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Vor der Erteilung einer Weisung nach § 68b Abs. 1 S. 1 StGB hat das Gericht im Rahmen seiner Aufklärungspflicht die für seine Entscheidungsfindung maßgeblichen Tatsachen festzustellen.
Auf die Beschwerde des Verurteilten wird die Weisung zu Ziffer 3 Buchstabe d) des Beschlusses des Landgerichts Bonn vom 07.12.2023 aufgehoben.
Die Sache wird insoweit zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bonn zurückverwiesen.
Gründe:
2I.
3Mit Urteil des Landgerichts Essen vom 23.08.2021 wurde der Verurteilte wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Freiheitsstrafe hat der Verurteilte mittlerweile vollständig verbüßt. Mit Beschluss vom 07.12.2023 hat das Landgericht entschieden, dass die gemäß § 68f Abs. 1 Satz 1 StGB kraft Gesetzes eintretende Führungsaufsicht nicht entfällt und deren gesetzliche Höchstdauer zunächst auch nicht abgekürzt wird. Zudem hat es dem Verurteilten verschiedene Weisungen erteilt, hierbei unter anderem unter Ziffer 3 Buchstabe d) des Beschlusses auch eine Abstinenz- und Kontrollweisung folgenden Inhalts:
4„Gemäß § 68b Abs. 1 Nr. 10 StGB hat er sich jeglichen Konsums von Betäubungsmitteln strikt zu enthalten und zur Kontrolle vierteljährlich auf Anforderung der Kammer binnen zwei Tagen ärztlichen Drogenscreenings zu unterziehen, deren Ergebnis er der Kammer über den Bewährungshelfer unverzüglich zu übermitteln hat.
5[…]“
6Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, mit der Weisung solle die nach Angaben des Verurteilten ohnehin bestehende Abstinenz gefestigt werden, insbesondere nachdem der Strafvollstreckungskammer Informationen über zuletzt im Vollzug durchgeführte Screenings nicht vorlägen. Gegen die Kontroll- und Abstinenzweisung richtet sich die Beschwerde des Verurteilten, mit der er vorbringt, wegen des Konsums von Drogen nicht aufgefallen und während seiner Haftzeit monatlich getestet worden zu sein, wobei sämtliche Tests negativ gewesen seien. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
7II.
8Die gemäß § 463 Abs. 2, § 453 Abs. 2 Satz 1 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat in der Sache zumindest vorläufigen Erfolg.
91. Eine Beschwerde, die sich gegen die Ausgestaltung der Führungsaufsicht richtet, kann in der Sache nur darauf gestützt werden, dass die vom Gericht getroffenen Weisungen gesetzeswidrig sind (§ 463 Abs. 2, § 453 Abs. 2 Satz 2 StPO). Der beschwerdegerichtlichen Überprüfung unterliegen Weisungen daher nur in Bezug auf ihre Gesetzmäßigkeit, hingegen darf das Beschwerdegericht nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Ausgangsgerichtes setzen. Gesetzeswidrig sind Anordnungen, wenn sie im Gesetz nicht vorgesehen, unverhältnismäßig oder unzumutbar sind oder sonst die Grenzen des eingeräumten Ermessens überschreiten (OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 22.02.2005 - 3 Ws 151/05, NStZ-RR 2006, 327, 328; KK-StPO/Appl, 9. Aufl., § 453 Rn. 13); dies gilt ferner dann, wenn eine Ausübung des Ermessens überhaupt nicht ersichtlich ist. Dabei hat die Strafvollstreckungskammer im Rahmen ihrer Aufklärungspflicht die für ihre Entscheidungsfindung maßgeblichen Tatsachen festzustellen, in ihre Ermessensentscheidung einzustellen und diese zu begründen. Auch dies unterfällt der Prüfung durch das Beschwerdegericht (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 03.01.2019 - 5 Ws 486/18, 5 Ws 488/18, BeckRS 2019, 5594; KG, Beschluss vom 05.04.2022 - 5 Ws 22/22, BeckRS 2022, 19604 Rn. 5).
102. Gemessen an diesen Maßstäben hält die angefochtene Weisung einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
11a) Die Verhältnismäßigkeit der angefochtenen Weisung ist nicht überprüfbar.
12aa) Das Landgericht hat die Abstinenz- und Kontrollweisung (§ 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StGB) auf unzureichender Tatsachengrundlage getroffen. Soweit es dem Umstand, dass ihm keine Informationen über die zuletzt im Strafvollzug durchgeführten Drogenscreenings vorlägen, entscheidungserhebliche Bedeutung beigemessen hat, hat es seine Aufklärungspflicht verkannt. Vor einer Entscheidung hätte es insoweit bei der Strafvollzugsanstalt um nähere Informationen nachfragen müssen.
13bb) Sollte das Landgericht demgegenüber - wogegen indes schon die Begründung der angefochtenen Weisung spricht - der Frage, ob der Verurteilte während seiner Haftzeit Betäubungsmittel konsumiert hat, keine entscheidungserhebliche Bedeutung zuerkannt haben, fehlt es an einer nachvollziehbaren Begründung der Ermessensentscheidung. Insbesondere versteht sich die Erforderlichkeit der Abstinenz- und Kontrollweisung auf Grundlage des dem Senat vorgelegten Vollstreckungsheftes und der dort enthaltenen Ausfertigung des Urteils des Landgerichts Essen vom 23.08.2021 nicht von selbst. Allein der Umstand, dass der Verurteilung Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz zugrunde lagen, zeigt die Notwendig- und Zweckmäßigkeit einer Abstinenz- und Kontrollweisung noch nicht auf. Dies gilt vorliegend umso mehr, als die Leiterin der Justizvollzugsanstalt N. in ihrer Stellungnahme vom 10.10.2023 die Erteilung einer solchen Weisung nicht vorgeschlagen hat.
14b) Die in Ziffer 3 Buchstabe d) des Beschlusses vom 07.12.2023 enthaltene Kontrollweisung unterliegt zudem auch deshalb der Aufhebung, weil sie nicht dem Bestimmtheitsgebot genügt. Es bleibt unklar, auf welche Betäubungsmittel sich der Verurteilte Kontrollen unterziehen soll (vgl. zur Notwendigkeit einer Konkretisierung OLG Koblenz, Beschluss vom 10.10.2017 - 2 Ws 570/17, BeckRS 2017, 146245 Rn. 4 mwN). Dabei bedarf keiner Entscheidung, ob eine Beschränkung der Weisung auf bestimmte Arten von Betäubungsmitteln dann unterbleiben könnte, wenn sich der Betäubungsmittelkonsum des Verurteilten nicht nur auf einige wenige Drogenarten beschränkt hätte. Eine solche Konstellation ist den dem Senat vorliegenden Unterlagen nicht zu entnehmen.
153. Da der Senat nicht ausschließen kann, dass sich noch Umstände ergeben können, welche die Erteilung einer Abstinenz- und Kontrollweisung als gesetz- und zweckmäßig erscheinen lassen, ist die Sache zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittels (vgl. MüKoStPO/Maier § 473 Rn. 114) - an das Landgericht zurückzuverweisen. Der Senat merkt in diesem Zusammenhang an, dass fraglich erscheint, ob die im Vollstreckungsheft befindliche Ausfertigung des Urteils des Landgerichts Essen, die einen Widerspruch zwischen Tenor und Entscheidungsgründen hinsichtlich der verhängten Freiheitsstrafe beinhaltet, keinen nachvollziehbaren Sachverhalt enthält und auch den Namen des Richters am Ende der Entscheidung nicht ausweist, inhaltlich der unterschriebenen Urteilsurkunde entspricht.