant vor, seinen Schadenersatzanspruch klageweise geltend zu machen.“
47Mit Schreiben vom 20.11.2020 (Anl. PwC 20, Bl. 923 eA LG) erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger vorsorglich den Rücktritt von den geschlossenen Verträgen. Mit Schreiben vom 02.02.2022 forderte der Kläger die Beklagte zur Zuschlagserteilung bis zum 17.02.2022 auf, was die Beklagte mit Schreiben vom 15.02.2022 (Anl. PwC 21, Bl. 926 eA LG) ablehnte. Sie wies etwaige Schadensersatzansprüche des Klägers mit Verweis darauf zurück, dass hinsichtlich der 4 Mio. FFP2-Schutzmasken nie ein bezuschlagungsfähiges Angebot des Klägers vorgelegen habe.
48Der Kläger hat vorgetragen, auch wegen der 4 Mio. FFP2-Masken sei zu den Bedingungen des Open-House-Verfahrens ein Vertrag zustande gekommen. Bei dem Open-House-Verfahren handele es sich um eine Auslobung bzw. um eine offerta ad incertas personas. Jedenfalls stünden ihm aber wegen der Verweigerung des Zuschlages für die Lieferung von 4 Mio. FFP2-Masken Schadensersatzansprüche zu, da der Zuschlag habe erteilt werden müssen. Ihm seien 12.028.500,- € Gewinn entgangen. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf die Darstellung auf VT. 11ff des klägerischen Schriftsatzes vom 06.04.2023 (Bl. 1244ff eA LG) verwiesen. Es sei davon auszugehen, dass er die 4 Mio. FFP2-Masken bis zum 30.04.2020 an die Beklagte hätte liefern können, weil er im Falle der Zuschlagserteilung das Angebot der T. AG vom 01.04.2020 (Anl. K 16, Bl. 258 eA LG) angenommen hätte, wonach diese im Zeitraum vom 26.04.2020 bis 30.04.2020 die erforderliche Anzahl FFP2/KN95-Masken zum Preis von netto 1,29 € pro Maske versandkosten- und zollfrei an die Beklagte hätte liefern können. Aus dem Umstand, dass er die beiden bezuschlagten Angebote letztlich nicht habe bedienen können, folge nicht, dass er auch hinsichtlich des hier streitgegenständlichen Angebots sich nicht habe lieferfähig machen können. Denn er habe hinsichtlich der beiden bezuschlagten Angebote – im Ergebnis vergeblich – auf seine Verträge mit den Firmen D. und A. vertraut. Da er bis zuletzt davon ausgegangen sei, dass diese noch liefern würden, habe er wegen der beiden bezuschlagten Angebote nicht auf das Angebot der T. AG zurückgegriffen.
49Selbst wenn er nach ordnungsgemäßer Avisierung keine oder mangelhafte Ware an die Beklagte geliefert hätte, wäre ihm dennoch ein Schaden entstanden, weil die Beklagte sofort, ohne ihm eine Nachfrist zu setzen, den Rücktritt vom Vertrag erklärt hätte, was unwirksam gewesen sei, und er daher von der Beklagten die Zahlung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Abnahme der 4 Mio. FFP2-Masken verlangen könne.
50Im erstinstanzlichen Verfahren hatte der Kläger zunächst (im Wege der Teilklage) beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 508.725 € Zug um Zug gegen Lieferung von 95.000 € FFP2/KN95 Masken zu verurteilen; hilfsweise – für den Fall, dass das Gericht einen ersatzfähigen Schaden bejaht, aber einen Anspruch auf Naturalrestitution verneint – zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 508.725 €. Mit Schriftsatz vom 06.04.2023 (Bl. 1234 eA LG) hat der Kläger seine Anträge umgestellt und zuletzt beantragt,
511. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 508.725 € Schadenersatz zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit;
522. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn 508.725,00 € brutto zu zahlen, Zug um Zug gegen Lieferung von 95.000 FFP2/KN95 Masken mit der Beschreibung:
53„FFP2 Masken
54Beschreibung:
55Atmungsaktives Design, das nicht gegen den Mund zusammenfällt (z.B.: Entenschnabel, becherförmig)
Versehen mit einer Metallplatte an der Nasenspitze
Kann wiederverwendbar*(aus robustem Material, das gereinigt und desinfiziert werden kann) oder Einwegartikel sein
Normen/Standards:
60Atemschutzgerät „N95“ gemäß FDA Klasse II, unter 21 CFR 878.4040, und CDC NIOSH, oder „FFP2“ gemäß EN 149 Verordnung 2016/425 Kategorie III
61oder gleichwertige Normen, auch KN 95 (CHN)“;
623. die Beklagte zu verurteilen, ihm 4.835,20 € an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu ersetzen.
63Die Beklagte hat beantragt,
64die Klage abzuweisen.
65Widerklagend unter der Bedingung, dass das Gericht feststellt, dass die Klage als unbegründet abzuweisen ist, hat sie beantragt,
66festzustellen, dass dem Kläger keine Zahlungsansprüche gegen sie aufgrund der streitgegenständlichen angeblichen Angebote (übermittelt mit E-Mails vom 5. April 2020 um 14:44:00 Uhr, 14:44:54 Uhr und 6. April 2020 um 3:30 Uhr) bezüglich weiterer 3.905.000 FFP2 Schutzmasken zustehen.
67Der Kläger hat beantragt,
68die Widerklage abzuweisen.
69Die Beklagte hat vorgetragen, der Klageantrag zu 1) sei als Teilklage zu unbestimmt und daher unzulässig, da nicht erkennbar sei, wie sich der geltend gemachte Betrag zusammensetze. In der Sache habe der Kläger hinsichtlich der 4 Mio. FFP2-Masken ihr gegenüber zu keinem Zeitpunkt klar kommuniziert. Insbesondere sei nicht erkennbar gewesen, inwiefern es sich bei den drei E-Mails vom 05.04.20202 bzw. 06.04.2020 um jeweils eigenständige Angebote bzw. bloße Doppelungen gehandelt habe. Aus der E-Mail vom 07.04.2020 habe sich zudem ergeben, dass der Kläger selbst lediglich von zwei Angeboten ausgegangen sei; nämlich von einem Angebot über 1 Mio. FFP2-Mas-ken und 5 Mio. OP-Masken (vom 03.04.2020) und einem weiteren über 450.000 FFP2-Masken (vom 07.04.2020). Außerdem sei der Kläger ohnehin nicht lieferfähig gewesen. Dies ergebe sich schon daraus, dass er die beiden bezuschlagten Angebote letztlich nie habe bedienen können. Der Kläger habe insbesondere auch nicht dargelegt, wie er die streitgegenständlichen Masken bis zum 30.04.2020 habe aufbringen wollen. Aus den vom Kläger vorgelegten Unterlagen (Anl. K 13-16) ergebe sich lediglich, dass der Kläger bis zum 01.05.2020 in Z. (S.) habe beliefert werden können.
70Hinsichtlich der Widerklage hat der Kläger vorgetragen, diese sei wegen fehlenden Feststellungsinteresse unzulässig. Unstreitig hat der Kläger im Rahmen der Klageschrift vom 05.05.2022 (dort Seite 104, Bl. 106 eA LG) der Beklagten den Abschluss einer Vereinbarung angeboten, nach der die Parteien das rechtskräftige Ergebnis dieses Rechtsstreits auch für die übrigen angebotenen, aber nicht bezuschlagten Masken anerkennen, ggf. verbunden mit einem Verjährungsverzicht. Dieses Angebot lehnte die Beklagte ab (Seite 163 der Klageerwiderung vom 14.12.2022, Bl. 746 eA LG).
71Das Landgericht hat mit Urteil vom 28.06.2023 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klageanträge seien zwar hinreichend bestimmbar und damit zulässig, jedoch unbegründet. Mangels Zuschlagserteilung hinsichtlich des Angebots über 4 Mio. FFP2 Masken sei zwischen den Parteien kein Kaufvertrag zustande gekommen, da die Ausschreibung des Auftrags im Open-House-Verfahren durch die Beklagte lediglich als invitatio ad offerendum und nicht – wie der Kläger gemeint hat – als offerta ad incertas personas zu verstehen gewesen sei. Auch sei hier entgegen der Meinung des Klägers kein Vertrag sui generis zustande gekommen, was gekünstelt und lebensfern wäre. Ob ein vorvertragliches Schuldverhältnis zustande gekommen sei, könne offenbleiben, da hieraus jedenfalls kein Anspruch auf Zuschlagserteilung folge, da sich aus einem etwaigen vorvertraglichen Schuldverhältnis allenfalls Rücksichtnahmepflichten gem. § 241 Abs. 2 BGB ergäben und keine Leistungspflicht. Außerdem falle der Beklagten selbst bei grundsätzlicher Annahme eines Anspruchs auf Zuschlagserteilung keine Pflichtverletzung zur Last, da der Kläger der Beklagten hinsichtlich der 4 Mio. FFP2-Masken kein ordnungsgemäßes Angebot unterbreitet habe. Es sei insbesondere unklar geblieben, ob und wenn ja, wie viele Angebote über die Lieferung von 4 Mio. FFP2-Masken der Kläger ernstlich abgeben wollte. Nach der Email vom 07.04.2020 habe die Beklagte davon ausgehen dürfen, dass der Kläger ein Angebot über 4 Mio. FFP2-Masken nicht aufrechterhalten wolle. Der Kläger habe mit seiner ungeordneten Kommunikation selbst verursacht, dass sein Angebot nicht eindeutig gewesen sei, so dass keine Pflichtverletzung der Beklagten anzunehmen sei. Dementsprechend seien auch der Hilfsantrag und der Klageantrag zu 3) unbegründet. Die Widerklage sei zulässig und aus den vorgenannten Gründen begründet.
72Gegen dieses dem Kläger am 11.07.2023 zugestellte Urteil des Landgerichts wendet sich der Kläger mit der Berufung vom 26.07.2023, welche er nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 09.10.2023 mit Schriftsatz vom 09.10.2023, bei Gericht am selben Tag eingegangen, begründet hat. Er trägt vor, das Landgericht habe seinen Vortrag rechtlich nicht richtig und nicht vollständig gewürdigt. Insbesondere habe das Landgericht verkannt, dass bereits mit Annahme der Auftragsbekanntmachung als offerta ad incertas personas ein Kaufvertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten zustande gekommen sei. Jedenfalls sei die Zuschlagserteilung nach § 162 BGB zu fingieren, da die Auftragsbekanntmachung durch die Beklagte im Open-House-Verfahren ein bindendes Angebot unter der Bedingung der Zuschlagserteilung gewesen sei und die Beklagte diese Bedingung treuwidrig verhindert habe. Selbst wenn man dem nicht folgen würde, sei hier ein vorvertragliches Schuldverhältnis anzunehmen, aus dem sich ein Anspruch auf Zuschlagserteilung ergebe, so dass der Kläger die Durchführung des Vertrages fordern könne.
73Ein Mitverschulden an der Schadensentstehung treffe ihn nicht, weil er zum einen mit E-Mail vom 06.04.2020 eindeutig klargestellt habe, dass das Angebot über 4 Mio. FFP2-Masken noch ausstehend sei, und zum anderen bei dem Telefonat mit Herrn X. explizit nach diesem Angebot gefragt und eine Antwort bekommen habe, die sich gerade auf das hier streitgegenständliche Angebot im Open-House-Verfahren bezogen habe.
74Der Kläger beantragt – in Erweiterung seiner Anträge aus dem erstinstanzlichen Verfahren -, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Bonn vom 28.06.2023 – Az. 1 O 110/22 -
751. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger nach Empfang der Gegenleistung von 4.000.000 FFP2 Schutzmasken einen Betrag 21.420.000 € nebst Zinsen hieraus von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen sowie
762. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 4.835,20 € vorgerichtliche Anwaltskosten zu bezahlen.
77Hilfsweise für den Fall, dass das Gericht einen Kaufvertragsschluss nach § 433 BGB verneint,
783. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger Schadensersatz in Höhe von 12.028.500,00 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen und
794. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 4.835,20 Euro vorgerichtliche Anwaltskosten zu bezahlen sowie
805. die Eventualwiderklage abzuweisen.
81Die Beklagte beantragt,
82die Berufung zurückzuweisen.
