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Die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 14.12.2023 gegen den Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht- Köln vom 11.12.2023 (301 F 203/23) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.
Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
2I.
3Die beteiligten Kindeseltern sind getrenntlebende Eheleute und Eltern von H., geboren am 00.00.0000, und einer weiteren Tochter, V., geboren 0000, für die sie die gemeinsame elterliche Sorge haben. Seit der Trennung der Eheleute im Jahr 0000 haben H. und ihre Schwester ihren Lebensmittelpunkt im Haushalt der Kindesmutter.
4H. besucht die erste Klasse der W.-A.-Schule in P.. Die Beteiligten streiten über die Anmeldung H.‘s zum „herkunftssprachlichen Unterricht“ in der Muttersprache des Antragstellers Y.. Mit Beschluss vom 11.12.2023 hat das Familiengericht Köln unter Zurückweisung des Hauptantrages dem Antragsteller auf seinen Hilfsantrag die Entscheidung über die Anmeldung von H. Z. L., geboren am 00.00.0000, zum herkunftssprachlichen Unterricht (Y.) bei der Städt. Kath. Grundschule, O.-straße N02, N03 P. zur alleinigen Ausübung übertragen.
5Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens und der Begründung des Amtsgerichts wird auf den Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 11.12.2023, Az. 301 F 203/23, Bezug genommen.
6Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde.
7Die Antragsgegnerin trägt unter Wiederholung, Vertiefung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens vor, der Teilnahme des Kindes am Y.-Unterricht grundsätzlich offen gegenüberzustehen. Ungeeignet sei jedoch der jetzige Zeitpunkt für den Unterrichtsbeginn, da sich das Kind nach der Einschulung in das erste Schuljahr noch in einer Eingewöhnungsphase befinde. H. sei mit dem Unterricht in der Grundschule ausgelastet und stehe unter Druck. Seitens der Klassenlehrerin sei mitgeteilt worden, dass H. Konzentrationsschwierigkeiten habe. Der Kindesvater manipuliere das Kind extrem und setze es unter Druck; so sei auch zu erklären, dass H. im Rahmen ihrer gerichtlichen Anhörung mitgeteilt habe, gerne am Y.-Unterricht teilnehmen zu wollen.
8Die Antragsgegnerin beantragt,
9den angefochtenen Beschluss aufzuheben und den Antrag des Antragstellers zurückzuweisen.
10Der Antragsteller beantragt,
11den Beschluss des Amtsgerichts Köln aufrechtzuerhalten und den Antrag der Kindesmutter zurückzuweisen.
12Er trägt in Ergänzung seines erstinstanzlichen Vorbringens vor, H. habe keine besonderen Einschulungs- oder Schulschwierigkeiten, die gegen ihre Teilnahme am herkunftssprachlichen Unterricht sprächen. Dies habe auch die Klassenlehrerin nicht mitgeteilt. Die Teilnahme am herkunftssprachlichen Unterricht habe keinen Einfluss auf die Frage, ob H. ein OGS-Platz zustehe. Es sei H.‘s eigener Wunsch, wie auch andere Mitschüler, am herkunftssprachlichen Unterricht teilzunehmen; diesem Wunsch H.‘s wolle er mit dem Verfahren zur Durchsetzung verhelfen.
13Das am Verfahren beteiligte Jugendamt der Stadt Köln hat unter dem 12.01.2024 schriftlich Stellung genommen und darauf hingewiesen, dass H. sich eindeutig in einem Loyalitätskonflikt befinde. Da sie jedoch ein sehr gutes und vertrauensvolles Verhältnis zu ihrem Vater zu haben scheine, sei es eher unwahrscheinlich, dass sie den Wunsch zur Teilnahme am Sprachkurs nur aufgrund eines starken Drucks durch den Kindesvater geäußert habe. Aus pädagogischer Sicht spreche nichts gegen eine Teilnahme am Sprachkurs; es sei dem Kind durchaus zuzutrauen, den Kurs ohne Probleme zu meistern und spielerisch seine Sprachkenntnisse auszubauen.
