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Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 06.05.2022, Az. 42 O 64/21, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 15.798,13 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.08.2021 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin auch den weitergehenden Schaden wegen der von ihm zu verantwortenden Fehlbestände bei der Munition im Zeitraum 2016-2020 zu ersetzen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 3/4 und der Beklagte zu 1/4; die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 3/5 und der Beklagte zu 2/5.
Das Urteil und – im Umfang der Zurückweisung der Berufung – das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
2I.
3Die Klägerin, deren einziger Gesellschafter der Kreisjägerschaft B. F. e.V. ist, betreibt einen Schießstand in R.. Dieser verfügt u.a. über einen Wurftaubenstand für Flintenschützen und mehrere Bahnen für Büchsenschützen. Der Beklagte war seit 2013 bis zu seiner Abberufung am 14.12.2020 alleiniger Geschäftsführer der Klägerin und als solcher sowohl für die Beschaffung von Wurftauben und Munition als auch für den zur damaligen Zeit an den einzelnen Ständen erfolgenden Verkauf von Munition verantwortlich. Dabei bediente sich der Beklagte sog. Standhelfer, die an den jeweiligen Ständen u.a. die von den Schützen zu entrichtenden Entgelte (Standgebühren, verbrauchte Wurftauben, erworbene Munition) in Strichlisten dokumentierten, entgegennahmen und nach Abschluss eines Schießtages an ihn weitergaben. Die Tagesabrechnungen wurden dann durch den Beklagten erstellt, der auch die Bücher der Klägerin führte und die jährliche Inventur vornahm. In den Gesellschafterversammlungen der Klägerin wurde dem Beklagten bis einschließlich zum Geschäftsjahr 2019 durchweg Entlastung erteilt. In einem Gespräch am 14.12.2020 erhoben Vertreter des Alleingesellschafters der Klägerin gegenüber dem Beklagten den Vorwurf, in seiner Verantwortung sei es zu Fehlbeständen bei Munition und Wurftauben gekommen. In dem sich hierauf anschließenden Schriftverkehr erklärte der Beklagte mit Schriftsatz vom 22.12.2020 einen Verzicht auf die Einrede der Verjährung bis zum 30.06.2021.
4Die Klägerin hat erstinstanzlich behauptet, bei einer Prüfung der Buchhaltung hätten sich für den Zeitraum der Geschäftsführertätigkeit des Beklagten erhebliche Fehlbestände beim Vergleich der von dem Beklagten jeweils zum Jahresende festgestellten Bestände an Wurftauben und Munition mit den getätigten Zukäufen und den sich aus den Monatsabrechnungen des Beklagten ergebenden Abgängen ergeben. Insgesamt belaufe sich die Fehlmenge in den Jahren 2013-2020 bei der „Munition Langwaffen“ auf 94.049 Stück, bei den „Tontauben“ auf 123.067 Stück und bei der „Kurzwaffenmunition“ auf 1.764 Stück. Ausgehend von den zugrunde zu legenden Verkaufspreisen (netto) sei ihr insofern ein Schaden (einschließlich entgangenen Gewinns) in Höhe von 33.800,04 € bei der „Munition Langwaffen“, von 36.920,10 € bei den „Tontauben“ und von 1.411,20 € bei der „Kurzwaffenmunition“ entstanden. Wegen der Berechnung im Einzelnen wird auf die hierzu vorgelegten Aufstellungen (Bl. 17-21 eA LG) Bezug genommen. Es sei damit zu rechnen, dass über diesen Schaden hinaus weitere Forderungen auf die Klägerin zukämen, insbesondere bspw. Umsatzsteuernachforderungen des Finanzamts.
5Erstinstanzlich hat die Klägerin beantragt,
61.
7den Beklagten zu verurteilen, an sie 61.651,17 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;
82.
9festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr auch den weitergehenden Schaden aus der Verletzung seiner Pflichten als Geschäftsführer der Schießstand Q. GmbH zu ersetzen.
10Der Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Der Beklagte hat die Klage für unzulässig erachtet und hierzu behauptet, dass die Klägerin nicht über einen ordnungsgemäß bestellten Geschäftsführer verfüge, da der Vorstand des Alleingesellschafters der Klägerin seit dem Ableben des damaligen Vorstandsvorsitzenden X. am 16.03.2021 nicht mehr ordnungsgemäß besetzt gewesen sei und damit auch nicht die Bestellung eines neuen Geschäftsführers für die Klägerin habe beschließen können. Dem Feststellungsantrag mangele es zudem an der erforderlichen Bestimmtheit. In materieller Hinsicht fehle es an dem erforderlichen Beschluss nach § 46 Nr. 8 GmbHG. Die Geschäftsführung durch den Beklagten habe der an dem Schießstand schon vor seiner Bestellung seit Jahren geübten und von ihm lediglich fortgesetzten Praxis entsprochen, wobei der Alleingesellschafter der Klägerin ihn auch ganz bewusst nicht als Kaufmann, sondern als versierten Praktiker zum Geschäftsführer der Klägerin bestellt habe. Bei den behaupteten Fehlbeständen greife der Vergleich der Inventurbestände mit den Zukäufen und den in den Monatsabrechnungen dokumentierten Abgängen zu kurz; Gegenstand der Monatsabrechnungen seien nur regulär verkaufte und intakte Wurfscheiben und Patronen gewesen. Darüber hinaus habe es weitere, darin nicht enthaltene Abgänge gegeben. Insofern seien die Differenzen in den Stückzahlen der (ohnehin leicht zerbrechlichen) Wurfscheiben auf einen außergewöhnlich hohen Anteil an Bruch von durchschnittlich mehr als 10-15% beim Werfen der Scheiben, der auf dem Alter der Wurfmaschinen und auf Vorschädigung der Scheiben auf den schadensträchtigen (unbefestigten) Transportwegen auf dem Schießstand beruhe, auf bereits auf dem Transportweg zerbrochene Scheiben sowie auch auf von den Standhelfern insbesondere bei größerem Teilnehmerandrang ggf. nicht notierte oder vergessene Rotten zurückzuführen; zudem seien jedes Jahr Wurfscheiben kartonweise (150 Stück/Karton) an ein Museum abgegeben worden. Die Differenzen bei der Munition erklärten sich damit, dass auch insofern – gerade bei größerem Teilnehmerandrang – die Standhelfer möglicherweise einen Strich hinsichtlich verkaufter Munition vergessen hätten; zudem habe es Versager gegeben, für die Ersatzpatronen ausgegeben worden seien und es seien auch Patronen für das in unregelmäßigen Abständen erforderliche Kontroll-/Neueinschießen der Lehrgangswaffen verbraucht worden. Die gesamten Abläufe auf dem Schießstand, konkret die Abläufe bei der Dokumentation und der Abrechnung der verbrauchten Wurftauben – insbesondere der außergewöhnlich hohe Anteil an Bruch beim Wurf der Tonscheiben, die Kostenfreiheit von vor der Schussabgabe gebrochenen Wurfscheiben für die Schützen und die unterlassene Dokumentation der gebrochenen Wurfscheiben –, die Abläufe beim Verkauf der Munition an den einzelnen Schießständen, die Fehleranfälligkeit dieser Abläufe gerade bei größerem Teilnehmerandrang und die Art und Weise der Buchführung hinsichtlich der Wurfscheiben und der Munition seien den Vorstandmitgliedern des Alleingesellschafters – z.T. durch Besprechungen mit dem für den Schießstand zuständigen Vorstandsmitglied D., im Übrigen auch durch eigene Wahrnehmungen bei Anwesenheit auf dem Schießstand und Nutzung desselben – seit jeher bekannt gewesen. Auch die dem Beklagten erteilten Entlastungen seien in Kenntnis dieser Abläufe erfolgt. Jedenfalls begründe die Kenntnis dieser Abläufe bei den Organmitgliedern des Alleingesellschafters ein haftungsausschließendes Mitverschulden bei der Klägerin. Den Inhalt der Aufstellungen der Klägerin – insbesondere die dort ermittelten Fehlbestände und die angesetzten Preise – hat der Beklagte mit Nichtwissen bestritten; nach Überlassung sämtlicher Unterlagen an die Klägerin könne er die angesetzten Zahlen nicht mehr verifizieren.
