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I. Auf die Berufung der Klägerin und unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels wird das am 12.07.2023 verkündete Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Bonn (20 O 49/22) teilweise abgeändert und insgesamt zur Klarstellung wie folgt gefasst:
1. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin 1.021.142,95 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.09.2020 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass sich der Klageantrag zu 2) in Höhe von 165,06 € erledigt hat.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Berufung der Beklagten zu 1) wird als unzulässig verworfen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits 1. und 2. Instanz werden wie folgt verteilt:
Die Gerichtskosten tragen die Klägerin zu 88% und die Beklagte zu 1) zu 12%. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt diese selbst zu 88% und die Beklagte zu 1) zu 12%. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) trägt diese selbst zu 16% und die Klägerin zu 84%. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) mit Ausnahme der durch deren Streithilfe entstandenen Kosten trägt die Klägerin vollständig. Die durch die Streithilfe der Beklagten zu 2) entstandenen Kosten trägt die Klägerin zu 84% und die Beklagte zu 2) diese selbst zu 16%.
IV. Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die jeweilige Schuldnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Gläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
VI. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 8.265.716,98 € festgesetzt (Berufung der Klägerin: 7.272.360,73 €; Berufung der Beklagten zu 1): 993.356,25 €). Der Gegenstandswert für die Streithilfe durch die Beklagte zu 2) wird auf 5.099.428,70 € festgesetzt.
Gründe
2I.
3Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Rückzahlung von geleisteten Kaufpreiszahlungen für im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie gelieferte Schutzmasken unter den Gesichtspunkten der Mangelhaftigkeit eines Teils der Masken und der versehentlichen Überzahlung in Anspruch. Die Beklagten verteidigen sich mit Gegenforderungen und treten der Mängelrüge entgegen.
4Die Klägerin und die Beklagte zu 1) sind durch einen sog. Open-House-Vertrag über die Lieferung von Atemschutzmasken miteinander verbunden. Die Beklagte zu 2) war Lieferantin der Beklagten zu 1) hinsichtlich dieser Masken und war auch für die Fa. F. Y. GmbH (im Folgenden auch nur: Fa. F.) in dieser Eigenschaft tätig.
5Ein Open-House-Verfahren ist dadurch geprägt, dass ein öffentlicher Auftraggeber zum Zwecke der Güterbeschaffung Rahmenvertragsvereinbarungen veröffentlicht, zu deren Bedingungen jeder interessierte Lieferant ein vorformuliertes Angebot abgeben kann, das dann per Zuschlag angenommen wird, ohne dass eine Auswahlentscheidung getroffen wird. Da in der Konsequenz sämtliche Angebote angenommen werden, findet kein Wettbewerb zwischen den Teilnehmern statt. Das Verfahren unterfällt daher keinen vergaberechtlichen Vorschriften. Weitere Konsequenz ist, dass das Auftragsvolumen nicht immer klar vorhersehbar ist.
6Anlass für das hier in Rede stehende Open-House-Verfahren war der Beginn der Corona-Pandemie und der damit verbundene große Bedarf an medizinischer Schutzausrüstung für Personen (PSA), insbesondere in Form von Atemschutzmasken.
7Unter dem 27.03.2020 erfolgte durch die Klägerin eine Auftragsbekanntmachung über einen Lieferauftrag für Schutz- und Sicherheitskleidung, und zwar „FFP2 Masken, OP-Masken und Schutzkittel“ (Anlage K4, Bl. 58 ff. GA). Darin ist u.a. folgendes festgehalten:
8„Das Vertragssystem beginnt ab sofort zu laufen und endet mit Ablauf des 30.4.2020. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass spätester Liefertermin der 30.4.2020 innerhalb der üblichen Geschäftszeiten der T. R. L. & Co. KG, V. Str. N01, N02 Z., ist.“
9Nachträglich verkürzte die Klägerin das Ende der Ablaufzeit zur Einreichung von Angeboten auf den 08.04.2020 (Bl. 64 GA).
10Die Beklagte zu 1) reichte unter dem 08.04.2020 ein Angebot über die Lieferung von 1.800.000 „FFP2-Masken“ mittels des klägerseits vorgefertigten Vertragstextes ein (Anlage K3, Bl. 52 ff. GA), welches die Klägerin annahm. Der Vertragstext enthält u.a. folgende Regelungen:
11„§ 2 Vertragsbestandteile
122.1. Folgende Unterlagen und Bestimmungen sind in Ergänzungen der Regelungen dieses Vertrages Bestandteile des Vertragsverhältnisses:
13a. die Leistungsbeschreibung mit den Stückpreisen für die einzelnen Produktgruppen (….)
14§ 3 Leistung/Lieferung (…)
153.2 Die Lieferung der Produkte hat an die T. R. L. & Co. KG, V. Str. N01, N02 Z., während der üblichen Geschäftszeiten zu erfolgen; die üblichen Geschäftszeiten sind von dem AN bei der T. R. L. & Co. KG zu erfragen. Die Lieferung ist der T. R. L. & Co. KG in Textform mit einer Frist von mindestens drei Kalendertagen vor dem Liefertermin anzukündigen. Spätester Liefertermin ist der 30.04.2020 innerhalb der Geschäftszeiten gemäß S. 1. Bei Nichteinhaltung des spätesten Liefertermins entfallen die gegenseitigen Pflichten der Vertragspartner; eine verspätete Lieferung stellt keine Erfüllung des Vertrages durch den AN dar (absolutes Fixgeschäft).
16§ 5 Zahlung
175.1 Der AG zahlt die vereinbarte Vergütung bargeldlos binnen einer Woche nach erfolgter Lieferung und Eingang einer den Vorschriften des Umsatzsteuerrechts entsprechenden Rechnung bei der T. R. L. & Co. KG, V. Str. N01, N02 Z., auf das von dem AN angegebene Konto.
185.2 Jede Zahlung erfolgt unter dem Vorbehalt des Anspruchs auf Rückerstattung wegen nicht oder mangelhaft erbrachter Leistungen (…)
19§ 6 Mängelansprüche
206.1 Für Sach- und Rechtsmängelansprüche gelten die gesetzlichen Vorschriften, soweit nachfolgend nichts anderes bestimmt ist.
216.2 Eine Untersuchungs-/Rügeobliegenheit des AG beschränkt sich auf Mängel, die nach der Ablieferung unter äußerlicher Begutachtung offen zutage treten (z. B. Transportbeschädigungen, Falsch- und Minderlieferungen). Eine Rüge/Mängelanzeige gilt als unverzüglich und rechtzeitig, wenn sie innerhalb von sieben Kalendertagen beim AN eingeht.
22§ 7 Laufzeit des Vertrages/sonstige Vereinbarungen
237.1 Der Vertrag tritt mit Zuschlagserteilung des AG auf das im Open-House-Verfahren abgegebene Angebot des AN in Kraft und endet mit Ablauf des 30.04.2020. Die durch eine innerhalb der Vertragslaufzeit erfolgte Lieferung begründeten Rechte und Pflichten des AG und des AN bestehen auch nach dem Ablauf der Vertragslaufzeit fort.“
24Die vertragliche Leistungsbeschreibung (Anlage 1 zum Vertrag, Bl. 67 GA) enthält folgende Vorgaben:
25„FFP2 Masken: Preis pro Stück (€) netto 4,50 Beschreibung: • Atmungsaktives Design, das nicht gegen den Mund zusammenfällt (z.B. Entenschnabel, becherförmig) • Versehen mit einer Metallplatte an der Nasenspitze · • Kann wiederverwendbar* (aus robustem Material, das gereinigt und desinfiziert werden kann) oder Einwegartikel sein
26Normen/Standards:
27Atemschutzgerät „N95“ gemäß FDA Klasse II, unter 21 CFR 878.4040, und CDC NIOSH, oder „FFP2“ gemäß EN 149 Verordnung 2016/425 Kategorie III
28oder gleichwertige Normen, auch KN95 (CHN)“
29Unter dem 20.04.2020 trat die Beklagte zu 1) ihre Kaufpreisforderung teilweise, in Höhe von 7.175.700 €, an ihre Vorlieferantin, die Beklagte zu 2), ab (Anlage K6, Bl. 143 GA) und informierte die Klägerin hierüber.
30Ende April 2020 stellte die Klägerin fest, dass aufgrund der Vielzahl von Teilnehmern eine Annahme aller Lieferungen zum 30.04.2020 nicht möglich war. Sofern Lieferungen für den 30.04.2020 avisiert und möglich waren, erhielten die Auftragnehmer, u.a. auch die Beklagte zu 1), spätere Lieferslots.
31Die Beklagte zu 1) lieferte an die Klägerin auf deren Weisung am 04.05.2020 die vertraglich vereinbarte Menge an Masken bzw. 1.400 Masken mehr aus. Die Masken stammten von drei verschiedenen chinesischen Herstellern. Hierüber wurden insgesamt 14 Lieferscheine erstellt und vom Logistiker abgezeichnet (Anlagenkonvolut K9, Bl. 150 ff. GA). Soweit auf einzelnen Lieferscheinen die Lieferartikel beschrieben wurden, trugen sie die Bezeichnung „Mundschutz KN 95“.
32Die Beklagte zu 1) erstellte für die Lieferung der geschuldeten 1.800.000 Masken eine Rechnung über insgesamt 9.639.000,00 € (Anlage K7, Bl. 144 f. GA), wobei sie nochmals auf die Teilabtretung hinwies. Deswegen bat sie darum, dass von dem Rechnungsbetrag 2.463.300,00 € an die Beklagte zu 1) und 7.175.700,00 € an die Beklagte zu 2) gezahlt werden.
33Die Klägerin ließ die Masken sodann von der M. G. GmbH bzw. deren Tochtergesellschaft P. überprüfen. Die Details hierzu sind umstritten. Die technische Prüfung des M.s erfolgte jedenfalls unstreitig nicht nach der chinesischen Norm GB2626 für KN95-Masken, sondern „in Anlehnung“ an die EU-Norm für FFP2-Masken, EN 149:2001+A1:2009 (im Folgenden: EN 149) unter Modifikation von bestimmten Parametern. Der M. erstellte über die Prüfungen vom 06.05.-13.05.2020 Prüfberichte (Anlagen K11-, K16, Bl. 222 ff. d.A). Das Ergebnis der Prüfungen von sechs Teillieferungen lautete „nicht bestanden“.
34Die Fa. F. hatte mit der Klägerin ebenfalls einen Vertrag über die Lieferung von insgesamt 1.100.000 FFP2-Masken im Rahmen des Open House-Verfahrens geschlossen (Anlage DK22, Bl. 429 ff. GA). Die Lieferung erfolgte im Einvernehmen mit der Klägerin erst am 05.05.2020, wobei der Lieferschein (Anlage DK25, Bl. 436 f. GA) vorsah, dass die gelieferten Waren bis zur vollständigen Bezahlung im Eigentum der Fa. F. verbleiben sollten. Die Klägerin rügte auch hier Mängel und erklärte hierauf gestützt einen Teilrücktritt vom Vertrag (Anlage DK28, Bl. 447 ff. GA). Die aus diesem Vorgang resultierenden Forderungen trat die Fa. F. an die Beklagte zu 2) ab (Anlage DK23, Bl. 434 GA).
35Unter dem 27.05.2020 mahnten beide Beklagten – jeweils anwaltlich vertreten – die ausstehende Kaufpreiszahlung aus dem Vertrag mit der Beklagten zu 1) an (Anlage K8, Bl. 146 GA und Anlage K23, Bl. 252 f. GA).
36Am 11.06.20 leistete die Klägerin Teilzahlungen von 1.041.868,80 € an die Beklagte zu 1) und 3.027.931,20 € an die Beklagte zu 2) (Anlage K17, Bl. 228 ff. GA).
37Mit E-Mail vom 22.06.2020 teilte die Klägerin der Beklagten zu 1) mit, dass die gelieferten Masken die Laborprüfung teilweise nicht bestanden hätten. Sie erklärte hinsichtlich sechs bestimmter Teil-Lieferungen unter Bezugnahme auf die Prüfberichte den (teilweisen) Rücktritt von dem geschlossenen Vertrag (Anlage K18, Bl. 232 ff. GA). Das betrifft die Avis-Nummern HAL0405202004_6/ L00197, HAL0405202004_2/ L00199, HAL0405202004_3/ L00220, HAL0405202004_1/ L00223, HAL0405202004_5/ L00228 und HAL0405202004_4/ L00260.
