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Wird die Berufung gegen ein Urteil nach Lage der Akten gegen die säumige Partei, das in Übereinstimmung mit §§ 708 Nr. 2, 711 S. 1 ZPO weder eine Sicherheitsleistung des Gläubigers noch eine Abwendungsbefugnis des Schuldners vorsieht, zurückgewiesen, so ist in einschränkender Auslegung von §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO auch in der Berufungsentscheidung eine Abwendungsbefugnis nicht auszusprechen.
Die Berufung des Beklagten gegen das am 16.02.2024 verkündete Vorbehaltsurteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 10 O 93/23 – wird durch einstimmig gefassten Beschluss zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Beklagte.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 295.053,50 € festgesetzt.
Gründe:
2I.
3Die Klägerin begehrt gegenüber dem Beklagten die Bezahlung von zwei ausstehenden Kaufpreisraten aus einem zwischen den Parteien bestehenden Bauträger-Kaufvertrag über eine exklusive Eigentumswohnung in B..
4Wegen des näheren Sachverhalts, der dem Rechtsstreit zugrunde liegt, sowie der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
5Das Landgericht hat nach erstmaliger Rüge der Vollmacht der Prozessbevollmächtigten der Klägerin durch die Beklagtenseite im Verhandlungstermin vom 22.09.2023 diese einstweilen zur Verhandlung zugelassen, eine Frist zum Nachweis der Bevollmächtigung bestimmt und nach deren Ablauf einen erneuten Verhandlungstermin am 26.01.2024 bestimmt sowie den zuvor bestimmten Verkündungstermin aufgehoben. In der Sache hat das Landgericht der Klage mit dem angefochtenen, antragsgemäß nach Lage der Akten ergangenen Vorbehaltsurteil vom 16.02.2024 (Bl. 279 ff. LGA) im Urkundenprozess vollumfänglich stattgegeben und dem Beklagten die Ausführung seiner Rechte im Nachverfahren vorbehalten.
6Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Er vertritt weiterhin die Ansicht, die Klage sei unzulässig gewesen, und trägt insbesondere vor: Zwar verweise das Landgericht zurecht auf den Umstand, dass die Genehmigung einer Prozessführung grundsätzlich möglich ist, "wenn der vom vollmachtlosen Vertreter erhobene Klage seine Vollmacht nachgebracht hat". Dies gelte jedoch nicht, wenn die bereits zuvor eingeräumten Gelegenheiten zum Nachweis der fehlenden Vollmacht der Prozessbevollmächtigten fruchtlos verstrichen sei. Die Klage habe hier als unzulässig abgewiesen werden müssen. Die weitere Gelegenheit, die das Landgericht dem Kläger in der hier gegebenen, besonderen prozessualen Situation zubilligen wolle, stehe in Widerspruch zu höchstrichterlichen Entscheidungen.
7Der Beklagte beantragt,
8das angefochtene Vorbehaltsurteil des Landgerichts Köln vom 26. Januar 2024, Az. 10 0 93/23, zugestellt am 20. Februar 2024, aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
9Die Klägerin beantragt,
10die Berufung zurückzuweisen.
11II.
12Der Beschluss ergeht gemäß § 522 Abs. 2 ZPO.
131.
14Zur Begründung wird zunächst auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 06.01.2025 (Bl. 149 ff. OLGA) Bezug genommen:
15Entgegen der Ansicht des Beklagten war die Klage danach im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt zulässig und die Klägerin von ihren Prozessbevollmächtigten wirksam vertreten.
16Die Berufung wendet sich nicht gegen die landgerichtliche Feststellung, wonach die Klägerin mit Schriftsatz vom 15.01.2024 eine Originalvollmacht vom 12.01.2024 zur Akte gereicht hat (s. Bl. 240 ff. u. 249 ff. LGA). Sie wendet sich ferner auch nicht dagegen, dass eine Genehmigung der Prozessführung grundsätzlich möglich ist.
