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1. Der Senat weist darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung der Klägerin gegen das am 28.05.2024 verkündete Schlussurteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Köln – Einzelrichter – ( Az. 2 O 273/22) gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 24.10.2024.
Hinweis: Das Verfahren wurde durch Rücknahme der Berufung beendet.
2Gründe:
3I.
4Die zulässige Berufung hat in der Sache nach dem derzeitigen Stand der Sach- und Rechtslage offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 ZPO). Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO).
5Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist auch nicht aus anderen Gründen geboten (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO).
61.
7In der Sache hat die Berufung nach dem Ergebnis der bisherigen Beratungen keinen Erfolg, da das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat.
8Der Klägerin steht gegen den Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Rückzahlung von gewährten Zuschüssen in Höhe von 44.393,50 € zu.
9Ein Rückzahlungsanspruch folgt weder aus dem zwischen den Parteien bestehenden Handelsvertretervertrag i.V.m. der jeweiligen Rückzahlungsvereinbarung in den Zusatzverträgen (Anl. K4-K10, K12 zur Klageschrift vom 22.12.2022) noch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB.
10a.
11Das Landgericht hat zu Recht einen Rückzahlungsanspruch der Klägerin aufgrund der in den Zusatzvereinbarungen (Anl. K4-K10, K12 zur Klageschrift vom 22.12.2012, Bl. 39-48, 51 d. LG-Akte) zu dem zwischen den Parteien am 11./12.01.2018 geschlossenen Agenturvertrag jeweils enthaltenen Klausel:
12„Wird der Agenturvertrag aus wichtigem Grund fristlos gekündigt, ist der bis zum Kündigungszeitpunkt gezahlte Kostenzuschuss zurückzuzahlen.“
13verneint.
14aa.
15Bei der vorgenannten Vereinbarung handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB, da es sich um eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung handelt, die eine Vertragspartei (Verwender), hier die Klägerin, der anderen Vertragspartei, hier dem Beklagten, bei Abschluss eines Vertrages gestellt hat.
16bb.
17Die Klausel hält einer Überprüfung gem. § 307 Abs. 1 BGB nicht stand.
18Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.
19aaa.
20Allgemeine Geschäftsbedingungen sind gemäß ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zu Grunde zu legen sind (st. Rspr des BGH u.a. BGH Urteil vom 05.11.2015, VII ZR 59/14, juris 18; BGH, Urteil vom 09.07.2015, VII ZR 5/15, BGHZ 206, 203-211 Rn. 26). Dabei ist in erster Linie der Wortlaut der auszulegenden Klausel maßgeblich (BGH, Urteil vom 20.08.2009, VII ZR 212/07, juris Rn. 18; BGH Urteil vom 20.01.2016, VIII ZR 1252/15, juris Rn. 18).
21bbb.
22Nach dem eindeutigen Wortlaut greift die Rückzahlungsverpflichtung ein, sobald eine Vertragspartei das Vertragsverhältnis fristlos kündigt.
23Da die Klausel hinsichtlich der geregelten Rückzahlungspflicht bezüglich der aufgrund der Vereinbarungen gezahlten Zuschüsse nicht danach differenziert, welche der Vertragsparteien die fristlose Kündigung ausgesprochen hat, wird der Beklagte unangemessen benachteiligt, weil eine Rückzahlungspflicht auch dann entsteht, wenn er selbst aus wichtigem Grund, der auf einer Pflichtverletzung der Klägerin beruht, das Agenturverhältnis kündigt. In einem solchen Fall ist unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben kein Grund ersichtlich, der es rechtfertigt, die aufgrund der Vereinbarungen gezahlten Zuschüsse zurückzahlen zu müssen.
24(1).
25Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Klausel nicht dahin auszulegen, dass sie entgegen ihrem eindeutigen Wortlaut nur in den Fällen eine Rückzahlungspflicht begründet, in denen das Unternehmen, hier also die Klägerin, fristlos kündigt. Das lässt sich insbesondere nicht aus der in der Klausel ebenfalls enthaltenen Regelung zur Beendigung der Zahlung des Zuschusses bei Kündigung des Agenturvertrages durch den Beklagten ableiten. Insoweit wird nämlich ausdrücklich eine Differenzierung danach vorgenommen, wer die Kündigung ausspricht, während das hinsichtlich der Regelung der Rückzahlungspflicht gerade nicht der Fall ist.
26(2).
27Soweit die Klägerin der Ansicht ist, dass die Klausel im Hinblick auf ein aus den Regelungen im HGB abzuleitendes Leitbild dahin auszulegen sei, dass die Rückzahlungspflicht nur im Falle der fristlosen Kündigung durch die Klägerin entstehen soll, kann dem schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht gefolgt werden. Gerade in der Abweichung von einem gesetzlichen Leitbild liegt gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB eine unangemessene Benachteiligung. Wenn in diesen Fällen aufgrund der Abweichung immer eine Auslegung dahingehend vorzunehmen wäre, bei der die Klausel dem Leitbild (noch) entspricht, würde die Regelung des § 307 BGB ausgehöhlt. Zudem würde das dem Grundsatz des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion widersprechen.
28(3).