38Gleichwohl leistete die Klägerin am 23.06.2020 weitere Zahlungen von 2.463.300,00 € an die Beklagte zu 1) und 7.175.700,00 € an die Beklagte zu 2) (Anlage K17, Bl. 228 ff. GA). Dabei handelte es sich um die von der Beklagten zu 1) in ihrer Rechnung ausgewiesenen Beträge, wobei eine Anrechnung der zuvor erfolgten Teilzahlungen versehentlich unterblieben war. Ebenso wenig nahm die Klägerin dabei einen Abzug aufgrund des erklärten Teilrücktritts vor. Insgesamt hatten die Beklagten daher nunmehr folgende Summen erhalten: Die Beklagte zu 1) einen Betrag in Höhe von 3.505.168.80 € (mithin 1.041.868,80 € mehr als vertraglich unter Berücksichtigung der Teilabtretung geschuldet war) und die Beklagte zu 2) einen Betrag in Höhe von 10.203.631,20 € (mithin 3.027.931,20 € mehr als vertraglich unter Berücksichtigung der Teilabtretung geschuldet war). Insgesamt hatte die Klägerin einen Betrag von 13.708.800,00 € ausgezahlt.
39Mit anwaltlichen Schreiben jeweils vom 04.09.2020 forderte die Klägerin von der Beklagten zu 1) die Überzahlungen aufgrund des erklärten Rücktritts sowie der versehentlichen Überzahlung vom 23.06.2020 zurück (Anlage K19, Bl. 234 ff. GA) und erhob gleiche Forderungen gegenüber der Beklagten zu 2) (Anlage K26, Bl. 263 ff. GA), wogegen sich beide Beklagte mit Aufrechnungen verteidigten (Anlage K20, Bl. 242 GA; Anlage K27, Bl. 267 ff GA). Einen Betrag von 764.066,00 € zahlte die Beklagte zu 2) zurück.
40Die Klägerin hat in erster Instanz die Mangelhaftigkeit der o.g. Maskenchargen behauptet und ihren darauf beruhenden Rücktritt für wirksam gehalten. Die Beklagten sind dem unter näherer Darlegung entgegengetreten und haben sich auch im Rechtsstreit gegenüber den Ansprüchen auf Rückzahlung der Überzahlungen mit Aufrechnungen verteidigt.
41Wegen des näheren Sach- und Streitstandes bis zur Entscheidung in erster Instanz und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen (Bl. 1993 ff. GA).
42Das Landgericht hat der Klage nur in Höhe von 993.356,25 € gegenüber der Beklagten zu 1) stattgegeben, die Erledigung des Rechtsstreits in Höhe von 165,06 € festgestellt und sie im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es – soweit im Berufungsrechtszug noch von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt: Der Antrag zu 1) sei unbegründet, weil die Klägerin keine angemessene Nachfrist zur Mängelbeseitigung gesetzt habe. Diese sei weder nach § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB noch nach § 376 HGB entbehrlich gewesen. Die ein absolutes Fixgeschäft statuierende Klausel in den Vertragsbedingungen der Klägerin sei nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, auch wenn man die Klausel im Sinne eines relativen Fixgeschäfts verstehe. Auch eine Auslegung der Umstände des Vertragsschlusses ergebe nicht, dass die Parteien ein relatives Fixgeschäft vereinbart hätten. Es liege keine ernsthafte Erfüllungsverweigerung der Beklagten vor, zumal die Beklagte zu 1) unmittelbar nach Kenntnis von der Mängelrüge eine Überprüfung nebst Nachbesserung angeboten habe. Gegenüber der Beklagten zu 1) bestehe der mit dem Klageantrag zu 2) verfolgte Rückzahlungsanspruch, sei allerdings durch berechtigte Aufrechnungen der Beklagten zu 1) mit unstreitigen Zinsen sowie vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, die infolge der unberechtigten Rücktrittserklärung der Klägerin im Wege des Schadensersatzes von dieser zu erstatten seien, teilweise erloschen. Erledigung sei insoweit überwiegend nicht eingetreten, weil die Beklagte zu 1) die Aufrechnung mit dem Zinsanspruch bereits vorgerichtlich erklärt habe: Lediglich in Höhe eines Differenzbetrags von 165,06 € sei dies erst im Rechtsstreit erfolgt. Der Rückzahlungsanspruch gegenüber der Beklagten zu 2) (Antrag zu 6) sei durch die erfolgte Rückzahlung sowie die erklärte Aufrechnung mit einer Forderung der Fa. F. in Höhe von 4.950.000,00 € erloschen. Letztere Forderung sei auch aufrechenbar, weil der Klägerin kein Zurückbehaltungsrecht wegen eines Nachbesserungsanspruch infolge mangelhafter Masken zustehe. Denn die Klägerin sei zum einen vorleistungspflichtig gewesen, wie sich aus Ziff. 5.1 und 5.2 des Kaufvertrages ergebe. Zum anderen habe sich die Klägerin selbst nicht vertragstreu verhalten, was die Berufung auf ein Zurückbehaltungsrecht ausschließe, weil sie den Kaufpreisanspruch der Fa. F. nach wie vor nicht bzw. nicht in Höhe der zur Aufrechnung gestellten Forderung beglichen habe. Soweit die Klägerin mit dem Hilfsantrag die Nacherfüllung hinsichtlich mangelhafter Masken geltend mache, sei dieser wegen mangelnder Bestimmtheit unzulässig, weil sich nicht erschließe, was mit dem im Antrag verwendeten Begriff der „Verkehrsfähigkeit“ gemeint sei und die Bezugnahme auf Anlagen nicht ausreiche. Zudem sei mit der Formulierung „bis zu 900.400 Masken“ die geschuldete Leistung unzureichend umschreiben. Der Antrag sei aber auch unbegründet.
43Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der im Wesentlichen geltend gemacht wird: Das Landgericht habe zu Unrecht angenommen, dass sie in Gewinnerzielungsabsicht – als Voraussetzung der Kaufmannseigenschaft – gehandelt habe und habe es auch versäumt, auf die von ihm angenommene Unzulässigkeit des Hilfsantrages hinzuweisen. Eine Nachfrist hinsichtlich der Mangelhaftigkeit der gelieferten Masken sei nicht erforderlich gewesen, das Landgericht habe zu hohe Anforderungen an das Vorliegen der Voraussetzungen des § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB, insbesondere mit Blick auf dessen Novellierung im Jahr 2014, gestellt. Die entsprechende Klausel im Vertrag unterliege bereits nicht der Inhaltskontrolle, sei aber jedenfalls wirksam, wie im Einzelnen ausgeführt wird. Das Landgericht habe auch übersehen, dass der Charakter als Fixgeschäft auch durch verschiedene Begleitumstände wie die Mitteilung der Lieferfrist in anderen Unterlagen als dem Vertrag begründet worden sei, die ihrerseits keine AGB darstellten. Jedenfalls führe eine ergänzende Vertragsauslegung zur Annahme eines relativen Fixgeschäftes, wobei die Verschiebung von Lieferterminen über den 30.04.2020 hinaus allein aus zwingenden logistischen Gründen erfolgt sei, aber nicht die Vereinbarung eines Fixgeschäftes infrage stelle. Infolgedessen seien auch die Anträge zu 3) bis 5) begründet. Hinsichtlich des Rückzahlungsanspruch gegen die Beklagte zu 1) (Klageantrag zu 2) sei ein Anspruch der Beklagten zu 1) auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nicht entstanden, weil sich die Klägerin jedenfalls in vertretbarer Weise auf das ihr zustehende Rücktrittsrecht ohne vorherige Fristsetzung habe berufen können. Die Annahme des Landgerichts, dass der Klägerin im Zusammenhang mit dem Rückzahlungsanspruch gegenüber der Beklagten zu 2) (Klageantrag zu 6) kein Zurückbehaltungsrecht zustehe, sei schon deshalb fehlerhaft, weil die Firma F. vertragswidrig die Ware unter Eigentumsvorbehalt angeliefert habe und sich ihrerseits nicht vertragstreu verhalten habe. Der Klägerin sei es daher nicht verwehrt, sich ihrerseits auf das Zurückbehaltungsrecht wegen Mängeln zu berufen. Eine Vorleistungspflicht hinsichtlich der Vergütung sei nicht vereinbart, ergebe sich nicht aus der Vertragssystematik und sei auch nicht interessengerecht. Jedenfalls erfasse eine Vorleistungspflicht nur mangelbedingte Rückforderungsansprüche, nicht aber Nacherfüllungsansprüche. Die Zurückweisung des Hilfsantrages, den die Klägerin in der Berufungsinstanz neu gefasst hat, sei ohne erforderlichen Hinweis erfolgt; auch seien die Anforderungen an die Bestimmtheit nicht zu hoch anzusetzen. Nachdem die Klagebegründung zusätzlich zur Auslegung heranzuziehen sei, könne die Bedeutung der „Verkehrsfähigkeit“ ohne weiteres dahin bestimmt werden, dass die Klägerin das Ziel verfolgt habe, dass die zu liefernden Schutzmasken den zum Zeitpunkt der Nachlieferung geltenden Normen entsprechen sollten und es insbesondere erlaubt sein sollte, diese auf den deutschen Markt einzuführen und zu vertreiben bzw. zu verteilen. Dieser Antrag sei wegen der Mangelhaftigkeit eines Teils der von der Beklagten zu 1) veräußerten Masken auch begründet.
44Die Klägerin beantragt, unter teilweiser Abänderung der angefochtenen Entscheidung
451. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an sie EUR 4.821.642,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12. September 2020 zu zahlen, und zwar Zug um Zug gegen Rückgabe der noch bei ihr befindlichen unter den Avisnummern HAL 04052020004_6 /L00197, HAL 04052020004_2/ L00199, HAL 04052020004_3/ L00220, HAL 04052020004_1/ L00223, HAL04052020004_5/L 00228 und HAL 04052020004_4/ L00260 gelieferten mangelhaften Schutzmasken,
462. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an sie weitere EUR 27.786,70 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12. September 2020 zu zahlen,
473. festzustellen, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, ihr die Aufwendungen zu ersetzen, die ihr im Zusammenhang mit der Lagerung der noch bei der Klägerin befindlichen unter den Avisnummern HAL 04052020004_6/ L00197, HAL 04052020004_2/ L00199, HAL04052020004_3/ L00220, HAL04052020004_1/ L00223, HAL 04052020004_5/ L00228 und HAL04052020004_4/ L00260 gelieferten mangelhaften Schutzmasken seit dem 26. Juni 2020 bis zum Zeitpunkt der Abholung der Schutzmasken durch die Beklagte zu 1) tatsächlich entstanden sind und künftig noch entstehen werden,
484. festzustellen, dass sich die Beklagte zu 1) seit dem 26. Juni 2020 mit der Abholung der noch bei ihr befindlichen unter den Avisnummern HAL 04052020004_6/ L00197, HAL 04052020004_2/ L00199, HAL 04052020004_3/ L00220, HAL 04052020004_1/ L00223, HAL 04052020004_5/ L00228 und HAL 04052020004_4/ L00260 gelieferten mangelhaften Schutzmasken in Annahmeverzug befindet,
495. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, die unter den Avis-Nrn. HAL 04052020004_6/ L00197, HAL 04052020004_2/ L00199, HAL 04052020004_3/ L00220, HAL 04052020004_1/ L00223, HAL 04052020004_5/ L00228 und HAL 04052020004_4/ L00260 gelieferten Schutzmasken am Austauschort H. K. GmbH, L.-straße N03, N04 W. abzuholen,
506. die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an sie EUR 2.172.932,03 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12. September 2020 aus EUR 3.027.931,20, ab dem 17. September 2020 aus EUR 2.263.865,20 sowie ab dem 2. August 2022 aus 2.172.932,03 zu zahlen.
