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I. Auf die Berufung der Klägerin und des Beklagten zu 1) wird das Teilurteil des Landgerichts Köln vom 11.12.2019 - 28 O 11/18 - hinsichtlich des den Beklagten zu 1) betreffenden Unterlassungstenors dahingehend abgeändert, dass
1. zu (a) des Tenors
aa) zum einen zusätzlich nachstehende Passagen vom Verbot erfasst werden:
„Zitat wurde entfernt“
bb) zum anderen (klarstellend) nachstehende Passage vom Verbot ausgenommen und die Klage auch insoweit abgewiesen wird:
„Zitat wurde entfernt“
2. zu (b) bis (d) des Tenors
aa) zum einen nachstehende Passagen zusätzlich vom Verbot erfasst werden:
„Zitat wurde entfernt“
bb) zum anderen nachstehende Passagen vom Verbot ausgenommen werden und die Klage auch insoweit abgewiesen wird:
„Zitat wurde entfernt“
cc) das Unterlassungsgebot insgesamt mit der Maßgabe erfolgt:
„Zitat wurde entfernt“
II. Auf die Berufung der Klägerin wird das Teilurteil des Landgerichts Köln vom 11.12.2019 – 28 O 11/18 – hinsichtlich der Beklagten zu 3) dahingehend abgeändert, dass die Beklagte zu 3) unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt wird, es zu unterlassen, die nachfolgenden Passagen zu veröffentlichen oder zu verbreiten:
„Zitat wurde entfernt“
III. Im Übrigen werden die Berufungen der Klägerin und des Beklagten zu 1) - diese auch im Hinblick auf den Zwischenfeststellungsantrag - zurückgewiesen.
IV. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3) in beiden Instanzen trägt die Klägerin. Im Übrigen bleibt, auch mit Blick auf die in der Entscheidung des Senats vom 22.06.2023 - 15 U 135/22 - angeführten Positionen, die Kostenentscheidung der Schlussentscheidung vorbehalten.
V. Mit Blick auf den gegen die Beklagte zu 3) gerichteten Unterlassungstenor ist das Teilurteil vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000 EUR. Im Übrigen sind dieses Teilurteil und das angefochtene Teilurteil - letzteres mit Blick auf die Vollstreckung durch die Klägerin gegen den Beklagten zu 1) sowie die Vollstreckung durch die Beklagte zu 3) gegen die Klägerin wegen der außergerichtlichen Kosten - ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte zu 1) darf die Vollstreckung durch die Klägerin wegen des Unterlassungstenors gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 125.000 EUR und wegen des Auskunfttenors gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 12.500 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch die Beklagte zu 3) wegen der Kosten abwenden gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils und des angefochtenen Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagte zu 3) vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
VI. Die Revision wird nur mit Blick auf die Verurteilung des Beklagten zu 1) zur Auskunftserteilung bzw. die Abweisung der Stufenklage im Verhältnis zur Beklagten zu 3) - also ausschließlich mit Blick auf die Fragen eines möglichen Bestehens materieller Ersatzansprüche als Basis des diese jeweils vorbereitenden Auskunftsbegehrens - zugelassen.
VII. Die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung im angefochtenen Teilurteil auf 635.000 EUR wird von Amts wegen dahingehend abgeändert, dass der Streitwert für die erste Instanz - mit Blick auf die in erster Instanz fünf Beklagten, die deswegen auch in das Rubrum aufgenommen sind - auf insgesamt 780.000 EUR festgesetzt wird [= jeweils 150.000 EUR im Verhältnis zu den Beklagten zu 1) bis 3) + 192.500 EUR für die Beklagte zu 4) + 137.500 EUR für die Beklagte zu 5)].
Gründe:
2I.
3Die Klägerin ist die zweite Ehefrau und Alleinerbin des Herrn Bundeskanzlers a.D. Dr. Helmut Kohl (im Folgenden: Erblasser). Dieser war von 1982 bis 1998 Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland und verstarb am 16.06.2017 im Alter von 87 Jahren.
4Im Nachgang an ein Unterlassungsverfahren wegen der Veröffentlichung und Verbreitung von 116 Passagen in einem von den Beklagten zu 1) und 2) verfassten und am 07.10.2014 im Verlag der Beklagten zu 3) erschienenen (auch Hör-)Buches mit dem Titel „Vermächtnis Die A.-Protokolle“ (dazu BGH v. 29.11.2021 – VI ZR 248/18, GRUR-RS 2021, 39313 und BVerfG v. 24.10.2022 – 1 BvR 19/22, juris sowie BGH v. 23.03.2021 – VI ZR 248/18, Anlage K 46, Bl. 3186 f. d.A. jeweils im Nachgang an Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, Anlage K 17a, AO II = BeckRS 2018, 10541 und zuletzt Senat v. 22.06.2023 – 15 U 65/17, n.v.) macht die Klägerin Ansprüche auf Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung weiterer Passagen dieser Buchpublikation geltend. Im Wege der Stufenklage verfolgt die Klägerin auf der ersten Stufe gegen die Beklagten zu 1) und 3) zudem Auskunftsansprüche mit dem jedenfalls primären Ziel der Geltendmachung von auf der letzten Stufe noch zu beziffernden Zahlungsansprüchen hinsichtlich des Verletzergewinns als eine Form der sog. dreifachen Schadensberechnung. Gestützt wird dies auf die Annahme einer vermeintlich rechtswidrigen Ausnutzung (jedenfalls auch) der kommerziellen Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Erblassers durch den Abverkauf des (auch Hör-)Buches zu Lebzeiten, aber auch postmortal. Die mit der Stufenklage verfolgten Ansprüche sollen ausweislich S. 78 der Klageschrift (Bl. 78 d.A.) kumulativ geltend gemacht sein im Verhältnis zu vermeintlichen Ansprüchen des Erblassers auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen Beeinträchtigung (auch) der ideellen Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Diese Ansprüche waren Gegenstand eines weiteren Verfahrens, in dem Entschädigungsansprüche in einer Größenordnung von fünf Millionen Euro verfolgt worden sind. Nachdem das Landgericht Köln mit Urteil vom 27.04.2017 (14 O 323/15, BeckRS 2017, 125934) die Beklagten zu 1) bis 3) unter Klageabweisung im Übrigen zur Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von einer Millionen Euro verurteilt hatte, hat der Senat in Ansehung des zwischenzeitlichen Todes des Erblassers mit Urteil vom 29.05.2018 (15 U 64/17, BeckRS 2018, 17910) unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Klage wegen der Unvererblichkeit des Geldentschädigungsanspruchs insgesamt abgewiesen. Die von der Klägerin dagegen eingelegte Revision blieb ebenso ohne Erfolg wie eine von ihr eingelegte Individualverfassungsbeschwerde (BGH v. 29.11.2021 – VI ZR 258/18, GRUR-RS 2021, 39314; BVerfG v. 24.10.2022 – 1 BvR 110/22, juris; Senat v. 29.05.2018 - 15 U 64/17, BeckRS 2018, 17910).
5Gegenstand des vorliegenden Verfahrens waren in erster Instanz zudem noch Ansprüche auf Unterlassung und Löschung gegen die Beklagten zu 4) und 5), zwei Presseunternehmen, wegen 132 Passagen aus verschiedenen Presseberichterstattungen vor und nach Erscheinen der Buchpublikation. Der Senat hat das Verfahren insoweit mit Beschluss vom 12.07.2022 - 15 U 314/19 (Bl. 3680 ff. d.A.) abgetrennt. Im Verhältnis zu den Beklagten zu 4) und 5) ist der Rechtsstreit durch das Urteil des Senats vom 22.06.2023 (15 U 135/22, n.v., Berichtigungsbeschluss vom 07.08.2023 – 15 U 135/22, n.v., Verfahren z.Zt. anhängig zu BGH - VI ZR 226/23) entschieden.
6Der Erblasser und der Beklagte zu 1), ein Journalist und wie der Erblasser promovierter Historiker, fassten unter zwischen den Parteien umstrittenen Umständen im Verlauf des Jahres 1999 den Entschluss, gemeinsam an den Memoiren des Erblassers zu arbeiten, wobei die dazu getroffenen mündlichen Absprachen bzw. die vom Erblasser dem Beklagten zu 1) gegenüber deutlich gemachten Vorstellungen von dem Projekt umstritten sind. Der Erblasser und der Beklagte zu 1) schlossen - jeder gesondert für sich - schriftliche Verträge mit einem Verlag, die im November 1999 unterzeichnet wurden. In dem Verlagsvertrag des Erblassers war u.a. geregelt, dass das zu verfassende, anfangs zunächst nur einbändig mit ca. 500 Druckseiten projektierte Werk den Charakter einer Autobiografie haben solle. Der Verlag sicherte dem Erblasser zu, dass ihm der Beklagte zu 1) mindestens 200 Stunden kostenlos für eine Zusammenarbeit zur Verfügung stehen werde. Der Beklagte zu 1) werde persönlich die schriftliche Abfassung des Werkes bis zu seiner Fertigstellung nach den Vorgaben und Angaben des Erblassers übernehmen. Im Gegenzug werde der Erblasser dem Beklagten zu 1) entsprechende Einblicke in relevante Unterlagen geben und ihm ebenfalls mindestens 200 Stunden für „Gespräche“ zur Verfügung stehen. Die Einzelheiten der Zusammenarbeit sollten der Erblasser und der Beklagte zu 1) miteinander besprechen. Weiter sicherte der Verlag zu, dass der Beklagte zu 1) auf eine Urheberbezeichnung verzichten werde und dass der Erblasser zu jeglichen Änderungen an dem Werk berechtigt sei. Der Erblasser sollte ferner jederzeit berechtigt sein, die Zusammenarbeit mit dem Beklagten zu 1) zu beenden und als Ersatz einen anderen Mitarbeiter zu bestimmen. Korrespondierende Abreden fanden sich in dem entsprechenden Vertrag des Verlags mit dem Beklagten zu 1). Wegen der Einzelheiten der Vertragsinhalte wird auf die Ablichtungen der Verträge in den Anlagen K1 und K 2 (Bl. 344 ff., AO I) Bezug genommen.
7Der Zeuge I. A., der ältere Sohn des Erblassers aus dessen erster Ehe, führte seinerzeit auf Wunsch des Erblassers - unter im Detail wiederum umstrittenen Umständen - die Vertragsverhandlungen mit dem Verlag und nahm deswegen anwaltliche Beratung in Anspruch. Ein vom Verlag vorgelegter erster Entwurf eines Verlagsvertrages mit dem Erblasser, der mit handschriftlichen Anmerkungen des Erblassers (mit dickem Filzstift) sowie des Zeugen I. A. zu den Akten gereicht worden ist und wegen dessen Einzelheiten auf Anlage K 63 (Bl. 4081 ff. d.A.) verwiesen wird, war vom Erblasser als noch nicht geeignet angesehen worden. Die weiteren Umstände des Zustandekommens der endgültigen schriftlichen Abreden des Erblassers und des Beklagten zu 1) mit dem Verlag sowie etwaige dabei bzw. zwischen Erblasser und dem Beklagten zu 1) ggf. im Vorfeld der Verhandlungen mit dem Verlag getroffene mündliche Absprachen und/oder dabei zumindest offen gelegte Vorstellungen des Erblassers sind wiederum umstritten.
8Der Beklagte zu 1) sichtete bei den Arbeiten an den Memoiren des Erblassers ab 1999 umfangreiches Material, welches teilweise aufgrund der für Archive geltenden Sperrfrist noch nicht allgemein zugänglich, dem Erblasser nur zweckgebunden für seine Memoiren zur Verfügung gestellt und von ihm dem Beklagten zu 1) zugänglich gemacht worden war. Unter den zugänglich gemachten Unterlagen befanden sich auch Teile der "Stasi-Akte" des Erblassers, gegen deren Offenlegung der Erblasser zu Lebzeiten langjährige Verfahren geführt hatte. Es befanden sich unter diesen Unterlagen ferner als geheim eingestufte Akten des Bundeskanzleramts - die auf Betreiben des Erblassers teilweise aus Gründen der Zeitersparnis aus dessen mit einem Panzerschrank versehenen Büro mitgenommen und/oder für den Beklagten zu 1) kopiert wurden, welcher nach einer Sicherheitsüberprüfung unter dem 17.12.2001 eine „Konferenzbescheinigung“ zur Gewährung des Zugangs zu Verschlusssachen erhalten hatte - sowie sonstige Unterlagen aus dem Archiv der Konrad-Adenauer-Stiftung. Die Einzelheiten sowie die genaue Art und Weise des Zusammenwirkens zwischen Erblasser und Beklagtem zu 1), insbesondere die Mitwirkungsanteile des Erblassers an textlichen Entwürfen, die Eigenständigkeit der Arbeitsweise des Beklagten zu 1), der Umfang bzw. die Verteilung von Aktenanforderungs- und Recherchebeiträgen sowie die Mitwirkungsanteile des Beklagten zu 1) an einem den Arbeiten mit den nicht angegriffenen Feststellungen auf S. 64 des angefochtenen Urteils zu Grunde liegenden Stichwortkonzept, sind wiederum umstritten.
9Ab dem 01.10.1999 - also noch vor der Unterzeichnung der Verträge mit dem Verlag - bis zu einem im Detail umstrittenen Enddatum im Jahr 2003, führten der Erblasser und der Beklagte zu 1) zum Zweck der Erstellung der Memoiren des Erblassers umfangreiche „Memoirengespräche“ mit einem im Detail wiederum streitigen Gesamtumfang. An diesen Gesprächen war auf Betreiben des Erblassers teilweise ein weiterer Historiker, der Zeuge Dr. R., beteiligt. Wie zuletzt unstreitig ist, waren teilweise weitere Personen bei Arbeitssitzungen anwesend, wobei Details dazu wiederum umstritten sind. Die „Memoirengespräche“ wurden mit dem Einverständnis des Erblassers vom Beklagten zu 1) teilweise auf Tonband aufgenommen und anschließend von der Schwester des Beklagten zu 1) – dies in unter den Parteien umstrittener inhaltlicher Qualität – transkribiert.
10In den auf Band aufgenommenen „Memoirengesprächen“, die im Souterrain des Wohnhauses des Erblassers stattfanden, sprach der Erblasser u.a. ausführlich über sein Leben, sowohl aus der Zeit vor der Übernahme höchster politischer Ämter als auch aus seiner Zeit als Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz und insbesondere aus den 16 Jahren, in denen er das Amt des Bundeskanzlers bekleidete. Dabei bediente er sich zumindest teilweise einer umgangssprachlichen und mitunter auch "deftigen" Ausdrucksweise. Die genauen Einzelheiten und Inhalte der „Memoirengespräche“, insbesondere die jeweilige Stimmungslage des Erblassers, der Anteil an „deftigeren“ O-Tönen bei den „Memoirengesprächen“ bzw. auf den einen Ausschnitt davon bildenden Tonbandaufnahmen sowie die Rolle des Beklagten zu 1) bei der Gesprächsführung sind umstritten; zu den Akten gereicht sind nur Audiodateien einzelner Tonaufnahmen. Bei den Tonbandaufnahmen äußerte der Erblasser auch dann, wenn die Aufnahme im Einzelfall auf seine Anweisung hin (etwa bei von ihm als besonders brisant empfundenen Themen) ausgeschaltet wurde, keine Einwände dagegen, dass der Beklagte zu 1) und - soweit beteiligt - der Zeuge Dr. R. handschriftliche Notizen zu den Ausführungen des Erblassers fertigten.
11Infolge der kurz nach dem Beginn der Arbeiten des Erblassers und des Beklagten zu 1) an den Memoiren ab November 1999 öffentlich bekannt gewordenen sog. „CDU-Spendenaffäre“ war Gegenstand der „Memoirengespräche“ und Tonbandaufnahmen auch die Abfassung eines fiktiven „Tagebuchs“ des Erblassers, welches unter dem Titel "Helmut Kohl - Mein Tagebuch 1998-2000" im Jahr 2000 erschien. Auch insofern sind die Art und Weise der Zusammenarbeit des Erblassers und des Beklagten zu 1) sowie die Ideengebung für das Projekt eines derartigen fiktiven „Tagebuchs“ umstritten. Mit dem Verlag schlossen der Erblasser bzw. der Beklagte zu 1) dazu jeweils am 25./29.07. bzw. 25.07./05.08.2000 weitere Verträge, die im Wesentlichen mit den oben angesprochenen Verträgen für die Memoiren des Erblassers übereinstimmten. Sie enthielten allerdings keine konkrete Stundenzahl für die Zusammenarbeit zwischen dem Erblasser und dem Beklagten zu 1), sondern stellten auf die für die Arbeit notwendigen Stunden ab.
12Der Zeuge K. A., der jüngere Sohn des Erblassers aus dessen erster Ehe mit seiner im Jahr 2001 verstorbenen ersten Ehefrau, nahm an einem vom Erblasser mit dem Beklagten zu 1) geführten Arbeitsgespräch teil. Er sprach den Erblasser danach wegen der mitgehörten Gesprächsinhalte auf die aus seiner Sicht zwingend gegebene Notwendigkeit an, eine schriftliche Vertraulichkeitsvereinbarung mit dem Beklagten zu 1) abzuschließen. Der Erblasser lehnte dies ab. Die Einzelheiten der dazu geführten Gespräche, die Motive des Erblassers für seine Weigerung und der weitere Geschehensablauf sind wiederum zwischen den Parteien umstritten.
13Mit Schriftsatz vom 27.11.2014 legte der Beklagte zu 1) im Verfahren LG Köln (14 O 286/14) einen Zusammenschnitt aus den Tonbandaufnahmen vor, der nach dem dortigen Prozessvortrag exemplarisch für die Memoirenarbeiten stehen sollte. Dieser Zusammenschnitt enthält - ohne dass wegen der Kürze des Aufnahmebestandteils dabei der Gesamtzusammenhang erkennbar ist - bei Minute 00:35:01 (Anlage K 54, USB-Stick Bl. 3544 d.A.) eine Äußerung des Erblassers in Bezug auf den Beklagten zu 1) wie folgt: „Nein, das ist ja nur für deine, dein viertes Buch, was du dann noch in dreißig Jahren machst, wenn Du gar keine Haare mehr hast.“ Die Bemerkung führte seinerzeit zu allseitiger Heiterkeit (vgl. auch die Mitschrift in Anlage K 55, S. 35 f., Bl. 3399 f. d.A.).
14Auf Grundlage der Arbeiten des Erblassers und des Beklagten zu 1) wurden über das fiktive „Tagebuch“ hinaus in den Jahren 2004, 2005 und 2007 drei umfangreiche Memoirenbände - im Haupttitel jeweils als "Erinnerungen" bezeichnet - mit den Lebenserinnerungen des Erblassers veröffentlicht. Zwischen Verlag und Erblasser waren zu den weiteren Bänden jeweils vertragliche Folgeregelungen getroffen worden, wegen deren Einzelheiten auf Anlage K 49, Bl. 3509 ff. d.A. Bezug genommen wird.
15Der bei den „Memoirengesprächen“ teilweise anwesende Zeuge Dr. R. hatte selbst unstreitig ca. 80 Seiten des ersten Bandes der Memoiren des Erblassers vorverfasst, welche vom Erblasser redigiert und autorisiert wurden. Auf Bitten des Erblassers war der Zeuge Dr. R. auch nach Abschluss der seine Textarbeit betreffenden Teile bei den „Memoirengesprächen“ anwesend (insgesamt vom 12.03.2001 – 16.02.2002); die Einzelheiten seiner Rolle bei den Gesprächen und Arbeiten sind im Übrigen umstritten. Schriftliche Abreden des Erblassers und/oder des Verlages mit dem Zeugen sind nicht getroffen worden. Der Zeuge stellte für seine „wissenschaftliche Beratung und Mitarbeit an den Lebenserinnerungen“ des Erblassers nach dem Erscheinen des ersten Memoirenbandes auf Betreiben des Erblassers dem Verlag unter dem 13. April 2004 25.000 EUR zzgl. 16% MwSt. in Rechnung (Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.05.2019, Bl. 902 d.A.). Zudem hatte der Zeuge zuvor unter dem 22.06.2001 (in Höhe von 15.000 DM), dem 10.09.2001 (in Höhe von 10.000 DM) und dem 14.03.2003 (als letzter „Teilbetrag“ in Höhe von 25.000 DM) drei Rechnungen an den Erblasser persönlich gestellt, wobei wegen der Einzelheiten auf die Anlagen zum Protokoll v. 02.11.2022 (Bl. 4045 ff. d.A.) verwiesen wird.
16Im Februar 2008 stürzte der Erblasser schwer. Die weitere Arbeit an seinen - bis heute unvollendet gebliebenen - Memoiren musste er daraufhin unterbrechen. Der Erblasser und die Klägerin heirateten im Mai 2008. Die verlagsvertraglichen Regelungen zur Frage einer Projektfortführung im Fall von Krankheit/Tod des Erblassers wurden - wie zuletzt unstreitig ist - am 22./30.09.2008 bzw. 29.09./20.10.2008 zu Gunsten der Klägerin angepasst (Anlage K 28, AO II).
17In der Folgezeit kam es zwischen Erblasser und Beklagtem zu 1) unter im Detail umstrittenen Umständen vor Vollendung des begonnenen vierten Bandes der Memoiren (für die Zeit ab 1994) zu einem Zerwürfnis. Mit Schreiben vom 24.03.2009 kündigte der Erblasser die Zusammenarbeit mit dem Beklagten zu 1) auf und forderte u.a. von diesem per Anwaltsschreiben die Erklärung, dass man „sämtliche Aufzeichnungen und sämtliche Interviews mit unserem Mandanten“, die im Zuge der Zusammenarbeit an den Memoiren entstanden seien, herausgeben werde.
18Im Oktober 2009 einigten sich der Beklagte zu 1) und der Verlag auf eine Aufhebung der zwischen ihnen geschlossenen Verträge unter Aufrechterhaltung der Rechteeinräumung an den Verlag und unter Verzicht des Beklagten zu 1) auf seine Benennung als Urheber, wobei wegen der Einzelheiten der Vereinbarung auf Anlage OC 9 (AO III) Bezug genommen wird. Die weiteren Umstände der zwischen Verlag und Beklagten zu 1) damals getroffenen Absprachen sind umstritten; streitig ist auch, ob und wie Erblasser und Klägerin dabei vom Verlag eingebunden worden sind.
19Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 18.03.2010 machte der Erblasser geltend, dass der Beklagte zu 1) ihm nicht alle Akten und Unterlagen zurückgegeben habe. Mit E-Mail vom 30.03.2010 teilte der Beklagte zu 1) Folgendes mit: „… die in Ihrem Schreiben … aufgeführten Akten befinden sich nicht in meinem Besitz. Kopien, die einst …. gefertigt wurden, können nicht zurückgegeben werden, da sie von mir unter verschiedenen Gesichtspunkten bearbeitet und ausgewertet wurden. Im Übrigen handelt es sich um allgemein zugängliche Reden und durchweg öffentliche Auftritte.“ Der Erblasser forderte den Beklagten zu 1) mit Schreiben vom 15.06.2010 erneut zur Rückgabe von Originalakten und Kopien sowie zur Abgabe einer Erklärung auf, dass er, der Beklagte zu 1), nicht mehr im Besitz von den Erblasser betreffenden Originalakten sei und diese auch nicht an Dritte weitergegeben habe. Eine Reaktion des Beklagten zu 1) auf dieses Schreiben erfolgte nicht. Über das weitere Schicksal der Originaltonbänder wurde im Übrigen seinerzeit nicht mehr kommuniziert; die Hintergründe dafür sind wiederum umstritten.
20Am 24.09.2012 wurde ein Interview des Beklagten zu 1) im RY. Nr. 39/2012 veröffentlicht (Anlage K 43, Bl. 3073 ff., dort speziell Bl. 3081 f.d.A.). Der Beklagte zu 1) hatte dem Journalisten Tonaufnahmen aus den „Memoirengesprächen“ vorgespielt und erklärt, mit den Tonbändern besitze er einen „Schatz“, den er irgendwann „heben“ werde. Die Aufzeichnungen hätten nach dem Unfall des Erblassers eine andere Bedeutung bekommen, da der Erblasser wegen seiner Sprachschwierigkeiten kaum noch in der Lage sei, solcherart umfassend Auskunft zu geben. Der Beklagte zu 1) kündigte an, er werde zum 90. Geburtstag des Erblassers eine Biografie erscheinen lassen, wobei er sich daran orientieren werde, was bislang über diesen unbekannt sei. Dem Erblasser teilte der Beklagte zu 1) in Ansehung dieser Presseveröffentlichung mit Schreiben vom 24.09.2012 mit, kein „Enthüllungsbuch“ schreiben zu wollen, worauf der Erblasser sich für alle Zeiten verlassen könne (Anlage K 6, Bl. 399 AO I).
21Im Folgenden nahm der Erblasser - nachdem er den Beklagten zu 1) vergeblich mit dem Ziel einer Einigung auch hinsichtlich der Originaltonbänder unter dem 22.11.2012 um einen Verjährungsverzicht gebeten hatte - den Beklagten zu 1) ab dem 28.12.2012 in drei Instanzen erfolgreich auf Herausgabe sämtlicher (Original-)Tonaufnahmen in Anspruch, auf denen die Stimme des Erblassers zu hören ist und die - so die Antragsfassung und die dieser folgende Tenorierung - „in den Jahren 2001 und 2002“ von dem Beklagten aufgenommen worden waren (vgl. BGH v. 10.07.2015 - V ZR 206/14, BGHZ 206, 211). Im Rahmen der Zwangsvollstreckung aus dem im Instanzenzug erstrittenen vorläufig vollstreckbaren Herausgabetitel gab der Beklagte zu 1) im März 2014 insgesamt 200 Tonbandkassetten heraus. Streitig ist, ob und gegebenenfalls aus welchem Grund auf einem Großteil dieser Originaltonbänder die Stimme des Erblassers nicht oder nur noch schwer zu hören ist. Streitig ist ferner, ob alle beim Beklagten vorhandenen Originalaufnahmen herausgegeben worden sind.
22Wenige Wochen vor dem Erscheinen der streitgegenständlichen Buchpublikation am 07.10.2014 nahm der Erblasser den Beklagten zu 1) zusätzlich auf Herausgabe sämtlicher Abschriften und Kopien von Tonbandaufnahmen, auf denen die Stimme des Erblassers zu hören ist und die - so erneut die Antragsfassung - „in den Jahren 2001 und 2002“ aufgenommen wurden, in Anspruch. Hintergrund war, dass der Beklagte zu 1) in einem weiteren Interview vom 01.08.2014 in Reaktion auf das im Herausgabeverfahren zu seinen Lasten ergangene Berufungsurteil angegeben hatte, Abschriften und Kopien der herausgegebenen Originaltonbänder zu besitzen und verwerten zu wollen. Auf das Anwaltsschreiben vom 03.09.2014 (Anlage K 66, Bl. 4244 ff. d.A.), mit dem der Erblasser vom Beklagten zu 1) daraufhin die Herausgabe sämtlicher Abschriften und Kopien der Tonbänder unter Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtung betreffend die Erstellung weiterer Abschriften, Kopien und Vervielfältigungen verlangt hatte, ließ der Beklagte zu 1) mit Anwaltsschreiben vom 10.09.2014 (Anlage K 65, Bl. 4239 f. d.A.) mitteilen, dass „nicht die geringste Absicht besteh(e), Abschriften oder Kopien zu vervielfältigen“, aber man (sinngemäß) nicht meinen solle, dass man dem Beklagten zu 1) die Verwertung dessen versagen könne, was er in den „Memoirengesprächen“ gehört und erfahren habe.
23Die Herausgabeklage stellte der Erblasser nach einem Hinweis des Landgerichts auf Bedenken an der Bestimmtheit des Herausgabeantrages im Mai 2016 auf eine Stufenklage um und begehrte im Folgenden auf der ersten Stufe Auskunft u.a. über einzelne Vervielfältigungsstücke zum Zwecke der Formulierung eines i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO konkreter gefassten Herausgabeantrages auf der letzten Stufe. Der Beklagte zu 1) ist in diesem Verfahren inzwischen rechtskräftig zur Erteilung von Auskünften verurteilt worden (BGH v. 03.09.2020 - III ZR 136/18, BeckRS 2020, 23375; v. 26.11.2020 - III ZR 136/18, BeckRS 2020, 36309; z.Zt. noch Individualverfassungsbeschwerde anhängig zu BVerfG zu Az.: 1 BvR 121/21). In diesem zunächst auf Herausgabe bzw. dann auf Auskunft im Wege der Stufenklage gerichteten Klageverfahren war die Klage in erster Instanz wegen der zwischenzeitlich erfolgten Publikation des streitgegenständlichen Buches um die eingangs bereits angesprochenen Unterlassungsansprüche wegen zunächst 114 und später 116 Passagen des Buches sowie um den ebenfalls bereits erwähnten Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung erweitert worden. Diese Klagebegehren auf Unterlassung bzw. Zahlung einer Geldentschädigung wurden vom Landgericht abgetrennt und im Folgenden getrennt verhandelt und entschieden. Zuvor hatte der Erblasser gegen die Beklagten zu 1) bis 3) sogleich nach Veröffentlichung des streitgegenständlichen Buches im Wege der einstweiligen Verfügung Unterlassungsansprüche wegen 114 Passagen erwirkt (LG Köln v. 13.11.2014 – 14 O 315/14, juris; Senat v. 05.05.2015 – 15 U 193/14, NJW-RR 2015, 1258). In diesem Verfahren war die Authentizität der im Buch enthaltenen vermeintlichen Zitate des Erblassers noch nicht gerügt worden.
24Mit Schreiben vom 29.06.2018 teilte der Beklagte zu 1) der Klägerin auf das Auskunftsbegehren u.a. mit, zwölf externe Festplatten mit digitalen Kopien der Tonbänder erstellt zu haben, die sich nunmehr in seinem Besitz befänden, wobei wegen der weiteren Einzelheiten auf das Schreiben in Anlage K 30, AO II Bezug genommen wird. Auf weiteres Befragen teilte der Beklagte zu 1) unter dem 03.08.2018 mit, dass er nach den titulierten Auskunftsansprüchen nur Angaben zum aktuellen Verbleib (Aufbewahrungsort) der Audiodateien zum Zwecke der Vorbereitung einer Herausgabeklage schulde. Wegen der aus Sicht der Klägerin unzureichenden Auskunftserteilung hat diese die Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO betrieben. Mit Beschluss v. 08.11.2022 - 14 O 286/14 (Bl. 4129 ff. d.A.) hat das Landgericht Köln dem Beklagten zu 1) im Nachgang an einen früheren Zwangsgeldbeschluss ein zweites Zwangsgeld in Höhe von 15.000 EUR auferlegt, welches nach Schluss der mündlichen Verhandlung in der vorliegenden Sache Gegenstand eines Beschwerdeverfahrens vor dem Senat geworden ist (vgl. dazu Senat v. 18.08.2023 - 15 W 62/23, n.v.).
25Für seine schriftstellerischen Tätigkeiten an dem streitgegenständlichen Buch stellte der Beklagte zu 2) seinerzeit dem Beklagten zu 1) insgesamt 80.000 EUR in Rechnung (Anlage K 76, Bl. 4484 f. d.A.). Am 28./29.07.2020 ist der Beklagte zu 2) verstorben. Der Senat hat mit Beschluss vom 14.09.2020 (Bl. 2031 f. d.A.) das Verfahren insoweit ausgesetzt.
26Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands mit Blick auf die Beklagten zu 1) und 3) sowie wegen der erstinstanzlichen Schlussanträge wird im Übrigen auf den - nicht mit Tatbestandsberichtigungsanträgen angegriffenen - Tatbestand des angefochtenen Teilurteils des Landgerichts vom 11.12.2019 (Bl. 1067 ff. d.A.) Bezug genommen.
27Das Landgericht hat - soweit nach der Abtrennung des Verfahrens gegen die Beklagten zu 4) und 5) und nach der Aussetzung des Verfahrens im Verhältnis zu dem Beklagten zu 2) von Interesse - nach Vernehmung der Zeugen K. A., Dr. R. und Dr. H. auf Basis des Beweisbeschlusses vom 25.02.2019 (Bl. 820 d.A.) mit dem angefochtenen Teilurteil unter Klageabweisung im Übrigen den Beklagten zu 1) (nur) verurteilt, es zu unterlassen, die unter (a) auf S. 2 - 19 des angefochtenen Urteils im Detail wiedergegebenen Passagen - im Buch kursiv als angeblich wörtliche Zitate des Erblassers gekennzeichnet - sowie die auf S. 19 - 57 abgedruckten weiteren Passagen zu veröffentlichen oder zu verbreiten, wenn dies geschieht, wie in dem Buch „Vermächtnis - Die A.-Protokolle“ (gebundenes Buch, 256 Seiten, ISBN N01-, PF. - Verlag). Es hat ferner (nur) den Beklagten zu 1) antragsgemäß zur Auskunft und Rechnungslegung verurteilt. Das Landgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen darauf gestützt, dass (nur) hinsichtlich des Beklagten zu 1) ein vertraglicher Unterlassungsanspruch aufgrund einer Nebenpflicht aus einer mit dem Erblasser konkludent abgeschlossenen vertraglichen Rechtsbeziehung sui generis bestehe; dies gemessen an den Ausführungen des Senats im Urteil vom 29.05.2018 (15 U 65/17, BeckRS 2018, 10541). Die Kammer sei nach der Durchführung der Beweisaufnahme „nicht gemäß § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO davon überzeugt“, dass der nichts von schriftlichen Vertraulichkeitsabreden haltende Erblasser damals tatsächlich davon „ausging“, dass eine Verschwiegenheitspflicht des Beklagten zu 1) „nicht“ bestanden habe. Die Bekundungen des Zeugen K. A. ließen lediglich den Schluss zu, dass der Erblasser aufgrund seines Vertrauens in den Beklagten zu 1) davon ausgegangen sei, dass der Beklagte zu 1) auch bei fehlender schriftlicher Abrede nichts veröffentlichen werde, was er - der Erblasser - nicht zuvor „abgesegnet“ habe. Die Bekundungen des Zeugen Dr. R. seien hinsichtlich der Frage des Bestehens einer vertraglichen Nebenpflicht zwar unergiebig, sprächen jedoch tendenziell für die Annahme, dass auch dieser Zeuge von einer Verschwiegenheitspflicht ausgegangen sei. Auf die Aussage des Zeugen Dr. H. käme es vor diesem Hintergrund nicht mehr an. Daher sei auch dem Beweisantrag der Beklagten zu 1) und zu 2) in ihrem nachgelassenen Schriftsatz vom 02.07.2019 (S. 25, Bl. 1004 d.A.) auf Vernehmung des Zeugen I. A. nicht nachzukommen, da die dort genannte Bedingung, nämlich die Erheblichkeit der Aussage des Zeugen Dr. H., nicht eingetreten sei.
28Die dem Beklagten zu 1) als Nebenpflicht obliegende Verschwiegenheitspflicht - deren Umfang der Senat im zitierten Urteil beschrieben habe - bestehe unter Berücksichtigung von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht (mehr) hinsichtlich solcher Umstände, mit denen der Beklagte zu 1) allein den äußeren Rahmen der Zusammenarbeit “detailarm” beschrieben habe, da diese Umstände mittlerweile in der Öffentlichkeit bekannt seien. Dem Beklagten zu 1) könne nicht die Möglichkeit genommen werden, den zwischen den Parteien schwelenden Rechtsstreit und seine Position in der Öffentlichkeit darzustellen, sofern er keine Details der „Memoirengespräche“/-arbeiten offenlege. Bei den im Tenor zu (a) untersagten Äußerungen handele es sich um Weitergaben in der identischen Verkörperungsform wie bei wörtlichen Zitaten des Erblassers. Bei den auf S. 235 – 263 des Urteils zu (b) genannten Passagen gehe es um die Weitergabe des wesentlichen Informationsgehalts (Informationskerns) in anderer Äußerungsform. Die auf S. 263 – 265 zu (c) genannten Passagen beträfen die Mitteilung von Begleitumständen, unter denen im Zuge der Memoirenarbeiten Informationen erlangt wurden, wie Emotionen, Mimik, Gestik oder sonstige Verhaltensweisen des Erblassers. Bei den auf S. 265 – 274 zu (d) genannten Passagen gehe es um unzulässige Wertungen, welche der Beklagte zu 1) nur durch die ihm eröffneten Informationen habe treffen können. Demgegenüber seien die auf S. 274 – 288 zu (e) genannten Passagen – weil keiner der vorstehenden Kategorien zuzuordnen bzw. nach § 242 BGB nicht (mehr) von der Verschwiegenheitspflicht umfasst – zulässig publiziert. Aufgrund des Umstandes, dass der erstinstanzliche Klageantrag wegen der weitergehenden Formulierung „oder anderweitig wörtlich oder sinngemäß“ zu weitgehend gestellt sei, weil er bewusst über die konkrete Verletzungshandlung hinausgehe, sei die Klage auch insoweit unbegründet, da ein Unterlassungsanspruch nur bezüglich der Äußerung in der konkreten Verletzungsform bestehe.
29Die Klägerin habe gegen den Beklagten zu 1) keinen weitergehenden Unterlassungsanspruch gemäß §§ 1004 Abs. 1 S. 2, 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Denn es liege kein schlüssiger Vortrag hinsichtlich einer rechtswidrigen Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts des Erblassers vor, wie sie etwa durch unzutreffende Zitate, unwahre Tatsachenbehauptungen oder eine Schmähkritik erfolgen könne. Ein Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu 3) bestehe aus gleichen Gründen nicht. Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche bestünden nur im Verhältnis zum Beklagten zu 1) wegen eines dem Grunde nach bestehenden und nur mit Hilfe der Auskunft zu beziffernden Schadensersatzanspruches aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB. Gegenüber der Beklagten zu 3) bestehe kein Auskunftsanspruch, da keine vertragliche Nebenpflichtverletzung in Betracht komme und eine rechtswidrige und schuldhafte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und/oder des postmortalen Persönlichkeitsrechts nicht schlüssig vorgetragen sei.
30Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Landgerichts wird auf die Gründe der angegriffenen Entscheidung (Bl. 1067 ff. d.A.) Bezug genommen.
31Dagegen wenden sich die Klägerin sowie der Beklagte zu 1) mit ihren Berufungen. Die Klägerin verfolgt ihr erstinstanzliches Klagebegehren gegenüber den Beklagten zu 1) und 3) weiter, dies nunmehr unter sprachlicher Beschränkung der Verbotsanträge auf die konkrete Verletzungsform. Der Beklagte zu 1) begehrt mit seiner Berufung weiterhin die vollständige Klageabweisung. Zudem hat der Beklagte zu 1) in zweiter Instanz widerklagend einen Zwischenfeststellungsantrag gestellt, um die Nichtbegründung einer vertraglichen Geheimhaltungsverpflichtung dem Erblasser gegenüber feststellen zu lassen.
32Mit Blick auf ihre Berufung in Bezug auf den Beklagten zu 1) ist die Klägerin der Ansicht, dass das Landgericht bei dem Unterlassungsanspruch zu der von ihm gebildeten Kategorie (e) verkannt habe, dass es auch bei diesen Passagen nicht nur um den äußeren Rahmen der „Memoirengespräche“ und nicht nur um eine detailarme Beschreibung der Memoirenarbeiten gegangen sei, sondern um vertraulich-private Umstände aus dem familiären Umfeld des Erblassers bzw. um „quasi Betriebsinterna“ (S. 7 der Berufungsbegründung der Klägerin, Bl. 1319 d.A.). Auch deren konsequente Geheimhaltung sei von den vertraglichen Verschwiegenheitsverpflichtungen des Beklagten zu 1) umfasst. Es seien detaillierte Angaben u.a. zur Entstehungsgeschichte der Memoiren, zur angeblichen Rolle des Beklagten zu 1), zu häuslichen Umständen des Erblassers, zur Übernahme von Essensrechnungen, zu Vertragsdetails inkl. des Garantiehonorars, zur angeblichen Rolle der Klägerin bzw. der ersten Ehefrau des Erblassers sowie zu angeblichen Gründen für das Nichterscheinen des vierten Bandes gemacht worden, die im streitgegenständlichen Kontext untersagt werden müssten. Man dürfe nicht in Kauf nehmen, dass der „Rechtsbrecher „belohnt“ statt „bestraft“ werde (S. 10 der Berufungsbegründung der Klägerin, Bl. 1322 d.A.), wenn man dem Beklagten zu 1) zu Gute halte, dass die Öffentlichkeit durch die rechtswidrige Veröffentlichung Kenntnis von den betreffenden Umständen erhalten habe. Vielmehr dürfe dem Beklagten zu 1) aus seinem Verstoß kein Vorteil erwachsen, wolle man nicht vertragliche Pflichtenbindungen ab absurdum führen. Entgegen dem Hinweis des Senats vom 09.12.2021 (Bl. 3119 ff. d.A.) könne man auch nicht mit der Rechtsfigur einer sog. Selbstöffnung der Klägerin wegen ihres Interviews im „QP.“ vom 18.01.2018 (Anlage B (3) 11, Bl. 57 ff. AH) argumentieren. Denn es sei dabei nur um eine Reaktion auf die rechtswidrige Veröffentlichung gegangen.
33Im Übrigen gehe es zusammen mit den schon vom Landgericht zu Recht verbotenen Textstellen auch bei diesen Passagen aus Kategorie (e) um einen „einheitlich“ zu verstehenden Klageantrag wegen grober Verfälschung des Lebensbildes des Erblassers durch das gesamte Buch. Auch hier werde das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers u.a. durch falsch mitgeteilte Umstände aus der Memoirenarbeit und zu der Art und Weise des Zusammenwirkens mit dem Beklagten zu 1) verfälscht, wie im Einzelnen zu der gegen die Beklagte zu 3) gerichteten Berufung ausgeführt.
34Ferner habe das Landgericht die im Berufungsantrag zu I. 2. genannten Passagen aus den erstinstanzlichen Schlussanträgen übergangen. Andere Passagen seien in nicht passende Kategorien eingeordnet bzw. doppelt untersagt, was zu korrigieren sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den von der Klägerin vorgenommenen „Abgleich“ in Anlage K 33 (Bl. 1389 ff. d.A. = 1733 ff. d.A.) Bezug genommen.