14Zwischen den Kindeseltern ist vor dem Familiengericht Köln mittlerweile ein weiteres Verfahren zu Az. 301 F 258/23 zu Fragen des Umgangs anhängig, in dem weitere Anhörungen stattgefunden haben, aus dem einzelne Unterlagen im vorliegenden Verfahren eingereicht wurden.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.
16II.
17Die gemäß §§ 58 ff. FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung die Alleinentscheidungsbefugnis über die Anmeldung des Kindes zum herkunftssprachlichen Unterricht (Y.) bei der Städt. Kath. Grundschule, O.-straße N02, N03 P. auf den Antragsteller und Kindesvater übertragen. Das Beschwerdevorbringen führt nicht zu einer abweichenden Entscheidung.
18Nach § 1628 S. 1 BGB kann das Familiengericht, wenn sich die Eltern bei gemeinsamer elterlicher Sorge in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen können, auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Das Familiengericht hat in diesem Fall den im Rahmen der Sorgerechtsausübung aufgetretenen Konflikt der Eltern zu lösen. Dabei ist entweder die gegenseitige Blockierung der Eltern durch die Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil zu beseitigen oder durch Zurückweisung des Antrags die Angelegenheit beim gegenwärtigen Zustand zu belassen. Ein Eingriff in die gemeinsame elterliche Sorge nach § 1628 BGB ist nur insoweit zulässig, als das Gericht einem Elternteil die Entscheidungskompetenz überträgt, nicht hingegen darf das Gericht die Entscheidung anstelle der Eltern selbst treffen (vergleiche BGH, Beschluss vom 03.05.2017 – XII ZB 157/16 -. Rnr. 14, juris).
19Ist eine Übertragung der Entscheidung im Sinne des §§ 1628 BGB auf einen Elternteil erforderlich, so erfolgt diese auf den Elternteil, der am besten geeignet erscheint, eine dem Kindeswohl dienliche Entscheidung zu treffen. Maßstab für die Entscheidung, ob und wenn ja auf welchen Elternteil die Alleinentscheidungsbefugnis zu übertragen ist, ist allein das Kindeswohl gemäß § 1697a BGB Hierbei ist zu berücksichtigten, welche Entscheidung unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten dem Wohl des Kindes am besten entspricht.
20Diese Kindeswohlinteressen erfordern die mit dem Antrag des Kindesvaters verfolgte Übertragung der Alleinentscheidungsbefugnis zur Teilnahme am herkunftssprachlichen Unterricht auf ihn.
21Der Kindesvater wünscht die Teilnahme des Kindes am Y. herkunftssprachlichen Unterricht in Ergänzung des regulären Grundschulunterrichts. Mit der Teilnahme am Sprachunterricht wird es H. in erster Linie ermöglicht, die Muttersprache ihres Vaters zu erlernen. In Anbetracht der nicht muttersprachlichen Deutschkenntnisse des Kindesvaters ist es positiv zu bewerten, wenn Kindesvater und Kind ihre sprachlichen Verständigungsmöglichkeiten auf diese Weise erweitern können. Neben dem reinen Spracherwerb wird dem Kind durch den herkunftssprachlichen Unterricht darüber hinaus die Möglichkeit eröffnet, seine eigenen Wurzeln und Anbindungen an das Herkunftsland seines Vaters, C., besser kennenzulernen.
22Die Kindesmutter hat im Rahmen des Verfahrens vorgetragen, keine grundsätzlichen Bedenken dagegen zu haben, dass das Kind an einem Y.-Unterricht teilnimmt; sie erachte lediglich den Zeitpunkt vor dem Hintergrund der Einschulung in das erste Schuljahr der Grundschule für ungeeignet und gehe von einer dadurch eintretenden Überforderung des Kindes aus. Wie das Amtsgericht in seinem Beschluss jedoch zutreffend ausgeführt hat, gibt es für eine solche Überforderung weder hinreichende Anhaltspunkte noch klare Anzeichen, wann ein geeigneter Zeitpunkt sein könnte.