13Das Landgericht hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, dass die Klägerin nicht das Vorliegen eines für die Inanspruchnahme des Beklagten erforderlichen Gesellschafterbeschlusses gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG bewiesen habe. Das hierzu vorgelegte Protokoll der Mitgliederversammlung der Kreisjägerschaft vom 19.09.2021 enthalte hierzu nichts; zu der behaupteten Beschlussfassung in einer Vorstandssitzung vom 10.01.2022 habe die Klägerin das entsprechende Protokoll nicht vorgelegt.
14Mit ihrer Berufung wendet sich die Klägerin gegen die Abweisung ihrer Klage, wobei sie lediglich noch Ansprüche für den Zeitraum 2016-2020 in Höhe von insgesamt 38.368,11 € netto weiterverfolgt. Wegen der Berechnung im Einzelnen wird auf S.9f. der Berufungsbegründung (Bl. 77f. eA) Bezug genommen. Sie beanstandet, dass das Landgericht überraschend und in gehörsverletzender Weise auf das Fehlen eines Beschlusses nach § 46 Nr. 8 GmbHG abgestellt habe, ohne zuvor darauf hinzuweisen, dass es diesen Punkt für streitentscheidend halte, insbesondere nachdem das Landgericht im Gegenteil durch eine Vielzahl von an den Beklagten gerichteten Hinweisen in der mündlichen Verhandlung bei ihr keinen Zweifel geweckt habe, dass die Klage – abgesehen von der Frage einer teilweisen Verjährung der Ansprüche – grundsätzlich Erfolg haben würde. Wäre ein solcher Hinweis erteilt worden, so hätte sie insbesondere das Protokoll vom 10.01.2022, welches sie in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung im Original bei sich gehabt habe, unverzüglich vorlegen können. Tatsächlich habe die Gesellschafterversammlung der Klägerin die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Beklagten mit Beschlüssen vom 03.03.2021 und vom 10.01.2022 mehrfach autorisiert. Vorsorglich habe die Gesellschafterversammlung hierüber nochmals mit weiterem Beschluss vom 20.06.2022 entschieden. Wegen der Einzelheiten der gefassten Beschlüsse wird auf die vorgelegten Protokolle (Anl. 2-4, Bl. 79ff. eA) Bezug genommen.
15Die Klägerin beantragt,
16unter teilweiser Aufhebung des am 06.05.2022 verkündeten Urteils des Landgerichts Aachen, Az. 42 0 64/21
171.
18den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 38.368,11 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;
192.
20festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin auch den weitergehenden Schaden aus der Verletzung seiner Pflichten als Geschäftsführer der Schießstand Q. GmbH zu ersetzen.
21Der Beklagte beantragt,
22die Berufung zurückzuweisen,
23sowie hilfsweise: den Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen.
24Er verteidigt das angefochtene Urteil. Eine Hinweispflicht gegenüber der anwaltlich vertretenen und durch ein anwaltliches Mitglied des Vorstands ihres Gesellschafters auch selbst rechtskundigen Klägerin habe nicht bestanden, zumal er selbst durch eingehendes Vorbringen auf die notwendige Einhaltung des § 46 Nr. 8 GmbHG hingewiesen habe und die Klägerin daraufhin mit Schriftsatz vom 11.01.2022 angekündigt habe, das Protokoll vom 10.01.2022 dem Gericht noch vorzulegen. Dass sie dies dann entgegen ihrer Ankündigung und trotz Beanstandung des Beklagten mit Schriftsatz vom 31.03.2022 über die weiterhin nicht erfolgte Vorlage nicht getan habe, stelle sich als ihre eigene Nachlässigkeit dar. Eine Nachholung sei nach der durch die ZPO-Reform von 2002 erfolgten Beschränkung der Berufung auf ein Instrument der Fehlerkontrolle und -beseitigung ausgeschlossen, da eine Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung nunmehr nur noch bei einer – hier nicht gegebenen – Unrichtigkeit des Urteils im Sinne einer fehlerhaften Rechtsanwendung in Betracht komme. Darüber hinaus sei der klägerische Antrag zu 1) - bei dem der Beklagte an seinem Bestreiten mit Nichtwissen festhält, dass die zugrundeliegende Neuberechnung der Klageforderung der tatsächlichen Buchführung entspreche - auch in der Sache unbegründet, der Feststellungsantrag zu 2) mangels notwendiger Bestimmtheit schon unzulässig.
25Wegen des Sachvortrags im Übrigen wird Bezug genommen auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen.
26Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beschlüssen vom 03.02.2023 (Bl. 134f. eA) und vom 08.05.2023 (Bl. 232ff. eA). Wegen der Ergebnisse der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschriften vom 02.03.2023 (Bl. 192ff. eA), vom 19.10.2023 (Bl. 353ff. eA), vom 14.12.2023 (Bl. 591ff. eA) vom 15.02.2024 (Bl. 632ff. eA) und vom 19.03.2024 (Bl. 691ff. eA).
27II.
28Die Berufung der Klägerin ist zulässig und im tenorierten Umfang auch begründet, im Übrigen unbegründet.
291. Die Klage ist – in dem für das Berufungsverfahren noch maßgeblichen Umfang – zulässig.
30a) Der Zulässigkeit der Klage steht zunächst nicht entgegen, dass die Klägerin mangels ordnungsgemäßer Vertretung nicht gemäß § 51 ZPO prozessfähig wäre. Vielmehr bestehen keine Bedenken gegen die ordnungsgemäße Bestellung des derzeitigen Geschäftsführers der Klägerin durch Gesellschafterbeschluss vom 22.04.2021 (Bl. 209 eA LG).
31Die Bestellung des Geschäftsführers obliegt nach § 46 Nr. 5 GmbHG der Gesellschafterversammlung, mithin hier dem Kreisjägerschaft B. F. e.V. als Alleingesellschafter, der seinerseits ausweislich § 9 Abs. 3 der Satzung durch jeweils zwei Vorstandsmitglieder vertreten wird (Bl. 101 eA LG). Hiernach war es erforderlich aber auch ausreichend, wenn an der Gesellschafterversammlung mindestens zwei gewählte Vorstandsmitglieder des Vereins teilgenommen haben. Dies war aber ausweislich des vorgelegten Protokolls vom 22.04.2021 (Bl. 209 eA LG) der Fall, wonach der Gesellschafterbeschluss von 2 Vorstandsmitgliedern des Vereins (N. I. und L. D.) gefasst wurde, die unstreitig beide auch bereits vor dem Tod des damaligen Vorsitzenden ordnungsgemäß zu Vorstandsmitgliedern gewählt worden waren. Auf die von dem Beklagten in den Vordergrund gestellten Frage, ob der Vorstand des Alleingesellschafters der Klägerin zu jenem Zeitpunkt nach dem Tod des vormaligen Vorsitzenden X. auf eine Gesamtpersonenzahl von 5 Personen zu vervollständigen gewesen wäre, kommt es hiernach nicht maßgeblich an.
32b) Es bestehen auch keine Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit des mit der Berufung weiterverfolgten Feststellungsantrags.
33aa) Insbesondere genügt dieser unter Berücksichtigung des weiteren Inhalts der Klagebegründung in gerade noch hinreichender Weise den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
34Hiernach muss ein Feststellungsantrag das Rechtsverhältnis, dessen Bestehen oder Nichtbestehen festgestellt werden soll, so genau bezeichnen, dass über dessen Identität und damit über den Umfang der Rechtskraft der Feststellung keine Ungewissheit bestehen kann. Genügt die wörtliche Fassung eines Antrags nicht dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, ist er unter Heranziehung der Klagebegründung auszulegen. Im Zweifel gilt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage der Parteien entspricht (BGH Urteil vom 08.05.2014 – I ZR 217/12, BeckRS 2014, 12893 Rn. 24).
