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Die Beschwerde des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.
Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen Kosten.
G r ü n d e:
2I.
3Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Verwerfung der Beschwerde des Angeklagten als unbegründet beantragt und den Sachstand in ihrer Vorlageverfügung vom 06.02.2024 wie folgt zusammengefasst:
4„Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 15.06.2023 hat Rechtsanwältin N. die Vertretung der Zeugin F. I. angezeigt und gegen den Angeklagten Strafanzeige erstattet und Strafantrag gestellt sowie ihre Beiordnung als Beistand der Zeugin beantragt (Bl. 4 d. ZA). Mit Beschluss vom 21.08.2023 (501 Gs 261 Js 200/23 – 2415/23) hat das Amtsgericht Köln Rechtsanwältin N. der Zeugin als Beistand bestellt (Bl. 124 d. ZA).
5Mit Schreiben vom 24.10.2023 hat Rechtsanwältin N. an einen nicht der Verfahrensakte zu entnehmenden Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht erinnert (Bl. 330 d. ZA). Daraufhin hat die Staatsanwaltschaft Köln mit Schreiben vom 03.11.2023 die begehrte Akteneinsicht wegen Gefährdung des Untersuchungszwecks gemäß § 406 Abs. 2 S. 2 StPO nicht gewährt und um eine anwaltliche Versicherung gebeten, im Fall der späteren Gewährung von Akteneinsicht keine Aktenbestandteile an die Zeugin herauszugeben (Bl. 334 f. d. ZA). Unter dem 08.11.2023 hat Rechtsanwältin N. eine entsprechende Zusicherung abgegeben und Akteneinsicht beantragt (Bl. 340 d. ZA).
6Mit Anklageschrift vom 27.11.2023 hat die Staatsanwaltschaft Köln den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Vergewaltigung sowie Herstellens jugendpornographischer Schriften zum Landgericht Köln – große Strafkammer als Jugendschutzgericht – angeklagt (Bl. 372 ff. d. ZA).
7Mit Verfügung vom 12.12.2023 hat der Vorsitzende der 2. großen Hilfsstrafkammer des Landgerichts Köln der Verteidigerin des Angeklagten einen Antrag des Beistands des Zeugen P. I. auf Gewährung von Akteneinsicht (Bl. 349 f. d. ZA) mit der Gelegenheit zur Stellungnahme übersandt (Bl. 405 f. d. ZA). Hierzu hat die Verteidigerin des Angeklagten mit Schriftsatz vom 16.12.2023 ablehnend Stellung genommen (Bl. 411 ff. d. ZA).
8Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Köln vom 27.11.2023 hat die 2. große Hilfsstrafkammer zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet (Bl. 422 d. ZA).
9Mit Beschluss vom 10.01.2024 hat das Landgericht Köln die Nebenklage der Zeugin F. I. zugelassen und Rechtsanwältin N. als Beistand bestellt (Bl. 455 d. ZA).
10Mit weiterem Beschluss vom 16.01.2024 hat der Vorsitzende der 2. großen Hilfsstrafkammer des Landgerichts Köln der Nebenklagevertreterin Rechtsanwältin N. Akteneinsicht mit der Maßgabe gewährt, den Akteninhalt Dritten, insbesondere der Nebenklägerin I. und deren Familie, nicht vor deren Vernehmung zugänglich zu machen. Die Ausführung des Beschlusses hat der Vorsitzende bis zum 25.01.2024 im Fall der Beschwerdeeinlegung bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens ausgesetzt (Bl. 479 f. d. ZA).
11Gegen diesen Beschluss hat der Angeklagte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 21.01.2024 Beschwerde eingelegt (Bl. 503 ff. d. ZA) und zusammenfassend vorgetragen, durch die Gewährung der Akteneinsicht würde die Aussage der Nebenklägerin „kontaminiert“. Es bestünde die Gefahr überlagerter Erinnerungen und einer Entwertung des Realitätskriteriums. Weiterhin würde die vollumfängliche Gewährung von Akteneinsicht das Konfrontationsrecht des Angeklagten aushebeln und darüber hinaus die Aussagequalität der Nebenklägerin mindern.