51hilfsweise, und zwar unter der Bedingung, dass der Rücktritt der Klägerin aus anderen Gründen als der Mangelfreiheit der Schutzmasken unwirksam ist,
52die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an sie 900.400 verkehrsfähige Schutzmasken gemäß der folgenden Leistungsbeschreibung (Anlage K 4) zu liefern:
53„FFP2 Masken Beschreibung:
54- Atmungsaktives Design, das nicht gegen den Mund zusammenfällt (z.B. Entenschnabel, becherförmig)
55- Versehen mit einer Metallplatte an der Nasenspitze
56- Kann wiederverwendbar* (aus robustem Material, das gereinigt und desinfiziert werden kann) oder Einwegartikel sein
57gemäß den Normen/Standards: - Atemschutzgerät „N95“ gemäß FDA Klasse II, unter 21 CFR 878.4040, und CDC NIOSH, oder „FFP2“ gemäß EN 149 - Verordnung 2016/425 Kategorie III - oder gleichwertige Normen, auch KN95 (CHN)“.
58Die Beklagten, die Beklagte zu 2) insoweit auch als Streithelferin der Beklagten zu 1), beantragen,
59die Berufung zurückzuweisen.
60Sie verteidigen das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens.
61II.
62Die Berufung der Klägerin erzielt lediglich in Höhe eines Betrages von 27.786,70 € einen Erfolg und ist im Übrigen unbegründet (dazu 1.). Die Berufung der Beklagten zu 1) ist unzulässig (dazu 2.).
631. Die Berufung der Klägerin stützt sich maßgeblich darauf, dass sie wegen Mängeln wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten sei, was sowohl beim Klageantrag zu 1) als auch beim Klageantrag zu 6) – insoweit bezogen auf die von der Fa. F. an die Beklagte zu 2) abgetretene Forderung - Bedeutung hat. Hiermit kann die Klägerin allerdings nicht durchdringen (dazu a.), weshalb die Klageanträge zu 3) bis 5) gleichfalls unbegründet sind (dazu b.). Allerdings ist im Zusammenhang mit dem Klageantrag zu 2) eine aufrechenbare Schadensersatzforderung der Beklagten zu 1) in Gestalt vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten – anders als das Landgericht angenommen hat – nicht gegeben (dazu c.). Den Klageantrag zu 6) hat das Landgericht zutreffend abgewiesen (dazu d.). Der Hilfsantrag ist zwar zulässig, indes in der Sache nicht begründet (dazu e.).
64a) Mit Recht und mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen vorab verwiesen werden kann, hat das Landgericht (unter Anschluss an den Beschluss des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 24.05.2022, 15 U 116/21) angenommen, dass der von der Klägerin erklärte Teilrücktritt vom Kaufvertrag mit der Beklagten zu 1) unwirksam ist und der Klägerin daher kein Anspruch auf teilweise Rückgewähr des bezahlten Kaufpreises i.H.v. 4.821.642,00 € aus den §§ 346 Abs. 1, 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB zusteht. Auf die Frage der Mangelhaftigkeit der Masken kommt es in diesem Zusammenhang nicht entscheidend an, weil es bereits an der nach § 323 Abs. 1 BGB erforderlichen Fristsetzung zur Nacherfüllung fehlt.
65Vorab ist insoweit festzustellen, dass die Klägerin mit ihrer Rüge einer falschen Tatsachenfeststellung in Bezug auf die Gewinnerzielungsabsicht schon deshalb nicht durchdringen kann, weil sich das Landgericht nicht tragend auf ihre Kaufmannseigenschaft gestützt hat.
66Zu den mit der Berufungsbegründung nochmals wiederholten und vertieften Einwendungen der Klägerin, die größtenteils schon in 1. Instanz vorgebracht worden und vom Landgericht zutreffend gewürdigt worden sind, sind folgende Ausführungen veranlasst:
67aa) Eine Entbehrlichkeit der Fristsetzung bzw. eines Rücktritts überhaupt folgte nicht aus der Regelung in § 3.2 des Open-House-Vertrages. Mit der in den Sätzen 3 und 4 des Open-House-Vertrages enthaltenen Regelung: „Spätester Liefertermin ist der 30.04.2020 innerhalb der Geschäftszeiten gemäß S. 1. Bei Nichteinhaltung des spätesten Liefertermins entfallen die gegenseitigen Pflichten der Vertragspartner; eine verspätete Lieferung stellt keine Erfüllung des Vertrages durch den AN dar (absolutes Fixgeschäft).“, wurde die Vereinbarung eines „absoluten Fixgeschäftes“ getroffen. Ein gesetzlich nicht definiertes absolutes Fixgeschäft wird angenommen, wenn die Einhaltung der Leistungszeit nach dem Vertragszweck und der gegebenen Interessenlage für den Gläubiger derart wesentlich ist, dass – wie auch in § 3.2. S. 4 des Open-House-Vertrages zutreffend beschrieben - eine verspätete Leistung keine Erfüllung mehr darstellt (vgl. Grüneberg, in: Grüneberg, BGB, 83. Aufl. 2024, § 323 Rn. 19). Die Nichteinhaltung der Leistungszeit begründet demgemäß dauernde Unmöglichkeit. Der Wortlaut der Regelung ist insoweit eindeutig, da nicht nur das Fixgeschäft ausdrücklich als ein „absolutes Fixgeschäft“ benannt, sondern darüber hinaus auch die Rechtsfolgen zutreffend ausgeführt werden. Angesichts dieses klaren Wortlautes ist diese Regelung aber von vornherein aus sich heraus und auch im Kontext mit den anderen in den Vertragsbedingungen des Open-House-Vertrages schriftlich fixierten Regelungen keiner Auslegung dahingehend zugänglich, dass hiervon abweichend ein relatives Fixgeschäft vereinbart werden sollte. Auf ein absolutes Fixgeschäft beruft sich die Klägerin im Rechtsstreit zutreffend selbst nicht mehr, da es in AGB unter den Umständen des Streitfalles nicht wirksam vereinbart werden könnte, auch nicht im kaufmännischen Verkehr (§ 310 Abs. 1 S. 2 BGB). Dies folgt daraus, dass bereits ein relatives Fixgeschäft unwirksam wäre. Angesichts der umfangreichen Ausführungen vor allem der Klägerin zu dieser Fragestellung sind insoweit folgende Ausführungen veranlasst:
68Der Versuch der Klägerin, die Kontrollfähigkeit der Klausel mit der Erwägung in Frage zu stellen, sie weiche im Sinne von § 307 Abs. 3 BGB nicht von Rechtsvorschriften ab, weil § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB das relative Fixgeschäft gerade regele (S. 19 ff. der Berufungsbegründung, Bl. 463 ff. eA sowie bereits S. 177 ff. des Schriftsatzes der Klägerin vom 05.12.2022, Bl. 1388 ff. GA), beruht auf einem Zirkelschluss, weil § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB das relative Fixgeschäft nennt, aber nicht seine Verbindlichkeit in jeglichen Verträgen herbeiführt, wie die Klägerin in anderem Zusammenhang (S. 59 der Berufungsbegründung, Rn. 220, Bl. 503 eA) zutreffend selbst annimmt.
69Die Klausel hält entgegen der Berufungsbegründung (S. 24 ff., Bl. 468 ff. eA) einer Inhaltskontrolle am Maßstab des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht stand, sondern benachteiligt die Lieferanten unangemessen, weil sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar ist, wie das Landgericht (LGU S. 14, Bl. 2006 GA) mit Recht angenommen hat (vgl. auch bereits BGH NJW 1990, 2065 und OLG Köln, Beschluss vom 24.05.2022, 15 U 116/21, Rn. 14 und 10). Die völlige Freistellung des Klauselverwenders von dem Erfordernis der Fristsetzung ist danach auch im kaufmännischen Verkehr nicht wirksam vereinbar, jedenfalls nicht in der hier zu beurteilenden Sachverhaltsgestaltung. Auf die Platzierung der Fixklausel im Vertragstext und ihre Erkennbarkeit kommt es insofern nicht entscheidend an, auch die Frage eines Charakters der Klausel als überraschend im Sinne von § 305c Abs. 2 BGB kann offenbleiben. Dem berechtigten Interesse der Klägerin, dass „die Auftragnehmer von Beginn an einwandfreie, sofort verwendbare Schutzmasken anlieferten“ (Bl. 471 eA) konnte, wie sogleich näher auszuführen ist, auch ohne eine solche Klausel und mit kurzer Nachfristsetzung Rechnung getragen werden (vgl. zur Unwirksamkeit auch der formularmäßigen Vereinbarung relativer Fixgeschäfte MüKoBGB/Wurmnest, 9. Aufl. 2022, BGB § 309 Nr. 4 Rn. 15, explizit zu Verträgen mit Unternehmern). Auf die Frage, ob die Klausel auch nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam wäre (was die Klägerin in Abrede stellt, S. 48 ff. der Berufungsbegründung, Bl. 492 ff. eA) kommt es daher nicht mehr an. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang auf die „langwierige Nacherfüllung“ abstellt (Bl. 494 eA), der durch die Fixklausel entgegengewirkt werden sollte, ist ihr entgegenzuhalten, dass die Alternative hierzu die Neubeschaffung im Rahmen eines anderen – förmlichen- Vergabeverfahrens oder eines neuen Open House-Verfahrens mit jeweils deutlich weitergehenden Verzögerungen verbunden gewesen wäre. Deshalb überzeugt es auch nicht, nunmehr anstehende Beweisaufnahmen als Beleg dafür heranzuziehen, dass im damaligen Zeitpunkt die Heranziehung eines neuen Lieferanten schneller gewesen wäre (so aber Bl. 494 eA Rn. 185).
70Vor diesem Hintergrund wäre auch ein absolutes Fixgeschäft unwirksam, nachdem die Klägerin mit dieser Regelung nicht nur bewirkt hätte, dass die Setzung einer Nachfrist entbehrlich geworden wäre, sondern darüber hinaus – ohne rechtfertigenden Grund – auch ipso iure der Anspruch der Lieferanten auf die Gegenleistung entfallen wäre (§ 326 Abs. 1 BGB).
71Soweit die Klägerin meint, der sog. „blue pencil-Test“ führe dazu, dass jedenfalls der Liefertermin „spätestens 30.04.2020“ (S. 56 ff. der Berufungsbegründung, Bl. 500 ff. eA) bestehen bleibe und nicht von der Unwirksamkeit des nach seinem Wortlaut vereinbarten absoluten Fixgeschäfts erfasst werde, überzeugt auch dies nicht. Denn die Streichung des Passus „Bei Nichteinhaltung des spätesten Liefertermins entfallen die gegenseitigen Pflichten der Vertragspartner; eine verspätete Lieferung stellt keine Erfüllung des Vertrages durch den AN dar (absolutes Fixgeschäft)." führte zwar dazu, dass nur der Liefertermin bestehen bliebe. Wie nachfolgend noch auszuführen ist, konnte ein solcher Liefertermin auch eine Bedeutung im Sinne von § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB (Leistung nach dem Kalender bestimmt) haben und kann nicht für die Begründung eines relativen Fixgeschäfts herangezogen werden.
72bb) Es ist – entgegen S. 31 ff. der Berufungsbegründung (Bl. 475 ff. eA) - nicht festzustellen, dass die Parteien außerhalb der von der Klägerin vorgegebenen Vertragsklauseln ein relatives Fixgeschäft vereinbart haben, das nach § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB die Entbehrlichkeit der Fristsetzung und die Möglichkeit des sofortigen Rücktritts bei Vorliegen von Mängeln (und ebenso bei Lieferung nach dem genannten Stichtag 30.04.2020) zur Folge hätte.
73Zwar ist eine solche vertragliche Vereinbarung grundsätzlich denkbar. Ausreichend ist aber nicht eine genaue Bestimmung der Leistungszeit. Vielmehr muss – wie das Landgericht bereits dargelegt hat – die Rechtzeitigkeit der Leistung für den Gläubiger wesentlich sein (vgl. nur Grüneberg, in: Grüneberg, a.a.O., § 323 Rn. 20). Dies kann sich außer aus einer ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarung auch aus einer formlosen Mitteilung des Gläubigers vor Vertragsschluss oder aus den sonstigen Umständen ergeben, wie der Wortlaut der Vorschrift klarstellt. Erforderlich ist demnach die Einigkeit der Parteien darüber, dass der Vertrag mit der Einhaltung oder Nichteinhaltung der Lieferzeit stehen oder fallen solle. Ist dies im Vertrag nicht ausdrücklich ausgesprochen, muss durch Auslegung unter Berücksichtigung aller Umstände ermittelt werden, ob die Parteien der vereinbarten Lieferfrist eine so weitgehende Bedeutung beimessen wollten. Dabei wirkt sich jeder Zweifel gegen die Annahme eines Fixgeschäfts aus (BGH NJW-RR 1989, 1373).