35Ausgehend hiervon ist zwar die wörtliche Fassung des Feststellungsantrags, der auf die Feststellung der Schadensersatzpflicht des Beklagten aus der Verletzung seiner Pflichten als Geschäftsführer gerichtet ist, erkennbar ungenügend, da sie lediglich mit anderen Worten die gesetzlichen Haftungsvoraussetzungen wiedergibt, nicht aber – was erforderlich gewesen wäre (vgl. Saenger, Zivilprozessordnung, 10. Aufl. 2023, § 253 Rn. 22) – die konkrete Pflichtverletzung aufführt. Der weitere Inhalt der Klagebegründung bietet aber eine hinreichende Grundlage für die Auslegung des Antrags dahin, dass konkret die Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen der dem Beklagten von der Klägerin zur Last gelegten Fehlbestände bei Wurfscheiben und Munition im Zeitraum von 2013-2020 begehrt wird.
36bb) Die weiteren Voraussetzungen des § 256 ZPO sind gegeben, insbesondere hat die Klägerin ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung. Dem diesbezüglichen Vortrag der Klägerin, dass insofern mögliche Ansprüche der Finanzverwaltung wegen der streitgegenständlichen Fehlbestände in Betracht kommen, ist der Beklagte nicht entgegengetreten.
37cc) Ausgehend von der mit der Berufung erfolgten Beschränkung auf den Haftungszeitraum 2016-2020 ist jedoch davon auszugehen, dass auch der Feststellungsantrag im Berufungsverfahren lediglich noch für diese Zeiträume und nicht mehr für die vorangegangenen, von der Klägerin selbst für verjährt erachteten Zeiträume, geltend gemacht wird.
382. Die Klage ist hinsichtlich des geltend gemachten Zahlungsanspruchs in der tenorierten Höhe auch begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch aus § 43 Abs. 2 GmbHG auf Zahlung von 15.798,13 € aufgrund der von dem Beklagten zu verantwortenden Fehlbestände bei der Munition in den Jahren 2016-2020.
39a) Der als sachliche Klagevoraussetzung für die Klage gegen den Beklagten als ehemaligen Geschäftsführer nach § 46 Nr. 8 GmbHG erforderliche Gesellschafterbeschluss (vgl. BGH, Beschluss vom 26.11.2007 - II ZR 161/06, NZG 2008, 104 Rz. 7) liegt vor. Entsprechende Beschlussfassungen durch den Alleingesellschafter sind sowohl am 10.01.2022 (Bl. 81 eA) als auch am 22.06.2022 (Bl. 80 eA) erfolgt. Die hierzu vorgelegten – von dem Beklagten inhaltlich nicht angegriffenen – Protokolle sind im Berufungsverfahren auch berücksichtigungsfähig.
40An der mit der Berufungsbegründung erfolgten Vorlage des Beschlusses 10.01.2022 war die Klägerin schon deshalb nicht gehindert, weil das Landgericht die Klägerin wegen der insofern zwar noch nicht den Voraussetzungen des § 420 ZPO genügenden, aber mit Schriftsatz vom 11.01.2022 jedenfalls angekündigten, erstinstanzlich dann aber letztlich nicht mehr erfolgten Vorlage nicht ohne Hinweis auf den unzureichenden Beweisantritt als beweisfällig ansehen durfte (vgl. BGH, Urteil vom 19.09.1985 - VII ZR 158/84, NJW 1986, 428).
41Darüber hinaus hat die Klägerin eine erneute Beschlussfassung am 22.06.2022, gegen die auch im Übrigen keine Bedenken bestehen, nach Erlass der angefochtenen Entscheidung nachgeholt, die sie ebenfalls in zulässiger Weise mit der Berufung einführen konnte. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Beschlussfassung bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz (das ist insbesondere auch die Berufungsinstanz) nachgeholt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 26.11.2007 - II ZR 161/06, NZG 2008, 104 Rz. 7). Der wiederholte Einwand des Beklagten, es handele sich bei der Berufung nach der ZPO-Reform um ein bloßes Instrument der Fehlerkontrolle, was eine Berücksichtigung des nachgeholten Gesellschafterbeschlusses nach § 46 Nr. 8 GmbH ausschließe, verkennt die Reichweite der reformbedingten Änderungen. Die mit der ZPO-Reform erfolgte Abkehr von einer vollwertigen zweiten Tatsacheninstanz führt nicht zu einer dem § 559 Abs. 1 ZPO gleichen Beschränkung des Prozessstoffes (Rauscher, in: MüKoZPO, 6. Aufl. 2020, vor § 1 Rn. 145). Vielmehr bleibt der zweite Rechtszug auch nach dieser Neustrukturierung grundsätzlich – wenn auch eingeschränkte – Tatsacheninstanz (BGH, Urteil vom 29.06.2016 – VIII ZR 191/15, NJW 2016, 3015 Rn. 26; Göertz, in: Anders/Gehle, ZPO, 82. Aufl. 2024, § 529 Rn. 2; Rimmelspacher, in: MüKoZPO, 6. Aufl. 2020, vor § 511 Rn. 4) und kann die Berufung in den Grenzen des § 529 ZPO insbesondere auch auf neue Tatsachen gestützt werden, selbst wenn die erstinstanzliche Tatsachenfeststellung keine Verfahrensfehler aufweist (BGH a.a.O.).
42b) Die Haftungsvoraussetzungen des § 43 Abs. 2 GmbHG sind gegeben, wobei sich eine Haftung letztlich jedoch nur wegen der Munitionsfehlbestände ergibt.
43Nach ständiger Rechtsprechung trifft eine GmbH im Rechtsstreit um Schadensersatzansprüche gegen ihren Geschäftsführer gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG die Darlegungs- und Beweislast nur dafür, dass und inwieweit ihr durch ein „möglicherweise“ pflichtwidriges Verhalten des Geschäftsführers in dessen Pflichtenkreis ein Schaden erwachsen ist, wobei ihr auch die Erleichterungen des § 287 ZPO zugutekommen können. Hingegen hat der Geschäftsführer darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass er seinen Sorgfaltspflichten gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG nachgekommen ist oder ihn kein Verschulden trifft, oder dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Alternativverhalten eingetreten wäre (BGH, Urteil vom 04.11.2002 - II ZR 224/00, NZG 2003, 81, 82). Geht es – wie hier – um Fehlbestände im Warenbestand der Gesellschaft, so folgt hieraus, dass der Gesellschaft nur die Darlegungs- und Beweislast dafür obliegt, dass und in welchem Maße der buchmäßige (Soll-) Bestand vom tatsächlichen (Ist-) Bestand der Waren abweicht. Sache des Geschäftsführers ist es dann, die Beweisvermutung der Geschäftsunterlagen zu entkräften, indem er die Verwendung und den Verbleib der fehlenden Waren im Einzelnen darlegt und erforderlichenfalls beweist. Wird der Fehlbestand nicht aufgeklärt, so geht das zu Lasten des für die Buch- und Kassenführung verantwortlichen Geschäftsführers (BGH, Urteil vom 08.07.1985 – II ZR 198/84 –, juris Rn. 7ff.; BGH, Urteil vom 09.06.1980 – II ZR 187/79 –, juris Rn. 8f.; Beurskens, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl. 2022, § 43 Rn. 79; vgl. auch Oetker, in: Henssler/Strohn, GesR, 6. Aufl. 2024, § 43 GmbHG Rn. 66).
44aa) Die Klägerin hat nach Maßgabe dieser Grundsätze insbesondere den zuletzt noch streitgegenständlichen Fehlbestand an Munition und Wurftauben in den Jahren 2016-2020 in hinreichender Weise dargelegt, ohne dass der Beklagte dem in durchgreifender Weise entgegengetreten wäre. Soweit der Beklagte die diesbezüglichen Aufstellungen der Klägerin (u.a. auch mit Nichtwissen) bestreitet, ist dies hier unerheblich. Nach den insoweit geltenden Maßstäben durfte sich der Beklagte nicht auf ein derartiges Bestreiten beschränken, sondern war gehalten, konkret und substanziiert im Einzelnen vorzutragen, welche in den Aufstellungen der Klägerin enthaltenen Positionen so ggf. nicht bestanden.
45Die Anforderungen an die Substanziierungslast des Bestreitenden hängen davon ab, wie substanziiert der darlegungspflichtige Gegner vorgetragen hat. In der Regel genügt gegenüber einer Tatsachenbehauptung der darlegungspflichtigen Partei gemäß § 138 Abs. 2 ZPO das einfache Bestreiten des Gegners. Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag darüber hinaus substanziieren muss, lässt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen. Je detaillierter der Vortrag der darlegungsbelasteten Partei ist, desto höher ist die Erklärungslast des Gegners gemäß § 138 Abs. 2 ZPO.