12Mit Beschluss vom 23.01.2024 hat der Vorsitzende der 2. großen Hilfsstrafkammer der Beschwerde nicht abgeholfen (Bl. 512 f. d. ZA). Zur Begründung hat er ausgeführt, es bestünden im Ergebnis keine Bedenken, der Nebenklagevertreterin Akteneinsicht zu gewähren. Eine Gefährdung der Wahrheitsfindung durch Weitergabe von Unterlagen oder inhaltlichen Informationen an die Nebenklägerin oder deren Familie sei auch aufgrund der Zusicherung der Nebenklagevertreterin, die Weitergabe zu unterlassen, nur abstrakt vorhanden und stünde im Rahmen der gebotenen Abwägung dem Informationsinteresse der Nebenklagevertreterin nicht entgegen.“
13Darauf nimmt der Senat Bezug.
14Die Verteidigung hat im Rahmen des ihr zu der Vorlageverfügung gewährten rechtlichen Gehörs mit Schriftsatz vom 10.02.2024 ergänzend Stellung genommen.
15II.
16Die Beschwerde des Angeklagten hat keinen Erfolg.
171. Ob der Zulässigkeit einer gegen die Bewilligung der Akteneinsicht gerichteten, nach § 304 Abs. 1 StPO an sich statthaften Beschwerde trotz der grundsätzlichen Anfechtbarkeit nach § 406e Abs. 5 Satz 4 StPO je nach Prozesssituation die Regelung des § 305 Satz 1 StPO entgegenstehen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 02.11.2022 - StB 47/22, juris Rn. 7; SenE v. 29.01.2024, 2 Ws 14/24), bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn das Rechtsmittel hat jedenfalls in der Sache keinen Erfolg.
182. Zu Recht hat das Landgericht der Vertreterin der Nebenklägerin Akteneinsicht mit der Maßgabe gewährt, den Akteninhalt Dritten, insbesondere der Nebenklägerin und deren Familie, nicht vor deren Vernehmung in der Hauptverhandlung zugänglich zu machen. Hierzu hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer o.a. Antragsschrift das Folgende ausgeführt:
19„1.
20Zwar wurde der Angeklagte, was rechtlich geboten ist (vgl. SenE v. 10.03.2022, 2 Ws 41/22; SenE v. 28.12.2021, 2 Ws 670/21; SenE v. 06.05.2020, 2 Ws 211/20; BVerfG, Beschl. v. 08.10.2021, 1 BvR 2192/21; OLG Rostock, Beschl. v. 13.07.2017, 20 Ws 146/17; KG Berlin, Beschluss v. 02.10.2015, 4 Ws 83/15), vor der Entscheidung nicht zu dem konkreten Antrag der Nebenklagevertreterin Rechtsanwältin N., sondern zu dem des Beistands des Zeugen P. I. angehört, jedoch hatte der Angeklagte Gelegenheit nach Erlass des angegriffenen Beschlusses im Rahmen des Abhilfeverfahrens zur beabsichtigten Gewährung von Akteneinsicht an die Nebenklagevertreterin Stellung zu nehmen, wodurch der Mangel des zunächst nicht gewährten rechtlichen Gehörs geheilt wurde (Schmitt a.a.O., § 306 Rn. 7).
212.
22Die gewährte Akteneinsicht begegnet auch materiell-rechtlich keinen Bedenken.
23a)
24Der Zeugin steht über ihre Rechtsanwältin gemäß § 406e Abs. 1 S. 1 StPO ein Recht auf Akteneinsicht zu, das sich dem Umfang nach grundsätzlich auf den gesamten Akteninhalt erstreckt (vgl. Schmitt a.a.O., § 406e Rn. 5 m.w.N.).
25Nach § 406e Abs. 1 S. 2 StPO bedurfte es keiner besonderen Darlegung eines berechtigten Interesses, da die Zeugin nach § 395 Abs. 1 Nr. 1 und 5 StPO zum Anschluss als Nebenklägerin befugt ist.
