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Zur Zulässigkeit der Auslieferung an die Ukraine. Gewährleistung eines fairen Strafverfahrens im Fall der Ferngerichtsverhandlung.
Die Auslieferung des ukrainischen Staatsangehörigen R. S. an die Ukraine zum Zwecke der Strafverfolgung wegen der dem Haftbefehl des Untersuchungsrichters des Q.-Bezirksgerichts in L. vom 04.08.2023 (Fall Nr. 554/32-88/23) zugrunde liegenden Tat vom 25.12.2022 wird für zulässig erklärt.
Gründe:
2I.
3Die Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine ersucht um Auslieferung des Verfolgten zur Strafverfolgung. Dem liegt der nationale Haftbefehl des Untersuchungsrichters des Gerichts in L. vom 04.08.2023 (Fall Nr. 554/32-88/23, Bl. 393 ff. d.A.) zugrunde. Dem Verfolgten wird darin vorgeworfen, sich am Vormittag des 25.12.2022 in L. in gemeinsamer Absprache mit R.S. G. in die Wohnung des V.V. F., Z.-straße XX, begeben zu haben, wo sie diesen unter Vorhalt eines Messers bedroht und zur Herausgabe aller vorhandenen Gelder aufgefordert hätten. In diesem Zusammenhang soll G. den Geschädigten mit einem Messer zweimal in den Gesäßbereich gestochen und diesem mehrfach ins Gesicht geschlagen haben. Unter Fortsetzung der Gewalthandlungen hätten der Verfolgte und G. sodann den Geschädigten zur Überweisung von 44.000 US-$ auf ein vorgegebenes Konto gezwungen. Hierzu habe der Geschädigte den QR-Code eines Kontos vom bereitgestellten Mobiltelefon des Verfolgten scannen müssen. Darüber hinaus habe G. Bargeld in Höhe von 5.500 US-$ und 40.000 UAH gefunden, welches er für sich und den Verfolgten an sich genommen habe.
4Dem Auslieferungsersuchen ist eine internationale polizeiliche Ausschreibung des Verfolgten in Form der Red Notice vom 17.05.2024 - Interpol-File-Nr. 2024/31261 – (Bl. 3 f. d.A.) vorausgegangen. Auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft hat der Senat in diesem Zusammenhang gegen den Verfolgten mit Beschluss vom 10.06.2024 zunächst einen vorläufigen Auslieferungshaftbefehl erlassen. Hierin hat er ausgeführt, dass trotz der grundsätzlichen Bewilligungsfähigkeit ukrainischer Auslieferungsersuchen im Hinblick auf die derzeitige politische Lage in der Ukraine und das dortige Kriegsgeschehen ergänzende Auskünfte und Zusicherungen der ukrainischen Behörden geboten seien. Hierauf sind durch das Bundesamt für Justiz mit Schreiben vom 25.06.2024 Nachfragen veranlasst worden, die zum Teil auch über die seitens des Senats erbetenen Informationen hinausgegangen sind.
5Bereits am 24.06.2024 ist der Verfolgte festgenommen und am selben Tage vor dem Amtsgericht Brühl zu dem vorläufigen Auslieferungshaftbefehl richterlich angehört worden. Dort hat er sich nach Bestellung von Herrn Rechtsanwalt C. A. mit einer vereinfachten Auslieferung nicht einverstanden erklärt und auf die Einhaltung des Spezialitätsgrundsatzes nicht verzichtet. Zu seinen persönlichen Verhältnissen hat er ausgeführt, er sei verheiratet, Vater eines einjährigen Kindes und lebe mit seiner Ehefrau in einer gemeinsamen Wohnung in I.. Von Beruf sei er Student (Personalmanagement); in der Bundesrepublik Deutschland habe er online weiter studiert. Sein monatliches Einkommen betrage derzeit 500 €, welches er vom Jobcenter erhalte. Er erhebe Einwendungen gegen die Auslieferung.
6Mit Schreiben vom 10.07.2024 (Nr. 19/1/2-26643-24) hat die Generalstaatsanwalt der Ukraine sodann unter Beifügung weiterer Auslieferungsunterlagen förmlich um Auslieferung des Verfolgten ersucht. Hierauf und mit Blick auf die zu diesem Zeitpunkt noch ausstehenden ergänzenden Auskünfte und Zusicherungen der ukrainischen Behörden hat der Senat am 18.07.2024 beschlossen, dass die vorläufige Auslieferungshaft als Auslieferungshaft fortdauert.
7Unter dem 01.08.2024 hat der Rechtsbeistand beantragt, den Auslieferungshaftbefehl aufzuheben, hilfsweise diesen „gemäß § 116 StPO“ außer Vollzug zu setzen, und Einwendungen gegen die Auslieferung vorgebracht. Zur Begründung hat er ausgeführt, der Haftgrund der Fluchtgefahr bestünde nicht. Im Hinblick auf die im Falle einer Verurteilung zu erwartende Strafe sei zu berücksichtigen, dass der Verfolgte im Tatzeitpunkt erst 19 Jahre alt gewesen sei. Damit stellten sich jugendstrafrechtliche Fragen. Auch sei aus den bisherigen Unterlagen ein konkreter Tatbeitrag des Verfolgten nicht erkennbar. Aufgrund des Zusammenlebens mit seiner Frau und seinem bereits in der Bundesrepublik Deutschland geborenen Sohn sei zudem unwahrscheinlich, dass sich der Verfolgte dem Auslieferungsverfahren durch Flucht entziehen würde, zumal die Voraussetzungen zum Überleben der Familie im europäischen Ausland wesentlich schlechter seien als in der Bundesrepublik Deutschland. Hinzu komme, dass der Verfolgte im Falle einer Auslieferung damit rechnen müsse, zum Kriegsdienst herangezogen zu werden. Dieser habe indes in der Ukraine den Kriegsdienst verweigert. Zudem hat der Rechtsbeistand auf einen insoweit zwischenzeitlich gestellten Asylantrag des Verfolgten verwiesen. In diesem Verfahren hat er mit Schriftsatz vom 01.08.2024 gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ausgeführt, der Verweigerung des Kriegsdienstes lägen religiöse Gründe zugrunde. Der Verfolgte sei tief religiös und eng in seiner Heimatstadt in der russisch-orthodoxen Kirche verwurzelt.