74An diesen Voraussetzungen fehlt es im Streitfall.
75(1) Die Klägerin kann sich insofern schon im Ansatz nicht darauf stützen, dass die Wesentlichkeit des von ihr vorgegebenen Liefertermins daraus folge, dass es in § 3 Nr. 3.2 S. 4 des Open House-Vertrages hieß, dass eine verspätete Lieferung keine Erfüllung des Vertrages darstelle. Denn hierbei handelt es sich, wie oben bereits ausgeführt, um eine ihrerseits unwirksame Klausel. Griffe man zur Begründung eines relativen Fixgeschäfts auf ein unwirksam vereinbartes absolutes Fixgeschäft zurück, verstieße das gegen das Verbot geltungserhaltender Reduktion, was in der Sache auch für die vormals von der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bonn favorisierte Anwendung des Grundsatzes „falsa demonstratio non nocet“ zur Begründung für ein relatives Fixgeschäft durch diese Formulierungen und auch dessen nunmehrige Auffassung gilt, die Parteien hätten (allerdings beschränkt auf die Fälle verspäteter Lieferung) lediglich die Rechtsfolgen eines absoluten Fixgeschäfts herbeiführen wollen (LG Bonn, Urteil vom 20.12.2023, 1 O 156/21, BeckRS 2023, 45845 Rn. 50 ff.).
76(2) Soweit anerkannt ist, dass die Verwendung von Begriffen wie „spätestens“ i.V.m. einer festen Lieferfrist auf ein relatives Fixgeschäft hindeuten kann (siehe nur Grüneberg, in: Grüneberg, a.a.O., § 323 Rn. 20), was sich außer an der bereits zitierten Stelle im Vertrag auch in der Auftragsbekanntmachung vom 27.03.2020 (S. 2 der Anlage K4, Bl. 59 GA) findet, lässt sich die Annahme einer solchen von dem Vertragstext unabhängig getroffenen Vereinbarung eines relativen Fixgeschäfts auch nicht unter Heranziehung der im Übrigen zu berücksichtigenden Umstände begründen. Für einen dahingehenden übereinstimmenden Parteiwillen sind seitens der Klägerin bereits keine konkreten Anhaltspunkte vorgetragen, auch kann eine solche Verständigung nicht aus den von ihr vorgebrachten Gesamtumständen gefolgert werden.
77Da es nach der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs insoweit nicht auf einseitige Motive des Gläubigers, sondern vielmehr auf den Empfängerhorizont bzw. – nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB – auf eine nach allen Seiten interessengerechte Auslegung ankommt, ist es nicht zu beanstanden, wenn das Landgericht (LGU S. 17, Bl. 2009 GA) gefordert hat, dass die Wesentlichkeit auch für die Beklagten erkennbar gewesen sein muss. An einer solchen objektiv erkennbaren Wesentlichkeit der Lieferfrist fehlt es im Streitfall. Vielmehr lag die Deutung näher, dass es sich um die bloße Mitteilung eines Liefertermins handelte, dessen Versäumung dann jedenfalls geeignet wäre, Verzug ohne das Erfordernis einer Mahnung herbeizuführen (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Dass die Beklagten sich den vorgegebenen Terminen unterworfen haben und diese im Rahmen ihrer Schreiben im Zusammenhang mit der Vertragsabwicklung bestätigt haben (hierzu S. 40 f. der Berufungsbegründung, Bl. 484 f. eA sowie S. 8 f. des Schriftsatzes der Klägerin vom 21.06.2023, Bl. 1952 f. GA), ist zur Begründung eines relativen Fixgeschäfts vor diesem Hintergrund nicht hinreichend.
78Die von der Klägerin hervorgehobenen Gesamtumstände, namentlich die Notwendigkeit einer zügigen Beschaffung unter den Bedingungen einer sich entwickelnden Pandemielage mit einer erheblichen Gefährdung für die Bevölkerung, können aus den zutreffenden Gründen der landgerichtlichen Entscheidung nicht entscheidend ins Feld geführt werden, um zu begründen, dass die Einhaltung des 30.04.2020 für die Klägerin derart wesentlich war, dass das Geschäft mit der Nichteinhaltung dieser Frist bzw. mit der Lieferung mangelhafter Masken zu diesem Zeitpunkt stehen oder fallen sollte. Wie der 15. Zivilsenat im bereits erwähnten Beschluss (vom 24. Mai 2022,15 U 116/21 Rn. 10 - juris) ausgeführt hat, bestand zwar ein für die Beklagten erkennbares Interesse der Klägerin an einer raschen Vertragsabwicklung. Angesichts der für beide Seiten ebenfalls erkennbar noch fortdauernden und nicht kurzfristig zum Abschluss kommenden Pandemie war aber nicht davon auszugehen, dass eine – unter Umständen auch nur geringfügige – Teil- oder Schlechtlieferung für die Klägerin ein Entfallen ihres Interesses an der Lieferung zur Folge haben würde, wie letztlich auch die im Streitfall auf Veranlassung der Klägerin erfolgte zeitliche Verschiebung von Anlieferungen über den 30.04.2020 hinaus belegt. Dass die Klägerin zu belegen sucht, dass es sich hierbei um logistisch zwingende Gründe gehandelt habe, kann nichts daran ändern, dass diese zeitliche Streckung der Anlieferungen – auch wenn sie nach Vertragsschluss erfolgte – indiziell gegen den Charakter als Fixgeschäft spricht.
79Auch die beiden Seiten bekannte zeitlich begrenzte Verkehrsfähigkeit von bestimmten ausgeschriebenen Masken, namentlich den aus China stammenden KN95-Masken (S. 51 der Berufungsbegründung, Bl. 495 eA), kann nicht für die Wesentlichkeit der Frist angeführt werden. Die maßgebliche Verordnung, die die Verkehrsfähigkeit regelte („Verordnung zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Produkten des medizinischen Bedarfs bei der durch das Coronavirus SARS-CoV-2 verursachten Epidemie“, MedBVSV) trat erst deutlich nach dem Liefertermin, nämlich am 27.05.2020, in Kraft (§ 10 S. 1 MedBVSV, Verkündung im BGBl. am 26.05.2020). Die Verordnung trat erst am 31.12.2023 außer Kraft (§ 10 S. 2 MedBVSV), wobei es für die hier vorzunehmende Auslegung aus ex ante-Sicht der Parteien nur auf die Unabsehbarkeit des fortdauernden Bedarfs ankommt. Auch die entsprechende Empfehlung 2020/403 der Europäischen Kommission vom 13.03.2020, mit der die Zulassung von persönlicher Schutzausrüstung ohne CE-Kennzeichnung angeregt wurde, wurde auf den durchaus ungewissen Zeitraum „für die Dauer der derzeitigen Gesundheitsbedrohung“ (siehe insoweit Einblendung auf S. 52 der Berufungsbegründung, Bl. 496 eA) erstreckt. Bei dieser Sachlage konnten und mussten die Beklagten nicht annehmen, dass es der Klägerin derart auf die Einhaltung der Frist ankam, dass noch nicht einmal eine kurze Nachfrist von bspw. zwei Wochen (innerhalb derer jedenfalls nicht mit einem Außerkrafttreten der entsprechenden Regelungen bzw. dem Ende der Pandemie zu rechnen war) zumutbar erschien.
80Auch spricht es nicht für die Auslegung als Fixgeschäft, dass die Klägerin ein für die Beklagten erkennbares Interesse daran gehabt haben könnte, eine Deckelung des aufgrund des Open House-Verfahrens zu erwartenden Einkaufsvolumens durch die Vorgabe eines Liefertermins vorzunehmen, nach dessen Verstreichen sie sich von geschlossenen Verträgen ohne Fristsetzung lösen konnte. Denn diesem Anliegen hatte die Klägerin bereits durch die kurze Frist zur Angebotsabgabe (zwischen dem 27.03.2020 und dem 08.04.2020) bzw. die Verkürzung der ursprünglich bis 30.04.2020 laufenden Frist zur Abgabe von Angeboten auf den 08.04.2020 (vgl. S. 2 der Bekanntmachung über Änderungen des Open House-Vertrages, Bl. 64 f. GA) Rechnung getragen, weshalb es aus Sicht der jeweiligen Bieter bzw. Teilnehmer an dem Verfahren weder zwingend noch auch nur naheliegend erscheinen musste, dass der als „spätestens“ bezeichnete Liefertermin eine (weitere) Begrenzung der zu erwartenden Angebote in Form einer unmittelbaren Vertragslösungsmöglichkeit für die Klägerin darstellte. Es bedarf daher keiner Vertiefung der Frage, ob eine solche mittelbare Deckelung für bereits abgeschlossene Verträge im Rahmen eines Open House-Verfahrens überhaupt zulässig wäre, was insbesondere die Beklagte zu 1) verneint (S. 26 der Klageerwiderung, Bl. 515 GA).
81Nicht überzeugend ist es auch, wenn die Klägerin mit der Berufung (S. 28 ff. der Berufungsbegründung, Bl. 472 ff. eA) ihre erstinstanzlich bereits geäußerte Auffassung (S. 181 ff. Schriftsatz der Klägerin vom 05.12.2022, Bl. 1392 ff. GA) wiederholt, wonach die im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17.01.1990 (NJW 1990, 2065, 2067) enthaltene Aussage, dass ein relatives Fixgeschäft in AGB nicht wirksam vereinbart werden könne und an dessen Annahme im Wege eines Individualvertrags strenge Anforderungen auch im kaufmännischen Verkehr im Sinne eines „Stehen oder Fallens“ des Geschäfts zu stellen seien, nach heutiger Rechtslage nicht mehr haltbar sei. Im Gegenteil sieht die ganz herrschende Auffassung – auch der Gesetzgeber – die im Jahr 2014 vorgenommene Änderung des § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB, mit der dessen Wortlaut an die Verbraucherrechterichtlinie angepasst wurde, als bloß terminologische Anpassung ohne inhaltliche Änderung gegenüber dem vorherigen Rechtszustand an und geht davon aus, dass die vom Bundesgerichtshof zuvor aufgestellten Kriterien nach wie vor Gültigkeit haben sollten (vgl. nur Beckmann in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., Stand: 01.02.2023, § 323 Rn. 56 m.w.N.; ebenso verweist Grüneberg, in: Grüneberg, a.a.O., § 323 Rn. 20 auf diese Rechtsprechung). Soweit in der Literatur (Schmitt VuR 2014, 90, 92) und vereinzelt in der Rechtsprechung (OLG Bamberg, Urteil vom 05.03.2021, 3 U 68/20, Rn. 80, BeckRS 2021, 3523) – wenn auch mit unterschiedlichen Ansätzen - vertreten wird, dass die Vereinbarung relativer Fixgeschäfte nunmehr auch durch AGB möglich sein müsse, handelt es sich um vereinzelt gebliebene Auffassungen, die der Bedeutung, die der Nachfrist auch im unternehmerischen Verkehr zukommt, was u.a. im Klauselverbot des § 309 Nr. 4 BGB zum Ausdruck kommt, nicht hinreichend Rechnung tragen.
