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Der in dem Schiedsgerichtsverfahren des Schweizerischen Schiedsgerichtszentrums im Verfahren Nr. 500142-2022 zwischen den Parteien durch das Schiedsgericht, bestehend aus dem Einzelschiedsrichter B. S., am 03.03.2023 ergangene endgültige Schiedsspruch wird mit folgendem Tenor für vollstreckbar erklärt:
Die Antragsgegnerin wird verurteilt, der Antragstellerin für den Vertragsbruch eine Entschädigung in Höhe von 170.252,34 € zu zahlen. Dieser Betrag ist ab dem 03.02.2022 bis zur Zahlung mit 5 % p.a. zu verzinsen.
Die Antragsgegnerin wird verurteilt, der Antragstellerin die im Zusammenhang mit dem Schiedsverfahren entstandenen Kosten in Höhe von 13.800,00 CHF und 37.128,00 € zu erstatten. Jeder dieser Beträge ist ab dem 03.03.2023 bis zur Zahlung mit 5 % p.a. zu verzinsen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.
Der Gegenstandswert des Verfahrens wird auf bis 230.000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
2I.
3Die Antragstellerin beantragt, einen schweizerischen Schiedsspruch vom 03.03.2023 für vollstreckbar zu erklären.
4Unter dem 21.08.2021 schloss Herr M. im Namen der Antragsgegnerin mit der Antragstellerin einen Kaufvertrag über die Lieferung von 271,78 Meter kaltgewalzter Stahlspulen zu einem Kaufpreis von 322.412,60 €.
5Der Kaufvertrag enthält unter Ziffer 4 eine Schiedsvereinbarung mit folgendem Wortlaut: „Alle Streitigkeiten, die sich aus oder im Zusammenhang mit diesem Vertrag ergeben, werden von einem oder mehreren Schiedsrichtern gemäß der Schiedsgerichtsordnung der Industrie- und Handelskammer in der Schweiz und nach Schweizerischem Recht behandelt und entschieden. Der Ort des Schiedsverfahrens ist Lugano, Schweiz. Die Sprache des Schiedsverfahrens ist Englisch. Der daraus resultierende Schiedsspruch ist endgültig und für beide Parteien verbindlich.“
6Am 01.12.2021 teilte die Antragstellerin der Antragsgegnerin mit, dass die vereinbarte Ware in Antwerpen zur Abholung bereitstehe und dass die Rechnung über den Preis spätestes am 03.12.2021 zu bezahlen sei. Nachdem die Antragsgegnerin am 27.01.2021 mitteilte, dass sie den vereinbarten Kaufpreis nicht zahlen werde, kündigte die Antragstellerin den Kaufvertrag am 03.02.2022.
7Die Antragstellerin veräußerte die Stahlspulen in der Folgezeit zu niedrigeren Kaufpreisen an dritte Unternehmen weiter.
8Aufgrund der Vertragsverletzung der Nichtzahlung und Nichtabnahme der Ware machte die Antragstellerin vor dem Schiedsgericht in Lugano Schadensersatzansprüche gegen die Antragsgegnerin geltend.
9Im Schiedsverfahren berief sich die Antragsgegnerin insbesondere darauf, dass ein wirksamer Vertrag zwischen den Parteien nicht zustande gekommen sei, weil Herr M. nicht vertretungsberechtigt gewesen sei.
10Mit „endgültigem Schiedsspruch“ vom 03.03.2023 wurde die Antragsgegnerin verurteilt, der Antragstellerin für den Vertragsbruch eine Entschädigung in Höhe von 170.252,34 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % p.a. ab dem 03.02.2022 bis zur Zahlung zu zahlen. Weiter wurde die Antragsgegnerin verurteilt, der Antragstellerin die im Zusammenhang mit dem Schiedsverfahren entstandenen Kosten in Höhe von 13.800,00 CHF und 37.128,00 € zu erstatten, wobei jeder dieser Beträge ab dem Datum des Endschiedsspruchs bis zur Zahlung mit 5 % p.a. zu verzinsen ist.
11Zur Frage des Vertragsschlusses zwischen den Parteien heißt es in dem Schiedsspruch u.a. wie folgt:
12„Am 18. August 2021:
13i. Herr X. E. sandte namens und im Auftrag der H. ein unverbindliches Angebot an Herrn T. M. mit einer Liste der zum Kauf angebotenen Materialien ("Angebot"). Die aufgelisteten Materialien bestanden aus 477,85 Tonnen ("mt") kaltgewalzter Stahlspulen ("CRSC") unterschiedlicher Güte, Dicke, Breite, Gewicht und Preis. Dem Angebot zufolge sollten die CRSC im Hafen von Antwerpen verzollt geliefert werden. Im Betreff der E-Mail, die das Angebot enthielt, wurde angegeben, dass die CRSC aus China stammten, und als Ankunftsdatum wurde September 2021 genannt.
14ii. Wenige Minuten später antwortete Herr M. Herrn E. und fügte ein "x" neben der Art der angebotenen CRSC hinzu, für die "Interesse" bestand. Die von Herrn M. getroffene Auswahl umfasste 271,78 mt CRSC und belief sich auf 322.412,60 EUR ("Interessensbekundung").
15iii. Herr E. schickte Herrn M. einen von H. unterzeichneten Vertragsentwurf zu ("Vertragsentwurf'), der die Interessenbekundung enthielt, und informierte Herrn M. gleichzeitig darüber, dass der Vertragsentwurf gegengezeichnet und zurückgeschickt werden müsse.
16In diesem Zusammenhang sind folgende Punkte unstrittig:
17i. Herr E. ist Geschäftsführer der D. GmbH ("D."), einem Unternehmen mit Sitz in Bamberg, das als Handelsvertreter von H. in Deutschland und Luxemburg für den Verkauf von in die Europäische Union ("EU") importiertem Stahl fungiert.
18ii. Herr M. ist Angestellter der W. GmbH ("W."), einer Beratungsgesellschaft mit Sitz in Düsseldorf, die von P. unter anderem mit der technischen Beratung und Unterstützung bei der Anbahnung und Abwicklung von Aufträgen und im Allgemeinen im Tagesgeschäft des Stahlhandels und der Stahlverarbeitung beauftragt ist.
19iii. Zum Zeitpunkt des Angebots hatte H. das angebotene CRSC bereits von F. International Technology Ltd ("F."), einem chinesischen Händler, erworben. Das angebotene CRSC war bereits im Hafen von Tianjin auf das Frachtschiff R. G. verladen worden.
20iv. Der Vertragsentwurf besagt (u.a.):
21a. Die Vertragsnummer lautet "N01", H. wird darin als "Verkäufer" bezeichnet und P. als "Käufer".
22b. Es wurde vereinbart, dass H. 271,78 mt CRSC ("Waren") verkauft, die U. im Hafen von Antwerpen, Belgien, zu liefern sei, und dass P. die Waren zu Preisen kauft, die je nach Dicke, Breite und Gewicht der CRSC variieren (d.h. 1.180,00 EUR pro mt oder 1.200,00 EUR pro mt), insgesamt zum Betrag von 322.412,60 EUR ("Preis").
23c. Es wurde festgelegt, dass der Ursprung der Waren China ist, dass der Preis in voller Höhe (gegen eine Proforma-Rechnung) zu zahlen ist, nachdem H. mitgeteilt habe, dass die Waren in Antwerpen zur Abholung bereit stehen, und dass diese Zahlungsfrist "von wesentlicher Bedeutung" ist.
24Am 21. August 2021:
25i. Herr M. teilte Herrn E. mit, dass er "meinen Kollegen Q. am [23. August 2021] den Auftrag erteilen lassen und dann zu Ihnen kommen würde". In dieser Mitteilung setzte Herr M. Herrn O. Q., Herrn N. OT. und Frau DE. MV., alle P.-Mitarbeiter, ins cc.
26ii. Herr E. teilte Herrn M. (sowie Herrn Q., Herrn GQ. und Frau MV.) mit, dass sich die Ankunft der Waren in Antwerpen bis "Mitte Oktober 2021" verzögern würde und dass ein "gegengezeichneter" Vertragsentwurf (anstelle einer Bestellung) für H. "ausreichend" sei.
27Am 23. August 2021 schickte Herr Q. den Vertragsentwurf an Herrn E. zurück (in Kopie an Herrn M., Herrn GQ. und Frau MV.), der die Unterschrift von Herrn M. (datiert vom 21. August 2021) im Unterschriftsfeld von P. trug ("Vertrag"). Es ist unstrittig, dass Herr M. den Vertrag unterzeichnet hat. Es ist auch unbestritten, dass der Vertragsentwurf und der Vertrag ohne die Unterschrift von Herrn M. identisch sind (d.h., dass keine Änderungen am Vertragsentwurf vorgenommen wurden) und dass der Vertrag somit dieselben Elemente/Verpflichtungen enthält wie der Vertragsentwurf.
28[...]
29Die Beklagte trägt vor, dass eine GmbH wie die P. nach deutschem Recht nur dann wirksam einen Vertrag abschließen kann, wenn sie vertreten ist durch (i) ihren Geschäftsführer, (ii) einen im Handelsregister eingetragenen gleichberechtigten Vertreter, und/oder (iii) einen Vertreter mit einer entsprechenden Vertretungsbefugnis.
30Unter Bezugnahme auf das Handelsregister der P. stellt die Beklagte fest, dass der einzige Geschäftsführer von P. Herr PV. ist (der von den Verhandlungen und dem Abschluss des Vertrags keine Kenntnis hatte), und dass Frau PD. FF. ebenfalls befugt ist, P. zu vertreten. Die Beklagte betont jedoch, dass weder Herr PV. noch Frau FF. den Vertrag unterzeichnet haben. Die Beklagte räumt zwar ein, dass Herr M. den Vertrag unterzeichnet hat, behauptet aber, dass Herr M.: (i) nicht einmal ein Angestellter von P. (und schon gar nicht ihr Geschäftsführer) ist; und (ii) niemals die Vertretungsbefugnis hatte, den Vertrag im Namen von P. zu unterzeichnen.
31Die Beklagte macht daher geltend, dass der Vertrag, soweit er nicht die Unterschrift einer vertretungsberechtigten Person der P. trägt, "niemals rechtsgültig war". Aus diesem Grund kann die Schiedsvereinbarung auch nicht als Zuständigkeitsgrundlage für den Einzelschiedsrichter dienen, um den vorliegenden Streitfall zu entscheiden.
32Diese Schlussfolgerung gelte unabhängig davon, wie das deutsche Recht die "Haftung des Geschäftsherrn, der durch einen Dritten vertreten wird, der keine ausdrückliche Vollmacht hat", anerkenne. Das heißt, der Grundsatz des "rechtlichen Anscheins".
33Nach Ansicht der Beklagten hilft dieser Grundsatz dem Kläger im vorliegenden Fall nicht weiter. Insbesondere trägt die Beklagte vor, dass entgegen der Behauptung des Klägers wie folgt gilt:
34i. In den "Geschäftsabläufen" von P. gibt es "eine klare Anweisung der Geschäftsleitung an die Arbeitnehmer und andere Vertreter, dass jeder verbindliche Kaufvertrag über den Erwerb von Stahl oder anderen Vermögenswerten von der Geschäftsleitung unterzeichnet werden muss".
35ii. Die "Tatsache", dass Herr M. mehr als ein Jahr vor dem Vertrag einen früheren Vertrag im Namen von P. unterzeichnet haben mag, "hat keinerlei Bedeutung, die dahingehend die Wirkung gehabt hätte, dass er befugt gewesen wäre, [P. in der fraglichen Vertragsbeziehung] zu vertreten". Im Gegenzug ist es irrelevant, ob die Klägerin geglaubt haben mag, dass Herr M. ein Angestellter von P. war. Die Tatsache, dass jemand ein Angestellter sein kann, hat keinen Einfluss darauf, ob diese Person befugt ist, ein Unternehmen zu vertreten. Ebenso sind die Herren Q. und GQ. keine leitenden Angestellten bei P., sondern vielmehr "Angestellte [...] ohne Führungsqualitäten" oder befugt, P. zu vertreten.
36iii. H. hat es versäumt, Einsicht in das öffentlich zugängliche Handelsregister der P. zu nehmen und "darauf zu bestehen, dass der [Vertrag] von dem alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer MB. PV. unterzeichnet wird".
37[...]
38Laut Herrn NL., dem Rechtsexperten des Klägers, sieht das deutsche Handelsvertreterrecht hauptsächlich drei alternative Szenarien vor, in denen die Handlungen eines Vertreters (hier Herr M.) eine Haupt-GmbH (hier P.) an einen Dritten (hier H.) binden können. Das heißt, wenn der Vertreter handelt:
39i. gemäß einer förmlichen Vollmacht ("FPR"), als:
40a. der Geschäftsführer der GmbH oder ein sonstiger Zeichnungsberechtigter gemäß dem Handelsregister der GmbH; oder
41b. ein Inhaber einer allgemeinen oder besonderen Vollmacht (die nicht im Handelsregister der GmbH eingetragen werden muss), um die GmbH im Rahmen einer solchen Vollmacht zu vertreten.
