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Die Berufung der Beklagten gegen das am 21.12.2023 verkündete Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 14 O 354/23 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 48.000,00 € festgesetzt.
Gründe
2I.
3Der Antragsteller, ein Musiker aus dem Rap-Bereich, nimmt die Antragsgegnerin, mit der er einen Künstler-Exklusivvertrag geschlossen hatte, auf Unterlassung der öffentlichen Zugänglichmachung hinsichtlich sechser Musikwerke in Anspruch, bei denen der Antragsteller ausübender Künstler und jedenfalls Miturheber ist.
4Der Vertrag zwischen den Parteien wurde am 23.01.2021 geschlossen. Dessen Hauptgegenstand sollte ausweislich Ziff. 1.1 des Vertrags das exklusive Recht der Verfügungsbeklagten „zur Herstellung sowie sonstigen Auswertungen und Verwertungen von Tonaufnahmen und/oder Bild-Tonaufnahmen mit Darbietungen“ des Antragstellers sein. Weiter regelten die Parteien unter anderem:
52. Rechteübertragung
62.1 Der Künstler überträgt der Firma das ausschließliche und übertragbare Recht (§ 79 UrhG), während der Vertragsdauer seine musikalischen Darbietungen, insbesondere auf Tonträger und auch auf Bild-Tonträger und sonstige Datenträger aufzunehmen und diese zeitlich unbeschränkt, auch nach Beendigung des Vertrages (unabhängig vom Beendigungsgrund) in der ganzen Welt in jeder beliebigen Weise ganz oder teilweise auszuwerten und/oder auswerten zu lassen.
7[…] 4. Musikalische Exklusivität
84.1 Künstler garantiert für die Vertragsdauer, ausschließlich Firma für die Herstellung und Auswertung von Ton- und Bildtonaufnahmen mit Darbietungen des Künstlers zur Verfügung steht und dass sich auch selbst jeder eigenen Auswertung entsprechender Ton- und Bildtonaufnahmen enthalten wird.
9Künstler wird auch nach Vertragsende für die Dauer von 10 Jahren ab Vertragsende, die den Vertragsaufnahmen zugrunde liegenden Werke weder ganz noch teilweise in der vertragsgegenständlichen oder einer anderen Fassung neu aufnehmen und verwerten bzw. durch Dritte aufnehmen und verwerten lassen, auch nicht unter einem anderen Namen oder anonym. Diese Titelexklusivität erstreckt sich auch auf Bildtonträger.
10Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt des Künstlerexklusivvertrags Bezug genommen (Anlage ASt. 1, Bl. 49 ff. GA). Nach Abschluss des Künstlerexklusivvertrags schloss die Antragsgegnerin mit dem Vertriebsunternehmen N. F. (im Folgenden: N. F.) eine Vertriebsvereinbarung, in der die Antragsgegnerin N. F. das exklusive Recht zum physischen und nicht-physischen Vertrieb von Ton- und Bildaufnahmen des Antragstellers einräumte. Die Parteien trafen deshalb am 09.07.2021 eine Zusatzvereinbarung zum Künstlerexklusivvertrag, nach der sich der Antragsteller verpflichtete, allen Pflichten nachzukommen, die sich für die Antragsgegnerin aus dem Vertriebsvertrag mit N. F. ergaben (Sideletter Nr. 1, Bl. 60 GA).
11In der Folgezeit arbeitete der Antragsteller verschiedene Titel aus. Dabei wirkte u. a. der Geschäftsführer G. in streitigem Umfang mit. Am 03.06.2022 versah der Verfügungskläger fünf der sechs streitgegenständlichen Titel, nämlich die Titel „J.", „C.", „Z.", „Y." (zuvor „E.") und „H.", in WhatsApp-Verläufen gegenüber dem Geschäftsführer G. mit grünen bzw. gelben Vierecken (vgl. Anlage K13, Bl. 302 f. GA).
12Ab etwa Anfang/Mitte September 2022 kam es zu Spannungen zwischen den Parteien, nachdem zuvor noch eine Kooperation des Antragstellers und des Geschäftsführers der Antragsgegnerin mit der W.-P. GmbH (im Folgenden auch: P.) zur Bewerbung von deren Produkten stattgefunden hatte. Der Antragsteller hatte in diesem Zusammenhang ihm einen von dem Geschäftsführer der Antragsgegnerin am 08.09.2022 vorgelegten und im Hause der Antragsgegnerin aufgesetzten Vertrag mit einem Honorar von 3.000,00 € für ihn unterzeichnet, der nach seinem Wortlaut zwischen P. (vertreten durch die Antragsgegnerin) und dem Antragsteller geschlossen wurde (Anlage ASt. 5, Bl. 74 ff. GA). Auf spätere Anfrage des nunmehr anwaltlich vertretenen Antragstellers teilte P. mit, es handele sich hierbei um eine nicht von P. stammende Fälschung (Anlage ASt. 14, Bl. 106 GA). Weiterhin forderte der Geschäftsführer der Antragsgegnerin den Antragsteller mit E-Mail vom 25.09.2022 auf, ein diesem überlassenes Fahrzeug T.-O. am 27.09.2022 um 13 Uhr zurückzugeben; ansonsten müsse er das Fahrzeug "bei der Polizei als gestohlen melden". Der Antragsteller erwiderte, er sei bis zum 03.10.2022 zur Nutzung befugt (Anlage ASt. 24, Bl. 130 GA) und werde das Fahrzeug zwar nicht am 27.09.2022, aber termingerecht zurückgeben. Am 27.09.2022 um 12:00 Uhr erstattete der Geschäftsführer der Antragsgegnerin Strafanzeige, wegen deren Inhalt auf Bl. 144 GA verwiesen wird. Am selben Tage verfasste der Geschäftsführer der Antragsgegnerin eine Rundmail, in der er sich bzw. die Antragsgegnerin von „den Handlungen & der Person“ des Antragstellers distanzierte und dies mit Defiziten in der Kommunikation begründete. Der Antragsteller gab das Fahrzeug am 30.09.2022 zurück.
13Gestützt auf die vorgenannten Sachverhalte und jeweils nach deren Kenntnisnahme bzw. voller Erfassung durch den Antragsteller erklärte der jetzige Prozessbevollmächtigte des Antragstellers mit Schreiben vom 07.10.2022 (Bl. 167 GA, betreffend die Rundmail), 18.11.2022 (Bl. 107 GA, betreffend P.-Vertrag) und 27.01.2023 (Bl. 155 GA, betreffend die Strafanzeige) jeweils die außerordentliche fristlose Kündigung des Künstlerexklusivvertrags.
14Nach gescheiterten Bemühungen um eine Bereinigung des Verhältnisses der Parteien im Juni 2023, bei denen insbesondere keine Einigung über die Veröffentlichung von Titeln des Antragstellers durch die Antragsgegnerin erzielt werden konnte, veröffentlichte die Antragsgegnerin schließlich am 01.09.2023 die streitgegenständlichen Titel auf allen relevanten Digital-Musikportalen, u.a. auf M.. Der daraufhin erfolgten Abmahnung des Antragstellers vom 04.09.2023 (Anlage ASt 44, Bl. 184 GA) trat die Antragsgegnerin entgegen und gab keine Unterlassungserklärung ab, sondern hinterlegte, worauf sie den Antragsteller hinwies, eine Schutzschrift.