83Sie ist der Ansicht, die Klageerweiterung in der Berufungsinstanz sei unzulässig und verweigert diesbezüglich ausdrücklich ihre Zustimmung. In der Sache habe das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen. Hierzu wiederholt sie im Wesentlichen ihre Argumentation aus dem erstinstanzlichen Verfahren und meint außerdem, der Kläger habe seinen Schaden nicht schlüssig und nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Sie bestreitet die einzelnen Positionen, die der Kläger zur Berechnung seines angeblich entgangenen Gewinns aufgeführt hat. Ferner sei ein etwaiger Schadensersatzanspruch gemäß § 254 BGB auf null reduziert, da der Kläger mit seiner ungeordneten Kommunikation selbst dafür gesorgt habe, dass ihm für die 4 Mio. FFP2-Masken kein Zuschlag erteilt worden sei. Außerdem habe der Kläger zur Schadensentstehung beigetragen, indem er sich bei der Beklagten nicht nach dem angeblich noch ausstehenden, hier streitgegenständlichen Angebot erkundigt habe. In dem Telefonat vom 14.04.2020 mit Herrn X. sei es nicht um das Angebot im Open-House-Verfahren gegangen, so dass sich auch Herr Ottos Antwort nicht auf dieses Angebot bezogen habe. Mit Schriftsatz vom 20.02.2025 beruft sich die Beklagte erstmalig darauf, dass der Vertrag, wäre er denn durch Zuschlagserteilung zustande gekommen, gemäß § 1 Abs. 3 PreisV 30/53 in der bis zum 31.03.2022 geltenden Fassung (im Folgenden: PreisV 30/53 a.F.) hinsichtlich des Preises von netto 4,50 € pro Maske teilnichtig gewesen wäre. Sie behauptet hierzu, ein Marktpreis im Sinne des § 4 PreisV 30/53 a.F. sei schon deshalb nicht feststellbar, weil es im April 2020 aufgrund der Corona-Pandemie keinen funktionierenden Wettbewerb mehr gegeben habe. Da ein funktionierender Wettbewerb aber Voraussetzung für die Feststellung eines Marktpreises nach § 4 PreisV 30/53 a.F. sei, meint sie, wäre der Vertrag hier gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 PreisV 30/53 a.F. nur zu dem Selbstkostenpreis des Klägers zuzüglich eines Gewinnzuschlags von 5% zustande gekommen. Dies ergebe sich auch daraus, dass unabhängig von einem funktionierenden Wettbewerb weder ein objektiver Marktpreis noch ein betriebssubjektiver Marktpreis feststellbar sei.
84Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
85II.
86Die zulässige Berufung des Klägers ist mit den – zulässigerweise – in der Berufungsinstanz geänderten Klageanträgen teilweise in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
871.
88Die Umstellung der Klageanträge in der Berufungsinstanz ist – sofern man sie überhaupt als Klageänderung im Sinne des § 263 ZPO qualifiziert und nicht ohnehin von einem Fall des §§ 525, 264 Nr. 2 ZPO ausgeht – jedenfalls gemäß § 533 ZPO zulässig, da sie zum einen sachdienlich ist und zum anderen auf Tatsachen gestützt wird, die das Berufungsgericht ohnehin zugrunde zu legen hat.
89Der Kläger hat in der ersten Instanz im Wege der Teilklage zuletzt mit dem Hauptantrag die Zahlung von 508.725 € Schadenersatz geltend gemacht und mit dem Hilfsantrag die Zahlung dieses Betrages Zug-um-Zug gegen Lieferung von 95.000 FFP2-Masken begehrt. Nunmehr macht er mit dem Hauptantrag den Erfüllungsanspruch für die gesamte Liefermenge von 4 Mio. FFP2-Masken geltend und hilfsweise – für den Fall, dass das Gericht einen Kaufvertragsschluss nach § 433 BGB verneint - Schadensersatz für den entgangenen Gewinn für die Gesamtmenge von 4 Mio. FFP2-Masken.
90Dabei ist die Umstellung von der Teilklage auf eine Geltendmachung des Gesamtanspruchs bereits keine Klageänderung im Sinne des §§ 533, 263 ZPO, sondern ein Fall von § 264 Nr. 2 ZPO, da es sich – bei gleich bleibendem Klagegrund - lediglich um eine quantitative Modifizierung handelt (Zöller/Greger, ZPO, 35. Auflage, § 264 Rn 3a). Auch der Umstand, dass der Kläger den in erster Instanz auf Schadensersatz gerichteten Hauptantrag im Berufungsverfahren nur noch hilfsweise geltend macht und den auf Erfüllung gerichteten Hilfsantrag der ersten Instanz nunmehr als Hauptantrag verfolgt, stellt keine Klageänderung im Sinne des § 263 ZPO, sondern lediglich eine qualitative Modifikation im Sinne des § 264 Nr. 2 ZPO dar.
91Unabhängig davon wäre aber selbst bei Annahme einer Klageänderung diese gemäß § 263 ZPO zulässig, da in der Berufungsinstanz ohnehin darüber entschieden werden muss, ob zwischen den Parteien ein wirksamer Vertrag über die Lieferung von 4 Mio. FFP2-Masken zustande gekommen ist bzw. darüber, ob die Beklagte aufgrund einer Pflichtverletzung dem Kläger den diesbezüglich entgangenen Gewinn zu ersetzen hat, so dass die Umstellung der Anträge jedenfalls auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat, § 533 Nr. 2 ZPO. Es ist von Sachdienlichkeit der entsprechenden Umstellung der Anträge auszugehen. Die Sachdienlichkeit soll nur ausnahmsweise verneint werden, insbesondere wenn die Bejahung zur Beurteilung eines völlig neuen Streitstoffes nötigen würde, ohne dass dafür das Ergebnis der bisherigen Prozessführung verwertet werden könnte (Zöller/Heßler, ZPO, 35. Aufl., § 533 Rn 6). Maßgeblicher Gesichtspunkt ist die Prozesswirtschaftlichkeit, wobei es darauf ankommt, inwiefern die Zulassung der Klageänderung geeignet ist, den Streitstoff im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits auszuräumen und weiteren Rechtsstreitigkeiten vorzubeugen (Zöller/Heßler, ZPO, 35. Aufl., § 533 Rn 6). Da das Zustandekommen des Vertrages und damit der Erfüllungsanspruch des Klägers ohnehin zuerst zu prüfen ist, ist die Zulassung der entsprechenden Umstellung der Anträge geboten. Es wäre wenig zielführend hier nur über etwaige Schadensersatzansprüche des Klägers – für einen Teil der vorgesehenen Liefermenge - zu entscheiden, dabei die Frage des Vertragsschlusses inzident zu prüfen, dann aber dem Kläger eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über seine Erfüllungsansprüche zu verwehren, zumal angesichts der Eventualwiderklage ohnehin eine Entscheidung über die gesamte Liefermenge zu erfolgen hätte.
922.
93Hinsichtlich des auf Erfüllung des streitgegenständlichen Vertrages gerichteten Hauptantrages hat die Berufung des Klägers keinen Erfolg. Diesbezüglich hat das Landgericht die Klage – soweit es im Rahmen der Teilklage hierüber zu befinden hatte - zu Recht abgewiesen. Denn hinsichtlich der hier streitgegenständlichen 4 Mio. FFP2-Masken ist ein Vertrag zwischen den Parteien nicht zustande gekommen. Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich damit insbesondere nicht aus § 433 Abs. 2 BGB.
94a)
95Denn dem Angebot des Klägers auf Lieferung von 4 Mio. FFP2-Masken wurde seitens der Beklagten nicht der erforderliche Zuschlag erteilt, so dass der Vertrag nicht zustande gekommen ist. Dabei ist davon auszugehen, dass die Auftragsbekanntmachung der Beklagten lediglich eine invitatio ad offerendum darstellte, auch wenn es in der Auftragsbekanntmachung heißt, dass der Vertrag „mit allen Lieferanten, welche die Vertragsbedingungen akzeptieren und dies durch Einreichung eines vollständig ausgefüllten Angebotsformulars sowie eines vollständig ausgefüllten Vertrags bestätigen,“ geschlossen werde. Denn ausgehend von einem objektiven Empfängerhorizont nach §§ 133, 157 BGB fehlte es der Beklagte bei Ausgabe der Auftragsbekanntmachung deutlich erkennbar an dem entsprechenden Willen, den Vertrag mit dem jeweiligen Anbieter in zeitlicher Hinsicht schon unmittelbar mit der Einreichung des jeweiligen Angebots zu schließen. Sowohl aus der Auftragsbekanntmachung als auch aus den in Bezug genommenen Teilnahmebedingungen ergibt sich ausdrücklich, dass der Vertrag erst mit Zuschlagserteilung durch die Beklagte zustande kommen sollte. Von daher ist eindeutig nicht davon auszugehen, dass die Beklagte bereits mit der Auftragsbekanntmachung ein bindendes Angebot abgeben wollte (offerta ad incertas personas). Aus den Teilnahmebedingungen unter Ziffer III. ergibt sich vielmehr ausdrücklich, dass die Beklagte sich die Prüfung der eingereichten Angebote gerade vorbehalten hat. Dass diese Vorgehensweise zudem sinnvoll war und die Beklagte hieran ein berechtigtes Interesse hatte, zeigt insbesondere der vorliegende Fall. Der Kläger hat seine Angebote zum Teil mehrfach abgegeben, obgleich er – jedenfalls zeitweise – selbst davon ausging, dass das jeweilige Angebot nur einmal gelten sollte. Deshalb war die Vorgehensweise der Beklagten, den Vertragsschluss von der Zuschlagserteilung abhängig zu machen, nicht nur deutlich erkennbar, sondern aus Gründen der Rechtssicherheit auch geboten.
96b)
97Aus den vorgenannten Gründen, kann auch nicht angenommen werden, dass die Beklagte bereits mit Auftragsbekanntmachung ein bindendes Angebot unter der Bedingung abgeben wollte, dass der jeweilige Lieferant ein den Vorgaben entsprechendes „Angebot“ einreicht, woraufhin dann lediglich deklaratorisch ein Zuschlag ausgesprochen werden müsse. Die Prüfung der jeweiligen Angebote hatte sich die Beklagte vielmehr ausdrücklich vorbehalten. Auch wenn die Beklagte sich ausweislich der Bedingungen des Open-House-Vertrages selbst dahingehend verpflichtet hatte, den Vertrag mit jedem Anbieter zu schließen, der die Bedingungen erfüllt, ihr also nach Prüfung der Unterlagen kein Ermessen mehr zustand, ob sie das jeweilige Angebot durch Zuschlag annimmt, ergibt sich aus dem Wortlaut der Teilnahmebedingungen eindeutig, dass der Vertrag gerade erst mit Zuschlag und eben nicht schon durch Einreichung eines entsprechenden Angebotes zustande kommen sollte. Denn dort heißt es unter Ziffer III. u.a. wörtlich: „Der Beitritt zu dem Vertragssystem bzw. der Vertragsschluss zwischen Auftraggeber und Lieferant erfolgt durch Zuschlagserteilung auf das Angebot.“ Für einen objektiven Empfänger war demgemäß ohne Weiteres deutlich erkennbar, dass der Vertrag konstitutiv gerade erst nach Prüfung der Unterlagen durch die Beklagte durch die ausdrückliche Erteilung des Zuschlags zustande kommen sollte. Insofern kann ein Vertragsschluss bzw. der Eintritt der Bedingung des Zuschlags auch nicht über § 162 BGB fingiert werden.
98c)
99Auch hinsichtlich des Vorbringens des Klägers, aufgrund der Pflicht zur Zuschlagserteilung sei ein Vertrag sui generis anzunehmen, hat das Landgericht den Vertragsschluss mit zutreffender Begründung verneint. Denn auch ein solcher Vertrag würde einen Rechtsbindungswillen der Beklagten dahingehend voraussetzen, dass ein Vertrag, dann ein Vertrag sui generis, bereits mit Einreichung des jeweiligen Angebotes verbindlich zustande kommen soll. Hier hat das Landgericht zu Recht ausgeführt, es sei lebensfern anzunehmen, dass die Beklagte hier zwei Verträge habe schließen wollen, nämlich zunächst den Vertrag über die Verpflichtung zur Erteilung des Zuschlags und anschließend mit dem Zuschlag den Liefervertrag. Dass die Beklagte jeweils hier zwei Verträge schließen wollte, ist nicht erkennbar und lässt sich insbesondere nicht aus den Teilnahmebedingungen des Open-House-Verfahrens ableiten.