42ii. aufgrund einer Anscheinsvollmacht ("APA" oder "Anscheinsvollmacht“). Eine APA liegt im Wesentlichen vor, wenn:
43a. der Auftraggeber bewusst oder unbewusst zulässt, dass der Beauftragte (ohne FPR) davon ausgeht, dass dieser in seinem Namen handeln könnte;
44b. der Auftraggeber nicht wusste, dass der Bevollmächtigte bei einem bestimmten Geschäft in seinem Namen handelte, es aber hätte wissen müssen und bei Anwendung der üblichen Sorgfalt verhindern können; und
45c. die dritte Partei in gutem Glauben gehandelt hat.
46iii. aufgrund einer Duldungsvollmacht ("PAT" oder "Duldungsvollmacht"). Eine Duldungsvollmacht liegt im Wesentlichen vor, wenn:
47a. der Auftraggeber wusste, dass der Beauftragte (ohne FPR) in seinem Namen handelte, aber untätig blieb und somit bewusst das Verhalten des Beauftragten duldete; und
48b. die dritte Partei in gutem Glauben gehandelt hat.
49Der Einzelschiedsrichter akzeptiert, dass das Rechtsgutachten von Herrn NL. die für den vorliegenden Fall relevanten Elemente des deutschen Rechts aus den folgenden Gründen korrekt wiedergibt:
50i. Die Richtigkeit des Rechtsgutachtens von Herrn NL. ist unbestritten.
51ii. Was den Begriff der FPR betrifft, so sind § 164 des deutschen Bürgerlichen Gesetzbuchs, §§ 49 und 53-54 des deutschen Handelsgesetzbuchs sowie § 6(1) und § 35(1)-(2) des deutschen GmbH-Gesetzes in dieser Hinsicht eindeutig.
52iii. Was die Begriffe APA und PAT anbelangt, so erkennt die Beklagte ausdrücklich an, dass sie Teil des deutschen Rechts sind. Darüber hinaus hat der deutsche Bundesgerichtshof die konstitutiven Elemente sowohl des APA als auch der PAT immer wieder bestätigt (im Wesentlichen mit den gleichen Worten wie das Rechtsgutachten von Herrn NL.), was wohl nicht überraschend ist. Die Begriffe APA und PAT (als Teil der Lehre vom rechtlichen Anschein) sind eine logische Folge des Grundsatzes von Treu und Glauben, der das Verhalten von Geschäftsleuten in zivilrechtlichen Rechtsordnungen regelt, und daher findet man in solchen Rechtsordnungen häufig vergleichbare Einrichtungen.
53Daher wird der Einzelschiedsrichter das oben dargelegte deutsche Vertretungsrecht unter Berücksichtigung der Standpunkte der Parteien auf den vorliegenden Sachverhalt anwenden.
54[...]
55Der Einzelschiedsrichter stimmt zu, dass es Herrn M. an FPR mangelte, als er den Vertrag im Namen von P. unterzeichnete. Laut dem Handelsregister der P. besteht die Geschäftsführung der P. ausschließlich aus ihrem Geschäftsführer, Herrn PV.. Das Handelsregister weist auch Frau PD. SL. als Prokuristin aus, die über eine Einzelprokura verfügt. Im Gegensatz dazu gibt es keine allgemeine oder besondere Vollmacht, die Herrn M. die Befugnis verleiht, P. zu vertreten.
56Wie dem auch sei, nach deutschem Recht ist eine Haupt-GmbH nicht nur durch die Handlungen eines Vertreters mit FPR an einen Dritten gebunden. Ein Vertreter kann seine Haupt-GmbH auch an einen Dritten binden, indem er entweder im Rahmen eines PAT oder eines APA handelt. In der Tat ist es das letztgenannte Szenario, das den Hauptteil der Argumentation des Klägers zur Zuständigkeit ausmacht (d.h. dass H. legitimerweise glaubte, dass Herr M. den Vertrag und die darin enthaltene Schiedsvereinbarung im Namen von P. abschließen könnte).
57Vor diesem Hintergrund ist der Einzelschiedsrichter der Auffassung, dass Herr M. beim Abschluss des Vertrags und der Schiedsvereinbarung im Rahmen einer APA im Namen von P. gehandelt hat. Aus den nachstehend dargelegten Gründen stellt der Einzelschiedsrichter fest, dass H. beim Abschluss des Vertrags (und der Schiedsvereinbarung) in gutem Glauben gehandelt hat (a); P. hat Herrn M. unbewusst erlaubt, in gutem Glauben davon auszugehen, dass er im Namen von P. handeln kann (b); und P. hätte wissen müssen, dass Herr M. in ihrem Namen handelt, und hätte sein Handeln verhindern können (c).
58a. Das Verhalten von H. in gutem Glauben
59Für die Beurteilung des Verhaltens von H. in gutem Glauben ist der maßgebliche Maßstab, ob H. wusste, dass Herr M. nicht befugt war, P. beim Abschluss des Vertrags zu vertreten, oder ob H. Grund hatte, daran zu zweifeln, dass Herr M. den Vertrag im Namen von P. abschließen konnte. Werden beide Fragen verneint, so hat die H. in gutem Glauben gehandelt. Wie nachstehend erläutert, ist der Einzelschiedsrichter der Ansicht, dass dies der Fall war.
60Ungeachtet des anfänglichen vehementen Leugnens von Herrn M. und der Beklagten geht aus den Unterlagen hervor, dass H. (als Verkäufer) und P. (als Käufer) im November 2020 (d.h. weniger als ein Jahr vor Abschluss des Vertrags) einen Kaufvertrag über feuerverzinkte Stahlspulen ("2020 SPA") geschlossen hatten. Herr M. unterzeichnete den 2020 SPA im Namen von P., wie er in der Anhörung bestätigte. Im weiteren Verlauf des Verfahrens räumte auch die Beklagte ein, dass der Abschluss des SPA 2020 "Tatsache" sei.
61Zwischen Februar und März 2021 (d.h. drei bis vier Monate nach Abschluss des SPA 2020) scheint ein Unternehmen namens SP. & RH. P. als Käufer im SPA 2020 ersetzt zu haben. Unabhängig davon geht aus den Unterlagen nicht hervor, dass sich P. vor dieser Auswechslung geweigert hat, den SPA 2020 zu erfüllen, oder dessen Abschluss/Gültigkeit mit dem Argument angefochten hat, dass die Unterschrift von Herrn M. P. nicht an den SPA 2020 binden könne. Vielmehr geht aus den Unterlagen hervor, dass H. und P. im Dezember 2020 einen Nachtrag zur Änderung des im SPA 2020 vereinbarten Liefertermins schlossen, vom 15. bis 31. Dezember 2020. Herr M. scheint diesen Nachtrag erneut im Namen von P. unterzeichnet zu haben.
62Umgekehrt hat die Beklagte keine spezifische Vollmacht vorgelegt, aus der hervorgeht, dass Herr M. FPR mit dem Abschluss des 2020 SPA beauftragt hatte. Die Beklagte hat auch nicht nachgewiesen (obwohl sie die Beweislast für ihre Einrede der Unzuständigkeit trägt), dass H. wusste, dass P. ebenfalls nicht zuständig war:
63i. Herrn M. ausnahmsweise angewiesen hat, das SPA 2020 zu unterzeichnen; oder
64ii. Ratifizierung der Unterzeichnung des SPA 2020 durch Herrn M. im Nachhinein.
65Dass P. den SPA 2020 wirksam abgeschlossen hat, bleibt auch in diesem Schiedsverfahren unbestritten. Die Beklagte behauptet allenfalls, dass die Unterzeichnung des SPA 2020 durch Herrn M. nicht bedeute, dass der Managing Director von P., Herr PV., Herrn M. ermächtigt habe, den Vertrag im Namen von P. abzuschließen. Nach Angaben der Beklagten gibt es direkte Anweisungen innerhalb von P., wonach Herr PV. alle von P. abzuschließenden Verträge unterzeichnen muss.
66Der Versuch der Beklagten, die Bedeutung des SPA 2020 zu untergraben, zielt jedoch im Kern darauf ab, das Argument der Beklagten zu untermauern, dass Herrn M. das FPR fehlte, um den Vertrag im Namen von P. abzuschließen. Wie jedoch oben dargelegt, ist es klar, dass Herr M. in dieser Hinsicht kein FPR hatte.
67Noch wichtiger ist, dass die Tatsache, dass Herr M. und nicht Herr PV. den SPA 2020 unterzeichnet hat, bestätigt, dass entgegen den Behauptungen die Beklagten auch andere Personen als die von FPR mit der Vertretung von CE beauftragten Personen (d.h. Herr PV. und Frau SL.) die Verträge von P. mit Dritten unterzeichnen können und dies auch getan haben.
68Insbesondere zeigt das SPA 2020, dass P. über Herrn M. bereits vor dem Vertrag eine offenbar unbestritten gültige Transaktion mit H. abgeschlossen hatte - eine Transaktion, die übrigens, wie der Einzelschiedsrichter feststellt, eine Schiedsvereinbarung enthielt.
69Unter diesen Umständen stellt der Einzelschiedsrichter fest, dass es dem Grundsatz von Treu und Glauben entsprach, dass die H. davon ausging, dass Herr M. den Vertrag und die darin enthaltene Schiedsvereinbarung im Namen der P. abschließen konnte. Es konnte nicht erwartet werden, dass die H. von der behaupteten Politik der P. (die im Übrigen durch das SPA 2020 widerlegt wird) wusste, wonach Herr PV. alle P.-Verträge unterzeichnen muss. Auch die Tatsache, dass Herr M. nicht im Handelsregister von P. eingetragen ist oder möglicherweise keine besondere Vollmacht zum Abschluss des Vertrags hatte, ist für die vorliegende Frage irrelevant. Diese Aspekte sagen wenig bis gar nichts darüber aus, ob die H. die Befugnis von Herrn M. zur Vertretung der P. (im Rahmen eines APA) beim Abschluss des Vertrages hätte in Frage stellen müssen.
70Aus der Sicht von H., sei es direkt oder über seinen Vertreter D. (d.h. Herrn E.), wird die vorstehende Feststellung durch die folgenden Elemente zusätzlich gestützt:
71i. Herr M. hat stets den Anschein erweckt, ein Angestellter von P. zu sein. Die Parteien sind sich einig, dass der gesamte Schriftverkehr zwischen Herrn M. und H. bzw. D. an die P.-E-Mail-Adresse von Herrn M. gesendet wurde. Außerdem trägt die E-Mail-Signatur von Herrn M. wie die anderer P.-Mitarbeiter das P.-Logo, die Kontaktdaten, die URL und die registrierte Adresse.
72ii. Herr Q., Herr GQ. und Frau MV., allesamt P.-Mitarbeiter, nahmen am Prozess der Vertragsverhandlung/des Vertragsabschlusses teil. Spätestens am 21. November 2021 hatten sie Kenntnis von dem Vertragsentwurf, den Herr M. am 18. August 2021 von Herrn E. erhalten hatte. Am 23. August 2021 sandte Herr Q. den von Herrn M. unterzeichneten Vertrag an Herrn E..
73Die Beklagte trägt vor, dass Herr M. kein Angestellter der P. ist, sondern bei LQ., einem von der P. beauftragten Berater, beschäftigt ist. Sie hält es auch für irrelevant, dass P.-Beschäftigte an der Aushandlung/dem Abschluss des Vertrages teilgenommen haben könnten. Nach Ansicht der Beklagten sind P.-Beschäftigte, die Sachbearbeiterpositionen innehaben, wie Herr Q., Herr GQ. und Frau MV., nicht befugt, die P. zu vertreten.
74Es ist zwar unbestritten, dass der Arbeitgeber von Herrn M. die W. und nicht die P. ist, doch gibt es in den Unterlagen keine ausreichenden Beweise dafür, dass die H. zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses von dieser Tatsache wusste. Nach Ansicht des Einzelschiedsrichters ist dies für die Beurteilung des Verhaltens von H. in gutem Glauben relevant.
75Hätte die H. gewusst, dass Herr M. kein Angestellter der P., sondern eines Dritten war, wäre es für die H. wohl gerechtfertigt gewesen, sich weiter zu erkundigen, ob die P. Herrn M. zum Abschluss des Vertrags ermächtigt hatte. Im Gegensatz dazu deutet das Auftreten von Herrn M. als Angestellter von P. darauf hin, dass die H. keine weiteren Gründe hatte, die Befugnis von Herrn M., P. zu vertreten, in Frage zu stellen. Dies gilt umso mehr, als P. (über Herrn M.) zuvor den SPA 2020 mit H. abgeschlossen hatte.