8Die Anträge vom 01.08.2024 hat der Senat mit Beschluss vom 23.08.2024 abgelehnt. Hiergegen hat der Rechtsbeistand des Verfolgten mit Schriftsatz vom 03.09.2024 „weitere Beschwerde“ erhoben. Mit Beschluss vom 18.09.2024 hat der Senat den Rechtsbehelf als erneuten Antrag auf Entscheidung über die Aufhebung oder Außervollzugsetzung des Auslieferungshaftbefehls ausgelegt und diesen zurückgewiesen. Zwischenzeitlich sind die gegenüber den ukrainischen Behörden erbetenen ergänzenden Angaben und Erklärungen eingegangen. Hierauf hat die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Auslieferung des Verfolgten für zulässig zu erklären.
9II.
10Die Auslieferung des Verfolgten an die Ukraine zum Zwecke der Strafverfolgung wegen der dem Haftbefehl des Untersuchungsrichters des Gerichts in L. vom 04.08.2023 (Fall Nr. 554/32-88/23) zugrunde liegenden Tat vom 25.12.2022 ist zulässig; Auslieferungshindernisse bestehen nicht.
111. Der Auslieferungsverkehr zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Ukraine findet gemäß § 1 Abs. 1, 3 IRG nach dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen vom 13.12.1957 (im Folgenden: EuAlÜbk), dessen Zweiten Zusatzprotokolls vom 17.03.1978 sowie des Dritten Zusatzprotokolls vom 10.11.2010 und ergänzend nach den Regelungen des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen statt.
123. Die Auslieferungsvoraussetzungen sind gegeben.
13a) Der Generalstaatsanwalt der Ukraine (zu dessen Zuständigkeit vgl. auch Richtlinien für den Verkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten, Anlage II - Länderteil „Ukraine“) hat mit Schreiben vom 10.07.2024 (Bl. 198 ff. d.A.) förmlich um die Auslieferung des Verfolgten zum Zwecke der Strafverfolgung ersucht. Die nach Art. 12 Abs. 2 EuAlÜbk erforderlichen Unterlagen sind - neben weiteren Dokumenten - dem Ersuchen beigefügt worden.
14b) Der Verfolgte unterliegt gemäß § 2 Abs. 1 IRG der Auslieferung. Er ist nicht Deutscher im Sinne der Art. 16 Abs. 2, 116 Abs. 1 GG, sondern ukrainischer Staatsangehöriger. Auf Grundlage der hierzu übermittelten Unterlagen, insbesondere den Personalien des Verfolgten und seiner Beschreibung besteht auch kein Anhalt, dass er nicht mit der von den ukrainischen Behörden gesuchten Person identisch sein könnte. Vielmehr führte er bei seiner Verhaftung auch den in den Auslieferungsunterlagen genannten ukrainischen Reisepass mit der Nummer FZ777419 bei sich (vgl. Personalakte des Staatlichen Migrationsdienstes der Ukraine, Bl. 386 d.A., sowie Bericht über die Festnahme des Verfolgten vom 24.06.2024, Bl. 101 d.A.)
15c) Gemäß Art. 2 Abs. 1 EuAlÜbk wird wegen Handlungen ausgeliefert, die sowohl nach dem Recht des ersuchenden als auch nach demjenigen des ersuchten Staates mit - soweit hier von Bedeutung - einer Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens einem Jahr bedroht sind. Diese Voraussetzung ist erfüllt.
16aa) Der Tatvorwurf ist insoweit zunächst in tatsächlicher Hinsicht in der Haftentscheidung des Untersuchungsrichters des Q.-Bezirksgerichts in L. vom 04.08.2023 (Bl. 393 ff. d.A.) ausreichend konkret dargestellt, um dem Senat die erforderliche Prüfung der Strafbarkeit zu ermöglichen. Aus der Haftentscheidung folgt, dass der Verfolgte die ihm vorgeworfene Tat gemeinsam mit dem Mittäter R.S. G. beschlossen und durchgeführt haben soll. Aus dem Gesamtzusammenhang der dortigen Ausführungen ergibt sich, dass die Drohsituation für den Geschädigten von beiden Tätern ausgegangen sein soll. Ob der Verfolgte das insoweit beschriebene Messer auch selbst gehalten hatte, ist für die Frage der erforderlichen Konkretisierung des Tatvorwurfs unerheblich. Überdies ergibt sich aus der Schilderung in dem ukrainischen Haftbefehl, dass der Verfolgte zur Umsetzung der erpressten Überweisung am Tatort sein Mobiltelefon zur Verfügung gestellt haben soll, was einen weiteren ausreichend beschriebenen Tatbeitrag darstellt.
17bb) Die Strafbarkeit nach ukrainischem Recht folgt aus Art. 187 des ukrainischen Strafgesetzbuches. Die dem Verfolgten vorgeworfene Handlung, wegen deren Strafverfolgung die Verhaftung begehrt wird, ist gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 1 EuAlÜbk nach ukrainischem Recht in allen Varianten des dortigen Straftatbestandes des Raubs (Art. 187) auch im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bedroht. Dass der Verfolgte im Tatzeitpunkt erst 19 Jahre alt gewesen ist, ist für die Frage der Strafbarkeit nach ukrainischem Recht ohne Bedeutung. Das dortige Jugendstrafrecht differenziert ausschließlich zwischen der Strafbarkeit Minderjähriger und derjenigen von Erwachsenen, also Personen, die zur Zeit der Tat das 18. Lebensjahr bereits überschritten hatten. Mit der Vollendung des 18. Lebensjahres tritt nach ukrainischem Strafrecht die volle strafrechtliche Verantwortlichkeit für das eigene Verhalten ein (Zaikina, Jugendkriminalrechtspflege in der Ukraine, S. 53, 95 sowie Fn. 2). Vor diesem Hintergrund besteht weder Anlass, die Angaben der ukrainischen Behörden zur Strafbarkeit des Verfolgten in Frage zu stellen, noch dazu, ergänzende Auskünfte zum dortigen Jugendstrafrecht einzuholen.
