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1. Die Berufung der Klägerin zu 1) und des Klägers zu 2) gegen das am 28.03.2024 verkündete Urteil des Landgerichts Köln – 14 O 438/21 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten der Berufung.
3. Das genannte Urteil des Landgerichts und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e:
2I.
3Die Klägerin zu 1) betreibt ein Architekturbüro, der Kläger zu 2) ist deren geschäftsführender Gesellschafter. Die Beklagte zu 2) betreibt ebenfalls ein Architekturbüro, die Beklagte zu 1) ist Projektentwicklerin. Die Beklagte zu 2) hat die Gebäude am „Neuen Kanzlerplatz“ 2019 in I. gestaltet, die Beklagte zu 1) hat das Bauprojekt entwickelt. In Bezug auf diese Gestaltung hatte die Beklagte zu 2) einen Architektenwettbewerb zur Errichtung eines neuen Büroquartiers am S.-Platz gewonnen. Die Kläger haben die Beklagten wegen einer behaupteten Verletzung von Urheberrechten an der Fassadengestaltung „TEK 1400“, die in W./Main realisiert wurde, 2015 und 2019 erfolglos abgemahnt.
4Die Klägerin zu 1) hat behauptet, sie sei Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an der Fassade „TEK 1400“, die der Kläger zu 2) im Jahr 2010/2011 entwickelt habe. Die ausschließlichen Nutzungsrechte habe der Kläger zu 2) der Klägerin zu 1) eingeräumt. Die ersten Ideen zum Einsatz plastischer vertikaler Fensterelemente (Lisenen) habe der Kläger zu 2) schon 1997/1998 gehabt. 2010/2011 habe der Kläger am heimischen Küchentisch mit Stift und Papier ein Raster entwickelt, das mit einem plastisch vor der Fassade stehenden Raster kombiniert worden sei. Der Kläger zu 2) habe sich dabei an den Kubismus angelehnt und versucht, eine Bewegung über mehrere Geschosse zu gestalten. Die Fassade „TEK 1400“ sei für eine Planung des L.-Hochhauses in I. 2012 veröffentlicht worden, parallel auch am Objekt Y.-Str. 47 in W. geplant und 2015 umgesetzt worden (Anl. K 0, Bl. 100 ff. LGA). Die Gestaltung setze sich mit dem „Frankfurter Stil“ vor dem ersten Weltkrieg und der Architektur Mies van der Rohes auseinander und versuche, städtische Eleganz wiederzugewinnen. Die quadratischen Natursteinlisenen bewegten sich in Wellen über die Fassade und erinnerten mit ihren breiten Schwingen an ein Gewebe oder Netz. In ihrer dreidimensionalen Plastizität und Tiefe werde die Fassade zu einem städteräumlichen Element. Die Fassaden seien mehrfach wegen ihrer Individualität in der Presse erwähnt und auch prämiert worden. Die Formensprache von TEK 1400 sei geprägt durch alternierende, vor- und zurückversetzte Lisenen und Gesimse, die sich zu vorspringenden Kreuzungspunkten mit kleinen rechteckigen Frontflächen verjüngen und zu zurückgesetzten Kreuzungspunkten mit größeren Frontflächen verbreitern. Die Fassadenkomposition beginne ohne Sockel bereits im Bodenbereich des Gebäudes.
5Wegen der genaueren Auflistung der als charakteristisch angesehenen Elemente wird auf die Klageschrift und das landgerichtliche Urteil verwiesen.
6Die Kläger haben gemeint, die Fassadengestaltung sei einzigartig, vorbekannte Gestaltungen, die alle Einzelheiten enthielten, gebe es nicht, allenfalls spätere Gestaltungen, welche die Besonderheiten der klägerischen Fassade aufnähmen. Auch ein von den Beklagten hinzugezogener Architekt hätte keinen mit der klägerischen Gestaltung übereinstimmenden vorbekannten Fassadenentwurf ermittelt. Die Kläger haben zudem gemeint, die Fassade der Beklagten nehme alle wesentlichen Merkmale der Fassade „TEK 1400“ auf. Der einzige Unterschied finde sich bei dem unterhalb des Fensters verlaufenden Gesims, das bei naher Betrachtung bei den Beklagten in Richtung des Kreuzpunktes schräg verlaufe, während die Fassade der Kläger einen waagerechten Verlauf zeige. Wegen der näheren Ausführungen und Abbildungen wird auf Anlage K 22 (Bl. 229 ff. LGA) verwiesen. Dieser Unterschied beeinflusse den Gesamteindruck jedoch nicht. Die Kläger haben gemeint, die Beklagten schuldeten Unterlassung sowie die Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr nach Maßgabe der Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen (HOAI). Von der danach anfallenden Gebühr in Höhe von 2.162.371,78 Euro wird ein Teilbetrag in Höhe von 757.000,- Euro durch die Klägerin zu 1) geltend gemacht. Der Kläger zu 2) könne in gleicher Höhe eine Lizenzgebühr für die fehlende Urheberbenennung geltend machen.