100d)
101Aus den vorgenannten Gründen unterliegt der mit dem Hauptantrag geltend gemachte primäre Erfüllungsanspruch der Abweisung. Mit dem gleichen Inhalt – Anspruch auf Kaufpreiszahlung nach Lieferung der Masken – besteht indes auch kein auf Naturalrestitution gerichteter Anspruch.
102aa)
103Es ist zunächst schon fraglich, ob der Kläger einen solchen auf Naturalrestitution und Austausch der Leistungen gerichteten sekundären Schadensersatzanspruch mit dem Hauptantrag überhaupt geltend macht, denn ausweislich der Formulierung des Hilfsantrags, der auf die Zahlung reinen Geldersatzes gerichtet ist, soll dieser ausdrücklich für den Fall gestellt sein, „dass das Gericht einen Kaufvertragsschluss nach § 433 BGB verneint“, also den primären Erfüllungsanspruch zurückweist. Der klare Wortlaut der Anträge spricht daher dagegen, dass der Kläger mit dem Hauptantrag einen Anspruch auf Naturalrestitution geltend machen wollte, zumal der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren den Hilfsantrag noch ausdrücklich unter der Bedingung gestellt hatte, dass das Gericht „einen Anspruch auf Naturalrestitution verneint und den [Hauptantrag] deshalb zurückweist“. Allerdings ist zu beachten, dass Klageanträge im Zweifel so auszulegen sind, wie es dem Inhalt des mit der Klage verfolgten materiellen Anspruchs entspricht, und mit der Maßgabe, „dass die Partei mit ihnen das erreichen will, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und ihrer recht verstandenen Interessenlage entspricht (MüKoZPO/Becker-Eberhard, 7. Aufl. 2025, § 253 Rn. 25, beck-online). Dementsprechend sind bei Auslegung der Klageanträge auch die Ausführungen in der Klagebegründung heranzuziehen. Hier beruft sich der Kläger im Rahmen der Berufungsbegründung vom 09.10.2023 (Seite 27, Bl. 122 eA OLG) ausdrücklich auf den auf Naturalrestitution gerichteten Schadensersatzanspruch, so dass seine Klageanträge im Zweifel dahingehend auszulegen sein werden, dass dieser Anspruch von dem Haupantrag mitumfasst sein soll, auch wenn der Wortlaut der Klageanträge eher dagegen spricht. Diese Frage bedarf aus den nachfolgend unter cc) dargestellten Gründen keiner Entscheidung.
104bb)
105Vor dem Hintergrund, dass der Kläger den Anspruch auf Naturalrestitution innerhalb des Rechtsstreits nie aufgegeben hat, ergibt sich der Untergang des Naturalrestitutionsanspruchs – unabhängig von der Frage, ob § 250 BGB überhaupt auf Ansprüche anwendbar ist, die ohnehin schon auf Geldzahlung gerichtet und lediglich noch mit der Verpflichtung bzw. dem Recht zur Erbringung der Gegenleistung „belastet“ sind – nicht schon aus § 250 Satz 2, 2. HS BGB. Aufgrund der durchgehenden zumindest hilfsweisen Aufrechterhaltung des Anspruchs auf Naturalrestitution fehlt es hier bereits an einer nach § 250 BGB erforderlichen Ablehnungsandrohung des Gläubigers bzw. an einer klaren Entscheidung des Klägers gegen den Anspruch auf Naturalrestitution und für den Anspruch auf reinen Geldersatz. Eine solche Entscheidung wäre aber auch dann zu fordern, wenn – wie hier - die Fristsetzung i.Wildd. § 250 BGB entbehrlich ist, weil der Schuldner durch sein Verhalten eindeutig zu erkennen gegeben hat, dass er die Herstellung ablehnt oder zu dieser nicht imstande ist (MüKoBGB/Oetker, 9. Aufl. 2022, § 250 Rn. 7, beck-online). Denn andernfalls könnte der Schädiger durch seine strikte Verweigerung der Naturalrestitution den Gläubiger in einen Geldersatzanspruch zwingen, was mit dem Schutzzweck des § 250 BGB, der die Rechte des Gläubigers erweitern und nicht beschränken soll (MüKoBGB/Oetker, 9. Aufl. 2022, § 250 Rn. 1, beck-online), nicht vereinbar wäre. Die Beklagte hat hier über zwei Instanzen hinweg konsequent Klageabweisung beantragt sowie eine entsprechende Hilfswiderklage erhoben und damit hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass sie den Austausch der vertraglich vorgesehenen Leistungen, mithin die Naturalrestitution, ablehne. In diesen Fällen, in denen die Fristsetzung entbehrlich ist, hat der Gläubiger zunächst die Wahl zwischen Naturalersatz und Geldausgleich. Der Anspruch auf Herstellung ist in diesen Fällen erst dann ausgeschlossen, wenn der Gläubiger Geldersatz verlangt, da dieser an die Stelle der Herstellung tritt (MüKoBGB/Oetker, 9. Aufl. 2022, BGB § 250 Rn. 7, beck-online). An dieser klaren Entscheidung für den Geldersatzanspruch statt des Anspruchs auf Naturalrestitution fehlt es hier. Eine solche ist im Übrigen auch nicht in dem vorprozessualen anwaltlichen Schreiben vom 10.06.2020 (Anl. 4 zu Anl. 8, Bl. 229 eA LG) zu sehen, da sich der Kläger dort für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs die Geltendmachung von Schadensersatz lediglich vorbehalten hat und sich für diesen Fall gerade nicht schon auf den Schadensersatz in Form des entgangenen Gewinns festgelegt hat.
106cc)
107Der Anspruch auf Naturalrestitution ist hier aber aus Gründen des schadensersatzrechtlichen Bereicherungsverbots der Höhe nach auf den tatsächlich entgangenen Gewinn beschränkt und der Anspruch auf Naturalrestitution im konkreten Fall daher ausgeschlossen.
108Der Umfang des Schadensersatzes ist grundsätzlich auf die Einbuße beschränkt, die der Geschädigte erlitten hat. Auch das folgt aus der Ausgleichsfunktion des Schadensersatzes im deutschen Recht. Der Geschädigte soll durch den Schadensersatz nicht besser gestellt werden, als er ohne das schädigende Ereignis stünde. Das schadensrechtliche Bereicherungsverbot, das in § 255 BGB in einem Teilbereich kodifiziert ist, wohnt sämtlichen Vorschriften des Schadensrechts – § 249 BGB ebenso wie § 251 BGB – inne und wirkt sich unmittelbar auf die Schadensberechnung aus. Es gebietet unter Umständen eine Vorteilsausgleichung (BeckOGK/Brand, BGB, Stand 1.3.2022, § 249 Rn. 69, beck-online, m.w.N.). Zwar gilt im deutschen Recht daneben grundsätzlich auch der Vorrang der Naturalrestitution. Allerdings geht dieses Prinzip vor allem darauf zurück, dass bei den Beratungen zum BGB der Fall der Sachentziehung im Fokus stand (BeckOGK/Brand, BGB, Stand 1.3.2022, § 249 Rn. 73, beck-online mit Verweis auf Mot. II 20f) und in diesen Fällen der Vorrang der Naturalrestitution häufig praktikabler ist und den Geschädigten zudem vor „Zwangsverkäufen“ an den Schädiger schützt (BeckOGK/Brand, BGB, Stand 1.3.2022, § 249 Rn. 72, beck-online). Diese Gesichtspunkte greifen jedoch nicht, wenn der Anspruch des Geschädigten – wie hier – auch im Fall der Naturalrestitution von vorne herein in einem Anspruch auf Geldzahlung besteht. Insbesondere rechtfertigen sie es nicht, dem Geschädigten über den Umweg der Naturalrestitution einen zusätzlichen Gewinn zufließen zu lassen, den er ohne das schädigende Ereignis bzw. die Pflichtverletzung des Schädigers niemals hätte machen können. Der – in welcher Form auch immer - zu leistende Schadensersatz dient nach der Grundstruktur des Gesetzes allein dem Ausgleich erlittener Einbußen (Staudinger/Olzen (2024), Einleitung zum Schuldrecht, Rn. 45).
109Bei Annahme eines Anspruchs auf Naturalrestitution würde man – selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass dem Kläger aus den nachfolgend (unter 3e)) dargestellten Gründen ohnehin nur ein Erfüllungsanspruch in Höhe von ca. 1,36 €/Maske zustehen würde - dem Kläger zubilligen, dass er sich den vollen Kaufpreis immer noch dadurch verdienen könnte, dass er 4 Mio. Masken liefert. Hierdurch würde er einen deutlichen Extragewinn machen, den er bei ordnungsgemäßer Bezuschlagung seines Angebots im April 2020 niemals hätte erzielen können. Denn während die Einkaufspreise im April 2020 aufgrund der coronabedingt angespannten Marktlage deutlich höher waren – der Kläger hat seinen Einkaufspreis mit 1,29 €/Maske angegeben (Anlage K 16; Bl. 258 eA LG) - als heute, könnte der Kläger nach dem unwidersprochenen Vortrag der Beklagten die FFP2-Masken heute für lediglich 0,29 € brutto pro Maske einkaufen. Diesen wirtschaftlichen Vorteil, der ohne sein Zutun allein auf Zeitablauf und der Entwicklung der Einkaufspreise am Markt beruht, müsste sich der Kläger aber ohnehin anrechnen lassen, um nicht allein durch die Erfüllung seines etwaigen Schadensersatzanspruches ungerechtfertigter Weise bereichert zu sein. Aufgrund des Grundsatzes des schadensersatzrechtlichen Bereicherungsverbots ist der Schadensersatzanspruch des Klägers ohnehin auf den entgangenen Gewinn limitiert, den der Kläger bei ordnungsgemäßem Ablauf und ohne die etwaige Pflichtverletzung der Beklagten im Rahmen der Zuschlagserteilung im Jahr 2020 gemacht hätte. Auf die – unverdiente – Möglichkeit, jetzt allein aufgrund des Zeitablaufs und der gesunkenen Einkaufspreise einen erheblichen Extragewinn zu machen, hat der Kläger keinen Anspruch, weshalb der Kläger gemäß § 242 BGB auch nicht auf der Naturalrestitution beharren kann. Etwas Anderes würde allenfalls dann gelten, wenn der Kläger ein berechtigteres Interesse an dem Austausch der gegenseitigen Leistungen hätte, etwa dann, wenn er die Ware bereits eingekauft hätte und nun noch absetzen müsste. Hierfür ist jedoch nichts ersichtlich. Insbesondere trägt der Kläger selbst vor, dass er das Angebot der T. AG, mit dem er seinem eigenen Vortrag nach das hier streitgegenständlichen Angebot über 4 Mio. FFP2-Masken bedient hätte, gerade nicht angenommen hat. Da der Kläger keinen Anspruch auf einen Extragewinn hatte, den er bei pflichtgemäßem Verhalten der Beklagten im Jahr 2020 nicht hätte erzielen können, stellt – anders als der Kläger in seinem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 05.05.2025 meint – die Anwendung der Grundsätze zum schadensrechtlichen Bereicherungsverbot für ihn keine unbillige Härte dar. Insbesondere macht es insofern sehr wohl einen Unterschied, ob der Kläger – wie hier gerade nicht – durch Zuschlagserteilung einen primären Erfüllungsanspruch erworben hat, oder ob ihm ein sekundärer Schadenersatzanspruch zusteht. Für die Ermittlung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist danach zu fragen, wie der Kläger gestanden hätte, wenn die Beklagte den Zuschlag (pflichtgemäß) im April 2020 erteilt hätte. Dies entspricht dem entgangenen Gewinn, den der Kläger gemacht hätte, wenn das Geschäft im Frühjahr/Frühsommer 2020 abgewickelt worden wäre.