26b)
27Es liegt auch kein Fall des § 406e Abs. 2 StPO vor.
28Insbesondere sind die Voraussetzungen des einzig ernsthaft zu prüfenden fakultativen Versagungsgrundes gemäß § 406e Abs. 2 S. 2 StPO nicht erfüllt. Hiernach kann die Akteneinsicht – auch noch nach Abschluss der Ermittlungen und Erhebung der öffentlichen Klage (vgl. OLG Naumburg, Beschl. v. 05.02.2010, 1 Ws 44-45; Schmitt a.a.O., § 406e Rn. 11) – nach pflichtgemäßem Ermessen versagt werden, soweit der Untersuchungszweck gefährdet erscheint.
29aa)
30Eine Gefährdung des Untersuchungszwecks, der sich als Erforschung der Wahrheit mit den von der Strafprozessordnung zur Verfügung gestellten Mitteln definieren lässt, kann dann vorliegen, wenn die Sachaufklärung und Wahrheitsfindung beeinträchtigt werden könnte, insbesondere dann, wenn die Kenntnis des Verletzten vom Akteninhalt die Unbefangenheit, die Zuverlässigkeit oder den Wahrheitsgehalt einer von ihm zu erwartenden Zeugenaussage beeinträchtigen könnte (vgl. SenE v. 10.03.2022, 2 Ws 41/22; KG Berlin, Beschl. v. 21.11.2018, 3 Ws 278/18; OLG Hamburg, Beschl. v. 21.03.2016, 1 Ws 40/16; OLG Braunschweig, Beschl. v. 03.12.2015, 1 Ws 309/15; Schmitt a.a.O., § 406e Rn. 11).
31Dabei wird - wie der Wortlaut der Norm „erscheint“ verdeutlicht - eine konkrete Gefahr für den Untersuchungszweck nicht vorausgesetzt (vgl. OLG Braunschweig, Beschl. v. 03.12.2015, 1 Ws 309/15) und dem erkennenden Gericht insoweit ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt (vgl. BGH, Beschl. v. 11.01.2005, 1 StR 498/04; OLG Hamburg, Beschl. v. 21.03.2016, 1 Ws 40/16; OLG Braunschweig, Beschl. v. 03.12.2015, 1 Ws 309/15; Schmitt a.a.O., § 406e Rn. 11). Allein die durch das Akteneinsichtsrecht des Verletzten stets begründete Gefahr einer anhand des Akteninhaltes präparierten Zeugenaussage reicht nach der übereinstimmenden oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung aber nicht aus, um eine Gefährdung des Untersuchungszwecks zu begründen, vielmehr ist stets eine Würdigung der Verfahrens- und Rechtslage im Einzelfall vorzunehmen (vgl. SenE v. 10.03.2022, 2 Ws 41/22; SenE v. 06.05.2020, 2 Ws 211/20; KG Berlin, Beschl. v. 21.11.2018, 3 Ws 278/18; OLG Hamburg, Beschl. v. 21.03.2016, 1 Ws 40/16; OLG Braunschweig, Beschl. v. 03.12.2015, 1 Ws 309/15).
32bb)
33Hieran gemessen ist die Entscheidung des Vorsitzenden der 2. großen Hilfsstrafkammer, eine Gefährdung des Untersuchungszwecks durch die Gewährung von Akteneinsicht an die anwaltliche Vertreterin der Zeugin nicht als gegeben zu erachten, nicht zu beanstanden.