18cc) Nach deutschem Recht folgt die Strafbarkeit der dem Verfolgten vorgeworfenen Handlung aus § 253 Abs. 1, § 255 i.V.m. § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB. Ob gegen den Verfolgten - bei sinngemäßer Umstellung des Sachverhaltes und einer unterstellten Anwendung des Jugendstrafrechts nach § 105 Abs. 1 JGG - auch eine Jugendstrafe verhängt werden würde, ist unerheblich. Entscheidend ist insoweit allein die im Inland bestehende Strafandrohung von mindestens zwölf Monaten Freiheitsstrafe, konkret bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe, § 105 Abs. 3 Satz 1 JGG.
19d) Gründe, die der Zulässigkeit der Auslieferung nach den Art. 3 bis 10 EuAlÜbk entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Verfolgte wegen des ihm vorgeworfenen Delikts aus auf politischen oder religiösen Anschauungen gründenden Erwägungen (Art. 3 Abs. 2 EuAlÜbk) verfolgt oder bestraft werden soll. Seine Behauptung, er sei tief in der russisch-orthodoxen Kirche verwurzelt (Bl. 291 d.A.), gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Ungeachtet der Pauschalität seines Vorbringens (s.u.) behauptet der Verfolgte selbst nicht, in der Vergangenheit wegen seiner Religionszughörigkeit verfolgt worden zu sein. Das ihm vorgeworfene Delikt unterfällt zudem der Allgemeinkriminalität. Die durch die ukrainische Ermittlungsabteilung der L. Polizeiverwaltung hierzu zusammengefasste Beweislage (Gutachten über Beweise im Strafverfahren Nr. 12023170420000815 vom 20.03.2023, Bl. 409 f.) gibt keinen Anhalt, dass auf diese durch die ukrainischen Behörden manipulativ eingewirkt worden sein könnte.
20e) Aus den vorstehenden Gründen besteht auch kein Anlass zur näheren Überprüfung des gegen den Verfolgten bestehenden Tatverdachtes. Eine solche Prüfung gemäß § 10 Abs. 2 IRG findet im Auslieferungsverfahren nach dem EuAlÜbk grundsätzlich nicht statt (BGH, Beschluss vom 15.03.1984 - 4 Ars 23/83, NJW 1984, 2046; KG, Beschluss vom 15.10.2012 - (4) 151 Ausl.A 114/15 (166/12), BeckRS 2012, 23566; OLG Köln, Beschluss vom 16.03.2012 - 6 Ausl.A 13/12, BeckRS 2012, 17788). Sie ist nur dann ausnahmsweise geboten, wenn und soweit hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der ersuchende Staat seinen Anspruch auf Auslieferung missbräuchlich geltend macht, oder die besonderen Umstände des Falles befürchten lassen, dass der Verfolgte im Fall seiner Auslieferung einem Verfahren ausgesetzt wäre, dass gegen unabdingbare, von allen Rechtsstaaten anerkannte Grundsätze und damit gegen den völkerrechtlich verbindlichen Mindeststandard im Sinne des Art. 25 GG verstoßen würde, und die Tatverdachtsprüfung darüber Aufschluss geben kann (KG, Beschluss vom 15.10.2012 - (4) 151 Ausl.A 114/15 (166/12), BeckRS 2012, 23566) oder aufgrund besonderer Umstände die Täterschaft des Verfolgten unmöglich oder in höchstem Maße zweifelhaft ist (OLG Koblenz, Beschluss vom 28.02.1984 - 1 Ausl 2/83, NJW 1984, 1314; Ambos/König/Rackow-Kubiciel, Rechtshilferecht in Strafsachen, 2. Aufl., IRG § 10 Rn. 122). Ein derartiger Fall liegt ersichtlich nicht vor.
21f) Die Auslieferung erweist sich auch nicht gemäß § 73 Satz 1 IRG als unzulässig, weil sie wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung widersprechen würde.
22aa) Eine andere Beurteilung ist zunächst nicht aufgrund des Einwands des Verfolgten geboten, ihm drohe in der Ukraine trotz seiner Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen die Einziehung zum Kriegsdienst.
23(1) Es kann dahingestellt bleiben, ob Art. 4 Abs. 3 GG schon im Ansatz einen Schutz nur für die nach deutschem Recht Wehrpflichtigen schafft (so etwa Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 19.01.2007 - 1 Bs 4/07, juris Rn. 10; Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 26.08.2011 - 3 B 251/10, juris; offengelassen BVerwG, Beschluss vom 27.10.2004 - 6 B 54/04, NVwZ 2005, 464, 465; zur asylrechtlichen Bedeutung der Gefahr einer Verfolgung wegen Wehrdienstentziehung vgl. BVerwG, Beschluss vom 02.06.2017 - 1 B 108/17, juris Rn. 10) oder ob es sich bei dem Recht zur Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Waffe um ein Menschenrecht handelt, das auch in Bezug auf nach ausländischem Recht wehrdienstpflichtige Personen ein Auslieferungshindernis begründen kann (so BGH, Beschluss vom 24.05.1977 - 4 Ars 6/77, BGHSt 27, 191 ff.; aA OLG Dresden, Beschluss vom 09.08.2024 - OAus 174/24, juris Rn. 21 ff.). Nicht anders als im Fall der politischen Verfolgung hat das Oberlandesgericht in Auslieferungssachen zwar ohne Bindung an verwaltungsgerichtliche Entscheidungen alle ihm möglichen Ermittlungen zur Aufklärung des Verfahrenshindernisses durchzuführen; den Betroffenen trifft insoweit keine Beweislast. Allerdings hat der Verfolgte - wie auch sonst im asylrechtlichen Verfahren - eine Darlegungslast, mit der er den an der Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung beteiligten Stellen zunächst Anhaltspunkte für ihre Ermittlungen geben muss (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.05.1996 – 2 BvR 66/96, juris Rn. 17; Ambos/König/Rackow-Ambos/Gronke, Rechtshilferecht in Strafsachen, 2. Aufl. IRG § 73 Rn. 101, vgl. auch BeckOK GG/Germann, 58. Ed., Art. 4 Rn. 111 ff., 91). Dieser Darlegungslast genügt das Vorbringen des Verfolgten nicht. Der Vortrag erschöpft sich in der pauschalen Behauptung, den Kriegsdienst verweigert zu haben, hierzu aber über keine Nachweise zu verfügen. Weder ist dargetan, wann noch gegenüber welcher Stelle und wie der Verfolgte seine Erklärung kundgetan haben will. Weitere Konkretisierungen ergeben sich auch weder aus dem zur Akte gereichten Asylantrag des Verfolgten noch aus dem - für Asylverfahren verfassten - eingereichten Schriftsatz vom 01.08.2024. Soweit dort zusätzlich ausgeführt ist, der Verfolgte sei „tief religiös und eng in seiner Heimatstadt L. in der russisch-orthodoxen Kirche verwurzelt“, gibt dies angesichts der Pauschalität und fehlenden Erläuterung auch dieser Angaben keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Eine weitere Überprüfung der Behauptung durch den Senat ist auf dieser Grundlage nicht möglich. Auf diese Verfahrenslage hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 23.08.2024 hingewiesen und an seiner Auffassung im Beschluss vom 18.09.2024 festgehalten. Gleichwohl hat der Verfolgte seine Behauptungen nicht konkretisiert. Zu einem erneuten Hinweis besteht kein Anlass. Soweit der Rechtsbeistand des Verfolgten mit Schriftsatz vom 14.10.2024 die Auffassung vertreten hat, es stünde noch die Zusicherung der ukrainischen Behörden dahin aus, dass der Verfolgte nach seiner Auslieferung nicht zum Kriegsdienst herangezogen würde, hat der Senat in seinem Beschluss vom 23.08.2024 bereits ausgeführt, dass zu einer derartigen Anfrage auf Grundlage des bisherigen Vorbringens des Verfolgten keine Veranlassung bestehe.