110Die Beklagte ist durch die Begrenzung des Schadensersatzanspruchs des Klägers auf den im Jahr 2020 tatsächlich entgangenen Gewinn auch nicht unbillig entlastet. Vielmehr ist der durch die Verzögerung bei der Erfüllung des Schadensersatzanspruchs entstandene weitere Nachteil für den Kläger hinreichend durch den entsprechenden Zinsanspruch abgegolten.
111Aus den vorgenannten Gründen unterliegt der Hauptantrag auch im Hinblick auf einen etwaigen Anspruch auf Naturalrestitution der Abweisung, so dass der Hilfsantrag zum Zuge kommt.
1123.
113Der auf Geldersatz in Höhe des entgangenen Gewinns gerichtete Hilfsantrag ist teilweise begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 258.000 € aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 249, 252 BGB.
114a)
115Spätestens mit Eingang des ersten Angebots des Klägers über die Lieferung von 4 Mio. FFP2-Masken am 05.04.2020 (14.44.00 Uhr) ist ein vorvertragliches Schuldverhältnis im Sinne des § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB zustande gekommen. Denn die Beklagte hatte durch die Auftragsbekanntmachung zur Abgabe entsprechender Angebote aufgefordert und den Abschluss entsprechender Verträge ganz konkret zugesagt, und zwar mit jedem Anbieter, der die Vertragsbedingungen der Beklagten akzeptierte. Dies war aus rechtlichen Gründen auch geboten, weil die Beklagte andernfalls zur Einhaltung der vergaberechtlichen Bestimmungen (§§ 97 ff. GWB) gezwungen gewesen wäre, was die Beklagte aber gerade vermeiden wollte. Durch Abgabe des o.g. genannten Angebotes ist der Kläger in eine vorvertragliche Sonderverbindung zu der Beklagten eingetreten. Inhalt dieses vorvertraglichen Schuldverhältnisses waren nicht nur allgemeine Rücksichtnahmepflichten nach § 241 Abs. 2 BGB, sondern gerade auch die von der Beklagten im Wege der Selbstverpflichtung eingegangene Pflicht, den Vertrag mit jedem Anbieter abzuschließen, der die im Open-House-Verfahren vorgegebenen Bedingungen erfüllt.
116b)
117Diese Pflicht hat die Beklagte hier verletzt, indem sie dem Kläger auf dieses Angebot vom 05.04.2020 (14.44.00 Uhr) keinen Zuschlag erteilt hat. Denn entgegen der Ansicht der Beklagten und des Landgerichts stellte dieses Angebot durchaus ein ordnungsgemäßes und zuschlagfähiges Angebot dar.
118Der Kläger hatte sein Angebot zur Lieferung von 4 Mio. FFP2-Masken zunächst mit E-Mail vom 05.04.2020 (14.44.00 Uhr) an die Beklagte übermittelt, wobei die beigefügten Vertragsunterlagen auf den 03.04.2020 datiert waren. Die identischen Unterlagen schickte er sodann 54 Sekunden später erneut an die Beklagte. Durch diese Doppelung war zunächst unklar, ob der Kläger das Angebot über 4 Mio. Masken ein Mal oder zwei Mal abgeben wollte. Eine Auslegung vom objektiven Empfängerhorizont nach §§ 133, 157 BGB legt es jedoch noch nahe, dass die 4 Mio. Masken nur ein Mal angeboten werden sollten, denn bei fast gleichzeitiger Einreichung der Angebote hätte es ansonsten nahegelegen, direkt 8 Mio. Masken anzubieten. Außerdem wird in der E-Mail vom 05.04.2020 auf „unser Angebot vom 03.04.2020“ im Singular Bezug genommen, obgleich dieses Angebot auch mehrfach an die Beklagte übersandt worden war, was zumindest darauf hindeutet, dass der Kläger auch bei mehrfacher Übersendung von identischen Angeboten, dieses Angebot grundsätzlich nur ein Mal abgeben will. Letztlich kann jedoch dahinstehen, ob der Kläger hier ein oder zwei Angebote bezogen auf die Lieferung von 4 Mio. FFP2-Masken abgegeben hat, denn jedenfalls musste die Beklagte davon ausgehen, dass es jedenfalls ein ordnungsgemäßes und annahmefähiges Angebot gab, nämlich das erste mit E-Mail vom 05.04.2020 (14.44.00 Uhr) übersandte. Aus Sicht der Beklagten konnte allein fraglich sein, ob die zweite E-Mail ein weiteres Angebot enthielt; es war aber völlig ausgeschlossen, dass die erste E-Mail ihren Charakter als Angebot dadurch verlieren sollte, dass möglicherweise mit der zweiten E-Mail ein weiteres Angebot unterbreitet wurde. Bei sachgerechter Vorgehensweise hätte sie deshalb das erste Angebot annehmen müssen und bezüglich der zweiten E-Mail nachfragen können, ob diese ein weiteres Angebot darstellte. Für die Annahme jedenfalls eines annahmefähigen Angebotes spricht auch die Klarstellung durch die klägerische E-Mail vom 06.04.2020, wonach „gegenwärtig das Angebot für zusätzlich 4.000.000 (vier Millionen) FFP2 Masken vom 05.04.2020 geltend und ausstehend (sh. Anhang)“ sei. Hierdurch hat der Kläger hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er insgesamt einmalig weitere 4 Mio. FFP2-Masken angeboten habe bzw. anbiete. Durch die Bezugnahme im Text der E-Mail vom 06.04.2020 auf den Anhang wird auch hinreichend deutlich, dass mit dem Anhang nicht noch einmal weitere 4 Mio. Masken angeboten werden sollten, sondern eben insgesamt nur ein Mal 4 Mio. Masken. Von daher ist es im Ergebnis unschädlich, dass das der E-Mail vom 06.04.2020 beigefügte Angebotsformular anders als die mit E-Mails vom 05.04.2020 übersandten Angebotsformulare nicht auf den 03.04.2020, sondern auf den 05.04.2020 datiert war. Selbst nach der Argumentation der Beklagten bzw. der des Landgerichts, war damit klar, dass der Kläger jedenfalls ein Angebot über die Lieferung von 4 Mio. FFP2-Masken rechtsverbindlich abgeben wollte.
119Aus der E-Mail vom 07.04.2020 ergibt sich nicht, dass der Kläger dieses Angebot aktiv zurückgezogen hätte. Zum einen war dem Kläger ein entsprechender Rückzug des Angebots gar nicht möglich, da er ausweislich der Teilnahmebedingungen bis zum Ablauf der Bindefrist (10.04.2020) gemäß § 145 BGB an sein Angebot gebunden war. Zum anderen findet das Angebot über 4 Mio. FFP2-Masken in der besagten E-Mail keinerlei Erwähnung. Von dem bloßen Schweigen auf einen aktiven (rechtlich nicht möglichen) Rückzug des Angebots zu schließen, ist nicht angezeigt; auch wenn es zur Klarstellung sicherlich hilfreich gewesen wäre, dass der Kläger nicht nur auf das (bezuschlagte) Angebot vom 03.04.2020 Bezug nimmt, sondern auch auf das (noch ausstehende) Angebot vom 05.04.2020. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass die E-Mail vom 07.04.2020 weder unmittelbar als Antwort auf die Bitte der Beklagten um Klarstellung erfolgte, noch ist sie so formuliert, dass „nur“ die beiden Angebote vom 03.04.2020 und 07.04.2020 gelten sollten. Das Angebot vom 05.04.2020 wird lediglich einfach nicht erwähnt.
120Dieses noch ausstehende Angebot des Klägers vom 05.04.2020 über 4 Mio. FFP2-Masken hätte die Beklagten bezuschlagen müssen, denn zwischen den Parteien ist unstreitig, dass dieses Angebot die inhaltlichen Vorgaben des Open-House-Verfahrens erfüllte. Da die Beklagte im Rahmen des Open-House Verfahrens sich selbst dazu verpflichtet hatte, jedem Lieferanten den Zuschlag zu erteilen, der (innerhalb der Frist) ihren Vorgaben entsprechende Vertragsunterlagen einreicht, stellt die Unterlassung des Zuschlags eine Pflichtverletzung aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis dar.
121c)
122Von einem Verschulden der Beklagten ist auszugehen. Das Verschulden wird gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet. Zudem hätte die Beklagte bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, dass der Kläger jedenfalls ein Mal weitere 4 Mio. FFP2-Masken zu den konkret vorgegebenen Konditionen anbieten wollte. Bei verbleibender subjektiver Unsicherheit, die aufgrund der obigen Erwägungen allerdings nicht geboten war, hätte die Beklagte noch einmal nachfragen können und müssen.
123d)
124Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Ersatz des positiven Interesses, mithin auf Ersatz des entgangenen Gewinns, § 252 BGB. Zwar ergibt sich aus einer Pflichtverletzung im vorvertraglichen Schuldverhältnis im Allgemeinen nur ein Anspruch des Vertrauensschadens, also des negativen Interesses (BGH, Urteil vom 08.09.1998, Az.: X ZR 48/97, Rn 16, juris; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 311 Rn 55). Hierunter fallen insbesondere im Ergebnis nutzlose Aufwendungen, die der Anbietende im Rahmen der Vertragsanbahnung getätigt hat. Jedoch kann in besonderen - seltenen - Fällen auch den Ersatz des sogenannten positiven Interesses, insbesondere der durch Nichterteilung des Auftrags entgangenen Gewinn erfasst sein (BGH, aaO, Rn 16, juris, mit Verweis auf BGHZ 120, 281, 284; Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB, 8. Aufl., Einl. Rdn. 9 und Ingenstau/Korbion, VOB-Kommentar, 13. Aufl., Einleitung Rdn. 66). Der Ersatz des entgangenen Gewinns setzt dabei voraus, dass der Anbietende infolge der Teilnahme an dem Ausschreibungsverfahren darauf vertrauen durfte, dass dieses für ihn in jedem Fall mit der Erteilung eines Zuschlags und damit der Vergabe des Auftrags endet (BGH, Urteil vom 08.09.1998, Az.: X ZR 48/97, Rn. 31 juris). So liegt der Fall hier. Wenn dem Anbietenden – wie hier - der sichere Zuschlag und damit der Vertragsschluss aufgrund einer Pflichtverletzung des „Ausschreibenden“ versagt geblieben ist, entspricht es dem Grundsatz, dass der Geschädigte gemäß § 249 BGB verlangen kann so gestellt zu werden wie er ohne die Pflichtverletzung des anderen Teils stünde (Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 311 Rn 54), dass der Schadensersatzanspruch – ausnahmsweise – auf das positive Interesse gerichtet ist.
125Das Argument der Beklagten (Seite 178 der Klageerwiderung, Bl. 761 eA LG), dass nicht das positive Interesse, sondern lediglich das negative Interesse geschuldet sein könne, weil ansonsten ein Kontrahierungszwang bestehe, der dem Privatrecht fremd sei, überzeugt nicht. Denn die Beklagte hat sich durch Vorgabe der Bedingungen im Open-House-Verfahren und die öffentliche Zusage, mit jedem Anbieter einen Vertrag zu schließen, der die von ihr vorgegebenen Bedingungen akzeptiere, selbst verpflichtet, eben diese Verträge auch zu schließen. Daran muss sie sich schon deshalb festhalten lassen, weil dies Voraussetzung für eine Auftragserteilung außerhalb eines ordentlichen Vergabeverfahrens war.
126e)
127Dem Kläger ist dadurch, dass die Beklagte pflichtwidrig sein Angebot vom 05.04.2020 zur Lieferung von 4 Mio. FFP2-Masken nicht bezuschlagt hat, ein Gewinn in Höhe von netto 258.000 € entgangen.
128Bei der Berechnung des entgangenen Gewinns ist nicht der im Open-House-Verfahren vorgesehene Kaufpreis von netto 4,50 € pro Maske zugrunde zu legen, sondern lediglich ein Preis von netto 1,3545 € pro Maske, weil der Vertrag, der bei pflichtgemäßer Zuschlagserteilung durch die Beklagte zustande gekommen wäre, hinsichtlich der vorgesehenen Kaufpreishöhe gemäß § 1 Abs. 3 PreisV 30/53 a.F. teilnichtig gewesen wäre. Stattdessen wäre der Vertrag lediglich zu einem Preis von 1,3545 € pro Maske zustande gekommen. Dies ergibt pro Maske einen entgangenen Gewinn von 0,0645 €, was bei 4 Mio. Masken einem Gesamtschaden an entgangenen Gewinn in Höhe von 258.000 € entspricht.