76Ebenso mag es sein, dass die P. ihren Mitarbeitern auf der Referendarebene grundsätzlich nicht erlaubt, als Vertreter der P. aufzutreten. Aber auch hier geht es um ein Thema, das hier nicht zur Debatte steht. Es geht nämlich um die Frage, ob diese Art von Angestellten ein FPR gegenüber der P. haben. Es bleibt also festzuhalten, dass mehrere P.-Beschäftigte, sei es zum Schein (z.B. Herr M.) oder tatsächlich (z.B. Herr Q., Herr GQ. und Frau MV.), an den Vertragsverhandlungen beteiligt waren. Darüber hinaus war es P., die über Herrn Q. (d, h. nicht über Herrn M. oder LQ.) den von Herrn M. unterzeichneten Vertrag an H. (über D.) zurückschickte. Aus der Sicht von H. erweckte all dies den Anschein, dass der von Herrn M. unterzeichnete Vertrag die institutionelle Unterstützung von P. hatte.
77Aus den oben genannten Gründen stellt der Einzelschiedsrichter fest, dass die H. weder wusste, dass Herr M. nicht befugt war, die P. zu vertreten, noch Anlass zu begründeten Zweifeln daran hatte, dass Herr M. den Vertrag im Namen der P. abschließen konnte. H., sei es direkt oder durch ihren Vertreter D., vertraute zu Recht auf die offensichtliche Vollmacht von Herrn M., P. zu vertreten. Der Einzelschiedsrichter stellt daher fest, dass die H. zu jeder Zeit in gutem Glauben gehandelt hat.
78b. Die Annahme von Herrn M., er könne als Vertreter von P. handeln
79Um zu beurteilen, ob die P. bewusst oder unbewusst zuließ, dass Herr M. davon ausging, im Namen der P. den Vertrag abschließen zu können, ist die entscheidende Frage, ob Herr M. sein behauptetes Mandat in gutem Glauben (d.h. nicht aus eigenem Antrieb) ausübte. Wie nachstehend erläutert, bejaht der Einzelschiedsrichter diese Frage auf der Grundlage der obigen Analyse des Verhaltens von H. in gutem Glauben (die hier entsprechend gilt).
80Zum einen hat Herr M. als LQ.-Mitarbeiter die Aufgabe, P. unter anderem bei der Anbahnung und Abwicklung von Aufträgen und im Tagesgeschäft der P. zu beraten und zu unterstützen, einschließlich Stahlkäufe. Bei der Anhörung nannte Herr M. 12 P.-Mitarbeiter als seine Ansprechpartner. Daraus folgt, dass Herr M. eine enge und ständige Arbeitsbeziehung zu P. unterhält. Auch die Tatsache, dass Herr M. den Vertrag ausgehandelt und schließlich abgeschlossen hat, steht nicht im Widerspruch zum wesentlichen Umfang seiner Routineaufgaben gegenüber der P..
81Zweitens hatte Herr M. weniger als ein Jahr vor der Unterzeichnung des Vertrags im Rahmen seiner Routineaufgaben P. durch die Unterzeichnung des SPA 2020 an H. gebunden - eine Vereinbarung, deren Gültigkeit von P. nicht bestritten wurde. Soweit aus den Unterlagen hervorgeht, unterzeichnete Herr M. den SPA 2020, ohne dass FPR im Namen von P. handelte oder ein Hinweis darauf vorlag, dass seine Unterschrift eine Ausnahme war. Dementsprechend war es für Herrn M. vernünftig zu glauben, dass er vor der Unterzeichnung des Vertrags keine FPR von P. einholen musste.
82Schließlich hat Herr M. nach Erhalt des Vertragsentwurfs den Vertrag nicht einfach unterzeichnet. Herr M. behauptet, dass er "darum gebeten wurde", vermutlich von jemandem bei P., "da die Geschäftsführung von [P. (d.h. Herr M.)] zu diesem Zeitpunkt nicht erreichbar war". Dass eine Person der P. Herrn M. gebeten hat, den Vertrag zu unterzeichnen, steht im Einklang mit der entsprechenden Aussage von Herrn Kring, dass Herr M. "sich bereit erklärt hat, eine Unterschrift zu leisten", weil "Herr PV. leider nicht verfügbar war". Ein Ersuchen einer P.-Person kann auch aus der Chronologie, die zum Vertragsabschluss führt, vernünftigerweise abgeleitet werden. Zur Erinnerung:
83i. Am 18. August 2021 schickte Herr E. den von H. unterzeichneten Vertragsentwurf an Herrn M..
84ii. Am 21. August 2021 (dem Tag, an dem Herr M. den Vertrag unterzeichnete) teilte Herrn M. (in Kopie an die Herren Q. und GQ. und Frau MV.) mit, dass er seinen "Kollegen Q. am [23. August 2021] den Auftrag erteilen lassen" werde.
85iii. Am 23. August 2021 gab Herr Q. den von Herrn GW. im Namen von P. unterzeichneten Vertrag an Herrn E. zurück.
86Zwischen dem 18. und dem 21. August 2021 gibt es keinen Austausch zwischen Herrn M. und anderen bei P.. Herr M. ist jedoch ein effizienter Mann. Im Anschluss an das Angebot von H. vom 18. August 2021 übermittelte Herr M. die Interessenbekundung innerhalb von bemerkenswerten sechs Minuten, und definierte damit die wesentlichen Elemente des Vertrags (d.h. die Waren und den Preis). Außerdem hat Herr M. in der Anhörung 12 P.-Mitarbeiter als seine üblichen Ansprechpartner angegeben. Daher hält es der Einzelschiedsrichter für höchst unwahrscheinlich, dass Herr M. den bereits unterzeichneten Vertragsentwurf erst am 21. August 2021 innerhalb von P. in Umlauf brachte, als er (gegenüber Herrn E.) erklärte, Herr Q. werde "den Auftrag erteilen". In Anbetracht des bisherigen Verhaltens von Herrn M. und der Zeugenaussagen der Beklagten ist vielmehr davon auszugehen, dass Herr M. den Vertragsentwurf sofort/kurz nach Erhalt von Herrn E. am 18. August 2021 an P. weitergegeben hat. Angesichts der behaupteten Unerreichbarkeit der Geschäftsleitung von P. wurde Herr M. dann gebeten, den Vertrag zu unterzeichnen.
87Während das Vorbringen der Beklagten und die Zeugenaussagen unklar sind, wer genau von P. Herrn M. aufgefordert hat, den Vertrag zu unterzeichnen, ist die Tatsache, dass eine solche Aufforderung erfolgte, für die vorliegende Frage entscheidend. Dies gilt unabhängig davon, ob die Aufforderung von der Geschäftsleitung der P. ausging oder nicht. In der Tat:
88i. Wie H. hatte auch Herr M. keinen Grund, von der behaupteten Politik von P. Kenntnis zu haben, wonach Herr PV. alle Kaufverträge unterzeichnen musste. Diese Politik ist auf "Angestellte und andere Vertreter" beschränkt, und die Beklagte behauptet, dass Herr M. keiner von beiden ist. Dass der Geltungsbereich der P.-Politik auf offizielle Angestellte beschränkt ist, steht im Einklang mit der Tatsache, dass Herr M. den Kaufvertrag 2020 im Namen von P. unterzeichnet hat (was im Übrigen gegen die Politik spricht).
89ii. Herr M. zählt die Herren Q. und GQ. sowie Frau MV. zu den 12 Personen, die er als seine Ansprechpartner bei P. betrachtet, erwähnt aber nicht Herrn PV.. Ungeachtet ihrer tatsächlichen Dienstaltersstufe beschreibt sich Herr Q. als "verantwortlich" für den "Einkauf, die Materialwirtschaft, Reklamationen und Streckengeschäfte" von P.; während Herr GQ. seine Position ebenfalls als "verantwortlich" für den "Einkauf“ und Verkauf von Waren" von P. beschreibt. Wie bereits erwähnt, unterstützt Herr M. die P. u. a. bei der Anbahnung und Abwicklung von Stahleinkäufen. Mit anderen Worten, die routinemäßige Beziehung von Herrn M. zu P. scheint nicht den Umgang mit der Geschäftsleitung von P. zu umfassen. Vielmehr scheint sie sich hauptsächlich auf den Umgang mit seinen direkten Ansprechpartnern bei P. zu beschränken, was auch angemessen ist.
90iii. Die Tatsache, dass jemand bei P. (wenn auch nicht der Geschäftsführer) Herrn M. gebeten hat, den Vertrag zu unterzeichnen, und dass Herr M. dies getan hat, deutet darauf hin, dass Herr M. in Anbetracht der Art der Beziehung, die er zu P. unterhielt, in gutem Glauben gehandelt hat.
91Aus den oben genannten Gründen stellt der Einzelschiedsrichter fest, dass die P. Herrn M. (zumindest) unbewusst in die Lage versetzt hat, anzunehmen, dass er den Vertrag im Namen der P. abschließen kann.
92c. Kenntnis von und Verhinderung des Verhaltens von Herrn M. seitens P.
93Einleitend stellt der Einzelschiedsrichter fest, dass nach Angaben der Beklagten der Geschäftsführer von P., Herr PV., erst in diesem Schiedsverfahren von dem Vertrag (und dessen Aushandlung) Kenntnis erhielt. Die Klägerin argumentiert, es sei schwer zu glauben, dass Herr PV. nie über den Vertrag informiert wurde.
94Der Einzelschiedsrichter stimmt dem Antragsteller zu. Würde man annehmen, dass Herr PV. erst durch diesen Streit Kenntnis von dem Vertrag erlangte, würde dies auf ein ernsthaftes Problem in der Unternehmensführung von P. hindeuten. In der Tat berichtete Herr Q. am 23. August 2021, als er den von Herrn M. unterzeichneten Vertrag an Herrn E. zurückgab, dass die Transaktion "unter [SCEs] Nummer N02 laufen" würde, und bat darum, dass diese Nummer in "zukünftigen Mitteilungen" angegeben werden sollte. Anders ausgedrückt: Wie die Klägerin feststellte, registrierte P. die (im Vertrag festgehaltene) Transaktion mit H. in ihrem "internen Einkaufssystem". Darüber hinaus sind das Kündigungsschreiben vom 27. Januar 2022 (mit dem H. P. über den behaupteten Vertragsbruch informierte); das Kündigungsschreiben vom 3. Februar 2022 (mit dem H. den Vertrag kündigte); und das Schreiben vom 9. Mai 2022 (in denen H. ankündigte, ein Schiedsverfahren einzuleiten, falls P. den Preis nicht zahle und die Waren nicht an übergebe) enthielten alle Herrn PV. als Adressaten. Einfach ausgedrückt: Herr PV. muss gewusst haben, dass der Vertrag vor diesem Schiedsverfahren geschlossen worden war.
95Der Einzelschiedsrichter lässt jedoch die Frage offen, ob und wann die Geschäftsleitung der P. tatsächliche Kenntnis von der Aushandlung und dem Abschluss des Vertrags erlangte. Die tatsächliche Kenntnis des Geschäftsherrn von den Handlungen des Vertreters ist keine Voraussetzung für das Zustandekommen eines APCRSC Maßgeblich ist vielmehr die Frage, ob die P. bei Anwendung der üblichen Sorgfalt hätte wissen müssen, dass Herr M. in ihrem Namen handelte. Aus den nachstehend dargelegten Gründen bejaht der Einzelschiedsrichter diese Frage, wobei er sich wiederum auf die obige Analyse des Verhaltens von H. und Herrn M. in gutem Glauben stützt (die hier sinngemäß gilt).
96Der übliche Sorgfaltsmaßstab, der von einer LLC (wie P.) verlangt wird, bedeutet, dass ihr Geschäftsführer die Geschäfte der LLC mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes führen muss. Nach Ansicht des Einzelschiedsrichters umfasst dies im Allgemeinen die Pflicht eines Geschäftsführers, das Tagesgeschäft der GmbH zu überwachen und angemessene Mechanismen/Verfahren zu diesem Zweck; insbesondere im vorliegenden Fall. P. arbeitet unter bestimmten Bedingungen, die es jedem vernünftig denkenden Geschäftsmann in der gleichen Situation rechtfertigen, die Geschäfte von P. gewissenhaft zu prüfen. Insbesondere hat P. behauptet eine klare interne Politik, wonach ihr Geschäftsführer, Herr M., alle von P. abzuschließenden Verträge unterzeichnen muss, doch:
97i. Der Stahlhandelsmarkt kann ausgesprochen schnelllebig sein. Wie gesehen, haben Herr E. und Herr M. definierte die wesentlichen Elemente des Vertrags innerhalb von sechs Minuten.
