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Die Vollziehung des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - EUSKRICHEN vom 29.11.2024 (39 F 35/23), mit dem das Amtsgericht begleiteten Umgang des Kindesvaters mit seiner Tochter angeordnet hat, wird bis zur Entscheidung über die Beschwerde der Kindesmutter in der Hauptsache ausgesetzt.
Umgänge finden damit bis zur Entscheidung über die Hauptsache nicht statt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
2I.
3Die Kindeseltern der am 00.00.2021 geborenen Tochter lebten bis März 2022 gemeinsam mit der Tochter in B.. Im August 2021 kam es zu einer Auseinandersetzung in Anwesenheit des Säuglings, bei der der Kindesvater gegen eine Fensterscheibe schlug, so dass diese zu Bruch ging. Aufgrund von eskalierenden Streitigkeiten zwischen den Kindeseltern zog die Kindesmutter am 00.04.2022 mit X. in ein Frauenhaus in C..
4Zunächst fanden keine Umgangskontakte statt. Durch Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Euskirchen vom 31.08.2022 (Az. 39 F 80/22) ordnete das Amtsgericht einmal wöchentliche, einstündige, begleitete Umgangskontakte des Kindesvaters mit seiner Tochter an, die in der Folge von Oktober 2022 bis März 2023 insgesamt acht Mal stattfanden. In der Zwischenzeit zog die Kindesmutter mit X. in eine eigene Wohnung. Weiter hat das Mädchen mit ihrer Großmutter mütterlicherseits Umgänge.
5Auf die Umgangskontakte mit dem Kindesvater reagierte X. zunehmend belastet, obwohl die eigentlichen begleiteten Kontakte zwischen Vater und Tochter positiv verlaufen sind und es nicht zu aggressiven Durchbrüchen des Kindesvaters gekommen ist. Der Kindesvater bedrohte und beleidigte die Kindesmutter jedoch über soziale Medien und stellte ihr nach, so dass sie sich wieder in das Frauenhaus C. begab. Seitens des Jugendamtes C. wurde die Situation als tatsächlich bedrohlich eingestuft. Daraufhin wurde in dem einstweiligen Anordnungsverfahren 39 F 34/23 durch Beschluss vom 06.04.2023 in Abänderung des Beschlusses vom 31.08.2022 der Umgang des Kindesvaters mit X. für die Dauer von sechs Monaten ausgeschlossen.
6Im März 2023 fand der letzte begleitete Umgangskontakt statt, seitdem haben keine Umgänge mehr zwischen Vater und Tochter stattgefunden. Nach der mündlichen Verhandlung vom 06.04.2023 drohte der Kindesvater der Kindesmutter erneut. Daraufhin wurde im einstweiligen Anordnungsverfahren 39 F 38/23 ein Beschluss nach dem Gewaltschutzgesetz erlassen.
7Im hiesigen Verfahren hat das Jugendamt auch auf einen gerichtlichen Hinweis vom 14.05.2024 hin die Begleitung von Umgängen abgelehnt, wurde jedoch durch Beschluss des Verwaltungsgerichts Aachen vom 01.10.2024 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, für den Zeitraum bis zum 15.03.2025 seine Bereitschaft zur Mitwirkung als Umgangsbegleiter an begleiteten Umgangskontakten des Antragstellers mit seiner Tochter gegenüber dem Familiengericht zu erklären.
8Der Kindesvater konsumiert Cannabis und Amphetamine; in welchem Umfang, ist unklar. Eine begonnene Therapie bei dem O. hat er nach drei Terminen abgebrochen. Weiter leidet er an einer Impulskontrollstörung.
