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Der Beitritt der Streithelferin zu 1. auf Seiten der Klägerin wird zugelassen.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 28.06.2023 – 1 O 221/22 – unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 85.644.300,00 € nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.06.2020 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte sich seit dem 28.05.2020 im Annahmeverzug befindet mit der Annahme von 14.660.000 FFP2-Masken und 10.000.000 OP-Masken, die der folgenden Leistungsbeschreibung gemäß Ziff. 3.1 und Ziff. 4.1 des Vertrags über die Lieferung von Schutzausrüstung der Parteien vom 07/09.04.2020 zu entsprechen haben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits 1. und 2. Instanz, des Zwischenstreits sowie die Kosten der Streithelfer zu 1. und 2.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e :
2I.
3Die Parteien streiten um Zahlungsansprüche der Klägerin aus einem mit der Beklagten im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie im Wege des sogenannten Open-House-Verfahrens abgeschlossenen Vertrages über die Lieferung von Schutzmasken.
4Die Beklagte führte während der Corona-Pandemie im März und April 2020 ein sog. Open-House-Verfahren zur kurzfristigen Beschaffung von FFP2-Masken, OP-Masken und Schutzkitteln durch. Das Open-House-Verfahren ist dadurch geprägt, dass ein öffentlicher Auftraggeber zum Zwecke der Güterbeschaffung Rahmenvertragsvereinbarungen veröffentlicht, zu deren Bedingungen jeder interessierte Lieferant ein vorformuliertes Angebot abgeben kann, das dann per Zuschlag angenommen wird, ohne dass eine Auswahlentscheidung getroffen wird. Da in der Konsequenz sämtliche Angebote angenommen werden, findet kein Wettbewerb zwischen den Teilnehmern statt. Das Verfahren unterfällt daher keinen vergaberechtlichen Vorschriften. Weitere Konsequenz ist, dass das Auftragsvolumen nicht klar vorhersehbar ist.
5Am 27.03.2020 veröffentlichte die Beklagte die Auftragsbekanntmachung (Anlage DLA 1 und 2), welche folgenden Passus (Anlage DLA 2) enthalten hat:
6„Das Vertragssystem beginnt ab sofort zu laufen und endet mit Ablauf des 30.4.2020. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass spätester Liefertermin der 30.4.2020 innerhalb der üblichen Geschäftszeiten der Z. V. C.. KG, R.-straße 7 in N01 J., ist.“
7Die Frist zur Einreichung der Angebote wurde nachträglich von der Beklagten auf den 08.04.2020 verkürzt (Anlage DLA 3). Über den Link in der Auftragsbekanntmachung abrufbar waren u.a. das Angebotsformular, die Teilnahmebedingungen, das Vertragsformular über die Lieferung von Schutzausrüstung und die Leistungsbeschreibung. In der Leistungsbeschreibung war ein Preis pro FFP2-Maske in Höhe von 4,50 Euro netto und pro OP-Maske von 0,60 Euro netto vorgesehen. Das Vertragsformular lautete auszugweise wie folgt:
8„§ 2 Vertragsbestandteile
92.1. Folgende Unterlagen und Bestimmungen sind in Ergänzungen der Regelungen dieses Vertrages Bestandteile des Vertragsverhältnisses:
10a. die Leistungsbeschreibung mit den Stückpreisen für die einzelnen Produktgruppen (….)
11§ 3 Leistung/Lieferung (…)
123.2 Die Lieferung der Produkte hat an die Z. V. C.. KG, R.-straße 7 in N01 J., während der üblichen Geschäftszeiten zu erfolgen; die üblichen Geschäftszeiten sind von dem AN bei der Z. V. C.. KG zu erfragen. Die Lieferung ist der Z. V. C.. KG in Textform mit einer Frist von mindestens drei Kalendertagen vor dem Liefertermin anzukündigen. Spätester Liefertermin ist der 30.04.2020 innerhalb der Geschäftszeiten gemäß S. 1. Bei Nichteinhaltung des spätesten Liefertermins entfallen die gegenseitigen Pflichten der Vertragspartner; eine verspätete Lieferung stellt keine Erfüllung des Vertrages durch den AN dar (absolutes Fixgeschäft).
13§ 5 Zahlung
145.1 Der AG zahlt die vereinbarte Vergütung bargeldlos binnen einer Woche nach erfolgter Lieferung und Eingang einer den Vorschriften des Umsatzsteuerrechts entsprechenden Rechnung bei der Z. V. C.. KG, R.-straße Str. 7 in N01 J., auf das von dem AN angegebene Konto.
155.2 Jede Zahlung erfolgt unter dem Vorbehalt des Anspruchs auf Rückerstattung wegen nicht oder mangelhaft erbrachter Leistungen (…)
16§ 6 Mängelansprüche
176.1. Für Sach- und Rechtsmängel gelten die gesetzlichen Vorschriften, soweit nicht nachfolgend etwas anders bestimmt ist.
18§ 7 Laufzeit des Vertrages/sonstige Vereinbarungen
197.1 Der Vertrag tritt mit Zuschlagserteilung des AG auf das im Open-House-Verfahren abgegebene Angebot des AN in Kraft und endet mit Ablauf des 30.04.2020. Die durch eine innerhalb der Vertragslaufzeit erfolgte Lieferung begründeten Rechte und Pflichten des AG und des AN bestehen auch nach dem Ablauf der Vertragslaufzeit fort.“
20Hinsichtlich der Einzelheiten der streitgegenständlichen Unterlagen des Open-House-Verfahrens wird auf die erstinstanzlich eingereichte Anlage B 1 verwiesen.
21Am 07.04.2020 gab die Klägerin mittels des vorgefertigten Vertragstextes ein Angebot über die Lieferung von 15.000.000 Stück FFP2-Masken und 10.000.000 OP-Masken ab, für welches ihr unter dem 09.04.2020 der Zuschlag erteilt wurde (Anlage DLA 11). Die Klägerin selbst erwarb die streitgegenständlichen Masken von der Streithelferin zu 1. (vormals firmierend unter L. H. GmbH), welche sie auch mit der Zulieferung der Masken beauftragte. Die zwischen der Klägerin und der Streithelferin zu 1. geschlossene Liefervereinbarung vom 24.04.2020 sah u.a. vor, dass die Klägerin die gesamte Kaufpreisforderung gegen die Beklagte an die Streithelferin zu 1. abtritt und die Streithelferin zu 1) an die Klägerin eine Zahlung in Höhe von 2.000.000,00 Euro leistet. Diese Vereinbarung wurde in der Folgezeit – etwa im Hinblick auf die Höhe der zu leistenden Zahlung – noch modifiziert.
22Mit E-Mail vom 27.04.2020 avisierte die Klägerin gegenüber der Firma Z. die Lieferung der bestellten Masken, wobei sie darum bat ihr aufgrund der großen Mengen einen späteren Slot zuzuweisen, um die Koordination der Fahrzeuge optimal steuern zu können (Anlage DLA 13). Hieraufhin antwortete die Firma Z. mit Mail vom gleichen Tag (Anlage LG - K 8) und teilte u.a. Folgendes mit:
23„(…) Wir werden uns schnellstmöglich bei Ihnen melden, um die logistischen Details der Anlieferung mit Ihnen abzustimmen. Aufgrund des Erfolgs des Open-House-Verfahrens erhalten wir derzeit viele Anfragen und bitten Sie darum, von Nachfragen abzusehen.“
24Mit E-Mail vom 30.04.2020 (Anlage DLA 15) teilte die Firma Z. der Streithelferin zu 1. („wie telefonisch besprochen - anbei die Übersicht über die 71 Slots inkl. der Uhrzeit“) Liefertermine für den 07.05. und 08.05.2020 mit. Die Terminverschiebung wurde erforderlich, da die Beklagte aufgrund der Vielzahl der Teilnehmer am Open-House-Verfahren Ende April 2020 feststellte, dass ihr eine Annahme aller Lieferungen bis zum 30.04.2020 nicht möglich war. Sofern Lieferungen für den 30.04.2020 avisiert und möglich waren, erhielten die Auftragnehmer, mithin auch die Klägerin, zur Entzerrung des Lieferaufkommens spätere Lieferslots.
25Mit E-Mail vom 06.05.2020 wandte sich die Firma Z. erneut wegen der Liefertermine an die Streithelferin zu 1. (Anlage DLA 16) und teilte Folgendes mit:
26„(…) wie telefonisch besprochen verschieben wir Ihre 71 Anliefertermine in J. vom 07./08.05. auf nächste Woche in Q..
27Anbei finden Sie die entsprechenden Uhrzeiten, sowie M. Nummern.
28Vielen Dank für Ihre Flexibilität! (…)“
29Tatsächlich erfolgte am 12.05.2020 lediglich eine Anlieferung von 340.000 Stück FFP2-Masken, am 13.05.2020 fand keine weitere Anlieferung statt. Die angelieferten Masken wurden von der Beklagten ordnungsgemäß bezahlt.
30In der Folgezeit bemühte sich die Klägerin erfolglos um die Zuteilung neuer Lieferslots (vgl. insoweit E-Mail vom 17.05.2020 / Anlage LG - K 11; E-Mail vom 25.05.2020 / Anlage - LG PwC 11; E-Mail vom 27.05.2020 / Anlage LG - K 12).
