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Das Versäumnisurteil des Senats vom 02.02.2024 (Az. 19 U 76/23) bleibt insoweit aufrechterhalten, als die Beklagte in Abänderung des am 08.05.2023 verkündeten Urteils der 25. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Köln (Az. 25 O 106/22) verurteilt worden ist, an den Kläger 118.557,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.04.2022 zu zahlen,
sowie, den Kläger von den Kosten der vorprozessualen Tätigkeit des Rechtsanwalts E. U. in Höhe von 2.729,50 EUR freizustellen.
Weiterhin wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger Zinsen aus dem Betrag von 118.557,46 € in in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für die Zeit vom 21.10.2020 bis zum 15.04.2022 zu zahlen.
Im Übrigen werden das Versäumnisurteil aufgehoben, die Berufung zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.
Die weiteren Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur nach Maßgabe vorstehender Anordnungen fortgesetzt werden.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 118.837,46 € festgesetzt.
Gründe
2I.
3Wegen des erstinstanzlichen Sachvortrags, des Hergangs des erstinstanzlichen Verfahrens und wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
4Im Hinblick auf die Frage, ob der Beklagte über die Website der Beklagten und mittels der an diese geleisteten Einzahlungen neben der Teilnahme an Sportwetten auch an Casinospielen teilgenommen hat, ist in zweiter Instanz folgender Sachvortrag unstreitig geworden:
5Der Kläger eröffnete bei der Beklagten auf Grundlage des mit ihr geschlossenen Rahmenvertrages ein Spielerkonto, mit dem er über die Website der Beklagten Zugriff auf Online-Sportwetten und auf die Online-Casinospielangebote der R. D. Y. hatte. Sämtliche Zahlungen des Klägers erfolgten auf das Konto der Beklagten. Die Casinospiele waren mit dem Sportwettenangebot auf der Website der Beklagten verlinkt. Für die Teilnahme an Casinospielen klickte der Kläger jeweils auf das verlinkte Angebot und konnte mittels des auf seinem Spielerkonto bei der Beklagten befindlichen Guthabens an Casinospielen der R. D. Y. teilnehmen. Hierzu erfolgte ein sog. Chip Transfer. Mittels dieser Transfers tätigte der Kläger in der Zeit vom 06.02.2013 bis zum 21.10.2020 die in der Anlage BK 8 (Bl. 427-468 d. A.) aufgelisteten Einsätze für Casinospiele in der nach Abzug von Gewinnauszahlungen verbleibenden Gesamthöhe von 75.364,09 €. In demselben Zeitraum nahm der Kläger für Sportwetten bei der Beklagten Spieleinsätze in einer nach Abzug von Gewinnauszahlungen verbleibenden Gesamthöhe von 43.473,37 € vor.
6In der Zeit ab dem 09.10.2020 erfolgten die nachfolgend dargestellten Chip-Transfers für Casinospiele:
709.10.2020 19:42 CHIPTRANSFER 220 €
809.10.2020 19:46 CHIPTRANSFER 250 €
909.10.2020 19:48 CHIPTRANSFER 200 €
1009.10.2020 19:51 CHIPTRANSFER 220 €
1109.10.2020 20.01 CHIPTRANSFER 80 €
12(vgl. Anl. BK8, S. 42, Bl. 468 d. A.).
13Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger stehe unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Rückzahlung der verlorenen Wetteinsätze zu. Insbesondere bestehe kein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB, weil das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien wirksam gewesen sei. Zwar habe die Beklagte über keine Konzession verfügt und so formal gegen § 4 Abs. 1 GlüStV 2012 verstoßen. Da aber die Ordnungsbehörden in dem in Rede stehenden Zeitraum das Angebot von Sportwetten – nur solche hat das Landgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt - nicht hätten untersagen können, sei im Umkehrschluss auch kein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB anzunehmen. Eine etwaige Spielsucht habe der Kläger unzureichend dargelegt.
14Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung:
15Er erläutert seine Rechtsansichten zur Anwendbarkeit von § 134 BGB (S. 6 f. der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 125 f. d. A.). Eine etwaige Duldung stehe der Anwendung von § 134 BGB nicht entgegen (S. 9 f. der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 128 f. d. A.). § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 sei mit Unionsrecht vereinbar. Eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit sei aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt, da sie der Verwirklichung der Ziele des Verbraucherschutzes und des Schutzes der Sozialordnung diene (S. 10 f. der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 129 f. d. A.). Der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung stehe dem nicht entgegen (S. 13 f. der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 132 f. d. A.). Auch die §§ 814, 817 S. 2 BGB stünden dem Anspruch nicht entgegen (S. 15 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 134 d. A.). Weiter erläutert er seine Ansicht, es bestehe auch ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV und § 284 StGB (S. 18-21 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 137-140 d. A.).
16Der Kläger vertritt die Auffassung, es bestehe auch ein Rückforderungsanspruch hinsichtlich der in der Zeit nach dem 09.10.2020 getätigten Einsätze. Zwar sei der Beklagten am 09.10.2022 eine Konzession für Online-Sportwetten erteilt worden. Entscheidend sei jedoch, dass sie die Rahmenverträge mit ihren Kunden nicht erneuert habe; deren Nichtigkeit könne nicht durch nachträgliche Legalisierung geheilt werden (S. 16 f. der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 135 f. d. A.).
17Der Kläger behauptet, die Beklagte habe auch Live- und Ereignis-Wetten angeboten, zu denen er die Ansicht vertritt, diese seien nicht erlaubnisfähig gewesen (S. 7-9 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 126-128 d. A.), dies auch in der Zeit nach Konzessionserteilung (S. 17 der Berufungsbegründungsschrift, Bl. 136 d. A.).
18Mit Versäumnisurteil vom 02.02.2024 hat der Senat die Beklagte antragsgemäß auf die Berufung des Klägers hin in Abänderung des angefochtenen Urteils verurteilt, an den Kläger 118.837,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.04.2022 zu zahlen und den Kläger von den Kosten der vorprozessualen Tätigkeit des Rechtsanwalts E. U. in Höhe von 2.729,50 € freizustellen. Gegen dieses ihm am 13.02.2024 (s. Bl. 391 d. A.) zugestellte Versäumnisurteil hat die Beklagte mit am 21.02.2024 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz (Bl. 395 d. A.) Einspruch eingelegt.
19Die Beklagte beantragt nunmehr
20das Versäumnisurteil vom 02.02.2024 aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen.
21Der Kläger beantragt,
22das Versäumnisurteil vom 02.02.2024, Az. 19 U 76/23, aufrechtzuerhalten und die Beklagtenpartei zu verurteilen, auf die Hauptforderung Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.10.2020 zu zahlen.
23Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung gegenüber den Angriffen der Berufung. Sie erläutert ihren Rechtsstandpunkt, es sei eine aktive Duldung anzunehmen, welche zu einer genehmigungsähnlichen Situation im Sinne eines rechtskonformen Zustandes geführt habe (S. 4-13, 26 der Berufungserwiderungs-schrift, Bl. 164-173, 186 d. A.). Sie behauptet, in dem in Rede stehenden Zeitraum keine Live-Wetten angeboten zu haben und vertritt hierzu die Auffassung, die auf den klägerseits vorgelegten Screenshots dargestellten Live-Wetten seien zulässig gewesen (S. 13, 31, 34 der Berufungserwiderungsschrift, Bl. 173, 191, 194 d. A.); im Übrigen sei § 21 Abs. 4 GlüStV 2012 keine Schutznorm, sondern eine bloße Ordnungsvorschrift (S. 32 der Berufungserwiderungsschrift, Bl. 192 d. A.).
24Die Rechtsprechung, die in Zusammenhang mit Online-Sportwetten Nichtigkeit der Verträge annehme, gehe fehlerhaft von der Erforderlichkeit einer Erlaubnis aus (S. 14 der Berufungserwiderungsschrift, Bl. 174 d. A.). Die Beklagte erläutert ihren Rechtsstandpunkt zu der ihrer Ansicht aus europarechtlichen Gründen anzunehmenden Unwirksamkeit sowie Unanwendbarkeit von § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 (S. 15-22 der Berufungserwiderungsschrift, Bl. 175-182 d. A.). Wolle ein Gericht hiervon abweichen, sei es zur Vorlage an den EuGH verpflichtet (S. 22-25 der Berufungserwiderungsschrift, Bl. 182-185 d. A.). Sowohl bereicherungsrechtlich als auch schadensrechtlich müsse der dem Kläger zugutegekommene Unterhaltungswert in Abzug gebracht werden (S. 36-38 der Berufungserwiderungsschrift, Bl. 196-198 d. A.). Sie erläutert ihren Rechtsstandpunkt zur Frage des Bestehens deliktischer Ansprüche (S. 39-48 der Berufungserwiderungsschrift, Bl. 199-208 d. A.).