82Der Charakter als Fixgeschäft ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass die beschafften Masken vergleichbar zu Saisonartikeln seien (so S. 31 f. der Berufungsbegründung, Bl. 475 f. eA, s. auch bereits S. 196 des Schriftsatzes der Klägerin vom 05.12.2022, Bl. 1407 GA: „just in time-Geschäft“). Denn wie oben bereits ausgeführt war es im Beschaffungszeitpunkt unklar, wie lange die Masken benötigt wurden bzw. war abzusehen, dass die Notwendigkeit hierfür jedenfalls nicht kurzfristig entfallen würde. Unerheblich ist es in diesem Zusammenhang, dass nach dem Vortrag der Klägerin bereits bei Vertragsschluss absehbar gewesen sei, dass die Preise für Atemschutzmasken wieder deutlich sinken würden. Denn auch aus zeitnah zu erwartenden Preissenkungen folgt kein Interesse der Klägerin daran, der Beklagtenseite nicht wenigstens eine kurze Nacherfüllungsfrist setzen zu müssen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 24.05.2022, 15 U 116/21 Rn. 12 - juris). Insofern ist erneut die zum Beschaffungszeitpunkt unabsehbare Pandemielage von ungewisser Dauer und mit bisher unbekannten Herausforderungen zu berücksichtigen, die – gerade vor dem Hintergrund eines vermeintlichen oder tatsächlichen „Wettkaufens“ von Masken durch verschiedenste Institutionen – aus objektiver Sicht der Beklagten als Erklärungsempfänger dafür sprach, dass solche persönliche Schutzausrüstung nicht allein deshalb zurückgewiesen werden würde, weil die Lieferung den vorgegebenen Termin verfehlte oder einzelne Teile hiervon mangelhaft waren. Vor diesem Hintergrund gefährdete eine kurze Fristsetzung auch nicht den Zweck, solche Akteure auszuschließen, „die zu jenem Zeitpunkt nicht in der Lage waren, die Lieferverpflichtung zu erfüllen und deshalb darauf hofften, ihre Lieferfähigkeit zu einem anderen ungewissen Zeitpunkt herstellen zu können“ (so S. 17 des Schriftsatzes der Klägerin vom 05.12.2022, Bl. 1228 GA), weil die Voraussetzungen des Rücktritts wegen zu spät oder mangelhaft gelieferter Ware gegenüber solchen nicht lieferfähigen Akteuren ohne weiteres durch kurze Nachfristsetzungen, die in gleicher Massenhaftigkeit hätten ausgesprochen werden können wie die Rücktrittserklärungen, hätten herbeigeführt werden können. Des scharfen Schwerts der (formularmäßigen) Vereinbarung eines Fixgeschäfts bedurfte es nicht. Auch kann bei einer solchen Sachlage § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB (worauf sich die Klägerin hilfsweise stützt, S. 16 f. des Schriftsatzes der Klägerin vom 05.12.2022, Bl. 1227 f. GA) nicht zur Anwendung gelangen, weil die Abwägung der beiderseitigen Interessen gerade keinen sofortigen Rücktritt erforderte.
83Aus den genannten Gründen ist auch die von der Klägerin im Kontext des § 306 Abs. 2 BGB bemühte ergänzende Vertragsauslegung, die zu dem Ergebnis führen soll, dass die Parteien bei Kenntnis des Wegfalls der unwirksamen Klausel eine Regelung im Vertrag getroffen hätten, die die Einhaltung der Frist zum 30.04.2020 als wesentlich eingestuft hätte, ihre Nicht-Einhaltung aber zu keiner Unmöglichkeit geführt hätte und sich die Parteien mithin auf die Vereinbarung eines relativen Fixgeschäftes geeinigt hätten (S. 62 ff. der Berufungsbegründung, Bl. 506 ff. eA, insbes. Rn. 230), nicht überzeugend. Die Klägerin wird insbesondere nicht unbillig darauf zurückgeworfen, dass weder ein konkreter Liefertermin noch eine Wesentlichkeit dieses Termins vereinbart war (entgegen Bl. 506 eA Rn. 233). Denn ein fester Liefertermin blieb bestehen. Die Klägerin sieht sich insofern lediglich mit den Folgen der Verwendung einer unzulässigen AGB-Klausel konfrontiert, die dazu führt, dass sie nicht ohne Fristsetzung infolge behaupteter Mängel zurücktreten konnte. Es liegt insofern gerade nicht der Fall vor, dass nur § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB die entstandene Lücke füllen könnte (Bl. 508 eA Rn. 239); hierbei handelt es sich vielmehr (erneut) um einen vom Ergebnis her gedachten erkennbaren Zirkelschluss.
84Auf sich beruhen können auch die Angriffe der Berufung der Klägerin (S. 66 ff. der Berufungsbegründung, Bl. 510 ff. eA) gegen die nicht tragenden Erwägungen des Landgerichts zur Anwendung des Art. 3 GG wegen Zulassung verspäteter Lieferungen durch anderer Lieferanten sowie zu § 376 HGB (LGU S. 18 f., Bl. 2010 GA). Wie oben bereits ausgeführt erübrigt sich deshalb auch die Rüge der diesbezüglich angeblich falschen Tatsachenfeststellung durch das Landgericht betreffend die Gewinnerzielungsabsicht der Klägerin.
85b) Ist nach alledem der Antrag zu 1) unbegründet, kann die Klägerin, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat (LGU S. 19, Bl. 2011 GA), auch nicht die hierauf aufbauenden Anträge zu 3) bis 5) erfolgreich geltend machen. Auch in der Berufungsbegründung wendet die Klägerin zu diesen Anträgen außer der Wirksamkeit des Rücktritts keine neuen Aspekte ein (S. 71 f. der Berufungsbegründung, Bl. 515 f. eA).
86c) In Bezug auf den Klageantrag zu 2) steht der Klägerin gegenüber der Beklagten zu 1) zusätzlich zu den vom Landgericht zugesprochenen 993.356,25 € ein weiterer Betrag von 27.786,70 € zu, weshalb die Klägerin insoweit Anspruch auf Zahlung von insgesamt 1.021.142,95 € hat. Das Landgericht hat insofern angenommen, der Beklagten zu 1) stehe ein aufrechenbarer Schadensersatzanspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 27.786,70 € zu, weil sie sich gegen den zu Unrecht erklärten Rücktritt der Klägerin habe verteidigen müssen. Die ungerechtfertigte Rücktrittserklärung stelle eine schuldhafte Pflichtverletzung dar (LGU S. 20, Bl. 2012 GA). Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen.
87Zwar kommt eine Haftung auf Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 S. 1 BGB auch dann in Betracht, wenn eine Vertragspartei, ohne eigene Leistungspflichten zu verletzen, unberechtigte Ansprüche an die andere Vertragspartei stellt; insbesondere dann, wenn sie ein Gestaltungsrecht ausübt, das nicht besteht, verletzt sie ihre Pflicht zur Rücksichtnahme nach § 241 Abs. 2 BGB (vgl. BGH NJW 2009, 1262, 1263 Rn. 16 f.). Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass die unberechtigte Geltendmachung des Rücktritts eine Pflichtverletzung war, so fehlt es unter den besonderen Umständen des Streitfalls doch am – grundsätzlich vermuteten, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB – Verschulden der Klägerin bzw. der für sie tätigen Rechtsanwälte.
88Denn fahrlässig handelt der Gläubiger nicht schon dann, wenn er nicht erkennt, dass seine Forderung in der Sache nicht berechtigt ist. Die Berechtigung seiner Forderung kann sicher nur in einem Rechtsstreit geklärt werden. Dessen Ergebnis vorauszusehen, kann von dem Gläubiger im Vorfeld oder außerhalb eines Rechtsstreits nicht verlangt werden. Das würde ihn in diesem Stadium der Auseinandersetzung überfordern und ihm die Durchsetzung seiner Rechte unzumutbar erschweren. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) entspricht der Gläubiger nach der Rechtsprechung des BGH vielmehr schon dann, wenn er prüft, ob die Vertragsstörung auf eine Ursache zurückzuführen ist, die dem eigenen Verantwortungsbereich zuzuordnen, der eigene Rechtsstandpunkt mithin plausibel ist (vgl. BGH NJW 2009, 1262, 1264 Rn. 20).
89Gemessen hieran hat sich die Klägerin bzw. ihre damaligen Bevollmächtigten zwar auf einen im Ergebnis nicht berechtigten Rechtsstandpunkt gestellt. Dieser kann jedenfalls nicht als von vornherein völlig unplausibel im Sinne einer Evidenzkontrolle angesehen werden. Dies könnte zwar anzunehmen sein, wenn die Klägerin sich alleine auf den Charakter als absolutes Fixgeschäft berufen hätte, wie er aus § 3 Nr. 3.2 des Open House-Vertrags hervorging, weil der anwaltlich vertretenen Klägerin insofern von vornherein ersichtlich sein musste, dass diese Klausel unwirksam war und einen Rücktritt bzw. ein Rückforderungsverlangen nicht stützen konnte.
90So liegt der Streitfall aber nicht, weil die Klägerin in den entsprechenden anwaltlichen Schreiben vom 04.09.2020 und vom 19.10.2020 (Anlage K19, Bl. 234 ff. GA, Anlage K21, Bl. 245 ff. GA) auf einen Rücktritt und nicht auf die infolge eines absoluten Fixgeschäfts eintretende Unmöglichkeit abgestellt hat. Auch in der E-Mail vom 22.06.2020 (Anlage K18, Bl. 232 f. GA), mit der der Teilrücktritt erklärt wurde, heißt es: „Da es sich gemäß § 3.2 des Vertrages um ein Fixgeschäft handelt und der vertraglich vereinbarte späteste Liefertermin mit Ablauf des 30.04.2020 verstrichen ist, bedarf es vor Ausübung des Rücktrittes keiner vorherigen Fristsetzung“. Diese Auffassung einer zumindest wirksamen Vereinbarung eines relativen Fixgeschäfts überzeugt zwar, wie aus den obigen Ausführungen hervorgeht, in der Sache nicht. Sie ist aber – betreffend mangelhafte Masken - von der mit drei Berufsrichtern besetzten 1. Zivilkammer des Landgerichts Bonn zumindest bis ins Jahr 2023 so vertreten worden. Diese Entscheidungspraxis, auch wenn sie nicht die Billigung des zuständigen Berufungsgerichts gefunden hat, kann nach Auffassung des Senats bei der Beurteilung des Verschuldens nicht unberücksichtigt bleiben und führt dazu, dass die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht verletzt wurde. Vergleichbare Erwägungen werden von der höchstrichterlichen Rechtsprechung – wenn auch für Behörden im Zusammenhang mit der Rechtsanwendung - im Rahmen des Amtshaftungsrechts (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) unter dem Stichwort „Kollegialgerichts-Richtlinie“ angestellt (vgl. nur BGH NVwZ-RR 2021, 298, 299 Rn. 17 m.w.N.).
91Im Übrigen werden die Aufrechnungsforderungen (in Gestalt eines Zinsanspruchs) von der Klägerin nicht angegriffen. Beizutreten ist auch der Einschätzung des Landgerichts (LGU S. 21, Bl. 2013 GA), wonach bereits in der Erklärung einer Verrechnung mit Gegenforderungen im September 2020 durch die Beklagte zu 1) (S. 3 der Anlage K20, Bl. 242 GA) eine Aufrechnung mit dem Zinsanspruch (berechnet auf Bl. 244 GA) lag und daher Erledigung nur in Höhe eines Betrags von 165,06 € eintrat, der damals nicht Gegenstand der Aufrechnung war und dessen Aufrechnung daher erstmals in der Klageerwiderung der Beklagten zu 1) (S. 41, Bl. 530 GA) erfolgte.
92d) Die Klägerin kann, wie das Landgericht richtig angenommen hat (LGU S. 22 f., Bl. 2014 f. GA) den mit dem Antrag zu 6) verfolgten Anspruch auf Rückgewähr versehentlich überzahlter Beträge gegenüber der Beklagten zu 2) deshalb nicht mehr geltend machen, weil er durch Aufrechnung mit Gegenforderungen, § 389 BGB, bzw. erfolgte Rückzahlung (§ 362 Abs. 1 BGB) vollständig erloschen ist.
93Dass gegen die Beklagte zu 2) insofern ein unmittelbarer Bereicherungsanspruch besteht, obwohl es sich bei der Zahlung des Kaufpreises unmittelbar an die Beklagte zu 2) infolge der Abtretung der Sache nach um eine Leistung an die Beklagte zu 1) handelte, hat das Landgericht (LGU S. 22, Bl. 2014 GA) zutreffend unter Hinweis darauf angenommen, dass die Überzahlung gerade nicht mehr durch die Abtretung veranlasst war, was die Beklagte zu 2) im Rahmen ihrer Berufungserwiderung zu diesem Antrag (S. 13 ff., Bl. 665 ff. eA) nicht mehr in Frage stellt.