46Nach diesen Maßstäben darf sich der Geschäftsführer, der nach §§ 238, 239 HGB, § 41 GmbHG die Buchhaltung der Gesellschaft zu verantworten hat, gegenüber den nach dem klägerischen Vortrag auf der von ihm selbst erstellten Buchhaltung und den hierzu geführten Belegen beruhenden, detaillierten Aufstellungen der Klägerin nicht auf ein einfaches Bestreiten oder gar ein Bestreiten mit Nichtwissen beschränken, sondern hat im Einzelnen – ggf. unter Vorlage entsprechender Buchhaltungsbelege o.ä. – vorzutragen, welche von der Klägerin in ihren Aufstellungen eingestellten Ausgangspositionen (insbesondere Inventurbestände, Zugänge, Abgänge) konkret unrichtig gewesen sein sollen. Hierdurch wird von dem beklagten Geschäftsführer nichts Unmögliches verlangt. Denn er ist berechtigt, zum Zwecke seiner Beweisführung Einsicht in die Buchhaltung der Gesellschaft zu nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 19.12.2017 – II ZR 88/16, NZI 2018, 204 Rz. 19ff.; vgl. auch BGH, Hinweisbeschluss vom 24.9.2019 – II ZR 248/17, NZI 2020, 180 Rz. 11f.). Dass die Klägerin dem Beklagten die Einsicht und Auswertung der bei ihr befindlichen Buchführungsunterlagen verwehrt hätte, ist nicht ersichtlich.
47Hiernach konnte sich die Klägerin auf die Daten aus der von dem Beklagten verantworteten Buchhaltung stützen und musste entgegen der Ansicht des Beklagten insbesondere nicht selbst entsprechende Belege aus der Buchführung vorlegen (vgl. BGH, Urteil vom 19.12.2017 – II ZR 88/16, NZI 2018, 204 Rz. 28). Soweit der Beklagte hiergegen einwenden wollte, dass sich aus den Buchhaltungsunterlagen der Klägerin tatsächlich von den vorgelegten Aufstellungen abweichende Werte (bspw. entsprechend seiner „privaten Aufzeichnungen“ zu Wurfscheiben, Anl. B18, Bl. 165ff. eA LG) ergeben würden, so hätte er hierzu – erforderlichenfalls nach Einsichtnahme in die Buchhaltung der Klägerin – konkret vortragen müssen; die Bezugnahme auf „private Aufzeichnungen“, zu denen der Beklagte jedenfalls nicht vortragen kann, dass entsprechende „Auswertungen“ auch Teil der klägerischen Buchführung waren, reicht insofern nicht. Gleiches gilt, soweit der Beklagte in den Raum stellt, dass offenbar gesondert abgerechnete Veranstaltungen des Y.-T. e.V. oder andere besondere „Events“ von der Klägerin bei den Abgängen an Wurfscheiben nicht berücksichtigt worden seien, nachdem die Klägerin vorgetragen hat, dass alle bei ihr vorhandenen Rechnungen in ihre Aufstellungen eingeflossen seien. Dass in der Buchführung der Klägerin entsprechende Rechnungen enthalten wären, die über die von der Klägerin zugrunde gelegten Abgänge hinaus weitere Abgänge dokumentieren würden, vermochte der Beklagte nicht konkret darzulegen.
48bb) Bei dieser Ausgangslage oblag es dem Beklagten, Verwendung und Verbleib der Fehlbestände im Einzelnen darzulegen und ggf. zu beweisen (BGH, Urteil vom 08.07.1985 – II ZR 198/84 –, juris Rn. 7ff.), was dem Beklagten jedoch lediglich hinsichtlich der Fehlbestände an Wurftauben – insofern jedoch vollständig – gelungen ist. Denn diese Fehlbestände lassen sich dadurch erklären, dass es (grundsätzlich unstreitig) in einem gewissen Umfang einen Ausschuss dadurch gab, dass Wurfscheiben bereits beim Werfen (und noch vor der Schussabgabe) zu Bruch gingen und diese dann von den Schützen nicht bezahlt werden mussten. Diese gebrochenen Scheiben wurden (ebenfalls unstreitig) nicht dokumentiert und haben insofern auch keinen Eingang in die Aufstellung der Klägerin gefunden, die lediglich den dokumentierten „Verkauf“ in Abzug bringt (vgl. die Aufstellung Bl. 20 eA LG).
49(1) Den Umfang dieses Ausschusses schätzt der Senat gemäß § 287 ZPO auf Grundlage der von den Parteien selbst angesetzten Bruchquoten und des im Rahmen der umfangreichen Zeugenvernehmung gewonnenen Eindrucks vom Umfang des Bruches auf etwa 8,5% der von den Maschinen geworfenen Tontauben.
50Die Klägerin selbst hat zunächst auf Grundlage einer stichprobenhaften Zählung im Zeitraum März/April 2021 einen Bruch von Wurftauben in einem Umfang von lediglich ca. 2,738% behauptet (vgl. S. 5 des Schriftsatzes vom 11.01.2022, Bl. 195 eA LG, und scheint vorprozessual z.T. auch einen Bruch von 5% angesetzt zu haben (vgl. S. 12 der Anlage B3 zur Klageerwiderung, Bl. 114 eA LG). Für den Zeitraum Juni 2021-Juni 2023 setzt die Klägerin im Berufungsverfahren eine Bruchquote von durchschnittlich 5,87% an (vgl. S. 2 des Schriftsatzes vom 21.08.2023, Bl. 303 eA, mit folgenden Einzelquoten: 2021: 5,52%, 2022: 4,25%, 2023: 7,84%). Insofern bewegen sich die bereits von der Klägerin selbst angesetzten Quoten im Bereich zwischen knapp 3% und knapp 6% der geworfenen Tontauben. Der Beklagte geht demgegenüber von durchschnittlich mehr als 10-15%, an einzelnen Tagen sogar bis zu 18% aus (vgl. S. 15 der Klageerwiderung vom 21.10.2021, Bl. 78 eA LG).
51Nach dem aus der Vernehmung zahlreicher Nutzer des Wurftaubenstandes gewonnenen Eindruck geht der Senat für Zwecke der Schätzung davon aus, dass in dem hier interessierenden Zeitraum 2016-2020 die Bruchquote tatsächlich im Bereich der Mitte der von den Parteien angesetzten Werte gelegen hat. Denn insofern entsprach es nahezu durchgehend den Wahrnehmungen praktisch aller Zeugen, dass eine gewisse Menge an Bruch bei einer Wurfanlage für Tontauben als normal wahrgenommen und hingenommen wurde, dass aber die Wurfanlage der Klägerin insgesamt eine vergleichsweise hohe Bruchquote aufwies, wobei sich Zeiträume mit einer als normal empfundenen Bruchquote und einer als exorbitant hoch wahrgenommen Bruchquote abwechselten. Der bspw. von den Zeugen S., A. und U. noch als normal beschriebene Bruch wurde von diesen bereits auf etwa 10% geschätzt; für die bspw. von den Zeugen M., W., K., Z., O., U., E. und C. beschriebenen Phasen mit auffällig hohem Bruch wurde die Bruchquote von den Zeugen sogar auf einen Bereich zwischen 30-50% geschätzt, wobei einzelne Zeugen auch darüber hinaus besondere Ausreißer wahrgenommen hatten, die der Senat für Zwecke der Schätzung einer durchschnittlichen Bruchquote außer Betracht gelassen hat. Anlass für Zweifel am Wahrheitsgehalt dieser Angaben hat der Senat nicht; im Gegenteil haben mehrere Zeugen nachvollziehbar ihre Frustration über die Phasen mit hohem Bruch zum Ausdruck gebracht.
