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1. Eine Eltern-Kind-Beziehung ist anzunehmen, wenn ein soziales Familienband besteht, das seinem Inhalt nach dem durch die natürliche Abstammung geschaffenem Band ähnelt, das unter Erwachsenen wesentlich durch eine auf Dauer angelegte Bereitschaft zum gegenseitigen Beistand geprägt ist, den sich leibliche Eltern und Kinder typischerweise leisten.
2. Ein solche Beziehung ist zu verneinen, wenn der Anzunehmende als Neffe des Annehmenden zwar dessen Unterstützung in beruflicher Hinsicht in Anspruch nimmt, eine darüber hinausgehende Bindung aber nicht ersichtlich ist und der Anzunehmende weiterhin eine gute Beziehung zu seinen Eltern pflegt.
1. Die Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Köln vom 12.04.2023 (318 F 191/22) wird zurückgewiesen.
2. Die Beteiligten haben die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte zu tragen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 100.000,00 € festgesetzt.
Gründe:
2I.
3Der Annehmende ist der Onkel des Anzunehmenden. Er lebt von seinem Lebenspartner getrennt und hat keine eigenen Kinder. Der Anzunehmende hat zwei ältere Geschwister. Der Vater des Anzunehmenden ist geschieden; er und der Annehmende sind Zwillingsbrüder.
4Der Annehmende hatte seit jeher ein enges familiäres Verhältnis zu dem Anzunehmenden. Dieses intensivierte sich nach der Trennung der Eltern des Anzunehmenden vor etwa acht Jahren. Der Anzunehmende besucht den Annehmenden seitdem häufig; für Fragen betreffend die Ausbildung und die Zukunft ist dieser erster Ansprechpartner. Der Anzunehmende entschloss sich aufgrund des Rats des Annehmenden, das Abitur zu machen und zu studieren. Das Studium des Anzunehmenden finanziert der Annehmende. Auch hat der Annehmende dem Anzunehmenden in C. eine Wohnung gekauft, da dieser keine Wohnung zur Miete gefunden hat. Während der Anzunehmende sehr gut im siebenstelligen Bereich verdient und nach eigenen Angaben Millionär ist, haben die Eltern des Anzunehmenden nicht studiert und der Vater verdient netto nicht mehr als 2.000,00 €. Der Anzunehmende hatte und hat ein gutes Verhältnis zu seinen Eltern. Der Vater des Anzunehmenden ist für diesen Ansprechpartner für praktische oder handwerkliche Fragen. Weihnachten feiern die Beteiligten stets gemeinsam, wobei hierbei auch die Eltern des Anzunehmenden zugegen waren bzw. seit der Trennung der Vater des Anzunehmenden zugegen ist.
5Mit angefochtenem Beschluss vom 10.12.2024 hat das Amtsgericht den Antrag der beiden Beteiligten auf Annahme des Anzunehmenden durch den Annehmenden als Kind zurückgewiesen. Die sittliche Rechtfertigung der beantragten Adoption sei nicht gegeben. Zwar habe das Gericht im Anhörungstermin den Eindruck gewonnen, dass zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden ein herzliches und gutes Verhältnis bestehe und dass der Annehmende den Anzunehmenden fördere und finanziell großzügig unterstütze. Nichtsdestotrotz beständen beim Gericht weiterhin Zweifel, dass der beantragten Adoption ein rein familienbezogenes Motiv zugrunde liege. Vielmehr dränge sich nach der persönlichen Anhörung der Beteiligten der Eindruck auf, dass unter anderem steuerrechtliche Motive eine Rolle spielen. Wenn es sich bei der beantragten Adoption nicht nur um eine Bestätigung des zweifelsohne sehr engen verwandtschaftlichen Verhältnisses zwischen den Beteiligten und ihrer familiären Verbundenheit, sondern letztlich auch um eine erbschaftsteuerrechtlich sehr vorteilhafte Gestaltung handele, könne trotz der Beteuerung der Beteiligten, dass dies für den Adoptionsantrag keine Bedeutung gehabt habe, jedoch bei der Frage, ob die Annahme als Kind sittlich gerechtfertigt sei, nicht außer Betracht bleiben, dass hierdurch dem Staat Steuereinnahmen in beträchtlicher Höhe entgehen würden (OLG Koblenz, Beschluss vom 19.12.2019 – 7 UF 516/19 –, juris). Zudem beständen Zweifel daran, dass zwischen den Beteiligten ein Eltern-Kind-Verhältnis entstanden sei oder entstehen werde. Die Beteiligten seien bereits verwandtschaftlich verbunden. Zudem pflege der Anzunehmende weiter ein gutes Verhältnis zu seinen Eltern, denn auch der Vater des Anzunehmenden fülle eine Rolle aus, wenn auch eine andere.