24(2) Dass ab dem 21.10.2024 eine mündliche Anhörung des Verfolgten durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geplant ist, wie der Rechtsbeistand mit Schriftsatz vom 14.10.2024 vorgetragen hat, gibt keinen Anlass, die Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung zurückzustellen. Gemäß § 6 Satz 2 AsylG besteht für das Auslieferungsverfahren keine Bindung an asylrechtliche Entscheidungen. Ein weiteres Zuwarten mit der Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung wäre daher nur dann gerechtfertigt, wenn aus der Anhörung nähere Erkenntnisse über das Vorliegen des Auslieferungshindernisses zu erwarten wären. Dies ist auf Grundlage des aufgezeigten Verfahrensstandes aber nicht zu erkennen. Die Begründung des Asylantrags hat der Rechtsbeistand des Verfolgten zur Akte gereicht. Dieser enthält - wie ausgeführt - gerade keine ausreichende Darlegung des Auslieferungshindernisses. Dass im Nachgang gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge noch weitere Angaben gemacht wurden, ist von dem Verfolgten nicht vorgebracht worden. Aufgrund dessen ist zugleich nicht ersichtlich, welche weiteren Erkenntnisse aus der asylrechtlichen Anhörung des Verfolgten gewonnen werden sollten. Aus denselben Gründen besteht auch kein Anlass zur Beiziehung der Asyl- oder Ausländerakte des Verfolgten.
25(3) Soweit der Rechtsbeistand in seinem Schriftsatz vom 01.08.2024 (Bl. 284 ff. d.A) behauptet haben wollen sollte, ukrainische Strafgefangene würden gegen ihren Willen zum Kriegsdienst herangezogen, besteht schon in tatsächlicher Hinsicht kein Anhalt für die Richtigkeit einer solchen Behauptung. Zutreffend ist zwar, dass die Ukraine in der jüngeren Vergangenheit im Rahmen des Russland-Konfliktes die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen hat, wonach es Strafgefangenen unter bestimmten Bedingungen möglich ist, anstelle des Strafvollzuges den Kriegsdienst anzutreten. Dies hängt aber von einer entsprechenden Bereitschaft des Häftlings hierzu ab (vgl. etwa https://www.tagesschau.de/ausland/europa/ukraine-haeftlinge-armee-100.html, Stand 24.05.2024, letzter Abruf 28.10.2024).
26bb) Auch die Einhaltung eines fairen Strafverfahrens ist gewährleistet.
27(1) Mit Schreiben vom 18.09.2024 (Bl. 490 ff. d.A.) hat das Büro des Generalstaatsanwalts der Staatsanwaltschaft der Ukraine unter näherer Ausformulierung der einzelnen Verfahrensrechte zugesichert, dass das Recht des Verfolgten auf eine faire und gerichtliche Überprüfung des Strafverfahrens innerhalb einer angemessenen Frist durch ein unabhängiges und unparteiisches Gericht ebenso gewährt wird wie sein Recht auf Rechtsschutz und Rechtsbeistand durch einen Rechtsanwalt. Bedenken an der Belastbarkeit dieser Zusicherung bestehen nicht. Dabei kommt dem Verfolgten gemäß Art. 21 Abs. 3 der ukrainischen Strafprozessordnung in jeder Instanz auch das Recht auf Teilnahme an den gegen ihn gerichteten Gerichtsverhandlungen zu.