98ii. P. beauftragt externe Berater wie LQ., über die Herr M. nicht nur die Verpflichtungen von P. gegenüber Dritten unterstützt, sondern in der Vergangenheit auch Verträge im Namen von P. (mit H.) abgeschlossen hat (d.h. 2020 SPA).
99Auf dieser Grundlage stellt der Einzelschiedsrichter fest, dass die folgenden miteinander zusammenhängenden und kumulativen Umstände darauf hindeuten, dass die Geschäftsleitung der P. bei Anwendung der üblichen Sorgfalt hätte wissen müssen, dass Herr M. in Bezug auf den Vertrag im Namen der P. handelte und es hätte verhindern können.
100Erstens haben die P.-Mitarbeiter aller Wahrscheinlichkeit nach unmittelbar oder kurz nachdem Herr M. den Vertragsentwurf von Herrn E. am 18. August 2021 erhalten hatte, von den Vertragsverhandlungen erfahren. Am 23. August 2021 gab Herr Q. den von Herrn M. unterzeichneten Vertrag zurück. Kurz gesagt, es vergingen etwa fünf Tage, bis die P.-Mitarbeiter von dem Vertragsentwurf erfuhren und der Vertrag unterschrieben zurückgegeben wurde. In einem schnelllebigen Markt ist ein solcher Zeitrahmen für den Vertragsentwurf und den Vertrag, der behauptet von der P.-Geschäftsführung unbemerkt blieb, beachtlich. Zumal zur gleichen Zeit die Transaktion mit H. in das interne Einkaufssystem von P. eingegeben wurde.
101Zweitens hatten zumindest Herr Q., Herr GQ. und Frau MV., allesamt P.-Mitarbeiter, Kenntnis von der Aushandlung und dem Abschluss des Vertrags durch Herrn M. im Namen von P.. Dies entspricht 25 % der P.-Belegschaft, die Herr M. als seine Kontaktstelle angibt, was wesentlich ist. Wären angemessene Kommunikationsmechanismen/Verfahren vorhanden gewesen, hätten die P.-Mitarbeiter die P.-Geschäftsleitung erreichen und entsprechend berichten können (vor Abschluss des Vertrags). In der Tat wurde versucht, Herrn PV. zu erreichen, aber er "konnte nicht erreicht werden" und "war leider nicht verfügbar". Die Beklagte liefert jedoch keine zusätzliche Erklärung oder Rechtfertigung für diese behauptete Nichtverfügbarkeit.
102Schließlich gab, wie bereits erwähnt, Herr Q. (nicht Herr M.) den von Herrn M. unterzeichneten Vertrag am 23. August 2021 an Herrn E. zurück. Herr M. hatte den Vertrag am 21. August 2021 unterzeichnet. Die P.-Mitarbeiter ließen den von Herrn M. unterzeichneten Vertrag also mit einer gewissen Vorfreude auf die Rückgabe an Herrn E. unterzeichnen. Hätte es angemessene Anweisungen und Überwachungsmechanismen/-verfahren gegeben, hätte das Management von P. sicherstellen können, dass der (von Herrn M. unterzeichnete) Vertrag einbehalten und nicht an Herrn E. zurückgegeben wird.
1034. Schlussfolgerung
104In den vorangegangenen Abschnitten hat der Einzelschiedsrichter geprüft, dass alle Voraussetzungen für das Zustandekommen eines APA nach deutschem Recht in Bezug auf die P., Herrn M. und H. ordnungsgemäß erfüllt sind. In Anbetracht dessen und aus den oben dargelegten Gründen stellt der Einzelschiedsrichter fest, dass Herr M. den Vertrag aufgrund eines APA geschlossen hat, um im Namen der P. zu handeln (d.h. Herr M. hat H. den rechtlichen Anschein gegeben, zum Abschluss des Vertrags im Namen der P. befugt zu sein).
105Dementsprechend war P. durch die Unterschrift von Herrn M. rechtmäßig an den Vertrag gebunden, und somit haben H. und P. sowohl den Vertrag als auch die Schiedsvereinbarung rechtsgültig geschlossen.“
106Zur Weiterveräußerung der Stahlspulen durch die Antragstellerin und zum Einfluss dieser Vorgänge für die Höhe der Schadensersatzforderung heißt es in dem Schiedsspruch u.a.:
107„Am 14. April 2022 schloss H. einen Vertrag mit TZ. QS. SP Z.O.O. ("TZ."), einem polnischen Unternehmen, in dem TZ. 45,43 Tonnen der Waren zu einem Durchschnittspreis von 1.010,00 EUR pro Tonne erwarb.
108Am 9. Mai 2022 schickte Herr LL. eine E-Mail mit einem H.-Schreiben vom selben Tag an die Herren M. und GQ.. Das Schreiben war an P. zu Händen der Herren PV., M. und GQ. gerichtet und lautete in den relevanten Teilen wie folgt:
109Im Nachgang zu dem [Kündigungsschreiben] hat [H.] die Waren gemäß [dem Vertrag] nur teilweise an einen einzigen alternativen Käufer weiterverkauft, wie unten angegeben:
110- 45.430 mt zu einem Preis von 1010,00 eur/mt U. Antwerpen
111Die Restmenge von 226.350 Tonnen befindet sich immer noch in den Lagern des Antwerpener Hafens, wodurch sich die Kosten und Ausgaben erhöhen.
112[H.] bietet derzeit die Restladung zum Preis von 900 Eur/mt an, aber käuferseits besteht derzeit keine Bereitschaft, diesen Betrag zu akzeptieren oder Gebote abzugeben.
113Wie Sie wissen, macht es die derzeitige Situation mit dem rapiden Preisverfall sehr schwierig, die Restmenge zu veräußern. Es ist daher mehr als wahrscheinlich, dass der Wiederverkaufspreis für die verbleibenden 223.350 mt zu einem niedrigeren Preis als dem derzeit angebotenen festgesetzt wird, was einen größeren Schaden nach sich ziehen würde.
114Um den Verlust zu minimieren, fordert [H.] [P.] erneut auf:
115- den vertraglichen [Preis] für die noch in Antwerpen gelagerten [Waren] in Höhe von 268.805,20 Euro zu zahlen;
116- die [Waren] abzunehmen; und zwar vorbehaltlich der oben genannten Zahlung und vorbehaltlich der Zahlung von 11.813,90 EUR für zusätzliche Finanz- und Lagerkosten/Aufwendungen, die bis heute fällig geworden sind [...].
117Sollten Sie diese Zahlungen nicht leisten, ist [H.] gezwungen, das Schiedsverfahren einzuleiten und die Preisdifferenz sowie die entstandenen Kosten und Auslagen einzufordern.
118Zwischen dem 10. und 12. Mai 2022 schlossen H. und JB. OV. SP Z.O.O. ("JB."), ein polnisches Unternehmen, einen Vertrag ("JB.-Vertrag"), in dem JB. sich bereit erklärte, die gesamte Restmenge der Waren (d.h. 226,35 mt) zu einem Durchschnittspreis von 850 EUR pro mt in zwei Posten zu kaufen. (i) Posten 1, bestehend aus 140,74 mt, fällig am 13. Mai 2022; und (ii) Posten 2, bestehend aus den restlichen 85,6 mt, fällig am 25. Mai 2022.
119Am 16. Mai 2022 antwortete Herr Q. auf die Mitteilung von Herrn LL. vom 9. Mai 2022 (unter Beifügung des Schreibens von H. vom selben Datum), wie folgt (in relevanten Teilen):
120Durch Ihre einseitige Kündigung des [Vertrags] haben Sie den Schaden selbst verursacht. Wir fühlen uns in keiner Weise vertraglich verpflichtet, irgendwelche Kosten zu übernehmen und wundern uns, dass vom 03.02.09 bis zum 90.05.05 (sic) = 3 Monate vergangen sind, bevor Sie reagieren. Hat das vielleicht etwas mit dem Preisverfall zu tun? Für uns ist der Fall abgeschlossen.
121Am 1. Juni 2022 sandte H. ein Schreiben an JB., in dem es den JB.-Vertrag unter Berufung auf die Nichtzahlung kündigte, und zwar wie folgt:
122Unter Bezugnahme auf [den am 12.05.2022 unterzeichneten JB.-Vertrag] bestätigen wir, dass für Posten 1 und Posten 2 mit Fälligkeitsdatum 13.05.2022 und 25.05.2022 keine Zahlung eingegangen ist. Da Sie nicht vertragsgemäß gezahlt haben, kündigen wir hiermit den Vertrag mit sofortiger Wirkung und werden die Waren gemäß dem oben genannten Vertrag veräußern.
123Am 10. Oktober 2022 verkaufte H. (im Rahmen einer Auktion) die restlichen 226,35 Tonnen der Waren an UW. QS. S.R.O ("UW."), ein tschechisches Unternehmen, zu einem Durchschnittspreis von 487,00 EUR pro Tonne.
124[...]
125Wie nachstehend erläutert, ist der Einzelschiedsrichter der Ansicht, dass das Ersatzgeschäft zwischen H. und UW. vom 10. Oktober 2022 (226,35 Tonnen der Waren zu 487,00 Euro pro Tonne) den Anforderungen von Artikel 75 entspricht. Das Ersatzgeschäft rechtfertigt jedoch eine Anpassung gemäß Artikel 77 CISG.
126In limine kann die Frage, ob H. den Verkauf des UW.-Deckels innerhalb einer angemessenen Frist abgeschlossen hat, nicht außer Acht gelassen werden, wie festgestellt wurde:
127i. Zwischen dem 3. Februar 2022 (d.h, dem Datum der Beendigung des Vertrags) und dem 14. April 2022 (d.h. dem Datum des Verkaufs des TZ.-Deckels) war es vernünftig, dass H. die restlichen 226,35 Tonnen der Waren nicht verkaufen konnte.
128ii. Zwischen dem 20. April und dem 10. Mai 2022 fanden Verhandlungen zwischen H. und JB. statt.
129iii. Zwischen dem 10. Mai 2022 und dem 1. Juni 2022 war der JB.-Vertrag (über dieselben Waren, die schließlich an UW. verkauft werden sollten) in Kraft.
130Um die Bemühungen von H. im Zusammenhang mit dem Ersatzgeschäft mit UW. zu bewerten, ist daher der Zeitraum zwischen der Beendigung des JB.-Vertrags im Juni 2022 und dem Datum des Deckungsverkaufs mit UW. im Oktober 2022 der beste Bezugspunkt. In diesem Zusammenhang stellt der Einzelschiedsrichter fest, dass im Gegensatz zur Ersatztransaktion mit TZ., zu der H. (direkt oder indirekt) zahlreiche schriftliche Angebote an potenzielle Käufer abgegeben hat, die Unterlagen keine schriftlichen Angebote nach April 2022 enthalten.
131Der Einzelschiedsrichter akzeptiert jedoch erneut die Darstellung des Klägers und seiner Zeugen, dass H. nie aufgehört hat, zufriedenstellende Anstrengungen zu unternehmen, um die Waren potenziellen alternativen Käufern per Telefon innerhalb Deutschlands und auf anderen geeigneten Märkten anzubieten. Dieselben Gründe, die in dieser Hinsicht im Zusammenhang mit dem Deckungskauf mit TZ. entwickelt wurden, gelten hier sinngemäß. Das Fehlen schriftlicher Angebote im Zeitraum von Juni bis Oktober 2022 ist jedoch zusätzlich gerechtfertigt. Es liegt in der Regel nicht im Interesse eines Verkäufers oder des Verkaufs selbst, einen relevanten und begrenzten Markt mit wiederholten schriftlichen Angeboten an Kunden zu überschwemmen, die in der jüngsten Vergangenheit nicht auf dieselben Angebote reagiert haben. Wie von Herrn E. und Herrn LL. erläutert, wussten die relevanten potenziellen Käufer, dass H. die Waren zum Verkauf hatte, weshalb es für H. kontraproduktiv gewesen wäre, unaufhörlich darauf zu bestehen (vor allem schriftlich). Der Maßstab für die Feststellung des Vorliegens einer Tatsache darf nicht blind für kommerzielle Sensibilität sein.