6Hiergegen richtet sich die Beschwerde sowohl des Annehmenden als auch des Anzunehmenden vom 06.12.2024. Es handele sich vorliegend um eine besonders intensive familiäre Bindung, der Annehmende sei mehr als nur ein Onkel für den Anzunehmenden. Er sei der erste Ansprechpartner bei Problemen aller Art, sei es bei persönlichen Problemen oder bei Fragen zur Ausbildung. Der Annehmende habe keine eigenen Kinder und wolle gerne Vater sein und später auch Großvater. Der Annehmende unterstütze den Anzunehmenden nicht nur ideell, sondern auch finanziell. Die gute Beziehung des Anzunehmenden zu seinen leiblichen Eltern bzw. insbesondere zu seinem leiblichen Vater stehe einer Adoption nicht entgegen, denn in dem bedeutsamen Bereich der Ausbildung hätten nicht seine Eltern den Anzunehmenden unterstützt, sondern der Annehmende. Steuerliche Motive seien hier ein Nebenzweck, der aber nicht die anderen Zwecke überlagere.
7Sie beantragen,
8unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Annahme des Herrn H. V. Z., geboren am 00.00.2002, durch Herrn W. A. Z. als Kind mit den Wirkungen der Annahme nach den Vorschriften der Erwachsenenadoption ausgesprochen.
9II.
101. Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässig eingelegte Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Köln vom 10.12.2024 ist in der Sache nicht begründet.
11Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht den Antrag der Beteiligten auf Ausspruch der Annahme des Anzunehmenden durch den Annehmenden zurückgewiesen. Der Senat verweist insoweit, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die zutreffenden und überzeugenden Erwägungen der amtsgerichtlichen Entscheidung.
12Die Beschwerdebegründung vom 23.01.2025 bietet keinen Anlass zu einer anderen Sichtweise und macht lediglich folgende ergänzenden Anmerkungen erforderlich:
13a. Der Senat teilt die Auffassung des Amtsgerichts, dass zwischen den Beteiligten kein Eltern-Kind-Verhältnis besteht bzw. nicht ausreichend dargelegt ist. Von einer Eltern-Kind-Beziehung ist auszugehen, wenn ein soziales Familienband besteht, das seinem Inhalt nach dem durch die natürliche Abstammung geschaffenem Band ähnelt, das unter Erwachsenen wesentlich durch eine auf Dauer angelegte Bereitschaft zum gegenseitigen Beistand geprägt ist, den sich leibliche Eltern und Kinder typischerweise leisten (OLG München, Beschluss vom 10.02.2017 - 33 UF 1304/16, juris; OLG Nürnberg, Beschluss vom 12.06.2015 - 10 UF 272/15, juris). Maßgebend ist eine dauernde innere Verbundenheit, wie sie zwischen Eltern und Kind auch nach dessen Volljährigkeit prägend bleibt (OLG Hamburg, Beschluss vom 08.04.2020 - 2 UF 2/20, juris). Für die Entstehung einer Eltern-Kind-Beziehung sprechen Gemeinsamkeit, familiäre Bindungen und innere Zuwendung untereinander. Es muss sich um ein solches Maß an innerer Verbundenheit zwischen den Beteiligten handeln, dass sich die Beziehung klar von einer engen Freundschaft oder engen Verbundenheit zwischen Verwandten abhebt und in die Nähe einer echten, gelebten Beziehung zwischen einem Elternteil und dessen erwachsenem Kind rückt.