29Darüber hinaus verstößt die in den Zusatzvereinbarungen enthaltene Regelung der Rückzahlungspflicht auch gegen § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB. Danach darf das in § 89a Abs. 1 Satz 1 HGB festgeschrieben Recht auf fristlose Kündigung aus wichtigem Grund nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt werden.
30Darunter fallen insbesondere auch solche Vereinbarungen, die das außerordentliche Kündigungsrecht nur mittelbar erschweren, indem sie finanzielle Nachteile für den Kündigenden vorsehen (vgl. Ebenroth/Boujong/Semmler, HGB, 5. Aufl. 2024, § 89a Rn. 132), worunter z.B. auch Rückzahlungsklauseln hinsichtlich gezahlter Vor- und Zuschüsse fallen (vgl. Hopt/Hopt, HGB, 43. Auflage, § 89a Rn. 26). Ob die an eine Vertragsbeendigung geknüpften finanziellen Nachteile von solchem Gewicht sind, dass sie zu einer unwirksamen Kündigungserschwernis führen, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu bestimmen (vgl. BGH, Urteil vom 05.11.2015, VII ZR 59/14, juris Rn. 27 m.w.Nw.; OLG München, Urteil vom 09.03.2017, 223 U 2601/16, juris Rn. 34). Hier ergibt sich schon aufgrund der Höhe der zurückzuzahlenden Zuschüsse, die sich aufgrund der Praxis in dem vorliegenden Vertragsverhältnis mit Fortdauer der Zusammenarbeit ständig erhöht haben, die Unwirksamkeit nach den dargestellten Grundsätzen. Hinzu kommt, dass aufgrund der konkreten Zuschüsse, die der Rückzahlungspflicht gemäß den Klauseln unterliegen, auch solche Zuschüsse zurückzuzahlen sind, deren Zahlung für einen bestimmten Zeitraum vereinbart war, der bereits lange zurückliegt.
31ccc.
32Sogar wenn man aber entgegen dem oben Gesagten mit der Klägerin dazu käme, dass die Klausel dahingehend einschränkend ausgelegt werden könnte, dass die Rückzahlungspflicht bezüglich der Zuschüsse entgegen dem Wortlaut nur bei einer fristlosen Kündigung der Klägerin entstehen soll, würde auch eine solche Klausel den Beklagten unangemessen benachteiligen. Denn eine fristlose Kündigung der Klägerin aus wichtigem Grund kommt nicht nur bei einem vertragswidrigen Verhalten des Beklagten in Betracht, sondern auch dann, wenn es der Klägerin aus Gründen, die in ihrer Sphäre liegen, nicht zumutbar ist, das Vertragsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzuführen (OLG München, Beschluss vom 26.10.2020, 7 U 4016/20, juris; Semler in: Martinek/Semler/Flohr, Handbuch des Vertriebsrechts, 4. Aufl. 2016, § 20 Vertragsbeendigung Rn. 31; Graf von Westphalen in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock/Wöstmann, HGB, 6. Aufl. 2023, 2. Kündigungsgründe Rn. 107). In einem solchen Fall wäre eine Rückzahlungspflicht des Beklagten bezüglich der erhaltenen Zuschüsse mit dem Grundsatz von Treu und Glauben wiederum nicht zu vereinbaren.
33cc.
34Selbst wenn man schließlich eine Auslegungsmöglichkeit auch dahin erkennen wollte, dass – wiederum entgegen dem Wortlaut – die Klausel doppelt einschränkend dahin auszulegen sein soll, dass die Rückzahlungspflicht bezüglich der Zuschüsse nur bei einer fristlosen Kündigung der Klägerin, die auf einem vertragswidrigen Verhalten des Beklagten beruht, entstehen soll, wäre dies jedenfalls nur eine von mehreren Auslegungsmöglichkeiten, so dass eine solche Auslegung der Klausel jedenfalls § 305c Abs. 2 BGB entgegen stehen würde. Danach gehen Zweifel bei der Auslegung einer Klausel zu Lasten des Verwenders. Wenn aber mehrere Auslegungsmöglichkeiten bestehen, ist von der Auslegung auszugehen, die zur Unwirksamkeit der Klausel führt (vgl. Grüneberg, BGB, 83. Auflage, zu § 305c Rn. 18 m.w.Nw.).
35Die danach maßgebliche, kundenfeindlichste Auslegung der Klausel führt – wie oben bereits ausgeführt – dazu, dass der Handelsvertreter auch dann zur Rückzahlung verpflichtet ist, wenn ihm ein Recht zur außerordentlichen Kündigung zusteht; so dass ein Verstoß gegen § 307 Abs. 1 BGB vorliegt.
36b.
37Dadurch, dass nach dem Vorgesagten unter Berücksichtigung von § 306 Abs. 1 BGB lediglich die Rückzahlungsvereinbarung unwirksam ist, kann die Klägerin ihr Rückzahlungsbegehren auch nicht auf eine bereicherungsrechtliche Anspruchsgrundlage stützen, da die Zahlungen jeweils mit Rechtsgrund erfolgt sind.
382.
39Die geltend gemachten Zinsen sowie die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten teilen das Schicksal des unbegründeten Hauptanspruchs.
40II.
41Auf die dem Rechtsmittelführer bei förmlicher Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO verlorengehende Möglichkeit einer kostensparenden Rücknahme (vgl. Nr. 1222 Kostenverzeichnis zum GKG) wird vorsorglich hingewiesen.