28(2) Im Zusammenhang mit der erforderlichen Gewähr einer gerichtlichen Überprüfung des gegen den Verfolgten bestehenden Strafvorwurfs ist zwar nicht zu verkennen, dass der Tatort in L. im Osten der Ukraine und damit einem Gebiet liegt, welches von den aktuellen kriegerischen Auseinandersetzungen betroffen ist. Insoweit besteht allerdings nach ukrainischem Recht (Art. 336 der ukrainischen Strafprozessordnung) - von Amts wegen wie auch auf Antrag des Verfolgten - die Möglichkeit eines Ferngerichtsverfahrens im Wege der Videokonferenz. Ausweislich der Zusicherung des Büros des Generalstaatsanwalts vom 18.09.2024 wird insoweit die direkte Teilnahme des Verfolgten an Gerichtsverhandlungen mit Hilfe technischer Mittel sichergestellt. Insoweit müssen die eingesetzten technischen Mittel und Technologien nach den Vorgaben des ukrainischen Rechts eine ordnungsgemäße Bild- und Tonqualität und die Einhaltung des Grundsatzes der Öffentlichkeit und Offenheit des Gerichtsverfahrens ebenso gewährleisten wie die Möglichkeit des am Strafverfahren Beteiligten, den Ablauf des Gerichtsverfahrens zu hören und zu sehen, Fragen zu stellen, Antworten zu erhalten, sämtliche sonstigen ihm zukommenden Verfahrensrechte auszuüben und die in der ukrainischen Strafprozessordnung vorgesehenen Verfahrenspflichten zu erfüllen. Soweit aufgrund technischer Probleme die Teilnahme des Angeklagten an der Verhandlung im Wege der Videoübertragung nicht möglich ist, ist diese zu verschieben. An der Belastbarkeit der insoweit gemachten Angaben in dem Schreiben des Büros des Generalstaatsanwalts der Staatsanwaltschaft der Ukraine vom 18.09.2024 (Bl. 490 ff. d.A.) hat der Senat keine Bedenken, zumal dieses in mehreren in diesem Verfahren gemachten Stellungnahmen zum Ausdruck gebracht hat, die aus der Europäischen Menschenrechtskonventionen folgenden Garantien ernst zu nehmen (vgl. Schreiben vom 18.09.2024, Bl. 490 ff. d.A.; Anhang zum Auslieferungsersuchen „Über die Erfüllung der Verpflichtungen nach internationalen Verträgen der Ukraine sowie die Praxis des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zur Bewertung von Maßnahmen, die von der Regierung der Ukraine getroffen wurden, um die sicheren Bedingungen für die Verurteilten und Inhaftierten während des Kriegsrechts zu gewährleisten“, Bl. 206 ff. d.A.). Zudem geht auch das Auswärtige Amt in anderem Zusammenhang von einem konventionsgerechten Verhalten der Ukraine aus, namentlich hinsichtlich der in der Ukraine bestehenden Haftbedingungen und der insoweit (wieder) bestehenden grundsätzlichen Bewilligungsfähigkeit (vgl. Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen, Erlass vom 01.02.2024 - 9360-III.64).
29(3) Soweit es nach Art. 20 Abs. 3 GG und den Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention für ein faires Strafverfahren von zentraler Bedeutung ist, dass der Angeklagte am Verfahren persönlich teilnimmt (BVerfG, Beschluss vom 18.12.2023 - 2 BvR 1368/23, juris Rn. 37 f.), und dies insoweit grundsätzlich die unmittelbare (körperliche) Teilnahme an der Gerichtsverhandlung voraussetzt, steht auch dies der Auslieferung nicht entgegen. Für den Einsatz von Videokonferenztechnik in einem Rechtsmittelverfahren hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bereits entschieden, dass die Europäische Menschenrechtskonvention einer Teilnahme des abwesenden Angeklagten an der Verhandlung mittels Videokonferenztechnik nicht prinzipiell entgegenstehe, wenn diese Möglichkeit im nationalen Recht vorgesehen sei und der Einsatz dieser Technik im Einzelfall ein legitimes Ziel verfolge (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.12.2023 - 2 BvR 1368/23, juris Rn. 40 mwN). Diese Vorgaben sind vorliegend erfüllt. Die Nutzung der Videokonferenztechnik ist ausweislich des Schreibens des Büros des Generalstaatsanwalts der Staatsanwaltschaft der Ukraine vom 18.09.2024 in Art. 336 der ukrainischen Strafprozessordnung ausdrücklich gesetzlich verankert. Bezogen auf den Fall des Verfolgten würde mit einer - auch gegen den Willen des Verfolgten durchgeführten ( vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 22.10.2024 - Ausl OAus 43/24) - Ferngerichtsverhandlung das Ziel verfolgt, einerseits die (Straf)Rechtspflege auch in Kriegszeiten aufrecht zu erhalten, andererseits den Verfolgten als Beschuldigten des Strafverfahrens nicht unvermeidbaren Risiken für die eigene Gesundheit bzw. das eigene Leben aufgrund einer Inhaftierung und der Verhandlung in einem von kriegerischen Auseinandersetzungen betroffenen Gebiet auszusetzen. Die Berücksichtigung dieser Interessen ist nicht nur legitim, sondern erscheint aus rechtsstaatlicher Sicht geradezu geboten (iE auch OLG Nürnberg, Beschluss vom 22.10.2024 - Ausl OAus 43/24). Insoweit werden diese mit der Durchführung eines Strafverfahrens im Wege der Videokonferenz in angemessenen Ausgleich mit dem Recht auf unmittelbare Teilhabe am Strafverfahren, auch eingedenk dessen herausgehobener Bedeutung für ein faires Verfahren, gebracht.
30Soweit sich die dargestellte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nur auf den Einsatz der Videokonferenztechnik im Rechtsmittelverfahren bezieht, besteht kein Anlass, die dargestellten Grundsätze auf diese Fälle zu beschränken. Insbesondere sieht der Senat es aufgrund der rechtlichen Vorgaben zur Durchführung der Ferngerichtsverfahren als ausreichend gesichert an, dass die Angeklagten auch in einem solchen erstinstanzlichen Ferngerichtsverfahren aufgrund dessen Ausgestaltung im ukrainischen Recht ihre Verfahrensrechte im Strafverfahren wahrnehmen und insbesondere die Beweisaufnahme verfolgen, auf diese einwirken und mit ihrem Verteidiger frei kommunizieren können (ebenso OLG Nürnberg, Beschluss vom 22.10.2024 - Ausl OAus 43/24).
31cc) Die den Verfolgten in der Ukraine erwartenden Haftbedingungen begründen ebenfalls kein Auslieferungshindernis. Insbesondere ist eine den Vorgaben des Artikels 3 EMRK widersprechende Behandlung des Verfolgten in den ukrainischen Haftanstalten vorliegend nicht zu besorgen.
32(1) Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe unterworfen werden. Diese Gewährleistungen gehören zu den wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung im Sinne von § 73 IRG. Nicht anders als im Fall der gleichlautenden Gewährleistung nach Art. 4 GRCha erfolgt die Prüfung einer möglichen Konventionsverletzung zweistufig. Zunächst ist zu prüfen, ob objektive, zuverlässige, genaue und gebührend aktualisierte Angaben vorliegen, die das Vorliegen systemischer oder allgemeiner, bestimmte Personengruppen oder Haftanstalten betreffende Mängel der Haftbedingungen im Ausstellungsmitgliedstaat belegen. In einem weiteren auf die Situation des Verfolgten bezogenen Schritt ist zu prüfen, ob es ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme gibt, dass der Verfolgte im Falle seiner Auslieferung einer echten Gefahr unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung im Sinne von Art. 4 GRCha bzw. - wie hier im Fall des Verfolgten - Art. 3 EMRK ausgesetzt sein wird. Dazu können Nachfragen an die Justizbehörden des Ausstellungsmitgliedstaats gestellt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.01.2022 – 2 BvR 1214/21, juris Rn. 55; EuGH, Urteil vom 05.04.2016 - C-404/15 und C-659/15 PPU, NStZ, 2016, 542).