34Entgegen einer in der Rechtsprechung vertretenen Ansicht, dass in Fallgestaltungen einer – auch hier jedenfalls im Hinblick auf den Vergewaltigungsvorwurf gegebenen – Aussage-gegen-Aussage-Konstellation eine Ermessensreduzierung auf Null anzunehmen sei mit der Folge, dass dem Verletztenbeistand regelmäßig die Einsicht in die Akten wegen der Besorgnis der Gefährdung des Untersuchungszwecks vor einer Einvernahme des Verletzten als Zeugen zu versagen sei (vgl. OLG Hamburg, Beschl. v. 21.03.2016, 1 Ws 40/16, Beschl. v. 22.07.2015, 1 Ws 88/15, Beschl. v. 24.11.2014, 1 Ws 120/14, und Beschl. v. 24.10.2014, 1 Ws 110/14; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 04.06.2021, 1 Ws 106-107, 112-113/21, und Beschl. v. 26.05.2014, 1 Ws 196/14; OLG Celle, Beschl. v. 13.08.2019, 3 Ws 243/19; OLG Schleswig, Beschl. v. 19.02.2016, 1 Ws 59/16), verbietet sich nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Köln eine derart schematische Herangehensweise. Vielmehr kann auch in solchen Fällen dem Vertreter des Zeugen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles Akteneinsicht gewährt werden (vgl. hierzu SenE v. 10.03.2022, 2 Ws 41/22; so auch OLG Karlsruhe, Beschl. v. 05.02.2021, 2 Ws 27/21; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 18.01.2021, 1 Ws 4/21, und Beschl. v. 21.07.2020, 1 Ws 116/20; OLG Brandenburg, Beschl. v. 06.07.2020, 1 Ws 81/20; KG Berlin, Beschl. v. 21.11.2018, 3 Ws 278/18, und Beschl. v. 02.10.2015, 4 Ws 83/15; OLG Braunschweig, Beschl. v. 03.12.2015, 1 Ws 309/15; Schmitt a.a.O., § 406e Rn. 12; Weiner in BeckOK, a.a.O., § 406e Rn. 9 ff.).
35Dabei kann einer abstrakten Gefährdung des Untersuchungszwecks durch die Gewährung von Akteneinsicht an den Verletztenbeistand insbesondere durch dessen Zusicherung begegnet werden, dem Verletzten selbst keine Akteninhalte zur Verfügung zu stellen (vgl. SenE v. 10.03.2022, 2 Ws 41/22; OLG Brandenburg, Beschl. v. 13.09.2023, 1 Ws 141/23; OLG Braunschweig, Beschl. v. 03.12.2015, 1 Ws 309/15; Schmitt a.a.O., § 406e Rn. 12).
36Eine solche Zusicherung ist durch die Nebenklagevertreterin Rechtsanwältin N. erfolgt.
37Anhaltspunkte, die Nebenklagevertreterin könnte dieser Zusicherung zuwiderhandeln, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.“
38Dem schließt sich der Senat an (vgl. auch Senat in ständiger Rechtsprechung, zuletzt SenE v. 29.01.2024, 2 Ws 14/24; SenE v. 19.01.2024, 2 Ws 22/24). Die Ausführungen der Verteidigung im Schriftsatz vom 10.02.2024 rechtfertigen demgegenüber keine abweichende Bewertung. Konkrete Umstände, die daran zweifeln lassen könnten, dass sich die Vertreterin der Nebenklägerin an die von ihr entsprechend der Maßgabe des angefochtenen Beschlusses erteilte Zusicherung, die Weitergabe zu unterlassen, nicht halten könnte, werden auch im Beschwerdeverfahren nicht vorgetragen. Zu dem Einwand, der Rechtsanwalt sei bereits aus berufsrechtlichen Gründen verpflichtet, seinen Mandanten mündlich und durch Übergabe von Kopien über den Akteninhalt zu informieren, hat der Senat bereits mit seinem vorbezeichneten Beschluss vom 29.01.2024 unter Bezugnahme auf die Senatsentscheidung vom 10.03.2022 (2 Ws 41/22) u.a. wie folgt Stellung genommen:
39„Zwar ist dem Oberlandesgericht Hamburg zuzustimmen, dass eine derartige freiwillige Versicherung rechtlich nicht bindend ist und in einem Spannungsverhältnis zu § 11 Abs. 1 BORA steht, dessen Norminhalt den Rechtsanwalt verpflichtet, den Mandanten über alle für den Fortgang der Sache wesentlichen Vorgänge und Maßnahmen unverzüglich zu unterrichten und insbesondere von allen wesentlichen erhaltenen oder versandten Schriftstücken Kenntnis zu geben (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 24.11.2014, 1 Ws 120/14, a.a.O.). Nach Auffassung des Senats findet die in § 11 Abs. 1 BORA enthaltene Verpflichtung zur umfassenden Information jedoch dort ihre Grenze, wo dies den Interessen des Mandanten zuwiderlaufen würde. Dies ist bei einer Gefährdung der Aussagequalität, von Nebenklagezielen und ggf. des Erfolgs eines parallel geführten Adhäsionsverfahrens bzw. zivilrechtlicher Ansprüche oder solchen nach dem Opferentschädigungsgesetz der Fall. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass ein Nebenklagevertreter, der mit den erhöhten Anforderungen des Bundesgerichtshofs an die tatrichterliche Beweiswürdigung in Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen auch in Bezug auf die Bedeutung der Konstanzanalyse vertraut ist, bemüht sein wird, den Beweiswert der Aussage des Nebenklägers nicht zu reduzieren (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 06.07.2020, 1 Ws 81/20, a.a.O.; OLG Braunschweig, Beschluss vom 03.12.2015, 1 Ws 309/15, a.a.O.; Weiner in BeckOK, a.a.O., § 406e Rn. 13).
40Dies zeigt sich aus Sicht des Senats auch darin, dass die meisten Rechtsbeistände dem Rat folgen, der Nebenkläger möge auf sein Anwesenheitsrecht bei der seiner Vernehmung vorausgehenden Entgegennahme der Einlassung des Angeklagten verzichten. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Nebenkläger dieser Empfehlung nicht folgt, dürfte sich erheblich reduzieren, wenn er nicht darauf vertrauen könnte, dass sein anwaltlicher Beistand im Vorfeld der Hauptverhandlung die Möglichkeit hatte, sich durch eine umfassende Akteneinsicht mit dem Verfahrensstoff ausreichend vertraut zu machen (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 03.12.2015, 1 Ws 309/15, a.a.O.).
41Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass Rechtsanwälte ihre Aufgabe als vertrauenswürdiges Organ der Rechtspflege wahrnehmen und der Rechtsverkehr in der Regel auf ihre Integrität und Zuverlässigkeit vertrauen darf (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 06.07.2020, 1 Ws 81/20, a.a.O.; OLG Braunschweig, Beschluss vom 03.12.2015, 1 Ws 309/15, a.a.O.).
42Daher erscheint die freiwillig abgegebene Verpflichtungserklärung eines Nebenklagevertreters trotz des Fehlens der Möglichkeit, ihn zu ihrer Einhaltung zu zwingen oder im Falle eines Verstoßes dies mit den Mitteln der Strafprozessordnung zu sanktionieren, geeignet, einer Gefährdung des Untersuchungszwecks zu begegnen. Eine Verletzung anwaltlicher Pflichten durch die Abgabe einer solchen Verzichtserklärung vermag der Senat in Anbetracht der Alternative, die in einer Ablehnung der beantragten Akteneinsicht bestünde, daher nicht zu erkennen. […]“
43An diesen Grundsätzen wird weiterhin festgehalten. Bei einer Gesamtschau besorgt der Senat auch vorliegend nicht, dass sich die Nebenklagevertreterin an ihre Zusicherung, die Akte vor einer Vernehmung der Zeugin nicht an die Nebenklägerin und ihre Familie weiterzugeben, nicht halten wird.
44Auch für eine nur partielle Akteneinsicht sieht der Senat aus den vorstehend aufgezeigten Gründen vorliegend keinen Anlass. Dem Umfang nach erstreckt sich das Recht zur Akteneinsicht grundsätzlich auf den gesamten Akteninhalt (KG, Beschluss vom 21.11.2018 - 3 Ws 278/18, NStZ 2019, 110, 111; Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 406e Rn. 5).
453. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1, 2 StPO.