94aa) Unstreitig ist der Anspruch der Klägerin in Höhe von ursprünglich 3.027.931,20 € entstanden und ebenso unstreitig in Höhe von 90.933,17 € wegen aufrechenbarer Ansprüche der Beklagten zu 2) auf Zinsen und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten sowie in Höhe von weiteren 764.066,00 € durch Erfüllung erloschen. In diesem Zusammenhang besteht der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten als Verzugsschaden (§§ 280 Abs. 1, 286 BGB) infolge der Mahnung bezüglich der Zahlung des Kaufpreises (Anlage K8, Bl. 146 f. GA) und wird nicht – wie im Kontext der Aufrechnung der Beklagten zu 1) - auf Pflichtverletzung durch unberechtigten Rücktritt gestützt, so dass die obigen Erwägungen zum fehlenden Verschulden der Klägerin insoweit keine Berücksichtigung finden. Denn das für den Verzug erforderliche Vertretenmüssen (§ 286 Abs. 4 BGB) hat einen anderen Bezugspunkt.
95bb) In der danach verbleibenden Höhe hat das Landgericht (LGU S. 23 f., Bl. 2015 f. GA) zutreffend ein Erlöschen durch Aufrechnung mit einer an die Beklagte zu 2) abgetretenen Forderung der Fa. F. gegen die Klägerin auf Kaufpreiszahlung in die Forderung der Klägerin gegen die Beklagte zu 2) übersteigender Höhe angenommen. Mit dem Landgericht ist der Einwand von Mängeln an den von der Fa. F. veräußerten Masken insofern nicht geeignet, die Zahlungspflicht der Klägerin entfallen zu lassen (S. 23 f. LGU, Bl. 2015 f. GA).
96Einem wirksamen Rücktritt der Klägerin steht auch insoweit entgegen, dass die Klägerin keine Nachfrist gesetzt hatte, die angesichts der Unwirksamkeit der Fixklausel bzw. mangels Vereinbarung eines relativen Fixgeschäfts grundsätzlich erforderlich war (§ 323 Abs. 1 BGB).
97Es kann in diesem Zusammenhang auf sich beruhen, ob – wie das Landgericht angenommen hat – die Klägerin auch bei Mängeln zur Zahlung verpflichtet war, weil sie nach den vertraglichen Regeln vorleistungspflichtig war (LGU S. 24, Bl. 2016 GA). Denn auch wenn der Klägerin ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich des Kaufpreises wegen Mängeln bzw. eines ihr zustehenden Anspruchs auf Nacherfüllung zugestanden hätte, das sie dem Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises teilweise hätte entgegenhalten können (S. 74 ff. der Berufungsbegründung, Bl. 518 ff. eA), ist zu berücksichtigen, dass § 320 BGB voraussetzt, dass derjenige, der sich auf die hieraus folgende Einrede beruft, seinerseits erfüllungsbereit ist. Derjenige, der deutlich gemacht hat, dass er nicht am Vertrag festhalten will, kann sie sich hingegen nicht zunutze machen (vgl. BGH NJW-RR 2013, 1458, 1459 Rn. 26 m.w.N.).
98So liegt es im Streitfall, weil die Klägerin (auch) gegenüber der Fa. F. beginnend mit dem Teilrücktritt vom 22.06.2020 (wiedergegeben Bl. 339 f. GA) zu erkennen gegeben hatte, dass sie an dem Vertrag nicht mehr festhalten wollte, sondern sich durch (Teil-)Rücktritt hiervon teilweise lösen wollte. Sie hat auch das unverzüglich von der Fa. F. unterbreitete Angebot auf Nachlieferung (S. 2 des Schreibens vom 24.06.2020, Anlage DK27, Bl. 444 GA) abgelehnt, sich hierzu auf den wirksamen Rücktritt berufen und diesen vorsorglich nochmals erklärt (Anlage DK28, Schreiben vom 27.07.2020, dort S. 4 f., Bl. 450 f. GA). Bei dieser Sachlage stellt es sich als treuwidrig dar, wenn die Klägerin sich gegenüber dem Restkaufpreisanspruch der Fa. F. auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen behaupteter Mängel beruft. Insofern liegt – anders als die Klägerin im Schriftsatz vom 31.05.2024 (dort S. 3 f., Bl. 1569 f. eA) meint – gerade nicht nur Annahmeverzug der Klägerin, sondern eine ernsthafte Erfüllungsverweigerung vor. Der Klägerin ist es auch nicht gelungen, das Leistungsverweigerungsrecht wieder aufleben zu lassen, wie es in der Literatur für möglich gehalten wird (Rüfner, in: BeckOGK-BGB, Stand 01.04.2024, § 320 Rn. 63). Insbesondere reicht die hilfsweise Erhebung der Einrede des nichterfüllten Vertrages im vorliegenden Rechtsstreit hierfür nicht. Denn ihr gesamtes Prozessverhalten im Übrigen stützt sich maßgeblich auf die Auffassung, dass ihr Rücktritt wirksam sei, so dass die Erhebung der Einrede nicht als actus contrarius zur Erfüllungsverweigerung angesehen werden kann, sondern vielmehr hierzu in unauflöslichem Widerspruch steht und ein bloßes „Lippenbekenntnis“ zur Leistungsbereitschaft darstellt.
99Soweit die Berufung meint, die Fa. F. habe sich bereits zeitlich früher selbst nicht vertragstreu verhalten, weil sie ausweislich ihres Lieferscheins – vertragswidrig – die Masken unter Eigentumsvorbehalt geliefert habe (S. 79 ff. der Berufungsbegründung, Bl. 523 ff. eA, vgl. auch S. 3 f. des Schriftsatzes vom 21.06.23, Bl. 1947 GA), trifft es zwar zu, dass dies nicht den vertraglichen Vereinbarungen entsprochen haben dürfte. Diese Vertragswidrigkeit hat sich aber – was für die Klägerin auch ohne weiteres erkennbar war - in keiner Weise ausgewirkt, weil die entsprechende Klausel im Lieferschein keinerlei Wirksamkeit entfaltet hat und daher die Lieferung im Ergebnis vertragsgemäß war. Denn in § 2 Nr. 2.2 des auch mit der Fa. F. geschlossenen Liefervertrags über Schutzausrüstung (Anlage DK22, Bl. 431 GA) war geregelt:
100„Allgemeine Geschäftsbedingungen des AN sind nicht Bestandteil dieses Vertrags und daher gegenüber dem AG ausnahmslos unwirksam. Geschäftsbedingungen des AN haben auch dann keine Gültigkeit, wenn in Schriftstücken auf sie Bezug genommen wird.“
101Es handelt sich hierbei um eine im Geschäftsverkehr übliche und rechtlich unbedenkliche sog. Abwehrklausel, mithilfe derer die Klägerin als Auftraggeberin sicherstellen wollte, dass keine „fremden“ AGB, zu denen auch der in Rede stehende Eigentumsvorbehalt zählt, Bestandteil des Vertragskonstruktes werden konnten. Eine solche Klausel hat zur Folge, dass die jeweiligen AGB nur soweit Vertragsbestandteil werden, als sie übereinstimmen (vgl. Grüneberg, in: Grüneberg, a.a.O., § 305 Rn. 54 m.w.N.), wobei auch eine Ergänzung von Klauseln des anderen Teils unwirksam ist. Deshalb kommt es nicht darauf an, dass die Klauseln der Klägerin kein ausdrückliches Verbot eines Eigentumsvorbehaltes beinhalten.
102e) Soweit das Landgericht (LGU S. 25 f., Bl. 2017 f. GA) den Hilfsantrag der Klägerin, gerichtet auf Nachlieferung der als mangelhaft behaupteten Masken gegenüber der Beklagten zu 1), mangels Bestimmtheit als unzulässig abgewiesen hat, erweist sich dies jedenfalls in der Berufungsinstanz als nicht mehr überzeugend (dazu aa.), jedoch ist der Anspruch unbegründet (dazu bb.).
103aa) Es kann dahinstehen, ob das Landgericht vor Abweisung des Hilfsantrags als unzulässig einen eindeutigen und förmlich protokollierten Hinweis hätte erteilen müssen und ob die von den Parteien konträr geschilderten Äußerungen des Gerichts in der mündlichen Verhandlung insofern ausreichend wären.
104Denn jedenfalls in der Berufungsinstanz hat die Klägerin einen zulässigen Antrag formuliert, indem sie zum einen den Zusatz „bis zu“ hinsichtlich der Anzahl der Masken gestrichen und zum anderen die Leistungsbeschreibung gemäß der Anlage K4 in den Antrag einbezogen hat (S. 3 der Berufungsbegründung, Bl. 447 eA). Sie hat darüber hinaus in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf den Begriff „verkehrsfähige“ in dem Hilfsantrag verzichtet (vgl. S. 2 des Protokolls vom 17.05.2024, Bl. 1551 eA). Hiermit hat sie den Bedenken, die das Landgericht gesehen hat, jedenfalls Rechnung getragen.
105Die Berufung der Klägerin ist insoweit auch nicht unzulässig. Soweit die Beklagte zu 2) der Sache nach beanstandet (Bl. 669 eA), dass die Klägerin den ursprünglichen Antrag aus der 1. Instanz nicht weiterverfolgt, nimmt das der Berufung der Klägerin nicht die erforderliche Beschwer. Richtig ist zwar, dass eine Berufung mangels Beschwer unzulässig ist, wenn nicht die Beseitigung der Beschwer durch das Ursprungsurteil begehrt wird und dieses ursprüngliche Begehren nicht, auch nicht hilfsweise, weiter geltend gemacht wird (vgl. hierzu Heßler, in: Zöller, a.a.O., vor § 511 Rn. 10a). Indes setzt eine Klageänderung, wie sie hier der Sache nach durch die Klägerin erfolgt ist, lediglich voraus, dass wenigstens ein Teilstück des ursprünglichen Begehrens mit dem Rechtsmittel weiterverfolgt wird und sich hieraus die Beschwer ergibt (Heßler, a.a.O.). Das ist hinsichtlich der Hauptanträge ohne weiteres der Fall.
106Die Antragsänderung in der Berufungsinstanz ist auch in Ansehung der Voraussetzung des § 533 ZPO zulässig, weil sie sachdienlich ist, § 533 Nr. 1 ZPO. Denn die Formulierung eines zulässigen Antrages dient der Klärung des streitigen Rechtsverhältnisses in der Sache, selbst wenn es hierzu einer Beweisaufnahme bedürfte (hierzu Heßler, in: Zöller, a.a.O., § 533 Rn. 6).
107bb) Ein Anspruch auf Lieferung einer mangelfreien Sache (§ 439, 2. Alt. BGB) als hier alleinig in Betracht kommender Variante der Nacherfüllung steht der Klägerin in der Sache – betreffend die von ihr beanstandeten sechs Chargen - nicht zu, wie das Landgericht (LGU S. 26, Bl. 2018 GA), insofern nicht tragend, im Ergebnis zutreffend angenommen hat. Die Mangelhaftigkeit der von der Klägerin beanstandeten Masken kann auch in diesem Zusammenhang offenbleiben, weil der Anspruch auf Nacherfüllung zwar nicht verjährt ist, sich seine Geltendmachung indes als treuwidrig erweist.
108(1) Verjährung des Nacherfüllungsanspruchs ist nicht eingetreten. Infolge Ablieferung der Masken am 04.05.2020 lief die zweijährige Verjährungsfrist des § 438 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB am 05.05.2022 ab, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB (zur Anwendbarkeit des § 187 Abs. 1 BGB auf § 438 BGB vgl. Ellenberger, in: Grüneberg, a.a.O., § 187 Rn. 1 m.w.N.). Durch die am 04.05.2022 bei dem Landgericht Bonn eingegangene (Bl. 1 GA) und der Beklagten zu 1) am 13.05.2022 und damit demnächst im Sinne des § 167 ZPO zugestellte (Bl. 297 GA) Klage, in der der Hilfsantrag bereits enthalten war (Bl. 5 GA), wurde die Hemmung der Verjährung herbeigeführt, § 204 Abs. 1 BGB. Die Verjährung wird durch Klageerhebung nicht nur dann unterbrochen, wenn die erhobene Klage in jeder Weise zulässig ist. Voraussetzung für die Unterbrechungswirkung ist nicht die Zulässigkeit, sondern allein die Wirksamkeit der Klageerhebung (vgl. dazu BGH, Urteil vom 17.11.1988, III ZR 252/87 Rn. 17 – juris; Ellenberger, in: Grüneberg, a.a.O., § 204 Rn. 4). Gemessen hieran war insbesondere das Erfordernis einer bestimmten Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs durch den formulierten Hilfsantrag (noch) gewahrt, weil sich trotz der Formulierung „bis zu“ vor der Anzahl der Masken und der Verwendung des Wortes „verkehrsfähig“ der Klagebegründung hinreichend deutlich entnehmen ließ, dass und in welchem Umfang die Klägerin ihren Nacherfüllungsanspruch geltend machen wollte. Insofern ist es für den Umfang der Hemmung unschädlich, dass der ursprüngliche Antrag vor dem Landgericht nur auf FFP2-Masken gerichtet war. Denn die Klägerin hatte bereits in 1. Instanz den Streitgegenstand hinreichend umrissen, so dass es auf die Frage, welche Anforderungen die nachzuliefernden Masken im Einzelnen aufweisen mussten und was die Klägerin insoweit beanspruchen konnte, nicht entscheidend ankam (vgl. zur Reichweite der Hemmung Ellenberger, in: Grüneberg, a.a.O., § 204 Rn. 13).