15Auf den bei Gericht am 27.09.2023 eingegangenen Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat das Landgericht ohne vorherige Anhörung der Antragsgegnerin dieser im Beschlusswege am 29.09.2023 unter Androhung der üblichen Ordnungsmittel untersagt,
16die Tonaufnahmen von Darbietungen des Antragstellers der Titel „H." „Y." „C." „Z." „EY." „J." und/oder eine Zusammenstellung von Titeln des Antragstellers als sogenanntes "Album" des Titels "D." öffentlich zugänglich zu machen und/oder öffentlich zugänglich machen zu lassen, insbesondere, wenn dies wie über die nachstehend wiedergegebenen Internetlinks [hier ausgelassen] geschieht.
17Hiergegen hat die Antragsgegnerin unter dem 04.10.2023 Widerspruch eingelegt.
18Wegen des näheren Sach- und Streitstandes bis zur Entscheidung in erster Instanz und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen (Bl. 399 ff. GA).
19Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung bestätigt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Aktivlegitimation des Antragstellers folge daraus, dass er ausübender Künstler sei. Eine eventuelle Miturheberschaft des Geschäftsführers der Antragsgegnerin stehe der Geltendmachung dieser Rechte nicht entgegen. Eine Zustimmung zur öffentlichen Zugänglichmachung durch den Antragsteller liege nicht vor. Selbst wenn den Farben, mit denen der Antragsteller über WhatsApp im Stile einer Ampel bestimmte Musikstücke, darunter auch die streitgegenständlichen, gekennzeichnet habe, eine Zustimmung zur Veröffentlichung habe entnommen werden können, habe der Antragsteller den Vertrag jedenfalls mit seiner Erklärung vom 18.11.2022 wirksam außerordentlich gekündigt. Hiermit seien auch die hierin enthaltenen Übertragungen von Nutzungsrechten an den streitgegenständlichen Titeln an den Antragsteller zurückgefallen. Der Antragsteller habe sich sowohl im Hinblick auf den Vertragsabschluss mit P. als auch im Hinblick auf die Strafanzeige jeweils auf wichtige Gründe zur außerordentlichen Kündigung berufen können. Die Antragsgegnerin habe den Antragsteller über die wesentlichen Parameter des Vertrages mit P. im Unklaren gelassen und ihm sodann einen gefälschten Vertrag vorgelegt, der eine deutlich niedrigere Beteiligung des Antragstellers als im Außenverhältnis mit P. vereinbart vorgesehen habe. Auch die Strafanzeige des Geschäftsführers der Antragsgegnerin habe die Vertrauensgrundlage der Parteien vollständig entfallen lassen, nachdem diese noch vor Ablauf der gesetzten Frist erstattet worden sei und das Rückgabeverlangen auch unberechtigt gewesen sei. Eine Abmahnung sei jeweils entbehrlich gewesen. Dem Erlöschen bzw. dem Rückfall der Nutzungsrechte stünden auch nicht die vertraglichen Regelungen entgegen, wonach die Antragsgegnerin berechtigt sei, die Darbietungen des Antragstellers auch nach Beendigung des Vertrages und unabhängig von Beendigungsgrund zu verwerten bzw. verwerten zu lassen (Ziff. 2.1 und 4 des Künstlerexklusivvertrages). Denn das entsprechende Verwertungsrecht sei zugleich auf die Vertragsdauer beschränkt und nur für diesen Zeitraum habe der Antragsgegner auch musikalische Exklusivität garantiert. Diese Klauseln, die sich vordergründig widersprächen, könnten nur dahin ausgelegt werden, dass der Antragsgegnerin Auswertungsrechte nur hinsichtlich solcher Titel eingeräumt werden sollten, die während der Vertragsdauer veröffentlicht worden seien. Hierunter fielen jedoch die streitgegenständlichen Titel, deren Veröffentlichung im Zeitpunkt der Beendigung des Vertrages lediglich bevorgestanden habe, nicht. Jede andere Auslegung führe zu dem unangemessenen Ergebnis, dass der Antragsteller trotz gestörten Vertrauensverhältnisses und außerordentlicher Kündigung verpflichtet sei, die Veröffentlichung seiner Titel unter dem Label der Antragsgegnerin und die entsprechende zeitlich unbeschränkte Nutzung durch diese zu dulden. Auf die Wirksamkeit der Klausel komme es insoweit nicht entscheidend an. Durch ihre Anfrage nach einem Einverständnis mit einer Veröffentlichung unter dem 01.06.2023 habe auch die Antragsgegnerin zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht von einer fortbestehenden Zustimmung ausgehe. Ein Vollziehungsmangel liege nicht vor. Auch verstoße der Erlass der einstweiligen Verfügung ohne vorherige Anhörung der Antragsgegnerin nicht gegen deren Anspruch auf rechtliches Gehör, weil diese nach erfolgter Abmahnung eine Schutzschrift hinterlegt habe, auf die der Antragsteller auch hingewiesen habe.
20Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Antragsgegnerin, mit der im Wesentlichen geltend gemacht wird: Den Kündigungsgründen sei entgegenzutreten. Das Landgericht habe bei seiner Betrachtung der Unangemessenheit der dem Antragsteller zugedachten Beteiligung von 3.000,00 € übersehen, dass mit dem von P. gezahlten Betrag von 22.000,00 € auch die Mitwirkung des über einen reichweitenstarken Instagram-Kanal verfügenden Geschäftsführers der Antragsgegnerin sowie die Produktionskosten vergütet worden seien. Letztere seien mit 9.000,00 €, die Mitwirkung des Geschäftsführers der Antragsgegnerin mit 10.000,00 € zu bemessen, weshalb der verbleibende Betrag von 3000,00 € für den Antragsteller eine angemessene Kalkulation darstelle. Der Abzug einer Provision von 600,00 € von dem letzteren Betrag ergebe sich aus Ziff. 10.1 des Künstlerexklusivvertrages und sei branchenüblich. Die Anfrage von P. habe auch allein darauf beruht, dass der Geschäftsführer der Antragsgegnerin der für P. tätigen Agentur nach vorangegangener Zusammenarbeit die Einbeziehung des Antragstellers in die Kampagne vorgeschlagen habe. Auch im Rahmen der vorangegangenen Kooperation mit P. seien 18.000,00 € an Kosten angefallen, wie sich aus Anlage BK 3 (Bl. 168 eA) ergebe. Eine Vertragsfälschung liege nicht vor. Tatsächlich habe die Zeugin X. als (nunmehr ehemalige) Mitarbeiterin der Antragsgegnerin auf Veranlassung des Geschäftsführers der Antragsgegnerin einen Vertragsentwurf gefertigt, den dieser ohne weitere Prüfung an den Antragsteller gesendet und um Unterzeichnung gebeten habe. Die Ungereimtheiten im Vertrag seien dem Geschäftsführer der Antragsgegnerin dabei nicht aufgefallen, weil er ihn nie gelesen und auch nicht unterschrieben habe. Im Übrigen wäre dem Antragsteller auch bei anderweitiger Vertragsgestaltung angesichts der Produktionskosten kein höherer Betrag als 3.000,00 € zuzubilligen gewesen. Hinsichtlich des Vorgangs betreffend die Strafanzeige habe das Landgericht nicht berücksichtigt, dass dem Antragsteller von vornherein die Überlassung im Wege der Übernahme der Leasingskosten durch ihn offengelegt worden sei; es sei nicht vermittelt worden, dass es sich um ein Geschenk handele. Mitte September 2022 habe der Antragsteller damit begonnen, die Zusammenarbeit der Parteien und den Ruf der Antragsgegnerin systematisch zu beschädigen. So habe er Live-Auftritte nicht wahrgenommen und bei einem I.-Livestream auf seinem Handy gespielt anstatt mit seinen Fans zu chatten. Darüber hinaus habe er sich mit seiner Nachricht vom 17.09.2022 von der Antragsgegnerin losgesagt. Damit sei der Grund für die Zurverfügungstellung des Fahrzeugs entfallen. Angesichts der Ankündigung der Antragsgegnerin habe der Antragsteller auch mit einer Strafanzeige rechnen müssen. Es überzeuge nicht, wenn das Landgericht den Rückfall der Nutzungsrechte hinsichtlich der streitgegenständlichen Titel infolge der Kündigungen annehme. Der Vertrag unterscheide zwischen dem Recht Aufnahmen herzustellen und dem Recht, die so entstandenen Aufnahmen auszuwerten. Hinsichtlich der Auswertung ergebe sich die Berechtigung der Antragsgegnerin ausdrücklich auch nach Beendigung des Vertrages und zeitlich unbeschränkt. Nichts anderes folge aus Ziff. 4 des Vertrages, der die Exklusivität des Künstlers während der Vertragsdauer sichere. Insbesondere stehe diese Klausel nicht in Widerspruch zur Rechteeinräumung, sondern sichere die legitimen Interessen des Tonträgerherstellers an der Amortisation seiner Aufwendungen. Es bestehe auch kein Anlass, zwischen veröffentlichten und unveröffentlichten Titeln zu unterscheiden. Denn entscheidend sei, dass der Antragsgegnerin nunmehr die Möglichkeit genommen sei, die während der Vertragslaufzeit mit Zustimmung des Antragstellers hergestellten Aufnahmen durch Veröffentlichung zu amortisieren. Der Sache nach räume das Landgericht dem Antragsteller als ausübendem Künstler damit ein Erstveröffentlichungs- sowie ein Widerrufs- oder Rückrufsrecht ein, dass das Gesetz ihm jedoch nicht zubillige. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung Bezug genommen. Mit Schriftsatz vom 11.06.2024 (Bl. 244 ff. eA) hat die Antragsgegnerin ihren Vortrag zu ihrer Kalkulation betreffend die P.-Kooperation sowie zu den aus ihrer Sicht geschäftsschädigenden Handlungen des Antragstellers im Vorfeld der Forderung der Fahrzeugrückgabe vertieft und Bedenken gegen die von der Antragstellerin im Berufungsverfahren vorgelegte eidesstattliche Versicherung der Frau X. angemeldet.
21Die Antragsgegnerin beantragt, unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung
22die einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln vom 29.09.2023 (14 O 354/23) aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.
23Der Antragsteller beantragt,
24die Berufung zurückzuweisen.
25Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens und hat hierzu insbesondere die bereits erwähnte eidesstattliche Versicherung der Frau X. betreffend die Vorgänge rund um den Vertrag mit P. vorgelegt. Der Antragsteller hält den nunmehrigen Vortrag der Antragsgegnerin zu den einzelnen Kündigungsgründen für präkludiert, nachdem diese in 1. Instanz keine substantiellen Einwendungen hiergegen erhoben hatte.
26II.
27Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin hat keinen Erfolg. Insofern kann der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug nehmen. Die Einwendungen der Berufung hiergegen sowie der neue Vortrag der Antragsgegnerin rechtfertigen keine abweichende Entscheidung. Die einstweilige Verfügung ist nicht wegen Verstoßes gegen die prozessuale Waffengleichheit aufzuheben (dazu 1.). Die erstmals in der Berufungsinstanz erhobenen Einwände gegen die Berechtigung der erklärten außerordentlichen Kündigungen greifen nicht durch (dazu 2.). Unter den besonderen Umständen steht dem Antragsteller ein Verbotsrecht hinsichtlich der streitgegenständlichen - noch nicht veröffentlichten - Titel zu (dazu 3.).
281. Mit der Berufung greift die Antragsgegnerin ihre erstinstanzlich erhobenen Einwendungen in Bezug darauf, dass ein Vollziehungsmangel vorliege, nicht weiter auf. Insofern kann auf die zutreffenden Erwägungen des Landgerichts Bezug genommen werden. Auch gefährdet es den Bestand der einstweiligen Verfügung nicht, dass sie ohne vorherige Anhörung erlassen wurde. Nach dem Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit kommt eine stattgebende Entscheidung über den Verfügungsantrag zwar grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Gegenseite zuvor die Möglichkeit hatte, auf das mit dem Antrag geltend gemachte Vorbringen zu erwidern. Dabei kann jedoch nach Art und Zeitpunkt der Gehörsgewährung differenziert und auf die Umstände des Einzelfalls abgestellt werden (vgl. BVerfG GRUR 2023, 1478, 1480 Rn. 28 - Mobbing-Vorwürfe). Insbesondere sind, worauf das Bundesverfassungsgericht auch in der vorgenannten Entscheidung verwiesen hat, die Möglichkeiten der Gegenseite in Eilverfahren zu berücksichtigen, die es ihr vorprozessual erlauben, sich zu dem abgemahnten Sachverhalt zu äußern, wenn sichergestellt ist, dass solche Äußerungen dem Gericht vollständig vorliegen. Hierfür kann auf die Möglichkeit zur Erwiderung gegenüber einer dem Verfügungsverfahren vorangehenden Abmahnung abgestellt werden. Dies gilt auch mit Rücksicht darauf, dass der Antragsgegner die Möglichkeit hat, eine Schutzschrift zu hinterlegen (vgl. sinngemäß BVerfG GRUR 2018, 1291, 1293 Rn. 34 - Steuersparmodell eines Fernsehmoderators, betreffend einen Gegendarstellungsanspruch). Eine solche Schutzschrift ist nach der Abmahnung auch im Streitfall hinterlegt worden.