7Die Beklagte zu 2) hat behauptet, der Geschäftsführer der Beklagten zu 2) habe den Entwurf der Fassade des Objektes Neuer S.-Platz ohne Kenntnis und ohne Verwendung des Entwurfs des Klägers zu 2) erstellt. Die Gestaltungselemente von „TEK 1400“ hätten 2012 zum bekannten Formenschatz im Bereich der Architektur gehört, kreuzförmig angeordnete konische Gesimse und Lisenen würden bereits seit den 1950er Jahren zur Fassadengestaltung eingesetzt, wie Aufnahmen aus diesen Jahren von diversen Gebäuden zeigten. Hilfsweise hat sie gemeint, dass eine freie Bearbeitung nach § 23 Abs. 1 S. 2 UrhG vorliege. Die Gestaltungen würden in ihrer geometrischen Form, im Längenverhältnis für die Raster, in den Proportionen der Gestaltungselemente und im gewählten Baumaterial voneinander abweichen. Während die klägerische Fassade durch einen rechteckigen Rahmen begrenzt werde, wickele sich die Fassadengestaltung der Beklagten kontinuierlich um die zugehörigen Gebäude. Auch Sockelbereich und Platzierung des Eingangsportals wichen voneinander ab.
8Die Beklage zu 1) hat sich diesen Vortrag zu eigen gemacht. Sie hat gemeint, nicht passivlegitimiert zu sein, weil sich ihr Beitrag auf die Projektentwicklung beschränkt habe.
9Das Landgericht hat den Urheberschutz der Fassadengestaltung der Klägerseite verneint und die Klage vollumfänglich abgewiesen. Die prägenden Elemente der Fassadenkomposition seien 2011 vorbekannt gewesen und insbesondere in der von André Chatelin entworfenen Fassade der Direction régionale des Télécommunications, Lyon 1979, aber auch in früheren Gebäuden in London (Space House, 1966) und Addis Abeba (Bidula Building, 1959) realisiert. Soweit es kleinere Unterschiede gebe, seien diese insgesamt nicht prägend für den Gesamteindruck eines gleichförmigen und gleichsam „wellenartigen“ Netzes. Die Fensterumrahmungen dürften nicht einzeln, sondern sie müssten als Teil der Gesamtgestaltung alternierender vor- und zurückversetzter Kreuzungspunkte betrachtet werden. Der vorbekannte Gesamteindruck ergebe übereinstimmend eine netzartige Struktur, die sich aufgrund ihrer Dreidimensionalität „wellenartig“ über die Gebäude ziehe. Die Prämierung der Gestaltung der Beklagten lasse nicht den Schluss zu, dass die Gestaltungneuartig sei. Der unterschiedliche Werkstoff ändere daran nichts, weil es ausschließlich auf Gesamteindruck, nicht aber auf die verwendeten Materialien ankomme. Wegen der weiteren Einzelheiten einschließlich der erstinstanzlichen Anträge wird auf das Urteil des Landgerichts verwiesen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
10Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Kläger. Sie meinen, das Landgericht habe zur Bestimmung der Urheberschutzfähigkeit der klägerischen Fassade zu Unrecht das Kriterium der Neuheit herangezogen. Dem Kläger zu 2) sei die vom Landgericht als schutzausschließend angeführte Fassade von Chatelin nicht bekannt gewesen. Sie sei auch in den Architekturkreisen nahezu unbekannt. Der Einwand, dass in der Architektur allgemein bekannte Gestaltungselemente verwendet worden seien, verfange nicht, weil auch durch die Übernahme solcher Elemente eine eigenschöpferische Wirkung erzielt werden könne. Im Übrigen habe das Landgericht zu der Frage, ob die Elemente allgemein bekannt seien, keine Feststellungen getroffen, allerdings im Verfahren auch nicht darauf hingewiesen, dass der Werkschutz wegen dieser vorbestehenden Fassade zweifelhaft sein könne. Zudem habe sich die Entscheidung auf ein einziges Lichtbild der Chatelin-Fassade gestützt, das die Gestaltungselemente nicht ausreichend erkennen lasse. Im Übrigen finde sich der Gesamteindruck eines wellenartigen Netzes von dreidimensionalen Lisenen- und Gesimsgestaltungen nur bei der klägerischen Gestaltung, nicht aber bei der Chatelin-Fassade. Die Chatelin-Fassade enthalte harte Brüche, vor allem im Sockelbereich und weiche auch im Übrigen von der klägerischen Fassadengestaltung in mehrfacher Hinsicht ab.
11Wegen der weiteren Ausführungen wird auf die Berufungsbegründung und die Schriftsätze im Berufungsverfahren hingewiesen.
12Die Kläger beantragen, unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils
13für die Klägerin zu 1),
14I. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an sie 757.000,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
15Für den Kläger zu 2),
16II. 1. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, es (bei Meidung von Ordnungsmitteln) zu unterlassen, die in Anlage K 0, linke Spalte dargestellte Gebäudefassade der Y.-Str. 47, W.
17a) zu vervielfältigen und/oder zu bearbeiten, ohne auf seine Urheberschaft hinzuweisen, wenn dies geschieht, wie durch die Errichtung der Gebäude S.-Platz 2-10, I., und wie in Anlage K 0, rechte Spalte und Anlage K 49 ersichtlich;
19b) durch Einbindung in einen Internetauftritt zu vervielfältigen und/oder öffentlich zugänglich zu machen und/oder zu bearbeiten, ohne auf seine Urheberschaft hinzuweisen, wenn dies geschieht, wie auf den Webseiten https://entfernt/ und/oder https://entfernt/ und in Anlage K 8 ersichtlich.
202. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an ihn 100.000,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
213. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, es (bei Meidung von Ordnungsmitteln) zu unterlassen, die in Anlage K 0, linke Spalte dargestellte Gebäudefassade der Y.-Str. 47, W. (Einblendung wie unter II.1)
22a) zu vervielfältigen und/oder zu bearbeiten ohne auf die Urheberschaft des Klägers zu 2) hinzuweisen, wenn dies geschieht wie durch die Errichtung der Gebäude S.-Platz 2-10, I. und wie in Anlage K 0, rechte Spalte und Anlage K 49 ersichtlich.
23b) durch Einbindung in einen Internetauftritt zu vervielfältigen und/oder öffentlich zugänglich zu machen und/oder zu bearbeiten ohne auf die Urheberschaft des Klägers zu 2) hinzuweisen, wenn dies geschieht wie auf der Webseite www.entfernt/ und in Anlage K 9 ersichtlich.
24Die Beklagten beantragen,
25die Berufung zurückzuweisen.
26Die Beklagten verteidigen das landgerichtliche Urteil insbesondere in der Annahme, dass die Ausführung der klägerischen Fassadengestaltung keinen Urheberschutz genieße. Die die klägerische Fassadengestaltung charakterisierenden Elemente seien vorbekannt und Fachkreisen geläufig. Der Vortrag zur fehlenden Bekanntheit sei verspätet. Jedenfalls sei anzunehmen, dass der Kläger als Architekt die in neuerer Zeit vielfach realisierten Fassaden zumindest unbewusst übernommen habe. Auch wenn die klägerische Gestaltung die Anforderungen an den Werkschutz erfüllte, würde die Gestaltung der Beklagten jedenfalls nicht in deren Schutzbereich eingreifen. Die klägerische Gestaltung hebe sich allenfalls geringfügig vom vorbekannten Formenschatz ab, so dass auch der Schutzumfang entsprechend gering sei. Eine identische Gestaltung liege nicht vor.
27Der Senat hat die von den Parteien vorgelegten 3-D-Modelle im Termin zur mündlichen Verhandlung im Beisein der Parteien und Parteivertreter in Augenschein genommen und diese Augenscheinnahme fotografisch dokumentiert. Wegen des Ergebnisses der Augenscheinnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 08.11.2024 (Bl. 615 ff. d. A. verwiesen).
28II.
29Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerseite kann gegen die Beklagtenseite weder Unterlassungs- noch Schadensersatzansprüche geltend machen. Das Landgericht hat zutreffend bereits die Urheberschutzfähigkeit der klägerischen Gestaltung aufgrund des vorbekannten Formenschatzes verneint. Unabhängig davon greift die Gestaltung der Beklagten nicht in den Schutzbereich dieser Gestaltung ein.
301. Der Unterlassungsantrag ist ausreichend bestimmt, weil die Abbildungen in Anlage K 0 erkennen lassen, worin die Besonderheit der klägerischen Gestaltung besteht und Anlage K 49 die Gestaltung der Beklagten hinreichend deutlich werden lässt.
31Die Klägerseite stellt mit dem Unterlassungsantrag vor allem auf das dreidimensionale Rahmenelement der Fassade ab. Der Unterlassungsanspruch im Übrigen stellt auch auf die Übernahme der Fassadengestaltung, nicht aber auf deren Wirkung in Gebäudeensembles ab, so dass es auf den Einbau der Fassade in unterschiedlich hohe, breite oder in verschiedenen Ensembles platzierte Gebäudereihen nicht ankommt. Daher kommt es auch nicht darauf an, ob und inwieweit die Klägerseite vorwiegend aus dem Gebäude Y.-Str. in W. oder aus dem L.-Gebäude vorgeht, denn jeweils geht es um dieselbe Fassadengestaltung, deren Übernahme durch die Beklagten gerügt wird.
322. Die Klägerin zu 1) hat keinen Unterlassungs- und Schadensersatzanspruch aus §§ 97 Abs. 2; 15 Abs. 1, 16 Abs. 1; 15 Abs. 2, 19a UrhG, der Kläger zu 2) keinen Schadensersatzanspruch aus §§ 97 Abs. 2, 13 UrhG.
33a) aa) Der Kläger zu 2) ist aktivlegitimiert in Bezug auf den Antrag, die Darstellung und Ausführung der Fassade ohne Urhebernennung zu rügen. In Bezug auf den Anspruch auf immaterielle Entschädigung ist nur der Kläger zu 2) aktivlegitimiert, weil nur er in seinem Namensnennungsrecht nach §§ 97 Abs. 2, 13 UrhG verletzt sein konnte. Er hat ausreichend dargelegt, dass er die maßgeblichen Entscheidungen über die Gestaltung selbst getroffen hat, also Schöpfer der Fassade ist. Das folgt insbesondere aus der mit Anlage K 40 (Bl. 851 LG) vorgelegten ausführlichen Darlegung des Schaffensprozesses. Der von den Beklagten erhobene Einwand, dass auch Gehilfen an dem Entwurf beteiligt waren, hindert die Annahme der Urheberschaft nicht. Der bloße Gehilfenbeitrag führt noch nicht zur Miturheberschaft (RGZ 82, 333, 336 – Fassadengestaltung). Die Beklagten haben nicht dargelegt, dass der Gehilfenbeitrag künstlerischen Einfluss auf die Gesamtgestaltung genommen hat. Dies ist nach Darstellung des Schöpfungsprozesses auch nicht plausibel. Die Aktivlegitimation in Bezug auf den Anspruch auf immaterielle Entschädigungen gegen die Beklagte zu 1) ergibt sich aus der Urheberstellung und der unterlassenen Namensnennung.