23Anhaltspunkte für eine Überforderung des Kindes nach der Einschulung in das erste Schuljahr, die über ein übliches und zu erwartendes Maß hinausgingen, sind nicht erkennbar. Nach dem unstreitigen Vortrag hat bislang lediglich ein Gespräch der Kin-deseltern mit der Klassenlehrerin stattgefunden. Anlass für weitere Gespräche scheint es nicht gegeben zu haben. Das vorgelegte „KLEO“-Heft enthält ebenfalls keine Eintragungen, die auf besondere Auffälligkeiten im Verhalten, insbesondere Lernverhalten des Kindes schließen lassen würden. Dies entspricht auch der Mitteilung der Verfahrensbeiständin des Kindes, Frau Rechtsanwältin B. M., im Parallelverfahren vor dem Familiengericht Köln zu Az. 301 F 258/23, die Anfang Januar 2024 mit der Klassenlehrerin des Kindes telefoniert hat und berichten konnte, nach Ansicht der Klassenlehrerin sei H. ein fröhliches Kind, das gerne in die Schule gehe, und sich schulisch im guten Mittelfeld bewege.
24Der herkunftssprachliche Unterricht ist zudem auf den Fachunterricht in der Grundschule abgestimmt, so dass grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass auf die Bedürfnisse von Erstklässlern Rücksicht genommen wird.
25Schließlich ist auch nicht erkennbar, wann ein geeigneter Zeitpunkt sein könnte. Es ist derzeit leider weder absehbar, wann sich die durch den Trennungskonflikt der Eltern geprägte familiäre Situation der Familie spürbar verbessern wird, noch wann mit einer Entspannung der schulischen Situation unter Berücksichtigung der zu erwartenden steigenden Anforderungen in höheren Klassen zu rechnen sein sollte.
26Organisatorische Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Teilnahme am herkunftssprachlichen Unterricht bestehen nicht. Wie das Amtsgericht zutreffend festgestellt hat, gibt es keinen Nachweis dafür, dass die Teilnahme am Sprachunterricht negative Auswirkungen auf die Berechtigung des Kindes, einen OGS-Platz in Anspruch zu nehmen, haben könnte. Der Kindesvater hat zudem mitgeteilt, das Bringen und Abholen des Kindes im Zusammenhang mit dem Sprachunterricht im Falle der Verhinderung der Kindesmutter übernehmen zu können.
27Von besonderer Bedeutung im Rahmen der gebotenen Abwägung war der Wille, den H. geäußert hat. Im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung durch das Amtsgericht Köln am 30.10.2023 hat sie angegeben, dass sie gerne Y. lernen möchte. Bei einem Gespräch mit der Verfahrensbeiständin, Frau Rechtsanwältin M., im Parallelverfahren vor dem Amtsgericht Köln zu Az. 301 F 258/23 am 08.01.2024 hat H. dieser gegenüber ebenfalls mitgeteilt, Y. lernen zu wollen. Im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung durch das Familiengericht Köln am 11.01.2024 hat H. bekundet, sie gehe gerne in die Schule, sie komme gut mit und würde schon sehr gerne zum Y.-Unterricht gehen. Lediglich in einem im Haushalt der Kindesmutter geführten Gespräch mit Frau F. vom am Verfahren beteiligten Jugendamt am 04.01.2024 hat H. bekundet, sie wolle nicht Y. lernen. Diese Äußerung erfolgte im Zusammenhang mit der Bekundung, die „Y. Schule“ gefalle ihr von den Räumlichkeiten her nicht gut und sie wolle gerne Englisch lernen.
