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Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 3. April 2024 gegen den Beschluss der 28. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 28. März 2024 - 28 O 50/24 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 10.000 EUR festgesetzt.
Gründe:
2Die sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg.
31. Der Senat hat allerdings Bedenken, ob man mit der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts (Bl. 81 ff. d.A.) hier wegen einer sog. Selbstwiderlegung der Dringlichkeit durchgreifende Bedenken am Verfügungsgrund anmelden kann.
4Dafür mag zwar u.U. streiten, dass - anders als in dem von der Antragstellerin thematisierten Verfahren vor dem 6. Zivilsenat des Hauses (Beschluss vom 5. April 2018 – 6 W 32/18, n.v. = Anlage ASt 6, Bl. 70 ff. d.A.) - die Annahme eines „kerngleichen“ Verstoßes hier wohl eher fernliegend erscheinen musste, nachdem der Senat im Beschluss vom 6. Februar 2024 – 15 W 7/24 (Anlage ASt 3, Bl. 14 ff. d.A.) auf S. 7 (Bl. 20 d.A.) ausdrücklich offen gelassen hat, ob man die fragliche Äußerung zu den ISBNs zumindest auch so verstehen könnte, dass damit auch eine doppelte Vergabe Dritten gegenüber kommuniziert worden sei, weil schon ungeachtet dessen jedenfalls die Zahlenangabe in der ersten Textfassung unrichtig und allein deswegen äußerungsrechtlich unzulässig war. Ungeachtet der Frage nach einer Übertragbarkeit der im Wettbewerbs-, Urheber- und Markenrecht geltenden sog. Kerntheorie auf das Äußerungsrecht (Wortberichterstattung) umfasst das in einem gerichtlichen Unterlassungstitel ausgesprochene Verbot über die mit der verbotenen Form identischen Handlungen hinaus allenfalls im Kern gleichartige Verletzungshandlungen, in denen das Charakteristische der ursprünglichen Verletzungshandlung zum Ausdruck kommt (zuletzt BGH, Beschluss vom 26. September 2023 – VI ZB 79/21, GRUR-RS 2023, 30936 Rn. 19 ff. m.w.N.). Hier hat es mit dem gerade Gesagten aber kein auf einen entsprechenden weitergehenden Aussagegehalt, eine etwaige Mehrdeutigkeit oder eine sog. bewusste Unvollständigkeit gestütztes gerichtliches Verbot gegeben, sondern das Verbot war ausschließlich auf die unwahre Sachaussage („5 statt 3“) in der damaligen konkreten Verletzungsform gestützt.
5Dennoch erscheint andererseits eine zu strenge Handhabung der sog. Selbstwiderlegung der Dringlichkeit in solchen Fällen untunlich (siehe auch OLG Hamburg, Urteil vom 29. Januar 2004 - 3 U 109/03, juris Rn. 24; für kulante Handhabung der Dringlichkeitsfrage Schwippert, in: Teplitzky/Peifer/Leistner, UWG, 3. Aufl., § 12 Rn. 114 und für Vorrang des § 890-ZPO-Verfahrens sogar etwa Kehl, WRP 1999, 46). Das gilt umso mehr, als durch die – wie hier – zeitnahe Einleitung eines Ordnungsmittelverfahrens jedem Titelschuldner sogleich deutlich werden muss, dass man den vermeintlichen weiteren Verstoß gerade nicht hinnehmen will und gerichtliche Schritte dagegen einleitet. Kann aber eine unzulässige oder unschlüssige Klage ohne weiteres die Verjährung im Rahmen des § 204 Abs. 1 BGB hemmen (statt aller Grüneberg/Ellenberger, BGB, 83. Aufl. 2024, § 204 Rn. 5), könnte dies auch hier dann eher dafür sprechen, allenfalls in Evidenzfällen wegen des Ergreifens der „falschen“ rechtlichen Mittel noch Zweifel an der Dringlichkeit aufzuwerfen, wenn bei sich abzeichnenden Problemen im § 890 ZPO-Verfahren nicht (wie hier jedoch geschehen) zeitnah reagiert wird. Der Senat verkennt dabei nicht, dass aus Gründen anwaltlicher Vorsorge im Schrifttum die zeitnahe Beantragung einer zweiten einstweiligen Verfügung zu Meidung von Dringlichkeitsproblemen angeraten wird (siehe nur Lampmann, in: Hoeren/Sieber/Holznagel, Handbuch Multimedia-Recht, Werkstand: 60. EL Oktober 2023, Teil 23 Rn. 52; ders./Pustovalov, Anspruchsdurchsetzung im Wettbewerbsrecht, 2. Aufl. Rn. 514). Auch der Senat bejaht in solchen Fällen regelmäßig im Zweifel ein Rechtschutzbedürfnis für eine weitere einstweilige Verfügung (siehe nur Senat, Beschluss v. 14. Januar 2021 – 15 U 60/20, GRUR-RS 2021, 8344 Rn. 4 f. m.w.N; vgl. ferner OLG Frankfurt a. M., Beschlüsse vom 23. November 2017 - 6 U 121/17, WRP 2018, 361 sowie 12. November 1996 – 6 W 145/96, juris).