132Die sich daraus ergebende Frage lautet einmal mehr, ob die angemessenen Bemühungen von H., die Waren zu verkaufen, in einem angemessenen Verhältnis dazu stehen, dass der Deckungskauf mit UW. erst am 10. Oktober 2022 zu dem Preis stattfand, zu dem er getätigt wurde (d.h. zu 487,00 EUR pro mt also 313 EUR pro mt unter dem gemeldeten durchschnittlichen Marktpreis in Antwerpen von 800 EUR pro mt). Die Antwort auf diese Frage lautet: Ja. Die außergewöhnlichen Marktbedingungen, die die Chancen von H., die Waren im April 2022 an TZ. zu verkaufen, beeinträchtigt haben, waren auch im Zeitraum zwischen Juni und Oktober 2022 gegeben. Außerdem erforderten die Verkaufsmethode und die Verschlechterung der Ware zum Zeitpunkt des Deckungskaufs mit UW. vernünftigerweise einen Verkauf unter dem Marktpreis.
133Was die Marktbedingungen anbelangt, so sank der Preis für CRSC zwischen Anfang Juni und Mitte Oktober 2022 in ähnlichem Maße wie zwischen Oktober 2021 und Februar 2022 (d.h. in einem Zeitraum, in dem es aufgrund des Preisverfalls nicht einmal der Beklagten gelang, die Waren zu verkaufen). Zwischen Oktober 2021 und Februar 2022 fiel der Stahlpreis um 200,00 EUR (von 1.100,00 EUR pro Tonne auf fast 900,00 EUR). Zwischen Anfang Juni und Mitte Oktober 2022 sank der Preis um 175,00 EUR (von 975,00 EUR pro Tonne auf 800,00 EUR pro Tonne).
134Aus denselben Gründen, die in diesem Zusammenhang für den Deckungsverkauf mit TZ. angeführt wurden (und die hier mutatis mutandis gelten), erklärt der oben erwähnte CRSC-Preisverfall von Juni bis Oktober 2022 hinreichend die Schwierigkeiten von H., die Waren vor Oktober 2022 zu veräußern. Kurz gesagt, wenn es der Beklagten nicht gelungen ist, die Waren Ende 2021 unter ähnlichen Umständen zu verkaufen, kann sie jetzt nicht behaupten, dass die Klägerin erfolgreich gewesen wäre. Dies gilt umso mehr, wenn man bedenkt, dass die Preisschwankungen von Juni bis Oktober 2022 Ausdruck eines Marktes waren, der immer noch in gewissem Maße von den außergewöhnlichen Auswirkungen des Krieges in der Ukraine geschüttelt wurde. Insbesondere war die Stimmung auf dem europäischen Stahlmarkt bis Oktober 2022 weiterhin so, dass Stahlkäufe aufgrund eines Überangebots und/oder in Erwartung weiterer Preissenkungen zurückgehalten wurden. Herr E. bestätigte dies bei der Anhörung, und es wird durch die marktspezifischen Übersichten in den Unterlagen weiter bestätigt. Ähnlich wie zwischen Februar und April 2022 berichtet 500 MEPS' European QS. Review weiterhin wie folgt:
135i. Im Juni 2022: "Die Preise für europäische Spulenprodukte setzten im Mai und Anfang Juni ihre Talfahrt fort. Servicezentren und Händler hielten sich mit Käufen zurück, da sie einen weiteren Preisverfall befürchteten. Die Walzwerke suchten angesichts der geringeren Nachfrage nach Aufträgen. Mitte Juni waren die Coilpreise in Europa auf das Niveau gesunken, das vor der russischen Aktion in der Ukraine gemeldet wurde. Diese Preiskorrektur war angesichts der raschen, durch Panik ausgelösten Anstiege zu erwarten. Allerdings wurden viele Marktteilnehmer von der Geschwindigkeit und dem Ausmaß des Rückgangs überrascht. (...) Sobald der Abschwung einsetzte, verzögerten die Käufer ihre Beschaffung. Die Bestände in der Lieferkette waren ausreichend, um diese Kaufpause zu ermöglichen. Diese Situation wird so lange andauern, bis sich die Preise stabilisieren oder die Bestände wieder aufgefüllt werden müssen".
136ii. Im Juli 2022: "Seit Ostern ist die Nachfrage der Verbraucher jedoch eingebrochen. Angesichts hoher Lagerbestände und niedriger Auftragseingänge schränkten die Händler neue Buchungen bei den lokalen Lieferanten stark ein. Die europäischen Stahlwerke haben es versäumt, ihre Kapazitäten rechtzeitig zu reduzieren, um einen starken Preisverfall zu verhindern. Sie verfügten über Rohstoffvorräte, die sie lieber verbrauchten. Die derzeitige Produktion übersteigt immer noch die Nachfrage".
137iii. Im September 2022: "Die Nachfrage nach Stahl erholt sich nach der Sommerpause nur langsam. Die Produktionskosten der Werke steigen weiter an. Die Stahleinkäufer sind unsicher, wie sich der Markt in Zukunft entwickeln wird. Die europäischen Stahleinkäufer kehrten vorsichtig auf den Markt zurück, da die traditionelle Sommerpause bis Anfang September andauerte. Die Lagerbestände sind angesichts der aktuellen Nachfrage weiterhin relativ hoch. [...] Große, vorgeschlagene [Preis-]Erhöhungen wurden von der Bereitschaft begleitet, mit ihren Stammkunden, die gerade aus dem Urlaub zurückgekehrt waren, zu verhandeln oder die Gültigkeit der bisherigen Preise zu verlängern. Dies untergrub das Vertrauen der Käufer in die Stärke solcher Maßnahmen. Angesichts der schwächeren Auftragslage passen die Stahlwerke ihre Produktion der offensichtlichen Nachfrage an. Kapazitätskürzungen wurden bereits vorgenommen, wenn auch vielleicht nicht früh genug“.
138iv. Im Oktober 2022: "Die Versuche der Stahlhersteller, die Verkaufswerte zu erhöhen, stießen auf den entschiedenen Widerstand der Käufer. Die Lagerbestände sind hoch im Verhältnis zur aktuellen Nachfrage, die unter den Prognosen liegt und keine Anzeichen einer Erholung aufweist. Außerdem leiden die Kunden unter den hohen Energiekasten und schränken die Produktion ein. Kaufentscheidungen können in Erwartung weiterer Stahlpreissenkungen aufgeschoben werden“.
139Hinsichtlich des Preises für den Deckungskauf, d.h. 487,00 EUR pro mt (d.h. 313 EUR pro mt unter dem gemeldeten durchschnittlichen Marktpreis von 800 EUR pro mt), stellt der Einzelschiedsrichter fest, dass er mit Artikel 75 CISG im Einklang steht. Objektive und vernünftige Faktoren rechtfertigen das Delta:
140i. Der Deckungsverkauf der restlichen 226,35 mt wurde im Rahmen einer Auktion und in einem einzigen Jot durchgeführt. Wie die Beklagte anmerkt, hatte dies sicherlich Auswirkungen auf den Verkaufspreis. Dennoch waren diese Auswirkungen gerechtfertigt. Entgegen der Behauptung der Beklagten kann H. für die von ihr gewählte Verkaufsmethode kein Vorwurf gemacht werden. H. hat monatelang angemessene Anstrengungen unternommen, um die Waren durch Direktverkauf abzusetzen, ohne Erfolg. Es war legitim und wohl auch erforderlich, dass H. neue Wege erkundete und versuchte, die Waren auf die zweckmäßigste Weise zu veräußern (z.B. durch Versteigerung und Blockverkauf), was sie auch tat. Eine Aufsplitterung des Verkaufs der Waren in zusätzliche Lose hätte die endgültige Veräußerung der Waren verzögern können und höchstwahrscheinlich auch müssen. Dies wäre auf einem Markt, der noch im Oktober 2022 von Stahlkäufen abhielt, unzumutbar gewesen.
141ii. Die Klägerin räumt ein, dass ein wichtiger Grund für den unter dem Marktpreis liegenden Preis des UW.-Deckelverkaufs der "Zustand der Waren" war, und es gibt Beweise, die diese Behauptung stützen. Am 14. April 2022 (nach dem Deckungsverkauf mit TZ.) stellte H. fest, dass ein Teil der Waren von "Weißrost" betroffen war. Aller Wahrscheinlichkeit nach verschlimmerte sich dieser Mangel mit der Zeit. Bei den angegebenen Marktpreisen für Stahl wird in der Regel davon ausgegangen, dass er keine Mängel aufweist. Daraus folgt, dass für mangelhaften Stahl standardmäßig keine Marktpreise erzielt werden können.
142Daher stellt der Einzelschiedsrichter fest, dass das Ersatzgeschäft zwischen H. und TZ. vom 10. Oktober 2022 die Anforderungen von Artikel 75 CISG erfüllt. Der Deckungsverkauf war in Bezug auf die Art und Weise (d.h. den Preis) und den Zeitpunkt angemessen. Allein aufgrund dieser Bestimmung könnte die Klägerin von P. grundsätzlich die Differenz zwischen dem Vertragspreis und dem Preis des Deckungsgeschäfts mit UW., d.h. 158.572,75 Euro, zurückfordern.
143Ungeachtet dessen stimmt der Einzelschiedsrichter mit der Beklagten darin überein, dass nach Beendigung des Vertrages die H. und nicht die P. das Risiko für den Zustand und die Verschlechterung der Waren trug.
144[...]
145Dementsprechend stellt der Einzelschiedsrichter fest, dass H. es versäumt hat, angemessene Maßnahmen gemäß Artikel 77 CISG zu ergreifen, um seinen Schaden zu mindern, soweit der Zustand der Waren betroffen ist, was sich wiederum auf den Verkaufspreis des Ersatzgeschäfts mit UW. auswirkte. Artikel 77 CISG sieht vor, dass in diesen Fällen "die verletzte Partei eine Minderung des Schadensersatzes in dem Umfang verlangen kann, in dem der Schaden hätte gemindert werden müssen".
146[...]
147600,00 EUR pro Tonne (im Gegensatz zu 700,00 EUR pro Tonne oder mehr) ist in der Tat der angemessene Vergleichswert, weil es darum geht, ein Aber-für-Szenario zu konstruieren, um zu bestimmen, wie hoch der Preis der Waren (beim Deckungskauf mit UW.) hätte sein können, wenn H. angemessene Maßnahmen zur Schadensbegrenzung (zur Erhaltung des Zustands der Waren) ergriffen hätte.
148[...]
149Durch das tatsächliche Ersatzgeschäft mit UW. am 10. Oktober 2022 verkaufte H. 226,35 mt der Waren zu 487,00 EUR pro mt und erhielt somit 110.232,45 EUR. Hätte H. die Waren zu einem Preis von 600,00 EUR pro Tonne verkauft, hätte H. 135.810,00 EUR eingenommen. Dies entspricht einer Differenz von 25.577,55 EUR. Daraus folgt, dass gemäß Artikel 77 CISG der Betrag, den H. für den Deckungskauf mit UW. gemäß Artikel 75 CISG grundsätzlich zu erstatten hat, um 25.577,55 EUR angepasst werden muss.“
150Zu einer (gescheiterten) Weiterveräußerung der Stahlspulen an das polnische Unternehmen JB. OV. SP Z.O.O. hießt es in dem Schiedsspruch u.a.:
151„Zwischen dem 10. und 12. Mai 2022 schlossen H. und JB. den JB.-Vertrag, in dem sich JB. bereit erklärte, die gesamte Restmenge der Waren (d.h. 226,35 Tonnen) zu 850 EUR pro Tonne in zwei Losen zu kaufen. (i) Posten 1, bestehend aus 140,74 mt und fällig am 13. Mai 2022; und (ii) Posten 2, bestehend aus den restlichen 85,61 mt und fällig am 25. Mai 2022. Am 1. Juni 2022 kündigte H. den JB.-Vertrag unter Berufung auf die Nichtzahlung durch JB..
152Die Existenz dieser Transaktion kam durch die zweite Runde des Vorbringens der Klägerin ans Licht, in Erwiderung auf die Behauptung der Beklagten, dass die Klägerin in der ersten Runde des Vorbringens "nicht einmal [...] angegeben hat, welche Anstrengungen [sie] unternommen haben will [...], um ihrer Verpflichtung zur Schadensminderung nachzukommen". Insofern hat die Klägerin den JB.-Vertrag nicht vor der Beklagten verheimlicht, wie diese behauptet.
153Es trifft auch nicht zu, wie die Beklagte behauptet, dass die H. die P. getäuscht habe, als sie ihr am 9. Mai 2022 mitteilte, dass sie nur 45,43 Tonnen der Waren (d.h. die im April 2022 an TZ. verkaufte Menge) habe absetzen können, und die P. aufforderte, den Rest zu übernehmen.
154Gemäß der Beklagten, hat H. Posten 1 bereits am 21. April 2022 an JB. verkauft, so dass die Angaben von H. vom 9. Mai 2022 falsch sind. Es ist jedoch unklar, ob H. am 21. April 2022 eine endgültige Vereinbarung mit JB. über Posten 1 getroffen hatte.