35Mit Blick auf die Berufung des Beklagten zu 1) verteidigt die Klägerin die angefochtene (Teil-)Verurteilung zur Unterlassung und zur Auskunft unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Tatsächlich sei der Beklagte zu 1) in Ansehung der Zurückweisung seiner Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des Senats im Vorverfahren (15 U 65/17) rechtskräftig zur Unterlassung verpflichtet (Schriftsatz der Klägerin vom 10.03.2022, Bl. 3291 d.A.). Jedenfalls habe das Landgericht unter bedenkenfreiem Zu-Eigen-Machen der Ausführungen des Senats im Vorverfahren, unter zutreffender Würdigung der erstinstanzlichen Beweisaufnahme insbesondere mit Blick auf den nach der Senatsentscheidung erst hinzugetretenen Zeugen K. A., unter zu Recht erfolgtem Verzicht auf die Ladung des nur unter einer nicht eingetretenen Bedingung benannten Zeugen I. A. und mit gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO vom Senat der Entscheidung zu Grunde zu legenden Feststellungen eine umfassende vertragliche Verschwiegenheitspflicht bejaht. Die erneute Beweisaufnahme durch den Senat begründe eine „völlige Umkehrung aller bisherigen richterlichen Feststellungen“ und eine „totale Kehrtwende“, zumal der Senat im Vorverfahren bei allen streitigen Anknüpfungstatsachen ohnehin die für den Beklagten zu 1) günstigste Sichtweise als wahr unterstellt habe. Tatsächlich müsse allenfalls der Beklagte zu 1) einen „Beweis des Gegenteils“ führen „über das vom Normalen Abweichende“ (S. 20/21 des Schriftsatzes der Klägerin vom 10.03.2022, Bl. 3244/3245 d.A.). Im Zusammenspiel mit den Ausführungen des Senats im Vorverfahren müsse man davon ausgehen, dass es in Anbetracht der „offenkundigen Gesamtkonstellation, der schriftlichen Verlagsverträge, der konkludent vereinbarten, umfassenden Vertraulichkeit im Rahmen des unter dem Dach der schriftlichen Verlagsverträge … geschlossenen Auftragsverhältnisses sui generis und des im Vorfeld der Verträge sowie im Verlauf der Zusammenarbeit mehrfach wiederholten und deutlich gemachten, nämlich mündlich Vereinbarten“ (S. 3 des Schriftsatzes der Klägerin vom 10.03.2022, Bl. 3227 d.A.) eine zeitlich und inhaltlich unbegrenzte Vertraulichkeitsverpflichtung des Beklagten zu 1) gegeben habe und auch nach dem Tod des Erblassers weiterhin gebe, ohne dass zusätzlich eine „explizit-schriftliche Vertraulichkeitsvereinbarung“ erforderlich sei (S. 2 des Schriftsatzes der Klägerin vom 10.03.2022, Bl. 3226 d.A.). Beklagtenseits stelle man die Absprachen „unter Verneinung des Üblichen und Normalen schlicht in Abrede“, dies unter maximaler Irreführung und ohne substantiierten Beleg für die fernliegende gegenteilige Auffassung. Die Klägerin ist der Ansicht, es sei nicht überzeugend, dass der Senat sie als darlegungs- und beweisbelastet für die tatsächlichen Voraussetzungen einer Verschwiegenheitsabrede ansehe, zumal der Beklagte zu 1) die schriftliche Vertragslage und den darin liegenden „Geist“ einer Endkontrolle und Letztentscheidungsbefugnis des Erblassers über alles, was sein Memoirenprojekt betroffen habe und „der – spiegelbildlich dazu – vertraglich fixierten, unzweideutig nur auf Zeit angelegten und nur dienenden (und mithin automatisch der Vertraulichkeit über alle Informationen und der Herausgabe allen erlangten Materials unterliegenden) Funktion“ des Beklagten zu 1) ins Gegenteil verkehre (S. 3 des Schriftsatzes der Klägerin vom 10.03.2022, Bl. 3227 d.A.). Mit Blick auf den in der Rechtsprechung anerkannten Schutz einer in Tonbandaufnahmen verdinglichten Persönlichkeit (BGH v. 13.10.1987 – VI ZR 83/87, NJW 1988, 1016, 1017 u.a.) sei u.a. mit den Ausführungen der Klägerin auf S. 62 f., 64 f. des Schriftsatzes vom 10.03.2022 (Bl. 3286 f. i.V.m. der Korrektur der Seite 63 des Schriftsatzes auf Bl. 3518 d.A., Bl. 3288 f. d.A.) derjenige, der sich - wie hier der Beklagte zu 1) - auf ein Recht zur Weiterverbreitung vertraulicher Tonaufnahmen berufe, für eine Einwilligung darlegungs- und beweisbelastet, nicht der Betroffene für das Fehlen des behaupteten „Freibrief(s) zu einer eigennützigen Verwertung der Tonbandinhalte.“
36Die Klägerin ist der Ansicht, eine Vertraulichkeitsverpflichtung des Beklagten zu 1) ergebe sich schon aus § 8 bzw. § 15 der Verträge mit dem Verlag, zumal man damit nur eine im Vorfeld mündlich getroffene Vertraulichkeitsabrede zwischen dem Erblasser und dem Beklagten zu 1) abgesichert habe. Die Regelungen in den Verlagsverträgen seien vom Erblasser allumfassend verstanden worden und hätten auch so verstanden werden dürfen, weil der Beklagte zu 1) für jedwede eigenmächtige Veröffentlichung und/oder Weitergabe von Informationen aus dem Memoirenprojekt unter Berufung auf deren Authentizität vertragswidrig seine Mitarbeitereigenschaft habe offenbaren müssen. Der Beklagte zu 1) habe für jede eigenmächtige Verwertung „zwangsläufig § 8 seines Verlagsvertrages als die zentrale Hürde der Vertraulichkeit brechen“ müssen (S. 4 des Schriftsatzes der Klägerin vom 10.03.2022, Bl. 3228 d.A.). Der Erblasser habe die vertraglichen Regelungen in den Verlagsverträgen nur so verstehen können, dass der Beklagte zu 1) nicht nur seine Tätigkeit als Memoirenmitarbeiter und die Vertragsdetails nicht habe offenbaren dürfen, sondern erst recht nicht sein Wissen über Inhalte und Umstände der Memoirenarbeit. Denn es sei mit S. 19 f. des Schriftsatzes der Klägerin vom 15.09.2020 (Bl. 2054 f. d.A.) denklogisch ausgeschlossen, dass man ohne Verstoß gegen die verlagsvertragliche Geheimhaltungsverpflichtung Wissen über die Inhalte der Memoirenarbeit nach außen tragen und für ein Publikationsvorhaben verwenden könne. Jedenfalls habe der Erblasser die umfassende Abtretung aller Urheberrechte durch den Beklagten zu 1), dessen Verzicht auf die Namensnennung auf der Umschlagseite (hiervon ausgenommen allenfalls die Nennung nach dem Ermessen des Erblassers), die Zusicherung der Höchstpersönlichkeit der Leistungserbringung (mit der Unmöglichkeit der eigenmächtigen Einschaltung von Dritten außerhalb des Kontrollbereichs des Erblassers), die jederzeitige Kündbarkeit/Austauschbarkeit, die alleinigen Entscheidungsbefugnisse des Erblassers betreffend Umfang, Titel, Manuskriptfreigabe, Marketing, Änderungen usw. nicht anders verstehen können als eine Zusicherung, keinerlei Rechte geltend zu machen und die Autorenschaft des Erblassers an den Memoiren niemals - wie später wahrheitswidrig mit der Behauptung eines Verfassens „mehr oder weniger im Alleingang“ (S. 5 des Schriftsatzes der Klägerin vom 10.03.2022, Bl. 3229 d.A.) geschehen - in Frage zu stellen. Gerade die mit dem „klare(n) Chef-Mitarbeiter-Verhältnis“ (S. 5 des Schriftsatzes der Klägerin vom 10.03.2022, Bl. 3229 d.A.) einhergehende jederzeitige Kündigungsmöglichkeit des Erblassers gehe mit einer Herausgabe- und Vertraulichkeitsverpflichtung einher. Denn alle vertraglichen Klauseln wären im Kündigungsfall sinnlos, weil man den einzigen Zweck der Vertragsbeziehung – die vollständige und ungehinderte Erstellung der Memoiren des Erblassers – gefährden würde, wenn damit zu rechnen gewesen wäre, dass der Beklagte zu 1) sich – wie geschehen – verselbständigen, Material einbehalten, Wissen verwerten, damit als „Konkurrent“ zum Memoirenprojekt auftreten und dieses so konterkarieren dürfe (S. 5 f. des Schriftsatzes der Klägerin vom 10.03.2022, Bl. 3229 f. d.A.). Ein anderes Vertragsverständnis widerspreche allgemeinen Auslegungsregeln. Weiteres Indiz für die Vereinbarung einer Vertraulichkeit sei die Regelung in § 14 des Verlagsvertrages, der im Fall von Tod und Krankheit des Erblassers allein dem dort benannten Mitglied der Familie die Entscheidungsbefugnis zur Fortführung des Memoirenprojekts zugewiesen habe. Auch hier habe man keine Verselbständigung des Beklagten zu 1) im Todesfall vorgesehen, sondern diesen als dienenden Mitarbeiter weiterhin an die Familie gebunden. Weiteres Indiz sei, dass allein der Vertrag des Verlages mit dem Erblasser eine den Verlag absichernde Konkurrenzschutzklausel enthalten habe, weil der Beklagte zu 1) nach Sinn und Zweck aller Absprachen ohnehin nicht berechtigt gewesen sei, eigenständig Informationen in Konkurrenz zu dem Memoirenprojekt und damit (auch) in Konkurrenz zum Verlag zu verwerten. Angesichts dessen, dass sich der Erblasser zeitlebens seine Reden und Interviews zur Autorisierung habe vorlegen lassen, er gleichermaßen mit den Memoiren und dem „Tagebuch“ verfahren sei und man selbst nach dem Vorbringen des Beklagten zu 1) die Einschaltung von dessen Schwester in die Erstellung der Transkripte u.a. mit Blick auf den Transportweg für die Originaltonbänder und ihre Vertrauenswürdigkeit bedacht habe, sei es fernliegend, anzunehmen, dass man die ins Unreine gesprochenen und deswegen missbrauchsanfälligen Lebenserinnerungen dem Beklagten zu 1) zur freien Verwertung hätte überlassen wollen.
37Dass der Erblasser und der Beklagte zu 1) die Arbeit an den Memoiren noch vor der Unterzeichnung der schriftlichen Verlagsverträge begonnen hätten, sei unerheblich. Denn der Erblasser habe in Vorgesprächen mit dem Beklagten zu 1) zuvor „ausgelotet und abgeklärt“, dass der Beklagte zu 1), der zunächst nur mit dem Ziel der Erstellung eines eigenen Buchs (Biografie) als freier Autor an den Erblasser herangetreten sei, auch für eine nur dienende Mitarbeit an Memoiren des Erblassers mit einer erkennbar veränderten Rolle zur Verfügung stehen würde. Erst nach Verständigung über diese „Eckpunkte“ und Vorstellungen des Erblassers sei man zur Verschriftlichung der Verlagsverträge als eines „Dach(s) über dem Memoiren-Projekt“ übergegangen (S. 11 f. des Schriftsatzes der Klägerin vom 10.03.2022, Bl. 3235 f. d.A.). Aus dieser Genese erkläre sich auch, dass der Erblasser nicht auf seinem Recht zum Verlangen von Nachbesserungen im Verlagsvertrag des Beklagten zu 1) beharrt habe. Es liege kein sog. beredtes Schweigen mit einem Verzicht auf eine Vertraulichkeitsklausel vor. Denn der Erblasser habe sich aufgrund der früheren mündlichen Absprachen mit dem Beklagten zu 1) und den genannten Regelungen in den Verlagsverträgen – die unstreitig unter seiner Ägide unter Mitwirkung des Zeugen I. A. formuliert worden waren, sodass man etwaige Änderungswünsche sonst dort jederzeit hätte implementieren können – hinreichend abgesichert geglaubt. Er habe mit Recht gemeint, es bedürfe keiner „weiteren, zusätzlichen Vertraulichkeitsvereinbarung“ (S. 12 des Schriftsatzes der Klägerin vom 10.03.2022, Bl. 3236 d.A.). Der Beklagte zu 1) könne unmöglich verkannt haben, welche Verpflichtung er mit dem „Rollentausch vom Journalisten und Autor zum weisungsgebundenen Mitarbeiter“ (S. 13 des Schriftsatzes der Klägerin vom 10.03.2022, Bl. 3237 d.A.) eingegangen sei und wie ein objektiver Dritter in der Position des Erblassers vor diesem Hintergrund sein Engagement habe verstehen müssen. Es sei jedenfalls „über allem schwebende conditio sine qua non“ gewesen, dass sich der Beklagte zu 1) der „in solchen Konstellationen … vollkommen üblichen umfassenden Vertraulichkeits- und Herausgabeverpflichtung“ unterworfen habe und dies zeitlich und inhaltlich unbegrenzt (S. 13 des Schriftsatzes der Klägerin vom 10.03.2022, Bl. 3237 d.A.), denn sonst hätte der Erblasser dem Beklagten zu 1) nicht „das Vertrauen geschenkt, das notwendig war, um ihn als Mitarbeiter zu akzeptieren und ihm zweckgebunden Einblick in sein Leben und seine Gedanken und Erinnerungen zu geben, (eigene und fremde) Akten zugänglich zu machen und Originale (wie die Tonbänder) treuhänderisch zu überlassen.“ Der Erblasser habe die Zustimmung zu der Vertragsklausel, „mit ihm unter dem Dach der Verlagsverträge nochmals ein direktes Vertragsverhältnis im Sinne eines Auftragsverhältnisses einzugehen, nicht anders als ein Einvernehmen … über die Gesamtkonstellation und mithin als weitere Absicherung für sich über die … vereinbarte, umfassende Vertraulichkeitspflicht … verstehen“ können (S. 14 des Schriftsatzes der Klägerin vom 10.03.2022, Bl. 3238 d.A.).
38Entgegen dem falschen Narrativ des Beklagten zu 1) sei man keine Zusammenarbeit in partnerschaftlicher Gleichrangigkeit auf „Augenhöhe“ eingegangen, sondern der Beklagte zu 1) habe eine von Anfang an nur auf Zeit angelegte, dienende Funktion als austauschbarer Mitarbeiter angenommen, der „…ein Stück des Weges mit (dem Erblasser) mitgehen durfte: eine dienende Rolle, die aber doch eine Ehre war und keine Schande“ (S. 38 des Schriftsatzes der Klägerin vom 10.03.2022, Bl. 3262 d.A.). Es gehe um eine Rolle, in der sich der Beklagte zu 1) „nach den Jahren der doch ehrenvollen Mitarbeit an den Memoiren“ (a.a.O., S. 37 = Bl. 3261 d.A.) offenbar nicht eingefunden habe, habe er dies seinerzeit dem Erblasser auch anders vermittelt. Der Erblasser habe den Beklagten zu 1) weder „als guten Freund um eine Gefälligkeit gebeten, noch ihn als Partner für historische Aufsätze von gleich zu gleich ausgewählt“, sondern mit ihm als „dienendem Mitarbeiter ganz einfach unter professionellen Bedingungen“ seine Memoiren schreiben wollen (S. 39 des Schriftsatzes der Klägerin vom 10.03.2022, Bl. 3263 d.A.). Der Beklagte zu 1) sei nicht einbezogen worden, um wie beim „klassischen Ghostwriting die eigentliche inhaltliche (!) Arbeit“ zu übernehmen, sondern wegen der Bereitschaft, den Erblasser in dem abgesicherten Rahmen bei der Memoirenarbeit zu unterstützen, wegen seiner Fertigkeit im Umgang mit Akten und im Schreiben. Dies sei jedoch nicht als bewusstes Anvertrauen des gesamten Lebenswerks erfolgt (S. 41 f. des Schriftsatzes der Klägerin vom 10.03.2022, Bl. 3265 f. d.A.). Jede andere Auslegung der vertraglichen Ausgangssituation – wie sie der Beklagte zu 1) versuche – sei seinerseits darlegungs- und beweisbedürftig, zumal dieser dem Erblasser nicht weniger als sein Wort gegeben habe, auf welches dieser - bei dem die Bedeutung eines gegebenen Ehrenworts bekannt sei - vertraut habe, wie er der dazu als Partei zu vernehmenden Klägerin zu Lebzeiten mehrfach versichert habe (S. 14/39/66 des Schriftsatzes der Klägerin vom 10.03.2022, Bl. 3238/3263/3290 d.A.). Wie u.a. auf S. 15 ff. des Schriftsatzes der Klägerin vom 10.03.2022 (Bl. 3239 ff. d.A.) anhand von Äußerungen des Erblassers im Detail ausgeführt, sei Ausgangspunkt von dessen Sinneswandel, sich doch der Mühe des Schreibens eigener Memoiren zu unterziehen, der Versuch gewesen, der aus seiner Sicht um sich greifenden Geschichtsfälschung und –klitterung entgegenzuwirken und die Deutungshoheit zu behalten. Ausgehend davon habe er ersichtlich nicht nur mit Blick auf die – bis heute unvollendeten – eigenen Memoiren mit einem Letztentscheidungsrecht abgesichert sein sollen. Es sei nicht nur um die Erstveröffentlichung der eigenen Sichtweise gegangen, sondern – wie der Verkaufserfolg des streitgegenständlichen Buches zeige – zugleich darum, dass das erkennbar ins Unreine gesprochene Wort auf den Tonbändern missbrauchsanfällig und „mithin geeignet (war), die Erinnerungen beliebig neu zu schreiben und mit entsprechend reißerischer Aufmachung die Memoiren blass aussehen zu lassen“ mit dem „Ergebnis des verfahrensgegenständlichen Buches, das seit 2014 die echten Memoiren dramatisch überlager(e).“ (S. 37 des Schriftsatzes der Klägerin vom 10.03.2022, Bl. 3261 d.A.). Die Verschwiegenheitsverpflichtung des Beklagten zu 1) sei nicht mit dem Tod des Erblassers erloschen, wobei die Argumentation des Beklagten zu 1) schon deswegen nicht trage, weil das streitgegenständliche Werk noch zu Lebzeiten des Erblassers veröffentlicht worden sei. Selbst wenn man mit Blick auf die Wiederholungsgefahr auf die nunmehrige Rechtslage abstelle, hätten weder der Zeuge Dr. R. noch der Zeuge K. A. eine automatische Freigabe zur Veröffentlichung mit dem Tod des Erblassers bestätigen können. Sofern der Beklagte zu 1) sich auf eine angebliche Publikationserlaubnis berufe, seien die Schreiben mit der Aufforderung zur Herausgabe von Unterlagen und die Kündigung u.a. mit S. 64 des Schriftsatzes der Klägerin vom 10.03.2022 (Bl. 3288 d.A.) als Widerruf angeblicher früherer Zusagen zu bewerten.
39Jedenfalls stehe nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme - bei der man die von der Klägerin für das Bestehen einer Vertraulichkeitsabrede in zweiter Instanz benannten Zeugen B. und O. hätte vernehmen müssen - u.a. mit den in Bezug zu nehmenden Ausführungen der Klägerin auf S. 1 ff. des Schriftsatzes vom 02.02.2023 (Bl. 4363 ff. d.A.) endgültig fest, dass es die eingangs beschriebene direkte mündliche Verschwiegenheitsabrede des Erblassers mit dem Beklagten zu 1) im Vorfeld der Vertragsverhandlungen mit dem Verlag gegeben habe. Diese habe der Zeuge I. A. als ihm vom Erblasser mitgeteiltes „handshake-agreement“ beschrieben. Damit in Einklang stehend habe der Erblasser der Klägerin gegenüber mehrfach die Sache als mit dem Beklagten zu 1) vor Einstieg in die Verhandlungen mit dem Verlag geklärt bezeichnet. Diese Ausgangslage sei nach der klaren Erinnerung des Zeugen Dr. H. später nur nochmals Thema bei dem sog. Dreiergespräch am 09.06.1999 bzw. der Vertragsunterzeichnung gewesen. Wegen der bereits im Vorfeld erfolgten Klärung habe es keiner (erneuten) Zustimmung des Beklagten zu 1) mehr bedurft. Dessen Zusage dürfe keinesfalls nur als eine rein moralische Verpflichtung missdeutet werden. Ein etwaiger Irrtum des Beklagten zu 1) über die Rechtsfolgen der eingegangenen Verpflichtung oder ein etwaiger geheimer Vorbehalt seien unbeachtlich. Dass der Zeuge Dr. H. – entsprechend dem normalen Verhältnis von Verlag und Autor – Erblasser und Klägerin mit Unterlagen unterstützt habe, sei mit den Ausführungen u.a. auf S. 6 ff. des Schriftsatzes der Klägerin vom 09.05.2023 (Bl. 4578 ff. d.A.) unverdächtig.
40Jedenfalls sei eine Geheimhaltungspflicht des Beklagten zu 1) den erkennbaren Umständen nach „klarer Konsens“ aller Beteiligten und ursächlich für die Verpflichtung des Beklagten zu 1) gewesen. Der Zeuge Dr. H. habe - wie bereits in erster Instanz - seine Einschätzung dazu bekundet und u.a. eine ausdrückliche und unwidersprochen gebliebene Erklärung des strikt über alles die Kontrolle behaltenden Erblassers betreffend die Vertraulichkeit der Inhalte der Memoirenarbeiten bestätigt. Dies habe dem Gesamtverständnis des Zeugen entsprochen, welcher das spätere Verhalten des Beklagten zu 1) im Einklang mit zahlreichen Pressestimmen (Anlage K 53, Bl. 3329 ff. d.A.) als empörend empfunden habe. Auch in erster Instanz habe der Zeuge – der von den Beklagten grundlos verächtlich gemacht werde, wie die Mitteilung der Staatsanwaltschaft v. 25.05.2020 (Anlage K 42, Bl. 2060 d.A.) zeige – überzeugend bekundet, dass absolute Vertraulichkeit in allen Dingen allgegenwärtiger Kontext und selbstverständlicher Subtext in allen Gesprächen gewesen sei.
41Der Zeuge Dr. R. habe bei seiner Vernehmung durch den Senat nicht nur ein „gentlemen´s agreement“, sondern auch eine ausgesprochen vertrauensvolle Atmosphäre, eine eindeutige „Chef“-Position des Erblassers und greifbare Unterschiede zu einer journalistischen Tätigkeit betont. Der Beklagte zu 1) selbst habe erklärt, nach Abschluss der Memoirenarbeiten kein Buch über den Erblasser mehr schreiben zu wollen. Auch die vom Zeugen angenommene gewisse eigene Bindung für ein angedachtes Buchprojekt jedenfalls hinsichtlich Verbalinjurien und bestimmter nicht für die Öffentlichkeit bestimmter Umstände aus den Gesprächssituationen runde das Bild ab. Der Zeuge habe betont, dass der Erblasser deshalb keinen Wert auf eine schriftliche Niederlegung für ihn wichtiger Punkte gelegt habe, weil bei ihm immer das – hier gegebene – persönliche Vertrauensverhältnis im Vordergrund gestanden habe. Der Zeuge habe – was versehentlich nicht protokolliert worden sei – zudem von einem „geschützten Raum“ gesprochen, wie aus den Notizen der Klägerin und deren Prozessbevollmächtigten in Anlagen K 79/K 80 (Bl. 4593 f. d.A.) ersichtlich. Im Übrigen habe schon das Landgericht zutreffend erkannt, dass auch die erstinstanzlichen Bekundungen des Zeugen die Behauptungen des Beklagten zu 1) widerlegt hätten.
42Ähnlich hätten auch der Zeuge I. A. und die Klägerin bei ihrer Anhörung das besondere Vertrauensverhältnis des Erblassers zu dem - anfangs alle Interna noch pflichtgemäß für sich behaltenden - Beklagten zu 1) beschrieben. Auch der Beklagte zu 1) habe bei seiner Anhörung einen „Vertrauensbruch“ durch die Publikation thematisiert und nur wenig überzeugend ein späteres „Nicht-Mehr-Daran-Gebunden-Fühlen“ angedeutet. Er habe eine eigene Kenntnis der Branchenüblichkeit von Vertraulichkeitsvereinbarungen in Ghostwriter-Verträgen eingestanden bzw. die Tatsache, dass bestimmte Dinge ohnehin Vertraulichkeit erfordern würden, was ein klares Indiz für den Abschluss einer umfassenden, zumindest konkludenten Vereinbarung darstelle. Soweit der Beklagte zu 1) in Abrede gestellt habe, der Erblasser habe „Das-bleibt-unter-uns“-Formulierungen gewählt, sei dies nach den Bekundungen des Zeugen Dr. H. schon mit Blick auf die Vertragsverhandlungen unzutreffend und ergebe sich im Übrigen sogar aus den vorliegenden Tonbändern und dem sonstigen Prozessvortrag der Parteien. Auch der Verweis des Beklagten zu 1) auf seine „automatically“ einer Vertraulichkeit unterliegende Schwester zeige, dass es selbst aus Beklagtensicht ungeschriebene Pflichtenbindungen gegeben haben müsse. Der Beklagte zu 1) habe sich bei seiner Anhörung nur in neue Widersprüche verstrickt: So stehe der angeblich feste Entschluss des Erblassers zur Mitwirkung an einer zunächst angedachten Aktualisierung der Biografie des Beklagten zu 1) ohne dessen früheren Co-Autor bereits bei dem ersten unverbindlichen Treffen am 25.01.1999, bei dem der Beklagte zu 1) den Erblasser am Ende sogar proaktiv auf ein Erstellen eigener Memoiren angesprochen haben möchte, in eindeutigem Widerspruch zu dem Schreiben des Beklagten zu 1) vom 14.10.1998 mit handschriftlichen Notizen des Büroleiters des Erblassers in Anlage K 22, AO II und dem deutlich gerade um Unterstützung werbenden Schreiben des Beklagten zu 1) vom 29.01.1999 (Anlage K 23, AO II) sowie mit dem Vorbringen im Prozess wie im Detail auf S. 7 ff. des Schriftsatzes der Klägerin vom 02.02.2023 (Bl. 4370 ff. d.A.) nebst Anlagen K 67 f. (Bl. 4417 f. d.A.) ausgeführt. Soweit der Beklagte zu 1) den Entschluss des Erblassers zum Schreiben eigener Memoiren bei seiner Anhörung auf ca. März/April 1999 datiert, das Einholen seiner Nebentätigkeitsgenehmigung beim G. für eine Tätigkeit bei einer Quellenprüfung als Historiker etc. sowie eine Bitte des Erblassers als eine bloße „Empfehlung“ eines Verlages umschrieben habe (Protokoll, S. 3 = Bl. 4186 d.A.), habe er schriftsätzlich von Januar/Februar 1999 gesprochen und weitergehend davon, dass der Erblasser sogar um Auswahl und Vermittlung des Verlages gebeten habe. Tatsächlich sei der Erblasser – wie sich aus den kommentierten Anmerkungen der Klägerin in Anlagen K 67 ff. (Bl. 4417 ff. d.A.) zu den Briefen des Beklagten zu 1) vom 14.10.1998 (Anlage K 22, AO II) und 29.01.1999 (Anlage K 23, AO II) und dem Brief des Zeugen Dr. H. vom 26.05.1999 (Anlage K 9, Bl. 419 AO I = Anlage K 21, AO II) inklusive der darauf enthaltenen Notizen sowie den Notizen des Lektors aus dem Jahr 1999 nebst Kommentaren der Klägerin in Anlage K 70 (Bl. 4420 ff. d.A.) ergebe – nach den Treffen mit dem Beklagten zu 1) vom 25.01.1999 und 24.02.1999 stets ergebnisoffen geblieben. Er sei am 20.05.1999 allein an den Zeugen Dr. H. herangetreten, während der Beklagte zu 1) dem Verlag gegenüber jedenfalls bis Anfang März noch eindeutig sein Projekt einer Biografie über den Erblasser verfolgt habe. Erst ab dem 22.03.1999 seien auf Initiative des Erblassers dessen eigene Memoiren (unter interner Mitwirkung des Beklagten zu 1)) in einer Art 180-Grad-Wende als zunehmend klare Option hinzugetreten, was der Erblasser zunächst mit dem Zeugen Dr. H. besprochen habe, bis man schließlich den Beklagten zu 1) dazu gebeten habe. Entgegen dem schriftsätzlichen Vorbringen habe der Beklagte zu 1) auch allein den Lektor RJ., nicht aber den damals erst neu in den Verlag gewechselten Zeugen Dr. H. gekannt, wie er bei seiner Anhörung habe einräumen müssen. Da sich mit der Entscheidung des Erblassers zum Schreiben eigener Memoiren das vom Beklagten zu 1) präferierte Biografie-Projekt zerschlagen habe, sei er mit dem Wechsel in die Rolle nur des dienenden Mitarbeiters als für ihn nur zweitbeste Option damals nur notgedrungen einverstanden gewesen. Er habe – möglicherweise schon mit dem Hintergedanken, den Erblasser abzuschöpfen und nach den Memoiren doch noch ein eigenes Projekt zu verwirklichen – bereitwillig alle Bedingungen akzeptiert, um im Spiel zu bleiben, zumal ihm die Mitarbeit eine Nähe zum Erblasser versprochen habe, die ihm ansonsten versperrt geblieben wäre. Dass der Erblasser den Beklagten zu 1) zunächst noch gar nicht als „Ghostwriter“ eingeplant habe, zeige sich u.a. daran, dass ihm dafür nach den Notizen des Lektors in Anlage K 70 (Bl. 4420 ff. d.A.) zunächst ein ehemaliger Mitarbeiter vorgeschwebt habe. Mit dem auf S. 10 ff. des Schriftsatzes der Klägerin vom 02.02.2023 (Bl. 4373 ff. d.A.) Gesagten seien u.a. auch die Bekundungen des Beklagten zu 1) zu einer angeblich über den stellvertretenden Intendanten (Herrn Dr. Y.) erteilten Nebentätigkeitsgenehmigung für eine zunächst nur angedachte wissenschaftliche Begleitung des Projekts ohne Namensnennung und ohne spätere Anpassung der Genehmigung auf eine „Ghostwritertätigkeit“ nach Absprache mit diesem wiederum unvereinbar mit der klaren Einlassung des damaligen Intendanten UO. GD. bei der Buchvorstellung am 07.10.2014, welcher eine Nebentätigkeitsgenehmigung offenbar von Anfang für eine „Ghostwritertätigkeit“ erteilt haben wollte (Anlage K 8, Bl. 402 ff. AO I). Falsch sei auch, dass das sog. Dreiergespräch mit dem Zeugen Dr. H. am 09.06.1999 auf Initiative des Beklagten zu 1) als „Kennenlerngespräch“ erfolgt sei, weil er - der Beklagte zu 1) - den Zeugen Dr. H. tatsächlich bereits am 30.03.1999 im Zuge der Autorengespräche getroffen habe und dieser bei seinem ersten Treffen mit dem Erblasser am 20.05.1999 – wie dem Brief vom 26.05.1999 (Anlage K 9, AO I) zu entnehmen – mit diesem sogleich selbst ein Folgetreffen ausgemacht habe; der Beklagte zu 1) überhöhe auch hier nur seine Bedeutung.
43Soweit der Beklagte zu 1) bei seiner Anhörung auf ein angebliches „Duzen“ durch den Erblasser schon ab dem sog. Dreiergespräch verwiesen und einen Brief mit einem unspezifischen Datum „1999“ nebst Unterlagen (Bl. 4205 ff. d.A.) überreicht habe, um das angebliche Arbeiten „auf Augenhöhe“ und eine frühe Bitte des Erblassers an ihn zu einem inhaltlichen „Aufriss“ zur Konzeptionierung der Memoiren zu belegen, zeige sich in den Tonbandaufnahmen und aus der weiteren Korrespondenz (wie im Brief vom 10.08.2008, Anlage K 71, Bl. 4429 d.A. über die Konzeptionierung des vierten Bandes und etwaiger Folgebände), dass der Erblasser tatsächlich an einer klaren Chef-Mitarbeiter-Distanz festgehalten habe. Ein gelegentliches einseitiges „Duzen“ habe im Übrigen in Subordinationsverhältnissen ohne förmlichen Rahmen der Lebensart des Erblassers entsprochen, ohne damit eine persönliche Vertrautheit und/oder Zusammenarbeit „auf Augenhöhe“ zum Ausdruck zu bringen. Die vom Beklagten zu 1) bei seiner Anhörung in Täuschungsabsicht überreichten Unterlagen seien tatsächlich erst nach den Tonbandaufnahmen vom 22.10.1999 - gemäß der Mitschrift Anlage K 18 (AO II) und den Audiodateien in Anlagen K 18a/18b - und erst auf Basis der dortigen Anweisungen des Erblassers wie in der Auflistung auf S. 18 ff. des Schriftsatzes der Klägerin vom 02.02.2023 (Bl. 4381 ff. d.A.) erstellt und vom Beklagten zu 1) übersandt worden. Das ergebe sich aus der notariell beglaubigten Kopie des Schreibens des Beklagten zu 1) vom 01.11.1999 mit dem vollständigen 36-seitigen Aufriss in Anlage K 72, Bl. 4433 ff. d.A., der die erst auf Vorgänge ab 2000 bezogenen Teilstücke (anders als die im Termin überreichte Fassung) nicht enthalte. Es habe also auch kein bereits im Vorfeld allein vom Beklagten zu 1) entwickeltes Stichwortkonzept gegeben, sondern der Beklagte zu 1) sei dem Erblasser nach dessen Vorgaben zur Hand gegangen. Der Erblasser habe zudem - anders als dargestellt - bei den Aufnahmen vom 22.10.1999 ca. drei Wochen nach Beginn der Arbeiten offene Fragen bemängelt und auf einen Fahrplan und eine vertiefte Aktenrecherche gedrängt, während im Gegenzug der Beklagte zu 1) im Hinblick auf die damit verbundenen Mühen zurückhaltend reagiert habe. Die bei seiner Anhörung vom Beklagten zu 1) überreichten Unterlagen würden auffälligerweise genau an derjenige Stelle Schattierungen aufweisen, wo der Beklagte zu 1) in seinen anderen Briefen sonst das - dort obendrein immer vollständige - Datum („1999“) eingesetzt habe. Das zu den Akten gereichte Konvolut sei ersichtlich nicht im Zusammenhang mit dem sog. Dreiergespräch am 09.06.1999 erstellt worden, weil auf S. 36 (Bl. 4236 d.A.) die Stichpunkte „CDU-Finanzskandal, Untersuchungsausschuss, Bruch mit Schäuble, CDU-Doppelspitze, Oppositionsstrategie“ genannt seien. Die sog. Spendenaffäre sei jedoch unstreitig erst ab dem 04.11.1999 (Haftbefehl gegen I. QC. OY.) bzw. die weiteren Punkte seien sogar erst im weiteren zeitlichen Verlauf bis in den April 2000 virulent geworden.
44Ebenso unwahr sei das Vorbringen des Beklagten zu 1), er habe von I. A.‘s Bemühungen um die Vertragsverhandlungen nichts gewusst, keinen Kontakt mit diesem gehabt und/oder er habe entgegen der Bekundungen des Zeugen Dr. H. mit diesem niemals über Geld gesprochen bzw. zur eigenen „Überraschung“ (Protokoll, S. 6) erstmals im Verlagsvertrag ein Honorar vorgefunden. Das sei mit Blick auf die nach den Behauptungen der Klägerin erhaltenen Honorare des Beklagten zu 1) in Höhe von 558.222,38 EUR zzgl. Spesen gemäß der Verlagsauflistung in Anlage K 73, Bl. 4470 d.A. und den eine gierige Grundhaltung des Beklagten zu 1) dokumentierenden Brief des Zeugen Dr. H. vom 14.01.2006 (Anlage K 74, Bl. 4471 d.A.) nicht nachvollziehbar.
45Der Beklagte zu 1) habe zudem - erneut widersprüchlich zu seinem Prozessvorbringen - zu Unrecht betont, der Erblasser habe sich nicht um die vertrauliche Behandlung der Tonbänder bzw. Transkripte gekümmert bzw. allein die erste Ehefrau des Erblassers habe überhaupt nach den Bändern gefragt. Die Transkripte seien – wie nach den Bekundungen des Zeugen Dr. R. endgültig klar sei – nicht authentisch und allenfalls grobe Arbeitspapiere, wobei zur Ungeeignetheit derartiger Verschriftlichungen im Übrigen auf den Fachbeitrag in Anlage K 75 (Bl. 4473 ff. d.A.) Bezug genommen werde. Bei seinen Schilderungen zum „Tagebuch“ habe der Beklagte zu 1) bei der Anhörung seine im Widerspruch zu den Tonbandaufzeichnungen stehende falsche Schilderung zum Entstehen des Buches wiederholt und zu Unrecht auf nicht vorhandene „Tagebucheintragungen“ rekurriert, während tatsächlich Kalendernotizen für das „Tagebuch“ ausgewertet worden seien. Neben den im Vergleich zur Verkaufswerbung des streitgegenständlichen Buches erstaunlichen Angaben des Beklagten zu 1), wonach tatsächlich der Beklagte zu 2) das streitgegenständliche Buch im Wesentlichen geschrieben habe, habe der Beklagte zu 1) ansonsten bei seiner Anhörung u.a. nur das vom Senat schon im Vorverfahren als widersprüchlich erkannte angebliche Versprechen am Grab der ersten Ehefrau des Erblassers wiederholt. Nach der Anhörung des Beklagten zu 1) sei zudem klar, dass dieser im Interview in der XK. vom 06.07.2017 (Anlage B (3) 8, Bl. 57 ff. AH) von einem „Vertrauensbruch“ gesprochen habe, woran sich nichts ändere, wenn er nunmehr angebe, er hätte bei einem Gegenlesen des Interviews diese Formulierung gestrichen. Eine spontane Schutzbehauptung sei – auch mit Blick auf die Buchinhalte – zudem, dass man unter der Gürtellinie liegende Zoten und Beleidigungen nicht publiziert habe. Insgesamt habe der Beklagte zu 1) sich auch bei seiner Anhörung einmal mehr die Wahrheit passend gemacht, wie sie zu seinem falschen Narrativ einer angeblichen vertrauensvollen Zusammenarbeit mit ihm als „quasi Teil der Familie Kohl“ bzw. als „Vertrauten im Sinne eines Lordsiegelbewahrers von Helmut Kohls Leben und Lebenswerk“ am besten gepasst habe wie im Einzelnen auf S. 40 ff. des Schriftsatzes vom 02.02.2023 (Bl. 4403 ff. d.A.) ausgeführt. Letztlich habe der Beklagte zu 1) erkennen lassen, dass das „Verfassen des hier verfahrensgegenständlichen Machwerks (nur) ein Rache-Akt (gewesen sei), der aus der (verfehlten) Sicht des Beklagten zu 1) durch das (berechtigte) Herausgabeverlangen der Original-Tonbänder gerechtfertigt … sei“, was die „feindselige Motivlage“ des Beklagten zu 1) ebenso zeige wie die Unwahrheit seines prozesstaktischen Vorbringens. Deswegen habe richtigerweise kein Anlass für eine Parteivernehmung nach § 448 ZPO und/oder Anhörung bestanden.
46Tatsächlich habe der Erblasser nach allen Zeugenbekundungen auf seine Autorität und die Üblichkeit der Gesamtkonstellation vertraut. Er habe Vertrauensverhältnisse und „handshake-agreements“ sowohl im politischen wie im privaten Umgang typischerweise nicht mit schriftlichen Vertraulichkeitsvereinbarungen „und dem damit nach alter Sitte verbundenen schriftlich dokumentierten Misstrauen „belastet“…“ (S. 43 des Schriftsatzes der Klägerin vom 02.02.2023, Bl. 4406 d.A.), obwohl der „Preis für die Nähe … die Vertraulichkeitsverpflichtung (gewesen sei), dies … umso mehr, je prominenter und „kommerzialisierbarer“ der Betroffene“ sei (S. 44 = Bl. 4407 d.A.). Folgerichtig habe der Zeuge I. A. bekundet, dass der Erblasser die per Handschlag geschlossene Vertraulichkeitsvereinbarung nur nicht zusätzlich habe verschriftlichen wollen. Der Senat könne die entsprechende Würdigung des Landgerichts zu den Bekundungen des Zeugen K. A. ohne dessen erneute – nicht mehr mögliche – Vernehmung nicht anders vornehmen und dürfe keine nachteiligen Schlüsse aus der Zeugnisverweigerung ziehen. Aus den erstinstanzlichen Bekundungen des Zeugen K. A. folge auch, dass der Erblasser allenfalls bewusst das faktische Risiko eingegangen sei, dass der Beklagte zu 1) entgegen seiner mündlich vereinbarten Verpflichtung als der beschriebene „böswillige Ghostwriter“ Inhalte der Memoirenarbeit zur Veröffentlichung bringen werde. Auch der Zeuge K. A. habe die „Memoirengespräche“ in der damals schwierigen persönlichen Situation des Erblassers als eine Art „Therapiesitzung” beschrieben, bei der dem Erblasser „nicht egal“ gewesen sei, was vor oder nach seinem Tod mit den Materialien passiere, zumal es ihm als Historiker immer auf den richtigen Gesamtzusammenhang angekommen sei. Aus den Bekundungen folge allein, dass dem Erblasser nicht an einer ausdrücklichen schriftlichen Fixierung der (gleichwohl als ausdrücklichen Vereinbarung maßgeblichen) Vertraulichkeitsverpflichtung gelegen gewesen sei, weil man einem etwaigen Vertrauensbruch auch dadurch ohnehin nicht wirksam habe begegnen können („das Papier nicht wert”).
47Der Beklagte zu 1) sei insgesamt nicht glaubwürdig: Soweit er in den Vorverfahren u.a. zur Herleitung einer angeblichen Verjährung des Herausgabeanspruchs im Schriftsatz vom 28.02.2018 auf angebliche, von der ersten Frau des Erblassers wegen deren Sorge um den physischen Verfall der Bänder angestoßene Gespräche verwiesen habe, die schon im Jahr 2003 zur Herstellung von Sicherungskopien über den Ehemann seiner Schwester geführt habe, habe man das in der Auskunft vom 29.06.2018 urplötzlich revidiert, die erstmalige Erstellung von Kopien auf das Jahr 2013 umdatiert und alles auf angebliche Missverständnisse des Prozessbevollmächtigten geschoben (S. 52 ff. des Schriftsatzes vom 10.03.2022 = Bl. 3276 ff. d.A.). Der Bundesgerichtshof habe im Urteil vom 03.09.2020 – III ZR 136/18, BeckRS 2020, 23375 zu Recht bereits vorsätzliche Falschauskünfte des Beklagten zu 1) festgestellt. Ohnehin zeige dessen Vorbringen aus dem Vorverfahren (Schriftsatz vom 11.07.2016, S. 53 im Verfahren LG Köln - 14 O 261/16), wonach man sich noch gemeinsam Gedanken über vertrauenswürdige Personen zum Erstellen der Transkripte und zu den Details der Verbringung der Bänder gemacht haben will, dass es keine eigenständigen Verfügungsrechte des Beklagten zu 1) gegeben habe, weil sonst keine Abstimmung mit dem Erblasser notwendig gewesen wäre.