52Es gab auch keine Zeugenaussagen, die dem von dem Senat gewonnenen Eindruck entgegenstehen würden. Selbst die Zeugin I., die nach ihren Angaben keine besonderen Auffälligkeiten am Tontaubenstand wahrgenommen hat, hat angegeben, dass sie jedenfalls nicht einen Bruch von mehr als 10% bei den Tontauben habe feststellen können. Auch der Zeuge P., der während der eigenen Nutzungszeit des Tontaubenstandes keine größere Zahl von Bruch mitbekommen hat, hat angegeben, dass dies in dem hier relevanten Zeitraum ab 2016 anders gewesen sein mag. Der Zeuge LC. hat nach seinem Bekunden nach seiner Ausbildung in den Jahren 2008/2009 überwiegend an anderen Ständen geschossen und hat demgemäß aus eigener Wahrnehmung nichts zur Bruchquote in dem hier relevanten Zeitraum bekundet, sondern konnte lediglich die o.g. Angaben der Klägerin aus einer Kontrolle im Jahr 2021 bestätigen.
53Die dargestellten Erkenntnisse aus der Vernehmung der Zeugen zeigen, dass ein Bruch von jedenfalls bis zu 10% der geworfenen Tontauben durchweg in einem Rahmen liegt, der den tatsächlichen Verhältnissen auf dem Schießstand unter Berücksichtigung der sich abwechselnden Phasen mit z.T. unproblematischem, z.T. sehr hohen Bruch am Nächsten kommt. Dieser Bereich entspricht auch der Mitte zwischen dem aus den Angaben der Klägerin (3-6%) und des Beklagten (10-15%) ableitbaren Bereich, die sich auf 8,5% schätzen lässt (dies entspricht der Hälfte der Summe aus der jeweiligen Mitte der von den Parteien angesetzten Bereiche: 4,5+12,5=17; 17/2=8,5).
54(2) Setzt man eine Bruchquote von 8,5% der geworfenen Tauben an, so lassen sich die in den Aufstellungen der Klägerin im Zeitraum 2016-2020 angeführten Fehlmengen an Wurftauben vollständig erklären. Analog der Berechnung der Klägerin (Bl. 20 eA LG) stellt sich der Vergleich zwischen Soll- und Istbestand dann nämlich wie folgt dar:
552020 |
2019 |
2018 |
2017 |
2016 |
|
Anfangsbestand |
58688 |
26410 |
42618 |
48350 |
71220 |
+ Zugang |
130628 |
199306 |
139750 |
131500 |
148000 |
- Verkauf |
115906 |
142876 |
142012 |
134228 |
154632 |
- Bruch |
10767 |
13273 |
13192 |
12469 |
14365 |
Soll Endbestand |
62643 |
69567 |
27164 |
33153 |
50223 |
Ist Endbestand |
68792 |
58688 |
26410 |
42618 |
48350 |
Differenz |
6149 |
-10879 |
-754 |
9465 |
-1873 |
Die angegebenen Werte für Bruch entsprechen dabei jeweils 8,5% der sich aus der Summe von Bruch und Verkauf ergebenden Gesamtabgänge in den vorgenannten Jahren wie folgt:
572020 |
2019 |
2018 |
2017 |
2016 |
|
Gesamtabgang |
126673 |
156149 |
155204 |
146697 |
168997 |
- davon 91,5% Verkauf |
115906 |
142876 |
142012 |
134228 |
154632 |
- davon 8,5% Bruch |
10767 |
13273 |
13192 |
12469 |
14365 |
Die Summe der oben berechneten Differenzen in den Jahren 2016-2020 beläuft sich auf insgesamt 2108, was bedeutet, dass selbst bei einem geschätzten Bruch von 8,5% der geworfenen Gesamtmenge an Tontauben sogar ein Überschuss von 2108 Tontauben über den inventurmäßig jeweils festgestellten Ist-Bestand verbliebe. Tatsächlich reicht insofern bereits eine Bruchquote von lediglich 8,243% aus, um die Differenzen in der Aufstellung der Klägerin vollständig zu erklären, da sich die Summe der Differenzen in den Jahren 2016-2020 dann 0 annähert.
59Soweit der Senat im Beschluss vom 06.03.2023 bei der darin überschlagsweise versuchten Annäherung an einen möglichen Vergleichsbetrag die Auswirkungen des Bruchs noch als weniger relevant angesehen hatte, beruhte dies darauf, dass er insofern die von den Parteien angesetzten Quoten lediglich auf die behaupteten Fehlmengen und den daraus resultierenden finanziellen Schaden angewandt hatte, obwohl die Bruchquote tatsächlich – wie oben geschehen und wie dies auch die Klägerin selbst zu Recht in ihren mit Schriftsatz vom 21.08.2023 vorgelegten „Statistiken“ (Bl. 304ff. eA) macht – beim Gesamtverbrauch der Wurfscheiben aus Verkauf und Bruch anzusetzen ist.
60Da die Schätzung allein auf den Bruch beim Werfen der Tontauben abstellt und auch insofern allein auf denjenigen Bruch, wie er von den Zeugen als typisch für den Wurfscheibenstand der Klägerin beschrieben wurde (für den der Stand der Klägerin nach den Angaben des Zeugen O. „berüchtigt“ war), nicht aber auf Ausreißer im Einzelfall, wie sie einige Zeugen auf eine einmalig schadhafte Lieferung (bei der eine Palette Wurfscheiben vom Lieferfahrzeug gefallen war bzw. das Lieferfahrzeug verunglückt / in der Einfahrt stecken geblieben war, vgl. bspw. die Angaben der Zeugin S. und der Zeugen OE. und E.) zurückführten, kommt es nicht auf die streitige Frage an, ob und inwiefern für solche bereits beschädigt abgelieferten Scheiben kostenfrei Ersatz geliefert wurde und ein hierdurch bedingter Bruch damit nicht zu Fehlbeständen geführt hat. Gleiches gilt für die streitigen Fragen, ob gerade bei größerem Teilnehmerandrang versehentlich auch Verkäufe von intakt geworfenen Wurfscheiben nicht notiert wurden – wofür angesichts der vollständig durch Bruch erklärbaren Fehlbestände nichts spricht – und inwieweit auch Scheiben dem Museum Lernort Natur zur Verfügung gestellt wurden und ob diese Scheiben ohnehin kostenlos von dem Lieferanten überlassen wurden.
61(3) Dafür, dass die angesetzte Bruchquote beim Werfen der Tontauben dem Beklagten sonst in haftungsbegründender Weise zuzurechnen wäre, ist nichts ersichtlich. Insbesondere sieht der Senat keinen Anlass, den Beklagten im Rahmen seiner Geschäftsführertätigkeit für verpflichtet zu halten, Maßnahmen zu ergreifen, diesen Bruch (von hier maximal angenommenen 8,5%) zu minimieren, nachdem selbst die zwischenzeitlich erfolgte Anschaffung neuer Maschinen nach den übereinstimmenden Angaben der vernommenen Vorstandsmitglieder des Alleingesellschafters der Klägerin gerade nicht wegen des Bruchs erfolgt ist, obwohl dieser sich selbst nach den Erhebungen der Klägerin im Zeitraum Januar-Juni 2023 auf immerhin 7,84% belief.
62cc) Den Verbleib der Fehlbestände an Munition vermochte der Beklagte jedoch nicht hinreichend zu erklären.