129Gemäß § 12 Abs. 2 der aktuellen PreisV 30/53 gilt für öffentliche Aufträge vor dem 01.04.2022 die Verordnung in der bis zum Ablauf des 31.03.2022 geltenden Fassung (im Folgenden PreisV 30/53 a.F.). Die PreisV 30/53 a.F. ist gemäß ihres § 2 Abs. 1 insbesondere auf alle öffentlichen Aufträge des Bundes anwendbar. Ein Ausnahmetatbestand nach § 2 Abs. 2 (öff. Unternehmen im Wettbewerb mit privaten Unternehmen) bzw. Abs. 5 PreisV 30/53 a.F. (Bauleistungen) liegt nicht vor. Deshalb ist – anders als der Kläger in seinen nicht nachgelassenen Schriftsätzen vom 05.05.2025 und 08.05 2025 meint – die PreisV 30/53 a.F. grundsätzlich auch im hier vorliegenden Open-House-Verfahren anwendbar und für beide Seiten verbindlich. Zwar hat der EuGH in seinem Urteil vom 02.06.2016 (Az.: C-410/14) entschieden, dass ein öffentlicher Auftrag im Sinne der Richtlinie 2004/18 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge nicht vorliegt, wenn keine Auswahlentscheidung zwischen den Anbietenden getroffen wird, und dass bei einem Open-House-Verfahren der Gleichbehandlungsgrundsatz und das Transparenzgebot zu beachten sind. Dies steht der Verbindlichkeit der PreisV 30/53 a.F. auch für die hiesige Beklagte im hiesigen Open-House-Verfahren jedoch nicht entgegen. Denn zum einen hat der EuGH nur über die Auslegung des Begriffs des öffentlichen Auftrags i.Wildd. Richtlinie 2004/18 und nicht im Sinne der (deutschen) PreisV 30/53 a.F. entschieden. Öffentliche Aufträge im Sinne der PreisV 30/53 sind alle Aufträge des Bundes, der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände und der sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die sich auf ein Austauschverhältnis beziehen, wie etwa bei einem Kaufvertrag (Gabriel/Krohn/Neun VergabeR-HdB/Voll, 4. Aufl. 2024, § 21 Rn. 24 und 28, beck-online). Auch der Umstand, dass nach dem EuGH im Rahmen eines Open-House- Verfahrens der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten ist, und dies – möglicherweise – mit den nach der PreisV 30/53 a.F. maßgeblichen Grundsätzen zum Vorrang des sog. betriebssubjektiven Preises (dazu sogleich) nicht ohne Weiteres kompatibel ist, führt nicht dazu, dass bei Durchführung eines Open-House-Verfahrens die PreisV 30/53 a.F. schon von vorneherein nicht anwendbar ist. Denn die PreisV 30/53 a.F. ist (bzw. war zum damaligen Zeitpunkt) unmittelbar geltendes deutsches Recht und als solches auch für die Beklagte verbindlich. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern sich die Beklagte allein durch die Wahl eines Open-House-Verfahrens der Anwendung der PreisV 30/53 sollte vollständig entziehen können, zumal die PreisV 30/53 gerade den Fiskus und die Gemeinschaft der Steuerzahler vor zu hohen Preisen schützen soll. Von der durchaus gegebenen Möglichkeit, das konkrete Open-House-Verfahren gemäß § 2 Abs. 2 PreisV 30/53 a.F. von dem Anwendungsbereich der PreisV 30/53 auszunehmen, wurde damals gerade kein Gebrauch gemacht.
130Auch die vom Kläger zitierte Entscheidung der Vergabekammer des Bundes (VK Bund, Beschluss vom 7.5.2018 – VK 1-31/18) führt zu keinem anderen Ergebnis. Zum einen beschäftigt sich diese Entscheidung überhaupt nicht mit der PreisV 30/53, sondern (nur) mit der Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, welche maßgeblich für die dort zu prüfende Vergaberechtsfreiheit des dortigen Verfahrens war. Zum anderen lässt sich der Entscheidung der Vergabekammer auch schon nicht entnehmen, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nur durch Festlegung eines Einheitspreises und nicht auch durch Anwendung eines subjektivierten Preises eingehalten werden kann. Dort heißt es vielmehr: „Auch aus den von der Rechtsprechung für einfache Zulassungsverfahren entwickelten Grundsätzen lässt sich keine Präferenz weder für die Vorgabe eines einheitlichen Rabatt-Prozentsatzes noch für einen Einheitspreis ableiten. Nach den Grundsätzen der Rechtsprechung ist es vielmehr entscheidend, dass keinerlei vergleichende Wertung der Angebote hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit und entsprechende Auswahl erfolgt (vgl. EuGH, Urteil vom 1. März 2018, C-9/17, „M.“ und Urteil vom 2. Juni 2016, C-410/14, „G.“)“ (BKartA Bonn, Beschluss vom 7. Mai 2018 – VK 1 - 31/18 –, Rn. 81, juris).
131Die PreisV 30/53 a.F. ist demnach anwendbar.
132In § 1 Abs. 3 PreisV 30/53 a.F. heißt es:
133„Für Leistungen auf Grund öffentlicher Aufträge dürfen höhere Preise nicht gefordert, versprochen, vereinbart, angenommen oder gewährt werden, als nach den Bestimmungen dieser Verordnung zulässig ist.“
134§ 1 Abs. 3 PreisV 30/53 a.F. ist Verbotsgesetz iSd § 134 BGB. Daher sind entgegenstehende Rechtsgeschäfte nichtig. Der Vertrag ist allerdings nicht im Ganzen nichtig, sondern gilt als zum zulässigen Preis zustande gekommen (MüKoEuWettbR/Brüning, 4. Aufl. 2022, ÖffAuftrPrV § 1 Rn. 32, beck-online). Es handelt sich somit grundsätzlich um eine bloße Teilnichtigkeit im Hinblick auf die Preisabrede, im Übrigen bleibt der Vertrag jedoch wirksam (MüKoEuWettbR/Brüning, 4. Aufl. 2022, ÖffAuftrPrV § 1 Rn. 18, beck-online). Im Fall der Höchstpreisüberschreitung erfolgt die Abänderung im Hinblick auf die Höhe des Preises ipso jure und gerade nicht aufgrund vertragsparteilicher Willenserklärung (MüKoEuWettbR/Brüning, 4. Aufl. 2022, ÖffAuftrPrV § 1 Rn. 32, beck-online).
135Vorrangig maßgeblich ist grundsätzlich der verkehrsübliche Preis für marktgängige Leistungen im Sinne des § 4 PreisV 30/53 a.F. Nur wenn dieser Marktpreis nicht festgestellt werden kann (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 PreisV 30/53 a.F.) oder „eine Mangellage vorliegt oder der Wettbewerb auf der Anbieterseite beschränkt ist und hierdurch die Preisbildung nach § 4 nicht nur unerheblich beeinflußt wird“ (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 PreisV 30/53 a.F.) „dürfen […] ausnahmsweise“ Selbstkostenpreise vereinbart werden. In den Fällen des § 5 Abs. 1 Ziffer 1 PreisV 30/53 a.F. führt die Formulierung „Selbstkostenpreise dürfen nur vereinbart werden…“ nach herrschender Meinung nicht dazu, dass die Vertragsparteien die Wahl hätten, Selbstkostenpreise zu vereinbaren oder sich für feste Preise anstelle von Selbstkostenpreisen zu entscheiden. Vielmehr bedingt das lückenlose Preissystem der Verordnung, dass Selbstkostenpreise vereinbart werden müssen, wenn die Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 PreisV 30/53 a.F. gegeben sind. Dies ist naturgemäß auch nicht anders möglich, da nach Nr. 1 ja gerade keine Preise gemäß §§ 3 und 4 PreisV 30/53 a.F. festgestellt werden können (Ebisch/Gottschalk/Hoffjan/Müller/Hoffjan/Müller, 10. Aufl. 2024, VO PR Nr. 30/53 § 5 Rn. 2, beck-online). In diesen Fällen stellt die Vereinbarung eines nicht den Selbstkostenpreisen entsprechenden Entgelts demgemäß einen Verstoß im Sinne des § 1 Abs. 3 PreisV 30/53 a.F. dar.
136Der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt für die Einhaltung der Höchstpreisgrenze ist je nach Preistyp differenziert zu ermitteln. Im Fall von Marktpreisen (§ 4 Abs. 1), Selbstkostenfestpreisen (§ 6 Abs. 1 u. 2) und Selbstkostenerstattungspreisen (§ 7) ist auf den Vertragsschluss abzustellen, wenn und soweit darin die Festlegung des Preises erfolgt (MüKoEuWettbR/Brüning, 4. Aufl. 2022, ÖffAuftrPrV § 1 Rn. 29, beck-online), hier also auf den Zeitpunkt, zu dem die Beklagte das Angebot des Klägers hätte bezuschlagen müssen, mithin April 2020.
137Im April 2020 war ein verkehrsüblicher Preis für die hier streitgegenständlichen FFP2-Masken, die eine marktgängige Leistung im Sinne des § 4 Abs. 1 PreisV 30/53 a.F. darstellen, und für den hier konkret zu betrachtenden Vertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten tatsächlich nicht feststellbar, so dass gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 PreisV 30/53 a.F. zwingend der Selbstkostenpreis hätte vereinbart werden müssen.
138Für die Ermittlung des verkehrsüblichen Preises nach § 4 Abs. 1 PreisV 30/53 a.F. ist bei unvollkommenen Märkten, auf denen – wie hier - für die geforderte Leistung verschiedene Preise gezahlt werden, auf den sog. betriebssubjektiven Preis abzustellen, also auf den Preis, den der jeweilige Anbieter allgemein für die gegenständliche Leistung erzielt (Ebisch/Gottschalk/Hoffjan/Müller/Hoffjan/Müller, 10. Aufl. 2024, VO PR Nr. 30/53 § 4 Rn. 62, beck-online). Dies ist inzwischen in § 4 Abs. 3 PreisV n.F. normiert, war aber bereits vorher etabliert (BVerwG, Urteil vom 13.04.2016 – 8 C 2/15 – Rn 22, juris; Ebisch/Gottschalk/Hoffjan/Müller/Hoffjan/Müller, 10. Aufl. 2024, VO PR Nr. 30/53 § 4 Rn. 61, beck-online). Die Existenz eines einheitlichen, objektiven Marktpreises auf dem allgemeinen Markt, der dem betriebssubjektiven Marktpreis noch vorgehen würde (MüKoEu-WettbR/Brüning, 4. Aufl. 2022, ÖffAuftrPrV § 4 Rn. 9, beck-online, Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, VO PR Nr. 30-53 § 4 Rn. 25, beck-online), tragen beide Parteien übereinstimmend nicht vor. Ein solcher objektiver Preis ist allerdings auch praktisch fast nie auszumachen, allenfalls dann, wenn die jeweilige Leistung an einer Börse gehandelt wird oder die Preise staatlich gebunden sind (Gabriel/Krohn/Neun VergabeR-HdB/Voll, 4. Aufl. 2024, § 21 Rn. 64, beck-online). Der von der Beklagten für das Open-House-Verfahren vorgegebene Preis von 4,50 €/Maske stellt keinen objektiven Preis dar. Es ergibt sich aus den vorliegenden Unterlagen zweifelsfrei, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt FFP2-Masken auch zu deutlich niedrigeren Preisen gehandelt wurden. Dies ergibt sich schon aus dem vom Kläger selbst vorgelegten Angebot der T. AG zum Preis von 1,29 €/Maske (Anlage K16; Bl. 258 LG-Akte). Auch die Beklagte hat eine Reihe von Angeboten vorgelegt, bei denen der Preis zwischen 1,95 €/Maske und 3,95 €/Maske lag (Anlagen B 109, 110; Bl. 707 ff. d. A.) und damit den Preis im Open-House-Verfahren jeweils – teilweise sehr deutlich – unterschritt.