31Am 28.05.2020 erklärte die Beklagte per E-Mail (Anklage DLA 19) unter Hinweis auf den Fixcharakter des Geschäfts sowie die daraus folgende Entbehrlichkeit einer vorherigen Fristsetzung gegenüber der Klägerin den (teilweisen) Rücktritt vom Kaufvertrag.
32Ebenfalls unter dem 28.05.2020 wandte sich die Klägerin per E-Mail an die Beklagte (Anlage LG - K 14) und teilte dieser mit, dass die Ware nun schon länger in G. gelagert werde und dort zur Abholung und Besichtigung bereitstehe. Insofern werde der Beklagten eine Frist von 14 Tagen zur Abnahme der Ware, mithin bis zum 09.06.2020 gesetzt.
33In der Folgezeit forderte die Klägerin die Beklagte wiederholt zur Abnahme der Ware auf. So setzte die anwaltlich vertretene Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 17.06.2020 zunächst eine Frist bis zum 01.07.2020 (Anlage DLA 22), sodann mit Schreiben vom 08.09.2020 eine weitere Frist bis zum 11.09.2020 (Anlage DLA 23) und schließlich mit Schreiben vom 03.03.2021 eine Frist bis zum 12.03.2021 (Anlage DLA 24). Die Beklagte kam diesen Aufforderungen nicht nach, sondern teilte gegenüber der Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 14.09.2020 unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 08.09.2020 vielmehr mit, dass der geltend gemachte Anspruch auf Abnahme der Masken ausdrücklich zurückgewiesen werde (Anlage LG - K 15).
34Am 17.03.2022 schloss die Klägerin mit der O. S. S.A. einen Kooperationsvertrag, mit welchem – wie aus der Anlage SV 2 ersichtlich - eine finanzielle Unterstützung durch die O. S. S.A. bei der Durchsetzung der klägerischen Ansprüche gegen die Beklagte aus dem Vertrag über die Beschaffung und Lieferung von Schutzmasken gegen eine Erfolgsbeteiligung in Höhe von 60 % vereinbart wurde.
35Am 19.07.2022 / 29.07.2022 trafen die Klägerin und die Streithelferin zu 1. die als Anlage SV 1 eingereichte Aufhebungsvereinbarung, die auszugsweise wie folgt lautet:
36„1. AUFHEBUNG DER VERGANGENEN VERTRAGSBEZIEHUNG
37P. und HN.. erklären hiermit ausdrücklich die vollumfängliche Aufhebung der Vergangenen Vertragsbeziehung.
382. VERZICHT AUF JEGLICHE ANSPRÜCHE
39Entsprechend der vollumfänglichen Aufhebung des Vergangenen Vertragsbeziehung verzichten P. und HN.. wechselseitig auf jegliche vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche (vertragliche und gesetzliche), bekannt oder unbekannt und unmittelbar oder mittelbar im Hinblick auf die Vergangene Vertragsbeziehung.
40Das heißt, es existieren keinerlei gegenseitigen Ansprüche zwischen P. und HN.. aus der Vergangenen Vertragsbeziehung.“
41Unter dem gleichen Datum schloss die Streithelferin zu 1. ihrerseits mit der O. S. S.A. und einer weiteren Gesellschaft den aus der Anlage SV 3 ersichtlichen Kooperationsvertrag, mit welchem sich die Streithelferin zu 1. zur Unterstützung bei der Prozesskostenfinanzierung durch die O. S. S.A. gemäß dem Kooperationsvertrag vom 17.03.2022 gegen eine Erfolgsbeteiligung verpflichtete.
42Mit Schriftsatz vom 22.09.2022 erhob die Klägerin Klage vor dem Landgericht Bonn, wobei sie sich erstinstanzlich von der Streithelferin zu 2. vertreten ließ. Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass der seitens der Beklagten erfolgte Rücktritt mangels vorheriger Fristsetzung nicht wirksam gewesen sei. Die Parteien hätten sich weder auf ein absolutes noch ein relatives Fixgeschäft geeinigt. Jedenfalls sei durch die nachträglichen Verschiebungen der Lieferslots ein etwaiger Fixcharakter des Geschäfts wieder aufgehoben worden. Insofern greife auch § 376 HGB ein, da die Beklagte vorliegend als Kaufmann gehandelt habe. Dem Rücktritt stünde zudem entgegen, dass die Beklagte sich insoweit treuwidrig verhalte. Zum einen seien der Streithelferin zu 1. durch die Spedition Z. ausdrücklich neue Anliefertermine zugesichert worden, zum anderen habe die Beklagte bei einer Vielzahl von Vertragsverhältnissen mit anderen Lieferanten Maskenlieferungen auch noch zu späteren Zeitpunkten – bis zum Februar 2021 – akzeptiert. Letztlich habe die Beklagte ihr Rücktrittsrecht aber auch verwirkt, da sie bis zum 28.05.2020 zugewartet habe.
43Die Beklagte hat ihren Rücktritt für wirksam erachtet und ein treuwidriges Verhalten in Abrede gestellt. Sofern außerhalb des bis Anfang Juni 2020 andauernden Entzerrungszeitraums noch Masken von ihr angenommen worden seien, handele es sich ausschließlich um berechtigte Sonderfälle.
44Das Landgericht hat mit Urteil vom 28.06.2023 die Klage insgesamt abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass ein Anspruch der Klägerin auf Kaufpreiszahlung Zug um Zug gegen Lieferung der nach dem Kaufvertrag ursprünglich geschuldeten Masken wegen des Rücktritts der Beklagten erloschen sei, weil der Kaufvertrag sich in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt habe. Der Beklagten habe wegen der Nichtleistung der Klägerin ein Rücktrittsrecht gemäß § 323 Abs. 1 BGB zugestanden. Eine Nachfristsetzung sei gemäß § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB entbehrlich gewesen, da die Parteien wirksam ein relatives Fixgeschäft vereinbart hätten. Zwar sei in dem Vertragstext (§ 3.2) ein absolutes Fixgeschäft erwähnt, allerdings handele es sich hierbei um eine übereinstimmende Falschbezeichnung (sog. falsa demonstratio non nocet). Denn aus dem Vertragstext sowie den Umständen gehe klar hervor, dass das Verstreichenlassen des Liefertermins keine Unmöglichkeit im Rechtssinne (§ 275 Abs. 1 BGB) zur Folge haben solle. Insofern sei – da es sich bei § 3.2 um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handele – die Klausel ausgehend von der Verständnismöglichkeit eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden, einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen, rechtlich nicht vorgebildeten Vertragspartnern vor dem Hintergrund des gesamten Vertrages unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Personen verstanden werden. Hier sei für die Klägerin klar erkennbar gewesen, dass es sich bei dem Leistungszeitpunkt in dem Open-House-Vertrag um einen Zeitpunkt handelte, auf den die Beklagte besonderen Wert gelegt habe, allerdings die Leistungszeit wiederum nicht so wesentlich sei, dass zur Verwirklichung des Leistungszwecks eine Leistung überhaupt nur zu einem bestimmten Zeitpunkt erbracht werden könne. Das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion unzulässiger AGB-Klauseln greife hier bereits vom Ansatz nicht, da es nicht um die Aufrechterhaltung eines zulässigen Kerns einer unzulässigen Gesamtregelung, sondern um die Auslegung des Vertrages gehe. Die Vereinbarung eines relativen Fixgeschäftes in den AGB halte auch einer Kontrolle nach §§ 305 c ff BGB stand, denn es handele sich hierbei weder um eine überraschende Klausel im Sinne von § 305 c BGB, vielmehr seien die Lieferanten bereits im Vorfeld des Vertrages – etwa durch die Auftragsbekanntmachung als auch die Teilnahmebedingungen – auf die Relevanz des Liefertermins hingewiesen worden, noch führe die Annahme einer Fix-Abrede zu einer unangemessenen Benachteiligung der Lieferanten im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB. Zwar sei die vorherige Nachfristsetzung im kaufvertraglichen Gewährleistungsrecht der gesetzliche Regelfall, allerdings sehe das Gesetz seit der Schuldrechtsreform Abweichungen von diesem Grundsatz ausdrücklich vor. Die Vereinbarung eines Fixgeschäftes sei im unternehmerischen Verkehr durch AGB möglich, hierfür bestehe sogar mitunter – wie auch hier für die Beklagte an der zügigen Abwicklung der Anlieferungen und Weitergabe an die zu versorgenden Stellen - ein Bedürfnis. Zudem würden für die Lieferanten die mit der Fixabrede einhergehenden Nachteile durch die mit dem Open-House-Verfahren einhergehenden Vorteile angemessen kompensiert. Denn für die Lieferanten habe die Möglichkeit eines schnellen und reibungslosen Abschlusses großvolumiger Kaufverträge bestanden, bei denen sie selbst über die Menge und Zusammensetzung des Kaufgegenstandes entscheiden und sichergehen konnten, dass der jeweilige Vertrag dann auch zu diesen Konditionen zustande kommen werde. Zudem hätte durch die Vereinbarung einer fixen und sehr kurz bemessenen Zahlungsfrist von nur einer Woche ab Lieferung den Lieferanten bereits ab Fälligkeit der Zahlung ein Anspruch auf Verzugszinsen zugestanden, sollte die Zahlung nicht fristgerecht erfolgen. Die demgemäß wirksam vereinbarte Fixabrede sei dann auch nicht durch die Vereinbarung der späteren Liefertermine beseitigt worden, denn für die Klägerin sei ersichtlich gewesen, dass die Beklagte immer noch an dem Fixcharakter festhalten wolle, zudem sei diese Verschiebung des Liefertermins absprachegemäß zwischen der Firma Z. und der Streithelferin zu 1. erfolgt, was die Klägerin sich zurechnen lassen müsse. § 376 Abs. 1 HGB finde vorliegend bereits deshalb keine Anwendung, da die Beklagte kein Handelsgeschäft im Sinne von §§ 377 Abs. 1, 343 HGB betreibe. Schließlich scheitere der Rücktritt auch nicht an § 323 Abs. 6 BGB. Denn die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin habe keine Umstände dargelegt, die die Beurteilung, die Beklagte habe den Umstand der Nichtleistung allein oder weit überwiegend zu verantworten gehabt, tragen würden. Durch das Berufen auf ihr Rücktrittsrecht verstoße die Beklagte auch nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB). Insbesondere ergebe sich dies nicht im Hinblick auf das Verhalten der Beklagten gegenüber anderen Lieferanten im Zusammenhang mit den mit diesen geschlossenen Kaufverträgen, da es insoweit bereits an einer der Beklagten zurechenbaren Vertrauensgrundlage auf Seiten der Klägerin zu dem Zeitpunkt fehlte, als die Klägerin die Masken abgeliefert bzw. die Rücktrittserklärung erhalten habe. Insofern scheide auch ein Verstoß gegen Art. 3 GG aus, da es sich hier zwar um gleichartig gestaltete Verträge gehandelt, jeder Vertrag jedoch individuelle Besonderheiten aufgewiesen habe, weshalb schon keine im Wesentlichen gleiche Grundkonstellation vorhanden gewesen sei, die zu einer strikten Gleichbehandlung führen müsse.
45Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer am 15.07.2023 beim Oberlandesgericht eingelegten Berufung, mit welcher sie ihren Zahlungsanspruch vollumfänglich weiterverfolgt, dies jedoch - abweichend von dem Antrag in erster Instanz – unbedingt, mithin nicht erst nach Übergabe und Übereignung von 144.660.000 FFP2 Masken und 10.000.000 OP-Masken, und mit Verzugszinsen hieraus bereits seit dem 29.05.2020. Zudem begehrt sie weiterhin die Feststellung des Annahmeverzuges der Beklagten, dies allerdings erst ab dem 28.05.2020 und nicht – wie noch in erster Instanz geltend gemacht – ab dem 14.05.2020. Ferner fordert sie weiterhin – wie in erster Instanz - Zahlung von vorprozessualen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 10.000,00 Euro nebst Zinsen, diese allerdings nur noch ab Rechtshängigkeit, sowie nunmehr nur noch eine Freistellung von vorprozessualen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 127.589,50 Euro. Zur Begründung führt die Klägerin aus, dass das Landgericht zu Unrecht aufgrund der Vereinbarung eines Fixgeschäftes von der Entbehrlichkeit einer Nachfristsetzung gemäß § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB und in Folge dessen rechtsfehlerhaft von einem wirksamen Rücktritt der Beklagten ausgegangen sei. Das Landgericht habe bereits im Ausgangspunkt irrig angenommen, dass im Wege der Vertragsauslegung davon auszugehen sei, dass die Parteien hier abweichend vom Wortlaut des § 3.2 des Vertragstextes („absolutes Fixgeschäft“) übereinstimmend ein relatives Fixgeschäft hätten vereinbaren wollen, es sich mithin bei der Bezeichnung in § 3.2 des Open-House-Vertrages lediglich um eine unschädliche falsa demonstratio non nocet gehandelt habe. Für einen derartigen übereinstimmenden Parteiwillen gebe es keinerlei Anhaltspunkte, vielmehr sei insofern zu berücksichtigen, dass dies für die Lieferanten – und damit auch die Klägerin - sogar eine Verschlechterung ihrer Rechtsposition bedeutet habe, da dem Gläubiger bei einem relativen Fixgeschäft bei einer Fristversäumnis ein Wahlrecht zustehe, was für den Schuldner zu erheblicher Unsicherheit führen könne. Gegen eine derartige Auslegung spreche zudem der Wortlaut des Vertragstextes, aber auch der Vertragszweck sowie die sonstigen bekannten Umstände. Zwar sei offenkundig gewesen, dass die Beklagte ein hohes Interesse an der zügigen Lieferung der Masken gehabt habe, gleichzeitig sei aber für alle Beteiligten auch klar gewesen, dass die pandemiebedingte Notlage noch länger andauern und das Interesse an der Beschaffung einer großen Zahl von Atemschutzmasken auch über den 30. April 2020 hinaus fortbestehen würde. Dies werde auch dadurch belegt, dass die Beklagte in zahlreichen Parallelfällen noch Maskenlieferungen zu späteren Zeitpunkten akzeptiert habe. Soweit die Beklagte aber in die von ihr einseitig vorgegebenen Vertragsklauseln eine Vereinbarung aufgenommen habe, wonach ein „absolutes Fixgeschäft“ vorliege, sei diese Vereinbarung nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB wegen der damit einhergehenden unangemessenen Benachteiligung des Vertragspartners unwirksam. Denn der Fixcharakter einer Lieferfrist im Kaufrecht könne nach ständiger Rechtsprechung nicht wirksam in allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbart werden. Ob bei einer Branchenüblichkeit von Fixabreden etwas Anderes gelte, könne vorliegend dahingestellt bleiben, da eine derartige Branchenüblichkeit bei medizinischen Schutzartikeln nicht gegeben sei. Selbst wenn man aber zu Unrecht die wirksame Vereinbarung eines Fixgeschäftes vorliegend annehmen würde, sei diese jedenfalls durch die nachträglichen Verschiebungen der Liefertermine wieder aufgehoben worden. Insofern greife auch § 376 HGB ein, da die Vorschrift nur ein einseitiges Handelsgeschäft voraussetze. Fehle dem Geschäft demgemäß aber der Fixcharakter, sei eine Nachfristsetzung erforderlich und damit der erklärte Rücktritt unwirksam gewesen, weshalb ihr Zahlungsanspruch nach wie vor gegeben sei. Dieser Zahlungsanspruch stünde ihr nunmehr auch unbedingt zu, da durch den Vertragsbruch der Beklagten am 28.05.2020 sowohl ihre in § 5.1 des Open-House-Vertrags an sich vereinbarte Vorleistungspflicht als auch der Zug-um-Zug-Einwand im Sinne von § 320 BGB entfallen sei. Der Zinsanspruch ergebe sich insoweit unter dem Gesichtspunkt des Verzuges, § 286 BGB. Nachdem die Kaufpreisforderung durch die ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung der Beklagten ("Rücktritt") am 28.05.2020 einredefrei fällig geworden sei und weil dasselbe rechtswidrige Handeln der Beklagten, also deren ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung, auch eine Mahnung durch die Klägerin entbehrlich gemacht habe, befinde sich die Beklagte seit dem 28.05.2020 in Schuldnerverzug. Insofern sei auch der Feststellungsantrag gemäß Ziffer 2. begründet, da die Beklagte sich durch ihre mit dem Rücktritt erklärte endgültige Verweigerung der Vertragserfüllung seit dem 28.05.2020 in Annahmeverzug befunden habe. In einer solchen Situation sei ein tatsächliches aber auch ein nur wörtliches Angebot entbehrlich. Der Anspruch auf Zahlung der vorprozessualen Rechtsanwaltskosten bzw. Freistellung von diesen sei demgemäß ebenfalls gemäß § 286 BGB begründet, da die Kanzlei W. erst nach dem 28.05.2020 tätig geworden sei. Ein Zinsanspruch ergebe sich bezüglich des Zahlungsanspruchs insoweit aus §§ 291, 288 Abs. 2 BGB.
46Die Klägerin hat mit ihrer Berufungsbegründung zugleich der Streithelferin zu 1. sowie der Streithelferin zu 2. den Streit verkündet. Die Streithelferin zu 1. hat mit Schriftsatz vom 20.03.2024, die Streithelferin zu 2. mit Schriftsatz vom 29.05.2024 den Beitritt zum Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin erklärt.
47Die Klägerin und die Streithelferinnen beantragen,
48unter Abänderung des angefochtenen Urteils
491. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 85.644.300,00 nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.05.2020 zu zahlen.
502. Es wird festgestellt, dass die Beklagte sich seit dem 28.05.2020 im Annahmeverzug befindet mit der Annahme von 14.660.000 FFP2-Masken und 10.000.000 OP-Masken, die der folgenden Leistungsbeschreibung gemäß Ziff. 3.1 und Ziff. 4.1 des Vertrags über die Lieferung von Schutzausrüstung der Parteien vom 07/09.04.2020 zu entsprechen haben:
51
3. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 10.000,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
534. Die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von weiteren vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 127.589,50 freizustellen.
54Die Beklagte beantragt,
55die Berufung sowie die Nebenintervention der Streithelferin zu 1., letztere durch Zwischenurteil gemäß § 71 ZPO, zurückzuweisen.