63(1) Dies gilt zunächst, soweit der Beklagte dies – ohne jegliche nähere Quantifizierung – auf kostenlos ersetzte, nicht dokumentierte Munitionsversager oder auf die Verwendung von Munition zum Kontrollschießen / Neueinschießen von Lehrgangswaffen zurückführen möchte. Abgesehen davon, dass diese Abgänge bereits ihrer Art nach lediglich in geringfügigem Umfang im Einzelfall aufgetreten sein können und in keiner Weise geeignet wären, die hier ausweislich der klägerischen Aufstellung im Raume stehenden Fehlbestände von insgesamt 65432 Stück Langwaffenmunition in den Jahren 2016-2020 und 1599 Stück Kurzwaffenmunition in den Jahren 2017-2020 (vgl. Bl. 77 eA und die Aufstellungen Bl. 17ff. eA LG) zu erklären, fehlt auch jeglicher Vortrag, der wenigstens die Schätzung einer Mindestmenge an kostenfrei ersetzten Munitionsversagern oder Munitionsverbrauch beim Kontrollschießen / Neueinschießen von Lehrgangswaffen erlaubt hätte. Dass es überhaupt eine relevante Menge an kostenfrei ersetzten Munitionsversagern gegeben hätte, liegt im Übrigen nach den Angaben der vernommenen Zeugen auch fern. So haben diejenigen Zeugen, die hierzu etwas bekundet haben, Munitionsversager durchweg als seltene Einzelfälle beschrieben, insbesondere die Zeugin K. (1-2 Mal in mehrjähriger Standaufsicht), KX. (sehr selten), OE. (nicht ausschließbar, dass im Einzelfall mal vorgekommen); der Zeuge W. hatte sogar nie das Auftreten von Versagern mitbekommen. Hinzu kommt, dass nach den Angaben der Zeugen auch im Übrigen nichts dafür spricht, dass im Einzelfall aufgetretene Versager überhaupt das Auftreten von Fehlbeständen hätten rechtfertigen können. Denn nach den Angaben der Zeugin S. wurden Versager gesammelt und bei der Lieferfirma eingetauscht, nach den Angaben des Zeugen Z. hat man als Schütze etwaig auftretende Versager einfach hingenommen – in beiden Fällen hätte dies dann aber nicht zu Fehlbeständen bei der Klägerin geführt.
64(2) Nicht entlasten kann der Beklagte sich schließlich mit der Behauptung, dass das von ihm eingesetzte Standpersonal ausgegebene Munition – insbesondere bei größerem Teilnehmerandrang – versehentlich nicht notiert habe.
65(a) Dass es insofern überhaupt zu relevanten Fehlern des Standpersonals kam, liegt – abgesehen von niemals auszuschließenden Fehlern im Einzelfall – eher fern. Insofern ergibt sich aus den oben dargestellten Feststellungen zu den auch bei den Fehlbeständen an Wurftauben von dem Beklagten behaupteten Fehlern des Standpersonals, dass dort etwaige Fehlnotierungen des Standpersonals unwahrscheinlich waren, weil sich die dortigen Fehlbestände vollständig bereits durch eine zurückhaltende Schätzung des Bruchs erklären ließen.
66Auch die im Rahmen der Beweisaufnahme hierzu gewonnenen Erkenntnisse stellen keine tragfähige Grundlage für die Feststellung von Fehlern der Standhelfer dar, die die streitgegenständlichen Fehlbestände rechtfertigen könnten. So haben nicht nur diejenigen Zeugen, die selbst als Standpersonal tätig waren, überwiegend bekundet, dass sie ihre Tätigkeit im Bewusstsein der besonderen Anforderungen im Umgang mit Munition ausgeübt und hierbei (bspw. die Zeugen S., M. und Koch) bewusst durch Abgleich der ihnen zum Verkauf überlassenen Munitionsmenge mit den notierten Verkäufen und der Restmenge das Auftreten von Diskrepanzen ausgeschlossen haben, sondern auch diejenigen Zeugen, die den Schießstand zum Schießen nutzten, hatten (wie bspw. die Zeugen Dr. W., MM., E., C., RB., I. und P.) ganz überwiegend den Eindruck, dass es keine Probleme bei der Erfassung der verkauften Munition gab, diese im Gegenteil geordnet und sorgfältig erfolgte und es zu keinen Diskrepanzen zwischen den von ihnen erhaltenen und der abgerechneten Munition gekommen ist.
67Soweit einzelne Zeugen demgegenüber bekundet haben, dass insbesondere bei größerem Teilnehmerandrang das Risiko von Fehlerfassungen bestanden habe, indem bspw. Munitionsausgaben nicht richtig erfasst, falsch zusammengerechnet, nicht vollständig bezahlt oder falschen Personen zugeordnet wurden (so die Angaben des Zeugen OE., der selbst aber nicht mitbekommen hat, dass tatsächlich ausgegebene Munition einmal nicht aufgeschrieben worden wäre; ähnlich auch die Zeugen KQ. und XL.) und es dann auch zu Diskussionen mit den Schützen über die Abrechnung kam, was dazu passt, dass die Zeugen K. und KX. als Standhelfer Fehlerfassungen bei größerem Andrang nicht ausschließen konnten und insbesondere die Zeugin K. als Standhelferin den ihr überlassenen Anfangsbestand nach eigenen Angaben nicht kontrolliert hat und bspw. der Zeuge RB. einen Abgleich nur vorgenommen hat, wenn er viel Zeit hatte, folgt auch hieraus nicht, dass es dadurch im Ergebnis tatsächlich zu relevanten Fehlbeständen gekommen wäre. Denn auch die Zeugin K. konnte letztlich nur von 2-3 Abrechnungen berichten, die nicht aufgegangen seien, wobei sich dies auch nur darauf bezog, dass weniger Geld vorhanden war als Munition ausgegeben worden war, und auch die Zeugen, die (wie die Zeugen KQ. und XL.) sie selbst betreffende Fehlerfassungen wahrgenommen hatten, haben zugleich bekundet, dass sie die Standaufsicht darauf hingewiesen haben, so dass auch dies letztlich nicht zu einem Fehlbestand geführt hätte.
68(b) Selbst wenn derartige Fehler des Standpersonals durch nicht hinreichend sorgfältigen Umgang mit der ihnen vom Beklagten zum Verkauf überlassenen Munition – insbesondere durch überforderungsbedingte Fehlerfassungen bei größerem Teilnehmerandrang und unterlassenen Abgleich der überlassenen Mengen mit den Verkäufen und den Restbeständen – hier Grund für die streitgegenständlichen Fehlbestände gewesen wären und den Verbleib der nicht in den Büchern der Klägerin erfassten Munition erklären würden, so würde dies den Beklagten nicht entlasten können. Denn der Beklagte hatte über das von ihm eingesetzte Standpersonal die Aufsicht zu führen und er war – insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass es hier um Munition ging – gehalten, jegliche Nachlässigkeiten abzustellen. Dies wäre ihm auch mühelos möglich gewesen, weil ihm Diskrepanzen zwischen der von ihm ausgegebenen und der von den jeweiligen Standaufsichten abgerechneten bzw. zurückgegebenen Munition hätten auffallen müssen.
69Der Geschäftsführer einer GmbH ist nicht nur verpflichtet, den Geschäftsgang so zu überwachen oder überwachen zu lassen, dass er unter normalen Umständen mit einer ordnungsgemäßen Erledigung der Geschäfte rechnen kann. Er muss vielmehr weitergehend sofort eingreifen, wenn sich Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten zeigen (BGH Urteil vom 08.10.1984 – II ZR 175/83, BeckRS 1984, 31072035). Es besteht dabei zwar die Möglichkeit, gesellschaftliche Aufgaben an Angestellte der Gesellschaft und Dritte zu delegieren. In diesem Fall ist der Geschäftsführer aber zu einer sorgfältigen Auswahl, Anleitung und Kontrolle der Mitarbeiter und Dritten verpflichtet und er hat eine Organisation einzurichten, die Pflichtverletzungen von Personen, an die Aufgaben delegiert werden, verhindert (vgl. OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 23.05.2019 – 5 U 21/18, BeckRS 2019, 16088 Rn. 59 m.w.N.). Dies gilt hier im Besonderen unter Berücksichtigung der von dem Beklagten angesichts der der Klägerin erteilten waffenrechtlichen Erlaubnis zum Handel mit Munition zu beachtenden waffenrechtlichen Anforderungen, insbesondere dem zwingend erforderlichen vorsichtigen und sachgemäßen Umgang mit sowie die sorgfältige Verwahrung der Munition, vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2 b) WaffG, aufgrund derer hier eine Organisation von dem Geschäftsführer zu erwarten war, die eine lückenlose Nachverfolgbarkeit der auf dem Schießstand zum Verkauf vorgehaltenen Munition gewährleistete.