62. Diese Frage nach dem Vorliegen eines Verfügungsgrundes bedarf aber hier keiner abschließenden Klärung durch den Senat. Denn es fehlt jedenfalls ein Verfügungsanspruch. Der Antragstellerin steht unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt ein Unterlassungsanspruch gegen die – im Kern zutreffende – Sachaussage „3/10 ISBNs wurden doppelt vergeben.“ zu, insbesondere nicht aus § 1004 Abs. 1 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. dem Unternehmenspersönlichkeitsrecht.
7a) Die zutreffende Sinndeutung einer Äußerung ist unabdingbare Voraussetzung für die richtige rechtliche Würdigung ihres Aussagegehalts. Ziel der Deutung ist, den objektiven Sinngehalt zu ermitteln. Dabei ist weder die subjektive Absicht des sich Äußernden maßgeblich noch das subjektive Verständnis des Betroffenen, sondern das Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums. Ausgehend vom Wortlaut – der allerdings den Sinn nicht abschließend festlegen kann – und dem allgemeinen Sprachgebrauch sind bei der Deutung der sprachliche Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und die Begleitumstände, unter denen sie fällt, zu berücksichtigen, soweit diese für das Publikum erkennbar sind. Zur Erfassung des vollständigen Aussagegehalts muss die beanstandete Äußerung stets in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden. Fernliegende Deutungen sind auszuschließen (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 1. August 2023 – VI ZR 307/21, NJW 2024, 585 Rn. 10 m.w.N.).
8b) Eine direkte Sachaussage zur Kundbarmachung der drei unstreitig falsch vergebenen ISBNs auch gegenüber externen Dritten ist - auch im Kontext - hier nicht getroffen. Die Äußerung ist aus Sicht des Senats insofern auch nicht „mehrdeutig“ i.S.d. sog. Stolpe-Rechtsprechung (BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 2005 - 1 BvR 1696/98, NJW 2006, 207), weil aus Sicht des durchschnittlichen Rezipienten hier gar keine Sachaussage zu einer Kommunikation der ISBN-Vergabe nach außen hin getätigt worden ist und keine tatsächlichen Umstände im Vorstellungsbild des durchschnittlichen Rezipienten dazu irgendwie mit Substanz greifbar gemacht werden. Die doppelte ISBN-Vergabe wird auch im Kontext vom Antragsgegner gerade nicht deshalb kritisiert, weil irgendetwas nach außen an Dritte gedrungen ist, sondern weil nach dem nicht angegriffenen nächsten Satz „Neudrucke und Korrekturen“ die Folge waren, die den Antragsgegner „Geld und Zeit“ gekostet haben sollen.
9c) Aus ähnlichen Gründen entsteht daher auch nicht etwa „zwischen den Zeilen“ der Äußerung der – was rechtlich geboten wäre – unabweisliche (falsche) Eindruck einer Kundgabe der fehlerhaft vergebenen ISBNs auch an Dritte.