56Sie verteidigen das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vortrags. Zudem bestreitet die Beklagte im Hinblick auf die erstmals in zweiter Instanz bekannt gewordenen Vereinbarungen der Klägerin mit der Streithelferin zu 1. (Abtretungsvereinbarung vom 24.04.2020 / Aufhebungsvereinbarung vom 19.07.2022) sowie die unter dem 17.03.2022 und 19.07/29.07.2022 getroffenen Kooperationsvereinbarungen die Aktivlegitimation der Klägerin mit Nichtwissen und stellt zudem ein rechtliches Interesse der Streithelferin gemäß § 66 Abs. 1 ZPO am Ausgang des Rechtsstreits in Abrede.
57II.
58Der auf die Streitverkündung durch die Klägerin erfolgte Beitritt der Streithelferin zu 1. auf Seiten der Klägerin ist gemäß § 71 ZPO zuzulassen, da ein rechtliches Interesse der Streithelferin zu 1. am Ausgang des Rechtsstreits gegeben ist.
59Auf den Antrag der Beklagten vom 24.05.2024, die Nebenintervention der Streithelferin zu 1. durch Zwischenurteil zurückzuweisen, waren die Zulassungsvoraussetzungen zu prüfen, § 71 Abs. 1 ZPO. Die daher erforderliche Entscheidung über die Zulässigkeit der Nebenintervention per Zwischenurteil kann auch im Endurteil erfolgen (vgl. Musielak/Voit/Weth, 21. Aufl. 2024, ZPO § 71 Rn. 6).
60Mit Schriftsatz vom 20.03.2024 hat die Streithelferin zu 1. den Voraussetzungen des § 70 ZPO entsprechend ihren Beitritt zum Rechtsstreit auf der Seite der Klagepartei erklärt.
61Darüber hinaus ist auch das gemäß § 66 Abs. 1 ZPO für einen wirksamen Beitritt als Nebenintervenient erforderliche rechtliche Interesse am Ausgang des Rechtsstreits gegeben. Der Begriff des rechtlichen Interesses in § 66 Abs. 1 ZPO ist weit auszulegen (Althammer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 66 ZPO, Rn. 8). Aus dem Erfordernis eines rechtlichen Interesses folgt jedoch, dass ein rein wirtschaftliches oder tatsächliches Interesse für die Zulässigkeit einer Nebenintervention nicht ausreicht. Es ist erforderlich, dass der Nebenintervenient zu der unterstützten Partei oder zu dem Gegenstand des Rechtsstreits in einem Rechtsverhältnis steht, auf das die Entscheidung des Rechtsstreits durch ihren Inhalt oder ihre Vollstreckung unmittelbar oder auch nur mittelbar rechtlich einwirkt (BGH NJW-RR 2011, 907 Tz 10; BGH 18.11.2015 - VII ZB 2/15, NJW 2016, 1020 Tz 11; BGH 18.11.2015 - VII ZB 57/12, NJW 2016, 1018 Tz 13; OLG Koblenz 14.4.2009 - 5 U 309/09, NJW-RR 2009, 963; OLG Köln 28.11.2014 - 19 U 87/14 Tz 4 f, hM; auch begrenzt auf Teil der Hauptsache: OLG Düsseldorf MDR 66, 852). Hierher gehört insbesondere der Fall, dass die im Prozess unterlegene Partei den Nebenintervenienten in Haftungsregress nehmen könnte (Althammer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 66 ZPO, Rn. 13) und der Regress nicht sicher aussichtslos ist (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15.09.2017 - 6 W 31/17, NJW 2018, 1103 Rn. 16).
62Nach diesen Maßstäben ist von einem rechtlichen Interesse der Streithelferin zu 1. am Ausgang des Rechtsstreits auszugehen. Zwar haben die Parteien unter dem 19.07.2022 / 29.07.2022 eine Aufhebungsvereinbarung geschlossen, von der auch etwaige Regressansprüche der Klägerin gegen die Streithelferin zu 1. erfasst sind. Allerdings soll nach dem Vortrag der Streithelferin zu 1. diese Vereinbarung nur vor dem Hintergrund der geschlossenen Kooperationsvereinbarungen getroffen worden sein, weshalb ihr möglicherweise – da die Wirksamkeit der Kooperationsvereinbarungen in Frage steht – die Geschäftsgrundlage entzogen wäre und insoweit die Rechte nach § 313 Abs. 1 und 3 BGB geltend gemacht werden könnten, was die Streithelferin zu 1. sich ausdrücklich vorbehalten hat. Vor diesem Hintergrund kann aber ein Regressanspruch der Klägerin gegen die Streithelferin zu 1. nicht von vornherein ausgeschlossen werden, so dass ein rechtliches Interesse der Streithelferin zu 1. am Ausgang des Rechtsstreits anzunehmen ist.
63III.
64Die Berufung der Klägerin hat bis auf einen Teil der auf die Hauptforderung geltend gemachten Zinsen sowie die mit den Anträgen zu Ziffern 3. und 4. beantragte Erstattung bzw. Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten Erfolg.
651.
66Sofern die Klägerin ihre Anträge in der Berufung teilweise abgeändert hat – nunmehr unbedingter Zahlungsantrag statt wie bisher Zug um Zug Verurteilung / Zinsen auf die Hauptforderung bereits ab dem 29.05.2020 / Feststellung des Annahmeverzuges nur noch ab dem 28.05.2020 / Zinsen auf die vorprozessualen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 10.00,00 Euro nur noch ab Rechtshängigkeit / Freistellung von vorprozessualen Rechtsanwaltskosten nur noch in Höhe von 127.589,50 Euro – unterfällt dies insgesamt §§ 525 Satz 1, 264 Nr. 2 ZPO und ist damit zulässig.
672.
68Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Kaufpreiszahlung in Höhe von 85.644.300,00 Euro (brutto) aus § 433 Abs. 2 BGB i.V. mit dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Open-House-Vertrag zu. Der von der Beklagten unter dem 28.05.2020 erklärte Rücktritt ist nicht wirksam erfolgt, da die Beklagte der Klägerin keine vorherige Frist zur Nacherfüllung gemäß § 323 Abs. 1 BGB gesetzt hat. Die Klägerin muss sich vorliegend auch nicht auf ihre Vorleistungspflicht verweisen lassen, denn diese ist nachträglich aufgrund des unberechtigten Rücktritts der Beklagten und deren Festhalten hieran entfallen. Die Einrede des nicht erfüllten Vertrages gemäß § 320 BGB kann die Beklagte ebenfalls nicht mit Erfolg geltend machen.
69a) Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Sofern die Klägerin ihre Ansprüche gegen die Beklagte ursprünglich mit der Vereinbarung vom 24.04.2020 an die Streithelferin zu 1. abgetreten hat, ist diese Abtretung jedenfalls durch die Aufhebungsvereinbarung vom 19.07.2022 / 29.07.2022 wieder rückgängig gemacht worden. Aus der Aufhebungsvereinbarung geht klar hervor, dass die Parteien die gesamte vergangene Vertragsbeziehung aufheben wollten. Dies kann aber nach Sinn und Zweck der Vereinbarung nur dahingehend ausgelegt werden (vgl. zur Möglichkeit der konkludenten Abtretung und der Geltung der allgemeinen Auslegungsgrundsätze: MüKoBGB/Kieninger, 9. Aufl. 2022, BGB § 398 Rn. 13), dass insoweit auch konkludent die zuvor abgetretenen Ansprüche wieder zurückabgetreten werden sollten. Ob möglicherweise der Aufhebungsvereinbarung wegen einer etwaigen Unwirksamkeit der Kooperationsvereinbarungen die Geschäftsgrundlage entzogen sein kann, kann vorliegend dahin gestellt bleiben, da die Rechte nach § 313 Abs. 1 und 3 BGB jedenfalls bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht ausgeübt worden sind und daher für diese Entscheidung von deren Bestand auszugehen ist. Der Aktivlegitimation der Klägerin steht ferner auch nicht die zwischen der Klägerin und der O. S. S.A. geschlossene Kooperationsvereinbarung vom 17.03.2022 entgegen. Hieraus ergeben sich möglicherweise vertragliche Ansprüche der O. S. S.A. gegen die Klägerin, allerdings berühren diese nicht die Forderungsinhaberschaft der Klägerin.
70b) Der der Klägerin aus § 433 Abs. 2 BGB i.V. mit dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Open-House-Vertrag zustehende Anspruch auf Kaufpreiszahlung ist durch den von der Beklagten erklärte Rücktritt nicht entfallen. Der Rücktritt war mangels Nachfristsetzung unwirksam. Die Frist war entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht ausnahmsweise gemäß § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB (oder § 376 HGB) entbehrlich, da die Parteien ein Fixgeschäft nicht wirksam vereinbart haben. Die insoweit ausschließlich in den von der Beklagten vorformulierten und damit der AGB-Kontrolle unterfallenden Vertragsbedingungen enthaltene Vereinbarung eines „absoluten Fixgeschäftes“ ist unwirksam.
71(1) Die von den Parteien in § 3.2. des Open-House-Vertrages getroffene Vereinbarung sieht ein „absolutes Fixgeschäft“ vor, darüber hinausgehende oder hiervon abweichende individualvertragliche Vereinbarungen sind zwischen den Parteien nicht ersichtlich.