48Auch die letzte Beweisfrage zur freien Verwertbarkeit der Materialien nach dem Tod des Erblassers sei bei der Beweisaufnahme verneint worden. Zur protokollierten Anhörung der Klägerin seien ergänzende Anmerkungen geboten wie auf S. 52 f. des Schriftsatzes vom 02.02.2023 (Bl. 4415 f. d.A.) ausgeführt. Es habe sich bewahrheitet, dass es - die Erinnerungen der Klägerin seien in dem Punkt nur zu vage gewesen – tatsächlich keine E-Mail zu einer Rücksprache mit Herrn RA Dr. XY.-CG. zu den Interviewäußerungen bzw. den erstinstanzlichen Bekundungen des Zeugen K. A. gegeben habe.
49Ohnehin bleibe es mit S. 2 ff. des Schriftsatzes der Klägerin vom 09.05.2023 (Bl. 4574 ff. d.A.) bei der Annahme vertraglicher Schutzpflichten i.S.d. § 241 Abs. 2 BGB aus einem unter dem Dach der Verlagsverträge geschlossenen auftragsähnlichen Rechtsverhältnis sui generis mit Blick auf die von allen Zeugen beschriebene und auch vom Beklagten zu 1) bei seiner Anhörung eingeräumte besondere Vertrauensstellung.
50Mit Blick auf die Stufenklage ist die Klägerin der Ansicht, ihr stehe mit dem Landgericht der verfolgte Auskunfts- bzw. auf der letzten Stufe ein Zahlungsanspruch zu. Sofern der Bundesgerichtshof im Urteil vom 26.02.2013 (XI ZR 345/10, BKR 2013, 283) die Grundsätze der sog. dreifachen Schadensberechnung nicht auf vertragliche Schadensersatzansprüche übertragen habe, sei dies in Ansehung besonders verletzlicher Rechtspositionen wie im vorliegenden Fall nicht zu verallgemeinern. Der Auskunftsanspruch werde nicht nur mit dem Ziel einer Gewinnabschöpfung verfolgt, sondern ausweislich S. 81 des Schriftsatzes der Klägerin vom 10.03.2022 (Bl. 3305 d.A.) zur Ausübung des Wahlrechts bei der Schadensberechnung, dies auch mit Blick auf eine fiktive Lizenzgebühr, so dass für den Auskunftsanspruch auch auf bereicherungsrechtliche Anspruchsgrundlagen abgestellt werden könne. Für Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG bzw. §§ 687 Abs. 2, 667 BGB könne eine Kommerzialisierung der vermögensrechtlichen Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Erblassers zu Lebzeiten nicht in Frage gestellt werden, da Teil der Vermarktung des Buches die (behauptete) Authentizität der Wiedergabe der Inhalte der „Memoirengespräche“ gewesen sei, welche Bestandteil des Persönlichkeitsrechts des Erblassers als von ihm selbst gezeichnete Lebensgeschichte seien, der schon wegen der Zeitzeugenqualität (auch) ein wirtschaftlicher Wert zukomme; jedenfalls gelte dies für die in den Tonbandaufnahmen liegende Verdinglichung. Sofern man für eine Gewinnabschöpfung einen vorsätzlichen Eingriff in vermögenswerte Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und/oder einen Fremdgeschäftsführungswillen i.S.d. § 687 Abs. 2 BGB fordere, sei dem Buch das Bewusstsein des Beklagten zu 1) um die fehlende Berechtigung zu entnehmen. Es gehe u.a. um einen „Diebstahl des geistigen Eigentums“ des Erblassers (S. 19 der Berufungsbegründung der Klägerin, Bl. 1331 d.A.). Eine „Abgrenzung“ von Arbeitsbestandteilen der Autoren sei bei der Gewinnabschöpfung nicht veranlasst, weil deren Arbeit neben der Verwertung des Memoirenmaterials nicht ins Gewicht falle. Soweit die Beklagten dabei das Lebensbild des Erblassers grob verfälscht hätten, handele es sich nicht um eine journalistische Leistung, die bei der Bemessung zu ihren Gunsten zu berücksichtigen wäre. Wie bereits erstinstanzlich vorgetragen und aus den Berechnungen auf S. 13 – 15 der Berufungsbegründung der Klägerin (Bl. 1325 ff. d.A.) nebst Anlage K 34 (Bl. 1649 ff. d.A.) verifizierbar, bestehe das Buch zu über 80% aus tatsächlichen oder angeblichen Zitaten des Erblassers in direkter oder indirekter Rede (ca. 26% in wörtlicher Rede, ca. 31% in indirekter Weitergabe) sowie vermeintlich zutreffender Darlegungen der Begleitumstände der Memoiren-Arbeit wie Mimik, Gestik etc. (ca. 1,7%) oder der sonstigen Umstände (ca. 15%) bzw. aus Wertungen des Beklagten zu 1) mit Informationen nur aus den Memoirenarbeiten (ca.10%), so dass das Machwerk fast ausschließlich auf vertraulichen Informationen aus der Zusammenarbeit basiere.
51Der in zweiter Instanz vom Beklagten zu 1) gestellte Zwischenfeststellungsantrag sei unzulässig, weil die damit zu klärenden Rechtsfragen durch die Entscheidung in der Hauptsache zum Unterlassungsbegehren erschöpfend behandelt würden. Im Übrigen sei der Antrag unbegründet, zumal die Darlegungs- und Beweislast – anders als bei negativen Feststellungsklagen – auch hier richtigerweise den Beklagten zu 1) als Widerkläger treffe, wobei im Übrigen auf S. 1 f. des Schriftsatzes der Klägerin vom 03.04.2023 (Bl. 4518 f. d.A.) und S. 4 f. des Schriftsatzes der Klägerin vom 09.05.2023 (Bl. 4576 f. d.A.) verwiesen wird.
52Zu ihrer Berufung gegen die Beklagte zu 3) ist die Klägerin der Ansicht, dass der Bundesgerichtshof im Vorverfahren den Schutz des postmortalen Persönlichkeitsrechts des Erblassers u.a. mit Blick auf die Verletzung von dessen Vertraulichkeitssphäre und den gebotenen Schutz der in den Tonbandaufnahmen verdinglichten Persönlichkeit des Erblassers zu eng gezogen habe. Zudem werde der Schutzzweck einer vertraglichen Verschwiegenheitspflicht konterkariert, wenn man nicht in das Schuldverhältnis einbezogenen Dritten die Veröffentlichung erlaube. Geheimhaltungsvereinbarungen würden de facto ihren Rechtsschutz gegenüber medialer und sonstiger (kommerzieller) Verwertung einbüßen. Ohnehin habe sich die Rechtslage durch den Tod des Erblassers nicht geändert, weil eine zu Lebzeiten rechtswidrige Publikation nicht durch den Tod des Betroffenen rechtmäßig werde, dies schon unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten. Doch auch mit Blick auf den Maßstab des postmortalen Persönlichkeitsrechts habe sich das angefochtene Urteil auf eine zu „(kleinteilige) Kategorisierung der streitigen Buch-Passagen“ beschränkt (S. 12 f. der Berufungsbegründung der Klägerin, Bl. 1324 f. d.A.). Im Kern gehe es bei dem gegen die Beklagten zu 1) und 3) gleichlaufend gerichteten Begehren um einen „einheitlichen Antrag“, der im hiesigen Verfahren zahlreiche Buchpassagen umfasse, weil der Verstoß gegen das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers sich aus der Gesamtheit der im Klageantrag aufgeführten Passagen ergebe, ohne dass “insoweit auf jede einzelne Passage eingegangen werden” müsse mit Einzeldarlegungen zum Verbotsgrund (S. 48 f. der Berufungsbegründung der Klägerin, Bl. 1358 f. d.A.).
53Denn das streitgegenständliche Buch erhebe u.a. mit S. 73 ff. des Schriftsatzes der Klägerin vom 10.03.2022 (Bl. 3297 ff. d.A.) zu Unrecht den Anspruch, den „wahren“ Erblasser zu präsentieren und dies mit dem Verkaufsargument, den Erblasser aus seiner Memoirenarbeit (angeblich) interpretieren und mit (vermeintlich) echten Zitaten Schlussfolgerungen über seinen Charakter und seine Grundhaltung treffen zu können. Auf diesem Weg sei ein „Zerrbild … (des) langjährigen Bundeskanzlers, dem die Menschen vertraut haben und vertrauen durften“ (S. 78 des Schriftsatzes der Klägerin vom 10.03.2022, Bl. 3302 d.A.) geschaffen worden. Man habe die Erinnerungen des Erblassers nur „nach Kraftausdrücken in Nebenbemerkungen und nüchterner Stimmungslage gezielt durchsucht und als Generalabrechnung mit allem und jedem „ausgewertet“.“ Die Beklagten zu 1) und 3) hätten so zu Unrecht die „mündlich überlieferten Lebenserinnerungen als rachsüchtig-zornige Abrechnung in derber Sprache im demgemäßen Stimmungsbild“ gebrandmarkt und umgedichtet, um mit dieser Verfälschung zugleich das unwahre Narrativ zu verbreiten, man könne „im Gegensatz zum öffentlich bekannten und für die eigenen Memoiren vom Beklagten zu 1) staatsmännisch geglätteten“ Erblasser - so die Umschlagsseite des Buches - erstmals ein „authentisches Portrait“ (Klappentext des Buches) von ihm zeichnen. Man habe die Tonbänder nicht seriös ausgewertet, sondern „zielgerichtet und einseitig solche Worte, Satzfetzen und Nebenbemerkungen zusammengeklaubt, die sich zu möglichst drastischen Zitaten über Dritte … konstruieren ließen“ (S. 18 der Berufungsbegründung der Klägerin, Bl. 1330 d.A.) und zu Unrecht „diese angeblichen Zitate … als repräsentativ und charakteristisch für den sich im geschützten … Raum angeblich offenbarenden“ Erblasser dargestellt (S. 17 der Berufungsbegründung der Klägerin, Bl. 1330 d.A.). Autoren und Verlag hätten offenbar abgestimmt, wie man den Erblasser negativ „porträtieren“ möchte. So habe man „angebliche Charakterisierungen oder Beleidigungen, Beschimpfungen und Bloßstellungen… über Dritte … aus Wortfetzen, Randbemerkungen und einzelnen Worten sozusagen eingesammelt“ und aus sachlichen Aussagen des Erblassers unter durchgehender Verfälschung von dessen Stimmungsbild aus der tatsächlich sachbezogenen Memoirenarbeit „durchweg einen persönlichen Affront gegen Dritte konstruiert“ (S. 33 der Berufungsbegründung der Klägerin, Bl. 1343b d.A.). Tatsächlich habe man aus den viele Stunden umfassenden und einen nüchtern-sachlich an seinen Memoiren arbeitenden Erblasser zeigenden Tonbandaufnahmen Satz- und Wortfetzen „in Form einer Negativselektion herausgefiltert“, die sich „durch wenige, oft unmerkliche kleine Eingriffe in Wortlaut, Sinn und Kontext bei gleichzeitiger Umkehrung des Stimmungsbildes mit großer Wirkung in drastische und derbe, rachsüchtige und beleidigende Aussagen umwandeln ließen.“ So habe man in Kombination mit den zudem falsch dargestellten Gesamtumständen der Memoirenarbeit das Lebensbild des Erblassers „unter dem Deckmantel einer vermeintlich seriösen, historisch gebotenen Auswertung seiner eigenen Tonbandaufzeichnungen“ verunglimpft (S. 34 der Berufungsbegründung der Klägerin, Bl. 1344 d.A.). Entgegen dem falschen Narrativ des Buches sei der Erblasser tatsächlich schon auf den der Klägerin verfügbaren und abhörbaren Tonbändern kein anderer, sondern derselbe, wie man ihn aus Auftritten und aus den Erzählungen in seinen Memoiren kenne, nur eben – natürlich – offener als im öffentlichen Auftritt, aber ebenso ernsthaft, zugleich humorvoll und sachbezogen. Der Erblasser sei „nicht verschlagen oder dubios oder sonstwie geheimnisvoll“ aufgetreten, habe nicht – wie im Buch behauptet – „Memoiren der Rache“ schreiben wollen und sei kein Mann der Rache oder des Zorns (S. 79 des Schriftsatzes der Klägerin vom 10.03.2022, Bl. 3303 d.A.). Der Erblasser sei nicht - wie fälschlich dargestellt - von persönlichen Befindlichkeiten zornig und larmoyant getrieben gewesen, sondern habe bei den Memoirenarbeiten seine persönliche Sicht ernsthaft und humorvoll dargelegt, über sachliche Fragen seiner Politik und seines Lebens und in Verbindung dazu natürlich auch über Personen gesprochen, die sein politisches Leben ausmachten. Schon die bewusst nur kurz gewählten Audio-Sequenzen zu den im Vorverfahren streitigen 116 Passagen würden indes – so die Klägerin – ebenso wie die (mangelhaften) Transkripte des Beklagten zu 1) (S. 78 f. des Schriftsatzes vom 10.03.2022, Bl. 3302 f. d.A.) oder der in den Vorverfahren als repräsentativ für die „Memoirengespräche“ vorgelegte und eingangs bereits angesprochene Zusammenschnitt in Anlage K 54 belegen, dass man ein „vorsätzlich gefälschtes, negatives Zerrbild (des Erblassers) mit … frei erfundener Stimmungslage“ verbreitet habe. Indem man sich mit dem Buch schon nach dem Titel „Vermächtnis“ quasi an die Stelle des Erblassers gesetzt habe und „seine Sicht der Dinge rauben und umschreiben“ wolle, leiste man „der Geschichtsfälschung Vorschub“, weil man die geschichtliche Quellenarbeit auf eine „unwahre, nicht authentische Grundlage“ zu stellen versuche und so das „Fundament (zerstöre), auf dem die Gegenwart steht und die Zukunft aufgebaut“ werde (S. 80 des Schriftsatzes der Klägerin vom 10.03.2022, Bl. 3304 d.A.). Das Buch suggeriere „Vollständigkeit, Authentizität und zu 100 Prozent Wörtlichkeit“ und zeichne „auf dieser Basis – gewollt – ein anderes als bisher öffentlich bekanntes Bild des Erblassers“, mache den Erblasser mit diesem Narrativ „zum Zeugen gegen sich selbst“ und habe so dafür gesorgt, dass der Erblasser „mit diesem Buch von Dritten in Gegenwart und Geschichte mit sich selbst“ konkurriere bzw. „seine persönliche Sicht der Dinge seiner eigenen Memoiren mit diesem Buch Dritter.“ (S. 16 der Berufungsbegründung der Klägerin, Bl. 1338 d.A.). Das Buch werde „von den Menschen – nachvollziehbar – als authentische und (nur) nicht autorisierte Autobiografie des Erblassers wahrgenommen“ mit Schaden für die Person des Erblassers und die Geschichtsschreibung. Mit dem falschen Narrativ, der Erblasser habe sich „bei seiner Memoirenarbeit im Rückblick auf sein Leben … als nicht vertrauenswürdiger, käuflicher, rachsüchtiger, bitterböser und zorniger alter Mann mit drastischer, beleidigender Wortwahl über Dritte und gegen alles und jeden offenbart und entlarvt“, habe man den Memoiren des Erblassers „die Glaubwürdigkeit genommen“ (S. 20 der Berufungsbegründung der Klägerin, Bl. 1332 d.A.). U.a. mit S. 49 f. des Schriftsatzes des Klägerin vom 02.02.2023 (Bl. 4412 f. d.A.) gehe es nicht darum, dass man den Beklagten zu 1) und zu 3) eine kritische Auseinandersetzung mit dem Erblasser verwehre. Das streitgegenständliche Buch sei jedoch „eine umfassende Fälschung, es entstell(e)und verzerr(e) das Lebensbild (des Erblassers) in grober Weise und (werde) … als ein Werk von historischer Relevanz vermarktet und vom angesprochenen Verkehr auch so wahrgenommen…. Das … in dem Buch gezeichnete (Zerr-)Bild (habe) mit dem wahren Bild (des Erblassers), wie es sich gerade auch auf den Tonband-Aufzeichnungen zeig(e), … nichts gemein: In dem Buch (werde) die unwahre Behauptung aufgestellt, (der Erblasser) habe sich nach dem Ausscheiden aus der aktiven (Welt-)Politik … im privaten Keller als ein verbal übergriffiger, drastisch zürnender, rachsüchtiger, ich-bezogener, nicht rechtstreuer Zyniker und Taktierer entlarvt.“ Dies werde auf angebliche Belege aus der Memoirenarbeit gestützt, welche dieses negative Bild tatsächlich aber nicht tragen würden. Der Erblasser werde „als Zeuge gegen sich selbst missbraucht, der mit zum Teil verfälschten, zum Teil aus dem Zusammenhang gerissenen angeblichen Aussagen, die (er) in einem „geschützten Raum“ und nur zum Zwecke der Erstellung seiner eigenen Memoiren … getätigt (habe), ein von ihm in Schädigungsabsicht gezeichnetes Negativbild bestätigen soll(e), das dem wahren Bild – auch dem auf den Aufzeichnungen – diametral zuwiderläuft. Das Buch (sei) ein bewusstes Konstrukt der Beklagten mit der politischen Zielsetzung, sich an (dem Erblasser) zu rächen, ein falsches Bild von ihm für die Geschichte zu zeichnen und mit ihm Geld zu verdienen.“ Eine derart grobe Entstellung müsse der Erblasser nicht hinnehmen. Art. 5 Abs. 1 GG rechtfertige es nicht, das Lebensbild „mittels frei erfundener oder doch ohne jeden Anhaltspunkt behaupteter, die Gesinnung negativ kennzeichnender Verhaltensweisen zu entstellen, die nur noch das Urteil zulassen, dass es sich um einen niederträchtiger Handlungsweisen fähigen Menschen gehandelt habe“. Entstellungen derart schwerwiegender Art rechtfertigten richtigerweise die Untersagung einer Buchveröffentlichung zur Gänze (BGH v. 20.03.1968 – I ZR 44/66, NJW 1968, 1773 – Mephisto), u.a. weil man zu Unrecht das Zerrbild „eines verbitterten alten Staatsmanns auf einem Rachefeldzug gezeichnet“ habe (S. 38 der Berufungsbegründung der Klägerin, Bl. 1348 d.A.). Soweit der Senat im Vorverfahren (Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, BeckRS 2018, 10541 Rn. 214) eine möglicherweise im Gesamtbild falsche Darstellung des Stimmungsbildes des Erblassers als für dessen Lebensbild unerheblich angesehen habe, genüge dieser zu enge Standpunkt weder dem Lebensbild des Erblassers noch der Geschichtsschreibung als Anspruch (S. 44 f. der Berufungsbegründung der Klägerin, Bl. 1354 f. d.A.). Solle der beworbene angebliche Aufdeckungswert des Buches in der sich „wie ein roter Faden durch das Buch ziehenden, angeblich authentischen Wörtlichkeit und ebensolchen Stimmungslage“ des Erblassers liegen, hätte diese korrekt wiedergegeben werden müssen, wenn man den Anspruch stelle, in einer Charakterstudie „den bis dato öffentlich unbekannten, aber authentischen (Erblasser) zu präsentieren“, weil die „Wiedergabe des Gesagten und Gemeinten und der Stimmungslage im Buch auch den insoweit selbst gestellten Anspruch absoluter Genauigkeit erfüllen“ müsse (S. 46 f. der Berufungsbegründung der Klägerin, Bl. 1356 f. d.A.). Im Ergebnis stelle sich so „die Buch-Veröffentlichung als Ganzes… als unwahre Tatsachenbehauptung“ dar (S. 48 der Berufungsbegründung der Klägerin, Bl. 1358 d.A.). Im Übrigen stelle das Buch - wie schon mit Blick auf die Berufung des Beklagten zu 1) angesprochen – zumindest zu Unrecht die Autorenschaft des Erblassers an den eigenen Memoiren und damit deren Authentizität in Frage und überhöhe mit dem durchweg falschen Narrativ des Beklagten 1) dessen tatsächlich geringe Bedeutung bei den Arbeiten. Es sei u.a. unwahr, dass der Beklagte zu 1) journalistische „Tiefeninterviews“ (S. 17 des Buches) geführt habe.
54Insgesamt befinde sich die Klägerin wegen der vom Senat angenommenen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast zu ihren Lasten und wegen des bereits in erster Instanz vorgetragenen und unter Beweis gestellten schlechten Zustandes der bei ihr vorhandenen Originaltonbänder in Beweisnot. Dies gelte erst recht, wenn man wegen der widersprüchlichen Auskünfte des Beklagten zu einer Gesprächsdauer von über 600 Stunden davon ausgehen müsse, dass die der Klägerin in der Zwangsvollstreckung übergebenen 200 Bändern von je 90 Minuten Laufzeit einen Ausschnitt der „Memoirengespräche“ dargestellt haben. Mit S. 47 ff. des Schriftsatzes der Klägerin vom 02.02.2023 (Bl. 4410 ff. d.A.) befinde die Klägerin sich - auch mit Blick auf die vom Senat im abgetrennten Verfahren zu Az.: 15 U 135/22 betonten „Kapazitätsgrenzen“ bei etwaigem Vorbringen - in einem „Dilemma.“ Dieses lasse sich – auch mit Blick auf Art. 103 Abs. 1 GG und den weiteren Vortrag u.a. auf S. 72 des Schriftsatzes der Klägerin v. 10.03.2022 (Bl. 3295a d.A.) – nur durch gerichtliche Vorlageanordnung zu Lasten des Beklagten zu 1) auflösen, eine der bei ihm vorhandenen Festplatten mit vollständigen Kopien der Originalaufnahmen vorzulegen. Die Klägerin scheue die Mühe nicht, diese abzuhören und zum Abgleich mit dem streitigen Buch weiteren Vortrag zu halten. Alternativ sei prozessual zwingende Folge, dass man sekundäre Darlegungslasten der Beklagten zu 1) bzw. 3) annehmen müsse. Denn die Klägerin müsse bei etwaigem weiterem Vortrag auf Grundlage des ihr verfügbaren Teils der Tonbandaufnahmen befürchten, dass man den Beklagten zu 1) in die Lage versetze, auf den bei ihm befindlichen Festplatten vorhandene Aufnahmen inhaltlich gezielt zu vernichten. Der Klägerin sei prozessual nicht vorzuwerfen, Rechtsschutzmöglichkeiten zur Herausgabe der Tonbandkopien/Transkripte verschleppt zu haben, weil sie in der anhängigen Stufenklage ihren Auskunftsanspruch auf der ersten Stufe zunächst zur Durchsetzung bringen müsse. Ungeachtet des zu dem einheitlichen Klageantrag Gesagten werde dabei das Buch – worüber dann im Einzelnen Beweis zu führen sei – „in Gänze streitig gestellt“ (S. 20 des Schriftsatzes der Klägerin vom 10.03.2022, Bl. 3244 d.A.). Alle Fakten über die vermeintlichen Umstände der Memoirenarbeit würden ebenso wie angebliche Äußerungen des Erblassers falsch wiedergegeben (S. 27 des Schriftsatzes der Klägerin vom 10.03.2022, Bl. 3251 d.A.). Dabei sei es Aufgabe der Beklagten zu 1) und zu 3), „die Richtigkeit ihrer Behauptungen, Halbwahrheiten und üblen Unterstellungen über angebliche Inhalte und Umstände der Memoirenarbeit… einschließlich der ihren demgemäßen Werturteilen zugrundeliegenden Behauptungen zu belegen“ (S. 49 der Berufungsbegründung der Klägerin, Bl. 1359 d.A.), was ihnen einfacher möglich sei als der in Beweisnot befindlichen Klägerin. Zu den vermeintlichen Zitaten des Erblassers gelte das für die 116 Passagen im Vorverfahren Dargelegte und vom Senat bzw. Bundesgerichtshof Erkannte „pars pro toto“, zumal die zunächst angegriffenen Passagen in die nunmehr streitgegenständlichen Passagen mit entsprechenden Wechselwirkungen eingebettet seien (S. 40 der Berufungsbegründung der Klägerin, Bl. 1350 d.A.). Generell müsse die Klägerin davon ausgehen, dass alle anderen direkt oder indirekt wiedergegebenen Äußerungen des Erblassers unzutreffend wiedergegeben seien, so lange sie nicht beklagtenseits durch Audionachweise belegt seien (S. 42 f. der Berufungsbegründung der Klägerin, Bl. 1352 f. d.A.). Der Maßstab für zulässige inhaltliche Abweichungen müsse ein „sehr strenger“ sein, weil der Erblasser einen „Anspruch auf Wahrheit und Wahrhaftigkeit“ habe und für die Wiedergabe von Äußerungen einschließlich der angeblichen Stimmungslage die „einzig legitime Quelle“ die Audiodateien (und nicht die ohnehin fehlerhaften und ohnehin keine Informationen über das Stimmungsbild enthaltenden Transkripte) seien. Inhalte seien „unverfälscht“ für die weitere geschichtliche Interpretation darzustellen und nicht – wie hier – mit einem durchweg falschen Stimmungsbild (S. 43 der Berufungsbegründung der Klägerin, Bl. 1353 d.A.). Nur zum eigenen Nutzen und Profit habe man im Buch den Erblasser „falsch“ dargestellt, weil man ihm durchweg Worte und Sätze in den Mund gelegt habe, die „er – ausweislich der Tonbandaufnahmen – in der unterstellten Weise allesamt so nicht gesagt und nicht gemeint hat und die er so nie veröffentlicht hätte“ (S. 19 der Berufungsbegründung der Klägerin, Bl. 1331 d.A.); man habe zudem eine “Stimmung” des Erblassers verbreitet, die es ausweislich der verfügbaren Audio-Quellen nicht gegeben habe.
55Sei es im Vorverfahren auch nur um vermeintliche Zitate des Erblassers gegangen, stehe fest, dass die Wahrheit/Unwahrheit von Tatsachenbehauptungen auch nach Auffassung des Bundesgerichtshofs zentraler Prüfungsmaßstab für die Frage einer Untersagung wegen Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts sei, so dass neben Fehlzitaten auch sonstige Falschbehauptungen zu untersagen seien. Tatsächlich erstrecke sich der Unterlassungsanspruch auf „sämtliche (!) Informationen…, sprich auf alle Inhalte und alle Umstände der Memoirenarbeit“, soweit es um unwahre Tatsachen gehe (S. 35 f./68 f. des Schriftsatzes der Klägerin vom 10.03.2022, Bl. 3259 f./3292 f. d.A.). Im Buch habe man die Umstände der Memoirenarbeit mit Halbwahrheiten und Unterstellungen auf den Kopf gestellt. Dies betreffe die Darstellung, der Beklagte zu 1) sei – wie nicht – der wahre Autor der Memoiren einschließlich des „Tagebuchs“ (Buch S. 9, 18, 31 ff., 49 f.). Falsch sei die Behauptung, die Klägerin habe die lebzeitige Fertigstellung der Memoiren verhindert (Buch, S. 50, 54, 56, 234), der Erblasser sei an seinem Lebensabend fremdbestimmt gewesen (Buch, S. 9, 51, 55, 234) und die Klägerin habe sein Umfeld eliminiert (Buch, S. 51) wie auf S. 19 f. der Berufungsbegründung der Klägerin (Bl. 1331 f. d.A.) ausgeführt. Neben einem – nach den Behauptungen der Klägerin schon auf den Bändern hörbaren – häufigen „Aneinandervorbeireden“ und einer daraus ableitbaren fehlenden Vorbereitung des Beklagten zu 1) seien auch sonst zahlreiche Umstände aus den Memoirenarbeiten in schäbiger Weise falsch wiedergegeben. Die vom Beklagten zu 1) behauptete Rolle als einem bei den Aufzeichnungen gut vorbereitetem Mitarbeiter, der mit dem Erblasser journalistische Interviews auf Augenhöhe geführt habe, ihm mit zentralen Stichworten Erinnerungen kenntnisreich entlockt, den Erblasser bei fehlender genauer Erinnerung regelmäßig korrigiert und der angeblich fast vollkommen eigenständig die Erinnerungen in Memoirenform gegossen habe, gebe es nur in dessen Phantasie. Wie auf S. 40 ff., 43 ff. des Schriftsatzes der Klägerin vom 10.03.2022 (Bl. 3264 ff., 3267ff. d.A.) ausgeführt, sei das „Tagebuch“ tatsächlich nicht wie auf S. 37 – 38 des Buches geschildert im Sommer-Urlaub 2000 in St. Gilgen finalisiert worden, sondern dort begonnen und Ende Oktober 2000/Anfang November 2000 am Wohnsitz des Erblassers beendet worden. Die Idee zu dem „Tagebuch“ habe nicht vom Beklagten zu 1) gestammt, der es auch nicht in Abstimmung mit Dritten, auf Basis von Zeitungsartikeln und nach einem angeblichen „Vergraben“ im KAS-Archiv entworfen habe. Vielmehr habe der Erblasser das „Tagebuch“ auf Basis seiner Notizen und Unterlagen quasi abdiktiert, wie idealerweise vom Beklagten zu 1) vorzulegende (S. 45 des Schriftsatzes der Klägerin vom 10.03.2022 = Bl. 3269 d.A.) Tonbänder aus dem Jahr 2000 belegen und im Einzelnen zu benennende Mitarbeiter und Weggefährten des Erblassers bezeugen könnten, mit denen dieser sich ausgetauscht habe (S. 40 f. des Schriftsatzes der Klägerin vom 10.03.2022, Bl. 3264 f. d.A.). Die auf S. 31 f. des Buches als „wohl größte… Herausforderung“ der Autorenlaufbahn des Beklagten zu 1) beschriebene vermeintliche Erstellung des „Tagebuchs“ sei schon mangels näheren Angaben zu den befragten „Referenten, Büroleiter, Juristen…“ von der Klägerin nicht durch namentlich zu benennende Zeugen zu widerlegen. Jedenfalls das behauptete „Vergraben“ im KAS-Archiv habe es – wie unter Zeugenbeweis gestellt – nicht gegeben (S. 45 f. des Schriftsatzes der Klägerin vom 10.03.2022, Bl. 3269 f. d.A.). Auch die chronologisch verfassten Memoiren des Erblassers seien tatsächlich nur nach den Vorgaben des Erblassers im „copy-and-paste-Verfahren“ erstellt worden und dies auf Basis der weitgehend vom Erblasser beschafften und dem Beklagten zu 1) nur zugänglich gemachten Aktenlage, nach engen Vorgaben des Erblassers sowie auf Basis von nach Briefwechseln des Erblassers nachweislichen Zuarbeiten Dritter sowie Unterlagen des an den Memoiren umfangreich selbst arbeitenden Erblassers. Basis seien tatsächlich auch auf Anweisung des Erblassers erstellte Stichwortlisten in chronologischer Ordnung gewesen, die der Beklagte zu 1) u.a. am 01.11.1999 auf Anforderung des Erblassers in dem in Anlage K 18 transkribierten „Memoirengespräch“ aus Oktober 1999 übersandt habe, wie auf S. 46 ff. des Schriftsatzes der Klägerin vom 10.03.2022 (Bl. 3270 ff. d.A.) ausgeführt und aus in einer etwaigen mündlichen Verhandlung vorzulegenden „Aktenkonvoluten“ (S. 48 f./51 des Schriftsatzes der Klägerin vom 10.03.2022, Bl. 3272 f./3275 d.A.) ersichtlich. Auch aus von der Klägerin erstellten Transkripten in Anlagen K 59/K 60 (Bl. 3403 ff./3492 ff. d.A.) lasse sich ableiten, dass der Erblasser inhaltliche Vorgaben gemacht habe. Nachdem der Senat im Auflagen- und Beweisbeschluss vom 02.06.2022 (S. 10 = Bl. 3591 d.A.) mit Blick auf die Ankündigung der Vorlage der Aktenkonvolute auf §§ 530, 531 Abs. 2, 282 Abs. 2, 296 Abs. 2, 130a ZPO hingewiesen hat, hat die Klägerin auf S. 28 des Schriftsatzes vom 02.02.2023 (Bl. 4391 d.A.) erneut nur eine Vorlage zur Augenscheinnahme angeboten; die Beklagte zu 3) hat den Vortrag auf S. 2 des Schriftsatzes vom 09.05.2023 (Bl. 4568 d.A.) als unsubstantiiert zurückgewiesen und bestritten. Die Klägerin macht geltend, der Erblasser habe tatsächlich “nach dem Kalender seines (politischen) Lebens” seine Lebenserinnerungen über Monate hinweg “frei von der Leber weg und “ins Unreine” gesprochen auf Band” genommen, dies auch um „bei einem möglichen Mitarbeiterwechsel nicht wieder von vorne anfangen und sein Leben nicht ein zweites Mal erzählen zu müssen” (S. 2 des Schriftsatzes der Klägerin v. 01.02.2021, Bl. 3055 d.A.). Die für die saubere historische Arbeit unabdingbaren Stichwortkataloge und Aktenrecherchen habe man zwar in der Tat in Teilen vom Beklagten zu 1) erstellen lassen. Es seien aber u.a. Aufsätze oder sonstige Zuarbeiten von Mitarbeitern und Dritten wie LBundeskanzlers TSpiegel oder Prof. DX. bzw. der Klägerin in dem auf S. 2 f. des Schriftsatzes der Klägerin vom 01.02.2021 (Bl. 3055 f. d.A.) und S. 56 ff. des Schriftsatzes der Klägerin vom 10.03.2022 (Bl. 3280 ff. d.A.) beschriebenen Umfang eingeflossen, was der Beklagte zu 1) mit Nichtwissen bestritten hat (S. 9 des Schriftsatzes des Beklagten zu 1) vom 18.05.2022, Bl. 3570 d.A.). Man habe den Beklagten zu 1) und den Zeugen Dr. R. auch das tatsächlich vorhandene private Archiv des Erblassers durchforsten lassen (S. 2 des Schriftsatzes der Klägerin vom 01.02.2021, Bl. 3055 d.A.), was sich u.a. aus der Abschrift von seitens des Beklagten zu 1) in den Vorverfahren vorgelegten Audiodateien in Anlage K 62, Bl. 3489 ff. d.A. und der Beschreibung zum Zugang zu Unterlagen auf S. 49 des streitgegenständlichen Buches ergebe. Prof. DX. sei am 19.01.2002 als Gast bei den „Memoirengesprächen“ anwesend gewesen (S. 57 f. des Schriftsatzes der Klägerin vom 10.03.2022 = Bl. 3281 f. d.A.).
56Mit Blick auf die gegen die Beklagte zu 3) gerichtete Stufenklage sei ein Schadensersatz- und/oder Bereicherungsanspruch (auch) gegen die Beklagte zu 3) gegeben, zumal es um einen noch zu Lebzeiten des Erblassers entstandenen und geltend gemachten Ersatzanspruch gehe, der ohne weiteres vererblich sei. Eine Verletzung liege schon mit Blick auf die im Vorverfahren behandelten 116 Passagen vor. In der Sache erschöpfe sich der vermeintliche „Aufdeckungswert“ des Buches darin, den Erblasser mit seiner vorgeschobenen, angeblich beleidigenden Wörtlichkeit als „zürnenden alten Mann“ vorzuführen und ihn – entgegen dem, was die Tonbänder tatsächlich hergäben – “bewusst schlecht aussehen” zu lassen (S. 34 der Berufungsbegründung der Klägerin, Bl. 1344 d.A.). Man habe einen “Kammerdiener-Blick durch das Schlüsselloch” in das Leben des Erblassers und auf seine bewusst ins Unreine gesprochenen Gedanken suggeriert (S. 29 der Berufungsbegründung der Klägerin, Bl. 1341 d.A.). Die fortlaufende Unterstellung, der Erblasser sei nach seinem Unfall mehr oder weniger von der Klägerin fremdbestimmt gewesen und man habe “quasi in historischer Notwehr“ (S. 23 der Berufungsbegründung der Klägerin, Bl. 1335 d.A.) handeln müssen, um die (eigenmächtige) Auswertung der Tonbänder zu rechtfertigen, belege nur, wie rücksichtslos man den Unfallsturz des Erblassers ausgenutzt habe. Auf den Tonbändern sei – wie das an Sachinformation in Wahrheit „arme“ Buch zeige - tatsächlich „nichts Geheimnisvolles oder Geheimes“ verborgen, was es rechtfertige, das öffentliche Interesse über das Recht auf Vertraulichkeit zu stellen (S. 24 der Berufungsbegründung der Klägerin, Bl. 1336 d.A.). In subjektiver Sicht hätten die Beklagten zu 1) bis 3) mit S. 25 ff. der Berufungsbegründung der Klägerin (Bl. 1337 ff. d.A.) einen “geschichtlich einmaligen Tabubruch” begangen, der ihnen als Medienprofis “trotz gespielter Unschuld” bewusst gewesen sei, wie die Ausführungen des Justitiars der Beklagten zu 3) bei der Pressekonferenz aus Anlass der Buchveröffentlichung zu einem “nicht gesetzlich geregelten Komment“ belegen würden. Das Landgericht habe den Vortrag zum mittäterschaftlichen Zusammenwirken übergangen. U.a. die auf S. 28 ff. des Schriftsatzes der Klägerin vom 10.03.2022 (Bl. 3252 ff. d.A.) wiedergegebenen widersprüchlichen Einlassungen würden zeigen, dass allen Beklagten die Vertraulichkeit klar gewesen sei. In der Sache sei die Beklagte zu 3) über alle tatsächlichen Umstände der Beziehung des Beklagten zu 1) zu dem Erblasser im Bilde und spätestens mit dem der anstehenden Buchpublikation widersprechenden Schreiben des Erblassers vom 02.10.2014 bösgläubig gewesen, wie u.a. auf S. 83 des Schriftsatzes vom 10.03.2022 (Bl. 3307 d.A.) ausgeführt. Letztlich gehe es „um eine Fortsetzung des politischen Kampfes“, wovor der Senat nicht die Augen verschließen dürfe. Die Beklagte zu 3) – die die Fehlerhaftigkeit der bestenfalls als Arbeitshilfe gedachten Transkripte hätte erkennen müssen – sei „Mittäter und klar Beteiligte im Rechtsbruch“ (S. 32 f. der Berufungsbegründung der Klägerin, Bl. 1342b f. d.A.).
57Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 26.01.2024, auf den wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 4642 ff. d.A.), hat die Klägerin unter Zu-Eigen-Machen der Rechtsausführungen ihres Prozessbevollmächtigten in der Nichtzulassungsbeschwerdebegründung im abgetrennten Verfahren (Anlage K 81, Bl. 4614 ff. d.A.) ihren Rechtsstandpunkt vertieft, wonach die Darlegungs- und Beweislast für die Richtigkeit der in der streitgegenständlichen Publikation behaupteten zahlreichen Aussagen und Gedankenführungen des Erblassers während der „Memoirengespräche“ allein die Beklagten treffe bzw. jedenfalls Vorlageanordnungen wegen der vom Beklagten zu 1) rechtswidrig vorenthaltenen Tonbandkopien geboten seien. Ansonsten würde der Klägerin Vortrag und Beweisführung - auch mit Blick auf die Erkenntnisse und Angaben des Senats im abgetrennten Verfahren - unzumutbar erschwert, zumal sie sich – wie ausgeführt – in objektiver Beweisnot befinde.
58Die Klägerin beantragt zuletzt sinngemäß,
59I. unter Abänderung des Teilurteils des Landgerichts Köln vom 11.12.2019 - 28 O 11/18 - dem Beklagten zu 1) zusätzlich zu untersagen,
601. die im landgerichtlichen Urteil unter Abschnitt (e) auf den Seiten 274 bis 288 angeführten Passagen zu veröffentlichen oder zu verbreiten, wenn dies geschieht wie in dem Buch „Vermächtnis – Die A.-Protokolle“ (gebundenes Buch, 256 Seiten, ISBN N01, PF. Verlag München);
612. die nachfolgenden Passagen zu veröffentlichen oder zu verbreiten, wenn dies geschieht wie in dem Buch „Vermächtnis – Die A.-Protokolle“ (gebundenes Buch, 256 Seiten, ISBN N01, PF. Verlag München)
62„Bilddarstellung wurde entfernt“
63II. unter Abänderung des Teilurteils des Landgerichts Köln vom 11.12.2019 - 28 O 11/18 - die Beklagte zu 3) zu verurteilen, es zu unterlassen, die im Klageantrag zu 1), Seite 73 bis 183 des landgerichtlichen Urteils, genannten Passagen zu veröffentlichen oder zu verbreiten, wenn dies geschieht wie in dem Buch „Vermächtnis – Die A.-Protokolle“ (gebundenes Buch, 256 Seiten, ISBN N01, PF. Verlag München);
64III. unter Abänderung des Teilurteils des Landgerichts Köln vom 11.12.2019 - 28 O 11/18 - die Beklagten zu 3) entsprechend dem erstinstanzlichen Klageantrag zu 6. a), b) und c), Seite 208 bis 210 des landgerichtlichen Urteils, zur Auskunftserteilung zu verurteilen;
65IV. den Zwischenfeststellungsantrag des Beklagten zu 1) zurückzuweisen;
66V. die Berufung des Beklagten zu 1) zurückzuweisen.
67Der Beklagte zu 1) hat mit Schriftsatz vom 01.02.2023 (Bl. 4303 ff. d.A.) zunächst widerklagend den Zwischenfeststellungsantrag angekündigt, festzustellen, dass zwischen dem Beklagten zu 1) und dem Erblasser der Klägerin keine Geheimhaltungspflicht des Beklagten zu 1) vereinbart worden ist bezüglich des Inhalts der in den Jahren 1999 bis 2002 zwischen dem Beklagten zu 1) und dem Erblasser der Klägerin geführten Memoiren-Gespräche und des Inhalts der dabei angefertigten Tonbandaufnahmen.
68Nach Konkretisierung dieses Begehrens in der letzten mündlichen Verhandlung beantragt der Beklagte zu 1) zuletzt,
69I. das Teilurteil des Landgerichts Köln vom 11.12.2019 - 28 O 11/18 - abzuändern und die Klage gegen den Beklagten zu 1) insgesamt abzuweisen;
70II. widerklagend festzustellen, dass keine vertraglichen Geheimhaltungspflichten zwischen dem Beklagten zu 1) und dem Erblasser bezüglich der Inhalte der in den Jahren 1999 bis 2002 zwischen dem Beklagten zu 1) und dem Erblasser geführten Memoiren-Gespräche (unter Einschluss des Inhalts der dabei angefertigten Tonbandaufnahmen) begründet wurden.