155Dies ist in der Tat der Fall:
156i. Am 20. April 2022 bot H. (über Herrn LL., einen Handelsvertreter bei H.) JB. 226,35 Tonnen der Waren an (d.h. den nach dem Verkauf durch TZ. verbleibenden Rest).
157ii. Am 10. Mai 2022 stellte H. eine Rechnung an JB. aus, in der die Zahlung von 45,43 mt zu 850,00 EUR pro mt gefordert wurde, fällig am 13. Mai 2022. Diese Rechnung bezieht sich auf eine Vertragsnummer "N03 mit Datum vom 21.04.2022". Am selben Tag teilte H. JB. mit, dass es "den neuen Vertrag vorbereite", wobei die Lose 1 (140,78 mt) und 2 (85,61 mt) aufgeführt wurden.
158Dennoch:
159i. Der einzige Hinweis in den Unterlagen auf einen von JB. unterzeichneten Vertrag bezieht sich auf den JB.-Vertrag vom 10. bis 12. Mai 2022, der die beiden Lose 1 und 2 umfasste. Am 10. Mai 2022, kurz vor Geschäftsschluss, sandte H. JB. den Entwurf des JB.-Vertrags und bat um Gegenzeichnung. Am 12. Mai 2022 sandte JB. an H. eine "unterzeichnete Bestellung“, und kurz darauf bedankte sich H. bei JB. für den "gegengezeichneten Vertrag". Als H. den JB.-Vertrag kündigte, worauf weiter unten eingegangen wird, verwies es auf die Unterzeichnung des Vertrags am 12. Mai 2022.
160ii. Bei der Anhörung bestätigte Herr LL. nicht, dass H. am 21. April 2022 einen Vertrag mit JB. geschlossen hat, erklärte er stattdessen, dass JB. kurz nach dem Angebot von H. vom 20. April 2022 zunächst Interesse an der gesamten Restmenge der Waren (d.h. 226,35 mt) bekundet hatte, später aber darum bat, die gesamte Menge in zwei Teile zu teilen. Folglich bezieht sich der JB. Vertrag auf die Posten 1 und 2 mit getrennten Zahlungsterminen, ersterer am 13. Mai 2022 und letzterer am 25. Mai 2022.
161iii. Herr LL. erklärte weiter, dass der mögliche Verweis auf einen Vertrag mit JB. vom 21. April 2022 in der Rechnung vom 10. Mai 2021 einfach ein "interner Verweis" sein könnte, da H. nur "ein Dokument erstellen" kann, wenn es in "sein System" eingegeben wird. Die Erklärungen von Herrn LL. stimmen mit dem Verhalten von H. gegenüber P. überein. Der unterzeichnete Vertragsentwurf, den H. an P. ausstellte, trug die Vertragsnummer "N01 ISSUANCE DATE: 17.08.2021". H. hat den Vertragsentwurf jedoch erst am 18. August 2021 an P. geschickt, und P. hat ihn erst am 23. August 2021 gegengezeichnet von Herrn M. zurückgeschickt. Einfach ausgedrückt: Bei H.-Verträgen sagt die Nummer oder die Referenz nicht aus, wann die Vertragspartei den Vertrag erhalten hat oder ob sie ihn unterzeichnet hat.
162Vor diesem Hintergrund ist der Einzelschiedsrichter der Ansicht, dass H. und JB. vom 20. April 2022 (d.h. als H. JB. ein Angebot für den Kauf der restlichen 226,35 mt der Waren unterbreitete) bis zum 10. und 12. Mai 2022 (d.h. als JB. den JB.-Vertrag unterzeichnete) in Verhandlungen standen. Daher war die Darstellung der H. gegenüber P. vom 9. Mai 2022, wonach die H. nur 45,43 Tonnen der Waren (an TZ.) verkauft hatte, nicht notwendigerweise unrichtig oder zeugte von Bösgläubigkeit der H.. Der Abschluss des JB.-Vertrags deutet auf angemessene Bemühungen der H. hin, die Waren zu veräußern.
163Unabhängig davon betrifft der Hauptstreit der Parteien in Bezug auf den JB.-Vertrag nicht so sehr die Umstände seines Abschlusses, sondern seine Kündigung. Der JB.-Vertrag sah vor, dass JB. am 13. Mai 2022 für Posten 1 und am 25. Mai 2022 für Posten 2 zahlen sollte. Am 16. Mai 2022 teilte H. JB. mit, dass für Posten 1 keine Zahlung eingegangen sei. Einige Minuten später scheint JB., wenn auch unklar, mitgeteilt zu haben, dass es für Posten 1 innerhalb von zwei oder drei Tagen und für Posten 2 zwischen dem 25. und 30. Mai 2022 zahlen würde. Am 1. Juni 2022 schließlich kündigte H. den JB.-Vertrag mit der Begründung, dass "für Posten 1 und Posten 2 mit Fälligkeitsdatum 13.05.2022 und 25.05.2022 keine Zahlung eingegangen [sei]".
164Der Einzelschiedsrichter hat keinen Grund, daran zu zweifeln, dass JB. den JB.-Vertrag aufgrund der Nichtzahlung gebrochen hat. Auf die Frage bei der Anhörung, warum JB. behauptet nicht gezahlt hat, vermutete Herr PX., dass der rapide fallende Stahlpreis zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Zahlung dazu geführt haben könnte JB. zu veranlassen, die Zahlung zurückzuhalten. Dies stimmt mit den Gründen überein, welche die Beklagte in diesem Schiedsverfahren dafür angeführt hat, dass sie den Preis für die Waren gemäß dem Vertrag nicht gezahlt hat.“
165Die Antragstellerin beantragt,
166den endgültigen Schiedsspruch des Schweizerischen Schiedsgerichtszentrums, bestehend aus dem Einzelschiedsrichter, Herr B. S., vom 03.03.2023, durch den die Antragsgegnerin zur Zahlung von 170.252,34 € nebst 5 % Zinsen seit dem 03.02.2022 sowie von Kosten in Höhe von 13.800,00 CHF und 37.128,00 €, jeweils nebst 5 % Zinsen seit dem 03.03.2023, verurteilt worden ist, anzuerkennen und für vollstreckbar zu erklären.
167Die Antragsgegnerin beantragt,
168die Anträge der Antragstellerin zurückzuweisen.
169Sie macht geltend, dass es an der nach Art. II UNÜ erforderlichen schriftlichen Vereinbarung betreffend eine Schiedsklausel fehle. Die Schiedsklausel sei von der Antragsgegnerin nicht unterzeichnet worden. Zeichnungsberechtigt sei allein der Alleingeschäftsführer der Antragsgegnerin, Herr MB. PV., gewesen. Der Mitarbeiter, der die Schiedsklausel unterzeichnet habe, habe hierzu nicht die erforderliche rechtliche Befugnis gehabt.
170Der streitgegenständliche Schiedsspruch habe für die Antragsgegnerin auch nicht die Verfahrensgarantien gemäß Art. V Abs. 1 und 2 UNÜ sichergestellt. Der Schiedsspruch schneide der Antragsgegnerin die ihr zustehenden Verteidigungsmöglichkeiten ab.
171Zu beanstanden sei insbesondere, dass der Schiedsrichter das von der Antragstellerin vorgelegte Rechtsgutachten des Herrn NL. zum deutschen Vertretungsrecht zugrunde gelegt habe. Rechtsfragen seien nicht unter Zuhilfenahme von Rechtsgutachten der Vertreter einer der Parteien zu entscheiden, sondern unter Zugrundlegung zivilprozessual ordnungsgemäßer und rechtlich einwandfreier Beurteilungskriterien. Abgesehen davon sei für die Entscheidung des Rechtsstreits ausschließlich schweizerisches Recht anzuwenden, nicht aber, wie der Schiedsrichter willkürlich angenommen habe, deutsches Recht.
172Weiter zu beanstanden sei, dass der Schiedsrichter bei der Entscheidungsfindung unter Missachtung eines Beweisangebots der Antragsgegnerin davon abgesehen habe, ein Sachverständigengutachten einzuholen zur Frage, ob die Antragstellerin bei Tätigung der Ersatzgeschäfte gegen die nach den Vorschriften der CISG kodifizierte Schadensminderungspflicht verstoßen hat. Die Antragstellerin habe das angeblich in Antwerpen gelagerte bzw. angelagerte Gut zu Preisen verschleudert, die insgesamt 170.000,00 € unterhalb der Vertragspreise des in Rede stehenden Geschäfts gelegen hätten. Die Begründung des Schiedsgerichts zur Verneinung einer Schadensminderungspflichtverletzung sei abwegig und nichtssagend. Der Einzelschiedsrichter sei kein Sachverständiger im Bereich des weltweiten Stahlmarktes.
173Schließlich sei zu beanstanden die Umgangsweise des Schiedsrichters damit, dass die Antragstellerin zunächst in vorgelegten Zeugenaussagen geleugnet habe, dass sie mit einer Firma JB. den Veräußerungsvertrag über die gesamte Restmenge der Waren zu 850,00 € pro Tonne geschlossen hatte. Erst auf Hinweis der Antragsgegnerin habe die Antragstellerin dargestellt, dass es tatsächlich diesen Zwischenveräußerungsvorgang gab. Der Schiedsrichter habe kritiklos hingenommen, dass dieser Veräußerungsvertrag von der Firma JB. nicht erfüllt worden sein soll.
174Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
175II.
176Der Antrag der Antragstellerin vom 04.08.2023 auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs vom 03.03.2023 ist zulässig und begründet.
177A)
178Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist zulässig.
1791.
180Der Antrag ist gemäß § 1061 Abs. 1 ZPO statthaft, da die Antragstellerin die Vollstreckbarerklärung des streitgegenständlichen ausländischen Schiedsspruchs begehrt.
1812.
182Gemäß §§ 1061, 1025 Abs. 4, 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, Abs. 5 ZPO i.V.m. § 1 der Verordnung über die Konzentration der gerichtlichen Entscheidungen in schiedsrichterlichen Angelegenheiten vom 20.03.2019 (GVBl. NRW 2019, 191-200) ist das Oberlandesgericht Köln zur Entscheidung zuständig, da die Antragsgegnerin ihren Sitz in Essen hat.
1833.
184Die formellen Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung sind erfüllt.
185Der Schiedsspruch vom 03.03.2023 wurde im Original vorgelegt, § 1064 Abs. 1 S. 1 ZPO.
186Der Vorlage einer Abschrift der Schiedsvereinbarung bedurfte es gemäß Art. IV Abs. 1 lit. b) UNÜ nicht, da die nationale Regelung für die Vollstreckbarkeit von Schiedssprüchen dies nicht vorsieht, § 1064 ZPO (vgl. BGH, Beschluss v. 25.09.2003, III ZB 68/02, zitiert nach juris Rn. 10; Grundsatz der Meistbegünstigung).
187B)
188Der Antrag ist auch begründet. Denn die materiellen Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs liegen vor.
189Anerkennungshindernisse nach Art. V Abs. 1 UNÜ hat die Antragsgegnerin nicht begründet geltend gemacht und von Amts wegen zu beachtende Anerkennungsversagungsgründe nach Art. V Abs. 2 UNÜ sind nicht gegeben.
1901.
191Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin liegt insbesondere ein Anerkennungshindernis nach Art. V Abs. 1 lit. a) UNÜ nicht vor.
192Nach dieser Vorschrift ist die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruches auf Antrag der Partei, gegen die er geltend gemacht wird, zu versagen, wenn diese Partei den Beweis erbringt, dass die Parteien, die eine Vereinbarung im Sinne des Art. II UNÜ geschlossen haben, nach dem Recht, das für sie persönlich maßgebend ist, in irgendeiner Hinsicht hierzu nicht fähig waren, oder dass die Vereinbarung nach dem Recht, dem die Parteien sie unterstellt haben, oder, falls die Parteien hierüber nichts bestimmt haben, nach dem Recht des Landes, in dem der Schiedsspruch ergangen ist, ungültig ist.
193Der Einwand der Antragsgegnerin, die Schiedsvereinbarung sei mangels wirksamer Vertretung nicht zustande gekommen, geht fehl.
194a)
195Zunächst ist festzustellen, dass für die Frage, ob die Antragsgegnerin bei Abschluss der Schiedsvereinbarung durch Herrn M. aufgrund einer Rechtsscheinvollmacht wirksam vertreten wurde, deutsches Recht anzuwenden ist.
196Für die Bestimmung des anwendbaren Rechts enthält Art. V Abs. 1 lit. a) UNÜ zwar zwei dahingehende Kollisionsnormen, dass primär auf das von den Parteien vereinbarte Recht und bei Fehlen einer solchen Vereinbarung auf das Recht des Schiedsortes abzustellen ist.