25Die Beklagte meint, die Verjährungsfrist habe für die in den Jahren 2013-2018 getätigten Einsätze unabhängig vom Erlangen einer etwaigen Erkenntnis der Rechtswidrigkeit der Angebote der Beklagten bereits jeweils mit Tätigung der Einsätze zu laufen begonnen, da der Kläger bereits zu diesem Zeitpunkt alle anspruchsrelevanten Tatsachen gekannt habe (S. 48 f. der Berufungserwiderungs-schrift, Bl. 208 f. d. A.). Dass die Beklagte nicht über eine deutsche Erlaubnis verfügt habe, müsse als dem Kläger bekannt angesehen werden, da die Beklagte auf ihrer Website angegeben habe, über eine maltesische Lizenz zu verfügen (S. 50 der Berufungserwiderungsschrift, Bl. 210 d. A.). Es sei auch keine Verschiebung des Verjährungsbeginns wegen einer unsicheren und zweifelhaften Rechtslage anzunehmen (S. 51-54 der Berufungserwiderungsschrift, Bl. 211-214 d. A.).
26Die Beklagte ist der Ansicht, für die Zeit nach Konzessionserteilung am 09.10.2020 seien wirksame Verträge anzunehmen; es werde mit jedem Spieleinsatz ein gesonderter Vertrag geschlossen und der Kläger habe den ursprünglichen Rahmenvertrag durch weitere Wetteinsätze jeweils i. S. d. § 141 Abs. 2 BGB bestätigt (S. 35 der Berufungserwiderungsschrift, Bl. 195 d. A.).
27II.
28Auf den zulässigen Einspruch der Beklagten hin war das Versäumnisurteil weitestgehend aufrechtzuerhalten, weil die Berufung überwiegend Erfolg hat, da die Klage in dem ausgesprochenen Umfange zulässig (s. u. 1.) und begründet (s. u. 2.) ist. Aufzuheben war das Versäumnisurteil wegen eines Betrages von 280 €, weil die Berufung insoweit unbegründet ist, da die Klage insoweit unbegründet ist (s. u. 3.).
291.
30Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die internationale Zuständigkeit gegeben. Diese folgt aus Art. 18 Abs. 1 EuGVVO, da es sich bei dem Kläger um einen Verbraucher im Sinne von Art. 17 Abs. 1 EuGVVO handelt. Als Verbraucher ist (in autonomer Auslegung) jede natürliche Person anzusehen, die Verträge zur Deckung ihres privaten Eigenbedarfs schließt, sofern diese nicht ihrer gegenwärtigen oder zukünftigen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden können. Verbraucher ist daher auch die Person, die einen Vertrag über die Teilnahme an Online-Sportwetten, Online-Poker oder anderen Online-Glücksspielen mit dem Ziel abschließt, daraus erhebliche Gewinne zu erwirtschaften (Gottwald in: Münchener Kommentar zur ZPO, Band 3, 6. Auflage 2022, Art. 17 Brüssel Ia-VO, Rn.2).
31Auch richtet die Beklagte ihre Tätigkeit auf Deutschland aus. So sind ihre Glücksspielangebote gerade auch in deutscher Sprache verfügbar. Wird den Verbrauchern auf der Website die Verwendung einer anderen Sprache als derjenigen ermöglicht, die in dem Mitgliedstaat des Gewerbetreibenden üblicherweise verwendet wird, so kann dies einen Anhaltspunkt bilden, der die Annahme erlaubt, dass die Tätigkeit des Gewerbetreibenden auf andere Mitgliedstaaten ausgerichtet ist (EuGH, Urteil vom 07.12.2010 - C-585/08, C-144/09, juris Rn. 84). Vorliegend kommt durch das Angebot in deutscher Sprache und die für den deutschen Sprachraum geschaltete Werbung die Absicht der Beklagten zum Ausdruck, um deutsche Kunden zu werben. Von der Regelung gemäß Art. 17, 18 EuGVVO erfasst sind auch Bereicherungsansprüche als Folge der Rückabwicklung des Vertrages (Gottwald, a.a.O., Rn. 5).
32In der Rechtsfolge kann der Kläger als Verbraucher nach Art. 18 Abs. 1 EuGVVO den Gerichtsstand an seinem Wohnsitz wählen, der neben der internationalen zugleich auch die örtliche Zuständigkeit umfasst (vgl. Gottwald, a.a.O., Art. 18 Brüssel Ia-VO, Rn. 4).
332.
34Die Klage ist in Höhe von 118.557,46 € nebst Zinsen sowie wegen des Freistellungsanspruchs hinsichtlich vorgerichtlicher Anwaltskosten begründet.
35a)
36Die Anwendung deutschen Rechts folgt aus Art. 6 Abs. 1 lit b) Rom-I-VO. Hiernach unterliegt ein Verbrauchervertrag dem Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern der Unternehmer seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit auf diesen Staat ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend aufgrund der zur internationalen Zuständigkeit aufgezeigten Umstände erfüllt.
37b)
38Dem Kläger steht gegen die Beklagte aus § 812 Abs. 1, S. 1, 1. Alt. BGB ein Anspruch auf Zahlung von 118.557,46 € zu.
39aa)
40Die Beklagte hat einen Vermögensvorteil durch Gutschrift der Spieleinsätze des Klägers auf ihren Konten erlangt.
41Unter einer Leistung im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB ist die bewusste und zweckgerichtete Vermehrung fremden Vermögens zu verstehen, wobei für die Bestimmung der Personen des Leistenden und des Empfängers aus objektivierter Empfängersicht auf den Zweck abzustellen ist, den die Beteiligten im Zeitpunkt der Zuwendung nach ihrem zum Ausdruck gekommenen Willen mit der Zuwendung verfolgt haben – entscheidend ist, wie eine vernünftige Person in der Lage des Empfängers die Zuwendung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen musste und durfte (BGH, Urteile vom 14.01.2016 – III ZR 107/15, juris, Rn. 34; vom 25.02.2016 – IX ZR 146/15, juris, Rn. 21; vom 31.01.2018 – VIII ZR 39/17, juris, Rn. 17). Diese Grundsätze sind auch für den Bereicherungsausgleich in Mehrpersonenverhältnissen anzuwenden (BGH, Urteil vom 14.01.2016 - III ZR 107/15, juris, Rn. 34; vom 31.01.2018 – VIII ZR 39/17, juris, Rn. 17).
42aaa)
43Vorliegend musste die Beklagte die Zahlungen der Klägerin als an sie gerichtete Zuwendungen verstehen, da die Klägerin sie erbrachte, um damit eine notwendige Vorbedingung für die Teilnahme an Spielen aus dem auf der Website der Beklagten dargestellten Sportwetten- sowie dem verlinkten Casinospielangebot der R. D. Y. zu erfüllen. Eine Weiterleitung sowohl der Zahlungen an die R. D. Y. im Wege sog. Chip-Transfers sollte demgegenüber vereinbarungsgemäß jeweils erst nach erfolgter Zahlung erfolgen, so dass bezogen auf den Zeitpunkt der Zahlungsbewirkung die R. D. Y. die jeweilige Einzahlung nicht als an sie gerichtete Zuwendung verstehen konnte.
44bbb)
45Die Tatsache, dass für die Teilnahme an Casinospielen ein Link angeklickt und ein Chip-Transfer beauftragt werden musste, rechtfertigt nicht die bereicherungsrechtliche Bewertung der Rolle der Beklagten als bloße Zahlstelle oder einer Anweisungsempfängerin in sog. Anweisungskonstellationen.
46Für eine Anweisungskonstellation ist kennzeichnend, dass die Person des Anweisenden eine Anweisung an die Person des Angewiesenen erteilt, der sodann der von ihm getroffenen, allseits richtig verstandenen Zweckbestimmung entsprechend, mit seiner Zuwendung an den Empfänger zugleich eine eigene Leistung an den Anweisenden und eine Leistung des Anweisenden an den Anweisungsempfänger bewirkt (vgl. BGH, Urteile vom 16.07.1999 - V ZR 56/98, juris, Rn. 7 und vom 24.04.2001 – VI ZR 36/00, juris, Rn. 10).
47Demgegenüber geht die Position der Beklagten bei Entgegennahme und Verwaltung der Spielergelder weit über die Rolle eines Anweisungsempfängers hinaus. So erscheint der Link zu Casinospielen auf der Website der Beklagten als eine von verschiedenen Spielmöglichkeiten. Sämtliche Einzahlungen richteten sich an die Beklagte und waren dazu zu dienen bestimmt, Zugang zu dem auf der Website der Beklagten dargestellten Glücksspielangebot einschließlich des verlinkten Angebotes von Casinospielen zu erhalten.
48ccc)
49Selbst wenn man entgegen vorstehender Darlegungen einen Anweisungsfall im vorstehend dargestellten Sinne annähme, führte dies indes nicht zur Ablehnung einer Leistungsbeziehung zwischen der Klägerin und der Beklagten, da die Behandlung von Anweisungsfällen unter dem Vorbehalt des Verbotes schematischer Lösungen steht und zur sachgerechten bereicherungsrechtlichen Abwicklung derartiger Vorgänge stets auf die konkreten Umstände des Einzelfalles abzustellen ist (vgl. nur BGH, Urteile vom 25.09.1986 – VII ZR 349/85, juris, Rn. 9; vom 19.09.2014 - V ZR 269/13, juris, Rn. 22; vom 29.10.2020 – IX ZR 212/19, juris, Rn. 19). Die aufgezeigten Besonderheiten bei der Gestaltung der Website der Beklagten einschließlich der Verlinkung zu Casinospielen zwingen zu der Annahme, dass die Klägerin mit ihren Einzahlungen Zuwendungen an die Beklagte hat vornehmen wollen und die Beklagte dies auch so verstehen konnte und musste.