71Der Beklagte zu 1) sowie die Beklagte zu 3) beantragen zudem,
72die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
73Im Hinblick auf die Berufung der Klägerin verteidigt der Beklagte zu 1) die angefochtene Entscheidung im Umfang der teilweisen Klageabweisung wegen der Passagen in Kategorie (e) unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens. Wie mit seiner Berufung geltend gemacht – dazu sogleich – bestehe ohnehin keine vertragliche Verschwiegenheitspflicht. Jedenfalls sei die vom Landgericht vorgenommene Beschränkung mit Blick auf die Grundrechte des Beklagten zu 1) überzeugend, weil es dabei nicht um ihm als angeblichem „Ghostwriter“ anvertraute Informationen gehe, sondern allenfalls um Umstände aus dem eigenen Erleben des Beklagten zu 1) oder dem äußeren Rahmen der Arbeiten, bei denen kein schutzwürdiges Interesse des sich „nicht um eine ausdrückliche Fixierung einer derartigen (vermeintlichen) Pflicht (bemühenden)“ Erblassers (mehr) erkennbar sei, wobei im Übrigen auf S. 5 ff. des Schriftsatzes des Beklagten zu 1) vom 15.10.2020 (Bl. 3032 ff. d.A.) Bezug genommen wird. Jedenfalls sei die vom Landgericht zu Kategorie (e) gebildete Ausnahme u.a. mit Blick auf eine sog. Selbstöffnung der Klägerin berechtigt. Hinsichtlich des Berufungsantrages der Klägerin zu I. 2. fehle Sachvortrag zum Verbotsgrund. Eine historische Sachverhaltsbeschreibung wie der angegriffene Satz zu dem Einzug der Reagans ins Weiße Haus habe ebenso wie die als übergangen gerügten Satzfragmente mit vertraulichen Gesprächsinhalten nichts zu tun.
74Mit Blick auf seine Berufung ist der Beklagte zu 1) der Ansicht, dass das Landgericht zu Unrecht vom Bestehen einer vertraglichen Vertraulichkeitsverpflichtung ausgegangen sei, auf die sich die Klägerin als Erbin berufen könne. Maßgeblich sei allein die nachweisliche Begründung einer verbindlichen und durchsetzbaren Rechtspflicht und nicht nur eine Enttäuschung von (vermeintlichen) und obendrein nur einseitigen Erwartungen im zwischenmenschlichen Bereich und/oder Erwartungen an einen gesellschaftlichen Comment und/oder Gepflogenheiten freundschaftlicher Diskretion aus dem außerrechtlichen Bereich, welche man schon mit Blick auf die von einem Verbot betroffenen Grundrechte des Beklagten zu 1) keinesfalls mit einer rechtlichen Relevanz „aufladen“ oder mit einer Rechtspflicht verwechseln dürfe, denn „nicht jede Unfreundlichkeit oder Enttäuschung von (vermeintlichen) Erwartungen im zwischenmenschlichen Bereich (sei) justitiabel“ (S. 3 des Schriftsatzes des Beklagten zu 1) vom 01.02.2023, Bl. 4306 d.A.). Das Landgericht habe in Ansehung dessen materielles Recht falsch angewendet, die Darlegungs- und Beweislast der Klägerin für eine Vertraulichkeitsabrede/-pflichtenbindung bzw. bei Konstruktion einer Nebenpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) für ein diese tragendes Rechtsverhältnis verkannt und bei seiner Beweiswürdigung auch gegen Verfahrensgrundsätze verstoßen. Der Senat sei nicht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts gebunden, zumal dieses im Zuge seiner mit den Fragen aus dem Beweisbeschluss nicht korrespondierenden Beweiswürdigung nur festgestellt habe, dass man „nicht“ davon i.S.d. § 286 ZPO überzeugt sei, dass der Erblasser (einseitig) davon „ausgegangen“ sei, dass eine Verschwiegenheitspflicht „nicht“ bestehe. Das Landgericht habe die Aussage des Zeugen K. A., aber auch diejenige des Zeugen Dr. R. nicht erschöpfend gewürdigt. Zudem seien dem Landgericht bei der Beweiswürdigung und mit Blick auf §§ 285 Abs. 1, 279 Abs. 3 ZPO Rechtsfehler unterlaufen und man habe den unbedingt gemeinten Beweisantritt zu dem Zeugen I. A. übergangen. Verfahrensfehlerhaft sei das Landgericht von einer Art „„Vorprägung“ durch das frühere Senatsurteil“ ausgegangen, womit man den Beklagten zu 1) genötigt habe, „bergauf“ zu argumentieren, statt unter Anwendung zivilprozessualer Grundsätze den Einzelfall nach Parteivortrag und angebotenen Beweismitteln zu entscheiden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf S. 1 ff. der Berufungsbegründung des Beklagten zu 1) (Bl. 1256 ff. d.A.) Bezug genommen. Mit den zutreffenden Erwägungen des Senats im Hinweisbeschluss vom 09.12.2021 (Bl. 3199 ff. d.A.) seien aufbauend auf den hiesigen, von den Vorverfahren abweichenden Sachvortrag alle Umstände/Indizien neu zu würdigen. Die beschränkte Verschwiegenheitsverpflichtung aus den Verträgen des Erblassers bzw. des Beklagten zu 1) mit dem Verlag begründe keine weitergehende Geheimhaltungspflicht des Beklagten zu 1) auch bezüglich der Inhalte der Memoirenarbeiten, zumal die damals von Seiten des Erblassers bzw. des Zeugen I. Kohls eingeschaltete Großkanzlei in der Lage gewesen wäre, das vom Erblasser angeblich Gewollte kautelarjuristisch abzubilden. Auch angesichts der Medienerfahrung des Erblassers sei von einem „beredten Schweigen“ auszugehen, da der Erblasser eine weitergehende Vertraulichkeitsvereinbarung nicht gewollt habe (siehe u.a. S. 6 des Schriftsatzes des Beklagten zu 1) vom 18.05.2022, Bl. 3567 d.A.). Dies zeige u.a. auch die Genese des Vertragstextes ausgehend vom ersten Verlagsentwurf wie im Einzelnen auf S. 4 des Schriftsatzes des Beklagten zu 1) vom 01.02.2023 (Bl. 4307 d.A.) ausgeführt. Jedenfalls wären etwaige Pflichten des Beklagten zu 1) aus seinem Verlagsvertrag in Ansehung der vorbehaltslosen Aufhebungsvereinbarung erloschen.
75Ansonsten fehle schlüssiger Vortrag der Klägerin zu einer – wie auch immer gelagerten – ausdrücklichen und/oder konkludenten Vertraulichkeitsvereinbarung zwischen dem Erblasser und dem Beklagten zu 1) zu einem bestimmten Zeitpunkt/Anlass. Der überraschende zweitinstanzliche Vortrag der Klägerin zu einer angeblichen mündlichen Zusicherung und/oder Vereinbarung, die im Vorfeld, während des Vertragsschlusses und im weiteren Verlauf der Mitarbeit des Beklagten zu 1) erfolgt sein solle, sei unsubstantiiert und angesichts der jahrelangen anderslautenden Behauptung einer nur konkludenten Vereinbarung in den Vorverfahren nicht glaubhaft. Der neue Vortrag sei verspätet bzw. berufungsrechtlich nicht zuzulassen, wobei wegen der Einzelheiten u.a. auf S. 5 des Schriftsatzes des Beklagten zu 1) vom 18.05.2022 (Bl. 3566 d.A.) verwiesen wird. Tatsächlich habe es keine Vereinbarungen zwischen Erblasser und Beklagten zu 1) gegeben und ein - vom Beklagten zu 1) bestrittenes - etwaiges einseitiges Vorstellungsbild des Erblassers genüge nicht zur Begründung einer Verpflichtung. Auch ein auftragsähnliches Rechtsverhältnis sui generis lasse sich nicht konstruieren. Der Beklagte zu 1) ist der Ansicht, dass sich daraus keine Verschwiegenheitspflicht begründen lasse, zumal sich Nebenpflichten nach den vertraglichen Abreden und den konkreten Umständen des Einzelfalles richteten (vgl. BeckOK-BGB/Sutschet, Ed. 68, § 241 Rn. 44) und ebenso wie die Hauptleistung durch Parteivereinbarung gestaltbar sei (MüKo-BGB/Bachmann, 9. Aufl. 2022, § 241 Rn. 62). Habe der tatsächlich als Journalist und Publizist tätige Beklagte zu 1) Einblicke in zeitgeschichtlich bedeutsame Vorgänge bekommen sollen, wäre dies für ihn „sinnlos“ gewesen, wenn er später nicht darüber hätte sprechen dürfen (S. 37 der Berufungsbegründung des Beklagten zu 1), Bl. 1292 d.A.). Schon die dem Erblasser nach den Behauptungen des Beklagten zu 1) bekannte Sicherung der Tonbänder gegen physischen Verfall durch Kopien bzw. Transkripte würde den gemeinsamen Willen dokumentieren, die Inhalte der „Memoirengespräche“ auch außerhalb des zeitlich begrenzten Projekts zu nutzen. Rechtlich habe das Landgericht - wobei wegen der weiteren Einzelheiten auf S. 39 ff. der Berufungsbegründung (Bl. 1294 ff. d.A.), S. 21 des Schriftsatzes der Beklagten zu 1) vom 30.11.2021 (Bl. 3176 d.A.) und auf die Entscheidung des OLG Frankfurt v. 26.06.1984 – 8 U 15/84, JZ 1985, 337 Bezug genommen wird - verkannt, dass Nebenpflichten i.S.d. § 241 Abs. 2 BGB regelmäßig nicht klagbar seien und mithin den geltend gemachten Unterlassungsanspruch nicht tragen könnten.
76Selbst wenn man zu Lebzeiten des Erblassers von einer Verschwiegenheitspflicht ausgehen würde, habe das Landgericht verkannt, dass aufbauend auf die Bekundungen der Zeugen K. A. und Dr. R. eine Verpflichtung spätestens mit dem Tod des Erblassers erloschen wäre. Denn dieser habe tatsächlich nichts gegen eine postmortale Veröffentlichung einzuwenden gehabt. Er sei einverstanden gewesen, dass Historiker und Journalisten – also Fachleute, die einerseits über eine besondere Ausbildung im Umgang mit historischen Quellen (so die Historiker) und/oder mit politischen Aussagen (so die Journalisten) verfügen (oder beides) und andererseits zu bestimmten Zwecken (historische bzw. publizistische Aufarbeitung) tätig werden - nach seinem Ableben Zugang zu den Gesprächsaufzeichnungen erhalten und diese verwerten können; darauf könne sich heute auch der Beklagte zu 1) berufen. Dass die Memoiren des Erblassers nicht fertiggestellt und/oder die Zusammenarbeit mit dem Beklagten zu 1) aufgekündigt werden könnte, sei bei den Memoirenarbeiten kein Thema gewesen, so dass entsprechende Vorbehalte zu Lasten des Beklagten zu 1) nicht erklärt worden seien.
77In den Vorverfahren und in erster Instanz sei die Grundrechtsrelevanz der Auseinandersetzung für den Beklagten zu 1) verkannt worden. So sei nicht nur in erster Instanz dessen rechtliches Gehör und sein Verfahrensgrundrecht auf ein faires Verfahren verletzt worden, sondern neben den Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1, 14 GG auch die Meinungs- und Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG. Der in einer Verurteilung zur Unterlassung liegende Eingriff sei nicht gerechtfertigt und werde durch die in Eigentumspositionen eingreifende Stufenklage vertieft, wobei im Übrigen auf S. 22 ff. des Schriftsatzes des Beklagten zu 1) vom 30.11.2021 (Bl. 3177 ff. d.A.) verwiesen wird. Der Senat hätte bei einer gebotenen Anhörung des Beklagten zu 1) im Vorverfahren zu den dort herangezogenen Buchpassagen erfahren, dass alle Bemerkungen „(selbst-)ironisch gemeint“ gewesen seien in einer „ironisierende(n) Überzeichnung der tatsächlichen Verhältnisse“ (S. 26 des Schriftsatzes des Beklagten zu 1) vom 30.11.2021, Bl. 3182 d.A.).
78Jedenfalls nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch den Senat bestehe keine vertragliche Rechtspflicht des Beklagten zu 1) bzw. es sei bestenfalls ein zu Lasten der Klägerin gehendes sog. non liquet feststellbar. Der für die Annahme einer vertraglichen Bindung und einen Konsens über einen Vertragsschluss durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen erforderliche (Rechtsbindungs-)Wille sowohl des Erblassers als auch des Beklagten zu 1) sei nicht erkennbar. Es habe weder auf Seiten des Erblassers noch des Beklagten zu 1) einen Erklärungstatbestand gegeben, sich entsprechend binden zu wollen. Schon der fehlende Wille selbst des Erblassers, ergebe sich aus den - wie schon in erster Instanz - widersprüchlichen Bekundungen des persönlich ohnehin nicht glaubwürdigen Zeugen Dr. H.. Dieser habe sich auf konkrete Vorhalte nur schwankend eingelassen und in Widersprüche zu den Umständen der Aufhebungsvereinbarung verstrickt, letztlich aber bestätigt, dass sich die nach seinen floskelhaften Bekundungen vom Erblasser angeblich thematisierte Geheimhaltung im Einklang mit den Verlagsverträgen allein auf das zunächst geheim gehaltene Memoirenprojekt bezogen hat, welches ohne „Leaks“ und/oder Einflussnahme von Verlagsgesellschaftern habe erscheinen sollen. Zwar habe der Zeuge (untauglich) versucht, weitergehende Geheimhaltungspflichten zu den Inhalten der Memoirenarbeiten aus den vertraglichen Regelungen abzuleiten bzw. – dies diametral entgegen seiner erstinstanzlichen Aussage – plötzlich eine Erinnerung an entsprechende mündliche Äußerungen des Erblassers in den Raum gestellt, doch sei dies nicht glaubhaft. Dass der Zeuge im Lager der Klägerin stehe, zeige der - ohnehin verspätete - Vortrag der Klägerin zu Unterlagen in Anlagen K 70, K 73, K 74 und K 76, die der Zeuge für die Klägerin „organisiert“ habe wie im Schriftsatz des Beklagten zu 1) vom 12.04.2023 (Bl. 4533 ff. d.A.) ausgeführt. Die Notizen des Lektors in Anlage K 70 würden allein die komplizierte Anbahnung des Memoirenprojekts belegen. Auch schon in erster Instanz seien die Bekundungen des Zeugen Dr. H. widersprüchlich und erkennbar von dem Bestreben geprägt gewesen, dem Gericht ein der Klägerin günstiges Bild zu vermitteln. Aus dem Schreiben der Staatsanwaltschaft Köln v. 25.05.2020 (Anlage OC-B1, Bl. 3189 ff. d.A.) ergebe sich, dass man allein wegen erwarteter Nachweisprobleme beim subjektiven Tatbestand von Ermittlungen wegen Meineids Abstand genommen habe. Selbst wenn – was weiter zu bestreiten sei – in Gesprächen zwischen dem Erblasser bzw. dem Zeugen I. A. einerseits und dem Zeugen Dr. H. Vertraulichkeitsfragen ein Thema gewesen sein sollten, habe dies nicht das Verhältnis zwischen dem Erblasser und dem Beklagten zu 1) betroffen.
79Auch der Umgang des Erblassers mit dem erst später zu den Memoirenarbeiten hinzugestoßenem Zeugen Dr. R., der unstreitig nie auf Vertraulichkeitsfragen angesprochen worden sei, selbst aber ein Buchprojekt unter möglicher Übernahme von Material geplant habe und laut S. 32 des Protokolls aus seiner Sicht allenfalls den „Schutz des Memoirenprojekts vor gleichzeitigen kannibalisierenden … Veröffentlichungen“ angedeutet habe (S. 10 des Schriftsatzes der Beklagten zu 1) vom 01.02.2023, Bl. 4313 d.A.), streite gegen die Annahme eines Rechtsbindungswillens des Erblassers. Auch weitere Teilnehmer an „Memoirengesprächen“ seien unverpflichtet geblieben. Habe der Erblasser jedoch selbst vom Zeugen Dr. R., mit dem er verbunden gewesen sei, keine Vertraulichkeitsvereinbarung verlangt, gelte dies erst recht für den Beklagten zu 1). Der Zeuge Dr. R. habe nur von einer Art „gentleman´s agreement“ gesprochen, was keinen Bezug zum Beklagten zu 1) habe erkennen lassen und zum anderen nur eine rechtliche Bewertung sei. Die Umschreibung zeige ebenso wie die Begleitumstände den fehlenden Rechtsbindungswillen mit den auf S. 12 f. des Schriftsatzes des Beklagten zu 1) vom 01.02.2023 (Bl. 4315 f. d.A.) zitierten Stimmen aus Rechtsprechung und Literatur. Der Zeuge habe sich ohnehin nur auf die Veröffentlichung von Verbalinjurien bezogen und mit seiner laienhaften Einordnung bloßen „comment“ im außerrechtlichen Bereich angesprochen. Die erstinstanzlichen Bekundungen des Zeugen habe das Landgericht zu Unrecht als unergiebig angesehen. Tatsächlich lasse sich daraus ablesen, dass eine Vertraulichkeit weder vereinbart noch gewollt gewesen sei, der Erblasser keinerlei Vorgaben gemacht und im Gegenteil die Möglichkeit einer späteren Veröffentlichung der Gesprächsinhalte in irgendeiner Form allen Beteiligten vor Augen gestanden habe. Der Zeuge habe allenfalls „Gespräche am Küchentisch“ nicht veröffentlichen wollen und zwischen tagesaktuellen Pressepublikationen und einem Buchprojekt unterschieden.
80Der Zeuge I. A. habe trotz persönlicher Divergenzen zu beiden Seiten eine um Richtigkeit bemühte Aussage gemacht und sei als Verhandlungsvertreter des Erblassers von allen Zeugen „am nächsten dran“ (S. 14 des Schriftsatzes des Beklagten zu 1) vom 01.02.2023, Bl. 4317 d.A.). Er habe - ähnlich wie in erster Instanz der Zeuge K. A., mit dessen trotz Zeugnisverweigerung verwertbaren Bekundungen sich die Aussage decke - unmissverständlich bekundet, dass der Erblasser trotz mehrfacher Ansprache (auch über seinen damaligen anwaltlichen Beistand Herrn Dr. XY.-CG.) keine Vertraulichkeitsabrede mit dem Beklagten zu 1) habe abschließen wollen. Allein deswegen seien die vertraglichen Regelungen im Verlagsvertrag minimalistisch ausgefallen. Auch der Zeuge I. A. habe ein bloßes „gentlemen´s agreement“ bzw. „handshake-agreement“ beschrieben und auch dies nur ohne Angaben zu einer angeblichen Zusage des Beklagten zu 1). Jedenfalls habe auch der Zeuge I. A. damit den fehlenden Rechtsbindungswillen des Erblassers belegt.
81Das Landgericht habe in erster Instanz den Gehalt der Bekundungen des Zeugen K. A. verkannt. Der Erblasser habe danach gewusst, dass ihm eine justitiable Vertraulichkeitsvereinbarung fehlte und er habe an diesem Zustand trotz Hinweises des Zeugen und des von diesem eingeschalteten Rechtsanwalts Dr. XY.-CG. - dessen Tätigwerden die Klägerin nicht substantiiert bestritten habe - nichts ändern wollen. Der fehlende Schutz vor Indiskretion sei ihm „egal“ gewesen. Es sei keineswegs nur um eine Verschriftlichung einer wie auch immer getroffenen formlosen Vertraulichkeitsverpflichtung gegangen, sondern grundlegend um das „Ob“ einer Vertraulichkeitsvereinbarung. Wenn sich der Erblasser der „Verrechtlichung“ einer angeblichen Diskretionserwartung, die weiterhin mit Nichtwissen bestritten werde und die er dem Beklagten zu 1) gegenüber nicht geäußert habe (S. 9 des Schriftsatzes des Beklagten zu 1) v. 30.11.2021, Bl. 3165 d.A.), derart verweigert habe, lasse sich aus einer vermeintlichen einseitigen Erwartung jedenfalls keine Rechtsfolge ableiten.
82Der fehlende eigene Bindungswille des Erblassers habe sich zudem bei der Anhörung des Beklagten zu 1) gezeigt, der beschrieben habe, dass über die nicht störende Regelung in § 8 seines Verlagsvertrages hinausgehende Geheimhaltungsfragen nie Thema gewesen seien. Man habe einen entsprechenden Willen des Erblassers nicht wahrnehmen können, zumal der Beklagte zu 1) sonst „weg gewesen“ wäre (S. 18 f. des Protokolls). Der Beklagte zu 1) habe überzeugend geschildert, dass er seine Kündigung ebenso wie das Kappen aller Verbindungen des Erblassers zu dessen früheren Vertrauten als primären „Vertrauensbruch“ empfunden habe und er sich allein deswegen „nicht mehr durch die frühere freundschaftliche Verbundenheit daran gehindert (gesehen habe), die zeitgeschichtlichen Erkenntnisse… aus den Memoirengesprächen ... zu publizieren“ – was nach der Aufhebung seines Verlagsvertrages auch nicht mit Verlagsvertragsverpflichtungen „kollidiert“ sei, während das Verhältnis zum Erblasser von vorneherein nur „auf einen gesellschaftlichen Comment, später … auf freundschaftliche Verbundenheit beschränkt“ gewesen sei (S. 25 des Schriftsatzes vom 01.02.2023, Bl. 4328 d.A.). Zudem habe man diesem gegenüber keinen Verrat begangen, weil man bewusst nur bestimmte Aspekte publiziert habe und keine „mit privatem und persönlichem Gehalt oder aus vertraulichen Aktenbeständen“ (S. 26 des Schriftsatzes des Beklagten zu 1) vom 01.02.2023, Bl. 4329 d.A.).
83Etwas anderes ergebe sich nicht aus den substanzarmen Angaben der Klägerin vom Hörensagen zu angeblichen Absprachen, die schon deswegen nicht überzeugen könnten, weil man den jahrelangen stereotypen Vortrag einer konkludenten Abrede aus den Vorverfahren mit einer quasi aus dem Nichts kommenden Kehrtwende in zweiter Instanz ausgerechnet in diesem „essentiellen Dreh- und Angelpunkt der Auseinandersetzung“ (S. 28 des Schriftsatzes des Beklagten zu 1) vom 01.02.2023, Bl. 4331 d.A.) zu einer angeblich ausdrücklich getroffenen und nur nicht schriftlich fixierten Vertraulichkeitsabrede verändert habe. Die Klägerin habe dies auch auf Befragen durch den Senat nicht plausibilisieren können und schließlich um die Darstellungsvariante ergänzt, dass es diese Absprachen angeblich schon vor Beauftragung des Zeugen I. Kohls mit der Erstellung der Vertragsentwürfe gegeben habe.
84Gegen einen Rechtsbindungswillen des Erblassers stritten zudem die nach § 286 ZPO zu berücksichtigenden Einlassungen der Zeugen I. und K. A. im Zwischenstreit. Beide seien davon ausgegangen, dass man das von den Zeugen skizzierte und dem Erblasser (angeblich) zur „Unehre“ gereichende Szenario mit einem entstehenden Eindruck übergroßer Naivität des Erblassers - und damit gerade die fehlende Vertraulichkeitsabrede - bestätigen müsse. Tatsächlich gehe es nicht um eine Naivität, sondern das Fehlen einer Vertraulichkeitsabrede sei Ausdruck des Geschichtsbewusstseins des Erblassers gewesen. Diese Einstellung lasse sich u.a. auch aus seiner „Keine-Haare-Mehr“-Aussage gegenüber dem Beklagten zu 1) und der vom Zeugen K. A. geschilderten Verbundenheit mit der Historikerzunft ebenso ableiten wie aus den Bekundungen des Zeugen Dr. R.. Ein weiteres Indiz gegen einen Willen des Erblassers zum Abschluss einer Vertraulichkeitsabrede ergebe sich aus dem Interview des Erblassers mit Dr. CQ. vom 14.03.2002, in welchem der Erblasser mit ebenfalls zum Teil drastischen Äußerungen als „freier Mann“ aufgetreten sei, der die Fesseln seines früheren Amtes abgelegt habe.
85Erst recht sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kein Wille des Beklagten zu 1) zum Abschluss einer Vertraulichkeitsvereinbarung erkennbar; streng genommen sei mangels Vortrages dazu die Klage von Anfang an unschlüssig. Der Beklagte zu 1) habe bei seiner Anhörung einen Bindungswillen verneint und die von ihm angesprochene „Nicht-Mehr-Gebundenheit“ erkennbar nur auf einen im außerrechtlichen Bereich zu verortenden „comment“ bzw. freundschaftliche Verbundenheit bezogen. Gleiches gelte für das beschriebene Verhältnis zur Schwester des Beklagten zu 1), der er - der Beklagte zu 1) - bei der Anfertigung der Transkripte habe vertrauen können, zumal er den „Erfolg des Memoirenprojekts nicht gefährden wollte und … im Hinblick auf die Existenz dieses Publikationsvorhabens auch durch seinen Verlagsvertrag entsprechend rechtlich verpflichtet war“ und er seine Mitarbeit dem G. gegenüber habe diskret behandeln wollen (S. 38 des Schriftsatzes des Beklagten zu 1) vom 01.02.2023, Bl. 4341 d.A.). Man habe das Verhältnis zur Schwester nicht „verrechtlichen“ wollen und das Bewusstsein, sich auf deren Verschwiegenheit verlassen zu können, habe ebenso nur im außerrechtlichen Bereich gewurzelt wie im Verhältnis zum Erblasser. Daraus erkläre sich auch, dass der Beklagte zu 1) die Tonbänder und Computer bei der Schwester später abgeholt habe, weil die Verbundenheit zu deren Ehemann nicht so eng gewesen sei.
86Im Übrigen habe der Beklagte zu 1) sich „auch im Hinblick auf die persönlich-freundschaftliche Diskretion“ nichts vorzuwerfen (S. 39 des Schriftsatzes des Beklagten zu 1) vom 01.02.2023, Bl. 4342 d.A.). Er habe keinen Verrat am Erblasser begangen, weil er unter der Gürtellinie liegende Informationen und/oder besonders derbe Äußerungen ebenso wenig publiziert habe wie Äußerungen aus der Zeit eines einvernehmlich ausgeschalteten Tonbandes und durchweg keine Inhalte, die aus gesetzlichen Gründen der Vertraulichkeit unterliegen, über die der Erblasser deswegen nicht habe verfügen können und deren Offenlegung als Staatsgeheimnisse für den Erblasser rechtliche Konsequenzen hätte haben können wie auf S. 39 f. des Schriftsatzes des Beklagten zu 1) vom 01.02.2023 (Bl. 4342 f. d.A.) ausgeführt. Tatsächlich sei es mit den Ausführungen auf S. 54 ff. des Schriftsatzes des Beklagten zu 1) vom 01.02.2023 (Bl. 4357 ff. d.A.) um eine im öffentlichen Interesse liegende journalistisch-publizistische Darstellung des zum Analysegegenstand in der politik- und zeitgeschichtlichen Forschung gemachten und jahrzehntelang fortwirkenden „Systems Kohl“ gegangen, was die Offenlegung von Widersprüchen zwischen der Selbstdarstellung des Erblassers und seinem tatsächlichen Denken einschließe.
87Entsprechend dem Vorgenannten und mit dem auf S. 41 ff. des Schriftsatzes des Beklagten zu 1) vom 01.02.2023 (Bl. 4344 ff. d.A.) Ausgeführten sei zudem kein objektiver Erklärungstatbestand auf Seiten des Erblassers für eine ausdrückliche oder konkludente Abrede nachgewiesen. Selbst der Zeuge Dr. H. habe keine Erinnerung an genaue Formulierungen gehabt. Zumindest fehle nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ein Erklärungstatbestand auf Seiten des Beklagten zu 1); ein solcher sei streng genommen von Anfang an nicht schlüssig vorgetragen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf S. 46 ff. des Schriftsatzes des Beklagten zu 1) vom 01.02.2023 (Bl. 4349 ff. d.A.) Bezug genommen.
88Zuletzt könne nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht an ungeschriebene Nebenpflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) aus einem Rechtsverhältnis unter dem Dach der Verlagsverträge angeknüpft werden, nach denen die Vertragsparteien die Einzelheiten der Zusammenarbeit direkt besprechen sollten (§ 4 Abs. 2 des Verlagsvertrages des Erblassers bzw. § 1 Abs. 4 des Verlagsvertrages des Beklagten zu 1). Denn ausweislich der Bekundungen des Zeugen I. A. und der Angaben des Beklagten zu 1) hätten sich diese Bestimmungen allein auf technisch-organisatorische Fragen bezogen. Die Parteien hätten also keine rechtlich bindenden Vereinbarungen treffen wollen, „ihre Zusammenarbeit ausschließlich auf der Ebene persönlichen Vertrauens gestalten“ wollen und daher keine Handlungen vorgenommen, aus denen sich ein „wie Schriftsatzes des Beklagten zu 1) vom 01.02.2023, Bl. 4352 d.A.).
89Mit Blick auf die von der Klägerin angegriffenen Inhalte der streitgegenständlichen Publikation behauptet der Beklagte zu 1), er habe mit dem Erblasser „auf Augenhöhe“ (S. 2 des Schriftsatzes vom 30.11.2021, Bl. 3159 d.A.) zusammengearbeitet und mit ihm „journalistische Interviews“ geführt. Tatsächlich sei die Zusammenarbeit „fast vollständig vom Beklagten zu 1) organisiert und gesteuert“ gewesen, welcher die Bücher verfasst habe, als Journalist und Historiker entschieden habe, welche Akten aus welchen Archiven beigezogen, welche Akteninhalte gesichtet würden und der bestimmt habe, welche Inhalte Eingang in die von ihm mit dem Erblasser geführten „Interviews“ finden würden, während es inhaltliche und organisatorische Vorgaben des Erblassers ihm gegenüber zu keinem Zeitpunkt gegeben habe (S. 2 des Schriftsatzes des Beklagten zu 1) v. 30.11.2021, Bl. 3160 d.A.). Der Erblasser habe nicht direkt mit der Konrad-Adenauer-Stiftung oder der Bundesregierung zusammengearbeitet, sondern der Beklagte zu 1) habe über die Beiziehung und Auswertung von Unterlagen entschieden. Es sei mit Nichtwissen zu bestreiten, dass der Erblasser Kopien von der Landesregierung etc. erhalten habe; dies habe jedenfalls keinen erkennbaren Eingang in die „Memoirengespräche“ gefunden (S. 5 des Schriftsatzes des Beklagten zu 1) v. 30.11.2021, Bl. 3161 d.A.). Gleiches gelte für die ohnehin erst verspätet im Berufungsverfahren behauptete Zuarbeit der Klägerin aus einer Zeit, in der die erste Ehefrau des Erblassers noch gelebt habe. Tatsächlich habe die Klägerin weder Input geleistet noch hätten Formulierungen von ihr Eingang in die Memoiren gefunden (S. 6 des Schriftsatzes des Beklagten zu 1) v. 30.11.2021, Bl. 3162 d.A.). Herr Prof. DX. sei nicht zu Gesprächen mit dem Beklagten zu 1) hinzugezogen worden (S. 6 des Schriftsatzes des Beklagten zu 1) v. 30.11.2021, Bl. 3162 d.A.; S. 12 des Schriftsatzes des Beklagten zu 1) vom 18.05.2022, Bl. 3573 d.A.). Auch die Existenz eines „privaten Archivs“ des Erblassers werde bestritten; etwas anderes ergebe sich nicht aus der mit Kommentierungen der Klägerin versehenen und ohnehin nicht aussagekräftigen Transkription in Anlage K 62 (Bl. 3489 ff. d.A.). Der Beklagte zu 1) habe ein Archiv vor Ort jedenfalls nicht auf relevantes Material durchforstet und der Erblasser habe auch sonst kein Material zur Verfügung gestellt lassen (S. 6 des Schriftsatzes des Beklagten zu 1) vom 30.11.2021, Bl. 3162 d.A.), sondern nur dafür gesorgt, dass der Beklagte zu 1), wie im Buch beschrieben, frei habe tätig werden können. Der Erblasser habe bei den „Memoirengesprächen“ nicht – wie klägerseits behauptet - seine Lebenserinnerungen nach dem Kalender seines politischen Lebens auf Band diktiert. Vielmehr habe der Beklagte zu 1) dem Erblasser Themen und Stichworte vorgegeben und gelegentlich korrigierend eingegriffen, wenn die Erinnerung des Erblassers nicht mit den historischen Gegebenheiten übereingestimmt habe (S. 2 des Schriftsatzes des Beklagten zu 1) v. 30.11.2021, Bl. 3160 d.A.). Bei den Tonbandaufnahmen sei es zu keinem Zeitpunkt darum gegangen, für den Fall eines Wechsels in der Person des Memoirenmitarbeiters vorzusorgen. Im Gegenteil habe der Erblasser die Gespräche mit dem Beklagten zu 1) deswegen geführt, weil er in ihm einen Journalisten und Historiker gefunden hatte, der aufgrund seiner umfassenden Kenntnisse in der Lage gewesen sei, das lange politische Wirken des Erblassers geordnet zu erfassen und aufzuarbeiten. So habe der Erblasser sicherstellen wollen, dass seine Erinnerungen in der geordneten Form des „Interviewmaterials“ nach seinem Tod die gebührende Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit, aber auch unter Historikern finden würden wie auf S. 4 f. des Schriftsatzes des Beklagten zu 1) v. 30.11.2021 (Bl. 3162 f. d.A.) ausgeführt. Indiz dafür sei u.a., dass der Erblasser weder während der Memoirenarbeiten noch bei dem Zerwürfnis die Bänder herausverlangt habe, sondern erst ca. drei Jahre später die Herausgabeklage angestrengt habe (S. 5 des Schriftsatzes des Beklagten zu 1) v. 30.11.2021, Bl. 3161 d.A.). Tatsächlich sei dem Erblasser - der unstreitig einen Dankesbrief an die Schwester des Beklagten zu 1) verfasst habe - nicht nur bekannt gewesen, dass der Beklagte zu 1) Abschriften habe erstellen lassen, sondern auch, dass er Kopien der Tonbänder angefertigt habe (so S. 7 des Schriftsatzes des Beklagten zu 1) vom 30.11.2021, Bl. 3163 d.A.) bzw. – so der spätere Vortrag des Beklagten zu 1) – er dies im Jahr 2003 über den Mann der Schwester zu organisieren versucht habe. Insofern gingen alle Angriffe der Klägerin gegen die Glaubwürdigkeit des Beklagten zu 1) wegen vermeintlicher Widersprüche zwischen seinen Schriftsätzen und der Auskunftserteilung fehl. Inhaltliche Divergenzen seien auf ein Missverständnis zurückzuführen wie im Einzelnen auf S. 10 ff. des Schriftsatzes des Beklagten zu 1) vom 18.05.2022 (Bl. 3571 ff. d.A.) ausgeführt. Es habe keine Tonbandaufnahmen von 600 bzw. 630 Stunden gegeben, sondern nur entsprechend lange Gespräche mit dem Erblasser, die jedoch nicht alle auf Band aufgenommen worden seien. Mit den 200 Kassetten seien alle Originalaufnahmen übergeben worden. Substantiierter Vortrag der Klägerin zu Fehlzitaten, Falschangaben etc. fehle im Übrigen bis zuletzt, obwohl der Klägerin dies in Ansehung der bei ihr vorhandenen Bänder zuzumuten gewesen wäre.
90In Ansehung dessen sei mit den Ausführungen des Beklagten zu 1) auf S. 50 ff. des Schriftsatzes vom 01.02.2023 (Bl. 4353 ff. d.A.) der im Berufungsrechtszug zulässig zu stellende Zwischenfeststellungsantrag zur Klärung der präjudiziellen Frage nach dem Nichtbestehen einer solchen Verpflichtung zulässig und begründet.
91Ungeachtet des zum Nichtbestehen eines vertraglichen Unterlassungsanspruchs Gesagten trage die vertragsrechtliche Argumentation des Landgerichts nicht den auf Gewinnabschöpfung im Wege der Stufenklage gerichteten Auskunftsanspruch. Denn im Rahmen des § 280 Abs. 1 BGB griffen die Grundsätze der sog. dreifachen Schadensberechnung nicht ein, so dass damit kein akzessorischer Auskunftsanspruch zu begründen sei. Zudem scheide – selbst eine Pflichtverletzung i.S.d. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB unterstellt – jedenfalls ein Vertretenmüssen aus, da der Beklagte zu 1) die Annahme einer ungeschriebenen und „dreifach abstrahierte(n) Nebenpflicht“ durch spätere Gerichtsentscheidungen nicht habe vorhersehen können, wobei im Übrigen auf S. 30 des Schriftsatzes des Beklagten zu 1) vom 30.11.2021 (Bl. 3186 d.A.) verwiesen werde. Auch etwaige Ansprüche aus §§ 687 Abs. 2, 667 BGB scheiterten an der fehlenden (positiven) Kenntnis des Beklagten zu 1) von einer angeblichen Fremdheit eines in einer Publikation liegenden Geschäfts. Denn der Beklagte zu 1) sei davon ausgegangen und gehe weiterhin davon aus, dass er an der Veröffentlichung nicht durch eine vertragliche Verschwiegenheitspflicht gehindert sei, dies u.a. mit S. 3 des Schriftsatzes des Beklagten zu 1) vom 18.05.2022 (Bl. 3564 d.A.). Mangels zu vertretender Pflichtverletzung schieden auch deliktische Ansprüche aus. Im Übrigen liege selbst bei einer unterstellten Vertraulichkeitsverpflichtung kein Eingriff in den vermögenswerten Kern des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Erblassers vor, da sich das Verhalten des Beklagten zu 1) in einer einfachen Vertragspflichtverletzung erschöpft habe. Es fehle jeder greifbare Bezug zu einem vermögensrechtlichen Bestandteil des Persönlichkeitsrechts, zumal keine „klassische“ kommerzielle Ausbeutung und/oder Zuordnungsverwirrung vorliege. Die vom Beklagten zu 1) in Interviews getätigte Bezeichnung der Tonbänder als „Schatz“ habe sich allein auf deren historische Bedeutung und nicht auf einen pekuniären Wert bezogen. Zumindest sei im Rahmen des § 287 ZPO bei einer Gewinnabschöpfung der für die Publikation allenfalls ausgenutzte Teil auf Tonband fixierter Äußerungen abzugrenzen von den erst zu dem Erfolg des Buches führenden publizistischen Leistungen der Autoren.
92Mit Blick auf die Berufung der Klägerin verteidigt die Beklagte zu 3) die ihr gegenüber erfolgte Klageabweisung unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Ihr gegenüber komme es ohnehin nicht auf vertragliche Bindungen des Beklagten zu 1) zum Erblasser an. Solche hätten von Anfang an nicht bestanden bzw. seien jedenfalls mit Blick u.a. auf die erstinstanzlichen Bekundungen des Zeugen K. Kohls spätestens mit dem Ableben des Erblassers entfallen. Die Beweisaufnahme - die für die Beklagte zu 3) allenfalls für das Auskunftsbegehren und eine mögliche Rechtsverletzung des Erblassers unter Lebenden von Bedeutung gewesen sei - habe bestätigt, dass es keine Verschwiegenheitspflicht gegeben habe. Der Zeuge Dr. H. habe wie in erster Instanz nur schwankend und widersprüchlich ausgesagt und zu den Details des Gesprächs mit dem Beklagten zu 1) zur Aufhebungsvereinbarung, zu der er sogar eine Absprache mit der Klägerseite beschrieben habe, die die Klägerin selbst nicht bestätigt habe, gelogen. Tatsächlich habe der Zeuge entgegen seiner Einschätzung auf S. 16 des Protokolls, wo er u.a. von einem ständigen „Mantra“ aus den Vertragsverhandlungen gesprochen habe, keine konkrete Erinnerung und/oder einen klaren Konsens der Beteiligten bekundet, sondern allenfalls seine subjektive Einschätzung mit „Glaubenssätze(n)“ zu Protokoll gegeben (S. 4 des Schriftsatzes der Beklagten zu 3) vom 31.01.2023, Bl. 4285 d.A.). Es sei wie schon in erster Instanz deutlich geworden, dass im Fokus der Beteiligten die Geheimhaltung des Buchprojekts als „Scoop“ des Verlages gestanden habe. Der demgegenüber gewissenhaft und bar jeder Parteinahme aussagende Zeuge Dr. R. habe ein vages, ihn allenfalls moralisch verpflichtendes „gentleman´s agreement“ - also schon nach allgemeinem Sprachgebrauch gemäß dem auf S. 9 des Schriftsatzes der Beklagten zu 3) vom 31.01.2023 (Bl. 4290 d.A.) eingeblendetem Wikipedia-Eintrag nur ein außerrechtliches Verhältnis - und ein Vertrauensverhältnis, aber keine Verpflichtung in juristischer Hinsicht bestätigt. Er habe die Teilnahme externer Gesprächspartner herausgestellt, denen gegenüber unstreitig keinerlei Verschwiegenheitsfragen thematisiert wurden und bei denen der Erblasser offenbar ebenso nur einseitig darauf vertraut habe, dass man zwischen Inhalten zu differenzieren wisse, welche man weiterverbreiten könnte und solchen, bei denen das nicht geschehen solle. Soweit die Klägerin behaupte, der Zeuge Dr. R. habe – was nicht protokolliert worden sei – von einem „geschützten Raum“ gesprochen, sei dies nicht so gewesen (S. 2 des Schriftsatzes der Beklagten zu 3) vom 09.05.2023, Bl. 4568 d.A.).
93Der Zeuge I. A. habe plastisch beschrieben, wie eine von ihm angedachte 360-Grad-Regelung zur Verschwiegenheit unter Verweis auf ein „handshake-agreement“ nicht aufgegriffen worden sei, weswegen es bei der minimalistischen Regelung in den Vertragsverträgen geblieben sei. Der Zeuge habe nicht bekunden können, ob es tatsächlich eine weitergehende Abrede zwischen dem Beklagten zu 1) und dem Erblasser gegeben habe. Trotz mehrfacher Rücksprache und einem Einschalten des damaligen anwaltlichen Beraters Herrn Dr. XY.-CG. - auch über den Zeugen K. A. - habe der Erblasser jedes Regelungsbedürfnis verneint, so dass er sich im vollen Bewusstsein der Risiken gegen eine verbindliche Regelung entschieden habe. Auch der Zeuge I. A. habe u.a. von einem „gentlemen´s agreement“ gesprochen und damit die Unverbindlichkeit betont.