139Der maßgebliche betriebssubjektive Marktpreis ist der Preis, den der jeweilige Anbieter für die Leistung unter Wettbewerbsbedingungen auf dem Markt zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses auch anderweitig durchsetzen konnte, weil Verkehrsüblichkeit voraussetzt, dass der ermittelte Preis tatsächlich wiederholt auf dem Markt gezahlt wird. Auf die Preise anderer Unternehmer kommt es nicht an (MüKoEuWettbR/Brüning, 4. Aufl. 2022, ÖffAuftrPrV § 4 Rn. 9, beck-online). Demgemäß setzt die Ermittlung eines betriebssubjektiven Preises voraus, dass der Anbieter zu eben diesem Preis eine Mehrzahl von Umsatzakten – unter Wettbewerbsbedingungen - getätigt hat (Ebisch/Gottschalk/Hoffjan/Müller/ Hoffjan/Müller, 10. Aufl. 2024, VO PR Nr. 30/53 § 4 Rn. 64, beck-online). War ein Unternehmen – wie hier - bislang auf dem relevanten Markt noch nicht tätig, fehlt es an mehreren Umsatzakten, sodass ein betriebssubjektiver Preis nicht festgestellt werden kann. Dies hat für Newcomer zur Konsequenz, dass für deren Preis eine Selbstkostenprüfung stattzufinden hat, während die Preise der konkurrierenden Anbieter als Marktpreise festgestellt und ungeprüft bleiben. Ein Vergleich mit der Verkehrsüblichkeit von Preisen anderer Anbieter kommt jedenfalls nicht in Betracht (MüKoEuWettbR/Brüning, 4. Aufl. 2022, ÖffAuftrPrV § 4 Rn. 11a, beck-online).
140Hier kann ein betriebssubjektiver Preis nicht festgestellt werden, denn der Kläger hat, wie die Beklagte unwidersprochen vorträgt und es die Prozessbevollmächtigte des Klägers im Termin – insoweit nicht protokolliert – ausdrücklich bestätigt hat, erstmalig Schutzmasken angeboten. Es gibt also keine Vergleichsangebote des Klägers, aus denen sein betriebssubjektiver Preis für FFP2-Masken ermittelt werden könnte. Dass der Kläger mit der Beklagten im Rahmen des streitgegenständlichen Open-House-Verfahrens zwei weitere Verträge über FFP2-Masken zum Preis von netto 4,50 € pro Maske geschlossen hat, ändert daran nichts. Denn die im Open-House-Verfahren festgelegten Preise sind nicht unter Wettbewerbsbedingungen auf dem Markt zustande gekommen. Außerdem ist es gerade dieser Preis von 4,50 € pro Maske, der hier zur Überprüfung ansteht.
141Ein verkehrsüblicher Preis ist auch nicht gemäß § 4 Abs. 2 PreisV 30/53 a.F. zu ermitteln. Denn die Anwendung dieser Vorschrift setzt voraus, dass sich die Leistung, deren zulässiger Preis ermittelt werden soll, von einer marktgängigen Grundleistung derart unterscheidet, dass von einer „marktgängigen Leistung“ i.Wildd § 4 Abs. 1 VO PR Nr. 30/53 nicht mehr gesprochen werden kann (Gabriel/Krohn/Neun VergabeR-HdB/Voll, 4. Aufl. 2024, § 21 Rn. 72, beck-online). Zugleich muss parallel dazu eine marktgängige Leistung mit einem nach § 4 Abs. 1 PreisV 30/53 a.F. zu ermittelnden (in der Regel betriebssubjektiven) Marktpreis vorliegen, um von diesem einen Preis für die zu beurteilende vergleichbare Leistung – durch Abschläge und Zuschläge - ableiten zu können (Gabriel/Krohn/Neun VergabeR-HdB/Voll, 4. Aufl. 2024, § 21 Rn. 73, beck-online), woran es – wie gerade ausgeführt - ja hier gerade fehlt. Außerdem ist die Lieferung der hier streitgegenständlichen FFP2-Masken eine marktgängige Leistung i.Wildd. § 4 Abs. 1 PreisV 30/53 a.F. und unterscheidet sich nicht von einer solchen, ist also schon keine „vergleichbare Leistung“ im Sinne des § 4 Abs. 2 PreisV 30/53 a.F. Schon bevor der Begriff der marktgängigen Leistung in § 4 Abs. 2 PreisV 30/53 n.F. legal definiert wurde, verstand man darunter allgemein eine Leistung, die allgemein im wirtschaftlichen Verkehr hergestellt und gehandelt wird, für die es also einen Markt aus Angebot und Nachfrage gibt (Gabriel/Krohn/Neun VergabeR-HdB/Voll, 4. Aufl. 2024, § 21 Rn. 54, beck-online). Dies ist bei handelsüblichen FFP2-Masken sicherlich der Fall, so dass kein Raum für die Anwendung von § 4 Abs. 2 PreisV 30/53 a.F. besteht.
142Da schon aus den vorgenannten Gründen ein verkehrsüblicher Preis nach § 4 PreisV 30/53 a.F. nicht feststellbar war, kann dahinstehen, ob ein solcher Preis – wie die Beklagte meint – zusätzlich auch deshalb nicht feststellbar war, weil aufgrund der angespannten Marktlage zu Beginn der Corona-Pandemie ein funktionierender Wettbewerb nicht mehr bestanden habe, wobei ein funktionierender Wettbewerb zwingend für die Ermittlung eines verkehrsüblichen Preises nach § 4 Abs. 1 PreisV 30/53 a.F. vorauszusetzen wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.04.2016, Az.: 8 C 2/15, Rn 19, juris). Denn hier war der verkehrsübliche Preis im Sinne des § 4 Abs. 1 PreisV 30/53 a.F. auch unabhängig von einem grundlegend (noch oder nicht mehr) funktionierenden Wettbewerb nicht feststellbar.
143An der Maßgeblichkeit des sog. betriebssubjektiven Preises hält der Senat auch angesichts der vom Kläger in seinen Schriftsätzen vom 05.05.2025 und 08.05.2025 geäußerten Argumenten fest. Zwar lag im April 2020 aufgrund des Beginns der Corona-Pandemie eine besondere Situation vor, die zu erheblichen Preisanstiegen am Markt geführt hat, was insbesondere Schutzausrüstung anging, wie das von dem Kläger zitierte Landgericht Bonn (Urteil vom 16.04.2025, Az.: 1 O 213/29) zu Recht festgestellt hat. Allerdings rechtfertigt diese Situation es nicht, von der Systematik der PreisV 30/53 abzuweichen und entgegen der auch damals schon geltenden allgemeinen Meinung bei der Auslegung des § 4 PreisV 30/53 a.F. ausnahmsweise nicht den betriebssubjektiven Preis, sondern eine Bandbreite an objektiven allgemein verkehrsüblichen Preisen als Maßstab und Obergrenze zugrunde zu legen, nur um zu verhindern, dass die Anbieter sich mit einem Selbstkostenpreis nebst Gewinnzuschlag zufriedengeben müssen. Denn der von dem Landgericht als Argument angeführte extreme Preisanstieg spiegelt sich gerade auch in den Selbstkosten und den Preisen wieder, die die Anbieter in dieser besonderen Situation ihrerseits aufbringen müssen, um sich die entsprechende Ware zu beschaffen, und demgemäß auch in dem prozentual von diesen Selbstkosten aus berechneten Gewinnanteil. Durch die extremen Preisanstiege werden die Anbieter also auch bei Maßgeblichkeit des Selbstkostenpreises gerade nicht benachteiligt.
144Demgemäß ist – anders als der Kläger meint – auch keine verfassungskonforme Auslegung des § 4 PreisV 30/53 dahingehend geboten, dass bei Open-House-Verfahren entgegen der allgemeinen Systematik der PreisV und der allgemein anerkannten Maßgeblichkeit des betriebssubjektiven Preises, die einen Vergleich mit den Preisen anderer Anbieter grundlegend verbietet (Nomos-BR/Berstermann ÖffAuftrPrV/E. Berstermann, 2. Aufl. 2019, PreisV § 4 Rn. 22, beck-online), die Verkehrsüblichkeit des Preises im Sinne des § 4 PreisV objektiv anhand eines Vergleichs mit Preisen anderer Anbieter am allgemeinen Markt festzustellen wäre, nur um die Einhaltung des Gleichheitssatzes (Art. 3 GG) im Rahmen des Open-House-Verfahrens zu gewährleisten. Wie die Ausführungen der Vergabekammer (aaO) zeigen, ist es schon fraglich, ob die Einhaltung des Gleichheitssatzes zwingend nur durch einen Einheitspreis sichergestellt werden kann. Die Entscheidung des EuGH vom 02.06.2016 (Az.: C-410/14) enthält dazu jedenfalls keine konkreten Ausführungen. Jedenfalls ist aber - wie oben bereits aufgezeigt - gerade auch der öffentliche Auftraggeber, hier also die Beklagte, zum Schutz der Steuerzahlergemeinschaft grundsätzlich an die PreisV (und die damit einhergehenden Grundsätze zur Ermittlung des verkehrsüblichen Preises) gebunden, und kann diese Bindungswirkung nicht einfach durch die Wahl eines bestimmten Vergabeverfahrens, hier des Open-House- Verfahrens, umgehen. Es besteht auch keine Veranlassung und Notwendigkeit, diese Grundsätze allein durch Auslegung außer Kraft zu setzen, nur weil man ein Open-House-Verfahren ermöglichen und legitimieren möchte, weil nach § 2 Abs. 2 PreisV a.F. eine „Ausnahmegenehmigung“ des Wirtschaftsministerium für dieses Open-House-Verfahren möglich gewesen wäre. Die Befreiungsmöglichkeit ist auftragsbezogen und kann entweder für einen Einzelauftrag, bestimmte Gruppen von öffentlichen Aufträgen oder für sämtliche Aufträge eines bestimmten Unternehmens erfolgen (Gabriel/Krohn/Neun VergabeR-HdB/Voll, 4. Aufl. 2024, § 21 Rn. 36, beck-online).
145Da der Vertrag aus den vorgenannten Gründen – mangels Feststellbarkeit eines betriebssubjektiven Preises - gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 PreisV 30/53 a.F. zwingend zu dem Selbstkostenpreis des Klägers hätte geschlossen werden müssen, der Vertrag also hinsichtlich des darüber hinaus gehenden Kaufpreises gemäß § 1 Abs. 3 PreisV 30/53 a.F. teilnichtig gewesen wäre, sind die Selbstkosten des Klägers Ausgangspunkt für die Berechnung seines entgangenen Gewinns.