9Das Amtsgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens gegen die Empfehlung der Verfahrensbeiständin mit angefochtenem Beschluss vom 29.11.2024 begleitete Umgänge des Kindesvaters mit dem verfahrensbetroffenem Kind jeden dritten Mittwoch für die Dauer von zwei Stunden festgelegt. Aufgrund der bei dem Kindesvater vorhandenen Impulskontrollstörung und des Konsums von Drogen sei ein unbegleiteter Umgang kindeswohlgefährdend. Ein häufigerer Umgang scheide aus, da die Kindesmutter durch die Historie häuslicher Gewalt in Form von Bedrohungen und Stalking in der Vergangenheit immer noch - auch wenn die letzten Vorfälle bereits aus dem Jahr 2023 stammten - belastet sei und sich diese Belastung auf das Kind in der Vergangenheit bereits übertragen habe. Ihr Schutzbedarf nach Art. 31 IK sei insoweit zu berücksichtigen. Weiter hat das Amtsgericht ausgeführt, dass bei der Prognose über die Wirkung der Umgangskontakte auf Mutter und Kind positiv zu beachten sei, dass es seit Mai 2023 nur zu einer einzigen Kontaktaufnahme, nämlich einer Nachricht an den Lebensgefährten der Kindesmutter über D., gekommen sei, obwohl der Kindesvater bereits seit einem Jahr und acht Monaten keinen Umgang zu seiner Tochter gehabt habe. Insofern sei hier von einer positiven Veränderung des Kindesvaters auf der Verhaltensebene auszugehen.
10Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Kindesmutter vom 18.12.2024, mit der sie einen Umgangsausschluss anregt und die Aussetzung der angeordneten Umgänge beantragt. Sie trägt unter Vorlage des Polizeieinsatzberichtes vor, dass der Kindesvater am 12.12.2014 erneut versucht habe, zu ihr auf ihrer Arbeitsstelle Kontakt aufzunehmen. Er habe verlangt, sie zu sehen, und habe sich selbst dann noch geweigert, zu gehen, als ein Wachmann hinzugekommen sei. Er habe protestiert, als ein Hausverbot ausgesprochen worden sei. Die Polizei sei informiert und ein Platzverweis durch diese ausgesprochen worden. Erst danach sei der Kindesvater bereit gewesen, zu gehen. Durch dieses Verhalten des Kindesvaters sei sie daran gehindert worden, ihre Tochter X. abzuholen. Sie sei von einem Wachmann begleitet worden und auf Umwegen zurückgefahren, um auszuschließen, dass sie verfolgt würde.
11In der Folgezeit hat sie sowohl Strafanzeige erstattet als auch einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz gestellt.
12II.
13Die Entscheidung des Senats beruht auf § 64 Abs. 3 2. Halbs. FamFG. Danach kann das Beschwerdegericht vor der Entscheidung in der Hauptsache anordnen, dass die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses auszusetzen ist.
14In Verfahren betreffend die Regelung des Umgangsrechts kommt eine einstweilige Aussetzung der Vollziehung einer Anordnung nach §§ 1684 Abs. 2, 3, 1685 BGB durch das Beschwerdegericht in Betracht. Voraussetzung für eine Aussetzung der Vollziehung einer Umgangsregelung ist regelmäßig, dass das Rechtsmittel Aussicht auf Erfolg hat oder die Rechtslage zumindest zweifelhaft ist. Dabei sind die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels und die drohenden Nachteile für den Rechtsbeschwerdeführer gegeneinander abzuwägen (BGH, Beschluss vom 31.10.2018 - XII ZB 411/18, NZFam 2018, 1077 m. Anm. Schmidt).