94Auch die Klägerin selbst - deren Anmerkungen zu den Protokollen der mündlichen Verhandlung man schon mangels Protokollberichtigungsantrages zurückweise (S. 3 des Schriftsatzes der Beklagten zu 3) vom 09.05.2023, Bl. 4569 d.A.) - habe keine konkreten Angaben zu Absprachen mit dem Beklagten zu 1) machen können, die sie ohnehin erstmals im hiesigen Verfahren in den Raum gestellt habe und bei der das Vorbringen schon mangels stimmiger Erklärung des Prozessverhaltens in den Vorverfahren unglaubwürdig sei.
95Der Beklagte zu 1) habe zwar ein „Zusammenschweißen“ der beiden Männer u.a. durch die Arbeit geschildert und auch, dass er sich später durch das Verhalten der Klägerin gegenüber den früheren Vertrauten des Erblassers nicht mehr an Loyalitätspflichten gebunden gefühlt habe. Er habe damit aber nur eine auf das gegenseitige Vertrauen aufsetzende Beziehung auf einer moralischen Grundlage ohne rechtlichen Charakter beschrieben. Man möge das Zerwürfnis zwischen Erblasser und Beklagtem zu 1) für eine „Tragödie“ halten, ein Vertragsbruch sei es nicht.
96Bei den gegenüber der Beklagten zu 3) allein in Betracht kommenden deliktischen Unterlassungsansprüchen wegen Eingriffs in das postmortale Persönlichkeitsrecht negiere die Klägerin die höchstrichterliche Rechtsprechung, die keinen postmortalen Schutz eines bildnisgleich in Tonbandaufnahmen verdinglichten Worts anerkenne. Die Klägerin lasse konkreten Sachvortrag und Beweisantritt zu einer Entstellung des Lebensbildes des Erblassers vermissen, zumal die behauptete Infragestellung des selbst in die Öffentlichkeit lancierten Bildes nicht genüge. Das Landgericht habe die Unterlassungsklage zu Recht abgewiesen, weil die Klägerin - dies auch bis zuletzt - eine Auseinandersetzung mit Zitaten und/oder konkreten Passagen des streitgegenständlichen Buches aus dem die S. 86 - 342 der Klageschrift umfassenden Antrag verweigere. Die pauschal behauptete (nur) vielfache Übertragbarkeit vermeintlicher Erkenntnisse aus dem Vorverfahren wegen der 116 Buchpassagen könne einen nach allgemeinen zivilprozessuale Grundsätzen gebotenen Sachvortrag nicht ersetzen. Der Verweis auf – was weiterhin mit Nichtwissen zu bestreiten sei – angeblich nicht abhörbare Originaltonbänder, hinsichtlich derer eine gerichtliche Vorlageanordnung angeregt werde, könne die Klägerin nicht von konkretem Sachvortrag zu angeblichen Fehlzitaten oder sonstigen angeblichen Falschinformationen befreien. Die Klägerin mache sich nicht die Mühe, in der ZPO vorhandene gesetzliche Grundlagen subsumtionsfähig zu benennen, die es einer in (unterstellt) objektive Beweisnot geratenen Partei ermöglichten, die Herausgabe von Unterlagen oder Augenscheinsobjekten zu erreichen. Soweit die Klägerin in zweiter Instanz einige wenige Passagen als Falschbehauptungen bezeichnet habe, dringe sie damit nicht durch: Die mit Anlagenkonvolut BE (3) 1 (Bl. 3010 ff. d.A.) vorgelegten Buchpassagen zur Frage der Autorschaft des Erblassers beträfen nur die im tatsächlichen Kern unstreitigen Arbeiten an den Memoiren. Insofern hätte der Erblasser schon zu Lebzeiten nicht untersagen lassen können, den Beklagten zu 1) als „Autor“ zu beschreiben. Ähnliches gelte, soweit die Klägerin zu bestreiten suche, die Idee für das „Tagebuch“ des Erblassers stamme - wie tatsächlich der Fall - vom Beklagten zu 1). Die mit Anlagenkonvolut BE (3) 2 (Bl. 3016 ff. d.A.) vorgelegten Passagen auf S. 50, 54, 56 und 234 des Buches beträfen die Klägerin und allenfalls reflexhaft den Erblasser. Es gehe um im Kern unstreitige Umstände (wie das nicht bestrittene Verhindern einer Widmung an die erste Ehefrau des Erblassers) und um kritische Bewertungen der Rolle der Klägerin; all dies entstelle nicht das Lebensbild des Erblassers. Ähnliches gelte für die Passagen auf S. 9, 51, 55 und 234 des Buches (Anlage BE (3) 3, Bl. 3020 ff. d.A.), die im Kern unstreitige Geschehnisse beschrieben, bewerteten und wiederum die Rolle der Klägerin beträfen. Deren Rechte seien nicht streitgegenständlich.
97Soweit zuletzt ein Gesamtverbot des Buches - offenbar mit Blick auf die Grundsätze der „Esra“-Entscheidungen (BGH v. 21.06.2005 - VI ZR 122/04, NJW 2005, 2844 und BVerfG v. 13.06.2007 - 1 BvR 1783/05, NJW 2008, 39) – angestrebt werde, seien die rechtlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben, zumal diese Entscheidungen die Besonderheiten isolierter Teilverbote bei künstlerischen Gesamtwerken beträfen und nicht auf eine im Kern dokumentarische Darstellung zu übertragen seien. Dort seien Teilverbote möglich, wie für die ebook-Version des Buches im Nachgang an eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln (14 O 315/14) auch unstreitig praktiziert worden sei.
98Zum Auskunftsanspruch bzw. der Stufenklage sei mit Blick auf die Beklagte zu 3) zu beachten, dass die Klage ohne Beschränkung auf die 116 Passagen aus dem Vorverfahren erhoben sei und selbst bei Annahme einer insofern teilweise gegebenen Rechtsverletzung im Übrigen kein Anspruch bestehe. Da man die ebook-Version ohne die von der einstweiligen Verfügung betroffenen 114 Passagen weiter vertrieben habe, sei die Klage auch insofern abzuweisen, wobei im Übrigen auf S. 17 des Schriftsatzes der Beklagten zu 3) vom 07.10.2020 (Bl. 3008 d.A.) verwiesen werde. Das Auskunftsbegehren sei in Anlehnung an § 101 Abs. 4 UrhG unverhältnismäßig und durch die Angaben zu Verkaufszahlen erfüllt. Ohnehin scheitere ein auf § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG (zu Lebzeiten) und/oder §§ 687 Abs. 2, 667 BGB gestützter Anspruch auf Gewinnabschöpfung mit dem u.a. auf S. 11 des Schriftsatzes der Beklagten zu 3) vom 25.03.2022 (Bl. 3532 d.A.) Gesagten daran, dass die Verbreitung von (obendrein zutreffenden) Informationen aus den „Memoirengesprächen“ von Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt gewesen sei. Soweit am Rande mit einer Lizenzanalogie argumentiert werde, würde für eine publizistische Verwertung keine Lizenz gezahlt und der vom Beklagten zu 1) in Interviews angesprochene „Schatz“ habe allein den historischen Wert der Tonbänder umschrieben. Die streitgegenständliche Publikation bestehe entgegen dem Klägervortrag nicht zu über 80% aus tatsächlichen oder angeblichen Äußerungen des Erblassers, wie auf S. 5 des Schriftsatzes der Beklagten zu 3) vom 07.10.2020 (Bl. 2096 d.A.) ausgeführt. Auf die angebliche Kenntnis der Beklagten zu 3) von einer vermeintlichen Geheimhaltungsverpflichtung komme es nicht an. Die Beklagte zu 3) behauptet, dass eine solche Kenntnis aber auch nicht bestanden habe und sich nicht auf eine Missdeutung von Äußerungen des Justitiars der Beklagten zu 3) in der Pressekonferenz aus Anlass des Erscheinens der streitgegenständlichen Publikation stützen lasse, wie u.a. auf S. 9 f. des Schriftsatzes der Beklagten zu 3) vom 25.03.2022 (Bl. 3530 f. d.A.) ausgeführt.
99Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen (inklusive USB-Sticks mit Dateien) Bezug genommen.
100Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Dr. H., I. A. und Dr. R. sowie durch Anhörung der Klägerin und des Beklagten zu 1) gemäß Beweisbeschluss vom 02.06.2022 (Bl. 3582 ff. d.A.) in der Fassung der Beschlüsse vom 12.07.2022 (Bl. 3689 ff. d.A.) und vom 02.12.2022 (Bl. 4048 f. d.A.). Wegen Einwendungen gegen die Fassung der Beweisfragen wird im Übrigen auf die Schriftsätze des Beklagten zu 1) vom 16.06.2022 (Bl. 3633 ff. d.A.) und der Beklagten zu 3) vom 20.06.2022 (Bl. 3657 ff. d.A.) sowie die Stellungnahme der Klägerin auf S. 3 ff. des Schriftsatzes vom 30.06.2022 (Bl. 3674 ff. d.A.) Bezug genommen.
101Nachdem sich die Zeugen I. A. und K. A. auf Zeugnisverweigerungsrechte berufen haben – wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Zeugenvertreters vom 21.09.2022 (Bl. 3767 ff. d.A.), 04.10.2022 (Bl. 3862 ff. d.A.) und 05.10.2022 (Bl. 3856 ff. d.A.) einerseits sowie die Schriftsätze der Beklagten zu 3) vom 28.09.2022 (Bl. 3778 ff. d.A.), des Beklagten zu 1) vom 28.09.2023 (Bl. 3788 ff. d.A.) bzw. vom 12.10.2022 (Bl. 3900 ff. d.A.) und der Klägerin vom 28.09.2023 (Bl. 3800 ff. d.A.) andererseits Bezug genommen – hat der Senat im schriftlichen Verfahren am 18.10.2022 durch Zwischenurteil (nur) die Zeugnisverweigerung des Zeugen K. A. für berechtigt erklärt, wobei wegen der weiteren Einzelheiten auf die Entscheidungsgründe des Zwischenurteils (Bl. 3914 ff. d.A.) verwiesen wird.
102Wegen der weiteren Einzelheiten der Beweisaufnahme sowie der informatorischen Anhörung der Klägerin und des Beklagten zu 1) wird im Übrigen auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 02.11.2022 (Bl. 4009 ff. d.A.), 03.11.2022 (Bl. 4054 ff. d.A.), 16.11.2022 (Bl. 4096 ff. d.A.) und 29.11.2022 (Bl. 4184 ff. d.A.) Bezug genommen.
103II.
104Die Berufungen der Klägerin und des Beklagten zu 1) haben nur in dem eingangs tenorierten Umfang Erfolg.
105Im Kern stehen der Klägerin vertragliche Unterlassungsansprüche gegen den Beklagten zu 1) zu; im Gegenzug ist folgerichtig die in zweiter Instanz vom Beklagten zu 1) erhobene Zwischenfeststellungswiderklage (§ 256 Abs. 2 ZPO) unbegründet. Zudem besteht gegen den Beklagten zu 1) der auch vom Landgericht zuerkannte Auskunftsanspruch auf der ersten Stufe der Stufenklage (§ 254 ZPO).
106Gegen die Beklagte zu 3) bestehen Unterlassungsansprüche der Klägerin hingegen nur mit Blick auf die wenigen im Tenor angeführten Passagen wegen einer insofern feststellbaren Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts des Erblassers. Darüber hinaus geltend gemachte Unterlassungs- und Auskunfts-/Zahlungsansprüche gegen die Beklagte zu 3) bestehen nicht, weswegen das Landgericht die Klage insoweit zu Recht abgewiesen hat.
Zulässigkeitsbedenken bestehen hinsichtlich der Berufungen der Parteien nicht, auch nicht mit Blick auf den nur knapp begründeten Berufungsantrag der Klägerin zu Ziff. I.2. Soweit das Landgericht nach dem Klägervorbringen Teile der erstinstanzlichen Schlussanträge übergangen haben soll, wäre zwar möglicherweise ein Vorgehen der Klägerin nach § 321 ZPO tunlich gewesen, wenn man nicht wegen der ersichtlich nur bei dem Kopiervorgang der Textteile durch das Landgericht in das angefochtene Urteil nicht erfassten Wortlautzitate sogar einen Anwendungsfall des § 319 ZPO hätte annehmen wollen. Das mag dahinstehen: Wird wie hier aus anderen Gründen ein Urteil angefochten, kann eine Partei auch nach Ablauf der Frist aus § 321 Abs. 2 ZPO und der dadurch bewirkten Beendigung der Rechtshängigkeit der betroffenen Ansprüche anerkanntermaßen einen übergangenen Anspruch in der Berufungsinstanz als neuen Anspruch durch Klageänderung oder durch Erweiterung des Klageantrages (§§ 263, 264 Nr. 2, 533 ZPO) wieder geltend machen (statt aller BGH v. 16.02.2005 - VIII ZR 133/04, NJW-RR 2005, 790, 791 f.; Musielak/Voit/Musielak, ZPO, 20. Aufl. 2023, § 321 Rn. 10 m.w.N.). Bedenken an der Zulässigkeit der Klageerweiterung bestehen nicht, im Übrigen ist dies beklagenseits auch nicht gerügt (§§ 525 S. 1, 267 ZPO).
108Ähnlich wie bereits im Urteil des Senats vom 22.06.2023 (15 U 135/22, n.v.) im Verhältnis zu den Beklagten zu 4) und 5) ausgeführt, steht der Zulässigkeit der Berufung der Klägerin mit Blick auf § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO nicht entgegen, dass sie sich in der Berufungsbegründung und im weiteren Berufungsverfahren – insbesondere im Verhältnis zur Beklagten zu 3), aber auch zum Beklagten zu 1) – nicht mit Einzelbegründungen zu den mit ihrem Unterlassungsbegehren angegriffenen zahlreichen weiteren Passagen aus dem Buch und den dazu jeweils denkbaren „Verbotsgründen“ befasst hat. Zum einen stützt sie sich u.a. gerade darauf, dass bei einer gebotenen Auslegung ihres Begehrens ohnehin ein umfassendes Verbot (auch) als nur „einheitlicher Antrag“ wegen einer groben Lebensbildverfälschung des Erblassers geboten sei. Das genügt den formalen Anforderungen an eine Berufungsbegründung selbst dann, wenn dieser Angriff - wie nachstehend zu zeigen ist – tatsächlich in der Sache nicht durchgreift. Zum anderen hat sich die Klägerin auf eine umfassende Umkehr der Darlegungs- und Beweislast für alle Behauptungen, Zitate und auf tatsächlichen Umständen beruhenden Werturteile in dem Buch berufen, was das angefochtene Urteil auch umfassend in Frage gestellt hätte und insofern den formalen Anforderungen an eine zulässige Berufungsbegründung ausreichend Rechnung getragen hat.
Der Klägerin stehen gegen den Beklagten zu 1) vertragliche Unterlassungsansprüche (nur) in ausgeurteiltem Umfang zu, wobei ein flankierender Antrag gemäß § 890 Abs. 2 ZPO nicht gestellt ist. Darüber noch hinausgehende, insbesondere deliktische Unterlassungsansprüche auf Basis des postmortalen Persönlichkeitsrechts des Erblassers, sind nicht gegeben.
110Somit haben sowohl die weitergehende Berufung der Klägerin als auch die auf vollständige Klageabweisung gerichtete Berufung des Beklagten zu 1) mit Blick auf das Unterlassungsbegehren jeweils im wesentlichen Kern keinen Erfolg, sondern nur mit Blick auf Einzelpunkte bei dem genauen Verbotsumfang.
111Dies beruht auf folgenden Überlegungen des Senats:
In austenoriertem Umfang bestehen vertragliche Unterlassungsansprüche gegen den Beklagten zu 1) aus § 280 Abs. 1 BGB.
Der Beklagte zu 1) ist dem Grunde nach dem Erblasser gegenüber vertraglich zur Geheimhaltung über die Inhalte und Umstände der Memoirenarbeiten verpflichtet. Darauf kann sich die Klägerin als Alleinerbin des Erblassers (§ 1922 Abs. 1 BGB) mit Blick auf den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch, der sich trotz des nur auf Schadensersatzansprüche bezogenen Wortlauts auf die gesetzliche Regelung in § 280 Abs. 1 BGB stützen lässt, berufen. Insbesondere ist die vertragliche Geheimhaltungsverpflichtung weder durch die Kündigung der Zusammenarbeit, die Aufhebungsvereinbarung des Beklagten zu 1) mit dem Verlag, den zwischenzeitlich recht langen Zeitablauf, den Tod des Erblassers noch durch sonstige Umstände in Wegfall geraten.
Das Bestehen einer Verschwiegenheitspflicht als sog. präjudizielle Vorfrage steht entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin nicht schon gemäß § 322 Abs. 1 ZPO aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung gegen den Beklagten zu 1) im Vorverfahren wegen Unterlassungsansprüchen betreffend 116 Buchpassagen rechtskräftig fest (vgl. den Hinweis des Senats vom 02.06.2022, S. 5 f. = Bl. 3586 f. d.A.). Unschädlich ist mit Blick auf § 322 Abs. 1 ZPO im Gegenzug auch, dass das Landgericht Köln im Vorverfahren wegen 116 Buchpassagen mit Urteil vom 27.04.2017 (14 O 261/16, juris) den weiteren gegen den Beklagten zu 1) gerichteten Antrag, diesem über die konkret angegriffenen Passagen hinaus zu untersagen, Zitate des Erblassers von den im damaligen Klageantrag zu 1) genannten Originaltonbandaufnahmen etc. in wörtlicher oder indirekter Rede zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen und/oder auf sonstige Weise zu nutzen, die erkennbar Teil der Lebenserinnerungen des Klägers sind und/oder persönliche Bewertungen des Klägers von Sachverhalten oder Personen darstellen, abgewiesen hat und diese Teilabweisung vom Erblasser nicht angegriffen worden ist. Denn diese Teilklageabweisung erfolgte nur durch sog. Prozessurteil wegen Bestimmtheitsbedenken (a.a.O., Rn. 99 ff.), so dass der hiesigen Sachentscheidung keine Rechtskraftwirkung entgegensteht.
Die Verschwiegenheitspflicht des Beklagten zu 1) gegenüber dem Erblasser bzw. der Klägerin - die sich vorliegend nicht auf die ohnehin nur auf Herausgabeansprüche beschränkte Abtretungserklärung des Verlages aus September 2014 (Anlage K 48, Bl. 3486 d.A.) berufen haben und nur eigene Ansprüche des Erblassers geltend macht - folgt allerdings nicht schon aus den Regelungen zur Geheimhaltung in dem Verlagsvertrag des Beklagten zu 1), dies etwa als eine Art konludenter Vertrag (auch) zu Gunsten des Erblassers (§ 328 BGB) bzw. als Vertrag (auch) mit Schutzwirkung zu Gunsten des Erblassers i.V.m. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB.
Dass sich die Geheimhaltungsregelung in § 8 des Verlagsvertrages des Beklagten zu 1) (Anlage K 2, Bl. 361 ff. AO I) auf den Vertragsabschluss als solchen und die Inhalte des Verlagsvertrages beschränkt und allein vertragliche Pflichten des Beklagten zu 1) dem Verlag als seinem Vertragspartner gegenüber begründet hat, hat der Senat schon im Vorverfahren ausgeführt, worauf zur Meidung von Wiederholungen Bezug genommen wird (Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, BeckRS 2018, 10541 Rn. 99 – 101; vgl. auch LG Köln v. 07.10.2014 - 28 O 434/14, BeckRS 2014, 19382 = Anlage OC 8, AO III sowie den unveröffentlichten Nichtabhilfebeschlusses vom 08.10.2014, Anlage OC 21, AO III). Die dagegen gerichteten Einwendungen der Klägerin greifen nicht durch: Für die bereits damals vom Senat vorgenommene Auslegung streitet – worauf auch der Beklagte zu 1) u.a. auf S. 4 des Schriftsatzes vom 01.02.2023 (Bl. 4307 d.A.) zu Recht hingewiesen hat – neben der insgesamt ungewöhnlichen „Dreiecks-Konstruktion“ der schriftlichen Absprachen des Erblassers und des Beklagten zu 1) jeweils nur mit dem Verlag ohne klare Regelung auch des Binnenverhältnisses zwischen Erblasser und Beklagtem zu 1) die Genese der endgültigen Fassung der korrespondierenden Geheimhaltungsregelung in § 15 des Verlagsvertrages des Erblassers (Anlage K 1, Bl. 344 ff. AO I): Die erste, unstreitig aus der Sphäre des Verlags stammende Fassung, die ebenfalls schon nur einen rein bilateralen Vertrag zwischen dem Verlag und dem Erblasser vorsah, beschränkte in § 15 Nr. 8 (Bl. 4089 d.A.) die Verschwiegenheitspflicht „alle(r) Beteiligten“ eindeutig auf den Vertragsschluss als solchen und auch dies nur „zunächst“, also bis zu weiteren Absprachen über die „schrittweise Veröffentlichung.“ Sinn und Zweck dieser eng formulierten Fassung war die (branchenübliche) Geheimhaltung des avisierten Buchprojekts durch den Verlag und hier speziell die bestmögliche Abschirmung des kapitalen „Coups“ des damals neu im Verlag tätigen Zeugen Dr. H., der den lange jedwede Memoirenarbeit von sich weisenden Erblasser für ein auflagenträchtiges Prestige-Projekt hatte gewinnen können. Die sonstigen Regelungen in dem ersten Entwurf und die in § 15 Nr. 3 ebenfalls bereits angedeutete gesonderte (rein bilaterale) Vertragsbeziehung zwischen dem Beklagten zu 1) und dem Verlag waren neben den das Projekt betreffenden – insbesondere finanziellen – Eckdaten ansonsten bestenfalls rudimentär angezeichnet. In den weiteren Vertragsverhandlungen - auch unter Nutzung der Expertise der vom Zeugen I. A. beauftragten anwaltlichen Beratung - blieb im Ausgangspunkt die Konstruktion jeweils nur bilateraler Absprachen des Erblassers bzw. des Beklagten zu 1) mit dem Verlag als eine Art „unvollendete Dreiecksbeziehung“ unangetastet. Rechtsbeziehungen zwischen Erblasser und Beklagtem zu 1) wurden bis auf die - eher unklaren - Passagen zur „direkten“ Besprechung der Zusammenarbeit“ (§ 1 Nr. 4 Satz 2 im Vertrag mit dem Beklagten zu 1); § 4 Nr. 3 Satz 3 im Vertrag mit dem Erblasser), auf die unten zurückzukommen ist, in den schriftlichen Verträgen nicht thematisiert. Im hier fraglichen Bereich der Vertraulichkeit erfolgte zwar eine inhaltliche Erweiterung der nunmehr vorbehaltlos abgefassten Geheimhaltungsklausel auf die „Bestimmungen dieses Vertrages“ in § 15 S. 1 des mit dem Erblasser geschlossenen Vertrages, dies mit einer Verpflichtung des Verlages dem Erblasser gegenüber zur Auferlegung von parallel laufenden Geheimhaltungspflichten an alle „mit der Leistungserfüllung dieses Vertrages in Kontakt kommenden Personen, insbesondere…“ dem Beklagten zu 1), der ausweislich dieser Formulierung selbst also gerade nicht einer der direkt im Vertrag selbst verpflichteten „Beteiligten“ aus § 15 S. 1 der Regelung war.
117Dass diese - mittels qualifizierter anwaltlicher Beratung im Hintergrund - von den Parteien geschaffene Regelung zugleich alle künftigen Informationen und persönlichen Einschätzungen des Erblassers erfassen sollte, welche der Beklagte zu 1) im Rahmen seiner Tätigkeit von diesem erhalten/erfahren würde, um auf Grundlage dessen an dem Manuskript zu arbeiten, also die (künftigen) Inhalte der Memoirenarbeit, ergibt sich weder aus dem weiterhin engen Wortlaut, der Systematik des Vertrages, seiner Genese noch aus dem Sinn und Zweck der Regelung und auch nicht aus den weiteren Bestimmungen des schlussendlichen Verlagsvertrages (siehe dazu im Detail bereits Senat a.a.O. m.w.N.). Denn trotz der gewissen Erweiterung der Klausel und dem Wegfall des Veröffentlichungsvorbehalts ging es bei dieser Regelung – insofern nach dem unbestritten gebliebenen Vorbringen auf S. 23 f. des Schriftsatzes der Beklagten zu 1) und 2) vom 02.07.2019 (Bl. 1002 f. d.A.) durchaus branchenüblich – jedenfalls primär weiterhin nur um den Schutz vor einem frühzeitigen Bekanntwerden des auflagenträchtigen Projekts in der Öffentlichkeit und/oder bei etwaigen Konkurrenten sowie – dies war zuletzt ergänzt – auch der für das Projekt maßgeblichen vertraglichen Grundlagen. Mag zwar letzteres sicherlich auch dem Vertraulichkeitsschutz des Erblassers gedient haben, dessen Rechte und Pflichten aus dem Verlagsvertrag (insbesondere finanzieller Art) damit ebenfalls nicht publik werden sollten, kann man die sprachlich weiterhin eng gefasste Regelung andererseits nicht ohne greifbare Anhaltspunkte weit über den Wortlaut hinaus auf die eigentlichen Inhalte der künftigen Memoirenarbeit erstrecken und zudem dabei noch unmittelbare Pflichten des am Verlagsvertrag des Erblassers selbst gar nicht beteiligten Beklagten zu 1) begründen. Dafür mag man zwar einwenden, dass (auch) der Verlag als alleiniger Vertragspartner jedenfalls bis zu einer – bis heute ausstehenden – Vollendung des Gesamtprojekts möglicherweise ein gewisses (aus Verlagssicht eher nur wirtschaftliches) Interesse gehabt haben mag, dass etwaige, noch nicht in bereits erschienenen oder zumindest bereits entworfenen Memoirenbänden „abgearbeitete“ Erkenntnisse aus der Zusammenarbeit „geleakt“ und/oder anderweitig für konkurrierende Dritt-Publikationen genutzt werden können, wie der Zeuge Dr. H. bei seiner Vernehmung durch den Senat am Rande - für sich genommen plausibel - ausgeführt hat (Bl. 4017 d.A.). Indes hat man weder im ersten Entwurf von Seiten des Verlages noch im endgültigen Vertragstext in der weiterhin sprachlich stark minimierten Klausel entsprechende Vorgaben (auch) in dieser Hinsicht festgehalten.
118Erst recht - und dies ist wichtiger - kann man der knappen Regelung aus dem nur zwischen dem Verlag und dem Beklagtem zu 1) geschlossenen Vertrag mangels Anhaltspunkten für ein weitergehendes Verständnis keine originären vertraglichen Rechte des - daran selbst nicht beteiligten - Erblassers entnehmen (und ebenso dem Vertrag des Erblassers mit dem Verlag keine Rechte/Pflichten des Beklagten zu 1) gegenüber dem Erblasser). Denn es blieb weiterhin bei der Konstruktion nur bilateraler schriftlicher Verträge zwischen dem Verlag und dem Erblasser einerseits bzw. zwischen dem Verlag und dem Beklagten zu 1) andererseits, mögen diese auch sichtlich inhaltlich sonst aufeinander abgestimmt gewesen sein. Die relative Wirkung der Schuldverhältnisse lässt sich u.a. auch an der Regelung in § 14 Nr. 3 S. 2, 2. Spiegelstrich (Vertrag mit dem Erblasser) erkennen, in der ein Kündigungsrecht des Erblassers seines Verlagsvertrages aus wichtigem Grund ausdrücklich nur bei einem Verstoß des Verlags gegen dessen Geheimhaltungsvereinbarung in § 15 vorgesehen war bzw. dann, wenn der Beklagte zu 1) seinen (dem Verlag gegenüber begründeten) Verpflichtungen zur schriftlichen Abfassung des Werkes nach den Vorgaben und Angaben des Autors nicht oder nur mangelhaft nachkommt. Auch hier ist eine - wie auch immer gelagerte - Geheimhaltungsvereinbarung des Beklagten zu 1) nicht thematisiert. Das im hiesigen Rechtsstreit maßgebliche Verhältnis zwischen dem Erblasser und dem Beklagten zu 1) als quasi „offene“ Seite der „Dreiecksbeziehung“ wurde in den schriftlichen Vertragstexten nur in den rudimentären Regelungen angedeutet, wonach der Erblasser und der Beklagte zu 1) in Ansehung der wechselseitigen Zusicherungen des Verlages, dass der Beklagte zu 1) persönlich die Abfassung des Werkes nach den Vorgaben und Angaben des Erblassers übernehmen, dieser im Gegenzug aber Einblick in relevante Unterlagen gewähren und mindestens 200 Stunden für Gespräche zur Verfügung stehen werde, alle „Einzelheiten der Zusammenarbeit … direkt besprechen“ sollten (§ 4 Nr. 2 des Vertrages des Erblassers, § 1 Nr. 4 des Vertrages des Beklagten zu 1). Dass man darüber hinaus dem Vertrag des Beklagten zu 1) mit dem Verlag eine (ungeschriebene) Wirkung (auch) zu Gunsten des Erblassers (§ 328 BGB) oder zumindest durch über §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB einklagbare Unterlassungsansprüche abzusichernde Schutzwirkungen (auch) zu Gunsten des Erblassers entnehmen können soll, vermag der Senat in Ansehung dessen weiterhin nicht zu erkennen. Die Regelung in § 15 des Verlagsvertrages des Erblassers, in der sich der Verlag diesem gegenüber vertraglich verpflichtet hat, auch dem Beklagten zu 1) eine „entsprechende vertragliche Verpflichtung auf(zu)erlegen“, lässt zwar im Ansatz erkennen, dass ein Interesse des Erblassers an einer Absicherung bestanden haben mag. Doch folgt daraus nicht, dass man deswegen dem dogmatisch nur inter partes wirkenden Vertrag des Beklagten zu 1) mit dem Verlag eine Art Drittwirkung oder zumindest drittschützende Wirkung zu Gunsten des Erblasser entnehmen können muss/darf. Ebenso wenig folgt daraus, dass sich in Verbindung mit einer extensiven Auslegung die sprachlich eng gefasste Klausel weit über ihren Wortlaut hinaus auf die Inhalte der Memoirenarbeiten erstrecken und ein Verstoß des Beklagten zu 1) dagegen dann eigene vertragliche Abwehransprüche des Erblassers begründen können sollte. Denn die Rechte und Pflichten sowohl des Beklagten zu 1) als auch des Erblassers sind jeweils nur „über den Verlag“ geregelt (mit wechselseitigen Zusicherungen des Verlags zur Rechteeinräumung in den meisten Fällen).
119An diesem Auslegungsergebnis ändert sich nichts dadurch, dass der vom Erblasser mit dem Entwurf der schriftlichen Verträge betraute Zeuge I. A. sich offenbar auch mit dem Vertrag zwischen Verlag und Beklagten zu 1) befasst bzw. man jedenfalls von der in dem Verlagsvertrag des Erblassers in § 4 Nr. 8 zu dessen Schutz enthaltenen Regelung zu dem Recht auf Verlangen von Vertragsanpassungen in dem gesonderten Verlagsvertrag des Beklagten zu 1) keinen Gebrauch gemacht hat. Diese Regelung lässt zwar aus Sicht des Senats erahnen, dass man versucht hat, eine weitgehende „Verklammerung“ der Einzelverträge zu schaffen und insbesondere der Anpassungsanspruch dem Erblasser weitgehende Einflussmöglichkeiten gewähren sollte, weil dieser klar „Herr des gesamten Verfahrens“ war und sein sollte. Diese Intention zeigt sich auch daran, dass die Weitergabe der gegenüber dem Erblasser vom Verlag gemachten mannigfachen „Zusicherungen“ im Fall des Austauschs des Beklagten zu 1) während der Memoirenarbeiten selbst mit Blick auf einen etwaigen Nachfolger in § 4 Nr. 9 a.E. des Verlagsvertrages des Erblassers vorgesehen war. Die Klägerin wendet zu Recht ein, dass in dem so geschaffenen Vertragsgeflecht nach dem „Geist“ der Verträge der Erblasser alle Fäden in der Hand halten sollte. Der zur höchstpersönlichen Leistungserbringung verpflichtete Beklagte zu 1) war durch die jederzeitige Kündbarkeit/Austauschbarkeit, seine Bindung an die Familie des Erblassers im Fall des Versterbens des Erblassers bzw. einer Erkrankung vor Projektende (siehe auch § 7 Nr. 2 des Verlagsvertrages des Beklagten zu 1)) und die weitreichenden Einsichts- und Letztentscheidungsbefugnisse des Erblassers so jedenfalls dem Verlag gegenüber eng und ohne eigene Spielräume fest eingebunden. Das allein führt aber dennoch nicht dazu, dass man deswegen die Geheimhaltungsregelungen im Vertrag des Beklagten zu 1) - dem Verlag gegenüber - derart weit auslegen kann, wie es die Klägerin versucht. Erst recht lassen sich aus diesem Vertrag keine direkten vertraglichen Ansprüche des Erblassers gegen den Beklagten zu 1) ableiten.
120Soweit die Klägerin demgegenüber die vertraglichen Geheimhaltungsregelungen so deuten möchte, dass man wegen der ausdrücklich vereinbarten Verschwiegenheitspflicht betreffend Vertragsschluss und Vertragsbedingungen quasi „erst recht“ nicht über die Mitwirkung des Beklagten zu 1) bei der Erstellung der Memoirenbände und damit in einem weiteren Schritt auch nicht über die Inhalte der Memoirenarbeit sprechen dürfe, welche man nur glaubwürdig nach außen publizieren könne, wenn man die Hintergründe aufdecke, so dass der Beklagte zu 1) „zwangsläufig § 8 seines Verlagsvertrages als die zentrale Hürde der Vertraulichkeit (habe) brechen“ müssen, erscheint auch dies dem Senat zu weitgehend. Eine solche Lesart verträgt sich zudem nicht mit der in den schriftlichen Verträgen vorgesehenen Möglichkeit einer zumindest „angemessen“ zu erfolgenden Berücksichtigung des nur auf dem Umschlag des Buchs nicht zu nennenden Beklagten zu 1) (vgl. § 13 Nr. 1 des Verlagsvertrages des Erblassers, § 2 Nr. 4 des Verlagsvertrages des Beklagten zu 1). Letztlich hat die Klägerin das Vorbringen u.a. auf S. 40 der Klageerwiderung der Beklagten zu 1) (Bl. 397 d.A.) nicht ausreichend substantiiert bestritten, wonach man zumindest zeitweise damals sogar angedacht hatte, den Beklagten zu 1) möglicherweise auf dem Umschlag zu benennen, davon aber u.a. auch auf dessen Wunsch hin Abstand genommen hat. Dass man in der gelebten Vertragsbeziehung bei Erscheinen von immerhin drei Memoirenbänden und dem „Tagebuch“ später ohnehin bewusst und einvernehmlich von jeder äußerlich erkennbaren Form der „Berücksichtigung“ des Beklagten zu 1) abgerückt ist und der Beklagte zu 1) bei seiner Anhörung klar gemacht hat, dass er schon zum eigenen Schutz (wegen der politischen Ausrichtung seiner Vorgesetzten beim G.) nicht mit dem Projekt in Verbindung habe gebracht werden sollen, trägt keine andere Sichtweise bei der Auslegung der ursprünglichen vertraglichen Grundlagen. Da es damit nicht auf die Einzelheiten der Urheberbezeichnung ankommt, können die zwischen den Parteien diskutierten Rechtsfragen rund um die Möglichkeit des Verzichts auf die Urheberbenennung (§ 13 UrhG), die Branchenüblichkeit derartiger Abreden und etwaige urheberrechtlichen Kündigungsmöglichkeiten dahinstehen.
121Dass jedenfalls das Vertragswerk - wie u.a. auf S. 37/63 f./65 f. der Klageschrift (Bl. 37/63 f./65 f. d.A.) angedeutet - nicht nur gegenüber dem Verlag, sondern auch unmittelbar zu Gunsten des Erblassers gewährleisten sollte, dass die Mitwirkung des Beklagten zu 1) vertraulich bleiben und die Autorenschaft des Erblassers an den Memoiren „niemals“ in Zweifel gezogen werden würde, hat man jedenfalls zusammenfassend so klar gerade nicht geregelt. Soweit die Klägerin zum einen noch darauf verweist, dass eine Konkurrenzschutz-Regelung für das Projekt nur in § 1 Nr. 4 des Verlagsvertrages des Erblassers vorgesehen worden ist, nicht im Verlagsvertrag des Beklagten zu 1), weil nach der Rollenverteilung ohnehin klar gewesen sei, dass eine Verwertung durch diesen fernliegend wäre, und zum anderen die jederzeitige Kündbarkeit/Austauschbarkeit des Beklagten zu 1) zur Meidung einer sonst drohenden Vertragszweckgefährdung für das Memoirenprojekt denklogisch mit einer Herausgabepflicht für Unterlagen/Materialien nebst flankierenden Verwertungsverboten bzw. Vertraulichkeitspflichten einhergehen müsste, ist dieser Aspekt nach dem Gesamtzusammenhang der Verträge zwar nicht ganz von der Hand zu weisen. Doch selbst wenn man daraus (ungeschriebene) Pflichten des Beklagten zu 1) gegenüber dem Verlag als seinem Vertragspartner ableiten wollte, trägt dies jedenfalls keine weitergehende Auslegung auch dahingehend, dass sich aus den bilateralen Regelungen mit dem Verlag zugleich entsprechende direkte vertragliche Ansprüche des Erblassers dem Beklagten zu 1) gegenüber begründen lassen.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht auch nicht zur Überzeugung des Senats i.S.d. § 286 Abs. 1 ZPO fest, dass die Beteiligten bei Abschluss der bilateralen Regelungen mit dem Verlag einen gemeinsamen, übereinstimmenden Willen zu weitergehenden (verklammernden) Regelungen gehabt haben, der in den schriftlichen Verlagsverträgen nur keinen bzw. nur unvollkommenen Niederschlag gefunden hat, nach allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen (falsa demonstratio non nocet; statt aller dazu Grüneberg/Ellenberger, BGB, 83. Aufl. 2024, § 133 Rn. 8 m.w.N.), für die Beteiligten aber dennoch bindend wäre. Die insofern verbleibenden Zweifel gehen zu Lasten der nach allgemeinen Grundsätzen (BeckOGK-BGB/Rehberg, Stand: 01.12.2023, § 119 Rn. 77) für derartige übereinstimmende (Fehl-)Vorstellungen der Beteiligten darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin. Aus ähnlichen Gründen scheidet eine ergänzende Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) aus. Insbesondere besteht keine nur auf diesem Weg zu schließende planwidrige Unvollständigkeit der (verlags-)vertraglichen Abreden (zu dieser Voraussetzung Grüneberg/Ellenberger, BGB, 83. Aufl. 2024, § 157 Rn. 3 m.w.N.) bzw. es ist – wie unten noch zu § 241 Abs. 2 BGB auszuführen sein wird – eine Heranziehung des dispositiven Gesetzesrechts möglich und dann vorrangig (a.a.O, Rn. 4).
123Zu einem entsprechenden gemeinsamen (Fehl-)Verständnis der verlagsvertraglichen Regelungen – insbesondere auf Seiten des Beklagten zu 1) – fehlt schon konkreter Vortrag der Klägerin, dies etwa auf S. 63 f. der Klageschrift (Bl. 63 f. d.A.) oder S. 3/12 des Schriftsatzes vom 02.07.2019 (Bl. 1012/1021 d.A.). Selbst wenn die Klägerin sich – wovon der Senat ausgeht – die in eine solche Richtung deutbaren Bekundungen des Zeugen Dr. H. zu eigen gemacht hat und man konstatiert, dass aus ihrer Sicht der Erblasser die verlagsvertraglichen Regelungen als „Dach“ über seinem Verhältnis mit dem Beklagten zu 1) verstanden haben soll, ist der Nachweis eines entsprechend allseitigen weiten Vertragsverständnisses nicht zur Überzeugung des Senats geführt.
124(aa)
125Dagegen streitet schon im Ansatz, dass die Klägerin den angeblichen Grundkonsens des Erblassers und des Beklagten zu 1) über eine vermeintlich strikte Vertraulichkeit der gesamten Memoirenarbeiten als eine „über allem schwebende conditio sine qua non“ selbst nicht an die verlagsvertraglichen Regelungen koppelt, zumal man unstreitig schon vor den Unterschriften unter die Verlagsverträge mit den Arbeiten an den Memoiren begonnen hatte. Nach dem Klägervortrag soll man sich im Vorfeld – dies nach „Ausloten“ und Abklären der Bereitschaft der Mitarbeit des Beklagten zu 1) auch nach einem gewissen Rollentausch vom freien Journalisten/Publizisten mit einem angedachten eigenen Buchprojekt hin zu einem Mitarbeiter an dem Memoirenprojekt des Erblassers – über die Vertraulichkeit geeinigt haben (Anhörung der Klägerin am 03.11.2022: „bevor wir in die Vertragsverhandlungen eingestiegen sind“, Bl. 4056 d.A.; „in der Vorphase der Verhandlung, jedenfalls bevor mein Mann I. A. mit der Vorbereitung der schriftlichen Verträge beauftragt hat“, Bl. 4058 d. A.). Schriftsätzlich wurde noch weitergehend davon gesprochen, dass man dem Erblasser im Vorfeld nicht weniger als ein Ehrenwort gegeben habe, wie dieser der Klägerin mehrfach versichert habe. Ausgehend davon hätte für eine (neuerliche) Regelung in den erst später abgeschlossenen Verlagsverträgen bzw. eine zu diesem Zeitpunkt herrschende gemeinsame Regelungsvorstellung zu diesen (mit anwaltlichem Beistand geschaffenen) Schriftwerken eigentlich schon im Ansatz kein Anlass (mehr) bestanden. Soweit die Klägerin eine beabsichtigte (zusätzliche) „Absicherung“ der im Vorfeld mündlich getroffenen Vertraulichkeitsabreden angedeutet hat bzw. ein entsprechendes Vorverständnis des Erblassers, die schriftlichen Regelungen seien das (verklammernde) „Dach“ über seinen Vorbesprechungen mit dem Beklagten zu 1) und hätten nur keine weitergehend zu formulierenden Regelungen mehr benötigt, finden sich dafür keine Anhaltspunkte.
126(bb)
127Ungeachtet dessen waren die Bekundungen des Zeugen Dr. H. nicht zur Überzeugungsbildung i.S.d. § 286 Abs. 1 ZPO geeignet. Dabei führte die Vereidigung des Zeugen nicht zu einem höheren Beweiswert seiner Bekundungen im Vergleich zu unbeeideten Bekundungen der anderen Zeugen (statt aller BayVerfGH v. 11.02.2009 - Vf. 87-VI-07, NJW-RR 2009, 1433) und/oder der Anhörung der Klägerin bzw. des Beklagten zu 1).