29Soweit zusätzlich zu verlangen ist, dass Abmahnung und Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung identisch sind und der Antragsteller ein etwaiges Zurückweisungsschreiben des Antragsgegners zusammen mit seiner Antragsschrift bei Gericht eingereicht hat (BVerfG, a.a.O., Rn. 35), ist diesem Erfordernis im Streitfall ebenfalls Genüge getan. Zwar ist die Antragsschrift (Bl. 2 ff. GA) deutlich umfangreicher (47 Seiten) als die nur vier Seiten umfassende Abmahnung (Anlage ASt. 44, Bl. 184 ff. GA). Dies beruht jedoch maßgeblich darauf, dass die Antragsschrift die vorangegangenen Vertragsbeziehungen sowie die Ereignisse rund um die Kündigungen noch einmal im Einzelnen darstellt. Diese waren indes bereits Gegenstand der vorprozessualen Korrespondenz, weshalb sich der Antragsteller in der Abmahnung insoweit auf einen Verweis auf die ausgesprochenen Kündigungen beschränken konnte. Das Vertragsverhältnis selbst und die insoweit maßgeblichen Umstände waren der Antragsgegnerin ohnehin bekannt. In der Antragsschrift wird zudem auf die eingereichte Schutzschrift Bezug genommen und die Erwiderung der Antragsgegnerin auf die Abmahnung vorgelegt. Die im Rahmen der Abmahnung geforderte Unterlassungserklärung und der Unterlassungsantrag im Verfügungsverfahren stimmen im Kern überein (zu diesem Gesichtspunkt Senat, Urteil vom 14.08.2020, 6 U 4/20, GRUR-RS 2020, 39315 Rn. 47 - S.). Es kann vor diesem Hintergrund dahinstehen, ob ein etwaiger Verstoß gegen die prozessuale Waffengleichheit durch die mündliche Verhandlung im Widerspruchsverfahren oder im weiteren Verfahrensverlauf geheilt werden könnte (hierzu bejahend Senat, GRUR-RS 2020, 39315 Rn. 50 ff. – S.).
302. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die von dem Antragsteller vorgetragenen Sachverhalte „P.“ und „Strafanzeige“ jeweils für sich geeignet waren, eine außerordentliche Kündigung des Vertrages des Antragstellers mit der Antragsgegnerin zu rechtfertigen. Insoweit sind zwar hohe Anforderungen an das Vorliegen eines Kündigungsgrundes im Sinne von § 314 Abs. 1 BGB zu stellen, wie auch das Landgericht nicht verkannt hat. Jedoch sind erhebliche Vertrauensbrüche geeignet, die außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Denn regelmäßig auf eine außerordentlich lange Zeitdauer angelegte Musikverlagsverträge – nichts anderes gilt für den hier zu beurteilenden Künstlerexklusivvertrag - hängen in besonderem Maße vom ungetrübten Fortbestand des Vertrauensverhältnisses der Vertragsparteien ab. Ein Kündigungsgrund ist daher gegeben, wenn die Vertrauensgrundlage zerstört ist und die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses wegen der Störung der Vertrauensgrundlage dem kündigenden Vertragspartner nicht mehr zugemutet werden kann. Erforderlich ist eine umfassende Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls (vgl. BGH GRUR 1977, 551, 553 – Textdichteranmeldung).
31Diese Anforderungen sind jedoch im Streitfall erfüllt und der zugehörige Sachvortrag glaubhaft gemacht. Der Vertrag ist infolgedessen, wie das Landgericht mit Recht angenommen hat, jedenfalls am 18.11.2022 durch die Kündigung gestützt auf die Vorgänge rund um den Vertrag mit der W.-P. GmbH (im Folgenden: P.) wirksam durch den Antragsteller beendet worden.
32Es kann insofern dahinstehen, ob – wie der Antragsteller meint – die erst in der Berufungsinstanz erfolgten Ausführungen der Antragsgegnerin dazu, dass die Kündigungsgründe nicht berechtigt seien, nach Maßgabe der §§ 529, 531 ZPO im Berufungsverfahren zu berücksichtigen sind. Die Frage der Anwendbarkeit dieser Vorschriften im Verfügungsverfahren ist umstritten (vgl. nur Schwippert, in: Peifer, Großkommentar zum UWG, 3. Aufl. 2022, § 12 Rn. 225 sowie Cassardt, in: Cepl/Voß, Prozesskommentar Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, 3. Aufl. 2022, § 530 Rn. 18), wobei nach Auffassung des Senats eine differenzierende Betrachtung geboten ist und jedenfalls an den Vortrag zur fehlenden Nachlässigkeit (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO) keine hohen Anforderungen gestellt werden dürfen (Senat, GRUR-RR 2018, 207, 211 Rn. 80 – L.). Selbst bei Zulassung des neuen Vortrags wäre dieser jedoch nicht geeignet, die Kündigungsgründe infrage zu stellen. Der Umstand, dass der neue Vortrag erst im Berufungsverfahren gehalten worden ist, obwohl hierzu in 1. Instanz deutlich Anlass bestand, ist allerdings im Rahmen der Beweiswürdigung zu Lasten der Antragsgegnerin zu berücksichtigen, weil kein nachvollziehbarer Grund angegeben wird, warum der Vortrag zurückgehalten wurde.
33a) In Bezug auf den dem Antragsteller durch die Antragsgegnerin vorgelegten Vertrag über eine Mitwirkung bei einer Kampagne, der vermeintlich von P., tatsächlich aber von der Antragsgegnerin stammte, ohne dass P. ein solches Vorgehen autorisiert hatte, bestreitet die Antragsgegnerin dieses Faktum an sich nicht. Sie möchte die Vorlage des danach unstreitig unrichtigen Dokuments allerdings in milderen Licht erscheinen lassen, weil es sich um eine bloße Fahrlässigkeit des Geschäftsführers der Antragsgegnerin gehandelt habe und der Antragsteller auch bei einer ordnungsgemäßen Vertragsgestaltung keinen höheren Betrag als die ihm zugebilligten 3.000,00 € habe verlangen können.
34Diese Behauptung einer bloß versehentlichen Fertigung eines Vertrages zwischen P. und dem Antragsteller durch die Zeugin X. ist bereits nicht plausibel, zumal sie – wie soeben ausgeführt – erstmals in der Berufungsbegründung enthalten ist. Denn es bestand bereits unter Zugrundelegung des eigenen Vortrags der Antragsgegnerin kein nachvollziehbarer Anlass für die Zeugin, der von dem Geschäftsführer der Antragsgegnerin die Fertigung eines Vertrages zwischen Antragsteller und Antragsgegnerin aufgegeben war (siehe E-Mail vom 01.09.2022 in Anlage BK 4, Bl. 142 GA: „Wir müssen mit ART auch einen Vertrag machen …“, Hervorhebung durch den Senat), einen Briefkopf von P. zu verwenden und diese als Vertragspartnerin und die Antragsgegnerin lediglich als Vertreterin auftreten zu lassen. Zudem zeigt sich anhand der Übersendung des Vertrages an den Antragsteller durch den Geschäftsführer der Antragsgegnerin am 08.09.2022 (Anlage ASt. 4, Bl. 71 GA), dass bereits das Vorschaubildes in WhatsApp unschwer erkennen ließ, dass der Vertrag nicht den Briefkopf der Antragsgegnerin, sondern denjenigen von P. trug. Dies wäre auch bei einem nur flüchtigen Blick aufgefallen. Gegen das Vorliegen eines bloßen Versehens spricht entscheidend die nachfolgende ausdrückliche Behauptung des Geschäftsführers der Antragsgegnerin in diesem WhatsApp-Verlauf, wonach er „den selben 1 zu 1 auch unterschrieben [sic!]“ habe, wodurch er dem Antragsteller suggerierte, er selbst (der Geschäftsführer) habe mit P. hinsichtlich seines eigenen Beitrags einen eigenen Vertrag geschlossen und ein solcher Vertragsschluss mit P. erfolge nun auch mit dem Antragsteller.