197Diese Kollisionsnormen umfassen jedoch nicht Fragen der Wirksamkeit von Stellvertretung; kommt es darauf an, ermittelt das deutsche Gericht das anwendbare Recht anhand der eigenen Regelungen zum Internationalen Privatrecht (vgl. Wilske/Markert in: BeckOK, ZPO, 51. Edition, Stand: 01.12.2023, § 1061 Rn. 18; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 8. Aufl., Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 3792; Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Stand: 66. EL, Januar 2023, C. I. 2. Genfer Abkommen zur Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche Rn. 14). Denn aus der Kollisionsregel des Art. V Abs. 1 lit. a) UNÜ folgt auch, dass die Frage der Geschäfts- und subjektiven Schiedsfähigkeit selbständig nach dem Personalstatut der Beteiligten zu beurteilen ist, was auch die Frage der Stellvertretung umfasst (vgl. Magnus, IPRax 2016, 521, 529 f.).
198Das anwendbare Vollmachtsrecht ist bei der Duldungs- und Anscheinsvollmacht nach Art. 8 Abs. 2 bis 5 EGBGB zu ermitteln, da eine Rechtswahl nicht in Betracht kommt (Magnus in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2019, Art. 8 EGBGB Rn. 148) und vorliegend auch keine Rechtswahl für die Vollmacht getroffen wurde.
199Nach Art. 8 Abs. 2 EGBGB sind die Sachvorschriften des Staates anzuwenden, in dem der Bevollmächtigte im Zeitpunkt der Ausübung der Vollmacht seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn keine Rechtswahl nach Art. 8 Abs. 1 EGBGB getroffen worden ist und der Bevollmächtigte in Ausübung seiner unternehmerischen Tätigkeit handelt, es sei denn, dieser Ort ist für den Dritten nicht erkennbar.
200Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Herr M. handelte nach den Ausführungen im Schiedsspruch, deren Richtigkeit die Antragsgegnerin nicht in Frage stellt und die daher auch der Senat zugrunde legt, in seiner Eigenschaft als Mitarbeiter der W. GmbH aus Düsseldorf, die von der Antragsgegnerin unter anderem mit der technischen Beratung und Unterstützung bei der Anbahnung und Abwicklung von Aufträgen und im Allgemeinen im Tagesgeschäft des Stahlhandels und der Stahlverarbeitung beauftragt worden war. Hierin liegt die Ausübung einer unternehmerischen Tätigkeit, die in Düsseldorf erfolgte. Anhaltspunkte für einen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland bestehen nicht.
201Selbst wenn die Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 2 EGBGB nicht erfüllt sein sollten, ergäbe sich die Anwendbarkeit deutschen Rechts aus Art. 8 Abs. 5 EGBG. Hiernach sind die Sachvorschriften des Staates anzuwenden, in dem der Bevollmächtigte von seiner Vollmacht im Einzelfall Gebrauch macht (Gebrauchsort). Der Gebrauchsort war Düsseldorf.
202b)
203In Bezug auf die Person des Herrn M. lag bei Abschluss des Kaufvertrags, der auch die Schiedsabrede enthält, jedenfalls eine Rechtsscheinvollmacht vor, wodurch es zu einer wirksamen Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien gekommen ist.
204i.
205Eine Anscheinsvollmacht liegt vor, wenn der Vertretene das Handeln des Scheinvertreters, anders als bei der Duldungsvollmacht, zwar nicht kennt, jedoch es bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können und der andere darauf vertraut hat und vertrauen durfte, der Vertretene dulde und billige das Handeln des Vertreters (BGH, Urteil v. 16.03.2006, III ZR 152/05, zitiert nach juris Rn. 17). Regelmäßig ist erforderlich, dass das Verhalten des einen Teils, aus dem der Geschäftsgegner auf die Bevollmächtigung des Dritten glaubt schließen zu können, von einer gewissen Dauer und Häufigkeit ist (BGH, Urteil v. 11.05.2011, VIII ZR 289/09, zitiert nach juris Rn. 16).
206ii.
207Zu den Umständen des Vertragsschlusses hat das Schiedsgericht insbesondere folgende Feststellungen getroffen:
208Herr M. war Angestellter der W. GmbH, einer Beratungsgesellschaft mit Sitz in Düsseldorf, die von der Antragsgegnerin unter anderem mit der technischen Beratung und Unterstützung bei der Anbahnung und Abwicklung von Aufträgen und im Allgemeinen im Tagesgeschäft des Stahlhandels und der Stahlverarbeitung beauftragt war.
209Die Parteien hatten bereits im November 2020 einen Kaufvertrag über die Lieferung von Stahlspulen geschlossen, wobei auch dieser Kaufvertrag eine Schiedsabrede enthielt. Sowohl der Kaufvertrag als auch ein Änderungsvertrag aus Dezember 2020, mit dem der Liefertermin geändert wurde, wurden auf Seiten der Antragsgegnerin von Herrn M. unterzeichnet. Zwar kam es im Folgenden nicht zu einer Abwicklung des Kaufvertrags, da anstelle der Antragsgegnerin ein drittes Unternehmen als Käufer in den Vertrag eintrat. Zur Beanstandung der Vertretungsberechtigung des Herrn M. durch die Antragsgegnerin kam es in diesem Zusammenhang jedoch nicht.
210Am 18.08.2021 übersandte der Vertreter der Antragstellerin ein unverbindliches Angebot an Herrn M. mit einer Liste der zum Kauf angebotenen Materialien. Wenige Minuten später antwortete Herr M. und teilte mit, an welchen Positionen ein Interesse bestehe. Sodann schickte der Vertreter der Antragstellerin Herrn M. einen Vertragsentwurf, in dem die Antragsgegnerin als Käuferin bezeichnet wurde.
211Am 21.08.2021 teilte Herr M. per E-Mail dem Vertreter der Antragstellerin mit, sein Kollege, Herr Q., werde den Auftrag am 23. August 2021 erteilen. Herr Q. und zwei weitere Mitarbeiter der Antragsgegnerin erhielten diese E-Mail ebenfalls.
212Am 23.08.2021 schickte Herr Q. den von Herrn M. unterzeichneten Vertragsentwurf an den Vertreter der Antragstellerin zurück
213Bei den Verhandlungen über den vorgenannten Kaufvertrag kommunizierte Herr M. mit dem Vertreter der Antragstellerin über eine E-Mail-Adresse der Antragsgegnerin.
214Für die Antragstellerin bestanden weder bei Abschluss des Kaufvertrags aus Dezember 2020 noch bei Abschluss des im Schiedsverfahren streitgegenständlichen Kaufvertrags Anhaltspunkte dafür, dass Herr M. ohne Vertretungsmacht handelte.
215iii.
216Bei Prüfung der Voraussetzungen des Art. V UNÜ ist das deutsche staatliche Gericht zwar weder an die rechtliche Beurteilung noch an tatsächliche Feststellungen des Schiedsgerichts gebunden (vgl. Geimer in: Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 1061 Rn. 20 m.w.N.). Da die Antragsgegnerin indes keine Einwendungen gegen die Sachverhaltsfeststellung des Schiedsgerichts erhoben und/oder keinen davon abweichenden Sachverhalt vorgetragen hat und die Ausführungen des Schiedsgerichts insoweit stimmig und nachvollziehbar sind, legt auch der Senat diese Feststellungen seiner rechtlichen Bewertung zugrunde.
217iv.
218Hiernach kam zwischen den Parteien eine wirksame Schiedsvereinbarung zustande, da Herr M. in Vertretungsmacht handelte. Denn die Voraussetzungen einer Anscheinsvollmacht liegen vor.
219(1)
220Es bestand der Rechtsschein einer Bevollmächtigung des Herrn M. durch die Antragsgegnerin zum Abschluss des Kaufvertrags einschließlich der Schiedsvereinbarung.
221Das Verhalten des Herrn M. und der bei den Vertragsverhandlungen auftretenden Mitarbeitern der Antragsgegnerin erzeugte einen Rechtsschein dahingehend, dass Herr M. durch die Antragsgegnerin zum Abschluss des im schiedsgerichtlichen Verfahren streitgegenständlichen Vertrags bevollmächtigt sei. Dieser Rechtsschein war auch von einer gewissen Dauer und Häufigkeit.
222Herr M. agierte dem äußeren Anschein nach als maßgeblicher Ansprechpartner seitens der Antragsgegnerin für den Abschluss von Kaufverträgen einschließlich Schiedsvereinbarungen. Abgesehen davon, dass er schon in der Vergangenheit gegenüber der Antragstellerin einen vergleichbaren Kaufvertrag sowie einen Änderungsvertrag im Namen der Antragsgegnerin unterzeichnet hatte, ohne dass die Antragsgegnerin sich auf die fehlende Vertretungsmacht des Herrn M. berufen hatte, trat Herr M. durch die Nutzung einer E-Mail-Adresse der Antragsgegnerin äußerlich als deren Repräsentant auf. Diese Stellung als Repräsentant der Antragsgegnerin wurde noch dadurch verstärkt, dass mehrere Mitarbeiter der Antragsgegnerin in die Vertragsverhandlungen zwischen Herrn M. und dem Vertreter der Antragstellerin einbezogen wurden und schließlich ein Mitarbeiter der Antragsgegnerin den durch Herrn M. unterzeichneten Vertrag an den Vertreter der Antragstellerin übersandte.
223Hierdurch erweckten Herr M. und die Mitarbeiter der Antragsgegnerin gegenüber dem Vertreter der Antragstellerin den Rechtsschein, Herr M. sei zum Abschluss von Kaufverträgen einschließlich Schiedsvereinbarungen befugt.
224Aus den Umständen, dass es bereits in der Vergangenheit zu zwei Abgaben von Willenserklärungen im Namen der Antragsgegnerin durch Herrn M. gekommen war und dass vor dem Abschluss des im Schiedsverfahren streitgegenständlichen Vertrags über einen Zeitraum von ca. einer Woche mehrfach Kommunikation zwischen dem Vertreter der Antragstellerin und Herrn M. erfolgte, ergibt sich auch, dass der Rechtsschein von einer gewissen Dauer und Häufigkeit war.
225(2)
226Der Rechtsschein der Bevollmächtigung ist der Antragsgegnerin zuzurechnen.
227Denn bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte die Antragsgegnerin das Handeln des Herrn M. voraussehen und verhindern können.
228Zunächst kann auch hinsichtlich der Frage der Zurechenbarkeit des Rechtsscheins nicht außer Betracht bleiben, dass Herr M. bereits im Jahre 2020 bei zwei Gelegenheiten gegenüber der Antragstellerin Willenserklärungen im Namen der Antragsgegnerin abgegeben hatte. Insofern hätte die Antragsgegnerin bereits im Jahre 2020 Kenntnis erlangen können, dass Herr M. für sie Verträge abschloss.
229Hinzu kommt, dass Mitarbeiter der Antragsgegnerin in die Vertragsverhandlungen des Herrn M. eingebunden waren und letztlich ein eigener Mitarbeiter der Antragsgegnerin den unterzeichneten Vertrag an den Vertreter der Antragstellerin übersandte. Auch hiernach bestand bei einer ordnungsgemäßen Organisation des Geschäftsbetriebs für die Antragsgegnerin hinreichend Gelegenheit, das Handeln des Herrn M. zu unterbinden.
230(3)
231Der Rechtsschein war für das Handeln der Antragstellerin auch kausal.
232Erforderlich ist dazu in der Regel, dass der Rechtsschein zum Zeitpunkt des Vertretergeschäfts noch vorgelegen hat und der Vertragspartner die Tatsachen kennt, aus denen sich der Rechtsschein der Bevollmächtigung ergibt (vgl. BGH, Urteil v. 10.01.2007, VIII ZR 380/04, zitiert nach juris Rn. 25).
233Die für den Rechtsschein der Bevollmächtigung maßgebenden Tatsachen waren der Antragstellerin bzw. ihrem Vertreter bei Vertragsschluss bekannt. Die Antragsgegnerin hat auch keine Umstände vorgetragen, wonach die Antragstellerin Herrn M. zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht als vertretungsbefugt angesehen hätte.
234(4)
235Die Antragstellerin war bei Vertragsschluss auch gutgläubig.
236Weder aus den Ausführungen im Schiedsspruch noch aus dem Vorbringen der Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin den Mangel der Vertretungsmacht kannte oder in Folge von Fahrlässigkeit nicht kannte.
2372.
238Auch Anerkennungshindernisse bzw. -versagungsgründe nach Art. V Abs. 1 lit. b), V Abs. 2 lit. b) UNÜ liegen nicht vor.