128Zwar hat der Zeuge Dr. H. erkennbar versucht, eine gewissenhafte Aussage zu machen und war entgegen der persönlichen Angriffe der Beklagten nicht auffallend eng und einseitig dem „Lager“ der Klägerin zuzuordnen, zu der er intensive Bindungen überzeugend von sich gewiesen hat. Zu würdigen war allein, dass der Zeuge menschlich tief enttäuscht von dem von ihm als „empörend“ (Bl. 4019 d.A.) empfundenen Verhalten des Beklagten zu 1) im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Buches war, was aber nicht per se schon durchgreifende Zweifel an der Richtigkeit seiner keinesfalls mit Belastungstendenzen gemachten Bekundungen aufwerfen musste. Entgegen der Auffassung der Beklagten zu 1) und zu 3) bestanden auch mit Blick auf seine erstinstanzlichen Bekundungen keine grundlegenden Glaubwürdigkeitsbedenken gegen den Zeugen (siehe auch Schreiben der StA Köln, Anlage OC-B1, Bl. 3189 ff. d.A. Anlage K 42, Bl. 2060 d.A.).
129Indes ließ sich den Bekundungen des Zeugen nicht hinreichend klar und sicher entnehmen, dass damals alle Beteiligten (also der vom Zeugen vertretene Verlag, der Erblasser und der Beklagte zu 1)) eine gemeinsame (Fehl-)Vorstellung von einer über den Wortlaut der schriftlichen Verträge hinausgehenden Reichweite der Regelungen zur Geheimhaltung hatten und dabei insbesondere auch eine Begründung von Rechten und Pflichten der an den bilateralen Verlagsverträgen jeweils formal gar nicht beteiligten jeweils anderen Partei beabsichtigt haben. Zwar vermochte der Senat den Bekundungen des Zeugen Dr. H. zu entnehmen, dass dieser (als Vertreter des Verlags, § 166 BGB) die vertraglichen Regelungen weit über den Wortlaut hinaus auch auf die Inhalte der Memoirenarbeit bezogen hat („für mich seinerzeit klar“, Bl. 4011 d.A.; „ich bin damals davon ausgegangen, dass durch die Regelung in § 8 des Vertrages eine umfassende Vertraulichkeit gewährleistet sei“, Bl. 4015 d.A.; „Es war für mich vollkommen klar, dass von Seiten Helmut Kohls die absolute Vertraulichkeit gewünscht war“, Bl. 4016 d.A.; „Mir war völlig klar, dass Herr Dr. Kohl von einer umfassenden Vertraulichkeitsvereinbarung ausging.“/“Aus meiner Sicht war Herrn Dr. Kohl klar, dass eine umfassende Vertraulichkeit auch in Bezug auf die Memoiren-Gespräche vorausgesetzt war“/“Aus meiner Sicht stellte es sich als eine umfassende Vertraulichkeitsvoraussetzung dar“, Bl. 4017 d.A.; „ich hielt zwar auch § 8 des hier vorliegenden Vertrages für ausreichend, hätte allerdings selber eine umfassendere Vertrauensschutzformulierung gewählt“, Bl. 4020 d.A.; „nach meinem Verständnis (war) klar…, dass … die Vertraulichkeit bereits in den beiden Verträgen geregelt war, auch die Vertraulichkeit im Verhältnis zwischen Herrn Dr. Kohl und Herrn Dr. X. (…) Die Vertragspartner gingen davon aus, dass alles geregelt sei, aus Sicht von Herrn Dr. Kohl erschien es nicht nötig, das alles nochmal zu regeln“ (Bl. 4025 d.A.); in erster Instanz: „Mit schien das Thema Geheimhaltung eindeutig geregelt“, S. 908 R d.A.; „Ich hatte zu keiner Phase Zweifel daran, dass zwischen den Beteiligten eine komplette Vertraulichkeit vereinbart worden ist“, Bl. 909 d.A.: „Wir waren allesamt der Meinung, dass auch die Vertraulichkeit des Inhalts der Memoirengespräche durch die Klausel in § 8 des Vertrages eindeutig abgedeckt war“, Bl. 909 R d.A.). Der Zeuge hat „immer wiederkehrende“, seitens des Beklagten zu 1) – an dessen ausdrückliche Zustimmung der Zeuge sich jedoch schon nicht erinnern konnte (Bl. 4022 d.A.) – unwidersprochen gebliebene Äußerungen des Erblassers angeführt. Dies hat der Zeuge insgesamt so gedeutet, dass die umfassende Vertraulichkeit auch bezüglich der Inhalte der Memoirenarbeiten als „Essential“ (Bl. 4011 d.A.) über allem schwebte bzw. der Beklagte zu 1) aus Sicht des Erblassers und des Verlags andernfalls für die Vertragsdurchführung nicht (mehr) in Frage gekommen wäre bzw. man sogleich „den Stecker gezogen“ hätte (Bl. 4011/4017 d.A.).
130Dass eine solche (Fehl-)Vorstellung des Zeugen Dr. H. von Reichweite und Umfang der vertraglichen Einigung aber tatsächlich vom Erblasser und vor allem auch vom Beklagten zu 1) geteilt worden ist, lässt sich auf Basis der Zeugenaussage keinesfalls feststellen: Zum einen konnte der Zeuge sich weder an halbwegs konkrete Inhalte von auf ein derartiges gemeinsames Vertragsverständnis hindeutenden Äußerungen der anderen Beteiligten - insbesondere in den beiden Gesprächen mit allen drei Beteiligten im Juni 1999 und bei der Vertragsunterzeichnung im November 1999, bei der man aber ohnehin nicht über den Vertragsinhalt diskutiert haben soll (Bl. 4015 d.A.), aber auch nicht in Einzelgesprächen mit den Vertragspartnern – erinnern. Er hat nur das angeblich wiederkehrende „Mantra“ des Erblassers „Das bleibt (aber) unter uns“ als Bestandteil von Gesprächen auch mit dem Beklagten zu 1) „vermuten“ wollen (Bl. 4017d.A.). Teilweise hat der Zeuge mit einer Art Typizität von Vertrauenserwartungen argumentiert (wie etwa, dass es „ganz typisch“ für Memoiren von Staatsmännern sei, dass sie auf Vertraulichkeit Wert legen, Bl. 4012 d.A.; es „absolut der Logik (entspreche), dass dann, wenn ein Staatsmann Memoiren veröffentlicht, eine umfassende Vertraulichkeit allseits vorausgesetzt wird“, Bl. 4015 d.A. oder es für den Erblasser „typisch (war), dass er die „totale Kontrolle“ ausübte, Bl. 4021 d.A. oder der Zeuge nur „das Gefühl“ hatte, dass der Erblasser sich im „geschützten Bereich“ befand und sich deswegen nach der „Einschätzung“ des Zeugen nicht habe vorstellen können, dass unautorisierte Veröffentlichungen erfolgen würden, Bl. 4021 f. d.A.). Soweit der Zeuge - ähnlich wie bereits in erster Instanz - erst gegen Ende seiner Aussage auf Vorhalt plötzlich eine vermeintlich „klare Erinnerung“ entwickelt hat, dass anlässlich des sog. Dreiergesprächs mit ihm, dem Erblasser und dem Beklagten zu 1) im Juni 1999 thematisiert worden sei, dass der Inhalt der kommenden „Memoirengespräche“ ebenfalls vertraulich behandelt werden sollte und der Zeuge – auch auf Vorhalt seiner erstinstanzlichen Aussage (Bl. 910 f. d.A.) – ungeachtet der offenbar weiterhin fehlenden Erinnerung an auch nur halbwegs konkrete Formulierungen – (wie in erster Instanz, Bl. 910 R d.A.; „allgegenwärtiger Kontext und selbstverständlicher Subtext in allen Gesprächen“ mit einer „ausdrücklich(en)“ Verbalisierung des Themas) nur gemeint hat, dass man „damals jedenfalls die besondere Vertraulichkeit klar erklärt hat“ (Bl. 4024 d.A.), erlaubte schon dieses Aussageverhalten in so zentralen Fragen keine hinreichend tragfähigen Feststellungen; insgesamt blieben die Bekundungen zu vage, um zu überzeugen.
131Im Übrigen schien der Zeuge wie schon in erster Instanz inhaltlich nicht zwischen der (unstreitigen) Geheimhaltung des Prestigeprojekts und seiner Vertragsgrundlagen einerseits (wie im Verlagsvertrag angelegt) und der weitergehenden Geheimhaltung auch der Inhalte der Memoirenarbeiten andererseits trennen zu können. Dass man das Prestigeprojekt als solches damals tatsächlich geheim gehalten, im Verlag intern unter dem Tarnnamen „Michael Josef“ geführt und erst kurz vor Erscheinen des fiktiven „Tagebuchs“ mittels eines überraschenden Auftritts des Erblassers auf der Vertreterkonferenz publik gemacht hat, steht außer Frage. Auch steht außer Frage, dass der Erblasser sich damals frei von jeder Einflussnahme durch Dritte mit dem für ihn wichtigen Projekt die Deutungshoheit über sein politisches Erbe sichern wollte. Der Zeuge will dem Erblasser selbst „absolute Vertraulichkeit“ und ein Projekt in einem „geschützten Bereich“ aktiv „zugesichert“ haben, doch bezog sich dies ersichtlich auf die eigene (inhaltliche) Unabhängigkeit des Zeugen und auf eine vom Erblasser befürchtete Einflussnahme der Verlagsgesellschafter. Es ging um die Abschirmung des Projekts nach außen und um die Meidung des frühzeitigen Durchsickerns des prestigeträchtigen Coups (Bl. 4016 d.A., siehe auch erstinstanzliche Vernehmung, Bl. 909 d.A.). Weitergehende Zusicherungen zu einer umfassenden Vertraulichkeit auch des Beklagten zu 1) gegenüber dem Erblasser konnte der Zeuge Dr. H. kaum geben, zumal er in die vorbereitenden Gespräche zwischen dem Beklagten zu 1) und dem Erblasser nicht eingebunden war und sich nicht erinnern konnte, mit dem Beklagten zu 1) überhaupt über Vertragsentwürfe näher gesprochen zu haben (Bl. 4020 d.A.). Auch in erster Instanz sind von ihm allein Verhandlungen über Zahlungen und die Garantiesumme angesprochen worden (Bl. 909 R d.A.), nicht aber betreffend weitgehende Geheimhaltungspflichten, die einem im politischen Bereich langjährig tätigen Journalisten/Publizisten wie dem Beklagten zu 1) vielleicht selbst nicht so selbstverständlich erscheinen mochten, worauf unten noch zurückzukommen ist. Soweit der Zeuge Dr. H. nach seiner erstinstanzlichen Vernehmung zwar „selbstverständlich“ auch die Vertraulichkeit der „Memoirengespräche“ mit dem Beklagten zu 1) besprochen haben und deswegen in § 8 des Vertrages entsprechend niedergelegt haben will, konnte er sich an Einzelheiten der streitigen Absprache schon damals nicht erinnern (Bl. 909 R d.A.) und hat bei seiner Vernehmung durch den Senat dazu keine näheren Angaben machen können; überzeugend war auch dies nicht. Dass die Klausel das schon dem Wortlaut nach nicht hergibt, wurde oben bereits ausgeführt.
132Insgesamt hat der Senat den Eindruck gewonnen, dass der Zeuge Dr. H. der Vertragsgestaltung im Detail - nachdem das Prestigeprojekt für den Verlag einmal sprichwörtlich „an Land gezogen“ und zumindest in den wirtschaftlichen Eckdaten hinreichend geklärt war - offenbar nicht mehr allzu viel Raum gewidmet zu haben scheint. Nachdem er mit der Bitte des Erblassers bzw. des von diesem betrauten Zeugen I. A. nach dem Einschalten anwaltlicher Beratung konfrontiert worden war, dies als „ungewöhnlich“, aber als „kein Drama“ empfunden (Bl. 4014 d.A.) und dem deswegen zugestimmt hatte, hat er - zumal man wegen der wesentlichen Eckdaten im Übrigen ohnehin wenig Spielraum für ein Weiterverhandeln sah – die übermittelten Entwürfe nach eigener Prüfung sowie Prüfung durch den Co-Geschäftsführer bzw. durch die (nicht mit Juristen besetzte) Vertragsabteilung des Verlages ohne „Beanstandungen“ akzeptiert (Bl. 4015 d.A.) bzw. allenfalls ihm nicht mehr im Detail erinnerliche „kleine Änderungen“ (Bl. 4019 d.A.) eingebracht, weil man im Wesentlichen kein „Haar in der Suppe“ gefunden hatte (Bl. 4020 d.A.). Hat er also ersichtlich mehr oder weniger die Vorarbeiten des Zeugen I. Kohls „durchgewunken“, war der Zeuge Dr. H. speziell in der Frage einer umfassenden Vertraulichkeit - die aus Sicht des Erblassers ohnehin wichtiger gewesen sein dürfte als aus Sicht des Verlags -, augenscheinlich wenig sensibilisiert. Soweit der Zeuge bekundet hat, dass er bei einer Vertragsgestaltung nur durch den Verlag eine „wasserdichte“ Formulierung in Bezug auf den Vertrauensschutz mit einer „weitergehendere(n) Vertraulichkeitserklärung“ vorgesehen hätte (Bl. 4020 d.A.), erscheint dies sogar fernliegend, nachdem der erste Entwurf aus der Feder des Verlages – wie gezeigt – sogar eine sprachlich noch ungleich engere Geheimhaltungsregelung hatte als sie im schlussendlichen Entwurf enthalten war. Dass im Verlag offenbar damals Detailfragen wie diesen wenig Aufmerksamkeit entgegengebracht worden ist, zeigt sich auch daran, dass man von Seiten des Verlages die Mitarbeit des Zeugen Dr. R. gänzlich ungeregelt gelassen und mehr oder weniger nur auf „Zuruf“ des Erblassers diesem nach Erscheinen des ersten Memoirenbandes auf einfache Rechnung hin ein nicht unerhebliches Honorar in Höhe von 25.000 EUR überwiesen hat (Bl. 4019 d.A.). Wäre die beabsichtigte Regelungsdichte so eng gewesen, wie der Zeuge Dr. H. bekundet hat, hätte man gemäß § 15 des Verlagsvertrages des Erblassers dem mit der „Leistungserfüllung“ in Kontakt kommenden Zeugen Dr. R. - der nach nunmehr unstreitigem Vorbringen ca. 80 Seiten des ersten Bandes der Memoiren vorverfasst hat, so dass sich durchaus auch urheberrechtliche Fragen hätten stellen können - eine „entsprechende vertragliche Verpflichtung“ auferlegen müssen. Das hat man gerade nicht getan, ohne dass sich der Zeuge Dr. H. dazu erklären konnte. Der Zeuge konnte dem Senat nicht einmal Sinn und Zweck der im Vertrag mit dem Beklagten zu 1) enthaltenen Klausel unter § 2 Nr. 4 zur „angemessenen Berücksichtigung“ der Arbeit des Beklagten zu 1) in den Memoiren des Erblassers (ohne Titelblattnennung) aus Verlagssicht erläutern (Bl. 4024 f. d.A.); die finanzielle Berücksichtigung war jedenfalls eindeutig an ganz anderer Stelle im Vertrag geregelt und hatte damit sichtlich nichts zu tun. Die Bekundungen des Zeugen Dr. H. in erster Instanz, wonach es um das wichtigste Sachbuch-Projekt des Verlages gegangen sei und es daher nicht wichtig gewesen sei, Vertragsformulare des Verlages „auf jeden Fall durchzubringen“ (Bl. 908 R d.A.), weil man ohnehin „absolute Vertraulichkeit und Geheimhaltung von A bis Z“ gewahrt und das Projekt auf jeden Fall für den Verlag habe sichern wollen, sprechen auch vor diesem Hintergrund dafür, dass sich der Zeuge möglicherweise nicht immer über Sinn und Reichweite bestimmter Regelungen, insbesondere der primär doch eher im Interesse des Erblassers liegenden Vertraulichkeitsregelungen Gedanken gemacht hat. Der Zeuge hat an anderer Stelle sogar - wenn auch bezogen auf den Fall des erfolgreichen Abschlusses des Projekts und das Schicksal der bei den Arbeiten in die Hände des Beklagten zu 1) gelangten Materialien - gemeint, dass das Verhältnis von Erblasser und Beklagtem zu 1) ohnehin „ja nicht das Thema des Vertrages zwischen dem Verlag“ und dem Beklagten zu 1) gewesen sei (Bl. 4018 d.A.). Auch dies konterkariert seinen sonst eingenommenen Standpunkt und zeigt, dass es auch ihm von Anfang an selbst kaum um dreiseitige allumfassende Regelungen gegangen sein kann.
133Der Senat verkennt ausdrücklich nicht, dass der Zeuge Dr. H. immerhin die wiederkehrende „Standardformulierung“ des Erblassers bzw. dessen „Mantra“ bei den Vertragsverhandlungen „Das bleibt aber (alles) unter uns“ (Bl. 4016/4017/4022/4024 d.A.) plastisch beschrieben hat. Doch kann dies - zumal es je nach Kontext auch auf die anfängliche Geheimhaltung des Projekts und dessen Konzeptionierung frei von Einflussnahme Dritter bezogen gewesen sein könnte – nicht als hinreichend tragfähiger Anhalt für die Annahme gemeinsamer (Fehl-)Vorstellungen aller Beteiligten von den Inhalten der Verlagsverträge bezogen werden, zumal der Zeuge Dr. H. sich jedenfalls zunächst nicht erinnern konnte, dass der Erblasser die Formulierung überhaupt auf die Inhalte der künftigen Memoirenarbeiten bezogen hat und der Erblasser ansonsten damals selbst beabsichtigt hatte, das Memoirenprojekt als solches erst später der Öffentlichkeit gegenüber zu kommunizieren (Bl. 4017 d.A.).
134Insgesamt spricht zusammenfassend mehr für einen Irrtum bzw. ein Missverständnis des Zeugen Dr. H., wie es der Beklagte zu 1) u.a. auf S. 23 f. des Schriftsatzes vom 02.07.2019 (Bl. 1002 f. d.A.) auch angedeutet hat: Der Zeuge hat zwar zu einer Vorbesprechung mit dem Zeugen I. A. und dem Erblasser am 22.07.1999 bekundet, dass man das „Thema Vertraulichkeit“ besprochen und der Zeuge I. A. dem Erblasser erklärt habe, dass dieser „bei der Durchführung der geplanten Verträge absolut abgesichert sei und dass er jederzeit die Zusammenarbeit beenden könne“ (Bl. 4014 d.A.). Das deckt sich mit den erstinstanzlichen Bekundungen des Zeugen Dr. H. (Bl. 909 R d.A.), konnte sich auch der Zeuge I. A. an diese Äußerungen bei seiner Vernehmung nicht mehr erinnern (Bl. 4109 d.A.). Ferner hat der Zeuge Dr. H. jedenfalls auf Vorhalt ausdrücklich bekundet, dass der Zeuge I. A. ihm gegenüber bereits Anfang Juli 1999 die Frage einer Vertraulichkeit auch betreffend die Inhalte der Memoirenarbeit angesprochen habe (Bl. 4024 d.A.; siehe auch erstinstanzlich „Bei jedem der Gespräche“, Bl. 909 d.A.). Ungeachtet der Tatsache, dass der Beklagte zu 1) an diesen Gesprächen unstreitig ohnehin nicht beteiligt war und sich daher keine Anhaltspunkte für ein entsprechendes weitergehendes Vorstellungsbild von den damals noch nicht einmal in einer Entwurfsfassung verschriftlichten Verlagsverträgen auch bei diesem daraus ergeben könnte, folgt aus diesen Umständen nicht, dass bei der schlussendlichen schriftlichen Fassung der Verlagsverträge der Zeuge I. A. bzw. der Erblasser weiterhin einen entsprechenden weitergehenden Regelungswillen gehabt haben und dieser zumindest aus deren Sicht in die (lückenhaften) Verlagsverträge hineinzulesen wäre.
135(cc)
136Denn der Zeuge I. A. hat im Gegenteil überzeugend bekundet, dass man schlussendlich aus seiner Sicht (und damit auch aus Sicht des Erblassers) gerade keine umfassende Verschwiegenheitsverpflichtung des Beklagten zu 1) dem Erblasser gegenüber (mehr) in den schriftlichen Verlagsverträgen hat niederschreiben wollen.
137Der dem Senat ausgesprochen glaubwürdig erscheinende Zeuge, der bei seiner Vernehmung überaus deutlich gemacht hat, mit beiden Seiten endgültig „über Kreuz zu liegen“, hat detailreich, überzeugend und glaubhaft bekundet, dass er als eine Art „Assistent“ (Bl. 4099 d.A. unter Verweis auf das vom Zeugen selbst veröffentlichte und zu den Akten gereichte Buch im Schutzumschlag auf Bl. 4125 d.A.) des an vielen praktischen Aufgaben nicht interessierten Erblassers für diesen u.a. die Vertragsverhandlungen zum Memoirenprojekt übernommen hat. Der Zeuge hat mangels eigener Erfahrung anwaltliche Beratung in Anspruch genommen, auch um auf Bitten des Erblassers nach dem Kennenlernen des Beklagten zu 1) das „Gesamtpaket“ - also die vertragliche Einbindung des Beklagten zu 1), nämlich den Inhalt des Vertrages des Beklagten zu 1) mit dem Verlag - abzustimmen, nachdem der Erblasser das Projekt nur vorbesprochen und ins Auge gefasst hatte (Bl. 4100 d.A.). Der Zeuge I. A. hat betont, dass man zur Abdeckung der besonderen Konstellation nicht auf Standardverträge (etwa des Verlages) zurückgreifen konnte und man auch wegen der Rechteübertragungen/-ausübungen auf das Konstrukt zweier bilateraler Verträge mit dem Verlag gekommen ist (Bl. 4106 d.A.). Er konnte nicht mehr angeben, ob der von ihm im Hintergrund eingeschaltete anwaltliche Berater auch (ggf. gesonderte) vertragliche Regelungen zwischen dem Erblasser und dem Beklagten zu 1) vorgeschlagen hat (Bl. 4109 d.A.); zu solchen Regelungen oder einer klaren dreiseitigen Abrede kam es - wie gezeigt - im Folgenden nicht. Während der Zeuge mit Blick auf seine Erfahrungen mit Vertraulichkeitsvorgaben aus dem Bankenbereich anfangs (auch nach der anwaltlichen Erstberatung) noch eine klare „„360 Grad“-Regelung“ mit einer umfassenden Vertraulichkeitsvereinbarung als „Globalgeschichte … über alles“, was der Beklagte zu 1) erfahre, für die künftig abzustimmenden vertraglichen Regelungen angedacht hatte (Bl. 4106 d.A.) und er deswegen mit dem Zeugen Dr. H. bei den Vorgesprächen – im Einklang mit dessen Bekundungen – eine solcherart umfassende Vertraulichkeit angesprochen hat, welche aus Sicht der beiden Gesprächspartner dann in der Tat förmlich „über allem schwebte“ (Bl. 4107 d.A. und Bl. 4110 d.A.), blieb der Zeuge I. A. im Folgenden dabei ausdrücklich nicht stehen: Er hat nachvollziehbar bekundet, dass er auf klaren Wunsch des Erblassers bei der Entwurfsgestaltung keine solche Regelung in die Verlagsverträge aufgenommen und Vertraulichkeitsfragen – weil er seinem Vater nicht habe vorgreifen wollen – auch nicht mit dem Beklagten zu 1) besprochen hat (Bl. 4107 d.A.). Der Zeuge I. A. hat plastisch gemacht, dass er zwar schon das Verhandlungsverhalten des Beklagten zu 1) mit dem Erblasser und dem Verlag bezüglich der Honorierung als „gierig“ empfunden, dies als kein „gutes Omen“ verstanden und den Erblasser deswegen vor dem Beklagten zu 1) gewarnt habe (Bl. 4100/4103 d.A.). Der Erblasser habe ihn jedoch auf ein bereits zuvor mit dem Beklagten zu 1) getroffenes „handshake-agreement“ verwiesen (Bl. 4102 f./4104 d.A.). Gleiches sei später bei mehrfachen Ansprachen und einem Drängen auf einen zumindest nachträglichen Abschluss entsprechend klarer schriftlicher Regelungen (nebst Vertragsstrafen) zur Vertraulichkeit durch den Zeugen I. A. geschehen, außerdem durch den Zeugen K. A. und den zudem - worauf unten zurückzukommen sein wird - eingeschalteten anwaltlichen Freund und dauernden Berater des Erblassers, Herrn Rechtsanwalt Dr. XY.-CG., dies insbesondere mit Blick auf die aus Sicht des Zeugen I. A. schier „apokalyptischen“ Erfahrungen seiner Familie im Zuge der sog. Spendenaffäre und den vom Beklagten zu 1) bei der Zusammenarbeit mit dem Erblasser erlangten großen „Wissensfundus.“
138Zweifel des Senats an diesen grundehrlichen Bekundungen des Zeugen zu einem solcherart auf ausdrücklichen Wunsch des Erblassers beschränkten Regelungsumfang in den Verlagsverträgen - was sich auch mit deren Wortlaut deckt - bestehen nicht. Jedenfalls deswegen muss eine weite Auslegung der Reichweite der Verlagsverträge im Sinne der Klägerin ausscheiden. Zwar will der Zeuge I. A. das Abstandnehmen von der „360-Grad-Regelung“ zur Vertraulichkeit damals „sicherlich mal am Rande“ auch dem Zeugen Dr. H. mitgeteilt haben (Bl. 4110 d.A.). Dies mag diesem unter Umständen aber nicht mehr ausreichend klar geworden sein und die angesprochene Fehlvorstellung des Zeugen Dr. H. als Irrtum über die Reichweite der Vertragsregelungen mitverursacht haben. Der Zeuge I. A. hat aber – und das ist für den Senat wichtig - jedenfalls deutlich gemacht, dass die Regelung in § 15 des Verlagsvertrages des Erblassers bewusst nur als „minimalistische Klausel“ mit einem „Stillschweigen nur für den Vertragsschluss sowie die Bestimmungen des Vertrages vereinbart“ worden ist, weil der Erblasser sich ansonsten eben durch das von ihm angeführte „handshake-agreement“ abgesichert gefühlt habe (Bl. 4108 d.A.); nichts anderes gilt folgerichtig für die korrespondierende Regelung im Vertrag des Beklagten zu 1). Für die Annahme einer weitergehenden übereinstimmenden (Fehl-)Vorstellung aller Vertragsparteien vom Inhalt der Verlagsverträge ist mit Blick darauf kein Raum. Zweifel an den Bekundungen des Zeugen ergeben sich insbesondere nicht daraus, dass sich dieser auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen hat und dies vom Senat als unberechtigt zurückgewiesen worden ist. Es bedarf keiner Festlegung des Senats, ob und wie man eine erfolglose Berufung auf ein Zeugnisverweigerungsrecht im Rahmen der Würdigung gemäß § 286 Abs. 1 ZPO verwerten darf (vgl. allgemein Musielak/Voit/Huber, ZPO, 20. Aufl. 2023, § 383 Rn. 10 und Zöller/Greger, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 383 Rn. 7; siehe zu § 384 ZPO BGH v. 18.10.1993 - II ZR 255/92, NJW 1994, 197 und offen BGH v. 27.07.2017 – I ZR 68/16, NJW 2018, 68 Rn. 28). Denn soweit der Zeuge I. A. – ebenso wie sein Bruder, der Zeuge K. A. – in den Ausführungen des anwaltlichen Beistandes im Streit um seine Zeugnisverweigerung die Befürchtung geäußert hat, dass der nach dem Beweisbeschluss im Raum stehende Verzicht seines Vaters auf klare schriftliche Vertraulichkeitsregelungen diesem zur Unehre gereichen könne, weil er als jemand erscheinen könne, der nach Ausscheiden aus seinen Ämtern möglicherweise naiv Macht und Einflussmöglichkeiten verkannt habe und schweren Fehleinschätzungen über die Loyalität seiner Gesprächspartner unterlegen sei (Bl. 3772 d.A.), wirft dies keine Zweifel am Wahrheitsgehalt der damit in Einklang stehenden Bekundungen des Zeugen auf, sondern bestätigt diese im Gegenteil nur in sich stimmig und konsistent.
139(dd)
140In Ansehung dessen kam es auf die zum eigenen Vertragsverständnis klar gegenteiligen Angaben des Beklagten zu 1) bei seiner informatorischen Anhörung am 29.11.2022 (Bl. 4184 ff. d.A., speziell zum Verlagsvertrag Bl. 4189/4191 d.A.), auf die später in anderem Zusammenhang zurückzukommen ist, nicht mehr an. Soweit Zweifel an einer wahrheitsgetreuen Darstellung durch den Beklagten zu 1) aufgekommen sind, führt dies in Ansehung der glaubhaften Bekundungen des Zeugen I. A. jedenfalls zu keinem der Klägerin günstigeren Beweisergebnis. Auch auf die erstinstanzlichen Bekundungen des Zeugen K. Kohls – die unten ebenfalls noch in anderem Zusammenhang zu würdigen sind – kam es nicht mehr an.
Selbst wenn man das zu (b) Gesagte anders bewerten wollte, kommt als weiteres Argument hinzu, dass jede Konstruktion von Unterlassungsansprüchen über den Verlagsvertrag des Beklagten zu 1) ohnehin daran scheitern muss, dass man mit der nur beschränkt Rechte und Pflichten aus dem Verlagsvertrag und den verschiedenen Nachträgen fortschreibenden Aufhebungsvereinbarung zwischen dem Verlag und dem Beklagten zu 1) aus Oktober 2009 (Anlage OC 9, AO III) schon in Ansehung der umfassenden Abgeltungsregelung in Nr. 4 der Abrede (insbesondere ohne Abstimmung zu der Fortgeltungsregelung für die dort geregelten Rechte in § 2 Nr. 7 des Verlagsvertrages des Beklagten zu 1) vertraglichen Ansprüchen auf Einhaltung einer Verschwiegenheit die Grundlage entzogen hätte.
142Diese Aufhebungsvereinbarung war – anderes wendet die Klägerin auch nicht ein – wirksam: Aus der Auslegungsregelung in § 328 Abs. 2 BGB ergibt sich nach den Umständen des Falles nichts anderes, mag oft auch eine unabänderliche Einräumung von Rechten zu Gunsten eines Dritten dem von den Parteien vereinbarten Zweck entsprechen (statt aller BeckOGK-BGB/Mäsch, Stand: 01.10.2023, § 328 Rn. 58). Denn eine solcherart gesicherte Rechtsposition des Erblassers macht die Klägerin auf den Einwand der Beklagten, die auf die Vertragsaufhebung mehrfach hingewiesen haben schon nicht geltend. Im Übrigen hatte der Zeuge Dr. H. zwar zunächst keine Erinnerung daran, ob er den Erblasser seinerzeit überhaupt in die Verhandlungen über den Aufhebungsvertrag einzubinden versucht hat, meinte im Verlauf seiner Vernehmung aber, eine vorherige grundsätzliche Absprache aus den Umständen und der mit dem Beklagten zu 1) vereinbarten 30-Stunden-Übergaberegelung (Nr. 2 des Vertrages) rückschließen zu können (Bl. 4018 f. d.A.). Die Klägerin selbst konnte schon eine solche vorherige Rückfrage gerade nicht bestätigen (Bl. 4060 d.A.). Jedenfalls streiten die unklaren Bemühungen des Zeugen Dr. H. in der Gesamtwürdigung nicht für die Annahme einer absolut unveränderlichen Position, zumal man die Mitwirkung an der genauen Endfassung der Vereinbarung auch selbst nach den Bekundungen des Zeugen offenbar allseits als entbehrlich angesehen hat. Soweit der Zeuge bekundet hat, sich darum bemüht zu haben, den Beklagten zu 1) mit einer „Fortgeltungsklausel in Bezug auf die Vertraulichkeitsklausel“ zu binden, was dieser abgelehnt habe, worauf sich der Verlag „ungerne“, aber im Bemühen um das Primärziel der Beendigung der Zusammenarbeit eingelassen habe (Bl. 4018 d.A.), folgt auch daraus nichts anderes. Dass die Bekundungen des Zeugen – die der Beklagte zu 1) bei seiner Anhörung in Abrede gestellt hat, weil er ausschließlich Honorierungsfragen diskutiert haben will (Bl. 4194 f. d.A.) - vage geblieben sind und wenig zu überzeugen vermochten, ändert am gefundenen Auslegungsergebnis nichts.
Aus ähnlichen Gründen wie zu (2) (b) ausgeführt, kann sich die Klägerin auch nicht auf eine über den schriftlichen Verlagsverträgen schwebende, weitergehende dreiseitige (mündliche) Vertragsabrede zwischen Verlag, Erblasser und Beklagten zu 1) stützen, aus der sich weitergehende Verschwiegenheitspflichten ableiten sollen, wie u.a. auf S. 36/37 der Klageschrift (Bl. 36/37 d.A.) angedeutet. Selbst wenn man annehmen wollte, die Klägerin habe sich die ggf. auch in diese Richtung deutbaren Bekundungen des Zeugen Dr. H. zu eigen gemacht, kann aus genannten Gründen damit keine Überzeugungsbildung i.S.d. § 286 Abs. 1 ZPO geschehen. Zwar hat auch der Zeuge I. A. nach seinen glaubhaften Bekundungen anfangs angedacht, eine über allem schwebende „360-Grad-Regelung“ (dies allerdings ausdrücklich und in den erst zu schaffenden Vertragsentwürfen schriftlich) aufzusetzen, doch ist es dazu – wie gezeigt – bewusst nicht gekommen. Anhaltspunkte für einen dahingehenden Willen auch des Beklagten zu 1) sind ohnehin weder vorgetragen noch ersichtlich.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann sich die Klägerin – wie im Zuge der Erörterung gemäß §§ 279 Abs. 3, 285 ZPO bereits ausgeführt (Bl. 4203 d.A.) – auch nicht auf die Annahme einer direkten vertraglichen Vertraulichkeitsvereinbarung zwischen dem Erblasser und dem Beklagten zu 1) berufen.
Soweit sich die Klägerin - anders als in den Vorverfahren zu den 116 Buchpassagen und auch in erster Instanz - zunächst unter einem Zu-Eigen-Machen der Bekundungen des Zeugen Dr. H. in der erstinstanzlichen Vernehmung (S. 2 und vor allem S. 11 f. des Schriftsatzes vom 2. Juli 2019, Bl. 1011/1020 f. d.A.) und dann später auch darüber hinaus, auf eine angeblich im Vorfeld der Verhandlungen mit dem Verlag, nochmals während der Verhandlungen und später erneut während der Memoirenarbeiten unter dem „Dach“ der Verlagsverträge als Ausfluss der dort angesprochenen direkten Besprechung mit dem Beklagten zu 1) unmittelbar zwischen dem Erblasser und dem Beklagten zu 1) mündlich abgeschlossene Vertraulichkeitsabrede berufen hat, hätte eine solche Abrede zwar nicht der Schriftform bedurft (S. 6 des Hinweises des Senats vom 02.06.2022, Bl. 3587 d.A.). In Ermangelung einer Regelung der direkten Beziehungen zwischen dem Erblasser und dem Beklagten zu 1) in den Verlagsverträgen ergab sich aus § 154 Abs. 2 BGB nichts anderes.
146Dass der Erblasser aber - wie die Klägerin vorgetragen hat - in den Vorgesprächen mit dem Beklagten zu 1) dessen Rollentausch von einem freien Buchautor zu einem Mitarbeiter am Memoirenprojekt ausgelotet und dabei deutlich gemacht habe, dass es eine „über allem schwebende conditio sine qua non“ gewesen sei, dass sich der Beklagte zu 1) einer „in solchen Konstellationen … vollkommen üblichen umfassenden Vertraulichkeits- und Herausgabeverpflichtung“ (zeitlich und inhaltlich unbegrenzt) unterwerfe und man nach Verständigung über diese „Eckpunkte“ erst zur Verschriftlichung der Verlagsverträge als „Dach(s) über dem Memoirenprojekt“ vorgestoßen sei, steht nach dem Ergebnis der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme durch den Senat – die Regelung in § 529 Abs. 1 ZPO griff schon mangels Feststellungen des Landgerichts zu diesen in erster Instanz noch nicht im Fokus stehenden Fragen nicht ein – gerade nicht zur Überzeugung des Senats fest. Dies gilt insbesondere für den Vortrag der Klägerin, dass man trotz der Gestaltungsmöglichkeiten durch den Zeugen I. A. und des im Verlagsvertrag des Erblassers ausdrücklich enthaltenen Änderungsvorbehalts keine zusätzlichen Vertraulichkeitsregelungen habe implementieren müssen, da man sich bereits hinreichend abgesichert geglaubt habe, weil der Beklagte zu 1) dem Erblasser zuvor nicht weniger als sein Ehrenwort gegeben habe. Die verbleibenden Zweifel gehen - wie der Senat in seinen Hinweisbeschlüssen ausgeführt hat - nach allgemeinen Grundsätzen zur Lasten der für eine ihre eingeklagten Ansprüche tragenden Vertragsgrundlage darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin.
147(aa)
148((1))
149Es sprechen zwar Anhaltspunkte dafür, dass es eine entsprechende mündliche Absprache zwischen dem Erblasser und dem Beklagten zu 1) gegeben haben könnte. So hat insbesondere der Zeuge I. A. als sog. Zeuge vom Hören-Sagen (zur Beweiswürdigung BGH v. 10.05.1984 - III ZR 29/83, NJW 1984, 2039, 2040; v. 03.05.2006 - XII ZR 195/03, BeckRS 2006, 12211 Rn. 21; BFH v. 06.10.2005 – IV B 28/04, BeckRS 2005, 25008916; BVerwG v. 08.04.2008 - 8 B 5.08, BeckRS 2008, 34378) ein ihm gegenüber vom Erblasser mehrfach angesprochenes „handshake-agreement“ im Vorfeld der Verhandlungen mit dem Verlag und der Einschaltung des Zeugen zur Abfassung der schriftlichen Verlagsverträge bekundet und dies aus seiner juristischen Laiensicht als bereits bindende Vertraulichkeitsvereinbarung umschrieben (Bl. 4104 d.A.). Indes blieb der Zeuge dabei schon offen, sprach andererseits von einem - jedenfalls nach allgemeinen juristischen Termini unverbindlichen - bloßen „gentlemans-agreement“ (Bl. 4104 f. d.A.). Er hat insbesondere eingeräumt, keine unmittelbare Kenntnis von zustimmenden Äußerungen des Beklagten zu 1) gegenüber dem Erblasser und/oder dem Zeugen Dr. H. im Zusammenhang mit einer solchen Verschwiegenheitspflicht zu haben (Bl. 4107 d.A.) und aus eigener Kenntnis nichts dazu sagen zu können, ob das vom Erblasser beschriebene „handshake-agreement“ tatsächlich auf einer entsprechenden eindeutigen „Zusage“ des Beklagten zu 1) und/oder auf bestimmten Handlungen des Beklagten zu 1) dem Erblasser gegenüber bzw. einem sonst klar zum Ausdruck gebrachten „Konsens“ aller Beteiligten beruht hat oder nur die eigene (möglicherweise irrige) Einschätzung des Erblassers von der Gesamtsituation war (Bl. 4108 d.A.). Zu weiteren Details hatte der Erblasser dem Zeugen gegenüber von sich aus keine Angaben gemacht und der Zeuge hat nach eigenem Bekunden in Ansehung des energischen Auftretens seines Vaters in dem Punkt auch nicht nachgefragt, zumal er offenbar aus langjähriger Erfahrung um dessen Willensstärke wusste. Stellt man dann noch in Rechnung, wie der Zeuge in seinem selbst an anderer Stelle von ihm in Bezug genommenen Buch (dort S. 272 ff.) den unbedingten Loyalitätsanspruch seines Vaters als „Stammeschef“ der „Kohlianer“ greifbar umschrieben hat, können die offen gehaltenen Angaben des Zeugen vom Hören-Sagen ohne weitere Erkenntnisse zu den genauen Umständen eines angeblichen „handshake-agreements“ keine Überzeugungsbildung des Senats mit Blick auf die Annahme einer rechtsverbindlichen Einigung der Parteien auf Basis übereinstimmender Willenserklärungen tragen. Die Angaben belegen allein – worauf unten zurückzukommen sein wird – die tatsächlich bestehende Vertrauensbeziehung und -bindung und jedenfalls aus Sicht eines objektiven Dritten in der sozialen Rolle und Funktion des Erklärungsempfängers erkennbare Vertrauens- und Loyalitätserwartung des Erblassers. Klar ist jedenfalls auch, dass der Verzicht auf explizite Regelungen in den Verlagsverträgen und der Umstand, dass der Erblasser von seinem verlagsvertraglichen Recht, Anpassungen in dem Verlagsvertrag des Beklagten zu 1) zu verlangen, keinen Gebrauch gemacht hat, in Ansehung des vom Zeugen I. A. glaubhaft geschilderten Geschehens kein sog. beredtes Schweigen als einen Verzicht auf jedweden Vertraulichkeitsschutz darstellen kann. Vielmehr sah sich der Erblasser hinreichend abgesichert und hat dies auch sichtlich so gelebt. Ansonsten hätte der Zeuge I. A. bei seinen Vorarbeiten zu den schriftlichen Verlagsverträgen jedwede Abänderungswünsche ohnehin leicht weit im Vorfeld in die Vertragsentwürfe implementieren können, hat aber - wie gezeigt - glaubhaft erläutern können, dass und warum aus Sicht des Erblassers dafür kein Anlass bestand.