146Der Kläger trägt selbst vor, dass er die für die Belieferung der Beklagten erforderlichen 4 Mio. FFP2-Masken für netto 1,29 € pro Maske bei der T. AG lieferkosten- und zollfrei hätte beziehen können. Dies ergibt sich aus dem klägerischen Vortrag im Schriftsatz vom 06.04.2023 (dort VT. 12, Bl. 1245 eA LG) und dem Angebot der T. AG vom 01.04.2020 (Anlage K 16, Bl. 907 eA LG), worauf die Beklagte in ihrer Stellungnahme vom 20.02.2025 jeweils Bezug nimmt. Der Kläger trägt weiter vor, er hätte im Fall der Zuschlagserteilung „selbstredend das von der Beklagten bezeichnete Lager als Lieferadresse angegeben, wohin die T. AG auf eigene Kosten fristgerecht geliefert hätte“ (Seite 12 des Schriftsatzes vom 06.04.2023, Bl. 1245 eA LG). Weitere Kosten des Klägers als die sich aus diesem Vortrag ergebenden netto 1,29 € pro Maske sind bei der Berechnung des Selbstkostenpreises nicht zu berücksichtigen. Denn vor dem Hintergrund des klägerischen Vortrags ist nicht ansatzweise ersichtlich und wird von dem Kläger trotz ausdrücklicher Beanstandung durch die Beklagte (Bl. 1325 eA LG) auch im Berufungsverfahren nicht näher dargelegt, warum dem Kläger im Falle der Zuschlagserteilung die im Rahmen der Replik vom 06.04.2023 (dort Seite 12f, Bl. 1245f) geltend gemachten Personalkosten in Höhe von 61.500 € entstanden wären. Insbesondere erschließt sich nicht, warum der bis dahin als Einzelunternehmer ohne angestellte Mitarbeiter tätige Kläger für die Abwicklung des streitgegenständlichen Vertrages für Administration, Kundenservice, Vertrieb und Logistik insgesamt 10 Mitarbeiter für die Dauer von 2 Monaten hätte einstellen müssen, wenn er doch nach seinem eigenen Vorbringen lediglich die T. AG hätte anweisen müssen, die Masken direkt an die Beklagte zu liefern; abgesehen davon, dass ihm die Akquirierung von 10 Mitarbeitern in dem kurzen Zeitfenster bis Ende April 2020 kaum möglich gewesen sein dürfte. Mangels substantiiertem und nachvollziehbarem Klägervortrag ist auch nicht plausibel, warum der Kläger im Falle der pflichtgemäßen Zuschlagserteilung durch die Beklagte Mehrkosten in Höhe von 500.000 € durch die Zahlung einer Vermittlungsgebühr an einen Handelsvermittler und in Höhe von 250.000 € für zusätzliche Beratungskosten hätte haben sollen. Der entsprechende Vortrag des Klägers auf Seite 13 seines Schriftsatzes vom 06.04.2023 (Bl. 1246 eA LG) ist derartig pauschal und inhaltsleer, dass er einer Beweisaufnahme, durch die keine unzulässige Ausforschung betrieben werden darf, nicht zugänglich ist. Insbesondere ist auch nichts dazu vorgetragen, inwiefern die Zahlung einer Vermittlungsgebühr und die Beraterkosten hier im konkreten Fall erforderlich geworden und tatsächlich angefallen wären. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger derartig hohe Beträge „einfach so“ ohne Notwendigkeit verauslagt und dadurch seinen eigenen Gewinn geschmälert hätte. Außerdem sind allgemein nach Nr. 4 Abs. 2 der Leitsätze für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten (Anlage zur Verordnung PR Nr. 30/53 vom 21. November 1953) in der bis zum 31.03.2022 geltenden Fassung (im Folgenden: PreisLS a.F.) nur diejenigen Kosten zu berücksichtigen, die bei wirtschaftlicher Betriebsführung zur Erstellung der Leistungen entstehen. Für die Vertreterprovisionen gilt nach Nr. 35 PreisLS a.F., dass diese nur zu berücksichtigen sind, wenn bei Vorbereitung, Abschluss oder Abwicklung des öffentlichen Auftrags die Mitarbeit des Handelsvertreters notwendig ist und wenn sie sich in angemessenen Grenzen hält. Beides ist hier weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
147Gemäß § 8 PreisV 30/53 a.F. i.V.m. Nr. 4 Abs. 3 PreisLS a.F. errechnet sich der Selbstkostenpreis aus den anzusetzenden Kosten zuzüglich des kalkulatorischen Gewinns, der gemäß Nr. 52 Abs. 1 PreisLS a.F. für das allgemeine Unternehmerwagnis in einem Hundertsatz vom betriebsnotwendigen Vermögen oder in einem Hundertsatz vom Umsatz oder in einer Summe von zwei solchen Hundertsätzen oder in einem festen Betrag zu bemessen ist. Demgegenüber sieht Nr. 52 Abs. 1 PreisLS n.F. vor, das allgemeine Unternehmerwagnis mit einem Hundertsatz auf die Netto-Selbstkosten oder in einem festen Betrag zu bemessen. Das in Nr. 52 Abs. 1 PreisLS a.F. und n.F. vorgesehene Recht des Bundesministeriums für Wirtschaft, entsprechende Richt- oder Höchstsätze festzusetzen, ist bisher ungenutzt geblieben (Ziekow/Völlink/Weidenfeller/Schulte, 5. Aufl. 2024, ÖffAuftrPrV Kommentierung Rn. 131, beck-online). Vor diesem Hintergrund folgt der Senat dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten, wonach der kalkulatorische Gewinnanteil regelmäßig pauschal mit 5% der Netto-Selbstkosten angesetzt wird und geht gemäß § 287 ZPO davon aus, dass der Gewinnkostenanteil des Klägers mit 5 % des Netto-Selbstkosten zutreffend und adäquat erfasst ist und bei Bemessung des festen Betrags im Sinne der Nr. 52 Abs. 1 PreisLS a.F. für den kalkulatorischen Gewinnanteil so zugrunde gelegt werden kann. Der für die Höhe des entgangenen Gewinns darlegungs- und beweisbelastete Kläger, den zudem im Rahmen der Prüfung des –grundsätzlich von der Beklagten zu beweisenden - Preisrechtsverstoßes hinsichtlich seiner für die Beklagte nicht einsichtigen internen Gewinnkalkulation jedenfalls eine sekundäre Darlegungslast trifft, hat nichts dazu vorgetragen, inwiefern die Bemessung des kalkulatorischen Gewinns mit 5 % der Netto-Selbstkosten nicht angemessen sein sollte. Auch ansonsten sind keine anderweitigen konkreten Tatsachen ersichtlich, die eine Abweichung von dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten rechtfertigen.
148Dies ergibt bei 4 Mio. Masken zum Netto-Einzelpreis von 1,29 € und dementsprechend einem Gesamtvolumen an Netto-Selbstkosten in Höhe von 5.160.000 € einen kalkulatorischen Gewinnanteil von 258.000 €. Hieraus ergibt sich für den Gesamtauftrag ein zulässiger Selbstkostenpreis in Höhe von 5.418.000 € netto, was wiederum zu einem zulässigen Einzelpreis von netto 1,3545 € pro Maske führt. Pro Maske ergibt sich daraus ein entgangener Gewinn von 0,0645 € (1,3545 € - 1,29 €).
149Ein Aufschlag auf diesen Preis ergibt sich auch angesichts der damals vorherrschenden Corona-Pandemie nicht aus § 4 Abs. 4 PreisV 30/53 a.F. (der im Wesentlichen § 4 Abs. 7 PreisV 30/53 n.F entspricht). Ein Aufschlag nach § 4 Abs. 4 PreisV 30/53 a.F. kommt hier schon deshalb nicht in Frage, weil diese Vorschrift nur anwendbar ist, wenn der Marktpreis nach § 4 PreisV 30/53 a.F. maßgeblich ist, und nicht wie hier der Selbstkostenpreis nach § 5 PreisV 30/53 a.F. Außerdem wäre Vergleichsmaßstab dabei die tatsächlichen Kosten der zu überprüfenden Leistung, für die ein Marktpreis festgestellt wurde wie beispielsweise Kostendegressionen bei Großaufträgen. (MüKoEu-WettbR/Brüning, 4. Aufl. 2022, ÖffAuftrPrV § 4 Rn. 26, beck-online). Nicht maßgeblich sind die allgemeinen, äußeren Umstände, die bereits in die Preisbildung nach § 4 Abs. 1–3 PreisV 30/53 a.F. eingeflossen sind (MüKoEuWettbR/Brüning, 4. Aufl. 2022, ÖffAuftrPrV § 4 Rn. 27, beck-online).
150Die neuen Ausführungen der Beklagten zum Preisrecht erstmals im Schriftsatz vom 20.02.2025 sind nicht gemäß § 531 Abs. 2 ZPO als verspätet zurückzuweisen. Diese Ausführungen sind überwiegend rechtlicher Natur und können daher nicht präkludiert sein, da dies nur bei Tatsachenvortrag möglich ist. Soweit der Tatsachenvortrag der Parteien für die Prüfung der preisrechtlichen Vorschriften relevant ist, war er überwiegend schon Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens oder ist jedenfalls unstreitig geblieben, so dass auch deshalb eine Präklusion nach § 531 Abs. 2 ZPO ausscheidet. Dies mag in dem Verfahren, in dem das Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 06.02.2025 (8 U 38/23) ergangen ist, anders gewesen sein und deshalb dort die Zurückweisung des Vortrags gerechtfertigt haben (a. a. O, Rn. 182 – juris).
151Der Beklagten ist es auch nicht gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf die preisrechtlichen Vorschriften und die Teilnichtigkeit des Vertrages nach § 1 Abs. 3 PreisV 30/53 a.F., wäre er denn durch pflichtgemäße Zuschlagserteilung zustande gekommen, zu berufen. Dies ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass die Beklagte den Preis von netto 4,50 € pro Maske selbst vorgegeben und ursprünglich auch für angemessen gehalten hat (a. A. wohl OLG Köln, a. a. O. Rn. 194 – juris, allerdings ohne nähere Begründung). Denn § 1 Abs. 3 PreisV 30/53 a.F. richtet sich ausdrücklich auch an denjenigen, der den die Höchstpreisgrenze überschreitenden Preis verspricht. Der Schutzzweck des § 1 Abs. 3 PreisV 30/53 a.F., nämlich der Schutz des Fiskus vor zu hohen Preisen, gebietet es dementsprechend, grundsätzlich an der (Teil-)Nichtigkeit der unzulässigen Preisabrede festzuhalten. Eine Treuwidrigkeit der Partei, die sich auf § 134 BGB beruft, kann allenfalls ganz ausnahmsweise mit besonderen Umständen begründet werden, welche vom Zweck des Verbotsgesetzes nicht erfasst werden. Abgesehen von derartigen Ausnahmefällen sollte das durch die Auslegung des Verbotszwecks gefundene Ergebnis grundsätzlich nicht mittels Billigkeitserwägungen überspielt werden (BeckOGK/Vossler, 01.01.2025, BGB § 134 Rn. 98, beck-online). Ein solcher besonderer Ausnahmefall kann hier nicht angenommen werden. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass allein die Beklagte sich hier durch die Geltendmachung der Nichtigkeit zu ihrem früheren Verhalten in Widerspruch setzen würde (venire contra factum proprium). Denn offenbar war beiden Parteien bis vor Kurzem nicht bewusst, dass die preisrechtlichen Vorschriften hier relevant sind und zu einer Teilnichtigkeit der im Open-House-Verfahren vorgesehen Preise führen. Demgemäß hat das vom Kläger zitierte Landgericht Bonn (Urteil vom 16.04.2025, Az.: 1 O 213/20) zu Recht feststellt, dass hier keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Beklagte eine Teilnichtigkeit des Vertrages bewusst in Kauf genommen hat, um nachträglich von einem auf den Selbstkostenpreis nebst geringfügigem Zuschlag reduzierten Kaufpreis zu profitieren, ein gezieltes treuwidriges Verhalten also nicht feststellbar ist. Daher dürfte auch das von dem Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung geäußerte Argument nicht tragen, wonach die (teilweise) Rückforderung von aufgrund der Open-House-Verträge an andere Teilnehmer gezahlten Beträge an § 814 BGB scheitern würde. Auch dass die Beklagte nach dem hiesigen Klägervortrag in Parallelverfahren zunächst vorgetragen habe, dass der Preis von netto 4,50 € pro Maske im April 2020 nicht über den auf dem allgemeinen Markt zum damaligen Zeitpunkt üblichen Marktpreisen gelegen habe, begründet nun kein widersprüchliches Verhalten der Beklagten. Denn die Beklagte beruft sich hier gerade nicht auf die allgemeine Marktsituation und die zum damaligen Zeitpunkt am Markt üblichen Preise. Entscheidend ist hier vielmehr, dass – unabhängig von der allgemeinen Marktlage und der damaligen Bandbreite an Preisen anderer Anbieter - kein feststehender oder betriebssubjektiver Preis nach § 4 PreisV 30/53 a.F. ermittelt werden kann, so dass gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 Preis 30/53 a.F. der Selbstkostenpreis des Klägers zugrunde zu legen ist.
152Auch unter dem Gesichtspunkt, dass die Beklagte sich durch die Wahl des Open-House-Verfahrens ein zeitaufwändiges reguläres Vergabeverfahren erspart und durch den vorgegebenen Preis einen erheblichen Zeitvorteil „erkauft“ habe (wie das LG Bonn ausführt, aaO), führt nicht dazu, dass es nun als treuwidrig gerade auch gegenüber dem Kläger anzusehen wäre, dass die Beklagte sich hier auf die (nunmehr erstmals erkannte) Teilnichtigkeit des vorgegebenen Preises beruft. Denn zum einen ist es nicht in erster Linie die Beklagte als Rechtssubjekt, die durch die preisrechtlichen Vorschriften geschützt werden soll, sondern der Fiskus, so dass schon aufgrund der Schutzrichtung der preisrechtlichen Vorschriften die Teilnichtigkeit nicht wegen § 242 BGB unbeachtlich sein sollte. Außerdem ist nicht ersichtlich, inwiefern sich aus dem „erkauften“ Zeitvorteil ein wirtschaftlicher Nachteil für die Lieferanten ergibt, der nun – unbilliger Weise - auf diese abgewälzt werden würde. Insbesondere hat gerade auch der hiesige Kläger keinerlei Dispositionen getroffen, um dem „erkauften“ Zeitvorteil und der kurzen Lieferfrist gerecht zu werden, so dass es auf seiner Seite kein schutzwürdiges Vertrauen gibt, das in die Abwägung nach § 242 BGB eingestellt werden könnte.