50ddd)
51Schließlich wäre bei Anwendung der Grundsätze zur bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung in Anweisungsfällen auch zu beachten, dass diese nur zur Anwendung gelangen, wenn die Anweisungserklärung wirksam ist (BGH, Urteile vom 20.03.2001 – XI ZR 157/00, juris, Rn. 17; vom 05.11.2020 – I ZR 193/19, juris, Rn. 23). Daran würde es vorliegend fehlen. Die Nichtigkeit der zwischen dem Kläger und der Beklagten und/oder zwischen dem Kläger und der R. D. Y. geschlossenen Verträge (s. u. unter bb) würde auch eine etwaige in ihnen enthaltene Anweisung erfassen.
52bb)
53Die zwischen dem Kläger und der Beklagten oder/und der R. D. Y. zustande gekommenen Verträge sind gemäß § 134 BGB nichtig, da sie gegen § 4 Abs. 1, Abs. 4 GlüStV 2012 verstießen. Diese unionsrechtskonformen Regelungen stellen gesetzliche Verbote im Sinne des § 134 BGB dar (BGH, Beschluss vom 22.03.2024 – I ZR 88/23, juris, Rn. 12, 19 ff.).
54aaa)
55Dies gilt zunächst hinsichtlich der Casinospiele, da nach § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 das Veranstalten von Glücksspielen im Internet verboten war.
56Die Vorschrift des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 war im fraglichen Zeitraum wirksam und auch materiell mit dem Unionsrecht vereinbar, insbesondere stellte sie keine inkohärente Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs gemäß Art. 56 AEUV dar (vgl. hierzu ausführlich: BGH, Urteil vom 28.09.2011 - I ZR 92/09, juris, Rn. 33 ff. zur gleichlautenden Norm des § 4 Abs. 4 GlüStV 2008; BGH, Urteil vom 22.07.2021 - I ZR 194/20, juris, Rn. 45; BVerwG, Urteil vom 26.10.2017 - 8 C 18/16, juris, Rn. 38 ff.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.04.2022 - 23 U 55/21, juris, Rn. 48; OLG Köln, Urteil vom 10.05.2019 - 6 U 196/18, juris, Rn. 70, 82; Senatsurteile vom 31.10.2022, 19 U 51/22, juris, Rn. 53 und vom 17.11.2023, 19 U 123/22, juris, Rn. 28; OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.04.2023 - 14 U 256/21, juris, Rn. 60-71; OLG Dresden, Urteil vom 31.05.2023 - 13 U 1753/22, BeckRS 2023, 12231, Rn. 30ff.).
57Dass der von § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 bewirkte Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit des Art. 56 AEUV gerechtfertigt ist, wird nicht dadurch infrage gestellt, dass das Verbot im Glücksspielstaatsvertrag 2021 zu Gunsten eines Verbots mit Erlaubnisvorbehalt entfallen ist. Denn entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich aus der Öffnung des Onlinemarkts für Glücksspiele mit dem Glücksspielstaatsvertrag 2021 nicht, dass sich die besondere Gefährlichkeit des Online-Glücksspiels nicht bewahrheitet hätte. Die Neuregelung stellt sich vielmehr als eine Reaktion auf die nach Inkrafttreten des GlüStV 2012 zu verzeichnende Entwicklung dar, dass das Verbot von Online-Glücksspielen den (insbesondere vom Ausland aus operierenden) Schwarzmarkt nicht eindämmen konnte, sondern dieser sogar angewachsen ist mit der Folge, dass die weiterhin geltenden Ziele des § 1 S. 1 GlüStV 2012 nicht effektiv verwirklicht werden konnten; darauf, dass das Internetverbot zur Erreichung dieser Ziele von vornherein ungeeignet war, kann hieraus nicht geschlossen werden (vgl. hierzu ausführlich OLG Brandenburg, Urteil vom 16.10.2023 - 2 U 36/22, juris, Rn. 45 ff.).
58bbb)
59Daneben ist auch ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 4 Abs. 1 GlüStV 2012 festzustellen, der sowohl die Casinospiele als auch das Sportwettenangebot der Beklagten betrifft.
60Gemäß § 4 Abs. 1 GlüStV 2012 durften öffentliche Glücksspiele nur mit Erlaubnis der zuständigen Behörde des jeweiligen Landes veranstaltet oder vermittelt werden; das Veranstalten und das Vermitteln ohne diese Erlaubnis (unerlaubtes Glücksspiel) war verboten.
61Diese Vorschrift betraf öffentliche Glücksspiele aller Art und beinhaltete danach eine Grundregelung, die auch für Online-Sportwetten galt.
62Mangels Erlaubnis war auch das Angebot der Online-Sportwetten formell rechtswidrig.
63Unstreitig verfügte die Beklagte – jedenfalls vor dem 9.10.2020 - nicht über eine Erlaubnis der für den Wohnsitz des Klägers in Nordrhein-Westfalen zuständigen nationalen Behörde und ermöglichte es dem in H./Nordrhein-Westfalen wohnhaften Kläger dennoch, an von der Beklagten veranstalteten Internet-Glücksspielen und -Sportwetten teilzunehmen.
64ccc)
65Es kann auch nicht von einem Erlaubnisäquivalent etwa in Form einer aktiven Duldung ausgegangen werden.
66Eine aktive Duldung ergibt sich insbesondere nicht aus dem Umlaufbeschluss der Cheffinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder vom 08.09.2020. Hierin heißt es zwar, dass der Vollzug gegen unerlaubte Glücksspielangebote auf diejenigen Anbieter konzentriert werde, bei denen abzusehen sei, dass sie sich der voraussichtlichen zukünftigen Regulierung entziehen wollen (S. 4 des Umlauf-beschlusses). Eine Erklärung, dass die unerlaubten Internet-Glücksspielangebote der weiteren Anbieter akzeptiert würden, ist hiermit aber ersichtlich nicht verbunden (siehe zur fehlenden Legalisierungswirkung des Umlaufbeschlusses auch: BGH, Urteil vom 22.07.2021 - I ZR 194/20, juris, Rn. 52 ff.; Beschluss vom 22.03.2024 – I ZR 88/23, juris, Rn. 25). Entsprechendes gilt für die gemeinsamen Leitlinien der obersten Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder vom 30.09.2020 darüber, in welchen Fällen die Vollzugsbehörden gegen unerlaubte Glücksspielangebote einschreiten sollen und in welchen nicht. Diese das Eingriffsermessen der Vollzugsbehörden steuernde Vorgehensweise diente ausschließlich einer einheitlichen kapazitätswahrenden Vorgehensweise der Exekutive im Vorgriff auf eine erwartete Neuregulierung (vgl. OVG NRW, Urteil vom 10.03.2021 - 4 A 3178/19, juris, Rn. 63).
67Das Rechtswidrigkeitsverdikt wird im Übrigen durch eine etwaige passive oder aktive Duldung der Internet-Sportwetten und/oder Casinospiele durch die für eine etwaige Ahndung zuständigen Behörden ebenso wenig in Frage gestellt wie durch verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, kraft derer eine Einschätzung der Beklagten, es sei mit behördlichen Maßnahmen gegen ihr Angebot bzw. das Glücksspielangebot der R. W. Y. nicht zu rechnen, gerechtfertigt gewesen sein mag.
68Denn die Frage des durch zivilrechtliche Anspruchsgrundlagen gewährten Schutzes privater (natürlicher oder juristischer) Personen einerseits und die Frage der verwaltungsbehördlichen Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Verhaltenspflichten andererseits sind grundsätzlich unabhängig voneinander zu beantworten. Der Bestand und die Durchsetzbarkeit eines zivilrechtlichen Anspruchs (hier aus § 812 Abs. 1 BGB) hängt nicht davon ab, ob mit einer Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Verhaltenspflichten seitens der zuständigen Behörden zu rechnen ist, weshalb eine Berufung darauf, die zuständige Verwaltungsbehörde sei gegen einen Gesetzesverstoß nicht vorgegangen, zivilrechtlich nicht verfängt und insbesondere der Anwendung von § 134 BGB nicht entgegensteht (vgl. BGH, Urteil vom 22.07.2021 - I ZR 194/20, juris, Rn. 53; KG, Urteil vom 06.10.2020 - 5 U 72/19, juris, Rn. 53; OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.04.2022 - 23 U 55/21, juris, Rn. 49; OLG Dresden, Urteil vom 27.10.2022 - 10 U 736/22, juris, Rn. 48 ff.).
69Selbst wenn in Zusammenhang mit einer Duldung öffentlich-rechtliche Sanktionen nicht hätten erfolgen können oder/und die materiellen Voraussetzungen einer Erlaubniserteilung vorgelegen hätten (vgl. hierzu aber unten) oder/und ein Anspruch auf Erteilung einer Konzession bestanden hätte, so führte dies demgemäß nicht dazu, dass ohne tatsächliche Konzessionserteilung oder in der Zeit vor der Erteilung in dem allein zivilrechtlich zu bewertenden Verhältnis zum spielenden Verbraucher zu dessen Nachteil der Schutz des GlüStV 2012 entfiele und aus dem verbotenen Angebot eines Online-Glücksspiels bereits ein erlaubtes Online-Glücksspiel würde (vgl. LG Köln, Urteil vom 30.03.2023, 36 O 290/20, juris, Rn. 46).
70ddd)
71Abweichendes lässt sich auch nicht aus dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung herleiten, da dieser einer unterschiedlichen Erfassung eines Lebenssachverhaltes im öffentlich-rechtlichen Regelungskontext gegenüber der Behandlung in Zusammenhang mit der Frage des Eingreifens einer zivilrechtlichen Anspruchsgrundlage nicht entgegensteht. Der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips verpflichtet die rechtsetzenden Organe des Bundes und der Länder, die Inhalte von Rechtssätzen so aufeinander abzustimmen, dass den Normadressaten keine gegenläufigen Regelungen erreichen (vgl. BVerfG, Urteil vom 07.05.1998, 2 BvR 1991/95, juris, Rn. 58; vgl. hierzu auch Ossenbühl in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, 3. Aufl., § 100, Rn. 85 ff.). Dieser Grundsatz ist jedoch nicht verletzt, wenn der Normgeber mit abweichenden Regelungen der Eigenart der verschiedenen Regelungsbereiche Rechnung trägt, was insbesondere unterschiedliche Wertungen im Zivilrecht gegenüber dem öffentlichen Recht rechtfertigen kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.07.1969, 1 BvR 457/66, juris, Rn. 21 zu unterschiedlichen Wertungen im Steuer- und Handelsrecht).
72Mit diesem Gehalt ist der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung von der fachgerichtlichen Rechtsprechung aufgegriffen worden (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 22.12.1999, 11 C 9/99, juris, Rn. 20 ff.; BSG, Urteil vom 24.10.2019, B 9 SB 1/18 R, juris, Rn. 27). Im zivilrechtlichen Kontext ist er insbesondere dafür herangezogen worden, um im Rahmen einer systematischen Auslegung zur Bestimmung des objektiven Willens des Gesetzgebers auf Normen anderer Gesetze zurückzugreifen (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 12.06.2006, II ZB 21/05, juris, Rn. 10; Urteil vom 06.12.2017, XII ZR 95/16, juris, Rn. 22, Urteil vom 13.10.2021, VIII ZR 91/20, juris, Rn. 73), wobei abweichende Wertungen im öffentlichen Recht gegenüber dem Zivilrecht insbesondere mit den Aspekten der schon im Grundsatz nach Sachbereichen differenzierten Rechtsordnung sowie der unterschiedlichen Zielsetzungen in den jeweiligen Regelungszusammenhängen als gerechtfertigt bewertet worden sind (vgl. BGH, Urteil vom 13.10.2021, VIII ZR 91/20, juris, Rn. 73 zu unterschiedlichen Wertungen im Sozialrecht und Mietrecht).
73Vorliegend stellte sich demgegenüber kein Auslegungsproblem. Das Rechtswidrigkeitsverdikt des § 4 Abs. 1 GlüStV 2012 ist eindeutig und wird auch von den verwaltungsbehördlichen und -gerichtlichen Wertungen, auf welche sich die Beklagte beruft, nicht in Frage gestellt. Ferner ergibt sich auch kein Wertungswiderspruch, da sich nicht nur die Wirkung der Duldung, sondern auch der Aussagegehalt der sie tragenden Erwägungen auf den öffentlich-rechtlichen Bereich und die Frage des Drohens einer öffentlich-rechtlichen Sanktionierung beschränkt.
74eee)
75Etwas anderes ergibt sich hinsichtlich des Sportwettenangebotes auch nicht aus den Entscheidungen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (Beschluss vom 29.05.2017, 8 B 2744/16, juris) und des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 23.01.2017, 4 A 3244/06, juris). Hierin wird zwar ausgeführt, dass das Fehlen einer Erlaubnis nicht daran hindere, Sportwetten zu veranstalten bzw. zu vermitteln, da ein unionsrechtskonformes Erlaubnisverfahren nicht zur Verfügung stehe. Die Entscheidungen betreffen indes allein das Verhältnis zwischen den beteiligten Unternehmen und den zuständigen Behörden. In dem Verfahren, das der Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs zugrunde lag, ging es um die Frage, ob das Land Hessen berechtigt war, von einem Sportwettenveranstalter mit Sitz in T. die Teilnahme an einem Duldungsverfahren zu verlangen, um einer Untersagungsverfügung oder einem Ordnungswidrigkeitenverfahren zu entgehen. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat festgestellt, dass das Fehlen einer Erlaubnis die dortige Klägerin nicht daran hindere, Sportwetten zu vermitteln, wobei es zur Begründung eines berechtigten Feststellungsinteresses insbesondere ausgeführt hat, dass die Klärung die Rechtsposition der Klägerin mittelbar auch gegenüber der Ordnungsbehörde verbessern könne (a.a.O., Rn. 31). Dass ein Verbraucher sich gegenüber einem Sportwettenveranstalter, der ohne Erlaubnis öffentliches Glücksspiel anbietet, nicht auf den förmlichen Verstoß gegen die Vorschrift des § 4 Abs. 1 GlüStV 2012 berufen kann, lässt sich den vorgenannten Entscheidungen demgegenüber nicht entnehmen.
76fff)
77Für die Frage, ob die Beklagte mit ihrem Sportwettenangebot gegen die Vorschrift des § 4 Abs. 1 GlüStV verstoßen hat, wäre es ohne Relevanz, wenn die Vorschriften des GlüStV 2012 zur Erlangung einer Konzession für Sportwetten gegen Unionsrecht verstießen.
78Eine etwaige Unionsrechtswidrigkeit führt nämlich nicht dazu, dass der Betreiber von Glücksspiel einen Anspruch auf eine Erlaubnis hätte, weil sein Angebot dann ohne weiteres als materiell rechtmäßig einzuordnen wäre. Denn eine Unionsrechtswidrigkeit führt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union allein dazu, dass die unionsrechtswidrige Vorschrift unionsrechtskonform auszugestalten wäre, nicht aber dazu, dass die Veranstaltung und Vermittlung der betroffenen Glücksspiele voraussetzungslos genehmigt werden müsste (vgl. zu Online-Zweitlotterien: BGH, Beschluss vom 08.11.2023, I ZR 148/22, juris, Rn. 15 ff. m.w.N.).
79ggg)
80Ein abweichendes Ergebnis folgt auch nicht aus der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache „O.“ (Urteil vom 04.02.2016, C-336/14). Aus dieser Entscheidung ergibt sich nur, dass ein Mitgliedstaat keine strafrechtlichen Sanktionen wegen einer nicht erfüllten Verwaltungsformalität verhängen darf, wenn er die Erfüllung dieser Formalität unter Verstoß gegen Unionsrecht abgelehnt oder vereitelt hat, nicht aber, dass er bei einer derartigen Verletzung des Unionsrechts verpflichtet wäre, die fragliche Tätigkeit zu dulden oder zu genehmigen. Er ist lediglich gehalten, über Anträge auf Erlaubnis der fraglichen Tätigkeit auf der Grundlage objektiver und transparenter Kriterien zu entscheiden. Einen bestimmten Inhalt dieser Entscheidungen gibt ihm das Unionsrecht dagegen nicht vor (vgl. BGH, Beschluss vom 26.01.2023, I ZR 79/22, juris, Rn. 29; BGH, Beschluss vom 26.01.2023, I ZR 148/22, juris, Rn. 16). Dementsprechend kann der Entscheidung auch nicht entnommen werden, dass die zivilrechtlichen Schuldverhältnisse zwischen Online-Sportwettenanbieter und Spieler als wirksam anzusehen sein sollen.
81hhh)
82Dass gegen die Beklagte in Bezug auf ihr Online-Sportwettenangebot behördliche Maßnahmen möglicherweise ausgeschlossen waren, veranlasst keine Einschränkung der Nichtigkeitsfolge.
83Dies folgt bereits aus der Wertung des § 284 StGB, der verwaltungsakzessorisch ausgestaltet ist, so dass grundsätzlich bereits das Fehlen einer behördlichen Erlaubnis den Tatbestand ungeachtet einer möglichen materiell-rechtlichen Genehmigungsfähigkeit erfüllt. Im Übrigen wird auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen.
84iii)
85Es kann auch dahinstehen, ob die mit den Spielverträgen getroffene Regelung trotz Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 GlüStV 2012 ausnahmsweise hingenommen werden kann, wenn der Sportwettenanbieter im maßgeblichen Zeitraum bereits eine Konzession für die Veranstaltung von Sportwetten beantragt hat, das für diesen Antrag geltende Konzessionserteilungsverfahren aber unionsrechtswidrig war, und das Sportwettenangebot dieses Anbieters daher weder verwaltungsrechtlich untersagt noch strafrechtlich sanktioniert werden konnte.
86Denn auch in einer solchen Konstellation hat es bei der Nichtigkeitsfolge nach § 134 BGB zu bleiben, wenn das in Frage stehende Sportwettenangebot auch in einem unionsrechtskonformen Konzessionsverfahren nicht ohne Weiteres erlaubnisfähig gewesen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 22.03.2024 - I ZR 88/23, juris, Rn. 45 ff.).
87Vorliegend wäre das Sportwettenangebot der Beklagten auch in einem unionsrechtskonformen Konzessionserteilungsverfahren nicht erlaubnisfähig gewesen.
88Denn die Beklagte hat entgegen dem Verbot des § 4 Abs. 5 Nr. 5 GlüStV 2012 ihr Sportwettenangebot mit Casinospielangeboten der Beklagten verlinkt. Hiervon ist aufgrund des unbestritten gebliebenen Klägervortrages auszugehen.
89jjj)
90Die in T. erteilte Lizenz der Beklagten sowie eine etwaige Lizenz der R. D. Y. machten von der zuständigen nationalen Behörde erteilte Lizenzen nicht entbehrlich. Eine Pflicht zur Anerkennung der T. Lizenz(en) bestand nicht (vgl. EuGH, Urteil vom 08.09.2010 – C-316/07, juris, Rn. 112).
91kkk)
92Der Nichtigkeit gemäß § 134 BGB steht auch nicht entgegen, dass sich die Verbotsnorm des § 4 GlüStV 2012 nur an Glücksspielveranstalter wie die Beklagte richtete, nicht jedoch an den Kläger als Spielteilnehmer. Betrifft das gesetzliche Verbot nur einen Vertragspartner, so hat dies zwar im Regelfall nicht die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge; anderes gilt aber, wenn es mit dem Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes nicht vereinbar wäre, die durch das Rechtsgeschäft getroffene rechtliche Regelung hinzunehmen und bestehen zu lassen, und hieraus die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts gefolgert werden muss (vgl. BGH, Urteile vom 22.05.1978 - III ZR 153/76, juris, Rn. 17 und vom 12.05.2011 - III ZR 107/10, juris, Rn. 12 m.w.N.). Sinn und Zweck der Verbote des GlüStV 2012 war insbesondere auch die Verhinderung der Entstehung von Spielsucht sowie der Jugend- und Spielerschutz (vgl. BGH, Beschluss vom 22.03.2024 – I ZR 88/23, juris, Rn. 28-31; OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.04.2023 - 14 U 256/21, juris, Rn. 59). Diesen Zielen liefe es zuwider, geschlossene Verträge über Online-Glücksspiele trotz des Verbots als wirksam anzusehen (BGH, a.a.O.; vgl. auch Vossler in: BeckOGK, BGB, Stand: 01.03.2024, § 134 BGB, Rn. 221 m.w.N.).
93Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 13.09.2022 (XI ZR 515/21, juris). Hiernach ist aufgrund des Zusammenhangs mit der Norm des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 GlüStV 2012 der gesetzgeberische Wille anzunehmen, dass durch § 4 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 GlüStV 2012 nicht in das zivilrechtliche Schuldverhältnis zwischen Zahlungsdienstleister und Zahlungsdienstnutzer eingegriffen werden sollte (BGH, a.a.O., Rn. 16). Diese Überlegung ist indes auf die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das Verbot, unerlaubtes Glücksspiel zu betreiben, nicht zu übertragen (BGH, Beschluss vom 22.03.2024 – I ZR 88/23, juris, Rn. 39). Die Interessen des einzelnen Spielers mögen es nicht rechtfertigen, ihn durch die Nichtigkeit der von ihm bewirkten Zahlungsautorisierung vor den wirtschaftlichen Folgen des Glücksspiels zu schützen, während sie gleichwohl eine Nichtigkeit des über das verbotene Glücksspiel selbst geschlossenen Vertrags erfordern können; den Gesetzesmaterialien lässt sich nämlich entnehmen, dass hinsichtlich der Zahlungsdienstleister nur eine subsidiäre Inanspruchnahme nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 GlüStV 2012 ermöglicht werden sollte (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 21.03.2023 - 21 U 116/21, juris, Rn. 29). Sieht man § 4 Abs. 1 S. 2 GlüStV 2012 und § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 GlüStV 2012 im Zusammenhang, ergibt sich, dass § 4 Abs. 1 S. 2 GlüStV 2012 lediglich die gesetzliche Grundlage dafür schafft, dass die Glücksspielaufsicht die Mitwirkung gemäß § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 GlüStV 2012 untersagt und so das Verbot aus § 4 Abs. 1 S. 2 GlüStV 2012 konkretisiert; Zweck dieser Verknüpfung ist es ersichtlich, auf diesem mittelbaren Weg die Glücksspielveranstalter zu treffen, die ihren Sitz regelmäßig im Ausland haben und deshalb für deutsche Verwaltungsbehörden nicht erreichbar sind (vgl. OLG Köln, Urteil vom 23.06.2022 - 18 U 8/21, juris, Rn. 54). Entsprechend konnte dem gesetzlichen Verbot durch verwaltungs- und/oder strafrechtliche Maßnahmen gerade kein hinreichender Nachdruck verliehen werden, so dass es unabdingbar ist, im Falle unerlaubten Glücksspiels eine zivilrechtliche Nichtigkeit nach § 134 BGB anzunehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 22.03.2024 – I ZR 88/23, juris, Rn. 30; OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.04.2023 - 14 U 256/21, juris, Rn. 87).
94cc)
95Die Rückforderung ist vorliegend nicht gemäß § 762 Abs. 1 S. 2 BGB ausgeschlossen, da die Regelung nur dann anzuwenden ist, wenn der Spiel- oder Wettvertrag wirksam ist (vgl. Haertlein in: BeckOGK, BGB, Stand: 01.01.2024, § 762 BGB Rn. 116). Verstößt der Spiel- oder Wettvertrag dagegen – wie vorliegend – gegen ein gesetzliches Verbot, ist der Rückforderungsausschluss nach § 762 Abs. 1 S. 2 BGB nicht anwendbar (vgl. BGH, Urteil vom 12.07.1962 - VII ZR 28/61, juris, Rn. 15; Laukemann in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK, BGB, 10. Aufl., Stand: 14.07.2023, § 762 BGB, Rn. 42).
96dd)
97Der Rückforderung steht auch nicht die Vorschrift des § 817 S. 2 BGB entgegen. Der Ausschluss der Rückforderung nach dieser Vorschrift greift nur ein, wenn der Leistende vorsätzlich verbots- oder sittenwidrig gehandelt oder sich der Einsicht in das Verbots- oder Sittenwidrige seines Handelns leichtfertig verschlossen hat (vgl. BGH, Urteile vom 26.01.2006 - IX ZR 225/04, juris, Rn. 28; vom 14.12.2016 - IV ZR 7/15, juris, Rn. 43 und vom 01.10.2020 - IX ZR 247/19, juris, Rn. 33).
98Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
99Wendet der Bereicherungsschuldner ein, dass dem Leistenden ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten zur Last fällt, so trägt er hierfür die Darlegungs- und Beweislast, da es sich bei § 817 S. 2 BGB um eine rechtshindernde Einwendung handelt (vgl. Schwab in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Auflage 2024, § 817 BGB, Rn. 91). Ihrer Darlegungs- und Beweislast im Hinblick auf einen Gesetzesverstoß des Klägers ist die Beklagte indes nicht nachgekommen. Insbesondere kann von einem Verstoß des Klägers gegen § 285 StGB nicht ausgegangen werden. Dieser erforderte zumindest bedingten Vorsatz. Einen solchen hat die Beklagte indes nicht hinreichend dargetan.
100Vielmehr ist auf Grundlage des Ergebnisses der persönlichen Anhörung des Klägers davon auszugehen, dass der Kläger erst in der Zeit ab Oktober 2020 veranlasst durch Gespräche mit seiner Ehefrau über einen ihm persönlich bekannten Rechtsanwalt und sodann über die Anmeldung bei der Widerrufszentrale von der Möglichkeit der Rechtswidrigkeit des von den Beklagten auf ihren Websites dargebotenen Glücksspiel- und Sportwettenangebotes Kenntnis genommen hat. Der Kläger hat nicht nur die Intensität seines Spielverhaltens nebst seiner Bemühungen, diese vor seiner Familie zu verbergen, sondern auch den Prozess der Aufdeckung der erlittenen finanziellen Verluste, der Aussprache mit seiner Ehefrau und der Hinweise aus dem Bekanntenkreis auf die etwaige Rechtswidrigkeit der wahrgenommenen Angebote anschaulich, detailreich und lebensnah dargestellt. Der Senat erachtet seine Bekundungen als glaubhaft und gelangt auch über den persönlichen Eindruck von dem Kläger zu der Überzeugung, dass er ungeachtet seines Eigeninteresses am Ausgang des Rechtsstreits um eine authentische Wiedergabe seiner Erinnerungen bemüht war und diese mit seinen Wahrnehmungen der relevanten tatsächlichen Geschehnisse in Übereinstimmung stehen.
101Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger sich der Erkenntnis der Unerlaubtheit des Glücksspielangebots der Beklagten leichtfertig verschlossen hätte. Insbesondere kann der Inhalt von § 4 GlüStV 2012, zumal bei einem juristischen Laien, nicht ohne weiteres als bekannt vorausgesetzt werden.
102Eine allgemeine Bekanntheit lässt sich auch nicht aus Beiträgen in der Presseberichterstattung ableiten. Diese haben auch bei Zugrundelegung des Beklagtenvorbringens jedenfalls kein solches Ausmaß erreicht, dass eine allgemeine Kenntnis bei Spielern mit durchschnittlichem Medienkonsum nach der Lebenserfahrung zu erwarten wäre.
103ee)
104Jedenfalls aber wäre – wollte man Vorsatz oder ein leichtfertiges Sich-Verschließen auf Seiten des Klägers annehmen – eine teleologische Reduktion von § 817 S. 2 BGB vorzunehmen. Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des in Rede stehenden Verbotsgesetzes kann eine einschränkende Auslegung der Vorschrift geboten sein (vgl. BGH, Urteile vom 31.05.1990 - VII ZR 336/89, juris, Rn. 14 f. und vom 10.11.2005 - III ZR 72/05, juris, Rn. 11 ff.), da der Schutzzweck der jeweiligen nichtigkeitsbegründenden Norm innerhalb der Leistungskondiktion nicht dadurch konterkariert werden darf, dass der durch sie zu verhindernde sittenwidrige Zustand über § 817 S. 2 BGB perpetuiert wird, wodurch überdies womöglich weiterem sitten- oder verbotswidrigen Handeln Vorschub geleistet würde (vgl. BGH, Urteile vom 13.03.2008 - III ZR 282/07, juris, Rn. 10 und vom 18.12.2008 - III ZR 132/08, juris, Rn. 14). Die Regelungen des GlüStV 2012 sind – wie ausgeführt – u. a. dazu bestimmt, dem Schutz der Spielteilnehmer vor suchtfördernden, ruinösen und/oder betrügerischen Erscheinungsformen des Glücksspiels zu schützen. Auch die konkret einschlägigen Verbotsnormen gemäß § 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 verfolgen jedenfalls unter anderem den Zweck des Spielerschutzes. Diese Intention der Verbotsgesetze würde jedoch unterlaufen, wenn die Spieleinsätze kondiktionsfest wären, also dem Anbieter des verbotenen Glücksspiels dauerhaft verblieben (so auch Senatsurteile vom 31.10.2022 - 19 U 51/22, juris, Rn. 67 und vom 17.11.2023 - 19 U 123/22, juris, Rn. 43; OLG Dresden, Urteile vom 27.10.2022 - 10 U 736/22, juris, Rn. 56 ff. und vom 31.05.2023 - 13 U 1753/22, BeckRS 2023, 12231, Rn. 51; OLG München, Beschluss vom 20.09.2022 - 18 U 538/22, juris, Rn. 24).
105ff)
106Da eine positive Kenntnis des Klägers vom Nichtbestehen seiner Leistungspflicht - wie ausgeführt - nicht angenommen werden kann, steht der Rückforderung auch nicht § 814 BGB entgegen.
107gg)
108Der Rückzahlungsanspruch ist vorliegend auch nicht wegen Rechtsmissbräuchlichkeit gemäß § 242 BGB ausgeschlossen.
109Ein Vertrauenstatbestand zugunsten der Beklagten kann schon aufgrund ihres eigenen gesetzeswidrigen Handelns nicht angenommen werden. Vor diesem Hintergrund erscheinen ihre Interessen auch nicht als vorrangig schutzwürdig im Sinne von § 242 BGB. Hinzukommt, dass die Beklagte es unterließ, einen ihr ohne weiteres möglichen Hinweis dahin zu erteilen, dass ihr Online-Glücksspielangebot in Nordrhein-Westfalen wegen Fehlens einer Lizenz unzulässig war oder sein könnte. Dass das Behalten von Geldern, die die Beklagte durch die rechtswidrige Veranstaltung von Online-Glücksspielen eingenommen hat, besonders schutzwürdig wäre, ist nicht ersichtlich. Im Ergebnis ist die Zurückforderung der Spieleinsätze nicht treuwidrig (so auch: Senatsurteile vom 31.10.2022 - 19 U 51/22, juris, Rn. 72; vom 17.11.2023 - 19 U 123/22, juris, Rn. 45; OLG Braunschweig, Beschluss vom 03.12.2021 - 8 W 20/21, BeckRS 2021, 55956, Rn. 17; OLG Hamm Beschluss vom 12.11.2021 - 12 W 13/21, BeckRS 2021, 37639, Rn. 23; OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.04.2023 - 14 U 256/21, juris, Rn. 107 ff.; OLG Dresden, Urteil vom 31.05.2023 - 13 U 1753/22, BeckRS 2023, 12231, Rn. 52).
110hh)
111Der Anspruch gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB ist auf Rückzahlung der Einzahlungen abzüglich der Auszahlungen gerichtet.
112Ein Abzug im Hinblick auf eine Gegenleistung kommt nach den Grundsätzen der Saldotheorie über § 818 Abs. 2 BGB insoweit in Betracht, als sich vermögensmindernde Nachteile auf Seiten des Bereicherungsschuldners feststellen lassen (vgl. Sprau in: Grüneberg, Kommentar zum BGB, 83. Auflage 2024, § 818 BGB, Rn. 28; Wendehorst in: BeckOK-BGB, 69. Edition, Stand: 01.02.2024, § 818 BGB, Rn. 104). Hierfür reicht indes der Verweis auf ein Genussmoment auf Seiten des Bereicherungsgläubigers nicht aus. Vielmehr hat es nach der Wertung des § 818 Abs. 3 BGB dabei zu verbleiben, dass ein Wertersatz nur insoweit geschuldet ist, als ein zugeflossener Vorteil in irgendeiner Form noch im Vermögen des Bereicherungsgläubigers vorhanden ist, was bei Zufluss von flüchtigen Genussmomenten nur bejaht werden kann, wenn anderweitige Aufwendungen erspart wurden, es sich also nicht um Luxusaufwendungen handelte (vgl. Sprau, a.a.O., Rn. 40; BGH, Urteil vom 04.02.2016 – IX ZR 77/15, juris, Rn. 41) – genau solche Luxusaufwendungen aber stehen vorliegend in Rede.
113c)
114Ein Anspruch des Klägers folgt zudem aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1 GlüStV 2012 und § 284 StGB.
115§ 4 Abs. 1 GlüStV 2012 ist ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB.
116Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Rechtsnorm ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB, wenn sie zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsgutes oder eines bestimmten Rechtsinteresses zu schützen. Dafür kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt, Zweck und Entstehungsgeschichte des Gesetzes an, also darauf, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zugunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder doch mitgewollt hat. Es genügt, dass die Norm auch das in Frage stehende Interesse des Einzelnen schützen soll, mag sie auch in erster Linie das Interesse der Allgemeinheit im Auge haben. Andererseits soll der Anwendungsbereich von Schutzgesetzen nicht ausufern. Es reicht deshalb nicht aus, dass der Individualschutz durch Befolgung der Norm als Reflex objektiv erreicht werden kann; er muss vielmehr im Aufgabenbereich der Norm liegen (vgl. nur BGH, Urteil vom 13.03.2018 - VI ZR 143/17, juris, Rn. 27; BGH, Urteil vom 22.06.2010 - VI ZR 212/09, juris, Rn. 26; BGH, Urteil vom 13.03.2018 - II ZR 158/16, juris, Rn. 14).
117Ein gesetzliches Gebot oder Verbot ist als Schutzgesetz nur geeignet, soweit das geschützte Interesse, die Art seiner Verletzung und der Kreis der geschützten Personen hinreichend klargestellt und bestimmt sind (vgl. BGH, Urteil vom 23.07.2019 - VI ZR 307/18, juris, Rn. 12).
118Diesen Anforderungen genügt die Vorschrift des § 4 Abs. 1 GlüStV 2012. Das Verbot unerlaubten Glücksspiels dient den in § 1 GlüStV 2012 aufgeführten Zwecken der Verhinderung bzw. Bekämpfung der Glücksspiel- und Wettsucht, des Spieler- und Jugendschutzes und des Schutzes des Spielers vor betrügerischen Machenschaften. Zwar dient die Norm hiernach vor allem auch Allgemeininteressen; gerade auch der Schutz des einzelnen Spielers vor den genannten Gefahren des Glücksspiels liegt jedoch ebenfalls im Aufgabenbereich der Norm.
119Durch die Veranstaltung von Glücksspielen ohne behördliche Erlaubnis hat die Beklagte zudem den Tatbestand des § 284 StGB erfüllt. Dieser hat ebenfalls Schutzgesetzcharakter; denn § 284 StGB dient primär der Absicherung eines ordnungsgemäßen Spielbetriebs und damit dem Schutz des Einzelnen vor der Gefahr von Manipulationen beim Glücksspiel und insofern auch vor manipulativer Ausbeutung (vgl. Heine/Hecker in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 284 StGB, Rn. 5). Die Beklagte handelte auch rechtswidrig und schuldhaft. Die Tat ist auch im Sinne des § 3 StGB im Inland begangen. Deutsches Recht kommt auch dann zur Anwendung, wenn der Veranstalter des Glücksspiels im Ausland handelt, aber die Beteiligung im Inland über das Internet erfolgen kann. Als Taterfolg ist die Eröffnung der Beteiligungsmöglichkeit anzusehen, sodass nach § 9 Abs. 1 StGB auch ausländische Spieleveranstalter nach § 284 StGB strafbar sind, wenn die Beteiligung im Inland möglich ist (vgl. Hollering in: BeckOK, StGB, 59. Edition, Stand: 01.11.2023, § 284 StGB, Rn. 25 m.w.N.).
120Durch die Verletzung der Schutzgesetze ist dem Kläger ein Schaden in Höhe seines Verlustes entstanden.
121d)
122Ansprüche des Klägers sind schließlich auch nicht verjährt, §§ 195, 199 BGB.
123Es ist davon auszugehen, dass der Kläger erst in der Zeit ab Oktober 2020 die maßgeblichen Tatsachen erfahren hat (s. o. unter 2. b) dd)). Die dreijährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB) hat deshalb gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erst am 31.12.2020 zu laufen begonnen.
124Soweit die Beklagte im Ansatz zutreffend darauf verweist, dass es nach § 199 BGB nicht auf die Erlangung der Kenntnis von der zutreffenden rechtlichen Würdigung ankommt, sondern auf die Kenntnis des maßgeblichen Lebenssachverhaltes (vgl. BGH, Urteil vom 18.12.2008, III ZR 132/08, juris, Rn. 13), ergibt sich hieraus kein früherer Zeitpunkt.
125Entscheidend für die Richtigkeit des Abstellens auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme von der Illegalität des Angebotes der Beklagten in dem in Rede stehenden Zeitraum ist nicht die hierdurch vermittelte Rechtsansicht der Rechtswidrigkeit der Glücksspielangebote, sondern die darin enthaltene Information über den Lebenssachverhalt der nicht vorhandenen Lizenz für das Land Nordrhein-Westfalen. Darlegungs- und beweisbelastet für den Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist der die Verjährungseinrede erhebende Schuldner (vgl. nur Grothe in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 1, 9. Auflage 2021, §199 BGB, Rn. 46), hier also die Beklagte. Der Kläger ist seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen, indem er vorgetragen hat, von der Illegalität und den anspruchsbegründenden Umständen, worunter auch der Aspekt des Fehlens einer Lizenz fällt, erst ab Oktober 2020 erfahren zu haben, was er im Rahmen seiner persönlichen Anhörung bestätigt hat.
126Demgegenüber trägt die Beklagte keine konkreten Tatsachen vor, aus denen auf einen vor Oktober 2020 liegenden Zeitpunkt der Kenntniserlangung geschlossen werden könnte – der Verweis auf Medienberichterstattung reicht hierfür jedenfalls nicht aus (s. o. unter 2. b) dd)). Auch sei klargestellt, dass aufgrund eines auf der Website enthaltenen Hinweises auf eine maltesische Lizenz nicht für einen früheren Zeitpunkt eine Erlangung der Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen angenommen werden kann. Dies käme nur dann in Betracht, wenn der Hinweis zur Kenntnis genommen worden wäre und aus dem Vorhandensein einer T. Lizenz auf das Fehlen einer Lizenz für Nordrhein-Westfalen hätte geschlossen werden müssen. Hierbei würde es sich indes um eine rechtliche Wertung handeln, bzw. um eine Schlussfolgerung, die nur vor dem Hintergrund einer rechtlichen Bewertung der Fragen der Reichweite einer T. Lizenz und der Erforderlichkeit einer für den Wohnort des Klägers gültigen deutschen Lizenz getroffen werden kann. Auf derartige rechtliche Bewertungen kommt es aber für die Frage der Kenntnis nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB gerade nicht an.
127e)
128Der Zinsanspruch beruht für die Zeit ab dem 15.04.2022 als Anspruch auf Verzugszinsen auf den §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 BGB und für die Zeit seit dem 20.10.2020 zudem auf den §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 291, 288 Abs. 1 BGB. Die Beklagte unterliegt der verschärften Haftung nach § 819 BGB, weil sie sich der Kenntnis vom Fehlen des rechtlichen Grundes zumindest bewusst verschlossen hat. Im Rahmen der Anwendung von § 819 BGB steht dem bedingten Vorsatz das bewusste Sich-verschließen gleich (BGH, Urteil vom 12.07.1996 – V ZR 117/95, juris, Rn. 15). Ein bewusstes Verschließen muss angenommen werden, da die von der Beklagten nach Inkrafttreten des GlüStv 2012 angestrengten Bemühungen um eine Konzessionserteilung (so ihr eigener Vortrag, s. S. 7 der Klagerwiderungsschrift, Bl. 228 der LG-Akte) darauf schließen lassen, dass ihr bekannt war, dass es zur Rechtmäßigkeit ihres Angebotes sowie des Angebotes von Casinospielen in allen Bundesländern außer Schleswig-Holstein einer Erlaubnis der zuständigen deutschen Behörde bedurfte, weshalb sich ihr die Nichtigkeit der Glücksspiel- und Sportwettverträge aufdrängen musste (so auch: OLG Karlsruhe, Urteil vom 19.12.2023 – 19 U 48/23, juris, Rn. 104).
129Die Freistellung von den Kosten der vorgerichtlichen Tätigkeit des vom Kläger beauftragten Rechtsanwaltes schuldet die Beklagte als Bestandteil des vorstehend unter c) dargestellten Schadensersatzanspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1 GlüStV 2012 und § 284 StGB. Denn dem Kläger ist infolge der Verletzung der Schutzgesetze durch die Beklagte ein weiterer Schaden in Gestalt der Belastung mit erforderlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG nebst Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer entstanden.
1303.
131Unbegründet ist die Klage wegen eines Betrages von 280 € nebst hierauf entfallender Zinsen.
132Das ergibt sich daraus, dass der Verlust des Klägers in dieser Höhe aus Online-Sportwetten resultiert, die im Hinblick auf die der Beklagten am 09.10.2020 erteilte Lizenz als rechtmäßig zu bewerten sind.
133Die Nichtigkeit des Rahmenvertrages vom 06.02.2013 steht dem nicht entgegen. Dies ergibt sich allerdings nicht bereits aus § 141 Abs. 2 BGB. Voraussetzung für eine Bestätigung eines Vertrags nach § 141 Abs. 1 BGB ist nämlich, dass die Vertragsparteien den Grund der Nichtigkeit kennen oder zumindest Zweifel an dessen Rechtsbeständigkeit haben (BGH, Urteile vom 10.05.1995 – VIII ZR 264/94, juris, Rn. 24; vom 28.11.2008 - BLw 7/08, juris, Rn. 37 und vom 10.02.2012 – V ZR 51/11, juris, Rn. 11). Eine Bestätigung scheidet dagegen aus, wenn die Parteien – wie vorliegend - das Rechtsgeschäft bedenkenfrei für gültig halten (BGH, Urteile vom 10.05.1995, a.a.O., vom 17.03.2008 - II ZR 239/06, juris, Rn. 15 und vom 10.02.2012, a.a.O.).
134Die fortbestehende Nichtigkeit des Rahmenvertrages hat allerdings nur zur Folge, dass die Parteien bezogen auf die einzelnen Wetteinsätze zwar nicht auf Grundlage des Rahmenvertrages, wohl aber auf Grundlage der vorangegangenen Vertragspraxis, der beiden Parteien bekannten Spielregeln sowie der eingeübten Zahlungspraxis wirksam kontrahiert haben.
135Inwieweit die Beklagte – ab dem 9.10.2020 - dem Verbot des § 21 Abs. 4 GlüStV 2012 unterliegende Live-Wetten angeboten hat, kann demgegenüber dahinstehen, weil § 21 Abs. 4 GlüStV 2012 nicht als Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB bewertet werden kann. Inwieweit der Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts führt, ist nach Sinn und Zweck der jeweiligen Verbotsvorschrift zu beantworten, wobei darauf abzustellen ist, ob das Gesetz sich nicht nur gegen den Abschluss des Rechtsgeschäfts wendet, sondern auch gegen seine privatrechtliche Wirksamkeit nebst seines wirtschaftlichen Erfolges (BGH, Urteil vom 30.04.1992 – III ZR 151/91, juris, Rn. 14).
136Hiervon ausgehend ist zu differenzieren: Nach § 4 Abs. 4 GlüStV nicht lizenzierte Glücksspiele sollten nach Sinn und Zweck der Regelung nicht stattfinden und vollständig unterbunden werden, was die Bewertung als Verbotsgesetz nach § 134 BGB rechtfertigt und erfodert. Demgegenüber betrifft § 21 Abs. 4 GlüStV die konkrete Ausgestaltung. Die Regelung setzt damit voraus, dass ein Glücksspielangebot an sich bereits lizenziert worden ist und damit auf einer formalen Ebene Rechtmäßigkeitsstatus erlangt hat. Auf dieser Grundlage erfordert § 21 Abs. 4 GlüStV 2012 nach seinem Sinn und Zweck nicht das Entfallen der privatrechtlichen Wirksamkeit eines Vertrages über eine verbotswidrige Live-Wette.
137Auf die Zeit ab dem 09.10.2020 entfielen die nachfolgend dargestellten Ein- und Auszahlungen (vgl. Tabelle Anlage K 1, Bl. 25-40 der LG-Akte):
138Buchungsdatum |
Betrag |
Bemerkung |
ausgef. Zahlungen |
Auszahlungen |
09.10.2020 |
250,00 € |
Executed |
250,00 € |
0,00 € |
09.10.2020 |
250,00 € |
Executed |
250,00 € |
0,00 € |
09.10.2020 |
200,00 € |
Executed |
200,00 € |
0,00 € |
09.10.2020 |
220,00 € |
Executed |
220,00 € |
0,00 € |
09.10.2020 |
160,00 € |
Failed |
0,00 € |
0,00 € |
09.10.2020 |
80,00 € |
Executed |
80,00 € |
0,00 € |
09.10.2020 |
40,00 € |
Failed |
0,00 € |
0,00 € |
09.10.2020 |
20,00 € |
Failed |
0,00 € |
0,00 € |
09.10.2020 |
50,00 € |
Failed |
0,00 € |
0,00 € |
09.10.2020 |
50,00 € |
Failed |
0,00 € |
0,00 € |
09.10.2020 |
50,00 € |
Cancelled |
0,00 € |
0,00 € |
10.10.2020 |
100,00 € |
Failed |
0,00 € |
0,00 € |
10.10.2020 |
100,00 € |
Cancelled |
0,00 € |
0,00 € |
10.10.2020 |
100,00 € |
Failed |
0,00 € |
0,00 € |
10.10.2020 |
100,00 € |
Failed |
0,00 € |
0,00 € |
10.10.2020 |
20,00 € |
Failed |
0,00 € |
0,00 € |
10.10.2020 |
50,00 € |
Failed |
0,00 € |
0,00 € |
10.10.2020 |
50,00 € |
Requested |
0,00 € |
0,00 € |
11.10.2020 |
100,00 € |
Cancelled |
0,00 € |
0,00 € |
11.10.2020 |
100,00 € |
Failed |
0,00 € |
0,00 € |
11.10.2020 |
100,00 € |
Cancelled |
0,00 € |
0,00 € |
11.10.2020 |
100,00 € |
Failed |
0,00 € |
0,00 € |
11.10.2020 |
50,00 € |
Failed |
0,00 € |
0,00 € |
11.10.2020 |
100,00 € |
Failed |
0,00 € |
0,00 € |
12.10.2020 |
100,00 € |
Failed |
0,00 € |
0,00 € |
13.10.2020 |
100,00 € |
Failed |
0,00 € |
0,00 € |
13.10.2020 |
100,00 € |
Failed |
0,00 € |
0,00 € |
13.10.2020 |
250,00 € |
Failed |
0,00 € |
0,00 € |
20.10.2020 |
150,00 € |
Executed |
150,00 € |
0,00 € |
21.10.2020 |
100,00 € |
Cancelled |
0,00 € |
0,00 € |
21.10.2020 |
100,00 € |
Executed |
100,00 € |
0,00 € |
21.10.2020 |
160,00 € |
Failed |
0,00 € |
0,00 € |
21.10.2020 |
80,00 € |
Failed |
0,00 € |
0,00 € |
21.10.2020 |
40,00 € |
Failed |
0,00 € |
0,00 € |
Summen: |
1.250,00 € |
0,00 € |
Zu berücksichtigen ist allerdings, dass der Betrag von 1.250 € nicht vollständig auf rechtmäßige Sportwetten entfällt. Der Kläger hat nämlich noch am 09.10.2020 Chip-Transfers über insgesamt 970 € veranlasst und seine hiermit getätigten Einsätze verloren.
140In der Zeit ab dem 09.10.2020 erfolgten die nachfolgend dargestellten Chip-Transfers für Casinospiele:
14109.10.2020 19:42 CHIPTRANSFER 220 €
14209.10.2020 19:46 CHIPTRANSFER 250 €
14309.10.2020 19:48 CHIPTRANSFER 200 €
14409.10.2020 19:51 CHIPTRANSFER 220 €
14509.10.2020 20.01 CHIPTRANSFER 80 €
146(vgl. Anl. BK8, S. 42, Bl. 468 d. A.).
147Insoweit besteht trotz der für Online-Sportwetten erteilten Lizenz ein Erstattungsanspruch, weil die Lizenz sich auf das Online-Casinospielangebot nicht erstreckt hat. Damit verbleibt ein Betrag von 280 € (1.250 € abzgl. 970 €), um den die Klageforderung im Hinblick auf den Aspekt der Rechtsmäßigkeit des Sportwettenangebotes der Beklagten in der Zeit ab dem 09.10.2020 zu bereinigen ist.
148III.
149Das von der Beklagten angeführte Vorlageverfahren bei dem Europäischen Gerichtshof (Az.: C-440/23) gibt keinen Anlass, das Verfahren nach § 148 ZPO (analog) auszusetzen (ebenso: OLG Koblenz, Beschluss v. 30.1.2024, 1 U 1049/23; OLG Nürnberg, Beschluss v. 7.2.2024, 6 U 1264/23; OLG München, Beschluss v. 6.3.2024, 37 U 2242/23 (jeweils unveröffentlicht)).
150Denn die angebrachten Vorlagefragen (EuGH, Gerichtsinformationen vom 14.07.2023, C-440/23, juris) zur deutschen Glücksspielregulierung werfen keine entscheidungserheblichen Fragen zur Auslegung des Unionsrechts auf, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geklärt oder nicht zweifelsfrei zu beantworten wären, da der Europäische Gerichtshof bereits mehrfach entschieden hat, dass die unionsrechtliche Kohärenzprüfung beschränkender Maßnahmen im Glücksspielsektor im Einzelfall Sache der nationalen Gerichte ist und der Europäische Gerichtshof die für diese Prüfung maßgeblichen Grundsätze des Unionsrechts bereits geklärt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 22.07.2021 - I ZR 199/20, juris, unter Bezugnahme auf EuGH, Urteile vom 15.09.2011 - C-347/09, juris und vom 08.09.2010 - C-46/08, juris).
151Dass der Bundesgerichtshof u. a. in dem Verfahren I ZR 53/23 das Revisionsverfahren mit Beschluss vom 10.01.2024 in entsprechender Anwendung des § 148 Abs. 1 ZPO bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem anhängigen Verfahren C-440/23 ausgesetzt hat, steht dem nicht entgegen, zumal der Beschluss keine Begründung enthält und die Aussetzung möglicherweise mit der Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV zusammenhängt, die den Senat nicht trifft. Überdies besteht der Rückzahlungsanspruch des Klägers unabhängig von der Anwendung des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012, da die Spielverträge auch gegen die Vorschrift des § 4 Abs. 1 GlüStV 2012 verstoßen. Auf die Norm des § 4 Abs. 1 GlüStV bezieht sich das vorgenannte Verfahren bei dem Gerichtshof der Europäischen Union indes nicht. Zwar wird die Norm in Vorlagefrage 2 erwähnt. Gefragt wird in Vorlagefrage 2 aber nach der Zulässigkeit eines generellen Verbotes von Online-Casino-Glücksspiel, welches in § 4 Abs. 4 GlüStV geregelt ist, wogegen § 4 Abs. 1 GlüStV 2012 einen Erlaubnisvorbehalt regelt, der in Vorlagefrage 2 nicht erwähnt wird.
152Im Übrigen macht der Senat von dem ihm nach § 148 Abs. 1 ZPO eingeräumten Ermessen Gebrauch, das Verfahren nicht auszusetzen. Bei der Ermessensausübung sind die Erfolgsaussichten des anderen Verfahrens und die mit der Aussetzung eintretende Verfahrensverzögerung gegeneinander abzuwägen (vgl. Wendtland in: BeckOK, ZPO, 52. Edition, Stand: 01.03.2024, § 148 Rn. 13 m.w.N.). Nach den vorstehenden Ausführungen erscheint dem Senat ein Ausgang des Vorabentscheidungsverfahrens im Sinne der Rechtsauffassung der Beklagten nicht in einem Maße als wahrscheinlich, welches es rechtfertigen könnte, dem Interesse des Klägers an der Vermeidung einer Verfahrensverzögerung einen geringeren Stellenwert beizumessen.
153IV.
154Die Zulassung der Revision beruht auf § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO. Da der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 07.12.2023 (I ZR 53/23, abrufbar unter: https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh& Art =pm&Datum=2024&nr=136090&linked=bes&Blank=1&file=dokument.pdf) in einem zumindest teilweise gleichgelagerten Verfahren (Casinospiele) die Revision zugelassen hat, erscheint eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
155V.
156Die Kostenentscheidung beruht auf den § 91, 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO und die Festsetzung des Streitwertes auf den §§ 47, 48 GKG, 3 ZPO.