33Bei der nach diesen Maßstäben vorzunehmenden Gesamtwürdigung der Haftbedingungen ist nach der übereinstimmenden Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bei Gemeinschaftszellen hinsichtlich des einem Inhaftierten zur Verfügung stehenden Raums zu unterscheiden, ob dieser unter 3 m², zwischen 3 m² und 4 m² oder über 4 m² liegt. Bei der Berechnung der verfügbaren Fläche in einer Gemeinschaftszelle ist die Fläche der Sanitärvorrichtungen nicht einzuschließen, wohl aber die durch Möbel eingenommene Fläche, wobei es den Gefangenen möglich bleiben muss, sich in der Zelle normal zu bewegen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 01.12.2020 - 2 BvR 1845/18, 2 BvR 2100/18, juris Rn. 48 mwN; vom 27.01.2022 - 2 BvR 1214/21, juris Rn. 56). In Anbetracht der Bedeutung des Raumfaktors bei der Gesamtbeurteilung der Haftbedingungen begründet der Umstand, dass der einem Inhaftierten zur Verfügung stehende Raum in einer Gemeinschaftszelle unter 3 m² liegt, eine starke Vermutung für einen Verstoß gegen Art. 4 GRCh beziehungsweise Art. 3 EMRK. Diese starke Vermutung kann regelmäßig nur widerlegt werden, wenn es sich kumulativ erstens um eine kurze, gelegentliche und unerhebliche Reduzierung des persönlichen Raums gegenüber dem geforderten Minimum von 3 m² handelt, diese Reduzierung zweitens mit genügend Bewegungsfreiheit und ausreichenden Aktivitäten außerhalb der Zelle einhergeht sowie drittens die Haftanstalt allgemein angemessene Haftbedingungen bietet und die betroffene Person keinen anderen Bedingungen ausgesetzt ist, die als die Haftbedingungen erschwerende Umstände anzusehen sind. Verfügt ein Gefangener in einer Gemeinschaftszelle über einen persönlichen Raum, der zwischen 3 m² und 4 m² beträgt, kann ein Verstoß gegen Art. 4 GRCh beziehungsweise Art. 3 EMRK vorliegen, wenn zu dem Raummangel weitere defizitäre Haftbedingungen hinzutreten, wie etwa fehlender Zugang zum Freistundenhof beziehungsweise zu Frischluft und Tageslicht, schlechte Belüftung, eine zu niedrige oder zu hohe Raumtemperatur, fehlende Intimsphäre in den Toiletten oder schlechte Sanitär- und Hygienebedingungen. Bei mehr als 4 m² persönlichem Raum in einer Gemeinschaftszelle bleiben die weiteren Aspekte der Haftbedingungen für die erforderliche Gesamtbeurteilung relevant (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 01.12.2020 - 2 BvR 1845/18, 2 BvR 2100/18, juris Rn. 49 ff. mwN; vom 27.01.2022 - 2 BvR 1214/21, juris 57).
34(2) Gemessen an diesen Maßstäben bestehen gegen die Auslieferung des Verfolgten an die Ukraine keine Bedenken.
35(a) Systemische Mängel im ukrainischen Haftvollzug, die eine Auslieferung generell ausschließen, bestehen nicht. Zwar haben die dortigen Haftbedingungen in der Vergangenheit nicht durchweg den konventionsrechtlichen Anforderungen genügt. Auch das Auswärtige Amt geht aber derzeit von einer grundsätzlichen Bewilligungsfähigkeit ukrainischer Auslieferungsersuchen aus, weil mittlerweile zumindest mehrere ukrainische Haftanstalten den Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention entsprächen (vgl. Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen, Erlasse vom 01.02.2024 und 16.10.2024 - jew. 9360-III.64).
36(b) Auch bestehen keine Anhaltspunkte, die befürchten ließen, dass den Verfolgten im konkreten Fall seiner Auslieferung Haftbedingungen erwarten, die den völkerrechtlich verbindlichen Mindeststandards nicht genügen.
37(aa) Hierzu haben die ukrainischen Behörden auf Nachfrage mitgeteilt (vgl. insb. Schreiben des Büros des Generalstaatsanwalts der Staatsanwaltschaft der Ukraine vom 18.09.2024, Bl. 490 ff. d.A.):
38Ausgelieferte Personen würden in Strafvollzugsanstalten untergebracht, die sich in einem vom Ort der derzeitigen militärischen Auseinandersetzung mit der Russischen Föderation weiter entfernten Gebiet befänden und mit Schutzanlagen zur Gewährung der Sicherheit von Inhaftierten und Mitarbeitern ausgerüstet seien. Es würden Maßnahmen getroffen, um die Bedingungen in den Anstalten zu verbessern. Hierzu seien insbesondere in den Jahren 2022 und 2023 eine Vielzahl an Schlaf- und Sanitärräumen renoviert worden. Weitere Maßnahmen seien geplant. Derzeit gebe es neun Anstalten, die für ausgelieferte Personen bestimmt seien, von denen drei bereits abschließend renoviert seien und die übrigen sich in der Anfangs- oder Endphase der Renovierung befänden. Zur Vorbeugung von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung und zur Verhinderung von Übergriffen sei ein Videoüberwachungssystem vorhanden. Der Untersuchung und Dokumentation von Körperverletzungen werde besondere Beachtung geschenkt; insbesondere entspreche die Erfassung solcher Verletzungen den Empfehlungen des Handbuches für die wirksame Untersuchung und Dokumentation von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder entwürdigender Behandlung oder Strafe („Istanbul-Protokoll“).