34bb) Die Klägerin zu 1) ist allein aktivlegitimiert in Bezug auf die Ansprüche auf Schadensersatz wegen Ausführung und Darstellung der Fassade. Die Klägerin zu 1) hat ausreichend dargelegt, dass der Kläger zu 2) ihr seine Nutzungsrechte eingeräumt hat. Dies wurde von den Beklagten nicht ausreichend bestritten. Allein der von ihnen hervorgehobene Umstand, dass eine mündliche Einräumung von Nutzungsrechten unüblich sei, hindert nicht die Wirksamkeit einer solchen Einräumung, denn die Einräumung von Nutzungsrechten unterliegt – mit Ausnahme der Fälle unbekannter Nutzungsarten (§ 31a) und künftiger Werke (§ 40 Abs. 1 UrhG) – keinen Formvorschriften (Schricker/Loewenheim/Ohly, § 31 Rn. 11). Sie kann daher auch mündlich erfolgen (BGH GRUR 1971, 362, 363 – Kandinsky).
35b) aa) Die Beklagte zu 2) ist passivlegitimiert, weil sie die Gebäudefassade der Bebauung des S.-Platzes entworfen und ausgeführt hat. Sie hat nicht bestritten, auch an der Einbindung der Fassadenabbildungen in diverse Internetseiten, darunter auch die der Beklagten zu 1) beteiligt gewesen zu sein.
36bb) Die Passivlegitimation der Beklagten zu 1) besteht ohne weiteres für die Darstellung der Fassade auf der von der Beklagten zu 1) verantworteten Internetseite "http://www.entfernt/" (Antrag II 1 b). Sie ist aber auch einstandspflichtig für die Ausführung der Fassadengestaltung selbst. Als Projektentwicklerin erbringt sie neben Aufgaben eines Bauträgers zahlreiche weitere Leistungen, die zur Realisierung eines Bauvorhabens und seiner erfolgreichen Platzierung am Markt gehören. Eine den Bauentwurf oder die Bauausführung betreffende Handlung liegt auch darin, dass ein Bauherr die auszuführenden Pläne kennt, genehmigt und danach bauen lässt (Schricker/Loewenheim/Leistner, § 97 Rn. 61; LG Oldenburg BeckRS 2013, 19507).
37c) Das Landgericht hat die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche mit der Begründung verneint, dass die Fassadengestaltung keinen Werkschutz nach §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG genieße, da alle wesentlichen Elemente der klägerischen Fassade einem vorbekannten Formenschatz entspringen und auch die Komposition der einzelnen Elemente nicht zu einem neuen Werk führe. Diese Wertung teilt der Senat. Vorab ist in diesem Zusammenhang zu betonen, dass der Kläger – wie durch die Fassung der Klageanträge deutlich wird, und wie in der mündlichen Verhandlung mit den Parteien erörtert – nicht die Nachahmung des von ihm geschaffenen Gebäudes Y.-Str. 47 beanstandet, auch nicht die Nachahmung der kompletten Fassade als solcher. Dies ist auch konsequent, da die unterschiedlichen Bauformen und Fassaden des Komplexes S.-Platz einen deutlich abweichenden Gesamteindruck von dem Gebäude und der Fassade Y.-Str. 47 aufweisen:
38Y.-Str. 47 (Bl. 315 d. A.):
39S.-Platz (Bl. 281 LGA):
41Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 8. 11. 2024 (Bl. 616 d. A.)
43Der Kläger begehrt vielmehr Schutz für ein Element der Fassadengestaltung, die er dahingehend charakterisiert, dass sie geprägt sei durch alternierende, vor- und zurückversetzte Lisenen und Gesimse, die sich zu vorspringenden Kreuzungspunkten mit kleinen rechteckigen Frontflächen verjüngen und zu zurückgesetzten Kreuzungspunkten mit größeren Frontflächen verbreitern.
46Anlage K 0 (Bl. 101 LGA):
47aa) Das Landgericht hat richtigerweise ausgeführt, dass sich der urheberrechtliche Schutz auf Bauten jeder Art, insbesondere auch auf Teile von Bauwerken (BGH GRUR 1988, 533 – Vorentwurf II; BGHZ 61, 88, 94 – Wählamt), wie etwa Fassadengestaltungen (so bereits RGZ 82, 333, 336 – Fassadengestaltung), erstreckt.
49bb) Für eine Einstufung der Gestaltung als Werk gem. § 2 Abs. 2 UrhG muss es sich nach dem übereinstimmenden unionsrechtlichen und nationalen Werkbegriff bei dem betreffenden Gegenstand um ein Original in dem Sinne handeln, dass er eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt. Ein Gegenstand ist ein Original, wenn er die Persönlichkeit seines Urhebers widerspiegelt, indem er dessen freie kreative Entscheidung zum Ausdruck bringt. Das ist der Fall, wenn ein kreativer Gestaltungsspielraum bestanden hat (nachfolgend (1)) und dieser Spielraum auch kreativ ausgenutzt wurde (nachfolgend (2)).