15Diese Voraussetzungen liegen vor. Ob die Beschwerde in der Sache erfolgreich sein wird, wird nach der Anhörung der Beteiligten und Erörterung in der Sache zu entscheiden sein. Jedoch ist bis zur Entscheidung in der Hauptsache aufgrund des sich aus Art. 31 der Istanbul-Konvention ergebenden Schutzbedarfs der Kindesmutter der Umgang des Kindesvaters mit seiner Tochter auch in begleiteter Form auszusetzen, indem die Vollziehung des amtsgerichtlichen Beschlusses ausgesetzt wird. Schon das Amtsgericht hat zur Abwendung einer ansonsten bestehenden Kindeswohlgefährdung begleitete Umgänge angeordnet, die aufgrund der Belastung der Kindesmutter durch das in der Vergangenheit durch den Kindesvater gezeigte Verhalten auf alle drei Wochen einmal zu reduzieren waren. Das Amtsgericht hat weiter auf die bestehende Belastung der Kindesmutter und die hierdurch in der Vergangenheit erfolgte Belastung des Kindes hingewiesen und den Schutzbedarf der Kindesmutter nach Art. 31 Abs. 2 IK hervorgehoben. Der Umstand, dass sowohl das Verwaltungsgericht Aachen als auch das Amtsgericht zu der Einschätzung gekommen sind, dass eine Kindeswohlgefährdung bei reduzierten Umgängen in begleiteter Form nicht bestehen würde, hing maßgeblich damit zusammen, dass der Kindesvater zuvor letztmalig im Mai 2023 mit der Kindesmutter Kontakt aufgenommen hatte und sie seitdem auch ansonsten nicht mehr bedroht oder beleidigt hatte. Das Amtsgericht sah hierin ausdrücklich eine positive Entwicklung des Kindesvaters, die eine positive Prognose zulasse.
16Der Umstand, dass sich der Kindesvater jedoch umgehend, nachdem ihm das Jugendamt mitgeteilt hat, dass der für Dezember geplante erste Umgang noch nicht stattfinden könnte, weil sich das Mädchen noch nicht ausreichend an die Fachkräfte gewöhnt habe, und deshalb auf den 15.01.2025 verschoben müsse, zur Arbeitsstelle der Kindesmutter begeben hat und hier erst nach Hinzuziehung der Polizei dazu zu bewegen war, die Örtlichkeiten zu verlassen, stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen die sich aus § 1684 Abs. 2 BGB ergebende Wohlverhaltenspflicht dar. Das Verhalten zeigt, dass der Kindesvater ganz offensichtlich nicht in der Lage ist, mit Frust und Stress umzugehen und die notwendige Distanz zur Kindsmutter nicht bereit ist, einzuhalten.
17Die Kindesmutter fühlt sich durch dieses Verhalten des Kindesvaters zu Recht bedroht. Das Verhalten des Kindesvaters stellt einen Fall häuslicher Gewalt i.S.v. Art. 3b IK dar. Denn Partnerschaftsgewalt endet nicht immer mit der Trennung vom Partner (vgl. z.B. EGMR, Urteil vom 19.11.2024 – 17106/28, Vieru v. The Republic of Moldova) BeckRS 2024, 35741). Häufig setzt sie sich in veränderter Form fort oder tritt sogar erstmals nach der Trennung auf (Spearman, Journal of Family Trauma, Child Custody & Child Development, Volume 21, 2004/issue 2, abrufbar unter: https://pmc.nc.bi.nlm.nih.gov/articles/PMC11114442/.) Die Trennung steigert die Prävalenz anderer Formen der Viktimisierung, was sich vorliegend durch das Verhalten des Kindesvaters zeigt. Entsprechend stellt Gewalt nach der Trennung keine situative Gewalt dar, sondern steht in engem Zusammenhang mit der gescheiterten Beziehung (EGMR, Urteil vom 19.11.2024 – 17106/28, Vieru v. The Republic of Moldova, BeckRS 2024, 35741; Fegert/Witt, ZKJ 2022, 288 m.w.N.). Vor diesem Hintergrund hat das grundrechtliche geschützte Recht des Kindesvaters auf Umgang mit seiner Tochter (Art. 6 Abs. 2 GG) hinter dem Recht der Kindesmutter auf körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 1, Abs. 2 GG unter Beachtung von Art. 31 Abs. 2 IK zurückzustehen, so dass die Vollziehung der Umgangsentscheidung des Amtsgerichts bis zur Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen ist.
18Rechtsmittelbelehrung:
19Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.