39Im Falle der Auslieferung des Verfolgten würde dieser für die Dauer einer etwaigen Untersuchungshaft in der Strafvollzugsanstalt X. inhaftiert. Diese Haftanstalt sei für 301 Gefangene ausgelegt, wobei zum 10.09.2024 nur 220 Personen inhaftiert gewesen seien. Die Inhaftierten seien in Zwei-Personen-Zellen untergebracht, wobei die Wohnfläche 8,9 m2 betrage, ausgenommen die Sanitärzone. Die Sanitäreinrichtungen seien räumlich getrennt. Jede Zelle habe eine künstliche Belüftung nebst Fenster zur Raumlüftung. Trinkwasser sei in jeder Zelle frei zugänglich. Die Inhaftierten könnten sich täglich mindestens eine Stunde an der frischen Luft aufhalten, wobei die insgesamt zwölf Spazierhöfe der Anstalt jeweils über Sportgeräte verfügten. Essen werde drei Mal pro Tag verteilt, Kleidung und Bettwäsche würden - was näher dargelegt worden ist - regelmäßig gewaschen; zudem würden die Inhaftierten mit Seife, Waschmitteln und anderen Reinigungsmitteln für Bade-, Wäscherei-, Sanitäts-, Hygiene- und Toilettenbedürfnisse versorgt. Besuche seien mindestens dreimal im Monat gestattet. Jedem Inhaftierten werde zudem das Recht auf einen Verteidiger im Strafverfahren gewährleistet.
40Im Falle einer späteren Strafhaft würde der Verfolgte wahrscheinlich entweder in die Besserungsanstalt H. oder die Besserungsanstalt J. verlegt. Bei diesen handele es sich um Besserungsanstalten mittlerer Sicherheitsstufe für Männer, die zum ersten Mal zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden seien. Jede dieser Anstalten verfüge über einen bombensicheren Raum und/oder Schutzanlagen. Auch in diesen Anstalten würden die Anforderungen „der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ beachtet. Insbesondere würden die notwendigen Wohn- und Lebensverhältnisse entsprechend den Sanitäts- und Hygienevorschriften geschaffen. Die Wohnfläche dürfe für einen Verurteilten nicht weniger als 4 m2 betragen, ausgenommen die Sanitärzone. Alle Zellen hätten eine abgetrennte Sanitärzone und eine Dusche. Auch in den letztgenannten Anstalten würden den Verurteilten ein individueller Schlafplatz und Bettwäsche ebenso zur Verfügung gestellt, wie jahresangepasste Bekleidung, Wäsche und Schuhe. Zudem werde eine dreimalige warme Verpflegung gewährt. Auch in der kalten Jahreszeit betrage die Raumtemperatur nicht weniger als 18° C.
41Zudem ist die Einhaltung der konventionsrechtlichen Vorgaben des Art. 3 EMRK ausdrücklich zugesichert worden, dies sowohl hinsichtlich der Unterbringung des Verfolgten als auch hinsichtlich seiner Behandlung durch das Anstaltspersonal. Ferner haben die ukrainischen Behörden garantiert, dass die Amtspersonen der diplomatischen bzw. konsularischen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland die Möglichkeit haben werden, den Verfolgten während seiner Inhaftierung zu besuchen, wobei diese Besuche nicht überwacht würden. Zudem werde der Verfolgte das jederzeitige Recht haben, sich an diese Personen zu wenden. Ebenso sei der Besuch der Anstalten durch die konsularischen Vertreter möglich, um sich mit den Haftbedingungen vertraut zu machen.
42(bb) Diese Angaben und Zusicherungen ermöglichen dem Senat die erforderliche Prüfung der den Verfolgten in der Ukraine erwartenden Haftbedingungen. Diese erweisen sich als konventionsgerecht.
43(aaa) Dies gilt zunächst für die in der Haftanstalt X. bestehenden Haftbedingungen. Bei dieser handelt es sich um eine der vorerwähnten neun Strafanstalten, in der die Renovierungsarbeiten zudem bereits abgeschlossen sind (vgl. Schreiben des Bundesamtes für Justiz vom 27.05.2024, Az. III 1 - 9351 - U5 -B3 202/2022, Bl. 38 f. d.A.; vom 18.10.2024, gl. Az.). Aufgrund der hierzu seitens der ukrainischen Behörden mitgeteilten Informationen - nebst Lichtbildern - besteht kein Anhalt, dass das aus Art. 3 EMRK folgende Schutzniveau unterschritten würde. Der dem Verfolgten dort zur Verfügung stehende individuelle Mindestraum liegt über der konventionsrechtlich geforderten Größe. Auch die weiteren Ausstattungsmerkmale der Zellen (Belüftung, Frischluftversorgung, Tageslicht, abgetrennter Sanitärbereich) sowie die Versorgung der dortigen Gefangenen entspricht den Vorgaben der Konvention. Der Senat sieht keinen Grund, die Richtigkeit der Ausführungen des Büros des Generalstaatsanwalts der Staatsanwaltschaft der Ukraine in Frage zu stellen, zumal auch das Bundesamt für Justiz in seinen Schreiben vom 27.05.2024 (Az. III 1 - 9351 - U5 -B3 202/2022, Bl. 38 f. d.A.) und 18.10.2024 auf der Grundlage zweier vorangegangener Besuche der Haftanstalt X. durch die deutsche Botschaft (s.a. Vermerk RA W. über die Besichtigung der Strafvollzugsanstalten Nr. 9 in P. und Nr. 26 in X. vom 30.04.2024, Bl. 44 f. d.A.) von einer konventionskonformen Unterbringung ausgeht; Anlass, von dieser Einschätzung abzuweichen, besteht für den Senat nicht (von der Belastbarkeit der Zusicherungen ukrainischer Behörden ausgehend auch OLG Nürnberg, Beschluss vom 22.10.2024 - Ausl OAus 43/24). In dem letztgenannten Schreiben ist zudem ausgeführt, dass die Haftbedingungen in dieser Anstalt von Insassen als „bei weitem besser als Deutschland“ bewertet worden seien.
