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Auf die Berufung der Beklagten wird das am 28.06.2023 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bonn im Umfang seiner Anfechtung aufgehoben, d.h. soweit auf den Antrag zu Ziff. II. die Beklagte zur Unterlassung verpflichtet worden ist. Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten wird für die allein noch rechtshängige Unterlassungsklage zu Ziff. II. für unzulässig erklärt und der Rechtsstreit insoweit an das Verwaltungsgericht Köln verwiesen.
Gerichtskosten für das Berufungsverfahren werden nicht erhoben, § 21 Abs. 1 GKG.
G r ü n d e
2I.
3Die Klägerin betreibt u.a. das Gesundheitsportal b..de. Die beklagte Bundesrepublik Deutschland startete im September 2020 auf der Webseite gesund.bund.de ihr „Nationales Gesundheitsportal“ (NGP). Am 09.06.2021 trat das Gesetz zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege (DVPMG) in Kraft, mit dem § 395 SGB V eingeführt wurde. Dieser bestimmt in seinem Absatz 1:
4„Das Bundesministerium für Gesundheit errichtet und betreibt ein elektronisches, über allgemein zugängliche Netze sowie über die Telematikinfrastruktur nach § 306 aufrufbares lnformationsportal, das gesundheits- und pflegebezogene Informationen barrierefrei in allgemein verständlicher Sprache zur Verfügung stellt (Nationales Gesundheitsportal).“
5Die Klägerin kooperierte anfänglich mit der Suchmaschine Google, um den Inhalt des NGP unter Umgehung des üblichen Suchalgorithmus priorisiert anzeigen zu lassen.
6Die Klägerin hat die Kooperation mit Google und Anzeige der NGP-Inhalte in hervorgehobenen Info-Kästen sowie das Portal mit journalistisch-redaktionell aufbereiteten Gesundheitsthemen für lauterkeitsrechtlich unzulässig erachtet. Sie hat die Beklagte insoweit im vorliegenden Verfahren auf Unterlassung und Schadensersatzfeststellung in Anspruch genommen. Die Beklagte stelle sich durch das Portal mit journalistisch-redaktionell aufbereiteten Artikeln zu Gesundheitsthemen zu ihr in Wettbewerb und betätige sich im Verhältnis zu ihren privaten Mitbewerbern auf dem Boden des Privatrechts. Es gehe um die Art und Weise des Angebotes der Klägerin, so dass der Zivilrechtsweg eröffnet sei. § 395 SGB V könne bei verfassungskonformer Auslegung im Hinblick auf die aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG folgende Institutsgarantie, insbesondere den Grundsatz der Staatsferne der Presse, die angegriffene Gestaltung des Portals in der der Klageschrift als Anlage 1 K1 (USB-Stick) in Bezug genommenen konkreten Verletzungsform nicht legitimieren.
7Die Beklagte hat eingewandt, dass der Unterlassungsanspruch eine öffentlich-rechtliche Tätigkeit betreffe, nämlich ein staatliches Angebot im Rahmen des staatlichen lnformationshandelns. Zum Betrieb des NGP sei sie schon aufgrund der staatlichen Aufgabenzuweisung, jedenfalls aber aufgrund von § 395 SGB V ermächtigt und in der konkreten Form berechtigt. Außerdem sei die Klage unzulässig, da nicht hinreichend bestimmt, und in der Sache selbst unbegründet.
8Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Landgerichts Bonn vom 28.06.2023 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 25.09.2023 Bezug genommen.
9Die Parteien haben den auf Unterlassung der Anzeige von Inhalten der Webseite gesund.bund.de aufgrund einer Zusammenarbeit mit Google in Info-Kästen gerichteten Klageantrag zu Ziff. I. übereinstimmend für erledigt erklärt; die Beklagte hat insoweit Kostenübernahme erklärt.
10Das Landgericht hat die Beklagte gemäß dem Klageantrag zu Ziff. II. bei Meidung der üblichen Ordnungsmittel untersagt, ein Gesundheitsportal mit journalistisch-redaktionell pressemäßig aufbereiteten Artikeln zu allgemeinen medizinischen Themen ohne konkreten Anlass aufgrund einer Gefährdung der Gesundheit der Bevölkerung bereitzustellen, zu verbreiten/verbreiten zu lassen und/oder öffentlich zugänglich zu machen/machen zu lassen, wenn dies geschieht wie in der Aufzeichnung des Angebots vom Februar 2021 auf dem als Anlage K1 zur Klageschrift eingereichten USB-Stick wiedergegeben. Im Übrigen, d.h. bezüglich der Feststellungsklage zu Ziff. III., hat das Landgericht die Klage abgewiesen.
11Mit ihrer Berufung erstrebt die Beklage eine Abweisung auch des Unterlassungsantrags zu Ziff. II. Das Landgericht habe seine Rechtswegzuständigkeit zu Unrecht angenommen. Richtigerweise sei nur der Rechtsweg zu den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit eröffnet. Mit § 395 Abs. 1 SGB V gelte eine öffentlich-rechtliche Ermächtigungsnorm für das hoheitliche Handeln, über dessen Zulässigkeit nach dem öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch zu befinden sei. Nachdem das Landgericht entgegen § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG nicht vorab über die Zulässigkeit des Rechtswegs entschieden habe, obliege es nunmehr dem erkennenden Senat, über diese Frage vorab durch Beschluss zu entscheiden und die Sache an das zustände Verwaltungsgericht Köln zu verweisen. Außerdem habe die Kammer die Zulässigkeit der Klage und seiner eigenen Tenorierung zu Unrecht bejaht. Die Urteilsformel sei inhaltlich unklar und der Verbotstatbestand „Gesundheitsportal mit journalistisch-redaktionell pressemäßig aufbereiteten Artikeln“ selbst unbestimmt. Schließlich habe die Kammer der Klage auch in der Sache selbst im Umfang der Urteilsformel zu Ziff. 1 zu Unrecht stattgegeben. Sie habe nicht gegen das Verbot der Staatsferne der Medien verstoßen. Das Landgericht habe den verfassungsrechtlichen Maßstab unzutreffend gebildet. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 27.09.2023 und den Schriftsatz vom 10.01.2024 Bezug genommen.
12Die Beklagte beantragt,
13das auf die mündliche Verhandlung vom 10.05.2023 ergangene und am 28.06.2023 verkündete Urteil des Landgerichts Bonn zum Geschäftszeichen 1 O 79/21 im Umfang der Urteilsformel zu 1. aufzuheben und die Klage abzuweisen.
14Die Klägerin beantragt,
15die Berufung zurückzuweisen.
16Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Die Ausführungen der Beklagten zum Rechtsweg lenkten davon ab, dass sie einen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch nur höchst hilfsweise geltend gemacht und das Landgericht über diesen auch nicht entschieden habe. Insoweit könne das angefochtene Urteil nicht auf dem angeblichen Rechtsfehler beruhen. Die wettbewerbsrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Unterlassungsansprüche könnten innerhalb eines Rechtsweges geprüft werden, weil die Frage, ob eine bestimmte Handlung als geschäftliche Handlung i.S.d. UWG oder als hoheitliche Handlung einzuordnen sei, denselben Streitgegenstand betreffe. Dass eine geschäftliche Handlung vorliege, habe das Landgericht fehlerfrei festgestellt. Die Beklagte habe die Ermächtigungsgrundlage überschritten. Sie habe gegen das Gebot der Staatsferne der Presse verstoße und bewege sich mithin deutlich erkennbar außerhalb des ihr zugewiesenen Aufgabenbereichs. Dabei gehe es ihr erklärtermaßen um den Aufbau und die Festigung der eigenen Marktposition, um die Etablierung einer marktbeherrschenden Stellung explizit in Abgrenzung zu den privatwirtschaftlichen Informationsportalen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung vom 18.12.2023 und den Schriftsatz vom 17.01.2024 Bezug genommen.
17II.
18Die zulässige Berufung hat insoweit Erfolg, als das Urteil des Landgerichts Köln vom 28.06.2023 im Umfang seiner Anfechtung aufzuheben und der Rechtsstreit an das für den Rechtsweg bezüglich der allein noch streitbefangenen Unterlassungsklage zu Ziff. II. zuständige Gericht der ersten Instanz zu verweisen ist. Eröffnet ist nicht der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten, sondern der zu den Verwaltungsgerichten. Örtlich zuständig ist nach § 52 Abs. 5 VwGO das Verwaltungsgericht Köln.
191. Der Unterlassungsantrag zu Ziff. I. ist nicht mehr rechtshängig. Durch die übereinstimmende Erledigungserklärung der Parteien ist die Rechtshängigkeit in der Hauptsache beendet. Eine Entscheidung über die Kosten nach § 91a ZPO war im Hinblick auf die Kostenübernahmeerklärung der Beklagten nicht erforderlich (s. BGH, Urteil vom 21.03.2006, VI ZR 77/05, juris, Tz. 4 f.; Zöller-Althammer, ZPO, 35. Aufl., § 91a Rn. 22). Die Feststellungsklage zu Ziff. III. ist rechtskräftig abgewiesen worden.
202. Hinsichtlich der Unterlassungsklage zu Ziff. II. (Urteilstenor Ziff. 1) hätte das Landgericht vorab über die Zulässigkeit des Rechtsweges im Verfahren nach § 17a GVG entscheiden müssen. Dieser Verfahrensfehler ist zu korrigieren und die Entscheidung nach § 17a GVG nachzuholen. Dies führt zu einer Verweisung an das Verwaltungsgericht.
21a. Die von der Beklagten schon in erster Instanz erhobene Rüge des unzulässigen Rechtsweges ist nicht durch § 513 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. § 513 Abs. 2 ZPO ist bei einem Streit über die Eröffnung des Rechtsweges zu den ordentlichen Gerichten nicht anwendbar, weil § 17a GVG insoweit eine abschließende Sonderregelung enthält (s. Zöller-Heßler, ZPO, 35. Aufl., § 513 Rn. 12). Danach wäre der Senat an den beschrittenen Zivilrechtsweg nur dann gebunden, wenn das Landgericht diesen rechtskräftig für zulässig erklärt hätte. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Das Landgericht hat entgegen § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG trotz ausdrücklich erhobener Rüge der Beklagten über den zulässigen Rechtsweg nicht vorab durch einen nach § 17a Abs. 4 GVG mittels sofortiger Beschwerde anfechtbaren Beschluss entschieden, sondern im Sachurteil selbst. Dies ist verfahrensfehlerhaft. Rügt eine Partei die Zulässigkeit des Rechtsweges und bejaht das Gericht diese, so muss hierüber vor der Hauptsache durch einen gesonderten Beschluss entschieden werden, isoliert von den sonstigen Fragen zur Zulässigkeit und Begründetheit der Klage (Zöller-Lückemann, ZPO, 35. Aufl., § 17a GVG Rn. 6; Schaub in Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl., Kap. 45 Rn. 4).
22b. Der Senat muss die Vorabentscheidung nach § 17a GVG nachholen.
23Bei einem Verstoß gegen das verfahrensrechtliche Gebot der Vorabentscheidung hat das Berufungsgericht dann, wenn das Gericht der ersten Instanz den beschrittenen Zivilrechtsweg zu Unrecht für eröffnet erachtet und die Rechtswegrüge in der zweiten Instanz aufrecht erhalten wird, die zulässig durch Berufung angefochtene Entscheidung durch Beschluss aufzuheben und die Sache an das erstinstanzlich zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs zu verweisen (s. BGH, Beschluss vom 04.03.1989, VIII ZB 25/97, juris, Ls. 1 und Tz. 7; BGH, Beschluss vom 18.11.1998, VII 269/97, juris, Tz. 6 ff.; BGH, Urteil vom 20.01.2005, III ZR 278/04, juris, Tz. 14 ff; OLG Dresden, juris, Tz. 30; Zöller-Lückemann, ZPO, 35. Aufl., § 17a GVG Rn. 17).
24Im vorliegenden Fall ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten zulässig, nicht der zu den Zivilgerichten.
25aa. Der Zivilrechtsweg ist nicht deswegen eröffnet, weil die nicht mehr rechtshängige Unterlassungsklage zu Ziff. I. zivilrechtlicher Natur war. Bei den Unterlassungsansprüchen zu Ziff. I. und Ziff. II. handelte es sich um unterschiedliche Streitgegenstände, wie bereits aus den in Bezug genommenen konkreten Verletzungsformen folgt. Insoweit hätte sich - ohne die eingetretene Erledigung - die Frage nach einer Verfahrenstrennung gemäß § 145 ZPO mit Teilverweisung im Hinblick auf die Unterlassungsklage zu Ziff. II. gestellt.
26bb. Im Rahmen der Unterlassungsklage zu Ziff. II stellt sich diese Frage nicht. Die Klägerin stützt sich mit ihrem Haupt- und Hilfsantrag nicht auf unterschiedliche Lebenssachverhalte, sondern auf unterschiedliche Anspruchsgrundlagen. Die wettbewerbsrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Unterlassungsansprüche sind innerhalb desselben Rechtsweges zu prüfen und nicht als unterschiedliche Streitgegenstände zu behandeln, für die verschiedene Rechtswege eröffnet sind (vgl. BGH, Urteil vom 12.03.2020, I ZR 126/18 - WarnWetterApp, juris, Tz. 25 ff., 33). Daraus folgt aber nicht, dass der Rechtsweg beliebig ist, die Zivilgerichte auch bei einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit ohne weiteres in die Prüfung eintreten dürfen. Der Senat dürfte den vorliegenden Fall nur dann ggf. nach den Grundsätzen des öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs beurteilen, wenn das Landgericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt hätte.
27cc. Es liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit i.S.d. § 40 VwGO vor, an der die Beklagte als Trägerin hoheitlicher Gewalt beteiligt ist.
28Die Feststellung des Rechtswegs ist gemäß § 17 Abs. 2 GVG unter Prüfung des Rechtsstreits nach allen für den prozessualen Anspruch in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu treffen. Wenn - wie hier - eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung des Gesetzgebers fehlt, ist für die Abgrenzung von zivilrechtlicher/wettbewerbsrechtlicher Streitigkeit und öffentlich-rechtlicher Streitigkeit auf die Natur des Rechtsverhältnisses abzustellen, aus der der Klageanspruch abgeleitet wird. Maßgeblich ist die wahre Natur des Anspruchs, wie er sich nach dem Sachvortrag des Klägers darstellt. Daher reicht es für die Annahme einer bürgerlich-rechtlichen Streitigkeit nicht aus, dass sich der Kläger auf eine zivilrechtliche Anspruchsgrundlage beruft. Vielmehr kommt es darauf an, ob der Parteivortrag - seine Richtigkeit unterstellt - Rechtsbeziehungen oder Rechtsfolgen ergibt, die dem Bürgerlichen Recht zugeordnet sind. Bei der Qualifikation des Rechtsverhältnisses als öffentlich-rechtlich oder als bürgerlich-rechtlich kommt es regelmäßig darauf an, ob die an der Streitigkeit Beteiligten zueinander in einem Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen und ob sich der Träger der hoheitlichen Gewalt der besonderen, ihm zugeordneten Rechtssätze des öffentlichen Rechts bedient oder sich den für jedermann geltenden zivilrechtlichen Regelungen unterstellt (s. KBF/Köhler/Feddersen, UWG, 41. Aufl., § 12 Rn. 1.2, m.w.N.).
29Nach diesen Maßstäben ist die Natur des hier geltend gemachten Unterlassungsanspruchs öffentlich-rechtlicher Art.
30(1) Die Klägerin stützt das NGP auf § 395 SGB V, eine öffentlich-rechtliche Norm, die die Beklagte bzw. das Bundesministerium für Gesundheit verpflichtet, ein Informationsportal zu errichten und zu betreiben, das gesundheits- und pflegebezogene Informationen barrierefrei in allgemein verständlicher Sprache zur Verfügung stellt. Das Handeln der Beklagten in Erfüllung dieses Auftrags steht in Zusammenhang mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben. Die Beklagte verbreitet die streitbefangenen Informationen auf dem NGP, um die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung und die Patientensouveränität durch verlässliche und allgemein verständliche Informationen zu stärken (s. BT-Drs. 19/27652, z.B. Seite 2 ff., 84, 137). Ihre Tätigkeit ist von § 395 Abs. 1 SGB V, der keine Einschränkung bezüglich des Informationshandelns vorsieht, weder im Hinblick auf die Darstellung der Inhalte noch auf eine Anlassbezogenheit, vollständig gedeckt (s.u.). Ob sich die Informationen ihrem Inhalt nach auf privatrechtliche Sachverhalte beziehen, ist für die Bestimmung des Rechtsweges unerheblich; entscheidend ist allein, in welcher Funktion die Beklagte das NGP betreibt. Dies erfolgt hier in einem Über-/Unterordnungsverhältnis.
31Dass die Beklagte sich mit der Betreibung des Portals nicht in eine gleichstufige Rechtsbeziehung zu der Klägerin setzt, in der sie sich den für jedermann geltenden zivilrechtlichen Regelungen unterstellt, zeigt sich hier letztlich auch am Fehlen einer wettbewerbsrechtlichen Beziehung. Die Parteien sind in Bezug auf das NGP keine Mitbewerber. Mitbewerber ist jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht, § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Geschäftliche Handlung ist jedes Verhalten einer Person zu Gunsten des eigenen oder fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrages über Ware oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt, § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Unternehmer ist jede natürliche oder juristische Person, die geschäftliche Handlungen im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit vornimmt, und jede Parson, die im Namen oder Auftrag einer solchen Person handelt, § 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG. Das Bundesministerium für Gesundheit tritt durch die Erfüllung der ihm in § 395 SGB V zugewiesenen öffentlichen Aufgabe nicht als Unternehmer in ein konkretes Wettbewerbsverhältnis mit den Anbietern anderer Gesundheitsportale, weil das sich im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage haltende Informationsangebot kostenfrei und nicht werbefinanziert ist. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt wesentlich von den Sachverhalten, die den bisherigen wettbewerbsrechtlichen BGH-Entscheidungen zu staatlichen Medienangeboten im Hinblick auf das Gebot der Staatsferne der Presse (Crailsheimer Stadtblatt II, Urteil vom 20.12.2018, I ZR 112/17; dortmund.de, Urteil vom 14.07.2022, I ZR 97/21, muenchen.de, Urteil vom 13.07.2023, I ZR 152/21) zugrunde lagen. Dabei hat der BGH in der letzten Entscheidung die Bedeutung der Entgeltlichkeit betont, indem er ausführt: „Diese Beurteilung [keine hoheitliche Tätigkeit] hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Im Streitfall liegt schon wegen der auf dem Stadtportal veröffentlichten Anzeigenwerbung eine geschäftliche Handlung vor“ (Urteil vom 13.07.2023, I ZR 152/21 - muenchen.de, juris, Tz. 17; in der BGH-Entscheidung WarnWetterApp war die unentgeltliche Erbringung der meteorologischen Dienstleistung von der Ermächtigungsgrundlage des § 4 Abs. 6 DWDG nicht gedeckt und daher das Handeln der dortigen Beklagten als wettbewerbswidrige geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 UWG anzusehen, s. Urteil vom 12.03.2020, I ZR 126/18, juris, Tz. 42, 47 ff.). Mangels Entgeltlichkeit der von der Beklagten angebotenen Dienstleistung ist auch nicht erkennbar, dass / in welcher Weise eigener oder fremder Wettbewerb gefördert werden soll. Die Beklagte verfolgt mit dem Informationsportal als solchem nicht den Zweck, den Absatz eben dieses Portals oder anderer Angebote zu fördern (anders sah es bei der mit dem Klageantrag zu Ziff. I. gerügten Zusammenarbeit mit Google aus). Ihr Angebot richtet sich im eigentlichen Sinn nicht an Verbraucher, sondern an die Bevölkerung im Allgemeinen, die auch nicht im Geschäftsverkehr handelt, wenn sie sich mittels des Portals über Gesundheitsthemen informiert. Dass das Dienstleistungsangebot der Beklagten die wirtschaftlichen Interessen der Klägerin nachteilig berühren mag, ist ohne Belang. Das Verhalten eines Privaten fällt selbst bei erheblichen negativen Auswirkungen auf andere Unternehmen nicht als geschäftliche Handlung unter das UWG, solange der Private nicht den Unternehmensbegriff des UWG erfüllt oder ein fremdes Unternehmen fördert (Köhler, WRP 2014, 1017, 1019; Schmitt-Mücke, WRP 2023, 1145, 1146). Für die Beklagte kann nichts Anderes gelten. Andernfalls würde ein Sonderrecht zu Lasten der öffentlichen Hand geschaffen.
32(2) Dass § 395 SGB V bei Erhebung der Klage im Februar 2021 noch nicht in Kraft war, ist für die Bestimmung des Rechtsweges ohne Belang. Die Natur des Rechtsverhältnisses war vor Einführung des § 395 SGB V keine andere. Die Klägerin selbst hat in erster Instanz ausgeführt, dass § 395 SGB V nachträglich geschaffen wurde, um das bereits existierende NGP in seiner konkreten Ausgestaltung in genau dieser Form so zu legitimieren. Die Beklagte hatte im September 2020 den Betrieb des NGP auf der Webseite gesund.bund.de gestartet. Planung und Inbetriebnahme erfolgten zwar noch ohne eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage, jedoch im Rahmen der aus der Funktion der Staatsleitung folgenden allgemeinen Informationskompetenz der Beklagten im Gesundheitsbereich. Insoweit ging es auch und gerade im Vorfeld des § 395 SGB V um eine öffentliche Aufgabe.
33(3) Die Klägerin meint, dass dann, wenn die öffentliche Hand aufgrund gesetzlicher Ermächtigung hoheitlich tätig wird, ihre Betätigung einer Überprüfung anhand des Wettbewerbsrechts nur insoweit entzogen ist, als sich das Handeln innerhalb der Ermächtigungsgrundlage bewegt, und jede Überschreitung des vorgegebenen Handlungsspielraums – wie hier die Beklagte bei gebotener verfassungskonformer Auslegung – zwangsläufig eine geschäftliche Handlung i.S.d. UWG darstelle. Dem kann nicht beigetreten werden.
34(a) Die Ansicht der Klägerin und ihr folgend des Landgerichts begegnet bereits systematischen Bedenken. Das Landgericht gelangt zur Eröffnung des Zivilrechtsweges mit der Begründung, dass
35- § 395 Abs. 1 SGB V verfassungsrechtlich nur mit einer einschränkenden Auslegung im Hinblick auf das aus Art 5 Abs. 1 Satz 2 GG folgende Gebot der Staatsferne der Presse zu halten ist (andernfalls das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG angerufen werden müsste),
36- die Beklagten die Ermächtigungsgrundlage des § 395 Abs. 1 SGB V überschritten hat, weil ihr Handeln sich in dem durch die verfassungskonforme Auslegung eingeschränkten Bereich bewegt,
37- und aus der Überschreitung des durch die Ermächtigungsgrundlage vorgegebenen Handlungsspielraums das Handeln der Beklagten als geschäftliche Handlung anzusehen ist, mit der Folge, dass sich die Beklagte an den Regeln des Wettbewerbs messen lassen muss, einschließlich der des § 3a UWG i.V.m. Art 5 Abs. 1 Satz 2 GG als Marktverhaltensvorschrift – also genau der Norm, auf die die Notwendigkeit der einschränkenden Auslegung gestützt wird.
38Eine solche zirkelschlussartige Argumentation, die gemäß der von der Klägerin ausdrücklich so vertretenen Ansicht darauf hinausliefe, dass jeder Verstoß gegen das Gebot der Staatsferne der Presse denklogisch immer auch eine geschäftliche Handlung i.S.d. UWG darstellt und ohne weiteres zu einem Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 3a UWG i.V.m. dem Gebot der Staatsferne der Presse als Marktverhaltensvorschrift führen würde, überzeugt nicht. Letztlich würden die Anwendbarkeit des UWG und der daraus folgende Rechtsweg zu den Zivilgerichten mit dem Verstoß gegen einen Tatbestand des UWG begründet. Dies ist dogmatisch nicht haltbar (s. Schmitt-Mücke, WRP 2023, 1145 f.).
39(b) Außerdem steht die Argumentation des Landgerichts inhaltlich nicht in Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des BGH zum Verstoß gegen das Gebot der Staatsferne der Presse bei Publikationen der öffentlichen Hand. So hat der BGH in der Entscheidung dortmund.de ausgeführt, dass dieses Gebot eine Öffentlichkeits- und Informationsarbeit von Hoheitsträgern nur im Rahmen der ihnen zugewiesenen Aufgaben zulässt (Urteil vom 14.07.2022, I ZR 97/21, juris, Tz. 26). Daraus folgt, dass im Rahmen der den Hoheitsträgern positiv zugewiesenen Aufgaben – wie hier der aus § 395 Abs. 1 SGB V folgenden Pflicht zum Betrieb eines Informationsportals zu den Themen Gesundheit und Pflege – das Gebot der Staatsferne der Presse einer hoheitlichen Öffentlichkeits- und Informationsarbeit nicht generell entgegenstehen kann. Die Ermächtigungsgrundlage für die Informationsarbeit mag zwar im Einzelfall verfassungswidrig sein, bei der Beurteilung dieser Frage bedarf es dann aber der Berücksichtigung aller Aspekte wie hier z.B. des staatlichen Auftrags zur effektiven Gesundheitsprävention, nicht nur des Staatsfernegebots (vgl. Koch, juris-PR-SozR 23/2023, Anm. 2). Weiterhin hat der BGH in der Entscheidung muenchen.de die Bedeutung der Entgeltlichkeit der von der öffentlichen Hand angebotenen Dienstleistung für die Frage des Vorliegens einer geschäftlichen Handlung betont (Urteil vom 13.07.2023, I ZR 152/21, juris, Tz. 17, s.o.). Auch insoweit kann ein Verstoß gegen das Gebot der Staatsferne der Presse bei Publikationen der öffentlichen Hand nicht automatisch mit einer geschäftlichen Handlung i.S.d. UWG gleichsetzen werden.
40Soweit sich die Klägerin auf die Rechtsprechung des BGH in den Entscheidungen WarnWetterApp (Urteil vom 12.03.2020, I ZR 126/18, juris, Ls. 2 und Tz. 49) und Crailsheimer Stadtblatt II (Urteil vom 20.12.2018, I ZR 112/17, juris, Tz. 55) beruft, handelt es sich um inhaltlich anders geartete Sachverhalte. Der BGH hat in der Entscheidung WarnWetterApp u.a. unter Bezugnahme auf die Entscheidung Crailsheimer Stadtblatt II ausgeführt:
41„Für die Frage, ob die öffentliche Hand eine geschäftliche Handlung vornimmt, muss zunächst zwischen erwerbswirtschaftlichen Tätigkeiten einerseits und hoheitlichen Tätigkeiten andererseits unterschieden werden (…), wobei eine hoheitliche Tätigkeit in diesem Sinne vorliegt, wenn die öffentliche Hand zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe tätig wird (…). Eine erwerbswirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand ist auch dann als geschäftliche Handlung anzusehen, wenn öffentliche Zwecke mitverfolgt werden. Bei einer Tätigkeit zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben ist weiter danach zu unterscheiden, ob die öffentliche Hand aufgrund gesetzlicher Ermächtigung tätig wird. Ist dies der Fall, ist ihre Betätigung einer Überprüfung anhand des Wettbewerbsrechts entzogen, solange sich das Handeln innerhalb der Ermächtigungsgrundlage bewegt, die insoweit den Handlungsspielraum vorgibt … Nimmt die öffentliche Hand öffentliche Aufgaben wahr, bewegt sie sich dabei jedoch außerhalb des ihr durch eine Ermächtigungsgrundlage zugewiesenen öffentlich-rechtlichen Aufgabenbereichs, ist ihr Handeln als geschäftliche Handlung anzusehen mit der Folge, dass sie sich an den Regeln des Wettbewerbsrechts messen lassen muss (…) und - wenn die weiteren Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 UWG vorliegen - zur Unterlassung verpflichtet ist. Handelt die öffentliche Hand zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe und wird sie dabei ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung tätig, ist eine geschäftliche Handlung nicht ausgeschlossen. Sie ist allerdings auch nicht ohne weiteres zu vermuten, sondern anhand einer umfassenden Würdigung der relevanten Umstände des Einzelfalls besonders festzustellen (…).“
42Der vorliegende Fall unterscheidet sich in tatsächlicher Hinsicht von den o.a. Entscheidungen insoweit, als die Errichtung und der Betrieb des NGP durch den Wortlaut des § 395 Abs. 1 SGB V vollständig gedeckt ist (entgegen der Ansicht der Klägerin sind § 20 GemO BaWü und § 23 GemO NRW in ihrer Unbestimmtheit bezüglich der Informationspflichten und der genauen Reichweite der Äußerungsfreiheit nicht mit § 395 Abs. 1 SGB V identisch). Dass sich die Beklagte „deutlich erkennbar außerhalb des ihr zugewiesenen Aufgabenbereichs bewegt“ (s. BGH, Urteil vom 20.12.2018, I ZR 112/17 - Crailsheimer Stadtblatt II, juris, Tz. 56) ist gerade nicht feststellbar.
43(c) Zu einer Überschreitung des der Beklagten zugewiesenen Aufgabenbereichs käme man hier nur bei einer einschränkenden Auslegung des § 395 Abs. 1 SGB V, die jedoch im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut sowie Sinn und Zweck der Norm ausscheidet. Dies hat auch die Klägerin in erster Instanz selbst so gesehen. Sie hatte ursprünglich die Ansicht vertreten, dass § 395 SGB V komplett verfassungswidrig sei, eben weil er das staatliche Handeln zum Schutz der freien Presse nicht beschränke. Erst im Zuge des Berufungsverfahrens hält sie eine verfassungskonforme Auslegung für möglich und geboten. Dem kann nicht beigetreten werden. Eine verfassungskonforme Auslegung gegen Wortlaut und Ratio der Norm ist unzulässig. Der Wortlaut des § 395 Abs. 1 SGB V ist eindeutig. Der Informationsauftrag ist weder inhaltlich beschränkt noch auf bestimmte Anlässe bezogen. Außerdem behandelt § 395 Abs. 1 SGB V Gesundheit und Pflege gleich; eine Einschränkung der pflegebezogenen Information dahingehend, dass allgemeine medizinische Informationen hierüber nicht ohne konkreten Anlass aufgrund einer Gefährdung der Gesundheit der Bevölkerung zur Verfügung gestellt werden dürfen, wäre unsinnig. Sinn und Zweck der Norm sind ebenfalls eindeutig. Der Wille des Gesetzgebers ist darauf gerichtet, ein umfassendes staatliches Informationsportal zu schaffen, gemäß dem damals bereits vorhandenen NGP in seiner konkreten Ausgestaltung, auch der hier angegriffenen Form. Ausgehend von der Feststellung einer unzureichenden Gesundheitskompetenz der Bevölkerung soll das NGP den Zugang zu einheitlichen, allgemein verständlichen und wissenschaftlich gesicherten gesundheits- und pflegebezogenen Informationen sicherstellen und online über allgemeine Gesundheitsthemen wie Krankheiten, Krankheitsursachen, medizinischen Therapiemethoden, Präventionsmaßnahmen, Beratungsangebote, Selbsthilfe, Patientenrechte pp. informieren (s. BT-Drucks. 19/27652, Seite 137). Eine einschränkende Auslegung der Norm dahingehend, dass die Beklagte nur noch anlässlich einer konkreten Gefährdung der Gesundheit der Bevölkerung Artikel zu allgemeinen medizinischen Themen veröffentlichen dürfte, würde das gesetzgeberische Ziel verfehlen.
44(d) Die verbleibende Frage, ob § 395 Abs. 1 SGB V verfassungswidrig ist, ist nicht vom Senat zu klären. Diese Frage - auch die einer Vorlage nach Art. 100 GG - stellt sich erst im Rahmen der Befassung mit der Sache selbst bei dem zuständigen Gericht.
453. Für eine Zulassung der Beschwerde an den BGH nach § 17a Abs. 4 GVG besteht keine Veranlassung. Bezüglich der Frage des Rechtsweges geht es um eine Einzelfallentscheidung ohne grundsätzlicher Bedeutung. Der Senat weicht auch nicht von der Entscheidung eines obersten Gerichts ab.
464. Die Ausführungen der Parteien in den Schriftsätzen vom 26.01.2024 und 30.01.2024 geben zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung keine Veranlassung.