35Die mit der Berufungsbegründung erhobenen Behauptungen sind überdies nicht glaubhaft gemacht, sondern im Gegenteil widerlegt durch die eidesstattliche Versicherung der Zeugin X. selbst (Anlage B2, Bl. 213 ff. eA): Denn diese hat den Vortrag des Antragstellers bestätigt, wonach der Geschäftsführer der Antragsgegnerin sie angewiesen habe, die P.-Vertragsvorlage mit dem Logo zu verwenden und auch P. und den Antragsteller als Vertragspartner einzutragen, jeweils vertreten durch die Antragsgegnerin (S. 4 der eidesstattlichen Versicherung vom 22.03.2024, Bl. 216 eA). Tatsächlich habe es sich so verhalten (was der Darstellung des Antragstellers entspricht), dass die Antragsgegnerin einen Vertrag mit P. über ein Honorar von 22.000,00 € abgeschlossen habe und der Geschäftsführer der Antragsgegnerin sodann von ihr verlangt habe, einen Vertrag auf dem Briefkopf von P. aufzusetzen, der eine Gage für den Antragsteller von 3.000,00 € vorsehe. Er habe ihr dann im weiteren auch den Text einer an ihn gerichteten E-Mail mit der Vertragsübersendung diktiert, die von der Antragsgegnerin vorgelegt worden ist (Anlage BK 5, Bl. 170 eA) und aus der hervorgeht, dass es sich bei dem übersandten Vertrag um einen solchen zwischen der Antragsgegnerin und dem Antragsteller handele.
36Die geschilderten Vorgänge stellen sich ungeachtet der Frage, welche Vergütung für den Antragsteller aufgrund der Anfrage von P. angemessen gewesen wäre und welche Beteiligung der Antragsgegnerin hieran zugestanden hätte, als besonders schwere Treuepflichtverletzungen dar, da der Antragsteller bewusst im Unklaren über die wirtschaftliche Tragweite der Kooperation gelassen wurde und der Geschäftsführer der Antragsgegnerin nach dem Vorgesagten vorsätzlich zu einem Mittel der Täuschung gegriffen hat. Ob dies bereits den Tatbestand des – gegebenenfalls versuchten – Betruges (§ 263 StGB) oder der Urkundenfälschung (§ 267 StGB) erfüllt (vgl. zu letzterem BGH NJW 1955, 509; OLG Koblenz, Beschluss vom 14.09.2018, 1 Ws 327/18, BeckRS 2018, 23511 Rn. 13 sowie BeckOK StGB/Weidemann, 61. Ed. 1.5.2024, § 267 Rn. 24 m.w.N.) kann im Streitfall offenbleiben, weil es sich bei dem Vorgehen der Antragsgegnerin bzw. von deren Geschäftsführer, das ihr in entsprechender Anwendung des § 31 BGB zuzurechnen ist, um einen eklatanten Vertrauensbruch im Verhältnis eines Labels zu einem mit ihm vertraglich exklusiv verbundenen Künstler handelt.
37Das Argument der Berufung, wonach der Antragsteller auch bei Offenlegung der mit P. vereinbarten Vergütung nicht mehr als 3.000,00 € hätte beanspruchen können, überzeugt ungeachtet der Frage der Höhe einer angemessenen Beteiligung nicht und kann insbesondere der Vorlage des Vertrages nicht den Charakter als schwere Treuepflichtverletzung nehmen. Denn gerade hierdurch musste sich dem Antragsteller der Eindruck aufdrängen, P. (und nicht die Antragsgegnerin) sei nicht bereit gewesen, mehr für seine Mitwirkung zu zahlen, was ihn wiederum – wie auch geschehen – dazu bringen sollte, dies nicht weiter zu hinterfragen bzw. mit der Antragsgegnerin nachzuverhandeln. Tatsächlich ergibt sich aber aus der vorgelegten Korrespondenz und der eidesstattlichen Versicherung der Frau X. (Anlage B2, S. 3, Bl. 215 GA), dass sich die Anfrage explizit auf eine Kooperation mit dem Antragsteller richtete und hierfür (nach einem anfänglich niedrigeren Gebot und Nachverhandlung durch die Zeugin) ursprünglich 11.000 € vorgesehen waren. Selbst wenn hiervon noch Produktionskosten abzuziehen gewesen wären, hat die Antragsgegnerin bzw. deren Geschäftsführer durch die gewählte Vorgehensweise gegenüber dem Antragsteller jedenfalls verschleiert, worauf die Kürzung seines Anteils um über 70 % gegenüber angebotenen 11.000,00 € in Wahrheit beruhte, nämlich auf einer geschäftsinternen Entscheidung der Antragsgegnerin selbst. Selbst wenn diese ein legitimes Interesse daran hatte, ihre eigenen Produktionskosten wieder hereinzuholen, ist gerade dieses täuschende Element über die Berechtigung des Abzugs und dessen Veranlasser ausreichend, das Vertrauen des Antragstellers in die Zusammenarbeit mit der Antragsgegnerin vollständig entfallen zu lassen.
38Die im Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 11.06.2024 (dort Seite 12 ff., Bl. 255 ff. eA) erhobenen Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugin X. greifen nicht durch. Die Antragsgegnerin stützt sich darauf, dass ausweislich eines Videos zur Weihnachtsfeier, an der die Zeugin trotz ihres bevorstehenden Ausscheidens aus dem Betrieb der Antragsgegnerin teilnahm, es die von ihr in der eidesstattlichen Versicherung beschriebene negative Atmosphäre und cholerisch und unberechenbares Verhalten des Geschäftsführers der Antragsgegnerin nicht gegeben haben könne. Die Zeugin sei vielmehr stets unterstützt worden und habe große Freiheiten genossen. Dies ist bereits auf Darlegungsebene nicht ausreichend, um die Glaubwürdigkeit der Zeugin durchgreifend als erschüttert anzusehen. Denn zum einen hat die Zeugin eine plausible Erklärung dafür geliefert, warum sie sich auf der Weihnachtsfeier wie beschrieben verhalten hat und keinen Eklat o. ä. herbeigeführt hat, nachdem sie ihr Ausscheiden bei der Antragsgegnerin (ihres Ausbildungsbetriebes) nicht belasten wollte. Zum anderen werden die Schilderungen der Zeugin zum Kerngeschehen von der Antragsgegnerin nicht als solche angegriffen und insbesondere nicht durch entgegenstehende Glaubhaftmachung (etwa des Geschäftsführers der Antragsgegnerin) infrage gestellt. Die objektiven Umstände stützen, wie oben dargestellt, vielmehr die Ausführungen der Zeugin. Sie hat auch im Übrigen nicht nur einseitig zugunsten des Antragstellers bekundet, sondern ausdrücklich den Vortrag der Antragsgegnerin bestätigt, wonach die für P. tätige Agentur ursprünglich tatsächlich nur bereit war, 1.000 - 3.000,00 € für die Kooperation mit dem Antragsteller zu zahlen (S. 3 der Anlage B2, Bl. 215 eA). Diesen Betrag habe sie dann allerdings auf 11.000,00 € verhandeln können, woraufhin der Geschäftsführer der Antragsgegnerin die Einbeziehung seiner Person in die Kooperation verlangt habe, wofür letztendlich ein Gesamtpreis von 22.000,00 € von P. gezahlt worden sei. Diesen Vortrag bestreitet die Antragsgegnerin bereits nicht mit Substanz bzw. hat Gegenteiliges nicht glaubhaft gemacht. Auch ihren Verdacht, die Zeugin habe ein eigenes Label gegründet bzw. beabsichtige dies und habe daher ein Eigeninteresse an der Lösung des Antragstellers aus dem Vertrag mit der Antragsgegnerin, hat sie nicht glaubhaft gemacht, was aber angesichts der gegenteiligen Bekundungen der Zeugin erforderlich gewesen wäre. Die vorgelegten Nachrichten aus WhatsApp, aus denen sich nach Auffassung der Antragsgegnerin ergibt, dass die Zeugin sich einseitig zugunsten des Antragstellers positioniert habe (eingeblendet Bl. 258 f. eA), lassen zunächst nur erkennen, dass der Antragsteller, wie es auch aus der eidesstattlichen Versicherung hervorgeht, von der Zeugin über die wahren Hintergründe aufgeklärt worden ist, was angesichts der gravierenden Pflichtverletzung durch die Antragsgegnerin für sich genommen nicht zu beanstanden ist, selbst wenn die Zeugin hierdurch ihre arbeitsvertraglichen Pflichten gegenüber der Antragsgegnerin verletzt haben sollte.
39Der weitere WhatsApp-Verlauf, aus dem sich ergeben soll, dass der Antragsteller in Gegenwart der Zeugin Aufnahmen im Studio von B. L. (dem nunmehrigen Arbeitgeber der Zeugin) gemacht haben soll, woraus die Antragsgegnerin auf eine Schädigungsabsicht und ein vertragswidriges „Abwerben“ des Antragstellers durch die Zeugin folgern will, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Abgesehen davon, dass diese Unterhaltung wegen ihrer orthografischen und grammatikalischen Besonderheiten aus sich heraus kaum verständlich ist, hat der Antragsteller durch eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers der B. L. UG, Herrn VD. (Anlage BB11, Bl. 336 eA) glaubhaft gemacht, dass er sich nur deswegen in dem Studio, das auch die B. L. GmbH nutzte, aufhielt, weil er mit dem Produzenten OK. GT. gemeinsame Aufnahmen mit dem weiteren Künstler TB. VK. anfertigte. Diese Aufnahmen erfolgten aber nicht im Rahmen einer Tätigkeit für das Label des Herrn VD..
40b) Auch den Kündigungsgrund wegen der erstatteten Strafanzeige aufgrund einer angeblich nicht rechtzeitigen Rückgabe des Leasing-Fahrzeugs hat das Landgericht mit Recht bejaht.
41Hiergegen wendet die Berufung hauptsächlich ein, infolge der Absage eines Konzerts, des passiven Verhaltens des Antragstellers im Rahmen eines I.-Livestreams und dessen Lossagung von der Antragsgegnerin im Rahmen der Nachricht vom 17.09.2022 (Anlage BK7, Bl. 172 eA) sei die Grundlage für die Überlassung des Fahrzeugs entfallen.
42Hierauf kommt es indes nicht entscheidend an. Selbst wenn unterstellt wird, dass sich der Antragsteller ausweislich dieser Nachricht einseitig vom Vertrag lösen wollte, bevor er die Kündigung erklärt hatte und dies seinerseits vertragswidrig gewesen wäre, hätte dies zum einen die Antragsgegnerin nicht ohne Abmahnung ihrerseits zur Kündigung berechtigt. Auch ist von der Antragsgegnerin bereits nicht dargetan worden, dass sie – jenseits der Rückgabeforderung – überhaupt einmal deutlich gemacht hätte, dass sie sich aus diesem Grund von dem Überlassungsvertrag lösen wollte. Vielmehr hatte sich der Geschäftsführer der Antragsgegnerin zuvor erneut eines Mittels der Täuschung bedient, indem er dem Antragsteller aufforderte, das Fahrzeug müsse wegen einer nicht mehr gültigen Versicherung zu der Antragsgegnerin verbracht werden (siehe Screenshot des WhatsApp-Verlaufs auf S. 8 des Schriftsatzes der Antragsgegnerin vom 11.06.2024, Bl. 254 eA).
43Zum anderen hatte sich der Antragsteller – angesichts der vorgelegten Leasingrechnung (Anlage ASt. 22, Bl. 128 GA), wonach die Nutzung bis zum 03.10.2022 von ihm bezahlt sei, mit jedenfalls vertretbarer Begründung – durchaus bereit gezeigt, das Fahrzeug zu der von ihm als zutreffend erkannten Rückgabezeit auch zurückzugeben (Anlage ASt. 24, Bl. 130 GA). Die Erstattung einer Strafanzeige trotz der Ankündigung des Antragstellers, er werde das Fahrzeug fristgerecht nach Ablauf der vereinbarten Nutzungsdauer (für die er auch bereits bezahlt hatte) zurückgeben, stellt sich insofern als besonders schwere Treuepflichtverletzung dar. Dies gilt umso mehr, als sie unter Angabe falscher Tatsachen gegenüber der zuständigen Polizeibehörde erfolgte: Denn dieser gegenüber gab der Geschäftsführer der Antragsgegnerin an, es bestehe kein Leasingverhältnis, sondern nur eine mündliche Nutzungsvereinbarung darüber, dass der Pkw so lange genutzt werden dürfe, „wie der Zeuge es möchte und man zusammen arbeite“ (Bl. 144 GA). Auch gab er in gleicher Weise wahrheitswidrig an (Bl. 145 GA), der Wagen habe bis zum 26.09.2022 um 09:00 Uhr zurückgegeben werden müssen, während er selbst eine – zum Zeitpunkt der Anzeigenerstattung zudem noch nicht abgelaufene – Frist auf den 27.09.2022 um 13:00 Uhr gesetzt hatte (Anlage ASt. 23, Bl. 129 GA). Die am Tag zuvor eingegangene Nachricht des Antragstellers betreffend dessen Bereitschaft zur Rückgabe verschwieg er bei der Anzeigenerstattung völlig und gab – auch insoweit wahrheitswidrig – an, dieser reagiere nicht auf seine Versuche der Kontaktaufnahme. Auch in diesem Zusammenhang kann die Frage einer etwaigen strafrechtlichen Würdigung dieses Verhaltens offen bleiben, weil die vorgenannten Umstände ungeachtet dessen schwerwiegende Vertrauensbrüche darstellen, die eine außerordentliche Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung stützen.