153f)
154Die Beklagte dringt auch nicht mit ihrem Einwand durch, dem Kläger sei schon deshalb kein auf das pflichtwidrige Unterbleiben eines Zuschlags zurückzuführender Schaden entstanden, weil er ohnehin nicht hätte liefern können, wie sich schon daraus ergebe, dass er die beiden bezuschlagten Angebote letztlich nicht habe bedienen können. Hiermit macht die Beklagte den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens geltend, denn sie argumentiert, der Kläger habe den jetzt als entgangen geltend gemachten Gewinn mangels (streitiger) eigener Lieferfähigkeit auch dann nicht machen können, wenn die Beklagte pflichtgemäß im April 2020 den Zuschlag auch hinsichtlich der 4 Mio. FFP2-Masken erteilt hätte. Für den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens ist die Beklagte darlegungs- und beweisbelastet (vgl. MüKoBGB/Wagner, 9. Aufl. 2024, BGB § 823 Rn. 102, beck-online). Diesen Beweis hat die Beklagte nicht geführt. Insbesondere hat sie auch nach Hinweis des Senats im Beschluss vom 22.11.2024 (Bl. 356 eA OLG) keinen Beweis angeboten, weder dafür, dass der Kläger bis zum 30.04.2020 nicht hätte liefern können, noch dafür, dass er auch im Laufe des Mai 2020 nicht lieferfähig gewesen wäre. Die Beklagte beschränkt sich in ihrer Stellungnahme vom 10.01.2025 (Bl. 379) vielmehr darauf, ihre Behauptung zu wiederholen, der Kläger habe ja nach eigenen Angaben nicht bis zum 30.04.2020 liefern können, was sich aus seiner E-Mail vom 27.04.2020 (Anl. PwC 15, Bl. 905 eA LG) ergebe. Diese E-Mail bezieht sich aber auf die beiden bezuschlagten Angebote und lässt gerade nicht zwingend den Schluss zu, dass der Kläger auch die 4 Mio. hier streitgegenständlichen Masken nicht bis zum 30.04.2020 hätte liefern können. Diesbezüglich hat der Kläger nämlich in der Replik (Bl. 1249 eA LG) vorgetragen, er habe wegen der beiden bezuschlagten Angebote – im Ergebnis vergeblich – auf seine Verträge mit den Firmen D. und A. vertraut, sei davon ausgegangen, dass diese noch liefern würden, und habe daher bei der Beklagten nach einer Verschiebung des Liefertermins gefragt. Dass er bei Lieferengpässen der beiden vorgenannten Firmen nicht sofort auf das seiner Behauptung nach ausstehende Angebot der T. AG zurückgegriffen hat, ist auch verständlich, denn ansonsten wäre er Gefahr gelaufen, dass er nicht nur bei der T. AG, sondern zusätzlich bei den Firmen D. und A. Masken in beträchtlichem Umfang hätte abnehmen müssen, wenn letztere dann doch noch kurzfristig geliefert hätten. Zudem musste die Beklagte die Annahme der Lieferungen aus logistischen Gründen ja ohnehin zum Teil verschieben, so dass diese Vorgehensweise des Klägers legitim und nachvollziehbar ist. Vor diesem Hintergrund dringt die Beklagte auch mit ihrem Einwand nicht durch, der Kläger sei seiner sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen; er habe insbesondere nicht dargelegt, wie er denn die streitgegenständlichen Masken bis zum 30.04.2020 habe aufbringen wollen. Hierzu behauptet sie (Rn 63 der Klageerwiderung, Bl. 609 eA LG), aus den klägerseits vorgelegten Unterlagen (Anl. K 13-16) ergebe sich lediglich, dass der Kläger bis zum 01.05.2020 in Z. (S.) habe beliefert werden können. Das ist aber nicht zutreffend. Aus der Anlage K 16 (Bl. 258 eA LG) ergibt sich vielmehr ein Angebot der T. AG mit einem Lieferslot „26.04.-30.04.2020“ an eine vom Käufer, also dem Kläger, zu benennende Adresse. Der Kläger ist seiner sekundären Darlegungslast also nachgekommen. Daher dringt die Beklagte mit ihrem Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens nicht durch und ist so zu behandeln als habe der Kläger bei erfolgtem Zuschlag bis zum 30.04.2020 liefern können.
155Deshalb kommt es auf die zwischen den Parteien diskutierte Frage, ob im Fall der pflichtgemäßen Zuschlagserteilung ein absolutes oder relatives Fixgeschäft wirksam vereinbart worden wäre, nicht an. Auf die Wirksamkeit eines absoluten Fixgeschäftes käme es nur dann an, wenn erwiesen wäre – quod non -, dass der Kläger bis zum 30.04.2020 nicht hätte liefern können. Denn dann wäre bei Annahme eines absoluten Fixgeschäftes mit Ablauf des 30.04.2020 der Anspruch auf die Leistung und die Gegenleistung wegen Unmöglichkeit erloschen und damit auch die Möglichkeit für den Kläger den erwarteten Gewinn zu erzielen. Bei Annahme eines relativen Fixgeschäftes hätte die Beklagte bei ausbleibender Lieferung nach Ablauf des 30.04.2020 ohne vorherige Fristsetzung vom Vertrag zurücktreten können (§ 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB); andernfalls erst nach Setzung einer angemessenen Nachfrist, §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB.
156g)
157Der Anspruch des Klägers auf Ersatz des entgangenen Gewinns ist im Ergebnis nicht gemäß § 254 BGB zu kürzen.
158Zwar hat der Kläger im Rahmen seiner – zum Teil doppelten und dreifachen – Angebotsübermittlung möglicherweise dazu beigetragen, dass bei der Beklagten der Überblick über die Angebotslage verloren gegangen ist. Allerdings hat er mit E-Mail vom 06.04.2020 ausreichend deutlich klargestellt, dass noch das Angebot über 4 Mio. FFP2-Masken ausstehend ist und dieses Angebot gerade nicht mit E-Mail vom 07.04.2020 wieder zurückgezogen. Unabhängig davon musste der Beklagte jedenfalls klar sein, dass der Kläger mindestens ein ordnungsgemäßes Angebot über 4 Mio. FFP2-Masken abgegeben hatte, welches sie hätte bezuschlagen müssen. Die ungeordnete Kommunikation des Klägers kann sich daher allenfalls auf die – hier nicht relevante - Frage bezogen habe, ob darüber hinaus weitere Angebote zu berücksichtigen gewesen wären.
159Auch wäre es sicherlich hilfreich gewesen, wenn der Kläger zeitnah nach Abgabe des hier streitgegenständlichen Angebots vom 05.04.2020 bei der Beklagten nachgefragt hätte, warum die Zuschlagserteilung ausbleibt, um so zu verhindern, dass dieses Angebot von der Beklagten übersehen wird und nur deshalb ohne Zuschlag bleibt. Anders als der Kläger meint, kann sich das Telefonat mit Herrn X. am 14.04.2020 nicht auf das hier streitgegenständliche Angebot im Open-House-Verfahren bezogen haben. Denn diesem Telefonat waren – wie der Kläger selbst vorträgt – anderweitige Angebote außerhalb des Open-House-Verfahrens vorausgegangen. Auf diese anderweitigen Angebote muss sich das Telefonat auch bezogen haben, denn der Kläger hat schriftsätzlich vortragen lassen und in der mündlichen Verhandlung auch noch mal betont, dass es in diesem Telefonat zunächst um die Baumustereigenschaften der angebotenen Masken gegangen sei und Herr X. ihm dann gesagt habe, er solle „noch bis zum 27. April 2020 abwarten […] und dass danach sicherlich ein Zuschlag erteilt würde, wenn der Bedarf und die Stückzahlen der Lieferung feststehen“. Beides ergibt keinen Sinn, wenn es um das Angebot aus dem Open-House-Verfahren gegangen wäre, weil hierbei die Baumustereigenschaften bereits feststanden und ein Zuschlag zudem nicht von dem am 27.04 2020 noch zu ermittelnden Bedarf abhängen konnte, sondern jedem Anbieter zu erteilen war, der die Anforderungen des Open-House-Verfahrens erfüllte.
160Gleichwohl führt das Versäumnis des Klägers, beizeiten nach dem noch ausstehenden Angebot zu fragen, hier nicht zu einer Kürzung seines Anspruchs nach § 254 BGB. Denn es ist zu beachten, dass der Schädiger die Darlegungs- und Beweislast für das Mitverschulden des Geschädigten und dessen (Mit-)Ursächlichkeit für den Schaden trifft (MüKoBGB/Oetker, 9. Aufl. 2022, § 254 Rn. 146, beck-online). Diese Mitursächlichkeit ist hier seitens der Beklagten nicht hinreichend plausibel dargelegt worden. Insbesondere hat der Kläger unwidersprochen vorgetragen, dass eine Nachfrage seinerseits mit hoher Wahrscheinlichkeit unbeantwortet geblieben wäre. Das Open-House-Verfahren sei aufgrund der Überlastung der Beklagten dadurch geprägt gewesen, dass viele Lieferanten Nachfragen gestellt hätten und ohne Antwort geblieben seien. So habe auch der Kläger am 16.04.2020 eine Nachfrage betreffend den Vertrag über die Lieferung von 450.000 FFP2-Masken gestellt, welche seitens der Beklagten unbeantwortet geblieben sei“ (Seite 12 des Schriftsatzes vom 13.01.2025, Bl. 473 eA OLG). Vor diesem Hintergrund hätte die Beklagte näher darlegen müssen, dass und wie sie denn auf eine rechtzeitige Nachfrage des Klägers betreffend das noch ausstehende Angebot reagiert hätte. Insbesondere wäre nur dann von Mitursächlichkeit des Versäumnisses des Klägers auszugehen, wenn die Beklagte auf eine entsprechende Nachfrage des Klägers den Zuschlag erteilt hätte. Hierfür bestehen aufgrund der Verweigerungshaltung der Beklagten im weiteren Verlauf keine hinreichenden Anhaltspunkte.
161h)
162Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
163Allerdings ist hier zu differenzieren. In erster Instanz wurde mit der am 22.09.2022 zugestellten Klage lediglich – im Wege der Teilklage – der entgangene Gewinn für 95.000 FFP2-Masken geltend gemacht. Dies entspricht bei einem entgangenen Gewinn von 0,0645 € pro Maske einem Gesamtbetrag von 6.127,50 € (0,0645 € x 95.000 Masken). Erst mit Zustellung der Berufungsbegründung und Klageerweiterung am 10.10.2023 ist der Antrag auf Ersatz des entgangenen Gewinns für den gesamten Vertrag rechtshängig geworden, so dass sich der Zinsanspruch für den über 6.127,50 € hinausgehenden Betrag erst ab dem 11.10.2023 ergibt.
1644.
165Der Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus einem Gegenstandswert von 258.000 € ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 249 BGB, da es sich um Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung handelt.
1665.
167Die Eventualwiderklage, die unter der prozessualen Bedingung erhoben worden ist, dass die Klage als unbegründet abgewiesen wird, ist mangels Klageabweisung als unbegründet gegenstandslos und wäre aufgrund der Klageerweiterung in der zweiten Instanz jedenfalls unzulässig geworden.
168III.
169Die Revision wird zugelassen, da die Sache im Hinblick auf die Voraussetzungen, unter denen ein auf Naturalrestitution gerichteter Schadensersatz ausgeschlossen ist und an dessen Stelle ein allein auf Geldersatz in Höhe des entgangenen Gewinns gerichteter Anspruch tritt, und im Hinblick auf die Anwendung der preisrechtlichen Vorschriften in der hiesigen Konstellation des Open-House-Verfahrens eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten erscheinen lässt, § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
170IV.
171Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.