109(2) Dem Nacherfüllungsanspruch steht unter den besonderen Umständen des Streitfalles jedoch der Einwand treuwidrigen, weil widersprüchlichen, Verhaltens (§ 242 BGB) entgegen. Widersprüchliches Verhalten ist rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (vgl. BGH NJW-RR 2005, 415, 416 m.w.N.). Ein treuwidriges Verhalten kann unter besonderen Umständen auch in der Einnahme eines Rechtsstandpunktes liegen, der mit dem eigenen früheren Verhalten der Partei in unlösbarem Widerspruch steht. Dies setzt nicht notwendig voraus, dass sich das frühere und das jetzige hierzu in Widerspruch stehende Verhalten einer Vertragspartei innerhalb ein und desselben Schuldverhältnisses vollzieht oder dass durch das frühere Verhalten ein schutzwürdiges Vertrauen der Gegenseite begründet wurde (vgl. BGH, Urteil vom 20.09.1995, VIII ZR 52/94, BGHZ 130, 371, Rn. 12 – juris m.w.N.). Daneben kann sich die Rechtsausübung als treuwidrig darstellen, wenn ein schutzwürdiges Eigeninteresse an der Geltendmachung eines Rechts fehlt, namentlich bei nutzloser Rechtsausübung (vgl. Grüneberg, in: Grüneberg, a.a.O., § 242 Rn. 50 f.).
110Gemessen an diesen Grundsätzen kann die Klägerin den Nacherfüllungsanspruch nicht geltend machen.
111(a) Ihm stand zunächst bis zur Antragsumstellung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat entgegen, dass die Klägerin aus eigenem pflichtwidrigen Verhalten ihr nicht zustehende Rechte ableitete, wodurch die Rechte der Beklagten zu 1) erheblich beeinträchtigt wurden.
112Dies ergibt sich im Kern daraus, dass die Klägerin zunächst den Nacherfüllungsanspruch geleugnet und erst im Rechtsstreit auf die Lieferung verkehrsfähiger Masken, allerdings beurteilt nach dem gegenwärtigen Rechtszustand, bestanden hat. Sie hat zum Zeitpunkt der Auseinandersetzung über die Lieferung Angebote der Beklagten zu 1) auf Nachlieferung (Anlage K 20, dort S. 2, Bl. 241 GA) unter Berufung auf einen wirksamen Teilrücktritt stets zurückgewiesen (S. 4 der Anlage K21, Schreiben vom 19.10.2020, Bl. 248 GA: „Eine Ersatzlieferung lehnt unsere Mandantin ausdrücklich ab.“). Infolge dieser Verweigerungshaltung hat sich die Rechtslage hinsichtlich der Verkehrsfähigkeit insbesondere von KN95-Masken zwischenzeitlich zum Nachteil der Beklagten zu 1), deren Wahlrecht damit erheblich eingeschränkt wurde, geändert, wie die Klägerin selbst ausführt (Rn. 336 der Berufungsbegründung, Bl. 530 eA). Die Klägerin kann daher nicht verlangen, so gestellt zu werden, als habe es ihre (unberechtigte) Verweigerungshaltung und die damit einhergehende Änderung in der Verkehrsfähigkeit insbesondere von KN 95-Masken nicht gegeben.
113Denn zwischenzeitlich ist die Regelung für die ausnahmsweise Verkehrsfähigkeit von Masken des Standards KN95 entfallen. Dies folgt aus dem Außerkrafttreten der insoweit Ausnahmevorschriften vorsehenden MedBVSV zum 31.12.2023, § 10 S. 2 MedBVSV. Bereits ab dem 01.10.2020 wurden auch keine Ausnahmegenehmigungen für KN95-Masken auf Basis von § 9 MedBVSV mehr erteilt (vgl. hierzu Heil/Semann, MPR 2021, 133, 134). Die „Verordnung zur Beschaffung von Medizinprodukten und persönlicher Schutzausrüstung bei der durch das Coronavirus SARS-CoV-2 verursachten Epidemie (Beschaffungsverordnung)“ vom 08.04.2020, wonach die Einfuhr nicht verkehrsfähiger Masken technisch erleichtert wurde, trat zum 31.05.2022 außer Kraft. Allerdings trug nach den zeitlichen Abläufen von vornherein die Klägerin das Risiko, dass ihr zum Lieferzeitpunkt nicht verkehrsfähige Masken angeliefert wurden, denn am 30.04.2020, dem vorgesehenen Tag der Lieferung, galt die MedBVSV noch nicht, sondern trat erst am 27.05.2020 in Kraft. Auf die erwähnte Beschaffungsverordnung vom 08.04.2020 kann bei dieser Betrachtung der Risikoverteilung nicht entscheidend abgestellt werden, weil diese keine materiellen Anforderungen an die Masken stellte, sondern lediglich regelte, dass die Klägerin Einführer im Sinne von § 3 Nr. 26 des MPG war, wenn sie im Rahmen eines von ihr seit dem 27.03.2020 beauftragten Beschaffungsprogramms Medizinprodukte oder persönliche Schutzausrüstung in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verbringen ließ (§ 1 Abs. 1 S. 1 Beschaffungsverordnung) und dass die von ihr mit der Verbringung beauftragten natürlichen oder juristischen Personen nicht selbst Einführer im Sinne der vorgenannten Vorschriften waren (§ 1 Abs. 1 S. 2 Beschaffungsverordnung). Es handelte sich mithin nicht um einen Dispens von materiellen Anforderungen an die Qualität der Masken, die deren Verkehrsfähigkeit bewirkte, sondern lediglich um eine Regelung, um die Lieferanten von dem Risiko zu befreien, dass sie materiell nicht verkehrsfähige Masken nach Deutschland einführten und sich bereits hierdurch in (unter Umständen straf- oder bußgeldbewehrten) Konflikt mit Medizinprodukte- bzw. Produktsicherheitsrecht setzten. Deshalb kann diese Vorschrift nicht dazu dienen, um die oben beschriebene Risikoverteilung anders zu werten. Der Risikosphäre der Klägerin sind vor diesem Hintergrund – erst recht – auch die Verzögerungen und ihre Folgen für die Verkehrsfähigkeit der geschuldeten Masken zuzurechnen, die sie selbst verursacht hat.
114Die Treuwidrigkeit entfällt nicht deshalb, weil die Klägerin (erst) in der Berufungsinstanz mit dem Antrag aus der Berufungsbegründung vom 13.11.2023 (dort S. 3, Bl. 447 eA) formal das Wahlrecht der Beklagten zu 1), wonach auch die Lieferung von KN95-Masken im Antrag vorgesehen war, berücksichtigt hat. Denn zum einen wurden zu diesem Zeitpunkt trotz Fortgeltung der MedBVSV bereits keine Ausnahmegenehmigungen für KN95-Masken mehr erteilt und war die Beschaffungsverordnung bereits außer Kraft. Zum anderen änderte dies nichts daran, dass die Klägerin in der Sache auf dem Standpunkt beharrte, dass die zu liefernden Schutzmasken den Standards der Verordnung (EU) 2016/425 genügen müssten, was auf KN 95-Schutzmasken nach gegenwärtigen Zustand nicht mehr zutreffe (S. 86 der Berufungsbegründung, Bl. 530 eA; deutlich nochmals S. 88, Bl. 532 eA und S. 89, Bl. 533 eA). Die Klägerin hat die Einfuhr solcher Masken vielmehr als gesetzwidrig angesehen und in der Berufungsbegründung selbst betont, dass die Aufnahme des Wortes „verkehrsfähige“ in den Antrag lediglich klarstellend sei (S. 88 der Berufungsbegründung, Bl. 532 eA).
115Die Klägerin konnte sich hinsichtlich ihres Anspruchs auf Nachlieferung von Masken, die nach aktuellem Stand verkehrsfähig waren, auch nicht auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Nachlieferung in kaufrechtlichen „Diesel-Fällen“ berufen (S. 85 ff. der Berufungsbegründung, Bl. 529 ff. eA). Danach beschränkt sich die „Lieferung einer mangelfreien Sache“ gemäß § 439 Abs.1, 2. Alt. BGB nicht zwangsläufig auf eine mit dem Kaufgegenstand (abgesehen von der Mangelhaftigkeit) identische Sache. Vielmehr hängt die Möglichkeit einer Ersatzbeschaffung bei Unmöglichkeit der Lieferung einer dem Kaufgegenstand vollständig entsprechenden (mangelfreien) Sache im jeweiligen Einzelfall entscheidend davon ab, ob und wodurch nach dem durch interessengerechte Auslegung zu ermittelnden Willen der Parteien (§§ 133, 157 BGB) bei Vertragsschluss eine Nachlieferung in Betracht kommen sollte. Entscheidend ist letztlich, ob und in welchem Umfang der Verkäufer – nach dem im jeweiligen Fall zu ermittelnden übereinstimmenden Willen der Parteien – bei Vertragsschluss eine Beschaffungspflicht für den Fall einer Nacherfüllung übernommen hat. Für ein nicht auf den Umfang der bisherigen Lieferung begrenztes Verständnis der Ersatzlieferung besteht in Anbetracht des Bestrebens des Gesetzgebers der Schuldrechtsmodernisierung, im Interesse beider Parteien den Vorrang der Nacherfüllung vor den sekundären Gewährleistungsrechten sicherzustellen (vgl. BT-Drs. 14/6040, 220 f., 230), auch in den Fällen ein Bedürfnis, in denen aufgrund von Umständen, die sich bei ordnungsgemäßer Leistung nicht ausgewirkt hätten, ein identischer Kaufgegenstand nicht mehr geliefert werden kann, wohl aber eine Sache, die nach dem Parteiwillen bei nach beiden Seiten hin interessengerechter Auslegung ihrer auf den Abschluss des Kaufvertrags gerichteten Erklärungen (§§ 133, 157 BGB) als gleichwertiger und gleichartiger Gegenstand und damit als austauschbar anzusehen ist (vgl. zum Vorstehenden BGH NJW 2021, 2958, 2962 Rn. 42 ff.).
116Bei dieser interessengerechten Auslegung ist im Streitfall, wie oben schon ausgeführt, entscheidend zu berücksichtigen, dass die Klägerin durch ihre unwirksamen AGB und ihr eigenes Verhalten die zeitnahe Nachlieferung vereitelt hat und nach Ablauf der Übergangsregelungen betreffend die Verkehrsfähigkeit auch anderer Masken erst im Rechtsstreit die Nachlieferung von Masken nach aktuellem Standard verlangt hat. Anders als im Fall des Bundesgerichtshofs, wo der arglose Autokäufer bzw. das KBA getäuscht wurden, was erst später aufgedeckt wurde und in die Sphäre des täuschenden Autokonzerns bzw. der – insoweit allerdings schuldlos handelnden - Händler fiel, ging die Klägerin im Streitfall bewusst das Risiko ein, dass sie zum von ihr selbst gesetzten Stichtag (noch) nicht verkehrsfähige Masken geliefert bekam und hat sich der Nacherfüllung in der Folge bewusst verweigert, vergleichbar einem Autokäufer, der ein noch lieferbares Modell seines Fahrzeugs stets ablehnt und dann erst im Rechtsstreit mitteilt, er wolle, nachdem sein Modell nicht mehr hergestellt werde, nun das höherwertige Nachfolgemodell im Wege der Nacherfüllung. Auch dieser wäre ersichtlich nicht schutzwürdig.