443. Das Landgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die außerordentliche Kündigung die Einräumung von Nutzungsrechten an den streitgegenständlichen – noch nicht veröffentlichten - Titeln entfallen lässt und die öffentliche Zugänglichmachung durch die Antragsgegnerin daher eine Rechtsverletzung darstellt.
45a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs fällt im Verhältnis zwischen Urheber (Lizenzgeber) und Verwerter (Lizenznehmer) mit dem Wegfall des Lizenzvertrags auch das eingeräumte Nutzungsrecht an den Urheber zurück, ohne dass es einer gesonderten Rückübertragung bedürfte (vgl. BGH GRUR 2012, 916, 917 Rn. 17 – M2Trade). Entsprechendes gilt für die Rechte des ausübenden Künstlers, wie sie hier in Rede stehen, nachdem § 79 Abs. 2a UrhG die entsprechende Anwendung der Vorschrift über den Rückruf von Rechten (§ 41 UrhG) hierauf anordnet. Gerade die letztere Regelung hat der Bundesgerichtshof angeführt, um den von ihm angenommenen Rückfall von Rechten ipso iure auch im Falle der Kündigung zu begründen.
46b) Richtig ist zwar im Ausgangspunkt, dass der im angefochtenen Urteil angenommene Widerspruch in den vertraglichen Regelungen in Ziff. 2.1 und Ziff. 4 (LGU S. 12, Bl. 410 GA) des Künstler-Exklusivvertrages nicht in dieser Form besteht. Denn wie die Berufung mit Recht geltend macht, trifft der Vertrag insoweit eine Differenzierung zwischen dem Recht zur Herstellung von Aufnahmen während der Vertragsdauer einerseits und dem zeitlich unbeschränkten Recht der Verwertung dieser hergestellten Aufnahmen auch nach Beendigung des Vertrages und unabhängig vom Beendigungsgrund (Ziff. 2.1, Bl. 49 GA, Hervorhebungen durch den Senat).
47Diese Regelungen stehen deshalb nicht in innerem Widerspruch miteinander, weil sie die wirtschaftliche Lage bei einer vorzeitigen Beendigung des Vertrages im Ausgangspunkt ausgewogen regeln. Denn der maßgebliche Gedanke bei der Abgrenzung im Falle einer Beendigung des Vertrages ist, dass das Label für die Kosten der Herstellung der Aufnahmen und das „Aufbauen“ des Künstlers, die bereits vor Veröffentlichung angefallen sind, kompensiert werden soll, indem ihm die Veröffentlichungsrechte weiterhin auch nachvertraglich zustehen. Das Label darf – mit anderen Worten – nach Beendigung des Vertrags lediglich keine weiteren Aufnahmen mehr herstellen, dafür aber die bereits gefertigten verwerten und ist durch die auch „nachwirkende“ Exklusivität (Ziff. 4 des Vertrages) davor geschützt, dass der Interpret den gleichen Titel erneut aufnimmt, für diese Darbietung einem anderen Verwerter Rechte überträgt und so die ursprünglich eingeräumten Auswertungsrechte entwertet.
48Deshalb ist es im Grundsatz anerkannt, dass die Beendigung des Künstlervertrages durch Zeitablauf, Kündigung oder in sonstiger Weise die Rechteübertragung für abgelieferte Aufnahmen in der Regel nicht berührt, sondern die maßgeblichen Vertragsbestimmungen insoweit – wie im Streitfall - auch über das Ende der Vertragsdauer hinaus wirken sollen (vgl. Büscher, in: Münchener Anwaltshandbuch Urheber- und Medienrecht, 3. Aufl. 2023, § 9 Rn. 70). Die Kündigung wirkt insofern grundsätzlich ex nunc (vgl. Schulze, in: Dreier/Schulze, UrhG, 7. Aufl. 2022, Vorbem. zu §§ 31-44 Rn. 116). In der Regel ist der ausübende Künstler, der im Vorhinein dem Verwerter Nutzungsrechte eingeräumt hat, daher nur eingeschränkt davor geschützt, dass der Verwerter bereits hergestellte Aufnahmen veröffentlicht. Anderes gilt nur, wenn dem Interpreten ein Endabnahmerecht vertraglich eingeräumt wäre, dessen Verweigerung dann zu einem Verbot der Veröffentlichung führen könnte (zum Vorstehenden eingehend Grünberger, in: Schricker/Loewenheim, UrhG, 6. Aufl. 2020, § 79 Rn. 87).
49c) Auch unter Berücksichtigung dieser Interessenlage und der vertraglichen Regelungen besteht der Unterlassungsanspruch des Antragstellers jedoch, weil sich die entsprechende Klausel betreffend die Fortgeltung der Auswertungsbefugnisse als unwirksam erweist.
50aa) Der Senat kann offenlassen, ob die Regelungen des Vertrages schon deshalb und unabhängig von den Kündigungsgründen nicht in die Zukunft wirken können, weil sie nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sind. Dies könnte in Betracht kommen, weil die Antragsgegnerin in Ziff. 6 des Künstlerexklusivvertrages das Produktionskostenrisiko vollständig auf den Antragsteller übertragen hatte, indem dessen prozentuale Beteiligung von 20% auf die Einnahmen „abzüglich aller der Firma im Zusammenhang mit der Herstellung und/oder Auswertung der Vertragsaufnahmen entstehenden Kosten, insbesondere der Produktionskosten der Vertragsaufnahmen (auch eventueller Musikvideos) sowie Werbekosten“ (S. 6 der Anlage ASt. 1, Bl. 54 GA) zu berechnen war, während ihre eigenen Beteiligungen an den (Werbe- und Auftritts-) Einnahmen des Antragstellers ausdrücklich ohne Abzüge von dessen Kosten zu berechnen waren (vgl. Ziff. 10.1, 10.2 und 10.3 des Vertrages, Bl. 56 GA). Diese Konditionen konnte die Antragsgegnerin durch ein einseitiges Optionsrecht auf eine Verlängerung der Exklusivbindung (Ziff. 9.2 ff. des Vertrages, Bl. 55 ff. GA) unter Fortgeltung dieser Vergütung auf mindestens neun weitere Jahre (drei Optionsrechte gemäß Ziff. 9.2 zuzüglich der Grundlaufzeit, die ebenfalls bis 36 Monate betragen konnte, Ziff. 9.4 des Vertrages) festschreiben (vgl. zu Grenzen der Vertragsgestaltung insoweit BGH GRUR 1989, 198, 201 – Künstlerverträge sowie speziell zum Optionsrecht OLG Karlsruhe, Urteil vom 09.07.2003, 6 U 65/02, BeckRS 2003, 31056005 – NA. RH.).