17Soweit die Berufung alleine rügt, dass diese Genehmigung hier nicht mehr möglich gewesen sei, weil die bereits zuvor eingeräumten Gelegenheiten zum Nachweis der fehlenden Vollmacht der Prozessbevollmächtigten fruchtlos verstrichen gewesen seien, ist dies unzutreffend. Maßgebliche Grundlage (auch der Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen) des angegriffenen Urteils ist nach allgemeinen Grundsätzen der Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung, aufgrund derer das Urteil ergangen ist (BGH, Beschluss vom 29. Juni 2022 – VII ZB 14/19 –, juris). Deshalb kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Vertretungsmangel in jeder Lage des Verfahrens, also auch nach Ablauf der Rechtsmittelfrist in der jeweiligen Instanz, geheilt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juni 2022 – VII ZB 14/19 –, juris; Beschluss vom 2. Dezember 2020 - XII ZB 303/20 Rn. 10 f., NJW 2021, 1956). Entsprechendes gilt auch für die vorliegende Entscheidung nach Lage der Akten. Ob die Prozessbevollmächtigten der Klägerin zuvor, im ersten Termin zur mündlichen Verhandlung oder innerhalb der ihnen sodann gesetzten Frist, ihre Bevollmächtigung noch nicht ordnungsgemäß nachgewiesen hatten, ist hingegen ohne Belang. Bei der nach § 89 Abs. 1 S. 2 ZPO bestimmten Frist handelt es sich nicht etwa um eine Ausschlussfrist; wird die Vollmacht innerhalb der Frist nicht eingereicht, so kann sie noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung beigebracht oder die bisherige Prozessführung durch die Partei oder ihren neuen Vertreter genehmigt werden (BGH, NJW-RR 2012, 515, 516).
182.
19Die erfolgte Stellungnahme des Beklagten gibt lediglich zu folgender ergänzenden Begründung Anlass:
20Soweit sich die Berufung auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 7. März 2002 - VII ZR 193/01 - beruft, kann sie hieraus nichts für sie Günstiges herleiten; vielmehr bestätigt diese Entscheidung im Gegenteil die Auffassung des Senats. Denn der Bundesgerichtshof hat darin ausgeführt, dass ein zunächst fehlender, dann aber nachgereichter Nachweis der Vertretungsmacht in jeder Lage des Verfahrens, selbst im Revisionsverfahren, noch zu berücksichtigen ist (NJW 2002, 1957 f.). Dass im Entscheidungszeitpunkt des Landgerichts tatsächlich eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vorlag, zieht die Berufung selbst nicht in Zweifel.
21Die Anberaumung eines Fortsetzungstermins durch das Landgericht war auch offensichtlich nicht ermessensfehlerhaft. Ob ein Gericht von § 156 Abs. 1 ZPO Gebrauch macht, steht grundsätzlich in seinem Ermessen (vgl. BGH, NJW 2000, 142, 143), wobei neben dem allgemeinen Beschleunigungsgebot einer sachlich richtigen Entscheidung selbstverständlich großes Gewicht zukommt. Im Übrigen dürfte eine – wie hier – erfolgte Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung – in Abgrenzung zu deren Ablehnung – schon im Ansatz im Berufungsrechtszug nicht rügefähig sein.
223.
23Ob der Beklagte mit der Rüge der fehlenden Zulässigkeit der Klage auch die Statthaftigkeit des Urkundenprozesses infrage stellen möchte, bleibt unklar, doch kann dies dahinstehen, weil das Urteil insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Beklagten erkennen lässt. Das Landgericht hat die Statthaftigkeit des Urkundenprozesses ausgehend von den urkundlichen Nachweisen und dem unstreitigen Tatsachenvortrag zutreffend bejaht und nicht urkundlich nachgewiesene Einwendungen des Beklagten gemäß § 598 ZPO zurückgewiesen. Soweit das Landgericht den Stundungseinwand des Beklagten nicht nur mangels Urkundenbelegs, sondern auch mangels erheblichen Vortrages zurückgewiesen hat, begegnet auch dies keinen Bedenken, zumal mit der Berufung kein ergänzender Vortrag zu einer etwaigen Stundungsabrede erfolgt ist.
244.
25Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
26Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10 S. 2 ZPO. Eine Abwendungsbefugnis für den Schuldner ist vorliegend ausnahmsweise nicht auszusprechen: Das angefochtene Urteil nach Lage der Akten gegen die säumige Partei sieht in Übereinstimmung mit §§ 708 Nr. 2, 711 S. 1 ZPO weder eine Sicherheitsleistung noch eine Abwendungsbefugnis vor. Wenngleich der vorliegende Beschluss selbst keine Entscheidung nach § 708 Nr. 2 ZPO darstellt, so entspräche es offensichtlich nicht dem Sinn der Gesetzesbestimmungen, den Gläubiger infolge einer für ihn vollauf erfolgreichen Zurückweisung der gegnerischen Berufung vollstreckungsrechtlich schlechter zu stellen, indem dem Schuldner eine zuvor nicht gegebene Abwendungsbefugnis erstmals eingeräumt wird. Mithin sind §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO insoweit einschränkend auszulegen. Auch dieser Frage kommt keine die Beschlusszurückweisung hindernde grundsätzliche Bedeutung zu, weil sich ihre Beantwortung unmittelbar aus dem Gesetzeszweck ergibt.