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1. Die Ankündigung, ein rechtlich nicht gebotenes Handeln zu unterlassen, kann sich als Drohung mit einem empfindlichen Übel darstellen.
2. Ein angedrohtes Übel ist indessen nicht „empfindlich“ im Sinne von § 253 StGB, wenn von dem Bedrohten erwartet werden kann, dass dieser der Drohung in be-sonnener Selbstbehauptung standhält.
3. Das ist in einem Fall anzunehmen, in dem ein Fluggast auf dem Flughafen E./I. im Sommer 2022 unter Beibehaltung seines Platzes in der Warteschlange vor dem Sicherheitsbereich, dem Ansinnen des angeklagten „Linemanagers“, ihn gegen einen geringen Geldbetrag an der Warteschlange vorbeizuführen, standhält.
I. Die Revision wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
II. Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten der Staatskasse, die auch die dem Angeklagten im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen hat, als unbegründet verworfen.
I.
2Die Staatsanwaltschaft Köln hat dem zur Tatzeit 20 Jahre alten Angeklagten mit Anklageschrift vom 30. Mai 2023 zur Last gelegt, sich am 23. Juli 2022 als Heranwachsender der versuchten Erpressung (§§ 253, 22, 23 StGB) schuldig gemacht zu haben.
3Als Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsunternehmens und sog. „Line-Manager“ am E./I. Flughafen habe der Angeklagte am Tattag von einem auf den Abflug in den Urlaub wartenden und in Anbetracht der extremen Wartezeiten in großer Sorge vor einem Verpassen des Fluges befindlichen Fluggast, dem Zeugen B., 50 € gefordert, um diesen im Gegenzug an der Warteschlange vorbeizuführen.
4Das Amtsgericht Köln hat es aus rechtlichen Gründen mit Beschluss vom 16. August 2023 abgelehnt, die Anklage zuzulassen und das Verfahren zu eröffnen.
5Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft hat die 4. große Strafkammer des Landgerichts Köln mit Beschluss vom 25. Oktober 2023 die Entscheidung des Amtsgerichts aufgehoben, die Anklage zugelassen und das Verfahren vor dem Amtsgericht - Jugendschöffengericht - Köln eröffnet.
6Mit Urteil vom 11. Dezember 2023 (651 Ls 114 Js 21/22 - 145/23) hat das Amtsgericht - Jugendschöffengericht - Köln den Angeklagten aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Der Angeklagte habe sich aufgrund des in der Hauptverhandlung festgestellten Sachverhalts nicht strafbar gemacht. Insbesondere könne sein Verhalten entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft nicht als versuchte Erpressung gewertet werden. Die Kosten des Verfahrens, einschließlich der Auslagen des Angeklagten hat das Amtsgericht im Urteil der Landeskasse auferlegt.
7Gegen diese Entscheidung wendet sich die Staatsanwaltschaft Köln im Wege der (Sprung-) Revision. Zugleich hat sie gegen die im Urteil getroffene Kostenentscheidung sofortige Beschwerde eingelegt.
8Das Amtsgericht hat in seinem Urteil folgende Feststellungen getroffen:
9„Der Angeklagte war im Juli 2022 am Flughafen E./I. für ein privates Sicherheitsunternehmen als sogenannter Line-Manager zur Ordnung und Entzerrung der damals erheblichen Warteschlangen tätig. Zu diesem Zeitpunkt herrschten an dem Flughafen chaotische Bedingungen an den Sicherheitskontrollen, was zu mitunter langen Wartezeiten führte. Die durch den Flughafen ausgesprochene Empfehlung war damals, sich ca. 4-5 Stunden vor Abflug zum Flughafen zu begeben. Der Angeklagte war in seiner Funktion auch befugt, ggf. einzelne Personen in Bereiche zu führen, in denen sie kürzer warteten.
10Am 23.07.2023 [Anm. d. Sen.: gemeint: 23.07.2022] gegen 9:30 befand sich der Zeuge B. mit einem Freund bereits seit ca. 1,5 Stunden am Flughafen. Nachdem sie bereits online eingecheckt und ihr Gepäck am Flughafen aufgegeben hatten, warteten sie darauf, die Sicherheitskontrolle passieren zu können. Sie standen hierbei in einer langen Schlange und es war auch an diesem Tag mit erheblichen Wartezeiten zu rechnen. Da sie befürchteten, ihren für ca. 12 Uhr angesetzten Flug zu verpassen, erkundigte sich der Zeuge B. im Internet, wie für die erfolgreiche Durchsetzung möglicher Schadenersatzansprüche weiter zu verfahren sei. Hierbei stieß er u.a. auf den Rat, sowohl der Fluggesellschaft, als auch dem Flughafen die lange Wartezeit und ein mögliches Verpassen des Fluges anzuzeigen, um sich später nicht Mitverschulden entgegen halten lassen zu müssen. Er sprach daher zunächst bei der Fluggesellschaft Ryanair vor, welche den gebuchten Flug ausführte. Sodann sprach er den Angeklagten an, den er durch seine Kleidung (eine Security-Weste) als Mitarbeiter des Flughafens identifiziert hatte. Ihn fragte er hierbei sodann auch, ob nicht ein „fast-Check-in“ möglich sei. Dem Zeugen war bekannt, dass dies bei manchen Fluggesellschaften, gelegentlich gegen einen Aufpreis, möglich war. Der Angeklagte sagte zum Zeugen B., dass dieser ihm nach draußen – in den Bereich vor dem Terminalgebäude – folgen solle, was dieser auch tat. Dort sagte der Angeklagte zum Zeugen: „Ich riskiere dafür zwar meinen Job, aber wieviel kannst Du machen? Einen Fuffi?“. Dem Zeugen war in diesem Moment bewusst, dass der Angeklagte hierdurch von ihm Geld für das Vorbeiführen an der Warteschlange verlangte und wies das Angebot mit einem „nein“ zurück, weil er die Bezahlung von derlei „Bestechungsgeldern“ grundsätzlich ablehnt. Der Angeklagte sagte sodann zu ihm: „Entweder ihr macht das und ich bringe Dich und deinen Kollegen nach vorne und spare euch 2,5 Stunden oder Ihr müsst auf den guten Willen von anderen Leuten hoffen. Kein Geld dabei?“
11Als der Zeuge B. sodann erneut und endgültig ablehnte, entfernte sich der Angeklagte in die Menschenmenge und der Zeuge ging zurück zu seinem Freund, welcher die gesamte Zeit über in der Warteschlange verblieben und zwischenzeitlich etwas vorgerückt war. Der Zeuge machte sich – auch weil er beruflich als Polizeibeamter arbeitet – Gedanken darüber, ob der Angeklagte sich hier in seiner Funktion als Security-Mitarbeiter einer Bestechlichkeit oder Vorteilsannahme strafbar machen könne und notierte sich zunächst den Gesprächsverlauf und –inhalt in seinem Handy. Nachdem er im weiteren Verlauf den Angeklagten erneut erblickte und sich in der Nähe zu Bundespolizisten befand, zeigte der Zeuge B. den Vorfall als „Bestechung“ an und bestand auf die Aufnahme einer Strafanzeige.
12Der Zeuge B. und sein Reisebegleiter bewegten sich in der Schlange weiter nach vorne und erreichten schließlich als Letzte den von ihnen gebuchten Flug.
13In der Folge wurde der Angeklagte als derjenige ermittelt, der mit dem Zeugen B. gesprochen hatte und verlor aufgrund des Vorfalles seinen Job am Flughafen.“
14Diesen Sachverhalt hat das Amtsgericht Köln hinsichtlich des Vorwurfs der versuchten Erpressung wie folgt rechtlich gewürdigt:
15„Auch eine Strafbarkeit wegen versuchter Erpressung gem. § 253 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, 22, 23 StGB ist im Ergebnis nicht gegeben.
16Eine solche läge nur dann vor, wenn der Angeklagte durch Drohung mit einem empfindlichen Übel versucht hätte, dem Vermögen des Genötigten einen Nachteil zuzufügen.
17a) Es fehlt jedoch bereits an der Drohung als solche. Zwar ist es inzwischen rechtlich anerkannt, dass eine Drohung i.S.d. §§ 240, 253 StGB auch in der Ankündigung des Unterlassens eines rechtlich nicht gebotenen Handelns liegen kann (so erstmals unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung: BGH, Beschluss vom 13. Januar 1983 – 1 StR 737/81 –, BGHSt 31, 195-202, juris). Die Staatsanwaltschaft sah im Rahmen der eigenen rechtlichen Würdigung dies vorliegend darin, dass mit der Forderung von 50 Euro für das Vorbeiführen an der Warteschlange auch zugleich denknotwendig die Drohung mit dem Unterlassen des Vorbeiführens einhergehe. Die rechtliche Entscheidung des Bundesgerichtshofes in der vorzitierten Entscheidung stellt zwar klar, dass grundsätzlich auch mit jedem Unterlassen gedroht werden kann, entbindet jedoch nicht davon, im Einzelfall festzustellen, ob tatsächlich mit einem Unterlassen – ggf. auch konkludent – gedroht wurde, oder ob es dem mutmaßlichen Täter nicht alleine auf das Fordern einer Geldleistung für eigenes Handeln ankam. Bei der Abgrenzung zwischen den in Betracht kommenden Willensrichtungen handelt es sich auch nicht um eine „rein semantische“ Betrachtung der Geschehnisse, sondern vielmehr um die zu ermittelnde Willensrichtung des möglichen Täters, mithin den subjektiven Tatbestand.
18Dem Angeklagten ging es im vorliegenden Fall bei seinem Handeln bereits nach objektiver Betrachtungsweise nicht darum, den Zeugen B. durch eine Drohung mit einem Übel zu einer Zahlung zu bewegen, sondern vielmehr alleine darum, sich für eigenes Handeln, welches für den Zeugen B. vorteilhaft wäre (nämlich das Vorbeiführen an der Schlange) Geld versprechen zu lassen. Dass die Handlung des Angeklagten von diesem Willen getragen war, zeigt sich bereits daran, dass er zu keinem Zeitpunkt damit gedroht hat, der Zeuge und sein Begleiter würden den Flug verpassen, wenn der Geldbetrag nicht gezahlt werden würde. Dies hätte jedoch zumindest nach der erstmaligen Ablehnung der Zahlung durch den Zeugen B. nahegelegen, wenn es dem Angeklagten gerade auf die Verknüpfung zwischen Drohung und der begehrten Geldzahlung angekommen wäre. Denn, wie sowohl der Angeklagte, als auch der Zeuge bestätigten, kam es an jenem Tag zu erheblichen Wartezeiten vor den Sicherheitskontrollen. Stattdessen hat der Angeklagte dem Zeugen B. auch zuletzt lediglich in Aussicht gestellt, dass dieser 2,5 Stunden Zeit spare und ansonsten auf den guten Willen anderer Gäste angewiesen sei. Eine Drohung ist hierin nicht zu erkennen.
19Auch die subjektive Wahrnehmung des Zeugen B. spricht nicht für ein Drohszenario. Der Zeuge schilderte weder in seinen Angaben gegenüber der Polizei, noch in seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung eine von ihm wahrgenommene Drohung, welche ihn zu einer Zahlung veranlassen sollte. Vielmehr hat der Zeuge in der gesamten Situation und auch danach, als er den Sachverhalt für sich selber rechtlich würdigte, das Handeln des Angeklagten so empfunden, dass dieser sich für ein Vorbeiführen an der Schlange Geld versprechen lassen wollte. Zwar kommt es für die Frage einer Strafbarkeit wegen einer versuchten Erpressung nicht alleine auf die Sicht des ggf. Genötigten an, da auch eine nicht als solche wahrgenommene Drohung als fehlgeschlagener Versucht strafrechtlich relevant sein könnte. Jedoch zeigt die Gesamtwürdigung der Äußerungen des Angeklagten einerseits und der Wahrnehmung des Zeugen andererseits, dass es dem Angeklagten eben gerade nicht um eine Drohung mit einem Unterlassen, sondern eben um das Versprechen lassen eines monetären Vorteils für die Vornahme einer Handlung ging.
20b) Selbst wenn man dies jedoch, entgegen der hier vertretenen Würdigung, anders beurteilen und in den Äußerungen des Angeklagten eine konkludente Drohung mit einem Unterlassen sehen würde, wäre vorliegend der Tatbestand der versuchten Erpressung nicht erfüllt.
21Denn das für den Fall der Nichtzahlung (vermeintlich) angedrohte Unterlassen des Vorbeiführens an der Warteschlange stellt kein „empfindliches Übel“ i.S.d. § 253 StGB dar. „Empfindlich“ ist ein angedrohtes Übel nur dann, wenn der in Aussicht gestellte Nachteil von solcher Erheblichkeit ist, dass seine Ankündigung geeignet erscheint, den Bedrohten im Sinne des Täterverlangens zu motivieren und von dem so Bedrohten in seiner Lage nicht erwartet werden kann, dass er der Drohung in besonnener Selbstbehauptung standhält (BGH, Beschluss vom 13. Januar 1983 – 1 StR 737/81 –, BGHSt 31, 195-202 und nachfolgend: BGH, Beschluss vom 28. Januar 1992 – 5 StR 4/92 –, juris).
22Unter Würdigung des konkreten Sachverhaltes ergeben sich keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass diese Voraussetzung objektiv oder subjektiv vorlagen. Zur Beurteilung der – konkret individuell – zu erwartenden „besonnenen Selbstbehauptung" müssen u.a. der Grad der Verantwortlichkeit für die konkrete Lage, die Lebensverhältnisse, der Bildungsstand, die Abhängigkeit des Opfers vom Täter, der Grad der Entfaltung der Persönlichkeit, die Zwangsintensität, die abverlangte Opferreaktion, das in Aussicht gestellte Übel, der Eintritt einer (wirtschaftlichen) Notlage und das Verhältnis von Zwang und Opferreaktion herangezogen werden (Münchner Kommentar zum StGB-Sinn, 4. Auflage 2021, § 240 Tz. 81 ff., Tz. 82).
23Im konkreten Fall handelte es sich bei der „bedrohten" Person um einen 23-jährigen Polizeibeamten, der sich aufgrund des von ihm gewählten Verkehrsmittels in eine Wartesituation am Flughafen gebracht hatte. Dies war ihm auch bewusst, da er sich, wie er selber im Rahmen der Hauptverhandlung geschildert hat, aufgrund der extremen Wartezeiten am E.-I. Flughafen im Sommer 2022 bereits 4 Stunden vor Abflug zum Flughafen begeben hatte. All dies geschah freiwillig und unter Inkaufnahme der erheblichen Wartezeiten. Er stand auch in keiner erkennbaren Abhängigkeit zum Angeklagten, den er ursprünglich alleine deshalb angesprochen hatte, weil er sich zivilrechtlich kein Mitverschulden entgegenhalten lassen wollte. Die Tatsache, dass der Zeuge B. den Angeklagten sodann auch nach der Möglichkeit eines „fast-Check-in“ fragte, deutet demnach nicht auf eine besondere Abhängigkeitssituation hin, sondern vielmehr darauf, dass der Zeuge auch diese Möglichkeit schlicht noch abfragen wollte. Der Zeuge B. hat sich sodann auch nach seinen Angaben sofort und endgültig dem Angebot, ihn gegen Zahlung von 50 Euro weiter nach vorne zu lassen, widersetzt. Auch schildert er die Zwangsintensität denkbar gering, denn der Angeklagte hat – wie bereits erörtert – nicht etwa großen Druck zur Zahlung aufgebaut, sondern lediglich gesagt, dass der Zeuge sonst auf den guten Willen von Anderen angewiesen sei wenn er nicht zur Zahlung bereit sei. Auch nach der nochmaligen Ablehnung der Zahlung durch den Zeugen hat sich der Angeklagte sofort wieder entfernt, ohne weiter auf den Zeugen einzuwirken oder ihm gar Drohszenarien auszumalen. Schließlich schildert der Zeuge – wie bereits oben dargetan – keinerlei eigene Zwangssituation sondern eher Verärgerung über das Verhalten des Angeklagten, der sich Geld für eigenes Handeln versprechen lassen wollte.
24Somit konnte nach den Angaben des Zeugen in der Hauptverhandlung und aufgrund des festgestellten Verhaltens des Angeklagten bereits objektiv keine Situation festgestellt werden, in der der Zeuge in seiner Integrität der freien Willensentschließung überhaupt beeinträchtigt war. Vielmehr konnte er nach dem Vorfall zu seinem Bekannten in die Schlange zurückkehren, wo dieser zwischenzeitlich etwas weiter vorgerückt war und schließlich auch aus eigener Kraft den Flug noch erreichen.
25Darüber hinaus fehlen auch objektive Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte subjektiv davon ausging, dass der Zeuge B. seiner vermeintlich konkludent ausgesprochenen Drohung nicht standhalten können würde. Der Angeklagte hat – wie bereits mehrfach dargetan – eine Zeitersparnis versprochen und angekündigt, dass man ansonsten auf den guten Willen von Dritten angewiesen sei. Aus diesen Äußerungen lässt sich nicht auf eine entsprechende innere Tatseite rückschließen, was jedoch für die Feststellung jedenfalls eines fehlgeschlagenen Versuches erforderlich wäre.
26Im Ergebnis stellt sich das – ohne Frage unmoralische und arbeitsrechtlich zu beanstandende – Angebot des Angeklagten somit lediglich als eine Erweiterung des Handlungsspielraumes des Zeugen dar, welches jedoch nicht den Strafvorwurf der versuchten Erpressung trägt.
27c) Da durch das „Angebot“ des Angeklagten die autonome Entscheidungsfreiheit des Zeugen nicht in erheblicher Weise beeinträchtigt worden ist und sein Handlungsspielraum allenfalls erweitert wurde, fehlt es überdies nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes schließlich auch an der Verwerflichkeit (BGH, Beschluss vom 13. Januar 1983 – 1 StR 737/81 –, Münchner Kommentar zum StGB-Sinn, 4. Auflage 2021, § 240 Tz. 90, juris). Hierauf kommt es jedoch nicht mehr entscheidend an.“
28Die Staatsanwaltschaft Köln rügt mit ihrer Revision die Verletzung materiellen Rechts. Der Angeklagte habe sich sehr wohl der versuchten Erpressung schuldig gemacht. Sie beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen.
29Die Generalstaatsanwaltschaft ist der Revision der Staatsanwaltschaft in ihrer Vorlageverfügung vom 14. März 2024 beigetreten. Auch sie ist der Ansicht, das amtsgerichtliche Urteil unterliege der Aufhebung.
30Der Angeklagte beantragt, die Revision der Staatsanwaltschaft zu verwerfen.
31II.
32Die zulässige (§ 335 Abs. 1 StPO) Sprungrevision der Staatsanwaltschaft Köln bleibt in der Sache ohne Erfolg.
33Bei einem Freispruch aus rechtlichen Gründen muss sich aus den Urteilsgründen ergeben, welche Tatsachen das Gericht für erwiesen erachtet hat und aus welchen Gründen das Gericht den festgestellten Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht für nicht strafbar erachtet (vgl. § 267 Abs. 5 S. 1 StPO).
34Diesen Anforderungen genügen die Urteilsgründe.
35Das Amtsgericht Köln hat in seiner sorgfältig begründeten Entscheidung dargelegt, welche Feststellungen es zur Sache getroffen hat. Zudem hat es den festgestellten Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht umfassend gewürdigt.
36Der Freispruch aus rechtlichen Gründen hält materiell-rechtlicher Nachprüfung stand.
37A.
38Das Amtsgericht geht zu Recht davon aus, dass der Angeklagte sich aufgrund des festgestellten Sachverhalts nicht der versuchten Erpressung im Sinne von §§ 253, 22, 23 StGB schuldig gemacht hat.
39Der Angeklagte hat dem Zeugen B. unter Zugrundelegung des festgestellten Sachverhalts nicht mit einem empfindlichen Übel gedroht.
40Der Senat brauchte hierbei letztlich nicht zu entscheiden, ob der Staatsanwaltschaft darin zuzustimmen ist, dass der Angeklagte dem Zeugen B. - entgegen der Ansicht des Amtsgerichts Köln - mit einem Übel gedroht hat. Denn selbst wenn der Angeklagte dem Zeugen mit einem Übel gedroht haben sollte (hierzu unter 1.), war das Übel für den Zeugen jedenfalls nicht „empfindlich“ (dazu unter 2.).
41Im Einzelnen:
421.
43Eine Drohung liegt vor, wenn der Täter ein Übel in Aussicht stellt, auf dessen Eintritt oder Verhinderung er Einfluss hat oder zu haben vorgibt (BGH NJW 1983, 765 = BGHSt 31, 195; Vogel/Burchard in Leipziger Kommentar zum StGB, 13. Aufl., § 253 Rdn. 10; Sander in Münchener Kommentar zum StGB, 4. Aufl., § 253 Rdn. 10). Dabei kann auch in der Ankündigung eines Unterlassens eine Drohung mit einem Übel liegen (BGH NJW 1983, 765 = BGHSt 31, 195; OLG Oldenburg NJW 2008, 3012; LG Essen, Urteil v. 12.03.2010 - 56 KLs 20/08 - juris).
44Der Angeklagte hat dem Zeugen B. für den Fall der Nichtzahlung ein Unterlassen in Aussicht gestellt. Denn seinen Äußerungen ist zu entnehmen, dass er es im Falle der Nichtzahlung unterlassen wird, den Zeugen und seinen Begleiter an der Warteschlange vorbei - näher heran an den Bereich der Sicherheitskontrolle - zu führen.
45Der Einordnung als Drohung steht insoweit nicht von vornherein entgegen, dass der Angeklagte nicht verpflichtet gewesen ist, den Zeugen B. und seinen Begleiter an der Warteschlange vorbeizuführen.
46Denn auch in der Ankündigung, ein rechtlich nicht gebotenes Handeln zu unterlassen, kann die Drohung mit einem empfindlichen Übel liegen (BGH NJW 1983, 765 = BGHSt 31, 195; OLG Oldenburg NJW 2008, 3012; LG Essen, Urteil v. 12.03.2010 - 56 KLs 20/08 - juris; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 253 Rdn. 9; Sander in Münchener Kommentar zum StGB, 4. Aufl., § 253 Rdn. 12). Für den Motivationsdruck, der von einer Drohung ausgeht, kommt es nicht darauf an, was der Täter tun oder unterlassen darf, sondern darauf, welches Übel als Folge seines Verhaltens (angeblich) eintreten wird (BGH NJW 1983, 765 = BGHSt 31, 195; Sander in Münchener Kommentar zum StGB, 4. Aufl., § 253 Rdn. 12).
47Allerdings setzt eine Verurteilung nach § 253 Abs. 1 StGB voraus, dass der Täter dem Bedrohten ein Übel in Aussicht stellt. Unter einem Übel wird herkömmlich jede vom Betroffenen als nachteilig empfundene Veränderung der Außenwelt verstanden (BGH NJW 2014, 401; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 253 Rdn. 6, § 240 Rdn. 32; Valerius in BeckOK StGB, Stand: 01.02.2024, § 240 Rdn. 36). Da sich dieses Verständnis des Übels in bestimmten Fallgestaltungen - wie auch in vorliegender Sache - als zu eng erweisen könnte, wird der Begriff des Übels teilweise auch etwas weiter gefasst, und zwar als „etwas Unangenehmes, Nachteiliges und den Umständen nach zu Vermeidendes“, verstanden, was das Opfer hinsichtlich seiner Motivation zu dem vom Täter gewollten Verhalten zu bestimmen vermag (Sinn in Münchener Kommentar zum StGB, 4. Aufl., 240 Rdn. 71).
48Bei der Würdigung, was dem Bedrohten in Aussicht gestellt wird und ob hierin die Drohung mit einem Übel liegt, ist auf den objektiven Empfängerhorizont abzustellen (BGH NJW 2014, 401; Vogel/Burchard in Leipziger Kommentar zum StGB, 13. Aufl., § 253 Rdn. 12). Ob sich der Bedrohte seiner subjektiven Wahrnehmung nach bedroht fühlt, ist - angesichts des objektiv zu bestimmenden Erklärungswerts der Aussage - nicht entscheidend.
49Hiernach kommt es maßgeblich darauf an, wie die Äußerung des Angeklagten
50„Entweder ihr macht das und ich bringe Dich und deinen Kollegen nach vorne und spare euch 2,5 Stunden oder Ihr müsst auf den guten Willen von anderen Leuten hoffen.“
51für einen objektiven Empfänger zu verstehen war.
52Demgegenüber kann das Inaussichtstellen eines Übels - entgegen der Argumentation des Amtsgerichts - nicht bereits mit der Begründung verneint werden, dass es dem Angeklagten nicht auf eine Drohung „ankam“ und eine solche nicht seiner „Willensrichtung“ entsprach.
53Gleichwohl ist es - auch unter Berücksichtigung des objektiven Erklärungswertes - nicht zu beanstanden, wenn das Amtsgericht die Äußerung des Angeklagten dahin interpretiert, dass der Angeklagte dem Zeugen für den Fall der Nichtzahlung nicht mit dem sicheren Verpassen des Fluges gedroht hat. Denn bei Zugrundelegung des objektiven Erklärungswerts der Äußerung hat der Angeklagte dem Zeugen tatsächlich nicht aufgezeigt, dass dieser und sein Begleiter ihren Flug bei Nichtzahlung in jedem Fall - sicher - verpassen werden.
54Aus Sicht eines objektiven Empfängers hat der Angeklagte vielmehr lediglich erklärt, dass der Zeuge und sein Begleiter bei Nichtzahlung „auf den guten Willen“ anderer Leute angewiesen seien. Der Angeklagte hat damit darauf verwiesen, dass der Zeuge in Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit und der langen Wartezeiten vor der Sicherheitskontrolle das Risiko eingeht, seinen Flug möglicherweise zu verpassen, wenn ihnen nicht noch andere Leute zu Hilfe kommen. „Andere Leute“ in diesem Sinne waren verständigerweise andere Security-Mitarbeiter, die bereit sind, den Zeugen und seinen Begleiter (ohne Gegenleistung) an der Warteschlange vorbeizuführen oder aber andere Fluggäste, die den Zeugen und seinen Begleiter in der Warteschlange vorlassen bzw. ein Vordrängeln dulden.
55Der Angeklagte hat hiermit auch nicht nur eine - nicht unter § 253 StGB fallende - „Warnung“ ausgesprochen und den Zeugen lediglich vor einem möglichen Verpassen des Fluges „gewarnt“. Bei einer Warnung gibt der Täter - anders als bei einer Drohung - nicht vor, Einfluss auf den Eintritt oder das Hindern des Eintritts des Übels zu haben (vgl. BGH NJW 2014, 401; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 253 Rdn. 5; Vogel/Burchard in Leipziger Kommentar zum StGB, 13. Aufl., § 253 Rdn. 13). Vorliegend hat der Angeklagte sehr wohl vorgegeben, Einfluss auf das Hindern des Eintritts des Übels - das mögliche Verpassen des Fluges - zu haben. Denn er erklärte, den Zeugen und seinen Begleiter an der Warteschlange vorbeiführen zu können. Hiernach war er - anders als im Falle einer bloßen Warnung - „Herr des Geschehens“.
56Entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft hat der Angeklagte dem Zeugen allerdings keine „Verschlechterung“ seiner Situation in Aussicht gestellt. Die Lage des Zeugen blieb vielmehr - im Vergleich zur Situation vor dem Kontakt mit dem Angeklagten - unverändert. Denn schon vor dem Kontakt mit dem Angeklagten hatte sich der Zeuge in ernsthafter Sorge befunden, seinen Flug aufgrund der extremen Wartezeiten möglicherweise zu verpassen. Für den Zeugen blieb es damit - auch im Falle der Nichtzahlung der 50 € - beim „Status quo“. Bei Nichtzahlung konnte er wieder an seinen Platz in der Warteschlange zurückkehren, an welchem sein Begleiter auf ihn wartete. Der Angeklagte hat dem Zeugen mithin für den Fall der Nichtzahlung eine unveränderte Lage in Aussicht gestellt. Die Lage des Zeugen war - und blieb - misslich.
57Zu einer solchen Fallgestaltung, bei welcher der Täter mit einem erlaubten Unterlassen droht und sich die Situation für den Bedrohten nicht verschlechtert, wird in der Literatur teilweise die Ansicht vertreten, hierin könne keine tatbestandsmäßige Drohung mit einem empfindlichen Übel im Sinne von § 253 Abs. 1 StGB liegen (vgl. ausführlich zur Problematik der Drohung mit einem rechtmäßigen Unterlassen im Bereich der Nötigung: Hoven, ZStW 2016, 173; Roxin, ZStW 2017, 277). Solches sei nur denkbar, wenn mit der Vornahme der Handlung durch den Bedrohten ein sonst bevorstehendes Übel abgewendet werde („Eingriffs-Unterlassungsdrohung“), wenn also das angedrohte Unterlassen auf eine empfindliche Verschlechterung der Lage des Bedrohten hinauslaufe (Vogel/Burchard in Leipziger Kommentar zum StGB, 13. Aufl., § 253 Rdn. 16). In Fällen, in denen der Adressat - wie hier - lediglich vor die Wahl gestellt sei, sich eine erwünschte Veränderung einer Situation oder seiner Lebensumstände zu erkaufen oder es bei seinem - misslichen - Status quo zu belassen, sei hingegen davon auszugehen, dass nur der Handlungsspielraum des Bedrohten erweitert, nicht aber die Autonomie seiner Entschlüsse in strafwürdiger Weise angetastet werde (Vogel/Burchhard in Leipziger Kommentar, 13. Aufl., § 253 Rdn. 16).
58Auch der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in einer Entscheidung vom 22. April 1998 (5 StR 5/98, NJW 1998, 2612 = BGHSt 44, 68) darauf hingewiesen, dass eine Strafbarkeit nach § 253 StGB „eher fern“ liegen könne, wenn mit der Unterlassung einer Handlung gedroht werde, auf welche der Bedrohte keinen Anspruch habe. Die Entscheidung des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 13. Januar 1983 (1 StR 737/81 - NJW 1983, 765 = BGHSt 31, 195) sei vielfach als zu weitgehend kritisiert worden. Indes weist der 5. Strafsenat in seiner Entscheidung auch darauf hin, dass sich eine nur eingeschränkte Interpretation des Tatbestandes - wie sie von den Kritikern der Entscheidung des 1. Strafsenats vorgeschlagen werde - bezogen auf die Gesamtheit der zu beurteilenden Fallkonstellationen letztlich doch als „zu restriktiv“ erweisen könne. So seien etwa Fälle zu bedenken, in denen die Fortdauer eines Übels für den Adressaten ein besonderes, dem Eintritt eines neuen Übels gleichwertiges Gewicht erlange, oder in denen dem Adressaten eine Gegenleistung abverlangt werde, die für ihn eine besonders schwere Zumutung darstelle.
59Hiernach geht der Senat - mit dem Bundesgerichtshof - davon aus, dass auch in dem Unterlassen eines erlaubten Handelns, welches zu keiner Verschlechterung der Lage des Bedrohten führt und dessen Status quo unverändert lässt, grundsätzlich die tatbestandsmäßige Drohung mit einem Übel liegen kann. In einem solchen Fall liegt das „Übel“ - entgegen der herkömmlich verwendeten Definition - allerdings nicht in einer „Veränderung der Außenwelt“, sondern stellt sich vielmehr eher als „etwas Unangenehmes, Nachteiliges und den Umständen nach zu Vermeidendes“ dar (vgl. Sinn in Münchener Kommentar zum StGB, 4. Aufl., 240 Rdn. 71).
60Für die von der Staatsanwaltschaft vertretene Ansicht, dass der Angeklagte dem Zeugen ein Übel in Aussicht gestellt hat, ließe sich vorliegend anführen, dass nicht nur das sichere, sondern auch das mögliche Verpassen des Fluges für den Zeugen angesichts der hiermit verbundenen erheblichen Unannehmlichkeiten einen empfundenen Nachteil - etwas Nachteiliges - darstellen kann. Denn mit dem Risiko, den Flug zu verpassen, geht - über den damit verbundenen Ärger hinaus - die Sorge vor entgangener Urlaubsfreude, vor finanziellen Mehrkosten und einem organisatorischen Mehraufwand einher. Gegen die Annahme eines Übels ließe sich hingegen argumentieren, dass die Fortdauer des Übels, den gebuchten Flug möglicherweise zu verpassen, für den Zeugen B. weder ein besonderes, dem Eintritt eines neuen Übels gleichwertiges Gewicht erlangt hat noch von ihm eine Gegenleistung abverlangt wurde, die für ihn eine besonders schwere Zumutung darstellte.
61Im Ergebnis brauchte der Senat dies nicht abschließend zu entscheiden.
622.
63Denn selbst unterstellt, dass der Angeklagte dem Zeugen ein Übel angedroht hat, war dieses Übel für den Zeugen jedenfalls nicht „empfindlich“.
64„Empfindliches Übel“ im Sinne von § 253 Abs. 1 StGB ist jeder Nachteil, der so erheblich ist, dass seine Ankündigung geeignet erscheint, den Bedrohten im Sinne des Täterverlangens zu motivieren (BGH NJW 1983, 765 = BGHSt 31, 195; BGH NStZ 1987, 222; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 253 Rdn. 6 i.V.m. § 240 Rdn. 32a; Sander in Münchener Kommentar zum StGB, 4. Aufl., § 253 Rdn. 11; Valerius in BeckOK StGB, Stand: 01.02.2024, § 240 Rdn. 37). Ob das, was angekündigt ist, ein empfindliches Übel ist, bestimmt sich auch hier aus der Sicht des Empfängers (BGH NJW 2014, 401).
65Hiernach mag zwar der Hinweis des Angeklagten, dass der Zeuge seinen Flug möglicherweise verpassen wird, im Grundsatz noch geeignet gewesen sein, den Zeugen zur Zahlung der geforderten 50 € zu motivieren.
66Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs fehlt es indes an der Empfindlichkeit des Übels, wenn von dem Bedrohten in seiner Lage erwartet werden kann, dass er der Drohung in besonnener Selbstbehauptung standhält (BGH NJW 1983, 765 = BGHSt 31, 195; OLG Oldenburg NJW 2008, 3012; OLG Hamm NStZ-RR 2013, 312; LG Essen, Urteil v. 12.03.2010 - 56 KLs 20/08 - juris). Zur Beurteilung der individuell zu erwartenden „besonnenen Selbstbehauptung“ ist auf den konkreten (nicht auf einen durchschnittlichen) Bedrohten in seiner jeweiligen Situation abzustellen (vgl. Sinn in Münchener Kommentar zum StGB, 4. Aufl., § 240 Rdn. 82).
67Die Würdigung des Amtsgerichts, der Zeuge B. habe der Drohung des Angeklagten in besonnener Selbstbehauptung standhalten können, weist keine Rechtsfehler auf.
68Dies gilt auch unter Berücksichtigung, dass der Angeklagte nicht wissen konnte, dass der Zeuge B. von Beruf Polizist ist. Denn der Zeuge war auf dem Weg in den Urlaub, so dass ihm sein Beruf nicht durch seine Kleidung äußerlich anzusehen war. Indes kann von jedermann ein gewisses Maß an Standhaftigkeit erwartet werden (Fischer, StGB, 71. Aufl., § 253 Rdn. 6 i.V.m. § 240 Rdn. 32a). Insbesondere die bloße Ankündigung von Schwierigkeiten oder Weiterungen irgendwelcher Art erfüllt noch nicht den Tatbestand der Drohung mit einem empfindlichen Übel (vgl. BGH NJW 1976, 760).
69Insoweit gilt hier:
70Der Zeuge hat sich freiwillig und in Kenntnis der im Sommer 2022 - nach der Corona-Pandemie - üblichen extremen Wartezeiten an deutschen Flughäfen zum E./I. Flughafen begeben. Nach den Feststellungen hatte er sich entsprechend den Empfehlungen vier Stunden vor dem geplanten Abflug am Flughafen eingefunden. Der Zeuge hat damit extreme Wartezeiten von vornherein in Kauf genommen. Er war nicht der einzige betroffene Fluggast, der sich sorgte, seinen Flug zu verpassen. Eine Vielzahl der in den Warteschlangen befindlichen Mitreisenden wird am Tattag ebenfalls darauf gewartet haben, die Sicherheitskontrolle endlich passieren und die gebuchten Flüge noch erreichen zu können. Dem Zeugen blieb zudem auch bei Nichtzahlung die Möglichkeit, den Flug zu erreichen. Denn er und sein Begleiter rückten bei normalem Verlauf der Dinge immer etwas weiter in der Warteschlange nach vorne; sie konnten also darauf hoffen, allein durch ihren Verbleib in der Warteschlange - durch stetiges Vorrücken - die Sicherheitskontrolle und damit den Flug noch rechtzeitig zu erreichen. Überdies blieb ihnen die Option, andere Personen um Hilfe zu bitten, seien es andere Mitarbeiter des Flughafens, die ihnen beim schnelleren Vorankommen behilflich sind, seien es andere Fluggäste, die sie aktiv vorlassen oder ihr „Vordrängeln“ zumindest dulden. Den Urteilsgründen ist so auch zu entnehmen, dass der Zeuge und sein Begleiter ihren Flug - trotz Nichtzahlung - als Letzte noch erreicht haben. Der Zeuge bekundete, der Flug habe „durch ein Anstellen weiter vorne in der Schlange“ noch erreicht werden können (S. 7 UA). Die Zwangsintensität war unter diesen Gesamtumständen - gerade unter Berücksichtigung, dass sich der Status quo durch den Kontakt mit dem Angeklagten für den Zeugen nicht verschlechtert hat - derart gering, dass von dem Zeugen erwartet werden konnte, dem Ansinnen des Angeklagten in besonnener Selbstbehauptung standzuhalten. Der Zeuge hat dem Ansinnen auch standgehalten.
71Es bestehen auch keine Anhaltspunkte, dass sich der Angeklagte irrig eine Situation vorgestellt hat, in der der Zeuge seinem Ansinnen nicht in besonderer Selbstbehauptung hatte standhalten können. Hiergegen spricht insbesondere, dass der Zeuge den Angeklagten lediglich nach einem „fast-Check-in“ gefragt und bereits auf das erste Ansinnen des Angeklagten („Wieviel kannst du machen? Einen Fuffi?“) sogleich ablehnend reagiert hat.
72Eine Strafbarkeit wegen versuchter Erpressung kam nach alledem nicht in Betracht.
73B.
74Das Amtsgericht hat auch eine Strafbarkeit nach anderen Vorschriften des Strafgesetzbuchs geprüft, eine solche aber zu Recht verneint. Eine solche sieht auch die Staatsanwaltschaft selbst nicht.
751.
76Eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr gemäß § 299 StGB scheidet aus, weil nicht „im geschäftlichen Verkehr“ gehandelt wurde. Der Zeuge B. wurde als Privatperson angesprochen. Geschäfte mit privaten (End-) Verbrauchern zählen nicht zu einem geschäftlichen Verkehr (vgl. Krick in Münchener Kommentar zum StGB, 4. Aufl., § 299 Rdn. 146; Momsen/Laudien in BeckOK StGB Stand: 01.02.2024, § 299 Rdn. 31; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 299 Rdn. 20).
772.
78Auch eine Strafbarkeit wegen Vorteilsannahme (§ 331 StGB) bzw. Bestechlichkeit (§ 332 StGB) hat das Amtsgericht zutreffend verneint.
79Bei dem Angeklagten handelt es sich nach dem festgestellten Sachverhalt insbesondere nicht um einen Amtsträger im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 c) StGB.
80Amtsträger ist nach dieser Vorschrift, wer im Auftrag einer Behörde oder sonstigen Stelle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt.
81Nach den Feststellungen des Amtsgerichts ist der Angeklagte am Flughafen E./I. für ein privates Sicherheitsunternehmen als „Line-Manager“ zur Ordnung und Entzerrung der seinerzeit erheblichen Warteschlangen tätig gewesen. Als Servicemitarbeiter fungierte er als Ansprechpartner für Flughafengäste. Er konnte Personen gegebenenfalls in Bereiche führen, in denen die Wartezeit kürzer war. Seine Aufgabe bestand darin, bei der Organisation und Ordnung der Warteschlangen vor der Sicherheitskontrolle zu helfen.
82Eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung hat er damit nicht wahrgenommen.
83Zwar stellt die am Flughafen erfolgende Sicherheitskontrolle eine hoheitliche - mithin öffentliche - Aufgabe dar (vgl. BGH, Hinweisbeschluss v. 14.12.2017 - III ZR 48/17, NJW 2018, 1396; BGH, Urteil v. 08.12.2022 - III ZR 204/21, NJW 2023, 691).
84Nach § 5 Abs. 1 LuftSiG kann die Luftsicherheitsbehörde Personen, welche den Sicherheitsbereich des Flugplatzes betreten haben oder betreten wollen, durchsuchen oder in sonstiger geeigneter Weise überprüfen. Sie ist befugt, Passagiere, die den Abfertigungsbereich eines Flughafens betreten wollen, und das von ihnen mitgeführte Handgepäck zu durchsuchen. Zuständige Luftsicherheitsbehörde ist die Bundespolizei (§ 4 Abs. 1 BPolG). Die Bundespolizei kann gemäß § 16a Abs. 1 LuftSiG natürliche Personen sowie teilrechtsfähigen Vereinigungen und juristischen Personen des Privatrechts als Beliehenen die Wahrnehmung bestimmter Aufgaben bei der Durchführung von Sicherheitsmaßnahmen übertragen. In der Praxis geschieht eine solche Auslagerung von Aufgaben an private Sicherheitsunternehmen auch häufig. Derart beliehene „Luftsicherheitsassistenten“ nehmen dann hoheitliche Aufgaben wahr (vgl. Schaefer, NJW 2019, 3029; Risse, Anmerkung zu BGH NJW 2018, 1396). Denn die Verantwortung bleibt beim Staat, auch wenn private Sicherheitsunternehmen tätig werden.
85Eine solche Beleihung hat vorliegend indes nicht stattgefunden. Auch hat der Angeklagte keine Aufgaben übernommen, die der hoheitlich auszuführenden Sicherheitskontrolle im Sinne von § 5 Abs. 1 LuftSiG oder anderen hoheitlichen Kontrollaufgaben zuzurechnen wären. Er war vielmehr - noch vor dem eigentlichen Bereich der Sicherheitskontrolle - als Servicemitarbeiter bei der Ordnung und Organisation der Warteschlangen eingesetzt.
86In der Literatur ist zwar jüngst die Ansicht vertreten worden, dass das Umgehen von Warteschlangen durch Vorteilszuwendungen an Gatekeeper als Bestechungsunrecht strafbar sein könne (Zimmermann/Stolz, JZ 2024, 233). Bei den organisierenden Mitarbeitern der Flughafenbetreiber handele es sich ungeachtet der privatrechtlichen Organisationsform deutscher Verkehrsflughäfen um Amtsträger im strafrechtlichen Sinne. Daher handele es sich bei der Einrichtung von Airport Fast Lanes um einen Fall der „Beschleunigungskorruption“.
87Der Senat schließt sich jedoch der in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Auffassung an, dass sich aus den Regelungen des Luftsicherheitsgesetzes und des Bundespolizeigesetzes eine klare Trennung des Verantwortungsbereichs des privaten Flughafenbetreibers von dem hoheitlichen Sicherheitsbereich ergibt (BGH, Urteil v. 08.12.2022 - III ZR 204/21, NJW 2023, 691). Danach gehört die Organisation der Zuführung der Passagiere zu den Kontrollstellen vor dem eigentlichen Sicherheitsbereich, die einen möglichst reibungslosen Ablauf der Kontrollen ermöglichen soll, grundsätzlich zu den Aufgaben des Flughafenbetreibers und nicht zum hoheitlichen Aufgaben- und Verantwortungsbereich der Luftsicherheitsbehörde (vgl. AG Erding NJW 2017, 1123 mit Anm. Führich; LG Düsseldorf, Urteil v. 15.05.2018 - 2b O 179/15, BeckRS 2018, 19384; LG Bonn, Urteil v. 10.10.2018 - 1 O 155/18, BeckRS 2018, 26417; BGH, Urteil v. 08.12.2022 - III ZR 204/21, NJW 2023, 691; Schaefer, NJW 2019, 3029).
88III.
89Die Kostenbeschwerde ist unbegründet. Die vom Amtsgericht im angefochtenen Urteil getroffene Kostenentscheidung entspricht der gesetzlichen Regelung des § 467 Abs. 1 StPO (vgl. SenE v. 06.02.2018 - III-1 RVs 300/17; SenE v. 14.09.2017 - III-1 RVs 21/18; SenE v. 20.05.2022 - III-1 RVs 64-65/22). Allgemein gilt: Hat die Revision Erfolg und führt sie zur Urteilsaufhebung, ist die sofortige Beschwerde gegenstandslos (BGH, Beschluss v. 08.06.2016 - 2 StR 539/15 - juris). Ist die Revision unbegründet, ist auch die sofortige Beschwerde gegen die auf § 467 Abs. 1 StPO bzw. § 473 Abs. 1 S. 1 StPO beruhende Nebenentscheidung unbegründet.
90IV.
91Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt jeweils aus § 473 Abs. 1 u. Abs. 2 StPO.