117Deshalb hätte die Klägerin bis zu ihrer Antragsumstellung in der mündlichen Verhandlung jedenfalls unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (unabhängig von der Reichweite des Nacherfüllungsanspruchs) auch nicht einwenden können, dass die Beklagte zu 1) bei Lieferung von Masken, die der Leistungsbeschreibung des Open-House-Vertrags, nicht aber der maßgeblichen EU-Verordnung entsprechen, gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) verstieße oder ihr infolge der fehlenden Verkehrsfähigkeit von KN95-Masken die Nachlieferung solcher Masken unmöglich wäre (so aber S. 89 der Berufungsbegründung, Bl. 533 eA). Denn auch diese Einwendungen beruhten letztlich auf Umständen, die die Klägerin selbst treuwidrig herbeigeführt hat und auf die sie sich daher gemäß § 242 BGB bzw. nach dem Rechtsgedanken des § 162 Abs. 2 BGB (treuwidrige Herbeiführung des Eintritts einer Bedingung durch eine Vertragspartei) nicht berufen konnte.
118Bei dieser Sachlage kam es auch nicht in Betracht, der Klägerin einen Anspruch auf nach dem Vertrag geschuldete Masken als Minus zuzusprechen. Denn wie aus den vorstehenden Ausführungen hervorgeht, legte die Klägerin auf die Verkehrsfähigkeit besonders Wert und war der Auffassung, dass ihr Anspruch nur so erfüllt werden könne. Über einen solchen eindeutigen Antrag darf das Gericht sich nicht hinwegsetzen (vgl. Feskorn, in: Zöller, a.a.O., § 308 Rn. 2).
119(b) An dieser Beurteilung hat sich durch die Antragsumstellung, bei der die Klägerin das Wort „verkehrsfähige“ aus ihrem Antrag gestrichen hat, nichts geändert.
120Es kann offenbleiben, ob die Klägerin hiermit von ihrer zuvor geäußerten Auffassung, wonach dieser Wendung lediglich klarstellende Bedeutung zukam und keine Änderung in der Sache bedeutete (S. 88 der Berufungsbegründung, Bl. 532 GA), ausreichend abgerückt ist.
121Denn selbst wenn man davon ausginge, dass die Klägerin mit der Streichung dieses Wortes hätte bewirken wollen, dass die Beklagte zu 1) auch zur Lieferung von KN95-Masken befugt sein sollte und insofern – wie die Klägerin im Schriftsatz vom 31.05.2024 ausgeführt hat (S. 6, Bl. 1572 eA) – doch eine Änderung (allerdings im Sinne einer Erweiterung und nicht einer Beschränkung, wie die Klägerin offenbar meint) des Klageantrages vorläge. Denn auch in diesem Fall stellte sich die Geltendmachung des Anspruchs als treuwidrig dar, weil ihm der Einwand des fehlenden schutzwürdigen Eigeninteresses entgegenstünde. Die Klägerin würde sich in diesem Fall nunmehr zu ihren oben wiedergegebenen eigenen Ausführungen in Widerspruch setzen, wonach KN95-Masken nicht mehr verkehrsfähig sind (ein Zustand, den sie selbst herbeigeführt hat) und erhöbe mithin Anspruch auf eine Leistung, die nach ihrer eigenen Auffassung gesetzwidrig ist. Zwar ist es einer Partei nicht verwehrt, ihre Rechtsansichten zu ändern. Auch nimmt die Rechtsordnung widersprüchliches Verhalten grundsätzlich hin (siehe nur Grüneberg, in: Grüneberg, a.a.O., § 242 Rn. 55 m.w.N.). Im Streitfall überschreitet die Klägerin aber die insoweit bestehenden Grenzen, wenn ihr Antrag in dem vorbeschriebenen Sinn zu verstehen wäre. Denn ihre Erweiterung des Hilfsantrags stellte sich dann als rein formales Beharren auf einer Rechtsposition dar; der Geltendmachung eines Nacherfüllungsanspruchs, der die Lieferung einer aus Sicht der Klägerin gesetzwidrigen bzw. infolge fehlender Verkehrsfähigkeit zum Gegenstand hat, fehlt ersichtlich ein schutzwürdiges Eigeninteresse. Die Streichung des Wortes „verkehrsfähige“, nachdem der Senat in der mündlichen Verhandlung zu erkennen gegeben hatte, infolge des auf „verkehrsfähige“ Masken gerichteten Begehrens von dessen Treuwidrigkeit auszugehen, bedeutete nämlich kein Abrücken von der in der Sache vertretenen Auffassung der Klägerin, dass KN95-Masken nicht verkehrsfähig sind. Die Treuwidrigkeit dieses Vorgehens folgt daraus, dass die Klägerin selbst davon ausgeht, dass ihr die Anlieferung von KN95-Masken keinerlei Vorteil bringt und die Beklagte zu 1) vielmehr der Gefahr der Begehung von Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten aussetzt, wie die Klägerin in anderem Zusammenhang in Bezug auf nicht verkehrsfähige Masken selbst ausführt (vgl. S. 83 der Berufungsbegründung, Bl. 527 eA) und auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nochmals geltend gemacht hat. Ihr Vorgehen in Bezug auf den Hilfsantrag verfolgt damit erkennbar insgesamt allein den Zweck, die Entscheidungsreife des vorliegenden Verfahrens hinauszuzögern; diese aus ihrer Sicht fehlende Entscheidungsreife hat die Klägerin in den nach der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsätzen auch betont (S. 4 des Schriftsatzes vom 31.05.2024, Bl. 1570 eA; S. 3 des Schriftsatzes vom 05.06.2024, Bl. 1610 eA). Zwar ist es der Klägerin im Ausgangspunkt nicht verwehrt, ihre Rechtsverfolgung an derartigen gerichtlichen Ausführungen auszurichten. Angesichts ihres geschilderten Vorverhaltens und dessen Folgen, des unaufgelösten Widerspruchs in ihrer Begründung des Anspruchs und des fehlenden schutzwürdigen Interesses an einer von ihr nunmehr begehrten Nacherfüllung (auch) durch Lieferung von KN95-Masken stellt sich ihr Prozessverhalten in Bezug auf das hilfsweise geltend gemachte Nacherfüllungsverlangen allerdings insgesamt als reines Beharren auf einer formellen Rechtsposition dar, an der sie nach ihrer eigenen Auffassung kein wirtschaftliches Interesse hat und mit der sie eine erhebliche Benachteiligung der Beklagten zu 1) in Kauf nimmt. Der Nacherfüllungsanspruch ist damit auch nicht, wie oben bereits ausgeführt, als Minus in Bezug auf Masken anderen Standards zuzusprechen und bedarf es insoweit keiner Beweisaufnahme. Denn das Gesamtverhalten der Klägerin, das sich sowohl vor als auch nach der Antragsänderung als treuwidrig darstellte, belegt, dass sie an dem Nacherfüllungsanspruch objektiv insgesamt kein schutzwürdiges Interesse mehr hat.
122Für den aus widersprüchlichem Verhalten hergeleiteten Einwand des Rechtsmissbrauchs sind unredliche Absichten oder ein Verschulden nicht erforderlich (BGH NJW 2023, 1659, 1664 Rn. 39), ebenso wenig im Fall des fehlenden schutzwürdigen Eigeninteresses, weil es hierfür primär auf das objektiv fehlende Eigeninteresse ankommt (vgl. Schubert, in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl. 2022, § 242 Rn. 589). Deshalb ist es unerheblich, dass die Geltendmachung des Rücktritts als Element des treuwidrigen Verhaltens durch die Klägerin nach den obigen Ausführungen nicht schuldhaft erfolgte – sie war gleichwohl pflichtwidrig.
123(3) Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Parteien nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat der Senat zur Kenntnis genommen. Sie rechtfertigen jedoch weder eine von den obenstehenden Ausführungen abweichende Beurteilung der Sach- und Rechtslage noch die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Dies gilt insbesondere für die erstmals im Schriftsatz der Klägerin vom 03.06.2024 – im Zusammenhang mit Ausführungen zur Revisionszulassung – vorgetragenen Umstände betreffend die befristete Einfuhrabgabenbefreiung für Gegenstände, die zur Bekämpfung der Auswirkungen des COVID-19-Ausbruchs im Jahr 2020 benötigt wurden (dort S. 4, Bl. 1580 eA), weil sich hieraus gerade nicht, auch nicht indiziell oder in der Gesamtschau mit den oben angeführten Aspekten, die Erkennbarkeit eines von der Klägerin subjektiv gewollten relativen Fixgeschäfts für die Beklagten ergibt.
1242. Die fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten zu 1) ist entgegen § 520 Abs. 1 ZPO nicht innerhalb der zuletzt bis zum 31.12.2023 verlängerten Frist begründet worden und daher als unzulässig zu verwerfen, § 522 Abs. 1 S. 1 und 2 ZPO. Hierauf ist die Beklagte zu 1) bereits vor der mündlichen Verhandlung (Bl. 631B eA) und erneut im Termin vom 17.05.2024 hingewiesen worden, ohne dass sie einen Wiedereinsetzungsgrund vorgetragen oder die Berufungsbegründung vorgelegt hätte.
125III.
126Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO unter Anwendung der Baumbach’schen Formel. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO. Den Streitwert für das Berufungsverfahren bzw. den Gegenstandswert für die Streithilfe der Beklagten zu 1) hat der Senat im Einzelnen wie folgt bemessen:
127Berufung der Klägerin insgesamt 7.272.360,73 €, zusammengesetzt aus: 4.821.642,00 € (Antrag zu 1) +
12827.786,70 € (Antrag zu 2) +
12950.000,00 € (Antrag zu 3) +
1300 € (Antrag zu 4) +
13120.000,00 € (Antrag zu 5) +
1322.172,932,03 € (Antrag zu 6) +
133180.000,00 € (Hilfsantrag, da über ihn eine Entscheidung ergeht, § 45 Abs. 1 S. 2 GKG).
134Die von Beklagtenseite erklärten Aufrechnungen sind nicht streitwerterhöhend, § 45 Abs. 3 GKG, da es sich nicht um Hilfs-, sondern um Hauptaufrechnungen handelt.
135Berufung der Beklagten zu 1): 993.356,25 €. Da keine Berufungsbegründung eingereicht worden ist, ist insoweit die Beschwer maßgeblich, § 47 Abs. 1 S. 2 GKG.
136IV.
137Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Weder hat die Sache grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Der Rechtsstreit betrifft lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsgrundsätze im konkreten Einzelfall; entscheidungserhebliche und klärungsbedürftige abstrakt-generelle Rechtsfragen stellen sich im Verfahren nicht. Insbesondere bedarf es – mit Blick auf die Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 03.06.2024 – der Zulassung der Revision nicht wegen der von ihr angenommenen inhaltlichen Änderungen in § 323 Abs. 2 BGB, nachdem von solchen Änderungen eindeutig nicht auszugehen ist, wie oben ausgeführt. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg erfordert dies ebenfalls nicht, weil im dortigen Fall in den AGB eine pauschale Nachfrist gesetzt worden war, so dass keine Vergleichbarkeit zum hier zu entscheidenden Sachverhalt vorliegt (vgl. OLG Bamberg, Urteil vom 05.03.2021, 3 U 68/20, Rn. 80, BeckRS 2021, 3523). Auch steht die Entscheidung des Senats nicht in Divergenz, sondern vielmehr im Einklang mit anderer obergerichtlicher Rechtsprechung, nachdem namentlich der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln seine vorher anderslautende Rechtsprechung betreffend die Vereinbarung eines relativen Fixgeschäfts zwischenzeitlich aufgegeben hat, wie aus dem Beschluss vom 24.05.2022 (15 U 116/21, Rn. 1 – juris) hervorgeht. Auch der 21. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln hat in seinem Beschluss vom 27.04.2022 (21 U 52/21) die Vereinbarung eines relativen Fixgeschäfts unter gleichen Umständen wie den vorliegenden verneint (Rn. 18 – juris). Die bloße Möglichkeit einer späteren Divergenz, wie sie die Klägerin in den Raum stellt, reicht insoweit nicht aus. Die übrigen von der Klägerin als grundsätzlich angesehenen Fragen betreffen die Umstände des Einzelfalls, nicht aber klärungsbedürftige Rechtsfragen.