28In der gebotenen Gesamtschau vermag das Gericht hieraus keine grundsätzlich ablehnende Haltung des Kindes gegenüber dem Sprachunterricht zu erkennen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, als H. nach eigenen Bekundungen bis zum 11.01.2024 überhaupt noch nicht am Sprachunterricht teilgenommen hat. H. ist über einen mehrmonatigen Zeitraum hinweg immer wieder zur Frage des Sprachunterrichts angehört worden; zusammenfassend ist nach dem Ergebnis dieser Anhörungen davon auszugehen, dass der Wille des Kindes unter Berücksichtigung des jungen Alters stabil auf die Teilnahme am herkunftssprachlichen Unterricht gerichtet ist. Es ist auch davon auszugehen, dass dieser Wille nicht lediglich Ergebnis elterlichen Drucks ist; vielmehr ist H. durchaus bewusst, dass die elterlichen Wünsche im Gegensatz zueinander stehen und sie sich in diesem Spannungsfeld bewegt. Ihre am 04.01.2024 einmalig erfolgte Äußerung, sie wolle nicht Y. lernen, ist daher, der fachlichen Einschätzung des Jugendamts folgend, dem Loyalitätskonflikt geschuldet, in dem sich H. befindet, und nicht einem ernsthalfen Sinneswandel.
29III.
30Der Senat hat von einer erneuten persönlichen Kindesanhörung abgesehen. Nach § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG ist dies möglich, wenn die Anhörung bereits im ersten Rechtszug ohne Verletzung von zwingenden Verfahrensvorschriften vorgenommen worden ist (BGH BeckRS 2018, 34460 Rn. 5; 2018, 2888 Rn. 15; NJW 2017, 2687 Rn. 9). Weitere Voraussetzung ist, dass von einer erneuten Anhörung keine zusätzlichen oder neuen Erkenntnisse zu erwarten sind. Das ist der Fall, wenn der Sachverhalt einfach gelagert ist und das Beschwerdegericht nach Aktenlage entscheiden kann (BGH BeckRS 2015, 17289) bzw. wenn die erstinstanzliche Anhörung erst verhältnismäßig kurze Zeit zurückliegt und sich nach dem Inhalt der Akten keine neuen entscheidungserheblichen Tatsachen oder rechtliche Gesichtspunkte ergeben haben (vgl. BeckOK FamFG/Schlünder, 48. Ed. 1.11.2023, FamFG § 159 Rn. 30).
31H. ist zur streitgegenständlichen Frage am 30.10.2023 durch das Amtsgericht Köln ordnungsgemäß persönlich und ausführlich angehört worden. Ein Vermerk über die Kindesanhörung befindet sich in der Akte. Das gilt auch für weitere Gespräche mit dem Kind, die durch das am Verfahren beteiligte Jugendamt am 04.01.2024 und durch Frau Rechtsanwältin M. in ihrer Eigenschaft als Verfahrensbeiständin für H. am 06.01.2024 und am 08.01.2024 sowie durch das Familiengericht Köln am 11.01.2024 erfolgten. Diese Anhörungen standen zwar im Zusammenhang mit dem Parallelverfahren 301 F 258/23 vor dem Amtsgericht Köln, thematisiert wurde aber dennoch auch die Frage der Teilnahme am Y.-Unterricht. Von einer erneuten Anhörung des Kindes innerhalb weniger Wochen waren keine neuen Erkenntnisse zu erwarten. Hierbei war insbesondere zu berücksichtigen, dass das Kind sich mangels Teilnahme noch keinen eigenen Eindruck vom Ablauf des Sprachunterrichts machen konnte und sich auch im Übrigen keine neuen Tatsachen ergeben haben.
32Von der Durchführung eines Termins im Beschwerdeverfahren ist gemäß § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG ebenfalls abgesehen worden, da aus Sicht des Senats hiervon keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten waren. Die jeweils anwaltlich vertretenen Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Auch das am Verfahren beteiligte Jugendamt hat schriftlich Stellung genommen.
33Da sämtliche Beteiligten von der Möglichkeit zur abschließenden Entscheidung bereits Gebrauch gehabt haben, bedurfte es keiner Vorab-Entscheidung über den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Beschlusses gemäß § 64 Abs. 3 FamFG, sondern es konnte sogleich abschließend über die Beschwerde entschieden werden.
34Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 84 FamFG. Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf §§ 40 Abs. 1, 45 Abs. 1 Nr.1 FamGKG.
35Anlass für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 FamFG besteht nicht. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherheit einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht.