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Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss der 16. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 15.02.2024 (16 O 220/23) wird zurückgewiesen.
Gründe:
2I.
3Der Kläger macht gegen die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit Zahlungsansprüche u.a. im Zusammenhang mit Online-Glücksspielen geltend, an denen der Kläger auf den Internetseiten der Beklagten teilgenommen hat.
4Nach erfolgter Anhörung der Parteien hat das Landgericht mit Beschluss vom 15.02.2024 (Bl. 40 f. LGeA) das Verfahren gemäß § 148 ZPO analog bis zu der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem dort anhängigen Verfahren C-440/23 ausgesetzt. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass die dem Gerichtshof durch ein maltesisches Zivilgericht vorgelegten Fragen auch für den vorliegend zu entscheidenden Fall entscheidungserheblich seien.
5Gegen diesen Beschluss wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde vom 01.03.2024 (Bl. 46 ff. LGeA). Er führt hierzu aus, dass das Vorabentscheidungsverfahren des Gerichtshofs nicht präjudiziell sei für den vorliegenden Rechtsstreit.
6Mit Beschluss vom 06.03.2024 (Bl. 51 LGeA) hat das Landgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat vorgelegt.
7II.
8Die sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg.
91.
10Die sofortige Beschwerde ist zulässig.
11Gemäß § 252 ZPO findet gegen die Entscheidung, durch die die Aussetzung des Verfahrens angeordnet oder abgelehnt wird, die sofortige Beschwerde statt.
12§ 252 ZPO ist zwar einschränkend dahin auszulegen, dass eine sofortige Beschwerde nicht statthaft ist, soweit das Gericht das Verfahren in Verbindung mit einer Vorlageentscheidung an ein höheres Gericht ausgesetzt hat, was sich aus dem allgemeinen prozessrechtlichen Grundsatz ergibt, dass Instanzgerichte ihre Sachentscheidung ohne Steuerung und Einflussnahme von außen treffen dürfen und müssen (vgl. Senat, Beschluss vom 15.12.2023 – 19 W 25/23, juris Rn. 9; OLG Brandenburg, Beschl. v. 06.10.2014 – 4 W 33/14, juris Rn. 14; OLG Celle, Beschl. v. 10.10.2008 – 9 W 78/08, juris Rn. 1; OLG Köln, Beschl. v. 13.05.1977 – 6 W 80/76, juris Rn. 24 ff.; Jaspersen in: BeckOK, ZPO, 51. Edition, Stand. 01.12.2023, § 252 Rn. 4; Stackmann in: Münch. Komm. ZPO, 6. Aufl. 2020, § 252 Rn. 17).
13Im vorliegenden Fall erfolgte die Aussetzung indes nicht in Verbindung mit einer eigenen Vorlageentscheidung, sondern im Hinblick auf die Vorlage durch ein anderes Gericht.
14In der obergerichtlichen Rechtsprechung besteht Uneinigkeit bezüglich der Frage, ob § 252 ZPO auch für den Fall auszuschließen ist, in dem die Aussetzung damit begründet wird, es gelte die Entscheidung über die Vorlage in einer Parallelsache abzuwarten. Teilweise wird insoweit die Anfechtbarkeit von isolierten Aussetzungsbeschlüssen, die nicht mit einer eigenen Vorlage des aussetzenden Gerichts an den Gerichtshof der Europäischen Union verbunden sind, mit der Begründung bejaht, dass die Parteien durch die Aussetzung mit einem fremden Vorlageverfahren konfrontiert würden, das nicht Teil des auszusetzenden Zivilprozesses sei, so dass im Rechtsweg zumindest die Klärung ermöglicht werden müsse, ob eine Parallelsache vorliegt und deshalb eine Aussetzung gerechtfertigt ist (vgl. OLG Braunschweig, Beschl. v. 14.02.2022 – 4 W 16/21, juris Rn. 34 ff.). Die Gegenauffassung verneint die Anfechtbarkeit isolierter Aussetzungsbeschlüsse demgegenüber mit der Begründung, dass es aus der Sicht der Parteien keinen Unterschied mache, ob das Ausgangsgericht wegen derselben Frage, über die vom Europäischen Gerichtshof bereits aufgrund der Vorlage eines anderen Gerichts vorab zu entscheiden ist, eine unanfechtbare weitere Vorlageentscheidung trifft oder ob es lediglich die Vorabentscheidung in dem anderen Verfahren abwartet; mit der Entscheidung über die Aussetzung bringe das Gericht zum Ausdruck, dass es, hätte nicht bereits ein anderes Gericht die Frage vorgelegt, die identische Auslegungsfrage an den Europäischen Gerichtshof richten würde (vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 06.10.2014 – 4 W 33/14, juris Rn. 16 ff.; OLG Celle, Beschl. v. 10.10.2008, 9 W 78/08 – juris Rn. 3).
15Der Senat folgt der erstgenannten Auffassung. Der allgemeine prozessrechtliche Grundsatz, dass Instanzgerichte ihre Sachentscheidung ohne Steuerung und Einflussnahme von außen treffen dürfen und müssen, verbietet zwar auch in der vorliegenden Konstellation eine umfassende Überprüfung der Aussetzungsentscheidung. Es muss im Rechtsweg jedoch zumindest geklärt werden können, ob eine „Parallelsache“ vorliegt, d.h. eine Aussetzung in entsprechender Anwendung von § 148 ZPO dem Grunde nach in Betracht kommt (vgl. Senat, Beschluss vom 23.01.2024 – 19 W 1/24, juris Rn. 11; so auch Jaspersen, a.a.O., § 252 Rn. 4).
162.
17In der Sache hat die sofortige Beschwerde indes keinen Erfolg.
18Aus den vorgenannten Gründen ist mit der sofortigen Beschwerde lediglich überprüfbar, ob eine Aussetzung in entsprechender Anwendung von § 148 ZPO dem Grunde nach in Betracht kommt.
19In entsprechender Anwendung von § 148 ZPO kann ein Verfahren ausgesetzt werden, wenn ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV beim Gerichtshof anhängig ist, das eine Rechtsfrage zum Gegenstand hat, die auch für das vorliegende Verfahren entscheidungserheblich ist (vgl. BGH, Beschl. v. 11.02.2020 – XI ZR 648/18, juris Rn. 48 m.w.N.).
20Diese Voraussetzungen liegen vor. Gegenstand des Vorabentscheidungsverfahren ist insbesondere die Rechtsfrage, ob das in § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 enthaltene Verbot des Veranstaltens und Vermittelns öffentlicher Glücksspiele im Internet mit Unionsrecht vereinbar ist. Die Vorschrift des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 und damit auch die Frage ihrer Anwendbarkeit kann auch für den vorliegenden Rechtsstreit entscheidungserheblich werden, da der Anspruch des Klägers auf Rückzahlung seiner Spieleinsätze jedenfalls in Bezug auf die bis zum 30.06.2021 durchgeführten Glücksspiele maßgebend davon abhängt, ob die zwischen den Parteien zustande gekommenen Verträge unwirksam sind, was insbesondere wegen eines Verstoßes gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 in Betracht kommt.
213.
22Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da sowohl die Ausgangsentscheidung des Landgerichts über die Aussetzung des Verfahrens als auch das Beschwerdeverfahren Bestandteile des Hauptverfahrens darstellen (vgl. BGH, Beschl. v. 12.12.2005 – II ZB 30/04, juris Rn. 12).