72(a) Mit der unter Ziffer 3.2. in den Sätzen 3 und 4 des Open-House-Vertrages enthaltenen Regelung: „Spätester Liefertermin ist der 30.04.2020 innerhalb der Geschäftszeiten gemäß S. 1. Bei Nichteinhaltung des spätesten Liefertermins entfallen die gegenseitigen Pflichten der Vertragspartner; eine verspätete Lieferung stellt keine Erfüllung des Vertrages durch den AN dar (absolutes Fixgeschäft).“, wurde die Vereinbarung eines „absoluten Fixgeschäftes“ getroffen. Ein gesetzlich nicht definiertes absolutes Fixgeschäft wird angenommen, wenn die Einhaltung der Leistungszeit nach dem Vertragszweck und der gegebenen Interessenlage für den Gläubiger derart wesentlich ist, dass - wie auch in § 3.2. Satz 4 des Open-House-Vertrages zutreffend beschrieben - eine verspätete Leistung keine Erfüllung mehr darstellt (Grüneberg/Grüneberg, BGB, 83. Auflage, § 323 Rn. 19). Die Nichteinhaltung der Leistungszeit begründet demgemäß dauernde Unmöglichkeit. Der Wortlaut der Regelung ist insoweit eindeutig, da nicht nur das Fixgeschäft ausdrücklich als ein „absolutes Fixgeschäft“ benannt, sondern darüber hinaus auch die Rechtsfolgen zutreffend ausgeführt werden. Angesichts dieses klaren Wortlautes ist diese Regelung aber von vornherein aus sich heraus und auch im Kontext mit den anderen in den Vertragsbedingungen des Open-House-Vertrages schriftlich fixierten Regelungen keiner Auslegung dahingehend zugänglich, dass hiervon abweichend ein relatives Fixgeschäft vereinbart werden sollte.
73(b) Dass die Parteien sich außerhalb dieser Formularabrede auf ein Fixgeschäft geeinigt hätten, ist nicht ersichtlich.
74Die Vereinbarung eines absoluten Fixgeschäftes außerhalb der vorformulierten Vertragsbedingungen wird von der Beklagten bereits nicht behauptet.
75Auch kann eine außerhalb der Formularbedingungen getroffene Verständigung der Parteien auf ein relatives Fixgeschäft nicht festgestellt werden.
76Ein relatives Fixgeschäft liegt vor, wenn die Einhaltung der Leistungszeit für die Parteien derart wesentlich ist, dass mit der zeitgerechten Leistung das Geschäft „stehen und fallen“ soll (BGH NJW-RR 89, 1337; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 83. Auflage, § 323 Rn. 19). Sofern die Beklagte in diesem Zusammenhang einwendet (vgl. S. 28 ff. der Berufungsbegründung), dass insoweit zu Unrecht auf die bereits vom Reichsgericht entwickelte Formel („stehen und fallen“) zurückgegriffen werde und dieser strenge Maßstab nach heutiger Rechtslage nicht mehr haltbar sei, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Die ganz herrschende Auffassung – auch der Gesetzgeber – versteht die im Jahr 2014 vorgenommene Änderung des § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB, mit der dessen Wortlaut an die Verbraucherrechterichtlinie angepasst wurde, als bloße terminologische Anpassung ohne inhaltliche Änderung gegenüber dem vorherigen Rechtszustand (vgl. BT-Drs. 17/12637, S 59 sowie Beckmann in: Herberger/Martinek /Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., Stand: 01.02.2023, § 323 Rn. 56 m.w.N.; ebenso verweist Grüneberg, in: Grüneberg, a.a.O., § 323 Rn. 20 auf diese Rechtsprechung). Einer Aussetzung des Rechtsstreits und Vorlage der Sache an den Europäischen Gerichtshof – wie von der Beklagten mit Schriftsatz vom 28.06.2024 beantragt – bedarf es vor diesem Hintergrund nicht.
77Gegen eine Verständigung der Parteien auf ein in diesem Sinne zu verstehendes relatives Fixgeschäft spricht zunächst wiederum der entgegenstehende eindeutige Wortlaut des § 3.2. Satz 4 des Open-House-Vertrages, der auch der Annahme einer sog. falsa demonstratio non nocet entgegensteht. Diese von dem Landgericht noch in der angegriffenen Entscheidung vertretene Rechtauffassung hält die Kammer in ihrer neueren Entscheidung vom 20.12.2023 – 1 O 156/21 – selbst nicht mehr aufrecht (LG Bonn Anerkenntnis- und Schlussurteil v. 20.12.2023 – 1 O 156/21, BeckRS 2023, 45845 Rn. 51, 54).
78Die Annahme einer solchen von dem Vertragstext unabhängig getroffenen Vereinbarung lässt sich auch nicht unter Heranziehung der im Übrigen zu berücksichtigenden Umstände in sonstiger Weise begründen. Für einen dahingehenden übereinstimmenden Parteiwillen sind seitens der Klägerin bereits keine konkreten Anhaltspunkte vorgetragen, auch kann eine solche Verständigung nicht aus den von der Beklagten vorgebrachten Gesamtumständen gefolgert werden.
79Soweit anerkannt ist, dass die Verwendung von Begriffen wie „spätestens“ i.V.m. einer festen Lieferfrist auf ein relatives Fixgeschäft hindeuten kann (siehe nur Grüneberg, a.a.O.), was sich außer an der bereits zitierten Stelle im Vertrag etwa auch in der Auftragsbekanntmachung oder den Teilnehmerbedingungen findet, ist dies keine zwingende Schlussfolgerung, sondern kann es sich vielmehr auch um die bloße Mitteilung eines Liefertermins handeln, dessen Versäumung dann jedenfalls geeignet wäre, Verzug ohne das Erfordernis einer Mahnung herbeizuführen (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Da es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs insoweit nicht auf einseitige Motive des Gläubigers, sondern vielmehr auf den Empfängerhorizont bzw. – nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB – auf eine nach allen Seiten interessengerechte Auslegung ankommt, ist, ist insoweit richtigerweise zu fordern, dass die Wesentlichkeit auch für die Klägerin erkennbar gewesen sein muss. An einer solchen objektiv erkennbaren Wesentlichkeit der Lieferfrist fehlt es aber im Streitfall.
80Die von der Beklagten insoweit hervorgehobenen Gesamtumstände, insbesondere die Notwendigkeit einer zügigen Beschaffung unter den Bedingungen einer sich entwickelnden Pandemielage mit einer erheblichen Gefährdung für die Bevölkerung, können nicht entscheidend ins Feld geführt werden, um zu begründen, dass die Einhaltung des 30.04.2020 für die Beklagte derart wesentlich war, dass das Geschäft mit der Nichteinhaltung dieser Frist bzw. mit der Lieferung mangelhafter Masken zu diesem Zeitpunkt stehen oder fallen sollte. Wie der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln im Beschluss vom 24. Mai 2022 - 15 U 116/21 – (BeckRS 2022, 56111 Rn. 10) zutreffend ausgeführt hat, bestand zwar ein für die Klägerin erkennbares Interesse der Beklagten an einer raschen Vertragsabwicklung. Angesichts der für beide Seiten ebenfalls erkennbar noch fortdauernden und nicht kurzfristig zum Abschluss kommenden Pandemie war aber nicht davon auszugehen, dass eine – unter Umständen auch nur geringfügige – Teil- oder Schlechtlieferung für die Beklagte ein Entfallen ihres Interesses an der Lieferung zur Folge haben würde, wie letztlich auch die im Streitfall auf Veranlassung der Beklagten erfolgte zeitliche Verschiebung von Anlieferungen über den 30.04.2020 hinaus belegt. Dass die Beklagte wortreich belegen will, dass es sich hierbei um logistische zwingende Gründe gehandelt habe, kann nichts daran ändern, dass diese zeitliche Streckung der Anlieferungen – auch wenn sie nach Vertragsschluss erfolgte – indiziell gegen den Charakter als Fixgeschäft spricht.
81Auch die beiden Seiten bekannte zeitlich begrenzte Verkehrsfähigkeit von bestimmten ausgeschriebenen Masken (S. 11 und 34 der Berufungsbegründung), kann nicht für die Wesentlichkeit der Frist angeführt werden. Die maßgebliche Verordnung, die die Verkehrsfähigkeit regelte („Verordnung zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Produkten des medizinischen Bedarfs bei der durch das Coronavirus SARS-CoV-2 verursachten Epidemie“. kurz: MedBVSV) trat erst deutlich nach dem Liefertermin, nämlich am 27.05.2020, in Kraft (§ 10 S. 1 MedBVSV, Verkündung im BGBl. am 26.05.2020). Erst am 31.12.2023 trat die Verordnung dann außer Kraft (§ 10 S. 2 MedBVSV), wobei es für die hier vorzunehmende Auslegung aus „ex ante“-Sicht der Parteien nur auf die Unabsehbarkeit des fortdauernden Bedarfs ankommt. Auch die entsprechende Empfehlung 2020/403 der Europäischen Kommission vom 13.03.2020, mit der die Zulassung von persönlicher Schutzausrüstung ohne CE-Kennzeichnung angeregt wurde, wurde auf den durchaus ungewissen Zeitraum „für die Dauer der derzeitigen Gesundheitsbedrohung“ erstreckt. Bei dieser Sachlage konnte und musste die Klägerin nicht annehmen, dass es der Beklagten derart auf die Einhaltung der Frist ankam, dass noch nicht einmal eine kurze Nachfrist von beispielsweise zwei Wochen (innerhalb derer jedenfalls nicht mit einem Außerkrafttreten der entsprechenden Regelungen bzw. dem Ende der Pandemie zu rechnen war) zumutbar erschien.
82Auch spricht es nicht für die Auslegung als relatives Fixgeschäft, dass die Beklagte ein für die Klägerin erkennbares Interesse daran gehabt haben könnte, eine Deckelung des aufgrund des Open House-Verfahrens zu erwartenden Einkaufsvolumens durch die Vorgabe eines Liefertermins vorzunehmen, nach dessen Verstreichen sie sich von geschlossenen Verträgen ohne Fristsetzung lösen konnte. Denn diesem Anliegen hatte die Beklagte bereits durch die kurze Frist zur Angebotsabgabe (zwischen dem 27.03.2020 und dem 08.04.2020) bzw. die Verkürzung der ursprünglich bis 30.04.2020 laufenden Frist zur Abgabe von Angeboten auf den 08.04.2020 Rechnung getragen, sodass es aus Sicht der jeweiligen Bieter bzw. Teilnehmer an dem Verfahren nicht zwingend oder auch nur naheliegend erscheinen musste, dass der als „spätestens“ bezeichnete Liefertermin eine (weitere) Begrenzung der zu erwartenden Angebote in Form einer unmittelbaren Vertragslösungsmöglichkeit für die Beklagte darstellte. Es bedarf daher keiner Vertiefung der Frage, ob eine solche mittelbare Deckelung für bereits abgeschlossene Verträge im Rahmen eines Open House-Verfahrens überhaupt zulässig wäre.
83Unerheblich ist es auch, dass nach dem Vortrag der Beklagten bereits bei Vertragsschluss absehbar war, dass die Preise für Atemschutzmasken wieder deutlich sinken würden. Denn auch aus zeitnah zu erwartenden Preissenkungen folgt kein Interesse der Beklagten daran, der Klägerin nicht wenigstens eine kurze Nacherfüllungsfrist setzen zu müssen (vgl. OLG Köln Beschl. v. 24. Mai .2022 – 15 U 116/21, BeckRS 2022, 56111 Rn. 12).
84Auch wenn es demgemäß hierauf nicht mehr entscheidend ankommt, spricht gegen die Annahme der Vereinbarung eines relativen Fixgeschäftes aufgrund der im Übrigen gegebenen Umstände indiziell auch das eigene Verhalten der Beklagten gegenüber anderen Vertragspartnern. Wenn auch die Umstände im Einzelnen hinsichtlich der anderen Vertragsverhältnisse zwischen den Parteien umstritten sind, ist jedenfalls im Grundsatz feststellbar, dass – aus welchen konkreten Gründen auch immer – jedenfalls nach dem 30.04.2020 noch umfangreich Maskenlieferungen von der Beklagten angenommen worden sind.
85(2) Die damit alleine in der Formularvereinbarung gemäß § 3.2 getroffene Vereinbarung eines absoluten Fixgeschäftes ist gemäß §§ 305c ff. BGB unwirksam. Insofern hat der BGH bereits entschieden, dass eine Formularbestimmung, die der Vereinbarung den Charakter des Fixhandelskaufs beimisst, ebenso überraschend im Sinne von § 3 AGB-Gesetz (jetzt § 305c BGB) wie unangemessen im Sinne von § 9 AGB-Gesetz (jetzt § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB) ist, wenn nicht die Voraussetzungen eines Fixgeschäftes auf der Grundlage der individualvertraglichen Abrede vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 17.01.1990 – VIII ZR 292/88), da sie mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar ist (vgl. auch bereits BGH NJW 1990, 2065 und OLG Köln Beschl. v. 24.5.2022 – 15 U 116/21, BeckRS 2022, 56111 Rn. 14). Diese Auffassung wird auch nach der Schuldrechtsreform jedenfalls im Grundsatz nahezu einhellig in der Rechtsprechung (vgl. OLG Köln Beschluss vom 24.5.2022 – 15 U 116/21, BeckRS 2022, 56111 Rn. 15; OLG Hamburg, Urteil vom 23. Januar 2013 – 13 U 198/10, juris Rn. 70 f.; LG Bamberg, Urteil vom 11. Februar 2020 – 13 O 117/19, GRUR-RS 2020, 3372 Rn. 70; LG Bonn, Urteil vom 19. Januar 2022 – 20 O 191/20, juris Rn. 80; nur bezüglich der unangemessenen Benachteiligung a.A. OLG Bamberg, Urteil vom 5. März 2021 – 3 U 68/20, WRP 2021, 653 Rn. 67, 75) und im Schrifttum (vgl. MüKo-BGB/Fornasier, 9. Aufl., § 305c Rn. 15; MüKo-BGB/Wurmnest, 9. Aufl., § 309 Nr. 4 Rn. 15; BeckOGK/Weiler, § 309 Nr. 4 BGB Rn. 72 [Stand: 1. April 2022]; MüKo-HGB/Grunewald, 5. Aufl., § 376 Rn. 14; EBJS/Achilles, HGB, 4. Aufl., § 376 Rn. 14; Oetker/Koch, HGB, 7. Aufl., § 376 Rn. 20; nur bezüglich der unangemessenen Benachteiligung a.A. BeckOK-HGB/Schwartze, § 376 Rn. 5 [Stand: 15. April 2022]) vertreten.
86Da hier – wie oben ausgeführt – die Voraussetzungen für ein Fixgeschäft auf der Grundlage der individualvertraglichen Abrede nicht vorliegen, ist die völlige Freistellung der Beklagten als Klauselverwenderin von dem Erfordernis der Fristsetzung jedenfalls wegen einer für die Lieferanten gegebenen unangemessenen Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht wirksam. Auf die Platzierung der Fixklausel im Vertragstext und ihre Erkennbarkeit kommt es insofern nicht entscheidend an. Dem berechtigten Interesse der Beklagten, kurzfristig einwandfreie, sofort verwendbare Schutzmasken zu beschaffen, konnte auch ohne eine solche Klausel und mit kurzer Nachfristsetzung Rechnung getragen werden (vgl. zur Unwirksamkeit auch der formularmäßigen Vereinbarung relativer Fixgeschäfte MüKoBGB/Wurmnest, 9. Aufl. 2022, BGB § 309 Nr. 4 Rn. 15, explizit zu Verträgen mit Unternehmern). Demgegenüber kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass sie ihrerseits ein Interesse an der zügigen Vertragsabwicklung gehabt habe und auch aus logistischen Gründen nicht in der Lage gewesen sein will, Nachlieferungen abzuwickeln. Die sich für sie aus dem von ihr selbst initiierten Open-House-Verfahren letztlich ergebenen logistischen Schwierigkeiten konnten den Lieferanten bei Vertragsabschluss nicht bekannt sein bzw. waren für sie nicht vorherzusehen und liegen ausschließlich in der Verantwortungssphäre der Beklagten.
87Sofern der BGH in der Entscheidung vom 17.10.1990 offengelassen hat, ob die vorgenommene Wertung nach den §§ 3, 9 AGB-Gesetz (heute § 305 c, 307 BGB) eine andere ist, wenn dort, wo Fixgeschäfte branchenüblicherweise vorkommen, der formularmäßige Zusatz „fix“ in unmittelbarem textlichen Zusammenhang mit der Regelung der Leistungsfrist verwendet wird, kann dies auch für die hiesige Entscheidung dahin gestellt bleiben. Denn dafür, dass der Charakter als Fixgeschäft im „typischen Vertragszweck“ solcher Vereinbarungen, wie sie hier getroffen worden sind, liegt, gibt es keinen Anhaltspunkt, dies wird auch letztlich von der Beklagten nicht behauptet.
88Sofern die Beklagte die Ausführungen in dem Urteil des OLG Bamberg vom 05.03.2021 – 3 U 68/20- dahin gehend verstanden haben will, dass es auf die Branchenüblichkeit nicht ankomme, sondern hiernach Fixklauseln unabhängig von einer „Branchenüblichkeit“ auch dann zulässig sein könnten, wenn gewichtige, für den Belasteten bei den Vertragsverhandlungen erkennbare Gründe für eine solche Vertragsgestaltung sprechen, kann dies vorliegend ebenfalls dahin gestellt bleiben, da derartige Gründe – wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt - hier bereits nicht ersichtlich sind und insbesondere nicht alleine mit Blick auf die Corona-Pandemie begründet werden können. Die bloße Dringlichkeit der Maskenbeschaffung alleine rechtfertigt nicht, dem Verkäufer von Waren sein Nachbesserungsrecht gänzlich zu verwehren, zumal dem Käufer auch ohne Fixabrede genügend Druckmittel zur Verfügung gestanden hätten, um über die gesetzlichen Verzugsvorschriften mit entsprechend kurzen Fristsetzungen auf eine schnelle Lieferung hinzuwirken (so zutreffend LG Bonn, Urteil vom 19.01.2022, 20 O 191/22, Rn. 43, zitiert nach beck-online). Im Übrigen ist die Sachverhaltskonstellation, über welche das Oberlandesgericht Bamberg zu entscheiden hatte, bereits deshalb nicht mit der vorliegenden vergleichbar, da dort – anders als hier – in den AGB eine pauschale Nachfrist eingeräumt wurde.
89Nichts anders folgt demnach daraus, dass teilweise im Schrifttum angenommen wird, dass Klauseln, die ein Fixgeschäft begründen, jedenfalls dann wirksam sind, wenn ein Fixgeschäft zumindest im Vertragszweck begründet liegt (so MüKo-BGB/Wurmnest, 9. Aufl., § 309 Nr. 4 Rn. 15), wenn die Leistungspflicht einen hinreichenden Fixcharakter aufweist (so EBJS/Achilles, HGB, 4. Aufl., § 376 Rn. 14), wenn der Fixcharakter für einen Vertrag typisch ist (so BeckOGK/Weiler, § 309 Nr. 4 BGB Rn. 72 [Stand: 1. April 2022]), wenn der Vertrag bereits aus anderen Gründen einem Fixgeschäft ähnlich ist (so BeckOK-HGB/Schwartze, § 376 Rn. 5 [Stand: 15. April 2022]) oder wenn gewichtige, für den Belasteten bei den Vertragsverhandlungen erkennbare Gründe für eine solche Vertragsgestaltung sprechen (so MüKo-HGB/Grunewald, 5. Aufl., § 376 Rn. 14), da diese Voraussetzungen im Streitfall – wie ausgeführt - nicht erfüllt sind.
90Die unangemessene Benachteiligung wird auch durch den angeblich vergleichsweise hohen Kaufpreis nicht aufgewogen. Soweit die Beklagte sich ferner darauf beruft, § 5 des Kaufvertrags ordne eine schnelle Bezahlung der Verkäufer an, übersieht sie, dass § 5.1 eine Vorleistungspflicht für den Verkäufer vorsieht und der Kaufpreis abweichend vom gesetzlichen Leitbild nicht einmal Zug um Zug gegen Erhalt der Ware gezahlt werden muss (vgl. LG Bonn, Urteil vom 19. Januar 2022 - 20 O 191/20, juris Rn. 81; OLG Köln Beschl. v. 24. Mai 2022 – 15 U 116/21, BeckRS 2022, 56111 Rn. 18).
91Auch eine von der Beklagten bemühte ergänzende Vertragsauslegung, § 306 Abs. 2 BGB, die zu dem Ergebnis führen soll, dass die Parteien bei Kenntnis des Wegfalls der unwirksamen Klausel eine Regelung im Vertrag getroffen hätten, die die Einhaltung der Frist zum 30. April 2020 als wesentlich eingestuft, ihre Nicht-Einhaltung aber zu keiner Unmöglichkeit geführt hätte und sich die Parteien mithin auf die Vereinbarung eines relativen Fixgeschäftes geeinigt hätten überzeugt nicht, sondern führt letztlich zu einer unzulässigen geltungserhaltenden Reduktion der unwirksamen Regelung. Die Beklagte wird insbesondere auch nicht unbillig darauf zurückgeworfen, dass weder ein konkreter Liefertermin noch eine Wesentlichkeit dieses Termins vereinbart war. Denn ein fester Liefertermin blieb bestehen, die Beklagte muss nur mit den Folgen der Verwendung einer evident unzulässigen AGB-Klausel leben, die dazu führt, dass sie nicht ohne Fristsetzung infolge behaupteter Mängel zurücktreten konnte. Es liegt auch gerade nicht der Fall vor, dass nur § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB die entstandene Lücke füllen könnte; hierbei handelt es sich vielmehr um einen vom Ergebnis her gedachten erkennbaren Zirkelschluss.
92(3) Auf die von den Parteien im Weiteren umfangreich thematisierten Fragen, ob eine ursprünglich getroffene Fixabrede jedenfalls durch die nachträglichen Terminverschiebungen wieder aufgehoben worden sei, ob § 376 HGB vorliegend eingreift, ob die Beklagte im Hinblick auf Treu und Glauben oder wegen Art. 3 GG daran gehindert ist, sich auf eine Fixabrede in dem Vertrag zu berufen, kommt es – da eine Fixabrede bereits nicht als vereinbart angesehen werden kann – folglich nicht mehr an.
93c) Die Klägerin kann ihren Kaufpreisanspruch nunmehr auch unbedingt geltend machen, d.h. die Zahlung nicht erst nach Erfüllung der ihr nach dem Vertrag obliegenden Lieferverpflichtung oder aber Zug um Zug gegen die Erfüllung ihrer vertraglichen Lieferpflichten.
94Die ursprünglich zwischen den Parteien in § 5.1 des Open-House-Vertrages vereinbarte Vorleistungspflicht der Klägerin ist nachträglich entfallen. Schranken der Vorleistungspflicht ergeben sich aus § 321 BGB, vor allem aber aus § 242 BGB. Die Vorleistungspflicht entfällt, wenn der andere Teil ernsthaft erklärt hat, er könne oder wolle nicht mehr erfüllen (vgl. hierzu Grüneberg/Grüneberg, BGB, 83. Auflage, § 320 Rn. 18; Beckmann in: Herberger/Martinek/Rüßmann /Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 320 BGB (Stand: 01.02.2023), Rn. 26). So etwa, wenn – wie im vorliegenden Fall – die vorleistungsberechtigte Vertragspartei durch Berufung auf einen von ihr zu Unrecht erklärten Rücktritt eindeutig und unmissverständlich zum Ausdruck bringt, sie wolle die ihr obliegende Leistung nicht mehr erbringen (BGHZ 50, 175 (177) = NJW 1968, 1873; BGH, WM 1978, 731). Zwar weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass der Entfall der Vorleistungspflicht nicht endgültig sein muss, sondern diese wiederaufleben kann, wenn der Vorleistungsberechtigte seine eigenen vertraglichen Verpflichtungen nach früherem Leugnen vorbehaltlos wieder anerkennt (vgl. BGH, Urteil vom 08.07.1983, V ZR 53/22; Urteil vom 16.05.1968, VIII ZR 40/66). Dies ist hier durch die Beklagte – anders als in dem von dem BGH entschiedenen Fall – gerade nicht geschehen. Die Beklagte hält vielmehr weiter an der Wirksamkeit des von ihr erklärten Rücktritts fest und erkennt demgemäß ihre vertraglichen Verpflichtungen gerade nicht vorbehaltlos an.
95Ferner kann sich die Beklagte auch nicht auf die Einrede des nicht erfüllten Vertrages gemäß § 320 BGB berufen, so dass der Anspruch der Klägerin auch nicht lediglich Zug um Zug gegen die ihr obliegenden Lieferpflichten zu erfüllen ist. Auch die Einrede des nicht erfüllten Vertrages setzt voraus, dass der die Einrede erhebende Schuldner seinen Pflichten nachkommt und sich „vertragstreu“ verhält. Demgemäß kann die Einrede gemäß § 320 BGB nicht erheben, wer sich vertragswidrig endgültig von dem Vertrag lossagt und die Annahme der Gegenleistung schlechthin ablehnt (BGH 16.5.1968 - VIII ZR 40/66, BGHZ 50, 175, 177; BGH 17.7.2013 - VIII ZR 163/12, NJW-RR 2013, 1458; siehe auch Seidel JZ 1994, 383, 387 f.; so auch Staudinger/Schwarze (2020) BGB § 320, Rn. 38). Dazu zählt auch die (unberechtigte) Geltendmachung von Rechten, die – wie hier der von der Beklagten erklärte Rücktritt - auf die Beendigung des Vertrages zielen (BGH, Urteil vom 4. Juli 2002 – I ZR 313/99 –, Rn. 27, juris). Die Einrede des § 320 BGB hat allein die Funktion, die geschuldete (Gegen-)Leistung zu erzwingen. Sie hat - wie es in BGH NJW 1982, 874, 875 heißt - "nur verzögerlichen Charakter und dient dazu, den anderen Teil zur Erfüllung des mit der Einrede geltend gemachten Anspruchs anzuhalten". Dagegen kann sich derjenige, der deutlich gemacht hat, dass er an dem Vertrag nicht festzuhalten gedenke, die Einrede nicht zunutze machen (BGH, Urteil vom 4. Juli 2002 – I ZR 313/99 –, Rn. 27, juris). Demgemäß ist auch der Beklagten die Einrede des nichterfüllten Vertrages vorliegend mit der Folge verwehrt, dass sie zur unbedingten Zahlung zu verurteilen ist.
963. Der Klägerin steht ferner ein Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen auf die Kaufpreisforderung zu, dies aber nicht bereits ab dem 29.05.2020, sondern erst ab dem 05.06.2020, da sich die Beklagte zu einem früheren Zeitpunkt nicht in Verzug befunden hat.