51bb) Ungeachtet dessen ist im Streitfall jedenfalls die an zwei Stellen verwendete Klausel, wonach der Antragsgegnerin die Verwertungsrechte an hergestellten Aufnahmen unabhängig davon zeitlich unbefristet zustehen sollen, aus welchem Grund der Vertrag beendet wurde (Ziff. 2.1: „unabhängig vom Beendigungsgrund“; Ziff 9.5 „Beendigung dieses Vertrages - gleich aus welchem Grund“), als unangemessene Benachteiligung des Antragstellers im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB anzusehen.
52Dass der Künstlerexklusivvertrag – wie von der Antragstellerin vorgetragen (S. 7 des Schriftsatzes vom 30.11.2023, Bl. 340 GA) - von der Antragsgegnerin für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert worden ist, hat diese nicht in Abrede gestellt.
53Eine Klausel ist unangemessen im Sinne dieser Vorschrift, wenn der Verwender die Vertragsgestaltung einseitig für sich in Anspruch nimmt und eigene Interessen missbräuchlich auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein die Interessen seines Partners hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (BGH NJW 2012, 1431 Rn. 20 – Attestierte Krankheit).
54Gemessen hieran wird durch die genannten Regelungen zwar nicht das Recht zur außerordentlichen Kündigung (§ 314 Abs. 1 BGB) als solches ausgeschlossen, was bereits unzulässig wäre (vgl. nur BGH, a.a.O. Rn. 27 – Attestierte Krankheit). Auch besteht auf Seiten der Antragsgegnerin, wie oben ausgeführt, ein grundsätzlich anerkennenswertes Interesse, die von ihr aufgewendeten Beträge für die Herstellung der Aufnahmen mit dem Antragsteller und des Aufbaus und Begleitung von dessen Karriere durch verschiedene Unterstützungsmaßnahmen wieder zu amortisieren. Die konkrete Vertragsgestaltung lässt jedoch, wie ebenfalls bereits ausgeführt, dieses Interesse im Streitfall als weniger schützenswert erscheinen, nachdem die Antragsgegnerin das diesbezügliche wirtschaftliche Risiko nahezu vollständig auf den Antragsteller überbürdet hatte, indem ihm eine Beteiligung nur an einem verbleibenden Gewinn nach Abzug aller Kosten der Antragsgegnerin zugebilligt wurde. Auf Seiten des Antragstellers fällt demgegenüber zu seinen Gunsten erheblich ins Gewicht, dass er infolge der Klausel auch bei Vertragsverletzungen aus der Sphäre der Antragsgegnerin, die das Vertrauensverhältnis unwiederbringlich zerstört haben, weiterhin mit der Antragsgegnerin wirtschaftlich und tatsächlich (durch Angabe der Antragsgegnerin als Label auf den verbreiteten Tonträgern bzw. in den jeweiligen Streaming-/Downloadangeboten) verbunden bliebe. Insbesondere wäre er hinsichtlich der Abrechnung der ihm zustehenden Anteile auf deren Auskünfte und Angaben auch in dem Fall weiter angewiesen, dass die Antragsgegnerin als Verwenderin sich – wie im Streitfall – einer vorsätzlichen Täuschung zur finanziellen Übervorteilung des Antragstellers bedient oder diesen wider besseres Wissen unter Negieren bzw. Verschweigen vertraglicher Abreden einer Straftat bezichtigt hatte und dies zur Beendigung des Vertragsverhältnisses geführt hatte. Der Prüfungsvorbehalt (Ziff. 11.1 des Vertrages, Bl. 58 GA) zu Gunsten des Antragstellers kann insofern nicht als angemessene Kompensation angesehen werden. Die Antragsgegnerin unterlag auch keiner Auswertungspflicht. Denn im Vertrag hatte sie sich sämtliche Entscheidungen „über Art und Umfang der Auswertung der Vertragsaufnahmen, insbesondere Zeitpunkt, Ort, Dauer, Abgabepreis (und deren Änderung), Ausstattung, Art und Form“ vollständig vorbehalten (Ziff. 5.4 des Vertrages, Bl. 53 GA). Der Antragsteller wäre deshalb nach einer Kündigung aufgrund derartiger Sachverhalte für das Fortbestehen seiner Beteiligungsrechte darauf angewiesen, dass die Antragsgegnerin die Aufnahmen auch tatsächlich weiter auswertete, was ihr der Vertrag jedoch freistellte. Ungeachtet der Frage, ob es für die Antragsgegnerin aus wirtschaftlichem Eigeninteresse naheliegen könnte, die hergestellten Aufnahmen auch zu verwerten, hat sie sich durch die gewählte Vertragskonstruktion jedenfalls bei der gebotenen Gesamtbetrachtung des Klauselwerks im Sinne eines Summierungseffekts (vgl. dazu Grüneberg, in: Grüneberg, BGB, 83. Aufl. 2024, § 307 Rn. 13) eine Rechtsposition allein zu ihren Gunsten verschafft, die die Unangemessenheit der Fortgeltung der Auswertungsrechte unabhängig vom Beendigungsgrund des Vertragsverhältnisses begründet. Denn die mit dieser Formulierung einhergehende Freizeichnung der Antragsgegnerin von jeglichen schwerwiegenden Vertragspflichtverletzungen unter Beibehaltung der finanziellen Vorteile aus den gefertigten Aufnahmen – ohne korrespondierende Auswertungspflicht -, für deren Kostendeckung zunächst die Gewinnbeteiligung des Antragstellers herangezogen wurde, stellt jedenfalls im hier zu beurteilenden Fall von noch nicht veröffentlichten Titeln eine einseitig die Interessen der Antragsgegnerin berücksichtigende Regelung dar, ohne einen angemessenen Ausgleich für den Antragsteller vorzusehen.
55Es bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, ob und ggf. wie im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (Ziff. 12.2 des Vertrages, Bl. 59 GA sowie § 306 Abs. 2 BGB) eine angemessene Ausgestaltung der Auswertungsrechte bei Beendigung des Vertrags auszusehen hätte. Insofern soll der Wegfall einzelner benachteiligender Klauseln grundsätzlich nicht zu einer einseitigen Verschiebung des Vertragsgefüges zu Gunsten des Verwendungsgegners führen (vgl. Grüneberg, in: Grüneberg, a.a.O., § 306 Rn. 13), so dass – wie oben erläutert – eine Regelung, wonach der Antragsgegnerin auch bei Vertragsbeendigung die Rechte an bereits hergestellten Aufnahmen weiter zustehen können, nicht vollständig in Wegfall geraten darf. Auch bei Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts würde eine Anpassung der Klausel über die Fortgeltung der Auswertungsrechte im Fall der vorzeitigen Vertragsbeendigung aber jedenfalls in Bezug auf noch nicht veröffentlichte Titel nicht dazu führen, dass dies auch unter den Umständen des Streitfalles der Fall wäre. Denn die in Rede stehenden Pflichtverletzungen sind, wie bereits ausgeführt, besonders gravierend und betreffen den Kernbereich des Vertrauensverhältnisses zwischen Künstler und Tonträgerunternehmen. Solche Fallgestaltungen müssten deshalb auch bei einer Anpassung des Vertrages von der Fortgeltung der Auswertungsrechte ausgenommen werden.
56III.
57Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Dieses Urteil ist gemäß § 542 Abs. 2 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.