239a)
240Nach Art. V Abs. 1 lit. b) UNÜ ist die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs auf Einwand der Partei, gegen die der Schiedsspruch geltend gemacht wird, u.a. abzulehnen, wenn diese Partei ihre Angriffs- oder Verteidigungsmittel nicht hat geltend machen können. Im Kern geht es dabei um das Recht auf rechtliches Gehör (vgl. BGH, Beschluss v. 15.01.2009, III ZB 83/07, zitiert nach juris Rn. 7), so dass hierzu nicht nur gehört, dass die Partei Gelegenheit zur Einreichung von Parteivortrag und Beweisangeboten beim Schiedsgericht hat, sondern auch, dass sich das Schiedsgericht durch Kenntnisnahme und Erwägungen damit intellektuell auseinandersetzt.
241Gemäß Art. V Abs. 2 lit. b) UNÜ ist die Vollstreckbarerklärung von Amts wegen zu versagen, wenn dies der öffentlichen Ordnung widersprechen würde. Danach verletzt der Inhalt eines ausländischen Schiedsspruchs den ordre public, wenn das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen in so starkem Widerspruch steht, dass es nach inländischen Vorstellungen untragbar erscheint (BGH, Beschluss v.22.06.2017, IX ZB 61/16, zitiert nach juris Rn. 14). Die Geltung des ordre public ist nicht weit auszulegen, schon gar nicht im internationalen Handelsverkehr (BayObLG, Beschluss v. 29.10.2020, 1 Sch 90/20, zitiert nach juris Rn. 24). Eine sachliche Nachprüfung des Schiedsspruchs ist im Vollstreckbarerklärungsverfahren unzulässig. Das Verbot der révision au fond beschränkt die Nachprüfung des Gerichts auf das Vorliegen der Erfordernisse der Vollstreckbarerklärung in formeller und materieller Hinsicht (OLG Karlsruhe, Beschluss v. 04.01.2012, 9 Sch 2/09, zitiert nach juris Rn. 42).
242Die Versagungsgründe des Art. V Abs. 1 lit. b) UNÜ und des Art. V Abs. 2 lit. b) UNÜ überschneiden sich insoweit, als eine Behinderung bei der Geltendmachung von Angriffs- oder Verteidigungsmitteln zwangsläufig auch zu einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör führt (OLG München, Beschluss v. 25.04.2022, 34 Sch 32/19, zitiert nach juris Rn. 39).
243Der Anspruch auf rechtliches Gehör im Schiedsverfahren erfordert, dass das Schiedsgericht das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht (Senatsbeschluss v. 23.12.2001, 19 Sch 27/10, zitiert nach juris Rn. 61 m.w.N.). Zudem müssen die Parteien Gelegenheit haben, sich zu dem der Entscheidung zugrundeliegenden Verfahrensstoff vor dem Erlass der Entscheidung zu äußern (BVerfG, Beschluss v. 29.05.1991, 1 BvR 1383/90, zitiert nach juris Rn. 7). Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht unter anderem dazu, den wesentlichen Kern des Vorbringens der Partei zu erfassen und – soweit er eine zentrale Frage des jeweiligen Verfahrens betrifft – in den Gründen zu bescheiden; von einer Verletzung dieser Pflicht ist auszugehen, wenn die Begründung der Entscheidung des Gerichts nur den Schluss zulässt, dass sie auf einer allenfalls den äußeren Wortlaut, aber nicht den Sinn des Vortrags der Partei erfassenden Wahrnehmung beruht; setzt sich das Gericht mit dem Parteivortrag nicht inhaltlich auseinander, sondern mit Leerformeln über diesen hinweg, ist das im Hinblick auf die Anforderungen aus dem Verfahrensgrundrecht nach Art. 103 Abs. 1 GG nicht anders zu behandeln als ein kommentarloses Übergehen des Vortrags (BGH, Beschluss v. 07.06.2018, I ZB 70/17, zitiert nach juris Rn. 6; BGH, Beschluss v. 18.07.2019, I ZB 90/18, zitiert nach juris Rn. 10). Zudem kann weder die schlichte Auflistung von Schriftsätzen noch die Wiedergabe eines Vorbringens als Parteivortrag die gebotene inhaltliche Auseinandersetzung mit dem wesentlichen Kern des Vorbringens einer Partei, das eine zentrale Frage des jeweiligen Verfahrens betrifft, in den Gründen eines Schiedsspruchs ersetzen (BGH, Beschluss v. 18.07.2019, I ZB 90/18, zitiert nach juris Rn. 25).
244Art. 103 Abs. 1 GG gibt indes keinen Anspruch darauf, dass sich das Gericht mit dem Vorbringen einer Partei in der Weise auseinandersetzt, die sie selbst für richtig hält (BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 20.01.2003, 2 BvR 1/03, zitiert nach juris Rn. 2). Die Bestimmung des Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens nicht, dass sie mit ihrem Vorbringen im Verfahren Recht behalten (BGH, Beschluss v. 07.07.2011, I ZB 68/10, zitiert nach juris Rn. 12). Eine Verletzung kann daher nicht damit begründet werden, dass das Schiedsgericht von einer Rechtsauffassung der Partei abweicht (OLG Frankfurt, Urteil v. 26.11.2020, 26 Sch 14/20, zitiert nach juris Rn. 71).
245Zudem ist auch zu beachten, dass ein Gericht nicht gehalten ist, auf jeden Vortrag eines unterlegenen Beteiligten im Einzelnen einzugehen. Von der Versagung des rechtlichen Gehörs ist erst auszugehen, wenn das Gericht auf einen wesentlichen Kern des Vortrags eines Beteiligten zu einer entscheidungserheblichen Frage nicht eingeht (BVerfG, Beschluss v. 19.05.1992, 1 BvR 986/91, zitiert nach juris Rn. 39; BGH, Beschluss v. 30.04.2008, I ZB 4/07, zitiert nach juris Rn. 18). Die Begründung eines Schiedsspruchs muss lediglich gewissen Mindestanforderungen entsprechen; sie darf nicht offenbar widersinnig sein oder im Widerspruch zur Entscheidung stehen und sich nicht auf inhaltsleere Redensarten beschränken; es genügt, wenn das Schiedsgericht in seiner Begründung eine kurze Zusammenfassung der den Schiedsspruch tragenden Erwägungen gibt; auf die aus seiner Sicht für den Ausgang des Schiedsverfahrens zentralen Fragen muss das Schiedsgericht aber eingehen; darüber hinaus muss es in seiner Begründung zu den wesentlichen Verteidigungsmitteln der Parteien Stellung nehmen, sich aber nicht mit jedem Punkt des Parteivorbringens befassen (BGH, Beschluss v. 09.12.2021, I ZB 21/21, zitiert nach juris Rn. 51 m.w.N.).
246b)
247Gemessen an diesen Grundsätzen ergibt sich aus keiner der durch die Antragsgegnerin erhobenen Beanstandungen eine Versagung des rechtlichen Gehörs. Auch ansonsten bestehen keine Anhaltspunkte für eine Verletzung des ordre public oder für eine Behinderung der Antragsgegnerin in den Angriffs- oder Verteidigungsmitteln.
248i.
249Der Vorwurf der Antragsgegnerin, das Schiedsgericht habe die Rechtsfragen zum deutschen Vertretungsrecht nicht unter Zugrundelegung zivilprozessual ordnungsgemäßer und rechtlich einwandfreier Beurteilungskriterien, sondern verfahrensfehlerhaft auf Grundlage eines seitens der Antragstellerin vorgelegten Rechtsgutachten entschieden, geht fehl.
250Das Schiedsgericht hat sich gerade nicht darauf beschränkt, die Ausführungen in dem von der Antragstellerin vorgelegten Rechtsgutachten unkritisch zu übernehmen. Vielmehr hat das Schiedsgericht zusätzlich die Stellungnahme der Antragsgegnerin hierzu berücksichtigt und sich mit den maßgebenden deutschen Rechtsnormen sowie der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Anscheins- und Duldungsvollmacht auseinandergesetzt.
251Aus dem Umstand, dass das Schiedsgericht hiernach zum Schluss gekommen ist, dass die Rechtsausführungen in dem von der Antragsgegnerin vorgelegten Rechtsgutachten zutreffend sind, folgt weder eine Verletzung des Anspruchs der Antragsgegnerin auf rechtliches Gehör noch eine Verletzung eines anderen wesentlichen Verfahrensgrundsatzes.
252Ebenso hat sich das Schiedsgericht ausführlich mit der Frage auseinandergesetzt, welches Recht für die Frage des Vertragsschlusses anzuwenden ist (vgl. S. 31 ff. des Schiedsspruchs = Bl. 136 ff. d.CRSC). Von einer willkürlichen Anwendung deutschen Rechts kann insoweit keine Rede sein.
253ii.
254Eine Verletzung des ordre public bzw. eine Behinderung in den Angriffs- oder Verteidigungsmitteln ergibt sich auch nicht daraus, dass das Schiedsgericht davon abgesehen hat, ein Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, ob die Antragstellerin bei Tätigung der Ersatzgeschäfte gegen die nach den Vorschriften der CISG kodifizierte Schadensminderungspflicht verstoßen hat.
255Das Schiedsgericht hat die Vorgänge der Weiterveräußerung der Stahlspulen näher beleuchtet und ist hiernach mit eingehender Begründung zum Ergebnis gekommen, dass sich eine Schadensminderungspflichtverletzung der Antragstellerin nicht aus den vereinbarten Veräußerungspreisen ergebe. Das Schiedsgericht hat hierbei sowohl die konkreten Veräußerungsbemühungen der Antragstellerin als auch die allgemeinen Marktbedingungen beleuchtet und hat hieraus den Schluss gezogen, dass die Deckungsverkäufe der Antragstellerin angemessen im Sinne von Art. 77 CISG gewesen seien, wobei es den Einwand der Antragsgegnerin, die Stahlspuren seien unterhalb des Marktpreises weiterveräußert worden, als zutreffend zugrunde gelegt hat. Da es sich bei dem Begriff der angemessenen Maßnahmen im Sinne von Art. 77 CISG um einen Rechtsbegriff handelt, ist bereits nicht ersichtlich, warum zur Beurteilung dieser Frage zwingend die Einholung eines Sachverständigengutachtens geboten gewesen sein soll. Im Übrigen ist das Schiedsgericht mit der Antragsgegnerin von der Erforderlichkeit der Anpassung der Veräußerungspreise ausgegangen und hat eine solche Anpassung auch vorgenommen. Selbst wenn die Einholung eines Sachverständigengutachtens tunlich gewesen sein sollte, folgte hieraus zudem keine Gehörsverletzung der Antragsgegnerin. Indem das Schiedsgericht sich mit dem Vorbringen der Antragsgegnerin zur Frage des Deckungsverkaufs auseinandergesetzt hat, hat es die Anforderungen des Art. 103 Abs. 1 GG erfüllt. Wie bereits ausgeführt, kann eine Verletzung nicht damit begründet werden, dass das Schiedsgericht von einer Rechtsauffassung der Partei abweicht.
256iii.
257Der Vorwurf der Antragsgegnerin, das Schiedsgericht habe unzureichend berücksichtigt, dass die Antragstellerin zunächst einen Veräußerungsvertrag mit der Firma JB. über die gesamte Restmenge der Waren zu 850,00 € pro Tonne geleugnet habe, geht schließlich ebenfalls fehl.
258So hat das Schiedsgericht sich sehr wohl damit auseinandergesetzt, dass die Antragstellerin in Abweichung zu ihrem zuletzt erfolgten Vorbringen zunächst einen umfassenden Veräußerungsvertrag mit der Firma JB. in Abrede gestellt hat. Das Schiedsgericht ist aber mit näherer Begründung zum Ergebnis gekommen, dass eine Täuschung durch die Antragstellerin nicht vorgelegen habe und der Vertrag durch die Firma JB. gebrochen worden sei, so dass er bei der Frage der Schadensminderung nicht zu berücksichtigen sei.
259Eine Gehörsverletzung ist in diesem Zusammenhang nicht ersichtlich. Ob die Entscheidung inhaltlich richtig ist, ist – wie bereits ausgeführt – nicht von Relevanz für die Frage eines Verstoßes gegen den ordre public.
260C)
261Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 1064 Abs. 2 ZPO.
262D)
263Der Streitwert ist gemäß § 48 GKG i. V. m. § 3 ZPO mit dem Wert der zu vollstreckenden Forderungen festzusetzen (vgl. BGH, Beschluss v. 29.03.2018, I ZB 12/17, zitiert nach juris Rn. 4 a. E.). Er bestimmt sich nach den Beträgen der im Schiedsspruch in der Hauptsache zuerkannten Forderungen zuzüglich der betragsmäßig ausgewiesenen Kostenforderungen unter Umrechnung der in ausländischer Währung ausgeworfenen Beträge in die inländische Währung, bezogen auf den Stichtag des Antragseingangs bei Gericht (vgl. BayObLG, Beschluss v. 18.11.2021, 102 Sch 142/21, zitiert nach juris Rn. 30).