50(1) An einem kreativen Gestaltungsspielraum fehlt es, wenn die Schaffung eines Gegenstandes durch technische Erwägungen, durch Regeln oder durch andere Zwänge bestimmt wurde, die der Ausübung kreativer Freiheit keinen Raum gelassen haben. Zum anderen ist die Einstufung als Werk Elementen vorbehalten, die eine solche eigene geistige Schöpfung zum Ausdruck bringen (EUGH ZUM 2020, 609 Rn. 22 – Brompton Bicycle; EUGH ZUM 2019, 834 Rn. 29 ff. – Cofemel; BGH ZUM 2024, 261 Rn. 12 – USM Haller; BGH ZUM 2022, 547 Rn. 28 f. – Porsche 911; BGH GRUR 2021, 1290 Rn. 57 – Zugangsrecht des Architekten; BGH ZUM 20212, 36 Rn. 36 – Seilzirkus, OLG Köln ZUM-RD 2024, 327, 329 f. – Gesundheitssandalen).
51Danach liegt eine persönliche geistige Schöpfung vor, wenn die Gestaltung über die technisch, sachzweckgebundenen Elemente hinaus eine individuell ästhetische Prägung erkennen lässt, weil Gestaltungsspielräume für persönliche Kreativität vorhanden und hinreichend individuell ausgenutzt worden seien.
52Der mögliche Einwand, dass die Gestaltung durch ihre technische Funktion bedingt oder bestimmt ist (EUGH 2020, 609 Rn. 24 – Brompton Bicycle; EUGH ZUM 2019, 834 Rn. 31 – Cofemel; BGH ZUM 2012, 36 Rn. 36 – Seilzirkus), hindert das Vorliegen eines Gestaltungsspielraums im vorliegenden Fall zwar nicht. Bei der Fassadengestaltung handelt es sich um ein vor die Fenster gesetztes einheitliches Raster, das aus dreidimensional vor- und zurückspringenden Lisenen und Gesimsen besteht, durch welche die Fenster auch stockwerkübergreifend zu quadratischen und/oder rechteckigen Elementen zusammengefasst werden, wobei die quadratischen Elemente (mit Ausnahme des Eingangsbereichs) überwiegen. Dadurch entsteht der Eindruck eines wellenartig die Fassade begleitenden Netzgewebes, dass sich je nach Standort des Betrachters oder auch nach dem Lichteinfall unterschiedlich darstellt. Soweit es um eine Fenstergestaltung geht, hat diese Anordnung naturgemäß auch dem Lichteinfall und der dahinterliegenden Raumgestaltung zu dienen. Diese Gebrauchszwecke werden durch die Fassadenelemente aber nicht vorgegeben. Bereits die Anbringung der Elemente auf die Fassade zeigt, dass sie dekorativ, nicht aber statisch stützende oder allein lichtöffnende Funktion haben. Die Gestaltung eröffnet kreative Freiheiten, ist aber nicht technisch diktiert. Darüber streiten die Parteien im Ergebnis nicht.
53Allerdings kann die Freiheit der Gestaltung auch durch andere als technische Umstände eingeschränkt sein (vgl. EUGH ZUM 2020, 609 Rn. 22 – Brompton Bicycle; EUGH ZUM 2019, 834 Rn. 29 ff. – Cofemel; BGH ZUM 2024, 261 Rn. 12 – USM Haller: „Regeln, technische Gegebenheiten oder andere Zwänge“; OLG Köln, Urt. v. 2.6.2023 – 6 U 162/22, GRUR 2023, 1012 Rn. 26 f. – Moschee-Vordach: brandschutzrechtliche oder religiöse Vorgaben). Dazu können auch Vorgaben gehören, die sich aus dem Entwicklungstand einer Formensprache ergeben, die in dem jeweiligen Schaffensbereich üblich oder Teil einer allgemeinen Gestaltungssprache geworden sind. Das betrifft den vorbestehenden Formenschatz, an den spätere Gestaltungen anknüpfen. Gerade in Schaffensbereichen, die Gebrauchszwecken dienen, bauen Gestaltungen stets bewusst oder unbewusst auf dem in der Branche vorhandenen Formenwissen und dem erreichten Formenschatz auf. Wer an eine übliche Formensprache anknüpft, ist in der Freiheit, persönlich Eigenständiges hervorzubringen, eingeschränkt. Dieser Gesichtspunkt wird unter den Stichworten der bewussten oder unbewussten Übernahme oder auch der Doppelschöpfung diskutiert (für Musikwerke BGH GRUR 1989, 387, 388 f. – Ein bisschen Frieden). Innerhalb der Werkdefinition durch den EUGH geht es dagegen um die Frage, ob und inwieweit ein kreativer, d.h. eigenpersönlicher Spielraum bestand und ausgenutzt wurde. Die Übernahme vorbekannter Gestaltungsmittel schränkt die Möglichkeiten, originell zu schaffen, ein (so zur angewandten Kunst Rauber/Bibi in BeckOK Urheberrecht, 2024, § 2 Rn. 332 mit Hinweis auf BGH GRUR 1959, 289, 290 – Rosenthal-Vase; BGH GRUR 1961, 635, 637 – Stahlrohrstuhl; BGH GRUR 1972, 38, 39 – Vasenleuchter; BGH GRUR 1974, 740, 742 – Sessel; BGH GRUR 1979, 332, 336 – Brombeerleuchte; BGH GRUR 2023, 571 Rn. 23 – Vitrinenleuchte).
54Die Parteien des hier zu entscheidenden Verfahrens streiten darüber, ob die kreativen oder künstlerischen Freiheiten originär bestanden oder ob die Gestaltung durch den vorbekannten Formenschatz in der Architektur, insbesondere der Fassadengestaltung, vorgeprägt und eingeschränkt war. Dabei kann als unstreitig angesehen werden, dass die klägerische Gestaltung im Jahr 2011 entworfen, 2012 erstmals veröffentlicht und 2015 umgesetzt worden ist. Bestritten ist hingegen, ob zu diesem Zeitpunkt noch ein ausreichender Spielraum für die streitgegenständliche Gestaltung bestand oder ob die Gestaltung eines sich wiederholenden dreidimensionalen, konisch zu Knotenpunkten zusammenlaufenden Netzes, das mit seiner Gitter- oder Wabenstruktur skelettartige Motive bildet, zu einem häufig genutzten Stil- und Gestaltungselement in der Fassadenarchitektur wurde. An dieser Stelle hat das Landgericht den Begriff der Neuheit gebraucht, um von einem fehlenden Spielraum auszugehen. Zwar weisen die Kläger zutreffend darauf hin, dass der Begriff der Neuheit im Urheberrecht jedenfalls nicht dahingehend verstanden werden kann, dass eine persönliche geistige Leistung nur vorliegen kann, wenn diese objektiv neu ist (Peifer ZUM 2023, 535, 536). Das Urheberrecht verwendet dagegen einen subjektiven Neuheitsbegriff, d.h. die Gestaltung muss für den Gestalter persönlich neu sein (Rauber/Bibi in BeckOK Urheberrecht, 2024, § 2 Rn. 332). Daran kann es aber ebenfalls fehlen, wenn es Vorbilder für eine Gestaltung gibt (vgl. OLG Schleswig, MMR 2015, 49 Rn. 19 f. – Geburtstagszug II; ebenso BGH GRUR 1959, 289, 290 – Rosenthal-Vase; im Ergebnis auch BGH GRUR 2023, 571 Rn. 23 – Vitrinenleuchte) und diese unbewusst übernommen wurden. So ist die landgerichtliche Entscheidung zu verstehen.
55Unbewusste Übernahmen und somit Doppelschöpfungen sind im Urheberrecht – anders als im Designrecht – möglich und sie führen im Ergebnis dazu, dass die einer Doppelschöpfung unterliegenden Werke koexistieren dürfen. In der unionsrechtlichen Terminologie geht es um „andere Umstände“, die eine freie Gestaltung einschränken. Der Vorwurf einer solchen Doppelschöpfung oder Beschränkung der kreativen Freiheit erfordert die konkrete Darlegung, dass und warum der Gestalter eine ältere Schöpfung nicht gekannt hat (vgl. Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl., § 2 Rn. 17, § 23 Rn. 29, § 18 Rn. 18; Specht in Dreier/Schulze, a.a.O., § 97 Rn. 11). Diese Darlegung ist dem Kläger zu 2) nicht gelungen.
56Der Kläger zu 2) hat in seiner illustrativen Skizze (Anlage K 40, Bl. 851 ff. LGA) zur Entstehung des Entwurfs selbst darauf hingewiesen, dass er sich vom tschechischen (Prager) Kubismus und dem italienischen Rationalismus hat beeinflussen lassen. Die dadurch beeinflussten Werke spielen – wie die Darstellungen in Anlage K 40 zeigen – mit plastisch wirkenden dreidimensionalen Fenster- und Gestaltungselementen ebenso wie mit der gleichmäßigen Gliederung von Fensterelementen in der Gebäudefassade und variieren diese Elemente. Der Kläger zu 2) gesteht zu, dass er die Architekturentwicklungen im Bereich kubistischer Gestaltungen genau verfolgt und auch aufgegriffen hat, ebenso, dass er selbst mit Fenster- und Fassadengestaltungen experimentiert hat. Das Landgericht hat zusätzlich auf die Gestaltungen brutalistischer Fassadenelemente hingewiesen, die einerseits symmetrische Rasterungen verwenden, andererseits aber auch mit der Anordnung von Lisenen und Gesimsen „spielen“ und auf vielfache Weise ein Wechselspiel plastischer Fassadenelemente hervorbringen. Die hierbei hervorgebrachten Fassadenbeispiele zeigen auch für die Zeit vor 2012 Varianten der Fenstergestaltung, die Variationen gewebeartiger Elemente offenbaren. Zwar sind die jeweils vorgelegten Beispiele in den Details nicht identisch, die Gesamtwirkung zeigt aber klare Ähnlichkeiten eines immer wieder auftauchenden Motivs sowie einer einheitlich ausgeführten Grundidee. Variationen betreffen die Geschosshöhe, die genaue Art der „Verdrehung“ der Lisenen und Gesimse, auch die Dimensionen der dargestellten Öffnungen und Fassadenelemente. Die Ausführung der Grundidee wird dadurch jeweils variiert, aber nicht frei geschaffen. Letzteres behauptet auch der Kläger zu 2) nicht.
57(2) Zwar ist originelles (persönlich geprägtes) Schaffen auch möglich, wenn bekannte Stilelemente übernommen, eine schöpferische Leistung durch Neubildung oder Kombination mit neuen oder anderen vorbekannten Elementen erbracht wird (so für die angewandte Kunst BGH GRUR 1959, 289, 290 – Rosenthal-Vase; im Ergebnis auch BGH GRUR 2023, 571 Rn. 23 f. – Vitrinenleuchte). Insbesondere bei Architekturwerken kann auch die Verwendung allgemeinbekannter oder gemeinfreier Gestaltungselemente zu einer schutzfähigen Leistung führen, wenn durch sie eine besondere eigenschöpferische Wirkung und Gestaltung erzielt wird (BGH GRUR 1989, 416, 417 – Bauaußenkante; OLG Oldenburg, GRUR-RR 2009, 6 – Blockhausauweise; Schricker/Loewenheim/Leistner, UrhG, 6. Aufl. 2020, § 2 Rn. 177).
58Allerdings hebt sich die Gestaltung des Klägers 2) nicht in diesem Maße schöpferisch von dem allgemeinen Formenschatz ab. Dafür genügt noch nicht jede Variation des Formenschatzes. Im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH ist vielmehr eine Gestaltung erforderlich, die über das bloße handwerkliche Können hinausgeht und deren ästhetischer Gehalt einen Grad erreicht, dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise von einer „künstlerischen“ Leistung gesprochen werden kann (BGH GRUR 2021, 1290 Rn. 57 f. – Zugangsrecht des Architekten; vgl. bereits RGZ 83, 333, 336: „Hervorbringung einer individuellen künstlerischen Gestaltung“). Der BGH verlangt für einen urheberrechtlichen Schutz von Werken der angewandten Kunst – ebenso wie für alle anderen Werkarten – insbesondere mit Blick auf die ausgesprochen lange urheberrechtliche Schutzfrist eine nicht zu geringe Gestaltungshöhe (BGH GRUR 2024, 132 Rn. 22 – USM Haller; BGH, GRUR 2023, 571 Rn. 15 – Vitrinenleuchte). Der EUGH spricht nicht von einer künstlerischen Leistung, sondern davon, dass der Gegenstand eine freie kreative Entscheidung zum Ausdruck bringen muss (EUGH ZUM 2019, 834 Rn. 30 – Cofemel). Ob die kreative Entscheidung etwas anderes ist als die künstlerische Entscheidung, mag problematisch sein, kann aber dahingestellt bleiben, weil es jeweils um die ausreichend schöpferische Ausnutzung eines Gestaltungsspielraums geht, der Ergebnis freier künstlerischer Betätigung und im Gegenstand wiedererkennbar ist. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Gestaltung ästhetisch im Sinne einer positiv anmutenden Sinnesanregung ist. Ästhetisch meint – auch in der Diktion des BGH – das freie Ausnutzen eines kreativen und nicht durch eine vorbekannte Formensprache bekannten Formenspielraums.
59Der Senat, der als Fachsenat regelmäßig mit Fragen des Urheberschutzes befasst ist, und dessen Mitglieder zu den für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreisen gehören, kann diese Einschätzung selbst treffen, wobei die von beiden Parteien vorgelegten, auch sachverständigen Ausführungen herangezogen werden konnten und herangezogen wurden.
60Unter Einbeziehung der vorbestehenden Gestaltungen bleibt der Eindruck, dass die gleichsam gefaltet wirkenden plastischen Elemente konischer Kreuzungen als Grundkompensation zur Architektursprache gehören, wenngleich es in der jeweiligen Ausführung, Dimensionierung und naturgemäß auch der Einpassung in die jeweilige Gebäudefassade Unterschiede gibt. Die Ausformulierung der Grundidee variiert diese, verändert sie aber nicht grundlegend.
61Das zeigt der Vergleich mit den umfangreichen Vorschöpfungen von Chatelin, Richard Seifert und anderen. Das Motiv der konisch gekreuzten Fensterraster unterliegt einer Entwicklung in der Architektur, die stets Variationen eröffnete. Jedenfalls die Fassaden von Seifert, aber auch die Arbeiten des tschechischen Kubismus hat der Kläger zu 2) als ihm bekannt angegeben. Ob dies auch für die Chatelin-Fassade zutrifft, auf die das Landgericht maßgeblich abgestellt hat, kann daher dahingestellt bleiben.
62Chatelin 1979 (Anlage K 26, Bl. 292 LGA)
63Tschechischer Kubismus (Anlage K 26, Bl. 289 LGA)
65Tsarapoulos 1976 (Anlage K 26, B. 293 LGA)
67Seifert (Anlage K 26, Bl. 295 LGA)
69Mezzedimi (Anlage K 26, Bl. 302 LGA)
71Polak (Anlage K 26, Bl. 304 LGA)
73Alle Ausführungen zeigen das Spiel mit dem plastisch-dreidimensionalen kreuzartigen, auf Knotenpunkte zulaufenden Fensterraster. Auch die seit 2015 auftauchenden Entwürfe verwenden diese Gestaltungsidee und variieren sie.
75Eine Variation nimmt auch der klägerische Entwurf vor, ohne aber dabei das Grundkonzept zu verlassen oder es schöpferisch zu verändern. Die Fassadengestaltung übernimmt das Kreuz, variiert es in seinen Dimensionen, der Materialauswahl und der Vervielfachung des Rippenmusters für die Gesamtfassade. Sie hebt sich damit zwar von den vorbestehenden Fassaden ab, verändert deren Gesamteindruck aber nicht grundlegend und auch nicht eigenschöpferisch.
76cc) Der von den Klägern hervorgehobene Umstand, dass ihre Fassadengestaltung prämiert worden sei, führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Kläger berufen sich insoweit auf den Deutschen Natursteinpreis und den Iconic Award 2015. Zu letzterem haben allerdings die Beklagten bestritten, dass der Kläger zu 2) diesen gewonnen hätte; er habe sich vielmehr nur an dem Wettbewerb beteiligt. Dem ist die Klägerseite nicht substantiiert entgegengetreten. Hinsichtlich des danach verbleibenden Deutschen Natursteinpreises ist darauf hinzuweisen, dass er für die konkrete Fassade Y.-Str. 47 verliehen worden ist, nicht für die Gestaltungselemente der Fassade. Ferner stellen ausweislich der von den Klägern vorgelegten Internetseite (Anlage K 38, Bl. 767 LGA) gestalterische Kriterien nur ein Element der Preiswürdigkeit dar, technisch-konstruktive Kriterien stehen gleichberechtigt daneben. Vor diesem Hintergrund vermag der Senat der Prämiierung der Fassade Y.-Str. 47 durch den Deutschen Natursteinpreis keine ausschlaggebende Bedeutung beizumessen.
77d) Auch wenn die Kläger Urheber- und Nutzungsrechte an der Fassadengestaltung TEK 1400 erworben hätten, würden diese durch die Gestaltung der Beklagten nicht verletzt. Auch das ergibt sich aus den vorstehenden Erwägungen zur Einschränkung der Gestaltungsfreiheit durch den vorbestehenden Formenschatz. Würde man davon ausgehen, dass auch eine nicht grundlegende Veränderung des Konzepts den Urheberschutz begründen, so müsste man in gleicher Weise zugestehen, dass auch die nicht grundlegende Abwandlung dieses Konzepts genügt, um aus dem Schutzumfang herauszufallen.
78Dies könnte allenfalls anders sein, wenn es um eine identische Übernahme des klägerischen Entwurfs ginge. Dass eine solche vorliege, wird zwar von der Klägerseite behauptet, doch zeigen sich nach Überzeugung des Senats Unterschiede in Material, Dimensionen und genauer Ausführung der Fassadengestaltung der Beklagten. Das offenbart die Gegenüberstellung der Fassadengestaltungen der Klägerin (jeweils links) und der Beklagten anhand der Einblendung in den Antrag (Bl. 315 d. A.) und K 49 (Bl. 1490 LGA):
79
sowie K 0 (Bl. 109 LGA):
81Anlage K 22 (Bl. 237 LGA):
83Die Gegenüberstellung der Fassaden u.a. durch die auch von den Klägern vorgelegten Fassadengestaltungen in Anlage K 0 zeigt Ähnlichkeiten, die allerdings auch in der verwendeten architektonischen Grundidee wurzeln, sie zeigt aber keine vollständige Identität. Die Gestaltung des Beklagten weicht in der jeweiligen Ausführungsdimension (Breite, Länge, Proportion) ab, manche Variationen, insbesondere die Ausführung von Knicken in den Lisenen, fehlt im Werk der Beklagten, Lichteinfall und -wirkung sowie Material weichen voneinander ab. Der Gesamteindruck der Fassadenelemente unterscheidet sich durch die Gestaltung der Fensterachsen und die Ausführung in jeweils unterschiedlich hohen, breiten oder in der Platzanlage auch alleinstehenden Gebäuden. So sind die Lisenenelemente der Beklagtenseite schmaler und sie wirken dadurch schlichter. Die Fensteröffnungen sind größer und wuchtiger, sie wirken dadurch insgesamt weniger verdichtet. Schließlich ist die Fassadengestaltung der Kläger in Naturstein ausgeführt, während auf Beklagtenseite Beton zum Einsatz gekommen ist.
85Für das Ergebnis spricht auch eine weitere, wertende Überlegung: Wenn bereits das vom Kläger zu 2) verantwortete Werk Elemente einer einheitlichen Architektursprache aufnimmt und variiert, kann auf Basis solcher Variationen nicht jede weitere Variation unterbunden werden. Wenn alle Fassadenelemente gemeinsame Architekturideen verwenden und in verschiedenen Varianten ausführen, dann wäre es nicht gerechtfertigt, die Zulässigkeit weiterer Varianten mit der Realisierung des Entwurfs des Klägers zu 2) enden zu lassen.
86e) Da es an Urheberschutz, jedenfalls aber an einer Verletzung des Schutzumfangs fehlt, können die Fragen auf der Rechtsfolgenseite dahingestellt bleiben.
87III.
88Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
89Das Urteil betrifft die tatrichterliche Übertragung allgemein anerkannter Auslegungs- und Rechtsanwendungsgrundsätze auf einen Einzelfall, so dass kein Anlass besteht, die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen.
90Streitwert für das Berufungsverfahren: 1.000.000,- €.