70c) Die Behauptung des Beklagten, der Alleingesellschafter der Klägerin habe ihn ganz bewusst nicht als Kaufmann, sondern als versierten Praktiker zum Geschäftsführer der Klägerin bestellt, entlastet ihn nicht. Ein Geschäftsführer kann der Gesellschaft nicht entgegengehalten, die Gesellschaft habe wissen müssen, dass er seinen kaufmännischen Aufgaben nicht gewachsen gewesen sei (BGH, Urteil vom 14.03.1983 – II ZR 103/82, BeckRS 1983, 602 m.w.N.). Im Übrigen bedarf die Überwachung des Munitionsbestandes und der Munitionsausgabe auch keiner besonderen kaufmännischen Befähigung, sondern ist schon bei Beachtung der Grundrechenarten möglich.
71d) Die Pflichtverletzung des Beklagten ist auch nicht durch Einverständnis des Alleingesellschafters entfallen. Zwar kann ein – ggf. stillschweigendes – Einverständnis aller Gesellschafter (bzw. in der Einpersonen-GmbH: des Alleingesellschafters) ebenso wie die Befolgung eines entsprechenden Gesellschafterbeschlusses eine Pflichtverletzung (unter bestimmten Voraussetzungen) ausschließen (vgl. BGH, Urteil vom 18.06.2013 – II ZR 86/11, NZG 2013, 1021 Rn. 33 m.w.N.; BGH, Urteil vom 07.04.2003 – II ZR 193/02, NZG 2003, 528, 529; Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl. 2023, § 43 GmbHG Rn. 121). Ein derartiges Einverständnis ließ sich jedoch – für die insofern allein noch relevanten Fehlbestände bei der Munition – nicht feststellen.
72aa) Dass Mitgliedern des Vorstandes bekannt gewesen wäre, dass es über die erfassten Munitionsverkäufe hinaus weitere Abgänge an Munition gegeben hätte, deren Dokumentation unterblieben wäre, oder dass sie wenigstens aufgrund der ihnen bekannten Abläufe beim Verkauf der Munition deren Fehleranfälligkeit (insbesondere bei größerem Teilnehmerandrang) gekannt hätten und insofern stillschweigend mit hierdurch bedingten, undokumentiert bleibenden Munitionsabgängen einverstanden gewesen wären, ließ sich im Rahmen der durchgeführten Beweisaufnahme zum prozessualen Nachteil des insofern beweispflichtigen Beklagten nicht feststellen.
73Dass der Beklagte eine erhöhte Fehleranfälligkeit der Abläufe beim Munitionsverkauf mit dem Vorstand des Alleingesellschafters, insbesondere bspw. dem Zeugen D., besprochen hätte, behauptet dieser selbst nicht. Entscheidend war daher, ob Vorstandsmitglieder im Rahmen ihrer eigenen Anwesenheit auf dem Schießstand Abläufe wahrnehmen mussten, bei denen sich aufgedrängt hätte, dass hierbei das Risiko eines undokumentierten Abgangs von Munition bestand. Hierfür hat die Beweisaufnahme jedoch nichts ergeben.
74Insofern gänzlich unergiebig waren dabei zunächst die bereits oben angesprochenen Aussagen derjenigen Zeugen, die selbst als Nutzer keine Probleme bei der Ausgabe und Abrechnung der verkauften Munition wahrgenommen haben. Gleiches gilt für die Angaben derjenigen Zeugen, die für ihre Tätigkeit als Standhelfer bekundet haben, dass sie die ihnen zum Verkauf überlassene Munitionsmenge kontrolliert und zum Abschluss des Schießtages mit den dokumentierten Verkäufen und dem verbleibenden Restbestand abgeglichen haben. Denn auch einem Vorstandsmitglied des Alleingesellschafters der Klägerin, welches dieselben Wahrnehmungen bei eigener Anwesenheit auf dem Schießstand gemacht hätte, hätten keine Bedenken hinsichtlich undokumentiert bleibender Munitionsabgänge kommen müssen.
75Letztlich ebenfalls unergiebig war die Beweisaufnahme insofern jedoch auch, soweit einzelne Zeugen insbesondere bei größerem Teilnehmerandrang von Fehlerfassungen berichtet haben und dies auf ein den Abläufen an den Schießständen (insbesondere die Erfassung in Strichlisten durch zum Teil ältere Personen, die als Standhelfer zugleich auch diverse weitere Aufgaben, wie bspw. die Bedienung der Wurfmaschinen am Tontaubenstand oder die Überwachung, dass sämtliche an Jungjäger ausgegebene Munition auch verschossen wurde, zu erledigen hatten) innewohnendes Risiko von Fehlerfassungen zurückgeführt haben, was auch einzelne Standhelfer – nämlich diejenigen, die nach eigenem Bekunden gerade nicht durchgängig eine Kontrolle des ihnen überlassenen Munitionsbestandes und einen Abgleich mit den dokumentierten Verkäufen und dem Restbestand vorgenommen haben – für sich nicht ausschließen konnten. Denn selbst wenn (insbesondere bei größerem Teilnehmerandrang) das Risiko bestanden hätte, dass Munitionsverkäufe nicht lückenlos dokumentiert wurden, konnte dies letztlich nur dann zu einem unbemerkten Abgang führen, wenn die erforderliche Kontrolle des Anfangsbestandes und der Abgleich mit den dokumentierten Verkäufen und den Restbeständen am Ende des Schießtages unterblieben. Dass jedoch irgendein Vorstandsmitglied Kenntnis davon gehabt hätte, dass einzelne Standhelfer eine solche Kontrolle / einen solchen Abgleich nicht vorgenommen haben und möglicherweise auch der Beklagte selbst weder den Bestand der von ihm zum Verkauf weitergegebenen Munitionsmengen kontrolliert noch den Abgleich mit den ihm von den Standhelfern überlassenen Strichlisten und den Restbeständen vorgenommen hat und die betroffenen Standhelfer auch nicht zu einer solchen Kontrolle / einem solchen Abgleich angehalten hat, ließ sich anhand der Angaben der Zeuge nicht feststellen. Selbst wenn einzelne Vorstandsmitglieder des Alleingesellschafters der Klägerin bei eigener Anwesenheit auf dem Schießstand Abläufe wahrgenommen hätten, die bei ihnen Bedenken hätten wecken können, ob eine lückenlose Erfassung der Verkäufe gewährleistet war, hat jedenfalls kein Zeuge Angaben gemacht, die dafür sprechen könnten, dass den Vertretern des Alleingesellschafters der Klägerin auch bekannt war, dass einzelne Standhelfer und / oder auch der Beklagte möglicherweise nicht hinreichend Sorge dafür trugen, dass etwaige Fehler bei der Dokumentation von Einzelverkäufen nicht spätestens durch einen Abgleich mit den in Umlauf gegebenen Mengen und den verbleibenden Restbeständen nach Abschluss des Schießtages aufgefallen und dokumentiert worden wären.
76e) Bei dieser Ausgangslage konnten auch die dem Beklagten erteilten Entlastungen nicht zu einem Verzicht auf Ersatzansprüche führen.
77aa) Die Verzichtswirkung der Entlastung beschränkt sich auf Ansprüche, die dem entlastenden Organ bekannt sind oder bei sorgfältiger Prüfung bekannt sein konnten. Ansprüche, die aus den bei der Rechnungslegung unterbreiteten Unterlagen nicht oder in wesentlichen Punkten nur so unvollständig erkennbar sind, dass die Gesellschafter die Tragweite der ihnen abverlangten Entlastungsentscheidung bei Anlegung eines lebensnahen vernünftigen Maßstabes nicht zu überblicken vermögen, werden von der Verzichtswirkung nicht erfasst. Das gilt insbesondere für solche Ansprüche, die erst nach eingehendem Vergleich und rechtlicher Auswertung verschiedener Unterlagen ersichtlich sind, die in der Gesellschafterversammlung bei Abfassung des Entlastungsbeschlusses nicht oder nicht vollständig vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 03.12.2001 - II ZR 308/99; NZG 2002, 195 m.w.N.; vgl. auch BGH, Urteil vom 21.04.1986 - II ZR 165/85, NJW 1986, 2250).