14Neben den vom Amtsgericht aufgeführten Bedenken, die der Senat teilt, ist durch nichts vorgetragen, dass sich die gute Bindung der Beteiligten zueinander nicht nur darin zeigt, dass der Annehmende die Ausbildung des Anzunehmenden finanziell trägt und er ihn hier auch erheblich unterstützt, sondern dass andersherum auch der Anzunehmende eine auf Dauer angelegte Bereitschaft zum Beistand des Annehmenden fühlt und zeigt. In den erstinstanzlich wie mit der Beschwerde eingereichten Schriftsätzen sowie im Rahmen der mündlichen Anhörung der Beteiligten durch das Amtsgericht ging es ausschließlich darum, dass der Annehmende den Anzunehmenden in schulischen bzw. Ausbildungsfragen berät und auch finanziell unterstützt. Ein darüberhinausgehendes Lebensband ist nicht vorgetragen. Der Anzunehmende hat nicht dargelegt, in welcher Form auch er gegenwärtig für den Annehmenden die besondere Stellung eines Kindes hat, also einer Person, die gezeichnet durch eine lange familiäre Bindung jederzeit bereit ist, für den Elternteil „einzuspringen“ oder anwesend zu sein, um ihn emotional zu unterstützen oder einfach zu lieben. Dass und welche Probleme er mit dem Annehmenden neben berufliche Fragen bespricht, ist weder dargetan, noch ersichtlich. Auch im Hinblick auf den Willen und die Bereitschaft des Anzunehmenden, den Annehmenden mit dem zunehmenden Alter zu stützen und ggf. zu pflegen, ist nichts vorgetragen und dargetan. Aber auch unabhängig von der mangelnden Darlegung einer besonderen emotionalen Verbundenheit, die über eine Onkel-Neffe-Beziehung hinausgeht, sind auch keine äußeren Umstände dargelegt worden, die das nahelegen. Es ist schon nichts zu gemeinsamen Geburtstagen vorgetragen oder sonstigen gemeinsamen Aktivitäten. Weihnachten wird in der Großfamilie gefeiert, so dass hierdurch keine Rückschlüsse gezogen werden können. Gemeinsame Urlaube haben nicht stattgefunden, was als ein Indiz gegen eine wechselseitige Einstandsgemeinschaft spricht.
15Im Hinblick auf die Einstandsbereitschaft des Annehmenden für den Anzunehmenden wird diese bzgl. Ausbildungsfragen und deren Finanzierung nicht durch den Senat in Frage gestellt. Darüber hinaus jedoch wird nichts vorgetragen, was einer Eltern-Kind-Beziehung gleichsteht. Vielmehr hat der Anzunehmende selber in seiner Anhörung vor dem Amtsgericht erklärt, jeder (also einmal der Annehmende und einmal sein Vater) besäße „seinen Bereich“ und entsprechend würde er sich entweder an den einen oder den anderen wenden, ohne hier Hemmungen zu haben. Eine natürliche Priorisierung zugunsten des Annehmenden, weil dieser eine umfassende Vaterrolle einnimmt, kann dem gerade nicht entnommen werden; vielmehr sieht der Senat hier den für den Anzunehmenden glücklichen Umstand, dass er mehrere Erwachsene in seinem Leben hat, die für ihn unterschiedliche Ressourcen darstellen – einmal der Annehmende in beruflichen und wirtschaftlichen Fragen und einmal der Vater in praktischen und handwerklichen Fragen.
16Weiter ist zu berücksichtigen, dass sich die besonders enge Bindung zwischen den Beteiligten erst mit der Trennung der Eltern des Annehmenden, als er 16 Jahre alt war, entwickelt hat, also zu einem Zeitpunkt, in dem die wesentliche Bindungsentwicklung bei Menschen (lange) beendet ist. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beteiligten vor diesem Zeitpunkt bereits eine Bindung hatten, die über eine auch enge Onkel-Neffe-Beziehung hinausgeht.
17Weiter hat der Annehmende selber eingeräumt, dass auch steuerliche Motive eine Rolle spielen, worauf das Amtsgericht zutreffend hingewiesen hat. Spielen bei der Adoption mehrere Motive eine Rolle, dann muss das familienbezogene das Hauptmotiv sein. Gerade dieses Element sieht der Senat vor dem Hintergrund der soeben gemachten Ausführungen sowie unter Verweis auf die Begründung des Amtsgerichts als nicht gegeben an.
18Insgesamt verbleibt es dabei, dass es besonderer Umstände bedarf, um anzunehmen, dass neben einem zeitlich prioritären Eltern-Kind-Verhältnis ein neues oder weiteres Eltern-Kind-Verhältnis im Laufe der Jahre entstanden sein soll, und diese besonderen Umstände nicht ersichtlich sind (vgl. anders z.B. im Fall des OLG Stuttgart, Beschluss vom 15.01.2019 – 17 UF 87/18, juris).
19Das Bestehen einer familiären Bindung kann mithin nicht angenommen werden.
20b. Eine Annahme ist nach dem Inhalt der Akte und dem Inhalt der Beschwerdebegründung auch nicht aufgrund eines zu erwartenden familiären Verhältnisses auszusprechen.
21aa. Wenn noch kein bereits bestehendes Eltern-Kind-Verhältnis festzustellen ist, kommt eine sittliche Rechtfertigung im Sinne des § 1767 BGB auch dann in Betracht, wenn lediglich zu erwarten ist, dass ein solches Verhältnis künftig entstehen wird und ein familienbezogenes Motiv (etwa Fortführung des Lebenswerkes oder Betreuung und Unterstützung bei Krankheit im Alter) der entscheidende Anlass für die Annahme ist (BGH, Beschluss vom 25.08.2021 – XII ZB 442/18, juris). Die Beantwortung der Frage, ob eine sittliche Rechtfertigung besteht, erfüllt den Zweck, die Adoptionsmöglichkeiten einzuschränken, um Missbräuchen bei der Annahme von Volljährigen zu begegnen (BGH, a.a.O., Rn. 40). Das zusätzliche Kriterium der sittlichen Rechtfertigung gewährleistet bei sich lediglich anzubahnenden Eltern-Kind-Verhältnissen, dass diese Begünstigung auf diejenigen Ausnahmefälle beschränkt bleibt, in denen sie durch familienbezogene Gründe ausreichend legitimiert sind. An einer solchen Legitimation fehlt es jedenfalls beim Vorliegen familienfremder Gründe für die Adoption, wenn diese nämlich gerade auf die Erlangung der auf der Wahlverwandtschaft beruhenden, punktuell günstigen Rechtspositionen vermögensrechtlicher, steuerrechtlicher, namensrechtlicher oder ausländerrechtlicher Natur abzielt.
22bb. Gemessen an diesen strengen Voraussetzungen sind keine familienbezogenen Gründe mit der Beschwerdebegründung vorgetragen worden, die eine Adoption schon jetzt legitimieren würde. Der vom Amtsgericht ausgeführte Umstand, dass der Anzunehmende eine gute Beziehung zu seinem Vater unterhält, spricht dem entgegen. Auch die steuerrechtlichen und erbrechtlichen Gründe sind nicht von der Hand zu weisen.
232. Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG. Die Festsetzung des Verfahrenswertes folgt aus §§ 42, 40 FamGKG (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.06.2010 – 8 WF 205/09, juris).
24Rechtsbehelfsbelehrung:
25Diese Entscheidung ist unanfechtbar.