10d) Auch eine sog. bewusste Unvollständigkeit im Sinne der dazu in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze (siehe etwa nur BGH, Urteile vom 22. November 2005 - VI ZR 204/04, NJW 2006, 601 Rn. 18 f. und vom 24. Juli 2018 – VI ZR 330/17, ZUM-RD 2019, 203 Rn. 48; siehe ferner Retka, AfP 2018, 196) liegt nicht vor. Um eine Kommunikation der ISBNs nach außen hin geht es im Gesamtkontext – wie gezeigt – ohnehin nicht und deswegen sind insofern auch nicht etwa wesentliche Tatsachen verschwiegen worden, die dem Vorgang ein anderes Gewicht geben könnten und deren Kenntnis für den Leser unerlässlich ist, der sich im Kernpunkt ein zutreffendes Urteil bilden will; es geht hier gerade nicht um eine Vermittlung nur von Teilwahrheiten, durch die beim Adressaten eine Fehleinschätzung hervorgerufen werden könnte.
11Das gilt auch, soweit mittels eidesstattlicher Versicherung (Anlage ASt 2, Bl. 13 d.A.) glaubhaft gemacht ist, dass die Antragstellerin jedenfalls für zusätzlich Kosten der Druckerei bei dem auf ihrer Seite allein erforderlich gewordenen Neudruck vollständig aufgekommen sein will. Denn damit wird nicht konkret in Frage gestellt, dass dem Antragsgegner durch das unstreitige Büroversehen nicht in eigener subjektiver Bewertung des Gesamtgeschehens so empfundene Nachteile in Gestalt von „Geld und Zeit“ entstanden sein können, sei es etwa wegen erhöhten Büroaufwands und für seine Arbeiten/Unterlagen ggf. entstandener Neudrucke. Im Vorverfahren (15 W 7/24) war insofern u.a. auch eine in einer E-Mail vom 24. Juni 2020 ausgesprochene Entschuldigung der Antragstellerin Thema.
12Insofern kann auch nicht darüber eine ausreichende Glaubhaftmachung der Voraussetzungen einer sog. bewussten Unvollständigkeit konstruiert werden, bei der eine vom Durchschnittsrezipienten zu ziehende negative Schlussfolgerung bei Mitteilung der verschwiegenen Tatsachen weniger naheliegend erscheinen würde und deshalb durch das Verschweigen dieser Tatsache beim unbefangenen Durchschnittsleser ein falscher Eindruck entstehen könnte. Dabei ist u.a. auch in die Bewertung einzubeziehen, dass die fehlerhafte ISBN-Vergabe ohnehin nur einen eher kleinen Teilaspekt der kritischen Gesamtbewertung des Geschäftsmodells der Antragstellerin einnimmt, in der primär der aus Sicht des Antragsgegners unprofessionelle Umgang mit den Kunden und eine vermeintlich klar im Vordergrund stehende eigene Gewinnerzielungsabsicht gerügt werden. Dies hat die Antragstellerin aber im Zweifel hinzunehmen, da – wie gezeigt – insofern auch keine unwahren Tatsachenbehauptungen (mehr) in der angegriffenen Passage mitgeteilt werden.
13e) In der gebotenen Abwägung hat die Antragstellerin die Mitteilung wahrer Tatsachen aus ihrer sog. Sozialsphäre zur Fehlvergabe von drei ISBNs hinzunehmen, zumal sich aus der Bewertungsdarstellung keine Diffamierung oder Herabsetzung ergibt und ein Gewerbetreibender im Zweifel Kritik an seiner Tätigkeit hinzunehmen hat (siehe auch BGH, Urteil vom 14. Januar 2020 – VI ZR 496/18, NJW 2020, 1587 Rn. 52 m.w.N.)
143. Die Kostenentscheidung basiert auf § 97 Abs. 1 ZPO. Eine Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist wegen § 574 Abs. 1 Satz 2, § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO ausgeschlossen.
154. In verfassungskonformer Reduktion der §§ 936, 922 ZPO erhält der Antragsgegner - trotz Nichtgebrauchmachens von der Möglichkeit des § 945a ZPO mit den daran wiederum anknüpfenden Folgen aus § 5 Abs. 3 SRV - eine Ablichtung dieses Beschlusses zur Kenntnisnahme (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. September 2018 - 1 BvR 2421/17, NJW 2018, 3634 Rn. 36; OLG München, Beschluss vom 16. November 2021 - 8 W 1541/21, juris Rn. 20; Mantz, WRP 2022, 154 Rn. 6 ff.; Zöller/Vollkommer, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 922 Rn. 18). Wegen der weiteren Akteninhalte wird ihm ein Akteneinsichtsgesuch anheimgestellt.