78Der Senat hat aufgrund der dargestellten Ergebnisse der Beweisaufnahme keinen Anlass für die Annahme, dass Mitgliedern des Vorstandes des Alleingesellschafters der Klägerin bei Fassung der Entlastungsbeschlüsse das Bestehen von Ansprüchen wegen Fehlbeständen an Munition bekannt war. Soweit die Klägerin selbst behauptet, dass sie die Fehlbestände anhand von Monatsabrechnungen, den aus der Buchhaltung zu entnehmenden Zu- und Abgängen sowie aus den jeweils zum Jahresende erfolgten Feststellungen des Warenbestandes durch den Beklagten im Rahmen einer intensiven Revision / detaillierten Prüfung der Buchhaltung ermittelt habe und ihre der Klage zugrunde gelegten Aufstellungen anhand der Buchhaltung, der Inventarlisten und der Jahresabschlüsse nachvollzogen werden könnten, behauptet die Klägerin letztlich nichts anderes, als dass sie die Fehlbestände erst nach eingehendem Vergleich und Auswertung verschiedener Unterlagen habe ermitteln können, was aber – wie dargelegt – gerade nicht für eine Verzichtswirkung der beschlossenen Entlastungen ausreicht. Dass dem Alleingesellschafter bei Beschlussfassung über die Entlastung weitere Informationen vorgelegen hätten, aus denen ihm bei sorgfältiger Prüfung das Vorliegen von Schadensersatzansprüchen wegen Fehlbeständen bei der Munition bekannt geworden wäre, trägt der – insofern wenigstens sekundär darlegungspflichtige – Beklagte nicht vor.
79bb) Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, dass den seitens der Klägerin erklärten „Anfechtungen“ der Entlastungsbeschlüsse für die Jahre 2017 und 2018 keine rechtliche Bedeutung zukommt. Die Entlastungen unterliegen nicht den Grundsätzen über die Anfechtbarkeit von Willenserklärungen (vgl. Karsten Schmidt, in: Scholz, GmbHG, 13. Auflage 2022, § 46 Rn. 99); eine fehlerhafte Entlastung wäre vielmehr im Wege der Anfechtungsklage geltend zu machen gewesen (MüKoGmbHG/Liebscher, 4. Aufl. 2023, § 46 Rn. 167ff.), was unstreitig nicht erfolgt ist.
80f) In gleicher Weise scheidet ein der Klägerin zuzurechnendes, anspruchsminderndes oder anspruchsausschließendes Mitverschulden aus.
81g) In Höhe des ungeklärten Fehlbestandes an Munition, dessen Verbleib der Beklagte auch im Nachhinein nicht aufzuklären vermochte, besteht ein entsprechender Schaden der Klägerin (vgl. BGH, Urteil vom 26.11.1990 - II ZR 223/89, NJW-RR 1991, 485, 486), jedoch lediglich in Höhe des Wareneinkaufspreises netto von 15.366,40 € für die Langwaffenmunition und 431,73 € für die Kurzwaffenmunition (vgl. die entsprechenden Gesamtsummen „EK netto“ in den Aufstellungen der Klägerin auf S. 9 der Berufungsbegründung, Bl. 77 eA), insgesamt 15.798,13 €.
82aa) Soweit der Beklagte die den Aufstellungen der Klägerin zugrunde gelegten, nach ihrem Vortrag aus ihrer – in den betreffenden Zeiträumen von dem Beklagten verantworteten – Buchhaltung entnommenen und in den vorgelegten Anlagen (Bl. 17ff. eA LG) im Einzelnen aufgeschlüsselten Einkaufspreise bestritten hat, durfte er sich aus den bereits dargelegten Gründen nicht auf ein Bestreiten beschränken.
83bb) Eine Berechnung des Schadens auf Grundlage der von der Klägerin angesetzten Warenverkaufspreise (netto) scheidet jedoch aus. Insofern ist nicht erkennbar, dass der Klägerin Einnahmen aus dem Verkauf der Munition und insbesondere ein in den Verkaufspreisen enthaltener Gewinn entgangen wäre.
84Nach § 252 BGB umfasst der zu ersetzende Schaden auch den entgangenen Gewinn, wobei als entgangen derjenige Gewinn gilt, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.
85Dass der Klägerin im Zusammenhang mit den ungeklärten verbliebenen Munitionsabgängen ein Gewinn bspw. dadurch entgangen wäre, dass zu einzelnen Zeitpunkten kein ausreichender Bestand an Munition vorhanden gewesen wäre, um (alle) Erwerbswünsche von Schießstandnutzern zu erfüllen, ist nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin den – beweislosen – Verdacht äußert, dass die ungeklärt verbliebenen Munitionsabgänge tatsächlich verkauft wurden, die hierdurch erzielten Erlöse dann aber nicht an sie weitergegeben wurden, sondern in die Tasche des Beklagten geflossen seien, ergab sich hierfür kein Anhaltspunkt. Für die verbleibende Möglichkeit, dass Munitionsverkäufe im Einzelfall versehentlich nicht korrekt erfasst wurden und dadurch bedingt die der Klägerin eigentlich zustehenden Ansprüche auf Bezahlung nicht geltend gemacht wurden, boten weder der Vortrag der Parteien noch die im Rahmen der Beweisaufnahme gewonnenen Erkenntnisse eine hinreichende Grundlage, dies in irgendeiner Weise zu quantifizieren.
86h) Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
873. Der Antrag auf Feststellung der Ersatzpflicht weiterer Schäden wegen der Fehlbestände bei Wurfscheiben und Munition, wie er im Berufungsverfahren noch für den Zeitraum 2016-2020 weiterverfolgt wird, ist im Umfang der oben dem Grunde nach – allein für die Munitionsfehlbestände – festgestellten Haftung des Beklagten begründet.
884. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 ZPO. Es bestand kein Anlass, dem Beklagten gemäß § 96 ZPO isoliert die Kosten der vor dem Senat durchgeführten Beweisaufnahme aufzuerlegen. Nach dieser Vorschrift kann zwar eine Kostentrennung veranlasst sein, wenn der Beklagte den Grund des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs bestreitet und hierdurch eine kostenträchtige, zugunsten des Klägers ausgehende Beweisaufnahme notwendig macht, der Kläger dann aber aus anderen Gründen hinsichtlich der Höhe des Anspruchs ganz oder teilweise unterliegt (vgl. BeckOK ZPO/Jaspersen, 52. Ed. 1.3.2024, § 96 Rn. 17). Auch wenn die Beweisaufnahme hinsichtlich der von dem Beklagten eingewandten Billigung des Alleingesellschafters der Klägerin für den Beklagten letztlich unergiebig war, so verschaffte sie dem Senat hier aber über das Beweisthema hinausgehende, für die Entscheidung ebenfalls mit ausschlaggebende Erkenntnisse (insbesondere hinsichtlich des Umfangs des Bruchs von Wurftauben), die teilweise bereits eine Haftung des Beklagten dem Grunde nach ausschlossen, so dass es nach dem Ermessen des Senats unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Kostengerechtigkeit nicht unbillig erscheint, wenn auch die Kosten der Beweisaufnahme von den Parteien nach der an ihrem Obsiegen und Unterliegen orientierten Quote zu tragen sind.
89Die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 709, 711, 713 ZPO.
90Anlass zur Zulassung der Revision bestand nicht. Insbesondere die Nachholbarkeit einer Beschlussfassung nach § 46 Nr. 8 GmbHG ist – auch für die Zeit nach der ZPO-Reform 2002 – hinreichend höchstrichterlich geklärt.
91Der Streitwert war, unter Berücksichtigung des erstinstanzlich unberücksichtigt gebliebenen Feststellungsantrags und des damit geltend gemachten möglichen Schadens wegen Umsatzsteuernachforderungen, wie folgt festzusetzen:
92Erste Instanz: Zahlungsantrag: 61.651,17 €
93Feststellung: 8.383,98 € (entsprechend 80% des Differenzbetrages zwischen der Summe aus den – vom Zahlungsantrag erfassten – „VK netto“ und der Summe aus den „VK brutto“ in der klägerischen Aufstellung Bl. 21 eA LG)
94Insgesamt: 70.035,15 €
95Zweite Instanz: Zahlungsantrag: 38.368,11 €
96Feststellung: 4986,00 € (wie oben, aber mit den Werten aus der Aufstellung S. 9 der Berufungsbegründung, Bl. 77 eA OLG, bei denen jedoch die „VK brutto“ ersichtlich unrichtig eingetragen wurden)
97Insgesamt: 43.354,11 €