97Gemäß § 286 Abs. 1 BGB gerät der Schuldner in Verzug, wenn er auf eine nach Fälligkeit erfolgte Mahnung des Gläubigers nicht leistet. Gemäß § 286 Abs. 2 BGB bedarf es u.a. einer Mahnung dann nicht, wenn 1. für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist oder 2. der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert. Vorliegend waren die einen Verzug begründenden Voraussetzungen vor dem Ablauf des 04.06.2020 nicht erfüllt. Voraussetzung für den Verzug ist zunächst, dass die Fälligkeit der Forderung eingetreten ist. Die Fälligkeit der Kaufpreisforderung ist zwar durch den Wegfall der Vorleistungspflicht in Folge des unberechtigten Rücktritts eingetreten (vgl. hierzu Grüneberg/Grüneberg, BGB, 83. Auflage, § 320 Rn. 18; BGH, Urteil vom 16. Mai 1968 – VII ZR 40/66 –, BGHZ 50, 175-179), dies allerdings nicht bereits am 28.05.2020, sondern erst mit Ablauf des 04.06.2020. Denn die Parteien haben in § 5.1 des Open-House-Vertrages gestaffelte Vorleistungspflichten vereinbart (vgl. insoweit auch LG Bonn Urt. v. 12.7.2023 – 20 O 49/22, BeckRS 2023, 42826 Rn. 64, beck-online). Zunächst war die Klägerin als Auftragnehmerin vorleistungspflichtig und musste liefern, bevor die Beklagte zu zahlen hatte. Sodann war die Beklagte wiederum verpflichtet, den Kaufpreis binnen einer Woche unter dem Vorbehalt der späteren Rückforderung wegen Nichtleistung oder mangelhafter Leistungen zu begleichen. Diese Regelung kann bei verständiger Würdigung nur dahingehend ausgelegt werden, dass weder Lieferung und Zahlung einerseits, noch Zahlung und Mangelbeseitigung bzw. Nacherfüllung andererseits nach dem gesetzlichen Leitbild Zug-um-Zug erfolgen sollten, sondern vielmehr gestaffelte Vorleistungspflichten gelten sollten. Demgemäß ist mit der durch den unberechtigten Rücktritt einhergehenden Erfüllungsverweigerung zwar die Vorleistungspflicht der Klägerin entfallen, entsprechend der vertraglichen Regelung die Kaufpreisforderung dann aber noch nicht unmittelbar, sondern erst nach einer Woche fällig geworden.
98Nach § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB bedarf es für den Eintritt des Verzugs zwar keiner Mahnung, wenn der Schuldner – wie hier die Beklagte durch den unwirksamen Rücktritt - die Erfüllung ernsthaft und endgültig verweigert. Voraussetzung des Verzugs ist aber auch in dieser Konstellation, dass die Leistung fällig ist. Eine grundlose endgültige Weigerung des Schuldners, eine noch nicht fällige Verpflichtung aus einem Vertragsverhältnis zu erfüllen, ist zwar eine Vertragsverletzung, die in einem gegenseitigen Vertragsverhältnis den Gläubiger berechtigen kann, schon vor Fälligkeit der Leistung des Schuldners vom Vertrag zurückzutreten oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen. Auch dies führt jedoch nicht dazu, dass die Leistung des Schuldners unabhängig von der hierfür vereinbarten Zeit oder unabhängig von den hierfür vereinbarten Umständen fällig wird und der Gläubiger von dem Schuldner neben der Leistung den Ersatz eines Verzugsschadens oder eine für den Fall des Verzugs vereinbarte Vertragsstrafe verlangen könnte (BGH, Urteil vom 13.11.2018, WM 2019, 1462-1467; Urteil vom 28. September 2007 = WM 2007, 2305 = NJW-RR 2008, 210 Rdn. 11; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 83. Auflage, § 286 Rn. 24). Demgemäß ist Verzug erst mit Ablauf der Woche nach Wegfall der Vorleistungspflicht und damit mit Ablauf des 04.06.2020 eingetreten, dies dann sowohl nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 BGB.
994.
100Der Antrag auf Feststellung des Annahmeverzuges ist ab dem 28.05.2020 begründet.
101Zwar kommt der Gläubiger grundsätzlich nur in Annahmeverzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt, § 293 BGB. Hierfür ist in der Regel ein tatsächliches Angebot gemäß § 294 BGB erforderlich, allerdings kann ein wörtliches Angebot gemäß § 295 BGB genügen, wenn der Gläubiger dem Schuldner erklärt hat, dass er die Leistung nicht annehmen werde, oder wenn zur Bewirkung der Leistung eine Handlung des Gläubigers erforderlich ist. Demgemäß hätte es hier grundsätzlich zunächst eines wörtlichen Angebotes bedurft, welches der geschuldeten Leistung entsprechen muss (vgl. Grüneberg/Grüneberg, BGB, 83. Auflage, § 255 Rn. 2 i.V.m. § 294 Rn. 3), weshalb das Schreiben der Klägerin insoweit nicht ausreichend war, da hiermit eine nicht geschuldete Abholung gefordert wurde. Ein ausreichendes wörtliches Angebot ist demgemäß frühestens in dem Schreiben der Rechtsanwälte W. vom 17.06.2020 zu sehen, mit welchem eine Frist zur Entgegennahme der Ware bis zum 01.07.2020 gesetzt worden war (Anlage DLA 22).
102Allerdings ist nach der Rechtsprechung des BGH auch ein wörtliches Angebot nicht mehr erforderlich, wenn offenkundig ist, dass der Gläubiger auf seine Weigerung beharrt und damit das Angebot lediglich eine leere Form wäre (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 21.2.2017 – XI ZR 467/15, NJW 2017, 1823 sowie auch BAG, Urteil vom 16.04.2013 – 9 AZR 554/11, NJW 2013, 2460; vgl. insoweit auch Grüneberg/Grüneberg, BGB, 83. Auflage, § 295 Rn. 4). Hiervon ist vorliegend auszugehen. Bereits durch die Rücktrittserklärung war offenkundig, dass die Beklagte auf ihrer Weigerung beharren würde und ein Angebot lediglich reine Förmelei gewesen wäre. Die beauftragte Spedition hatte der Klägerin bereits mit Mail vom 12.05.2020 mitgeteilt, dass eine Neuvergabe von Lieferterminen mit dem X. abgeklärt werden müsse (Anlage LG - PwC 11). Demgemäß war nach der Rücktrittserklärung davon auszugehen, dass diese Klärung stattgefunden hat und die Beklagte sich endgültig für diese Vorgehensweise entschieden hatte. Denn den Beteiligten war auch bewusst, dass die Beklagte hier mit einer Vielzahl von Vertragsverhältnissen konfrontiert war und daher für die einzelnen Vertragsverhältnisse mit einer solchen Erklärung eine Leitlinie für das weitere Vorgehen schaffen wollte. Diese generelle Vorgehensweise innerhalb der einzelnen Vertragsverhältnisse gleichwohl im Einzelfall „nachzuverhandeln“ hätte die Beklagte - für alle Beteiligten ersichtlich - organisatorisch überfordert und war von ihr insoweit ersichtlich nicht gewollt.
1035.
104Die Anträge auf Erstattung der vorprozessualen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 10.000,00 Euro nebst Zinsen und auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 127.589, 50 Euro für die Tätigkeit der Rechtsanwälte W. haben keinen Erfolg, da ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung dieser Kosten gemäß den obigen Ausführungen zum Eintritt des Schuldnerverzuges unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt besteht. Denn Schuldnerverzug ist erst mit Ablauf des 04.06.2020 eingetreten, die Beauftragung der Rechtsanwälte W. ist indes bereits am 01.06.2020 (vgl. Anlage LG- DLA 22) erfolgt, so dass insoweit kein durch den Verzug kausal verursachter Schaden eingetreten ist.
1056.
106Die Schriftsätze der Parteien nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat der Senat zur Kenntnis genommen. Sie rechtfertigen jedoch weder eine von den obenstehenden Ausführungen abweichende Beurteilung der Sach- und Rechtslage noch die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
107III.
108Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1, 101 Abs. 1 ZPO.
109Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 2 ZPO.
110Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Weder hat die Sache grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Der Rechtsstreit betrifft lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsgrundsätze im konkreten Einzelfall; entscheidungserhebliche und klärungsbedürftige abstrakt-generelle Rechtsfragen stellen sich im Verfahren nicht. Insbesondere bedarf es – entgegen den Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 28.06.2024 – nicht der Zulassung der Revision im Hinblick auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg vom 05.03.2021 zum Aktenzeichen 3 U 68/20 (BeckRS 2021, 3523, Rn. 80). Im dortigen Fall wurde in den AGB eine pauschale Nachfrist gesetzt, so dass bereits keine Vergleichbarkeit zum hier zu entscheidenden Sachverhalt vorliegt (vgl. OLG Bamberg, Urteil vom 05.03.2021, 3 U 68/20, Rn. 80, BeckRS 2021, 3523). Auch steht die Entscheidung des Senats nicht in Divergenz, sondern vielmehr im Einklang mit anderer obergerichtlicher Rechtsprechung, nachdem namentlich der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln seine vorher anderslautende Rechtsprechung betreffend die Vereinbarung eines relativen Fixgeschäfts zwischenzeitlich aufgegeben hat, wie aus dem Beschluss vom 24.05.2022 (15 U 116/21, Rn. 1 – juris) hervorgeht. Auch der 21. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln hat in seinem Beschluss vom 27.04.2022 (21 U 52/21) die Vereinbarung eines relativen Fixgeschäfts unter gleichen Umständen wie den vorliegenden verneint (Rn. 18 – juris).
111Der Streitwert für das Berufungsverfahren und den Zwischenstreit sowie der Gegenstandswert für die Streithilfe der Streithelferin zu 1. und zu 2. werden auf bis zu 86.000.000,00 € festgesetzt.