44(bbb) Eine konventionsgerechte Unterbringung erachtet der Senat auch hinsichtlich der im Rahmen des Vollzugs einer etwaigen Strafhaft in Rede stehenden Besserungsanstalten H. und J. für gegeben. Insoweit ist zunächst zu sehen, dass die ukrainischen Behörden mit der im Falle einer Verurteilung beabsichtigten Unterbringung des Verfolgten in einer der vorgenannten Anstalten dem ausdrücklichen Wunsch des Bundesamtes für Justiz nachgekommen sind (vgl. Schreiben des Bundesamtes für Justiz vom 25.06.2024, Bl. 44 ff.). Zwar sind die Angaben der ukrainischen Behörden zur Ausgestaltung dieser Anstalten weniger detailreich als diejenigen zur Anstalt in X. ausgestaltet. Gleichwohl ist auch für diese Anstalten die Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention ausdrücklich zugesichert worden, dies auch mit Blick auf die seitens des Bundesamtes für Justiz mit Schreiben vom 25.06.2024 (Bl. 185 ff. d.A.) ausdrücklich formulierten Bedingungen an die Unterbringung hinsichtlich Raumgröße, Ausstattung der Zellen, Belichtung, Belüftung, Beheizbarkeit und der Möglichkeit zum Freigang. An der Belastbarkeit der Zusicherung hat der Senat auch in diesem Zusammenhang keine Zweifel. Die beiden Anstalten gehören zu denjenigen, in denen ausgelieferte Personen untergebracht werden und hinsichtlich derer bereits entsprechende Renovierungsarbeiten laufen, um einen konventionsgerechten Strafvollzug sicherzustellen (vgl. Rundschreiben des Bundesamtes für Justiz vom 06.03.2024 und vom 27.05.2024 - jew. III 1 - 9351 - U5 -B3 202/2022, Bl. 22 f., 38 f.; Non-Paper on Ukraine´s effort to enhance its work in the direction of mutual legal assistance and extradition, Bl. 42 d.A.; Schreiben des Büros des Generalstaatsanwalts der Staatsanwaltschaft der Ukraine vom 18.09.2024, Bl. 491, 495 d.A.). Den Ausführungen des Generalstaatsanwalts der Staatsanwaltschaft der Ukraine vom 10.07.2024 (Bl. 198, 59 f. d.A.) und 18.09.2024 (Bl. 490 ff. d.A.) sowie denjenigen in dem Anhang zum Auslieferungsersuchen „Über die Erfüllung der Verpflichtungen nach internationalen Verträgen der Ukraine sowie die Praxis des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zur Bewertung von Maßnahmen, die von der Regierung der Ukraine getroffen wurden, um die sicheren Bedingungen für die Verurteilten und Inhaftierten während des Kriegsrechts zu gewährleisten“ (Bl. 206 ff. d.A.), lässt sich zudem entnehmen, dass sich die ukrainischen Behörden ihrer Verantwortung zur Einhaltung der Vorgaben der konventionsrechtlichen Vorgaben für den Strafvollzug umfassend bewusst und hierzu gewillt sind (ebenso Verbalnote der Botschaft der Ukraine vom 19.08.2024, Nr. 61212/61212-500-112322, dort S. 3). Dem entspricht es, dass die Renovierungsarbeiten in der Haftanstalt in J. nach den - belastbaren - Angaben des Justizministeriums der Ukraine voraussichtlich bis Ende des Jahres 2024 abgeschlossen sein werden (Schreiben des Bundesamtes für Justiz vom 18.10.2024, Az. III 1 - 9351 - U5 -B3 202/2022). Angesichts der vor dem Strafantritt erforderlichen Durchführung des Strafverfahrens ist bei diesem Zeitfenster sicher davon auszugehen, dass diese Anstalt im Zeitpunkt einer etwaigen späteren Verlegung dorthin vollständig renoviert sein wird.
45Soweit demgegenüber die Renovierungsarbeiten in der Besserungsanstalt H. ausweislich des vorerwähnten Schreibens des Bundesamtes für Justiz vom 18.10.2024 voraussichtlich bis mindestens zum Jahr 2025 andauern werden, ist auch insoweit eine konventionswidrige Unterbringung nicht zu besorgen. Da seitens der ukrainischen Behörden die konventionsgemäße Unterbringung ebenso zugesichert worden ist wie die Möglichkeit eines jederzeitigen Besuchs der deutschen konsularischen Vertretung, ist davon auszugehen, dass der Verfolgte in diese Haftanstalt nur dann verlegt werden würde, wenn und soweit die Einhaltung der konventionsrechtlichen Vorgaben ihm gegenüber sichergestellt werden kann. Dass die ukrainischen Behörden insoweit in Kenntnis über die erforderlichen Bedingungen sind, folgt aus den vorstehenden Ausführungen.
46dd) Schließlich ist auch mit Blick auf die russische Militäroffensive für eine sichere Unterbringung des Verfolgten ausreichend Sorge getragen. So verfügt die Haftanstalt in X. über zwei Strahlenschutzbunker, die Anstalten in H. und J. verfügen ebenfalls über entsprechende bombensichere Räume bzw. Schutzanlagen (Schreiben des Büros des Generalstaatsanwalts der Staatsanwaltschaft der Ukraine vom 18.09.2024, Bl. 492, 495), wobei auch die Deutsche Botschaft in E. bereits mitgeteilt hat, dass die Zusicherungen zu den Schutzmaßnahmen als belastbar eingeschätzt würden (Schreiben des Bundesamtes für Justiz vom 18.10.2024, Az. III 1 - 9351 - U5 -B3 202/2022). Soweit der Rechtsbeistand mit Schriftsatz vom 14.10.2024 darauf hingewiesen hat, dass mittlerweile auch ein „in der Nähe“ der Haftanstalt X. gelegenes ukrainisches Treibstofflager in U. dem Beschuss durch die Russische Föderation ausgesetzt gewesen sei, steht auch dies schließlich der Zulässigkeit der Auslieferung nicht entgegen. U. und X. liegen knapp 80 Kilometer voneinander entfernt. Ziel des Angriffs war ausweislich des hierzu übermittelten Presseberichtes (Bl. 509 ff. d.A.) eine Industrieanlage, die für die Aufrechterhaltung der Energieversorgung und Infrastruktur - anders als eine Haftanstalt - von Bedeutung ist. Insoweit verfügt die Haftanstalt in X. im Übrigen auch im Falle eines Stromausfalles über autonome Stromquellen (Schreiben des Büros des Generalstaatsanwalts der Staatsanwaltschaft der Ukraine vom 18.09.2024, Bl. 493 d.A.)