150((2))
151Gegen die Annahme einer klaren mündlichen Vereinbarung mit dem Beklagten zu 1) streiten zudem die Bekundungen des Zeugen Dr. R.. Der Zeuge konnte zwar unmittelbar zu dem Geschehen in den Jahren 1999/2000 keine Angaben machen, weil er an der Anbahnungsphase zwischen dem Beklagten zu 1) und dem Verlag nicht beteiligt war und erst nach dem Abschluss der Arbeiten an dem „Tagebuch“ in die Projektarbeit eingebunden worden ist (Bl. 4035/4038 d.A.). Tendenziell spricht aber gegen die Annahme, dass es eindeutige oder ausdrückliche verbindliche Vereinbarungen des Erblassers mit dem Beklagten zu 1) zur Vertraulichkeit gegeben hat, dass der Erblasser mit diesem Zeugen schon nach dem unstreitigen Parteivortrag, aber vor allem auch nach den glaubhaften Bekundungen des Zeugen, keinerlei Absprachen zu einer Vertraulichkeit betreffend die Inhalte der „Memoirengespräche“ und -arbeiten getroffen hat. Der Senat verkennt nicht, dass der Zeuge - anders als der Beklagte zu 1) - in die Einsicht in geheime/noch gesperrte Unterlagen und/oder die „Stasi-Akten“ des Erblassers zwar offenbar nicht oder zumindest nicht ganz so tief eingebunden gewesen war wie der Beklagte zu 1). Auch hat der Zeuge unstreitig niemals Zugriff auf die Tonbandaufnahmen (sondern nur auf einen Teil der Transkripte, Bl. 4031 f.d.A.) gehabt und sich für seine Schreibarbeiten an Teilen des ersten Bandes der Memoiren des Erblassers auf Erkenntnisse aus den laufenden Arbeiten und dabei von ihm auch selbst gefertigte „Notizen“ gestützt (Anlage OC 6, AO III, S. 4). Der Zeuge kam damit aus Sicht des Erblassers möglicherweise weniger direkt mit „brisantem“ (vertraulichem) Material in Berührung als der Beklagte zu 1) und hatte aus Sicht des Erblassers außerhalb seiner Entwurfsarbeit im ersten Memoirenband vielleicht eher die Rolle eines stillen Zu-/Mitarbeiters und – so sieht der Zeuge sich selbst – wissenschaftlichen Beraters im Hintergrund; dies insbesondere nachdem die die Expertise des Zeugen primär berührenden und ohnehin von den Inhalten her etwa im Vergleich zu den Hintergründen der sog. Spendenaffäre weniger „explosiven“ Teile der Vita des jungen Erblassers in der Pfalz in den „Memoirengesprächen“ abgehandelt waren, mag es bei den Tonbandaufnahmen in den Jahren 2001/2002 nach den Bekundungen des Zeugen dabei auch keine klare „zeitliche Zäsur“ gegeben haben (Bl. 4030 d.A.). Dennoch hat auch der Zeuge Dr. R. unstreitig einem großen Teil der „Memoirengespräche“ beigewohnt, hat so tiefe Einblicke in die Gefühlswelt des Erblassers und dessen kritische Sicht auf manche Zeitgenossen bekommen, durfte unkontrolliert auch bei ausgeschaltetem Tonband eigene Notizen machen und hätte – insofern ähnlich wie der Beklagte zu 1) – daher sprichwörtlich „aus dem Nähkästchen plaudern“ können. Daher ist es falsch, wenn die Klägerin auf S. 14 des Schriftsatzes vom 15.09.2020 (Bl. 2049 d.A.) meint, es hätte eigentlich gar keinen Grund gegeben, mit dem Zeugen Dr. R. über (angeblich) im Verhältnis zum Beklagten zu 1) fest vereinbarte Verschwiegenheitspflichten zu sprechen. Man mag noch in Rechnung stellen, dass der Erblasser den Zeugen - anders als den Beklagten zu 1) - bereits ab Mitte der 90er Jahre möglicherweise besser gekannt und schon vor Teilnahme des Zeugen an den bereits laufenden „Memoirengesprächen“ eine tiefere Vertrauensbeziehung zu diesem aufgebaut hatte. Dies erfolgte zunächst noch locker über eine Historikerrunde im Kanzleramt, sodann über eine vom Erblasser schon persönlich im Hambacher Schloss vorgestellte Publikation eines vom Zeugen verfassten Buches („„Zitat wurde entfernt““) und im Zeitraum 1999/2000 speziell mit Blick auf ein Buch des Zeugen über den vom Erblasser geschätzten Pfarrer ZX.. Dazu hatte es mehrfach längere Besprechungen zwischen dem Erblasser und dem Zeugen gegeben, bei denen dieser im Einvernehmen mit dem hier eindeutig nur als „Zeitzeugen“ fungierenden Erblasser ein Diktiergerät in den Interviews für das Buchprojekt hatte mitlaufen lassen dürfen (Anlage OC 6, AO III, S. 4/5). Dabei ging es indes ersichtlich nicht um besonders „brisante“ Inhalte wie etwa derbe Äußerungen des Erblassers über politische Gegner o.ä.. Der Zeuge scheint zudem bei seinen Buchprojekten - jedenfalls im Groben - stets nur nach Rücksprache mit dem Erblasser und in dessen Sinne publiziert zu haben und ohnehin durchweg positiv, doch hatte der Erblasser dem Zeugen gegenüber durchaus angemerkt, bezogen auf das Pfalzbuch und/oder das Buch über Pfarrer ZX. nicht „der Zensor“ sein zu wollen (Anlage OC 6, AO III, S. 5, B. 907 d.A., Bl. 4032 d.A.). Ungeachtet des darin zum Ausdruck kommenden Grundvertrauens und der offensichtlichen gegenseitigen Wertschätzung, streitet das Fehlen einer ausdrücklichen Vereinbarung über eine Verschwiegenheitspflicht im Zusammenhang mit der zunehmenden Einbindung des Zeugen in das Memoirenprojekt aber dennoch eher gegen als für den Klägervortrag zu angeblich so klaren Absprachen des Erblassers zumindest in der Arbeitsbeziehung zum Beklagten zu 1). Der Zeuge hat zwar am Ende seiner Aussage - auf Vorhalt des Klägervertreters - vage gemutmaßt, dass das Herstellen von persönlichen Vertrauensverhältnissen für den Erblasser „mit am Wichtigsten“ gewesen sei, weswegen dieser wohl niemals mit dem Beklagten zu 1) zusammengearbeitet hätte, wenn sich der Beklagte zu 1) dem Erblasser gegenüber nicht zu einer Verschwiegenheit verpflichtet hätte (Bl. 4040 d.A.). Doch war dies mangels eigener Erkenntnisse zu konkreten Absprachen erkennbar nur eine Spekulation des Zeugen, der ansonsten – wenn auch eher unter Bezug auf Absprachen unter Staatsmännern – plastisch gemacht hat, dass der Erblasser kein Mann schriftlicher Abreden war und nicht immer alles „juristisch „fest genagelt““ habe (Bl. 4040 d.A.). Wie wenig „formstreng“ der Erblasser im Hinblick auf seine Memoirenvorarbeit damals vorgegangen sein muss, zeigt sich am weiteren Umgang mit dem Zeugen: Dieser hat glaubhaft geschildert, dass und wie seine Einbindung in die Memoirenarbeit neben dem vom Erblasser als „Hauptmatador“ (Bl. 4028 d.A.) bezeichneten Beklagten zu 1) erfolgt ist und zwar nach den ersten Überlegungen für den in den Memoiren behandelten Zeitraum bis ins Jahr 1976, schlussendlich sogar nur bis 1960. Der Zeuge hat die Arbeiten ohne jede „ausdrückliche Vereinbarung … im Sinne eines Vertrages“ mit Verlag und/oder Erblasser in Angriff genommen, obwohl es für seinen erheblichen Arbeitseinsatz keine „klare finanzielle Absprache“ (Bl. 4029 d.A.) gab. Er hat dies damit begründet, dass mit dem Erblasser immerhin Einigkeit bestand, dass man sich über die im Ergebnis außer Frage stehende Vergütung je nach Leistungsanfall, Dauer der Mitarbeit und Arbeitsaufwand später „schon einig werden würde“ (Bl. 4029 d.A., ähnlich Bl. 4037 d.A. auf Vorhalt). Waren jedoch selbst derartige wirtschaftliche Essentialia der Zusammenarbeit bis zuletzt ungeregelt geblieben, verwundert kaum, dass auch Verschwiegenheitsfragen jedenfalls nicht klar thematisiert worden sind. Der Zeuge hat ansonsten vielmehr überzeugend bekundet, dass der Erblasser „niemals gesagt hat, dies dürft ihr, dies dürft ihr nicht“ (Anlage OC 6, AO III, S. 5), dass bei den Gesprächen „Verschwiegenheit nie ein Thema“ war und er selbst nur allein aus den Gesamtumständen angenommen habe, dass die Frage der Verschwiegenheit im Verhältnis zum Beklagten zu 1) wohl „bereits geregelt“ gewesen sei. Jedenfalls ist der Zeuge selbst „nie aufgefordert worden…, eine entsprechende Verpflichtungserklärung oder Ähnliches anzugeben“ (Bl. 906 R d.A.; ähnlich Bl. 4031 d.A.) und man hat ihm nie gesagt, er müsse über die Inhalte der Arbeiten etc. „ein Leben lang schweigen“ (Bl. 907 d.A.). Das „Wort „Verschwiegenheitspflicht“ (sei) nie gefallen“ (Bl. 4030 d.A.) und es habe auch sonst keine Erklärungen des Erblassers gegeben, dass etwa über bestimmte Themen nichts geschrieben werden dürfe (Bl. 4031 d.A., ähnlich Bl. 4036 d.A.) oder man nur bei einer Verschwiegenheitsverpflichtung weiter mit ihm zusammenarbeiten dürfe (Bl. 4037 f. d.A.). Der Zeuge hat zwar im Gegenzug eine „erstaunlich vertrauensvolle Gesprächsreihe“ bzw. „eine … überraschend vertrauensvolle Arbeitsatmosphäre“ (Anlage OC 6, AO III, S 3/5) bildhaft umschrieben und die „Vertraulichkeit“ überzeugend auch auf Gespräche außerhalb der förmlicheren Tonbandaufnahmen erstreckt, da es keinen klaren Unterschied zwischen den verschiedenen Gesprächssituationen gegeben habe (Bl. 4037 d.A.). Aufbauend darauf will der Zeuge zwar für sich „so eine Art „gentleman´s agreement“ erkannt haben (Bl. 4030, 4031, 4033 f., 4038 d.A. d.A.), welche er laienhaft mangels schriftlicher Fixierung jedoch eher nicht als eine „aus juristischer Sicht“ bindende Voraussetzung der Zusammenarbeit einstufen wollte und wegen deren rechtlicher Bindungswirkungen (etwa bezüglich der Hinderung einer Publikation zumindest von Verbalinjurien und drastischen Einschätzungen des Erblasser über Dritte) er als Laie ausdrücklich keine (juristische) Beurteilung abgeben wollte (Bl. 4039 d.A.). Zwar konnte sich der Zeuge mit Blick auf dieses „gentleman´s agreement“ eine Veröffentlichung der Inhalte der Tonbandaufnahmen selbst „nicht vorstellen“ (Bl. 906 R d.A.), da schon in Ansehung der nicht druckreifen Gesprächsinhalte „jedenfalls keine unmittelbare Publikation erfolgen sollte“ (Bl. 906 R d.A.), doch hat er auch dies ansonsten eher auf drastisch formulierte Sätze oder Verbalinjurien bezogen (Bl. 907/4035/4036/4039 d.A.). Der Zeuge ist zwar auch nicht davon ausgegangen „alle Informationen, die (man) etwa anlässlich eines Gesprächs am Küchentisch erfahren habe, in der Rheinpfalz [= Tageszeitung] zu Papier bringen“ zu dürfen (Bl. 907 R d.A.; ähnlich Bl. 4033 d.A.), zumal für ihn klar war, dass vieles aus den Memoirengesprächen für ihn und den Beklagten zu 1) „lediglich als „Hintergrundinformationen“ … wichtig (war), um andere Themen sachgemäß bearbeiten zu können“ (Bl. 4035 f. d.A.). Doch selbst eine gewisse Bindung durch ein im Verhältnis zu dem Zeugen aus dessen Sicht aus den Gesamtumständen ableitbares „gentleman´s agreement“ unterstellt, streitet auch dies insgesamt eher gegen als für die Annahme, dass der Erblasser im Gegensatz dazu dann im Verhältnis zum Beklagten zu 1) so viel klarere mündliche Vereinbarungen getroffen haben soll. Das gilt umso mehr, als die Vertragsanbahnung mit dem Beklagten zu 1) unstreitig zu einer Zeit erfolgte, als die sog. Spendenaffäre noch nicht öffentlich geworden war und die daraus folgenden – mit den plastischen Bekundungen des Zeugen I. A. – apokalyptischen Erfahrungen für den Erblasser und seine Familie noch nicht absehbar waren, ebenso nicht die gemeinsame Arbeit an einem fiktiven „Tagebuch“ gerade unter dem Eindruck dieser Situation. Es mag auch deswegen u.U. noch weniger konkreten Anlass für explizite Abreden zur Vertraulichkeit gegeben haben.
152Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen Dr. R. bestanden im Übrigen nicht. Soweit der Zeuge in erster Instanz Unsicherheiten bei den Details seiner (letzten) Rechnungstellung erkennen ließ, war das nach dem langen Zeitablauf verständlich und der Zeuge hat – auch nachdem Rechnungen zuletzt vorlagen (Bl. 902; 4045 - 4047 d.A.) – vor dem Senat bereitwillig eingestanden, sich nicht mehr an Hintergründe der unterschiedlichen Adressaten und die genauen Zahlungswege erinnern zu können, aber – was sich wiederum in die Unterlagen nahtlos einfügt – insgesamt 50.000 EUR erhalten zu haben (Bl. 4037 d.A.).
153((3))
154Weitere Bedenken gegen eine ausdrückliche Vertraulichkeitsvereinbarung ergeben sich für den Senat mit Blick auf die Einbindung der Schwester des Beklagten zu 1) in die Transkription der Tonbandaufnahmen. Dass der Erblasser damals tatsächlich von deren Einbindung gewusst hat, ergibt sich zweifelsfrei aus seinem an die Schwester des Beklagten zu 1) gerichteten Dankesschreiben v. 26.04.2001 (Anlage OC 13, AO III). Obwohl die Schwester den Zugriff auf den Tonbandfundus - wenn auch nicht auf andere vertrauliche Unterlagen - erhalten hat und sie sogar für ihre Tätigkeit entlohnt worden ist, hat man auch mit ihr damals unstreitig keine ausdrückliche Verschwiegenheitsabrede getroffen. Auch dies streitet zumindest in der Tendenz eher gegen als für den Klägervortrag, mag der Erblasser auch im Vertrauen auf den Beklagten zu 1) damals u.U. davon ausgegangen sein, dass er damit auch der von diesem nach eigenem Bekunden als vertrauenswürdig angesehenen Schwester vertrauen könne.
155Kein indiziell bedeutsames Argument zu Lasten der Klägerin ist hingegen, dass der Erblasser unstreitig auch mit weiteren zu den Memoirenarbeiten hinzugezogenen Personen - Details sind zwischen den Parteien streitig – keine Abreden zur Vertraulichkeit getroffen hat, was der Zeuge Dr. R. zu den Herren QW. und AK. glaubhaft bekundet hat (Bl. 4040 d.A.). Denn bei diesen Personen ging es regelmäßig nur um eng abgegrenzte Fachfragen, historische/politische Zusammenhänge usw. Dass auch diesen Personen gegenüber besonders „brisante“ Einschätzungen des Erblassers und/oder aus dessen Sicht vertrauliche bzw. geheime Unterlagen offengelegt worden sein sollen, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Daher mag das Bedürfnis für Verschwiegenheitsabsprachen hier in der Tat geringer gewesen sein, zumal es sich obendrein um Personen gehandelt hat, denen der Erblasser langjährig vertraut hat und die sich ihm gegenüber ohnehin immer loyal verhalten haben.
156(bb)
157Ähnliches wie bei (aa) zu den Bekundungen des Zeugen I. A. gesagt, gilt auch mit Blick auf die Bekundungen seines Bruders, des Zeugen K. A.:
158((1))
159Macht ein Zeuge - wie dieser - erst in zweiter Instanz von einem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch, führt dies in Ermangelung einer § 252 StPO entsprechenden Regelung - wie der Senat zu einer Randfrage schon im Urteil v. 22.06.2023 (15 U 135/22, n.v.) ausgeführt hat - nicht zu einem Verwertungsverbot (offen BGH v. 25.04. 2007 - VIII ZR 234/06, NJW 2007, 2919 Rn. 25; wie hier Stein/Jonas/Berger, ZPO, 23. Aufl., Bd. 5, 2015, § 383 Rn. 16; BeckOK-ZPO/Scheuch, Ed. 51, § 383 Rn. 17 sowie ferner BGH v. 04.12.2012 – VI ZB 2/12, juris Rn. 17, Brandenburgisches OLG v. 10.07.2015 – 11 U 127/14, juris Rn. 18). Die in erster Instanz protokollierte Zeugenaussage kann verwertet werden (vgl. OLG Köln v. 15.06.1992 - 5 U 191/91, juris Rn. 37 ff. für protokollierte Aussagen aus einem anderen gerichtlichen Verfahren mit Verwertung im Wege des Urkundenbeweises). Für eine analoge Anwendung der strafprozessualen Regelung ist weder eine Regelungslücke zu erkennen, noch besteht eine Vergleichbarkeit der gesetzlich geregelten mit der vorliegenden Situation, denn die Schutzbedürftigkeit im Strafverfahren ist eine andere als in einem zivilgerichtlichen Parteiprozess.
160((2))
161Ob ein Berufungsgericht in Anlehnung an BGH v. 25.04.2007 - VIII ZR 234/06, NJW 2007, 2919 Rn. 25 an einer abweichenden Würdigung erstinstanzlicher Bekundungen gegenüber entsprechenden Feststellungen des erstinstanzlich tätigen Gerichts gehindert ist, weil es den Zeugen nicht (analog § 398 ZPO) erneut vernehmen und sich so ein eigenes Bild machen kann (vgl. auch OLG VC. v. 24.06.1996 – 6 U 106/94, juris; Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, 2015, Kap. 34 Rn. 108; Greger, NJW 2008, 449, 450; Zöller/ders., ZPO, 35. Aufl. 2024, § 383 Rn. 6) oder ob eine Würdigung anhand der sonstigen Umstände möglich bleibt (BGH a.a.O., Rn. 35; ebenso BeckOK-ZPO/Scheuch, Ed. 51, § 383 Rn. 17.1; Stein/Jonas/Berger, a.a.O., § 383 Rn. 16 und wohl für besonders sorgfältige Glaubwürdigungsprüfung Musielak/Voit/Huber, ZPO, 20. Aufl. 2023, § 383 Rn. 10), kann dahinstehen: Denn das Landgericht hat zu Recht keinerlei Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen K. A. aufgeworfen und auch der Senat hat keinen Anlass zu einer abweichenden Würdigung, im Gegenteil.
162((3))
163Soweit das Landgericht in der Sache die Bekundungen des Zeugen K. A. im Termin vom 22.05.2019 (Bl. 903 ff. d.A.) - die es in etwas anderem Zusammenhang zu würdigen hatte, weil erstinstanzlich die hier behandelte Frage so nicht virulent war - inhaltlich so verstanden hat, dass der Zeuge allein angegeben habe, dass der Erblasser zwar nichts von schriftlichen Vertraulichkeitsabreden gehalten, er den Beklagten zu 1) aber ausgewählt habe, weil er gemeint habe, dass man sich auf diesen verlassen könne, ist dies nicht zu beanstanden. Dies gilt auch, soweit das Landgericht bei seiner Würdigung möglicherweise die unten zu diskutierenden Beweislastfragen nicht durchweg beachtet hat. Denn aufbauend auf der protokollierten Zeugenaussage sprechen – ähnlich wie mit Blick auf die Bekundungen des Zeugen I. A. – zwar Anhaltspunkte dafür, dass es eine mündliche Absprache zwischen dem Erblasser und dem Beklagten zu 1) während der Anbahnungsphase gegeben haben mag, hinreichend sicher ist dies aber auch auf Basis der Bekundungen dieses Zeugen nicht festzustellen. Richtigerweise ist es – dies auch aus Sicht des Senats in eigener Würdigung der Bekundungen des Zeugen K. A. – so, dass im Einklang mit der entsprechenden tatsächlichen Würdigung durch den III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes (BGH v. 03.09.2020 – III ZR 136/18, BeckRS 2020, 23375 Rn. 35; v. 26.11.2020 – III ZR 136/18, BeckRS 2020, 36309 Rn. 9) dessen Interviewäußerung (Anlage B 2, 68 ff. AH I = Anlage OC 22 AO III) ebenso wie seine erstinstanzliche Aussage vom 22.05.2019 (Bl. 903 ff. d.A.) nur so zu verstehen ist, dass der nichts von ausufernden schriftlichen Regelungen haltende Erblasser sich während der bereits laufenden Projektarbeit nicht mehr mit der Frage einer nachträglichen Verschriftlichung von Verschwiegenheitspflichten befassen wollte, wie sie ihm der Zeuge – und auf dessen Betreiben auch sein anwaltlicher Freund, Herr Rechtsanwalt Dr. XY.-CG. – mit einiger Vehemenz nahegelegt haben. Man kann der Aussage zwar – ebenso wie derjenigen des Zeugen I. A. – entnehmen, dass der Erblasser dem Beklagten zu 1) damals tatsächlich vertraut hat und ihn als loyal eingestuft hat. Möglicherweise fußte diese Einschätzung sogar auf entsprechenden mündlichen Absprachen im Vorfeld. Der Zeuge K. A. hat zwar bekundet, dass dem Erblasser „also egal (gewesen sei), dass er nicht vor einer Indiskretion geschützt war“, weil er – was das “Untätigbleiben“ auf sein Drängen hin erklären könne - „auf die Loyalität und das Vertrauen (des Beklagten zu 1) setzte“, wobei der Erblasser damals auch nicht davon „ausgegangen (sei), dass es einen Vertraulichkeitsschutz bereits gab“ (Bl. 904 R d.A.). Dies bezog sich nach dem Kontext mit dem Landgericht aber eindeutig nur auf die fehlende schriftliche Regelung, nachdem der Zeuge in Ansehung der von ihm (weitsichtig) erkannten Gefahren unautorisierter Publikationen auf eine „juristische Lösung“ (gemeint: in Schriftform) gedrungen hatte, weil man sonst „irgendwann vor Gericht landen (werde), wovor (er den Erblasser) schützen“ wollte. Dieser Zusammenhang mit fehlenden schriftlichen Absprachen zeigt sich auch daran, dass der Zeuge ansonsten bemängelt hat, dass man spätestens im Zusammenhang mit dem „Rauswurf“ des Beklagten zu 1) eine klare Regelung hätte treffen müssen, anstatt diesen mit scharf formulierten Anwaltsschreiben zu bedrohen.
164Doch wenn der Erblasser damit selbst von einem ausreichenden Vertrauensschutz und einer Loyalität des Beklagten zu 1) ausgegangen ist und sich deswegen dem Bestreben des Zeugen zu einer (zusätzlichen) Verschriftlichung entzogen hat, ist damit – wie beim Zeugen I. A. ausgeführt - keinesfalls gesichert, dass diesem Verständnis des Erblassers tatsächlich entsprechende (ausdrückliche) Absprachen mit dem Beklagten zu 1) im Sinne von zwei übereinstimmenden und auf Vertraulichkeit bezogenen Willenserklärungen zu Grunde lagen. Es ist erneut nicht ausgeschlossen, dass es sich „nur“ um eine für den Erblasser aus den Gesamtumständen mehr oder weniger selbstverständliche Loyalitätsannahme auf Basis der vertrauensvollen Zusammenarbeit an dem unstreitig auch ansonsten nach außen zunächst geheim behandelten Projekt gehandelt hat. Dafür mag u.a. sprechen, dass der Erblasser sich aus Sicht des Zeugen „selber etwas vorgemacht“ und die Gefahr verleugnet habe, dass Material später einmal in ungewollter Form zur Veröffentlichung gelangen könnte (Bl. 905 d.A.), wird sich auch diese Bewertung des Zeugen wieder primär nur auf das Fehlen (beweisfester) schriftlicher Abreden bezogen haben. Genügen damit auch die Bekundungen dieses Zeugen nicht für die Überzeugungsbildung des Senats, kommt es nicht auf die – unten noch in anderem Kontext zu dem Zeugen zu behandelnde – Frage an, ob und wie sich dessen – anders als bei seinem Bruder - berechtigte Zeugnisverweigerung auf eine Beweiswürdigung auswirken kann.
165(cc)
166Ansonsten hat zwar auch die Klägerin bei ihrer informatorischen Anhörung durch den Senat am 03.11.2022 (Bl. 4054 ff. d.A.) betont, dass der Erblasser ihr gegenüber auf Befragen - auch nach Rücksprachen mit dem zunächst beauftragten Prozessbevollmächtigten - mehrfach versichert habe, in Bezug auf die Verschwiegenheit des Beklagten zu 1) und auf eine Herausgabe des Materials durch diesen abgesichert zu sein, „die Hand drauf“ zu haben und noch vor dem Einstieg in die Vertragsverhandlungen mit dem Verlag im Verhältnis zum Beklagten zu 1) alles geklärt zu haben, was ihrer Einschätzung nach nicht nur ein mit einem Anlächeln ihres Mannes begründbares „Bauchgefühl“ und/oder eine Grundannahme über ein „moralisches Vertrauensverhältnis“ dargestellt, sondern schon eine sichere rechtliche Abklärung bedeutet habe (Bl. 4056 f. d.A.; siehe auch den Sachvortrag der Klägerin u.a. auf S. 3 des Schriftsatzes vom 29.01.2019, Bl. 811 d.A.: „auf allem die Hand drauf“ und S. 14 des Schriftsatzes vom 10.03.2022, Bl. 3238 d.A.). Indes blieben diese Angaben der Klägerin - deren erhebliches Eigeninteresse am Ausgang des Verfahrens deutlich in die Würdigung einzustellen ist - insgesamt vage und farblos, zumal die Klägerin eingestehen musste, Details nicht „hinterfragt“, sondern wie auch sonst die knappen und endgültigen Angaben des willensstarken Erblassers als zutreffend akzeptiert zu haben (Bl. 4056 d.A.). Es gilt nichts anderes als bei den Bekundungen der beiden Söhne des Erblassers. Die Überzeugungskraft der Angaben der Klägerin zu der vermeintlich so klaren Sachlage wird zudem durch ihr Prozessverhalten gemindert, für welches sie keine überzeugende Erklärung abgegeben hat: Die Angaben dazu, warum sie erstmals im hiesigen Berufungsverfahren zu angeblich so klaren mündlichen Absprachen des Erblassers mit dem Beklagten zu 1) im Vorfeld der Verhandlungen mit dem Verlag vorgetragen und dies insbesondere nicht bereits in den Vorverfahren zu den 116 Buchpassagen getan habe, waren nicht überzeugend: Will die Klägerin ihre Nachfragen an den Erblasser „nach verschiedenen Rücksprachen“ mit dem damaligen anwaltlichen Berater gestellt haben (Bl. 4056 d.A.) und in den Vorverfahren zu Lebzeiten des Erblassers bewusst keinen Sachvortrag gehalten haben, weil sie den kranken Erblasser nicht im Zeugenstand habe stehen sehen wollen (Bl. 4058 d.A.), fügt sich dies nicht in das Vorbringen zu einem angeblich als Nicht-Juristin versehentlich nicht oder nicht komplett erfassten zu engen Sachvortrag ein (Bl. 4057 f. d.A.). Ungeachtet der Tatsache, dass der Senat in allen Verfahren den Eindruck gewonnen hat, dass sich die Klägerin regelmäßig vertieft um den Prozessvortrag bemüht hat, ist der so späte Vortrag in diesem wesentlichen Punkt jedenfalls deswegen unverständlich, als das Fehlen ausdrücklicher oder konkludenter Abreden im Verhältnis von Erblasser und Beklagtem zu 1) vom ersten Moment an - schon im Verfahren auf Herausgabe der Originaltonbänder zu Lebzeiten des Erblassers - eine der zentralen Grundfragen in allen rechtlichen Auseinandersetzungen berührt hat.
167Weitere Zweifel ergeben sich für den Senat daraus, dass die Klägerin zu der (zumindest indizielle Bedeutung entfaltenden) Frage, wie die Reaktion des Erblassers auf die Ansprache seines anwaltlichen Beraters und Freundes Rechtsanwalt Dr. XY.-CG. zum nachträglichen Abschluss einer schriftlichen Vertraulichkeitsvereinbarung auf Betreiben der beiden Söhne ausgefallen ist, bis zuletzt keinen Prozessvortrag gehalten hat. Soweit sie anfangs die Angaben des Zeugen K. A. (insbesondere in dessen Interview) in ihrer Richtigkeit offenbar sogar hat bestreiten wollen, hat sie im weiteren Prozessverlauf auf die rechtliche Unerheblichkeit der Bekundungen abgestellt und insbesondere nicht mehr substantiiert in Abrede gestellt, dass der Zeuge damals tatsächlich Herrn Rechtsanwalt Dr. XY.-CG. informiert, dieser mit dem Erblasser gesprochen und der Erblasser auch diesem gegenüber ein Bedürfnis zum Abfassen nachträglicher schriftlicher Vertraulichkeitsvereinbarungen von sich gewiesen hat. Diese zuletzt auch vom Zeugen I. A. glaubhaft bestätigten Geschehnisse hat auch die Klägerin bei ihrer Anhörung zwar nicht mehr in Abrede gestellt, konnte aber erstaunlicherweise keinerlei Angaben zu Einzelheiten machen. Soweit sie eine angeblich abschlägig beschiedene Rücksprache (nur) gegenüber den damaligen anwaltlichen Prozessbevollmächtigten innerhalb der Sozietät angedeutet und eine dazu verfasste E-Mail aus ihrer Erinnerung erwähnt hat (Bl. 4059 d.A.), verhielt sich diese auf Betreiben des Senats zu den Akten gereichte E-Mail (Anlage K 64, Bl. 4090 d.A.) zu den damaligen Gesprächsinhalten nicht und führte nur zur Klarstellung der - wie insofern nachvollziehbar eingestanden - ungenau gebliebenen Erinnerung (Schriftsatz vom 15.11.2022, Bl. 4091 f. d.A.). Auch in diesem Schriftsatz wurde jedoch nicht erläutert, warum man trotz der Vernehmung der Söhne des Erblassers auch zu diesem Geschehen nicht Rücksprache mit dem potentiellen Zeugen gehalten hat, der unter Umständen als weiterer Zeuge vom Hören-Sagen durchaus Angaben zu einer angeblich klaren und verbindlichen Absprache mit dem Beklagten zu 1) im Vorfeld hätte machen können, wenn der Erblasser ihm auf Nachfrage hin etwa damals davon berichtet hätte - was sich in der Situation unter Freunden bei einem juristischen Rat aber fast förmlich aufgedrängt hätte. Dass zu diesen Punkten offenbar bewusst kein näherer Vortrag gehalten worden ist, streitet in der Gesamtwürdigung tendenziell auch eher dafür, dass die Sachlage nicht so eindeutig und klar gewesen sein kann, wie die Klägerin meint. Das muss die Zweifel des Senats am Nachweis des Vorliegens konkreter Absprachen mit dem Beklagten zu 1) nur vertiefen.
168(dd)
169Allein oder auch in der Gesamtwürdigung mit den anderen Beweismitteln, dem Inhalt der mündlichen Verhandlung und dem sonstigen Inhalt der Akten ergeben sich ausreichend tragfähige Anhaltspunkte für eine Überzeugungsbildung des Senats zum Vorhandensein einer solchen direkten Vertraulichkeitsabrede zwischen dem Erblasser und dem Beklagten zu 1) schließlich auch nicht aus dessen informatorischer Anhörung am 29.11.2022 (Bl. 4184 ff. d.A.).
170((1))
171Formal hat der Beklagte zu 1) ohnehin jedwede Äußerungen des Erblassers betreffend konkrete Vertraulichkeitserwartungen (wie etwa „Das bleibt unter uns“) sowohl im sog. Dreiergespräch im Juni 1999 (Bl. 4187/4192 d.A.) als zu anderen Gelegenheiten nur dem Beklagten zu 1) gegenüber während der Vorgespräche oder der ca. achtjährigen Zusammenarbeit ebenso klar von sich gewiesen (Bl. 4188/4190/4199/4201 f. d.A.) wie dementsprechende eigene Zusagen, Erklärungen und/oder nur in diese Richtung irgendwie deutbare Handlungsweisen (Bl. 4187/4188/4190/4202 d.A.) bzw. selbst nur eine widerspruchslose Hinnahme vermeintlicher Erklärungen des Erblassers (Bl. 4192 d.A.). Der Beklagte zu 1) hat betont, er wäre bei ersten Anzeichen weitergehender Vertraulichkeitsauflagen „weggelaufen“ bzw. hätte „den Stecker gezogen“ (Bl. 4190 d.A.) bzw. wäre „sonst weg gewesen“ (Bl. 4202 d.A.). Im Gegenzug hat der Beklagte zu 1) sogar beteuert, der Erblasser sei mit einer freien Verwertbarkeit aller Inhalte der Memoirenarbeit schon zu Lebzeiten einverstanden gewesen („das schwöre ich“, Bl. 4199 d.A.; „Er ist davon ausgegangen – ob zu Lebzeiten oder auch nicht, das war ihm egal -, dass ich über ein erhebliches Wissen verfügte, und dass ich das auch verwenden durfte“, Bl. 4199 d.A.). Eingeschränkt hat der Beklagte zu 1) dies – wenn auch schon eher nur als moralische Frage – selbst nur dahingehend, dass man Erkenntnisse aus den Memoirenarbeiten, die dasjenige betreffen, was „unter der Gürtellinie“ ist (= Intimsphäre), nicht habe verbreiten dürfen, was in der streitgegenständlichen Publikation aber kein Thema gewesen sei (Bl. 4201 d.A.).
172((2))
173Gegen die Richtigkeit der Angaben des Beklagten zu 1) – der gleichsam ein erhebliches Eigeninteresse am Ausgang des Verfahrens hat, gegen die im Rahmen der Stufenklage ergangenen Urteile auf Auskunft und Herausgabe eine noch nicht beschiedene Verfassungsbeschwerde eingelegt hat und ersichtlich einen für ihn günstigen Ausgang dieses Verfahrens auf den nachgelagerten Stufen erstrebt – bestehen allerdings erhebliche Zweifel.
174Der Beklagte zu 1) hat sowohl bei der Anhörung und auch in seinem übrigen Prozessvortrag in vielen Einzelfragen immer wieder erkennen lassen, dass er es mit der Wahrheitsliebe nicht allzu genau nimmt (vgl. bereits zur vorsätzlichen Falschauskunft dem Erblasser gegenüber BGH v. 03.09.2020 - III ZR 136/18, BeckRS 2020, 23375 Rn. 48 ff., 52, 56; v. 26.11.2020 - III ZR 136/18, BeckRS 2020, 36309 Rn. 19). Doch trotz aller Bedenken gegen die Richtigkeit seiner Angaben und teilweise sogar deutlichen Anzeichen für unwahren Tatsachenvortrag in Einzelfragen kann der Senat das tatsächliche Vorliegen konkreter unmittelbarer mündlicher Abreden zwischen dem Erblasser und dem Beklagten zu 1) betreffend einer umfassenden Vertraulichkeit auch bezogen auf die Inhalte der Memoirenarbeiten dennoch nicht im Rahmen des § 286 Abs. 1 ZPO, wie es geboten wäre, mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit feststellen, der berechtigten Zweifeln Schweigen gebieten würde, ohne diese völlig auszuschließen (zu diesem Beweismaß BGH v. 17.02.1970 - III ZR 139/67, NJW 1970, 946, 948).
175Wie schon zu den Zeugen I. und K. A. ausgeführt, streitet zwar viel dafür, dass der als misstrauisch bekannte Erblasser in seinen Vorgesprächen mit dem Beklagten zu 1) – ungeachtet der damals noch nicht endgültig abgestimmten Verlagsverträge und später dann unter deren „Dach“ als direkte Absprache unter den beiden Parteien nur fortbestehend bzw. fortgeschrieben – konkrete Absprachen getroffen hat, etwa als man das Projekt nach einigem Hin und Her entsprechend „festgeklopft“ hat.
176Indes mag die nach der Beweisaufnahme - dazu im Einzelnen nachstehend - allein sicher feststehende erkennbare Vertrauens- und Loyalitätserwartung des Erblassers möglicherweise dem augenscheinlich damals eher schmeichelhaft-unterwürfigen Auftreten des Beklagten zu 1) dem Erblasser gegenüber geschuldet gewesen sein und der subjektiven Sichtweise des Erblassers auf die Dinge in seiner Würdigung der Gesamtumstände. Es lassen sich – über Vereinbarungen über die Eckpunkte einer Zusammenarbeit bei dem Schreiben der Memoiren und zwischenzeitlich des „Tagebuchs“ hinaus – nicht hinreichend sicher konkrete und rechtsverbindliche Absprachen feststellen, aus denen sich den Parteien bewusste oder jedenfalls aus Sicht objektiver Dritter in der sozialen Rolle des anderen Vertragspartners ableitbare, auf den Abschluss einer mündlichen Vertraulichkeitsabrede zielende Willenserklärungen – dies etwa als das vom Zeugen I. A. umschriebene „handshake-agreement“ - ableiten ließen. Denn allein aus der Summe der Bedenken gegenüber den Ergebnissen der Anhörung des Beklagten zu 1) und seinem übrigen Prozessvortrag folgt aus Sicht des Senats gerade nicht zwingend, dass damit im Gegenzug der – selbst mit dem zuvor Gesagten gerade auch nicht bedenkenfreie – Klägervortrag zu angeblichen Absprachen zutreffend sein muss.
177((a))
178Zweifelsfrei falsch waren aber beispielsweise die Angaben des Beklagten zu 1) bei seiner Anhörung, wonach er trotz seiner immerhin eingeräumten Unfähigkeit zu einer ganz genauen zeitlichen Einordnung jedenfalls dem Briefdatum gemäß im Jahr „1999“ auf Bitte des Erblassers irgendwann nach dem sog. Dreiergespräch mit dem Zeugen Dr. H. hin eigenständig einen 36-seitigen „Abriss“ erstellt und dem Erblasser diesen brieflich unter dem (handschriftlich eingefügten) Datum „1999“ (Bl. 4205 d.A.) übersandt haben will. Hiermit wollte der Beklagte zu 1) zugleich seine angeblich so eigenständige Konzeptionsarbeit für die Memoiren des Erblassers belegen (Bl. 4188, 4205 ff. d.A.). Die Klägerin hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die im Termin vom Beklagten zu 1) überreichten Unterlagen in ihrer Chronologie am Ende der stichwortartigen Auflistung (Bl. 4236 d.A.) Positionen enthalten, die zeitlich erst deutlich später, nämlich erst Anfang des Jahres 2000 im Zuge der Entwicklung des sog. Spendenskandals erstmals virulent geworden sind (wie die CDU-Doppelspitze (Merkel/Merz) nach dem Rücktritt Schäubles), was mit dem Vortrag des Beklagten zu 1) schon zeitlich nicht mehr annähernd in Übereinstimmung zu bringen ist. Tatsächlich dürfte der Beklagte zu 1) allenfalls den von der Klägerin überreichten Brief mit dem (handschriftlich vermerkten) Datum 01.11.1999 (Anlage K 72, Bl. 4433 ff. d.A.) übersandt haben, dessen beigefügter Abriss eine früher endende Chronologie (zuletzt Abrechnung mit der rot-grünen Regierungskoalition 1998 - Sommer 2001) aufweist und sich in die Zeit noch einfügt (Bl. 4469 d.A.). Möglicherweise sind die im Termin überreichten Listen des Beklagten zu 1) irgendwann im Jahr 2000 oder später fortgeschrieben worden, ohne dass dies dem Beklagten zu 1) bei der Übergabe der Unterlagen im Termin aufgefallen sein mag. Jedenfalls ist zu konstatieren, dass der Beklagte zu 1), der nach eigenem Bekunden auch heute noch über mehrfache vollständige Kopien aller Audiofiles der „Memoirengespräche“ verfügt, die klägerseits gefertigten Transkripte in Anlage K 18 (AO II) aus einigen frühen Aufnahmen aus Oktober 1999 inhaltlich nicht, jedenfalls nicht ausreichend substantiiert in Zweifel gezogen hat. Aus diesen Transkripten ergibt sich für den Senat aber zweifelsfrei, dass der Erblasser von Anfang an selbst durchaus recht genaue Vorgaben nicht nur zu - möglichst seriösen und aus Sicht des Erblassers oft an der Grenze des überhaupt noch Machbaren liegenden – Recherchearbeiten gemacht hat. Er wollte eine stichwortartige Themenliste auch aus den Vorgesprächen heraus als eine gemeinsame Arbeitsgrundlage entwickelt wissen, mit der man später chronologisch „durchreiten“ könne als eine Art Tagesordnung mit dazu jeweils zu stellenden Stichworten/Fragen zum „entlang hangeln“ (S. 14 der Anlage K 18, AO II). Nach einer so erfolgenden Stoffsammlung sollte erst später wieder über ein „Auseinanderreißen“ und „Weglassen“ entschieden werden. Ähnlich hat der Zeuge Dr. R. für die Jahre 2001/2002 bei seiner Vernehmung glaubhaft bekundet, dass man nach seinem Einstieg in Bezug auf die Memoirenarbeiten absprachegemäß vor dem Beginn mit der schriftlichen Niederlegung der Memoiren zunächst alle erforderlichen Gespräche neben parallelen Aktenauswertungen „komplett geführt“ wissen wollte (Bl. 4030 d.A.). In Ansehung dessen war es aber unrichtig, dass der Erblasser seine Memoiren ohne Quellen-/Dokumentenstudium nur mit Gesprächen habe erstellen lassen wollen, wie der Beklagte zu 1) bei seiner Anhörung noch angedeutet hat (Bl. 4191 d.A.). Dies war auch deswegen in sich nicht stimmig, weil der Beklagte zu 1) zugleich bekundet hat, dass seine zunächst angedachte Beraterrolle gerade eine begleitende Quellenauswertung habe einschließen sollen, standen dabei u.U. zunächst auch eher wissenschaftliche Texte im Vordergrund (Bl. 4186 d.A.). Der vorstehend behandelte Brief des Beklagten zu 1) vom 01.11.1999 (Anlage K 72, Bl. 4433 ff. d.A.) dürfte dem Anschreiben gemäß nur die „Erfüllung“ der im Oktober 1999 vom Erblasser gemachten Vorgaben durch den Beklagten zu 1) als „Auftragsschreiber im Dienste der Macht“ gewesen sein. Von daher – und wegen der glaubhaften Angaben des Zeugen Dr. R. zu dessen eigenen Mitwirkungsanteilen an den Hintergrundarbeiten ist es ersichtlich auch nicht richtig, dass der Beklagte zu 1) jedwedes Stichwortkonzept stets nur allein fortgeschrieben haben will, wie auf S. 34 f. der Klageerwiderung (Bl. 391 f. d.A.) behauptet oder er gar ohne jedwede inhaltliche oder organisatorische Vorgaben des Erblassers bei den Memoirenarbeiten agiert haben möchte, wie es auf S. 3 des Schriftsatzes des Beklagten zu 1) vom 30.11.2021 (Bl. 3160 d.A.) anklingt.
179((b))
180Nicht glaubhaft und lebensfremd war schließlich die Angabe des Beklagten zu 1), er habe mit dem Verlag nie „über Geld gesprochen“ und zur eigenen „Überraschung“ in dem Entwurf seines Verlagsvertrages urplötzlich ein Honorar für die Erstellung eines Buches vorgefunden, womit er dann aber einverstanden gewesen sei (Bl. 4189 f. d.A.). Der Zeuge I. A. hat glaubhaft bekundet, dass er selbst - nachdem er im Jahr 1999 den Beklagten zu 1) persönlich kennengelernt und kurz mit ihm gesprochen hatte - auf Bitten des Erblassers das „Gesamtpaket“ der (beiden) Verlagsverträge im Hintergrund vorbereitet habe (Bl. 4100 d.A.). Auch die weiteren Angaben des Beklagten zu 1), den Zeugen I. A. nur “eventuell“ einmal im Jahr 2000 bei den Arbeiten am „Tagebuch“ gesehen zu haben, von dessen Einbindung in die Vertragsverhandlungen nie etwas erfahren (Bl. 4188 d.A.) und im Zuge der Vertragsanbahnung nie mit diesem gesprochen zu haben (Bl. 4189 d.A.), sind inhaltlich nicht nachvollziehbar. Es mag allenfalls sein, dass der Beklagte zu 1) von der nur im Hintergrund erfolgten Einschaltung einer Anwaltskanzlei durch den Zeugen keine Kenntnis hatte (Bl. 4188 d.A.); in allen anderen Punkten geht der Senat nach der Beweisaufnahme und den glaubhaften Bekundungen des Zeugen I. Kohls vom Gegenteil des vom Beklagten zu 1) Gesagten aus.
181Offensichtlich unzutreffend war – wie die Klägerin zu Recht gerügt hat (S. 7 ff. des Schriftsatzes vom 02.02.2023, Bl. 4370 ff. d.A. nebst Anlagen) – auch die Angabe des Beklagten zu 1), dass der Erblasser schon beim ersten Treffen mit ihm im Januar 1999 definitiv zu einer Mitwirkung am Buchprojekt (nur) des Beklagten zu 1) bereit gewesen sei (Bl. 4185 d.A.). Dies fügt sich vor allem nicht in das gerade nach einem solchen Anbahnungsgespräch erstellte und erst heftig weiter um Unterstützung für ein eigenes Buchprojekt werbende Schreiben des Beklagten vom 29.01.1999 (Anlage K 23, AO II) sowie den erstinstanzlichen Beklagtenvortrag zum Hergang der Verhandlungen ein; tatsächlich hielt sich der Erblasser sein Engagement bei etwaigen eigenen Projekte des Beklagten zu 1) Anfang 1999 ersichtlich noch offen, worauf die Klägerin auch zutreffend hingewiesen hat.
182Ob der Beklagte zu 1) – wie die Klägerin rügt – auch ansonsten seine Rolle bei der Herstellung des weiteren Kontakts zum JH.-Verlag im Jahr 1999 überzeichnet hat, kann dahinstehen. Einräumen musste der Beklagte zu 1) im Rahmen seiner Anhörung jedenfalls, dass ihm entgegen seinem schriftsätzlichen Vorbringen als Mitarbeiter des JH.-Verlags allein der Lektor RJ., aber nicht der erst neu zum Verlag gewechselte Zeuge Dr. H. persönlich bekannt gewesen ist und er selbst erst Anfang 1999 im Verlag zu einem ersten Autorengespräch war. Tatsächlich ist der Erblasser – wie sich vor allem aus dem Brief des Zeugen Dr. H. vom 26.05.1999 (Anlage K 9, Bl. 419 AO I = Anlage K 21, AO II) inklusive der darauf ersichtlichen Notizen sowie den Notizen des Lektors RJ. aus dem Jahr 1999 mit Anmerkungen der Klägerin in Anlage K 70 (Bl. 4420 ff. d.A.) ablesen lässt – damals zunächst offen an die Gespräche herangegangen. Am 20.05.1999 ist er an den Zeugen Dr. H. herangetreten, während der Beklagte zu 1) dem Verlag gegenüber jedenfalls bis Anfang März 1999 noch sein ureigenes Projekt einer eigenen Biografie über den Erblasser verfolgt haben muss, weil sich zu diesem Zeitpunkt gerade noch nicht sicher abzeichnete, dass der Erblasser zu eigenen Memoirenarbeiten bereit sein würde. Erst ab dem 22.03.1999 sind auf Initiative des Erblassers dessen Memoiren (mit einer internen Mitwirkung des Beklagten zu 1)) als Option hinzugetreten, was der Erblasser zunächst mit dem Zeugen Dr. H. vorbesprochen hat. Auch hier belegt das Schreiben des Verlags (Zeugen Dr. H.) an den Erblasser vom 26.05.1999 (Anlage K 9, Bl. 419 AO = Anlage K 21, AO II) eindeutig, dass die Position des Erblassers in diesem ersten gemeinsamen Gespräch noch bewusst offen geblieben war und der Verlag deswegen überhaupt so offensiv darum werben musste, den Erblasser nicht nur für den Verlag, sondern gerade für ein Memoirenprojekt mit üppigen Garantiesummen gewinnen zu können. Das verfestigte sich erst bei dem – schon im Mai als Folgegespräch fest avisierten und also ebenfalls gerade nicht vom Beklagten zu 1) als „Kennenlerngespräch“ angestoßenen – sog. Dreiergespräch im Juni 1999. In diesem Gespräch, zu dem der Beklagte zu 1) hinzugebeten worden war, bekannte sich der Erblasser erstmals dem Verlag gegenüber klar zu einem eigenen Memoirenprojekt. Auch dabei war aber noch vieles im Fluss und offen; die schriftlichen Verlagsverträge bedurften der Abstimmung und bis dahin war formal alles – wie der Beklagte zu 1) es insofern zutreffend umschrieben hat – „auf der Kippe.“ Dass damals zumindest zeitweise auch im Raum stand, dass der Beklagte zu 1) nicht als „Ghostwriter“ fungieren sollte, weil man u.U. ehemalige Mitarbeiter des Erblassers für die Schreibarbeit zu gewinnen versucht hat, hat zuletzt selbst die Klägerin unter Verweis auf die Notizen in Anlage K 70 (Bl. 4420 ff. d.A.) angerissen. Die im Einzelnen streitigen Details spielen letztlich jedoch keine Rolle, weil sich im weiteren Verlauf des Jahres 1999 jedenfalls ergeben hat, dass der Beklagte zu 1) – wie auch im Verlagsvertrag am Ende vorgesehen – tatsächlich umfangreiche Schreib- und Recherchearbeiten für die Memoirenarbeiten übernehmen würde. Ob die begleitenden Bekundungen des Beklagten zu 1) überzeugen, er habe die G.-Nebentätigkeit zunächst auf der anderen Grundlage einer bloßen Quellenarbeit beantragt und später wegen der veränderten Aufgabe (Bl. 4186/4188 d.A.) nachfragen müssen, kann dahinstehen. Zweifel daran ergeben sich jedenfalls aus den gegenteiligen Erinnerungen des Intendanten des G., die dieser nach dem nicht ausreichend substantiiert bestrittenen Transkript des damals online abrufbaren Videos der Pressekonferenz bei der Buchvorstellung am 07.10.2014 wiedergegeben hat. Danach will der Intendant die Nebentätigkeitsgenehmigung des Beklagten zu 1) (von Anfang an) für eine „Ghostwritertätigkeit“ erteilt haben (Anlage K 8, Bl. 402 ff. AO I).
183((c))
184Bemerkenswert war vor allem das Schwanken im Prozessvortrag des Beklagten zu 1) im Übrigen: Hat er in den Vorverfahren (vgl. etwa nur Anlage OC A, AO III, S. 56 ff.) und in erster Instanz (S. 26/46/56 ff. der Klageerwiderung des Beklagten zu 1), Bl. 383/403/413 ff. d.A.) seine vermeintliche Position bei den Memoirenarbeiten als selbständig tätiger, freier Journalist/Publizist, der dem Erblasser auf Augenhöhe bei einer gleichrangigen Projektarbeit begegnet sei, u.a. darauf gestützt, dass er hohe Aufwendungen, Kopierkosten, Spesen und Bewirtungskosten im Restaurant OS. JG. usw. getragen habe, überzeugte dieses Argument schon im Vorverfahren aus rechtlichen Erwägungen nicht (vgl. Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, BeckRS 2018, 10541 Rn. 139 f.). Nunmehr ist im Nachgang an die Ausführungen auf S. 23 ff. der Replik (Bl. 490 ff. d.A.) vom Beklagten zu 1) nicht mehr bestritten, dass der Erblasser zum einen selbst damals oft hohe Kopierkosten aus seinem Vermögen beglichen hat (Anlage K 24a/24b, AH II). Zum anderem hat der Verlag dem Buchprojekt nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag ein hohes fünfstelliges und nicht abrechnungspflichtiges Spesenbudget zur freien Verfügung gestellt sowie zusätzlich die Übersetzungskosten für die genutzte russischsprachige Literatur („Im Politbüro des ZK der KPdSU“) von rund 7.000 EUR übernommen. Der Punkt – auf den unten im Rahmen der Ansprüche gegen die Beklagte zu 3) bei der Frage der sog. bewussten Unvollständigkeit zu einer die „Zeche“ im OS. JG. betreffenden Buchpassage nochmals zurückzukommen sein wird – wirft ein bedenkliches Bild auf den Umgang des Beklagten zu 1) mit § 138 Abs. 2 ZPO.
185Befremdlich im Hinblick auf § 138 Abs. 2 ZPO waren auch die Angaben des Beklagten zu 1), dass der technisch versierte Ehemann seiner Schwester während der Memoirenarbeiten zwar zunächst die Erstellung von Kopien der Originaltonbänder zugesagt, aber „dann später nicht gemacht“ habe (Bl. 4192 d.A.). Dieses Vorbringen fügt sich nicht ein in den Prozessvortrag auf S. 20 des Schriftsatzes des Beklagten zu 1) vom 04.12.2018 (Bl. 679 d.A.), wonach in Absprache und im ausdrücklichen Interesse des Erblassers bereits während der Memoirenarbeiten tatsächlich Kopien angefertigt worden sein sollen, was der Beklagte zu 1) in dem auf Auskunft/Herausgabe gerichteten Vorverfahren als Argument für die von ihm erhobene Verjährungseinrede genutzt hat (vgl. Anlage OC A, AO III, S. 55/108/200/202, S. 16 von Anlage OC B, AO III). Zudem will er den angeblich drohenden physischen Zerfall der Magnettonbänder mehrfach mit dem Erblasser besprochen haben. Auf S. 46 der Klageerwiderung (Bl. 403 d.A.) hat der Beklagte zu 1) sogar angeführt, dass er persönlich „erhebliche Kosten“ für die dem Erblasser wohlbekannten Anstrengungen getragen habe, um die Tonbandaufnahmen durch Erstellung von Kopien vor dem physischen Zerfall zu sichern. Diesen Sachvortrag will der Beklagte zu 1) zwar mittlerweile als ein anwaltliches „Redaktionsversehen“ verstanden wissen, nachdem aufgefallen war, dass er in seiner Auskunft vom 29.06.2018 in Anlage K 30 (AO II) angegeben hat, die erste Kopie der Originaltonbänder angeblich erst im Jahr 2013 erstellt zu haben. Der Ehemann der Schwester sei nach zwischenzeitlich besseren Erkenntnissen damals gar nicht tätig geworden, obwohl man ihn auf Bitte von Hannelore Kohl (also: doch nicht des Erblassers?) um Fertigung von Kopien gebeten habe. Dies habe sich erst bei den weiteren Recherchen rund um die Auskunftserteilung als „Fehlerinnerung“ des Beklagten zu 1) herausgestellt (S. 10 des Schriftsatzes des Beklagten zu 1) vom 18.05.2022, Bl. 3571 d.A.). Diese Sachverhaltskorrektur ist auch aus dem Grunde erstaunlich, weil der Beklagte zu 1) im Vorverfahren ausweislich des vom Klägervertreter auf Bl. 3277 d.A. eingeblendeten Schriftsatzes vom 28.02.2018 explizit hat vortragen lassen, dass er im Nachgang zu der mündlichen Verhandlung vom 15.02.2018 urplötzlich eine klare Erinnerung an eine „weitere konkrete Begebenheit“ im Jahr 2001, nämlich an ein Mittagessen, entwickelt habe, bei dem er nach dem Erfolg des „Tagebuchs“ mit dem Erblasser persönlich über Audiokopien gesprochen haben will und auf Betreiben/Wunsch von Hannelore Kohl damals dann dort beiden Eheleuten gegenüber „hoch und heilig“ versprochen habe, eine Sicherheitskopie anfertigen zu lassen. An dieses Versprechen wollte sich der Beklagte zu 1) deswegen so genau erinnern können, weil er im Moment dieser Zusage noch nicht gewusst habe, wie er dies überhaupt technisch umsetzen werde. Dies habe er erst im Nachgang zu diesem Mittagessen recherchiert und tatsächlich eine erste Sicherheitskopie auf einer CD-ROM zeitnah zum Abschluss seiner „Interviews“ mit dem Erblasser im März 2003 erstellt. Diese angeblich so konkrete Spontan-Erinnerung lässt sich mit den Erklärungsversuchen zu Anlage K 30 (AO II) schwerlich in Einklang bringen und muss insgesamt eine massive „Fehlerinnerung“ gewesen sein. Der vermeintlich so unzuverlässige Ehemann der Schwester spielte offenbar hierbei auch keine Rolle. Dass der Beklagte zu 1) bei seiner Anhörung vor dem Senat ausdrücklich betont hat, nur (!) Frau Hannelore Kohl habe zu den Bändern überhaupt „mal angesprochen, … ob es Kopien geben sollte“ (Bl. 4199 d.A.), fügt sich nicht zu dem so plastisch erinnerten Versprechen am Mittagstisch, welches angeblich gerade beiden Eheleuten gegenüber erfolgt sein soll. Auch bleibt mindestens erstaunlich, dass der Beklagte zu 1) ausweislich seiner Anhörung nach Abschluss der Arbeiten der Schwester an den Transkripten den Laptop abgeholt und die Festplatte mit den Transkriptdateien aus Gründen der Datensicherheit vernichtet haben will (Bl. 4192 d.A.). Wieso das Fehlen der „hoch und heilig“ versprochenen Kopien der Tonbandaufnahmen nicht aufgefallen und zum Thema geworden sein soll, bleibt ebenso unklar wie die Situation bei der Rückgabe der Originalbänder durch die Schwester bzw. durch ihren Ehemann. Spätestens dabei hätte dem Beklagten zu 1) das Fehlen der versprochenen Tonbandkopien – erst recht auf CD-ROM statt auf Magnettonbändern (?) – auffallen müssen. Weitere Zweifel an den Angaben des Beklagten zu 1) in Anlage K 30, AO II und der darauf bezogenen Korrektur seines Prozessvortrages ergeben sich daraus, dass er heute nur 12 Wechselfestplatten (also gerade keine CD-ROM?) in Besitz haben will und dies nur unter Erstellung einer ersten Kopie im Jahr 2013. Ausweislich des nicht ausreichend bestrittenen Transkripts in Anlage K 8 (Bl. 414 AO I) hat er bei der Pressekonferenz zum Erscheinen des Buches im Oktober 2014 aber angegeben, „schon vor Jahren“ (!) – und nicht erst im Vorjahr (?) - und dies auch nur auf einen ausdrücklichen Rat des damaligen Anwalts (!) – der schriftsätzlich sonst bei allen Korrekturversuchen zum Sachvortrag keinerlei Rolle zu spielen scheint – Kopien gemacht zu haben, tatsächlich sogar bis zu 20 oder gar 30 Kopien, was zudem auch alles sehr „kompliziert“ gewesen sei, weil man erst jemanden habe finden müssen, der das mache. Dass und warum nicht spätestens schon im Jahr 2014 die augenscheinliche Untätigkeit des Ehemannes der Schwester aufgefallen ist (weil man sonst auf den Rat des Anwalts doch einfach dessen Dateikopie erwähnt und/oder die CD-ROM vorgelegt hätte) und warum man dennoch (auch nach der Zwangsvollstreckung wegen der Originale) noch bis Ende 2018 vor Gericht durchweg „versehentlich“ falsch vorgetragen hat, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen. Soweit in dem im Oktober 2014 erschienenen Buch auf S. 20 von „auch im nichteuropäischen Ausland“ hinterlegten Dateien die Rede ist, ergeben sich daraus allerdings nicht unbedingt weitere Zweifel, weil die Auskunft aus dem Jahr 2018 sich auf den nunmehrigen Datenbestand und den Aufbewahrungsort bezog und nicht auf die „Entstehungs- und Lebensgeschichte“ jeder einzelnen Kopie. Nach Sinn und Zweck des titulierten Auskunftsanspruchs geht es allein darum, die Klägerin zur Abfassung eines bestimmten Herausgabeantrages im Klageverfahren zu ertüchtigen (vgl. auch den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens 15 W 62/23).
186Die Ausführungen zur angeblichen „Kompliziertheit“ des Kopierens eines Magnettonbandes auf eine andere Kassette sind zudem technisch nicht plausibel, mag auch ggf. das Erstellen von Audiofiles (Dateien) aus Magnettonbändern im Zeitraum ab 2003 ein damals noch nicht alltägliches Equipment benötigt haben. Das hätte aber einem hochrangigen G.-Mitarbeiter ohne weiteres vor Augen stehen müssen, zumal der Beklagte zu 1) jederzeit Beratungsmöglichkeiten zu solcher Technik durch Befragung damit bewanderter Kolleginnen und Kollegen beim G. gehabt haben dürfte, ohne dass er damit seine „Ghostwritertätigkeit“ als solche dort hätte im beruflichen Umfeld offenlegen müssen. Immerhin soll es ansonsten bei dem RY.-Interview in Heft Nr. 39/2012 im oder kurz vor September 2012 (Anlage K 43, Bl. 3073 ff., dort Bl. 3081 d.A.) ausschließlich um ein Vorspielen von Audioaufnahmen von einem „Bandgerät“ gegangen sein. Dass es sich dabei um die - offenbar zu diesem Zeitpunkt trotz des hohen Alters der Bänder noch ausgesprochen gut hörbare und ebenso nach dem Beklagtenvortrag noch im Jahr 2013 für ausweislich der aktenkundigen Dateien tadellose Audiokopien geeignete (?) – Originalkassetten aus den Gesprächen von 1999-2003 gehandelt haben soll (also nicht etwa um besagte CD-ROM), ist weder vorgetragen noch ersichtlich und auch aus Sicht des Senats schon wegen des Werts des vielfach beschworenen „Tonbandschatzes“ nicht sonderlich wahrscheinlich. Immerhin hat der in die Publikation des streitgegenständlichen Buches eingebundene Justitiar der Beklagten zu 3) nach dem nicht ausreichend bestrittenen Inhalt des Transkripts der Pressekonferenz ausdrücklich die „Anspielbarkeit“ der „kleinen Tonbänder, die …vor zehn Jahren zum letzten Mal überhaupt anspielbar gewesen“ sein sollen, in Zweifel gezogen (Anlage K 8, Bl. 408 d.A.). Dies hätte der Justitiar aber eigentlich wissen müssen, weil man die Aufnahmen ja zumindest „stichprobenartig“ geprüft, auch wenn man nicht alle Bänder „abgehört“ habe (Bl. 413 AO I).
187Im Übrigen sind die vermeintlichen Überlegungen des Beklagten zu 1) zur Komplexität von Kopiervorgängen erst im Jahr 2013/2014 und/oder die angeblich offenen technischen Überlegungen zum etwaigen Herstellen von Kopien nach Gesprächen am Küchentisch der Eheleute Kohl schon im März 2003 auch deswegen verwunderlich, weil der Beklagte zu 1) nach seinem eigenem Prozessvortrag während der Memoirenarbeiten an anderer Stelle mit dem Erblasser offen ohne jedes Problembewusstsein die Übergabe mannigfacher Tonbandkopien etwa an das Bundesarchiv und die Konrad-Adenauer-Stiftung besprochen haben will (S. 33/34 der Klageerwiderung, Bl. 390/391 d.A.). Überzeugend war aber auch dies nicht, wenn man sich ansonsten wegen der Problematik des Erstellens von Kopien solche Gedanken gemacht haben will. Auf der Pressekonferenz zum Erscheinen des streitgegenständlichen Buches will man nach dem nicht ausreichend bestrittenen Transkript (Anlage K 8, Bl. 410 AO I) damals nur über das Schicksal der Originaltonbänder gesprochen haben („die Bänder dann in die Stiftung kommen“). Die Thematik der Verteilung etwaiger Kopien will man eigentlich erst im Zuge der außergerichtlichen Einigungsbemühungen vorgeschlagen haben (Bl. 414 AO I); auch dieses Mäandern ist nicht nachvollziehbar.
188((d))
189Widersprüchlich und insgesamt ebenfalls nicht glaubhaft waren schließlich die Beteuerungen des Beklagten zu 1) zur angeblich freien Verwendbarkeit des Materials nach dem Tod des Erblassers oder gar schon zu dessen Lebzeiten: Dass der Erblasser letzteres erlaubt haben soll, ist auch in Ansehung des im Termin angebotenen „Schwörens“ des Beklagten zu 1) nicht konkret umschrieben worden, zumal Vertraulichkeitsfragen nach seiner sonstigen Darstellung überhaupt nicht thematisiert worden sein sollen. Zu ersterem soll der Erblasser zwar nach den (nicht ausreichend bestrittenen) Angaben des Beklagten zu 1) auf der Pressekonferenz (Anlage K 8, Bl. 402 AO I) alles „x-Mal gesagt“ haben mit Sätzen wie „Das können Sie veröffentlichen wegen mir, wenn ich tot bin.“ Der darauf und auf ein angebliches weiteres ähnliches Wortlautzitat des Erblassers mit einem ausdrücklichen „Siezen“ des Beklagten zu 1) im RY.-Interview in Heft 39/2012 (Anlage K 43, Bl. 3073 ff. d.A., dort Bl. 3081 f. d.A) angesprochene Beklagte zu 1) konnte bei seiner Anhörung aber keine belastbaren Angaben machen (Bl. 4198 d.A.). Dass gerade so zentrale Audiodateien - mit Ausnahme der eher humorvollen Randbemerkung in Anlage K 54 (diese ohne klaren Kontext) - bis zuletzt nicht vorgelegt worden sind und nach dem Ergebnis der Anhörung des Beklagten zu 1) wohl auch nicht vorliegen (Bl. 4198 d.A.), obwohl man in dem Interview betont hat, man habe das „sicherlich auch auf Band“ (Bl. 3082 d.A.), streitet tendenziell auch gegen den Beklagten zu 1). Widersprüchlich sind die Angaben zum „Duz“-Verhalten des Erblassers ihm gegenüber bei diesen so zentralen und deswegen sonst von ihm im angeblichen Wortlaut zitierten Äußerungen. Während der Erblasser den Beklagten zu 1) angeblich schon seit 1984 durchweg gedutzt haben soll (Bl. 4198 d.A.), hat der Beklagte zu 1) das „Duzen“ an anderer Stelle jedenfalls auf die Zeit nach dem sog. Dreiergespräch im Juni 1999 datiert (Bl. 4187 d.A.), was sich mit dem angeblichen „Siezen“ des „Volksschriftsstellers“ kaum verträgt. Der Senat stellt zwar in Rechnung, dass sich auf den aktenkundigen Tonaufnahmen sowohl förmliche als auch nicht förmliche Anreden des Beklagten zu 1) wiederfinden und dieser Wechsel der Natur des Erblassers im Umgang mit Menschen in vertrauter Umgebung entsprochen haben mag. Dass der Beklagte dennoch gerade bei den für ihn so wichtigen Stellen weder Tonbandbelege vorlegen noch eindeutig aus den für ihn so wichtigen Aussagen zitieren kann, spricht jedenfalls auch mit Blick auf die eher nichtssagende Randbemerkung in Anlage K 54 nicht für den Wahrheitsgehalt seiner Angaben insgesamt.
190Schon im Vorverfahren hat der Senat im Urteil vom 29.05.2018 (15 U 65/17, BeckRS 2018, 10541 Rn. 152) den mehrfach alternierenden Sachvortrag des Beklagten zu 1) in diesem zentralen Punkt seiner Rechtsverteidigung bemängelt. Stringenter geworden sind die Ausführungen nicht. Auch die schon im Vorverfahren nach mehrjährigen Gerichtsverfahren erstmals „geistesblitzartig“ vorgebrachten – klägerseits bestrittenen (Bl. 4197 d.A.) – Angaben des Beklagten zu 1) zu einer angeblich am Grab der ersten Ehefrau des Erblassers vom Erblasser ausgesprochenen Verpflichtung des Beklagten zu 1), als „Garant“ im Wege einer „Art „Vermächtnis“ im Fall des Ablebens des Erblassers dafür zu sorgen, dass der Erblasser nicht in Vergessenheit gerate, wofür man dann – so der Beklagte zu 1) nunmehr - angeblich sogar den „Job beim G. gekündigt“ hätte, wenn der Erblasser tatsächlich gestorben wäre (Bl. 4197 d.A.), blieben wie bereits im Vorverfahren (Senat a.a.O. Rn. 152) unplausibel. Sie stehen weiterhin unaufgelöst neben dem vom Senat a.a.O. bereits behandelten Narrativ, der Erblasser und seine erste Ehefrau hätten dem Beklagten zu 1) wegen Morddrohungen, die bei den Recherchen in den Stasi-Akten des Erblassers erstmals aufgedeckt worden waren, damals - also offenbar noch 10 Jahre nach dem Zusammenbruch der DDR und deren Apparats (?) - mehr oder weniger in Todesangst das Versprechen abgerungen, im Fall des gewaltsamen Ablebens auf jeden Fall noch die Erinnerungen zu publizieren – dies augenscheinlich ungeachtet der klaren Regelungen zum Todesfall im Verlagsvertrag und allein in eigener Verantwortung. Es bleibt insgesamt für den Senat erstaunlich, wie viele unterschiedliche Sachverhaltsvarianten der Beklagte zu 1) zu Zusagen und Beteuerungen des Erblassers in den verschiedenen Gerichtsverfahren vorgebracht hat.
191Auch soweit der Beklagte zu 1) bei seiner Anhörung angab, keine konkrete Erinnerung an im Vorverfahren so bezeichnete sog. Sperrvermerks-Passagen zu haben (nur: „wenn sie so gefallen sein sollten“, Bl. 4198 d.A.), war dies irritierend, weil er im Vorverfahren zu den dort angegriffenen 116 Buchpassagen und auch hier im Sachvortrag ansonsten beteuert hat, derartige Vorgaben des Erblassers auch bei der streitgegenständlichen Publikation immer genau beachtet zu haben (vgl. auch Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, BeckRS 2018, 10541 Rn. 44) und der Beklagte zu 1) in seinem RY.-Interview in Heft Nr. 39/2012 (Anlage K 43, Bl. 3073 ff. d.A.) den angeblichen Satz des Erblassers „Das können wird jetzt aber net schreiben“ selbst zitiert hat. Der Beklagte zu 1) hat mit seinem Berufen auf ein „Nicht-Mehr-Wissen“ auf S. 34 der Klagerwiderung (Bl. 391 d.A.) auch die weiteren Angaben auf der Pressekonferenz zum Erscheinen des streitgegenständlichen Buches nur unzureichend bestritten, die die Klägerin anhand eines Transkripts dieser Konferenz vorgetragen hat und wonach der Erblasser ebenfalls deutlich „das schreiben wir aber nicht in die Memoiren“ gesagt haben soll (Anlage K 8, Bl. 402 AO I).
192((e))
193Auch im Verhältnis zu den – wie ausgeführt – ausgesprochen glaubhaften Bekundungen des Zeugen Dr. IL. zu den Memoirenarbeiten hat der Beklagte zu 1) zumindest „geschönte“ Angaben gemacht und war auch insofern nicht überzeugend. Soweit der Beklagte zu 1) angegeben hat, er habe dem Zeugen Dr. R. damals tatsächlich Unterlagen für ein von diesem „geplantes Projekt“ zur Verfügung gestellt (Bl. 4194 d.A.), – auf welches unten im Rahmen des § 241 Abs. 2 BGB noch zurückzukommen ist – scheint es erneute grobe Fehlerinnerungen des Beklagten zu 1) gegeben zu haben. Denn der sehr gewissenhaft bekundende Zeuge Dr. R. hat im Gegenzug glaubhaft versichert, dass der Beklagte zu 1) zwar die Möglichkeit angesprochen hat, Material (aber wohl nicht die Tonbänder) zu übergeben, dies aber (bis heute) tatsächlich - mit Ausnahme der dem Zeugen damals für die Memoirenarbeiten zur Verfügung gestellten Teile der Transkripte - gerade nicht getan habe (Bl. 4031 d.A.); der Senat hat an der Richtigkeit der Angaben des Zeugen keinerlei Zweifel.
194Zudem hat der Beklagte zu 1) – wie auch im Buch (S. 40 des Buches) – alles andere als glaubhaft versucht, eine relevante Mitarbeit des Zeugen Dr. IL. bei den Memoirengesprächen in Abrede zu stellen und auch ein nennenswertes (erst recht gemeinsames) Arbeiten mit schriftlichen Unterlagen auch in dem Bungalow des Erblassers. Es kommt dabei nicht entscheidend auf die Streitfrage an, ob und wie dort damals ein umfangreiches „Privatarchiv“ des Erblassers vorhanden war oder es eher um nach dort beigezogene Akten aus Behörden und Handakten aus Kanzlerzeiten ging, wofür einiges spricht. Der Zeuge Dr. R. hat schon bei seiner Vernehmung am 10.10.2013 (Anlage OC 6, AO III, S. 2/3) angegeben, zusammen mit dem Beklagten zu 1) sämtliche Handakten aus der Zeit des Erblassers als Bundeskanzler von 1982 – 1998 im Keller vorgefunden, systematisch nach Themen für die zunächst einbändig angedachten Memoiren durchgearbeitet und insgesamt zu zweit daran „tagelang“ vor Ort gearbeitet zu haben. Das gemeinsame (oder auch teils alleinige) Auswerten der Akten dort vor Ort zur Vorbereitung der „Memoirengespräche“ hat der Zeuge auch vor dem Senat glaubhaft und plastisch beschrieben und dabei auch eigene „Beiträge“ für die Arbeiten erwähnt (Bl. 4030 d.A.): Dabei hat der Zeuge Dr. R. den Angaben des Beklagten zu 1) nur insoweit zugestimmt als dieser in der eigentlichen Manuskriptarbeit „seine“ Teile der Rohfassung der Memoiren ohne Mithilfe des Zeugen erstellt habe (Bl. 4030 d.A.). Der Zeuge Dr. R. hat ansonsten überzeugend bekundet, Themenkonzepte, Zeittafeln, Ereignislisten, dies als „Besprechungsgrundlage“ für die „Memoirengespräche“ (Bl. 4034/4035/4039 d.A.) aktiv mitgestaltet und erstellt zu haben. Er hat den diese Zuarbeiten mehr oder weniger „minimierenden“ Ausführungen des Beklagten zu 1) – der die Mitwirkung des Zeugen nur eher beiläufig unter dem Gesichtspunkt der „höllischen“ Arbeitsbedingungen in dem wegen der Krankheit der ersten Ehefrau des Erblassers abgedunkelten Haus angedeutet hat (Bl. 4194 d.A.) - und der Darstellung auf S. 40 des Buches mit den dortigen Wertungen glaubhaft widersprochen (Bl. 4036 d.A.), wie oben auch bereits zur Mitarbeit an der vom Beklagten zu 1) im Termin in Bezug genommenen Stichwortliste angesprochen. Das gilt umso mehr, als die Klägerin zu Recht darauf hingewiesen hat, dass sich aus den vom Beklagten zu 1) – der über vollständige Tonbandaufnahmen verfügt – nicht ausreichend bestrittenen Tonbandabschriften in Anlagen K 59, Bl. 3405 d.A. und K 62, Bl. 3489 ff. d.A. ebenfalls ableiten lässt, dass sowohl der Zeuge Dr. R. als auch der Beklagte zu 1) damals tatsächlich Unterlagen (Handakten und Briefverkehr) durchgearbeitet haben und auch in der selbst als repräsentativ vorgelegten Tonbandaufnahme in Anlage K 54 bisweilen vom Erblasser das Nachlesen bzw. nicht erfolgte Nachlesen in Unterlagen angesprochen wird. Ob der Beklagte zu 1) bezüglich der stattgefundenen Arbeitsgespräche ausreichend substantiiert bestritten hat, dass Herr Prof. DX. als „B“ im Sinne der Transkripte ggf. auch an einem einzigen „Memoirengespräch“ (Anlage K 61, Bl. 3503 ff. d.A., siehe auch Tonaufnahme OC30 Nr. 7 zum jüdischen Weltkongress und OC-B5 Nr. 101 zu Kardinal Meisner) teilgenommen hat, spielt für die Würdigung des Senats keine Rolle mehr und bedarf keiner weiteren Aufklärung. Der Zeuge Dr. R. hat jedenfalls ebenso wie der Beklagte zu 1) (nur) einen Besuch von TS bestätigt (Bl. 908, 4030 d.A.), wie es auch auf S. 180 f. des Buches – von der Klägerin im Verfahren konkret gerade nicht angegriffen – beschrieben wird.
195((f))
196Grob widersprüchlich waren schließlich die Angaben des Beklagten zu 1) zu der vermeintlichen Motivation bei der Publikation des streitgegenständlichen Buches und zur Frage eines dabei erfolgten „Vertrauensbuchs“:
197[1]
198Dies entzündete sich an der Frage nach der Position der Schwester des Beklagten zu 1), die unstreitig damals gegen Entgelt die Transkriptionsarbeiten erledigt und deswegen vollen Zugriff auf die Originaltonbänder erhalten hat. Auch auf Vorhalt und Nachfrage des Senats (Bl. 4202 d.A.) hat der Beklagte zu 1) ausdrücklich davon gesprochen, dass es ihm darum gegangen sei, jemanden zu finden, der „auch die Verschwiegenheitspflichten einhält“ (Bl. 4192 d.A.) – obwohl er solche für sich selbst in Abrede stellt. Er will seiner Schwester – dagegen nur partiell deren Ehemann – vertraut haben, weil eine Verpflichtung der Schwester ohne eine ausdrückliche Thematisierung von Verschwiegenheitspflichten „automatically“ bestanden habe (Bl. 4192 d.A.). Das Thema der Vertraulichkeit muss dem Beklagten zu 1) auffallend wichtig gewesen sein, weil er in Ansehung eines fortbestehenden „Misstrauen(s)“ bzw. „aus Sicherheitsgründen“ später den von der Schwester genutzten Laptop abgeholt und die Festplatte mit den Transkriptionsdateien vernichtet haben will (Bl. 4192 d.A.). Dass der Erblasser sich im Gegenzug für all dies nicht interessiert und auch „nie danach gefragt“ (Bl. 4192 d.A.) haben soll, fügt sich nicht in das Prozessvorbringen des Beklagten zu 1) im Schriftsatz vom 11.07.2017 im Vorverfahren (Anlage OC 1, AO II, S. 52 f.) ein, wonach der Beklagte zu 1) und der Erblasser „lange gemeinsam darüber nachgedacht (haben sollen), wem sie voll vertrauen könnten …“ und der Erblasser sich „auch dafür (interessiert habe), auf welchem Wege die Tonbänder zu der Schwester ins Saarland, und die gefertigten Abschriften dann zum Beklagten zu 1) nach Köln gelangten“; auch auf diese Unstimmigkeiten im Beklagtenvortrag hat die Klägerin zu Recht hingewiesen. Auch der unstreitige Dankesbrief des Erblassers an die Schwester des Beklagten zu 1) (Anlage OC 13) zeigt, dass diesem die Transkriptionsarbeit keinesfalls so gleichgültig gewesen sein kann, wie der Beklagte zu 1) bei seiner Anhörung angegeben hat.
199[2]
200Noch gewichtiger waren schließlich die Widersprüchlichkeiten und Dunkelheiten bei den Erläuterungsversuchen des Beklagten zu 1) zu seiner Motivation bezüglich des ihm vorgeworfenen „Vertrauensbruchs“ bzw. zur Rechtfertigung der Publikation: Ausgehend von seiner Kernthese, er sei dem Erblasser als freier Journalist und „Volksschriftsteller“ mehr oder weniger auf Augenhöhe und ungebunden gegenübergetreten, war es schon im Ansatz wenig verständlich, überhaupt von Bindungen und/oder einem Gedanken an einen Vertrauensbruch zu sprechen. Bei der Pressekonferenz zum Erscheinen des Buches hat der Beklagte zu 1) zwar in der Tat noch jedwede Bindungen gegenüber dem Erblasser von sich gewiesen und einen Vertrauensbruch verneint (Anlage K 8, Bl. 409 AO I). Bei seiner Anhörung war das aber weniger klar. Er hat nur betont, er habe sich wegen des Verhaltens des Erblassers (bzw. der Klägerin) ihm und anderen Personen (wie den Eheleuten Seeber) gegenüber „nicht mehr gebunden gefühlt“ bzw. es habe aus seiner Sicht keine Verpflichtung zu einer Vertraulichkeit „mehr“ gegeben (Bl. 4198 d.A.). Die darin zum Ausdruck kommende Annahme einer zumindest vorher bestehenden „Bindung“ klingt noch an anderer Stelle an und wurde vom Beklagten zu 1) nicht stimmig erläutert: Soweit er dem Erblasser im Schreiben vom 24.09.2012 (Anlage K 6, Bl. 399 AO I) zugesagt hat, (jedenfalls) kein „Enthüllungsbuch“ zu schreiben, worauf dieser sich für alle Zeiten verlassen könne, will der Beklagte zu 1) später nur „halt bei der Veröffentlichung des Buches … (die) Meinung geändert“ haben (Bl. 4199 d.A.). Eine angeblich aus seiner Sicht von Anfang an bestehende freie Verwertungsbefugnis wäre anders umschrieben worden.
201Insofern blieben auch die Angaben des Beklagten zu 1) bei seiner Anhörung (Bl. 4200 f. d.A.) zu seinem Interview in der XK. vom 06.07.2017 (Anlage B (3) 8, Bl. 47 AH) ambivalent, die er mit einem fehlenden Gegenlesen und einer deswegen nicht erfolgten Streichung der Passage zu entschuldigen suchte. Er hat dabei aber inhaltlich nicht in Abrede gestellt, damals von einem „Vertrauensbruch“ dem Erblasser gegenüber gesprochen zu haben. Soweit in dem Interview ansonsten die Rede von einer „ja durchaus erstaunlichen Lücke und erstaunlichen Abweichung zu sonstigen Ghostwriterverträgen“ in den Verlagsverträgen in Bezug auf eine Verschwiegenheitsvereinbarung“ war, blieb der Beklagte zu 1) zwar bei dieser (nach den lückenhaften Verlagsverträgen verständlichen) Bewertung (Bl. 4201 d.A.), doch muss er selbst einen zumindest moralischen Vertrauensbruch in Rechnung gestellt haben. Das fügt sich darin ein, dass er zumindest teilweise das Problem gesehen haben muss, sich von der Idee her als (moralisch) zur Publikation gerechtfertigt gesehen hat. So hat er in seinem Interview im Deutschlandfunk vom 05.03.2016 (Anlage K 35, Bl. 1655 ff. d.A., dort Bl. 1657/1658 d.A.) mit dem „Wegziehen“ der Originaltonbänder als dem Grund für die streitgegenständliche Publikation argumentiert. Das war zwar schon deswegen wenig stimmig, weil er schon im September 2012 sprichwörtlich noch „aus heiterem Himmel heraus“ eine (wenn auch möglicherweise wohlwollende) Buchpublikation über den Erblasser unter Verweis auf die bei ihm noch vorhandenen Tonbänder angekündigt hat und damit das Herausgabeverfahren wegen der Originaltonbänder erst „provoziert“ hat. Dies war deswegen zumindest erstaunlich, weil er sich zuvor jahrelang still verhalten, die Mitarbeit an Memoiren und „Tagebuch“ nicht aufgedeckt und auch sonst nicht mit Materialien aus der Zusammenarbeit mit dem Erblasser (etwa bei Verlagen) in die Öffentlichkeit getreten ist. Auch die von ihm bei der Anhörung beschriebene „Zäsur“ durch die gerichtlichen Entscheidungen zur Herausgabe der Originaltonbänder (Bl. 4196 d.A.) mag zwar sein Motiv für die streitgegenständliche Publikation gewesen sein, erklärt den schleichenden Sinneswandel in Bezug auf das von ihm selbst zunächst angenommene „Vertrauensverhältnis“ im Übrigen gerade nicht.
202Erst recht nicht überzeugend waren die Angaben des Beklagten zu 1) zu seinen Überlegungen, er habe in dieser Schlussphase der gemeinsamen Arbeit und im bzw. nach dem Zeitpunkt der Kündigung nicht um den angeblich so schlechten mentalen Gesundheitszustand des Erblassers gewusst und sei deswegen von einem „Vertrauensbruch“ durch den Erblasser im Zusammenhang mit dem Umgang mit den Eheleuten Seeber und ihm selbst ausgegangen. Er habe schlichtweg nicht gewusst, dass der Erblasser tatsächlich gar nicht mitbekommen habe, was um ihn herum geschehen sei; er habe gedacht, der Erblasser „sei klar im Kopf und bei Sinnen im Zusammenhang mit der Trennung von seinem Fahrer und von mir“ gewesen (Bl. 4196 d.A.). Wegen des so konstruierten „Vertrauensbruchs“ von Seiten des Erblassers habe das streitgegenständliche Buch „keinen eigenen Vertrauensbruch mehr“ mehr darstellen können. In diesen Ausführungen kam zwar ein beim Beklagten zu 1) subjektiv vorherrschendes Gefühl „verschmähter Zuneigung“ und einer tiefgreifenden Verletzung zum Ausdruck. Indes fügt sich dieses Betonen der angeblichen Annahme eines „Vertrauensbruches“ des Erblassers nicht in den oben genannten Brief vom 24.09.2012 (Anlage K 6, Bl. 399 AO I) und auch nicht in sein sonstiges Verhalten ein. Auch im RY.-Beitrag in Heft Nr. 39/2012 (Anlage K 43, Bl. 3073 ff. d.A.) ist vom Appell des Beklagten zu 1) die Rede, den angeblich von der Klägerin weggesperrten Erblasser zu befreien und von der schon damals herausgestellten These, der Erblasser wisse nicht mehr, was in seinem Namen an Stellungnahmen herausgehe bzw. er können solche Dinge nicht mehr verhindern (Bl. 3080 d.A.). Der Beklagte zu 1) hat zwar damals von der Möglichkeit gesprochen, dass der Erblasser „im Kopf völlig klar“ sei und man für diesen Fall „tief enttäuscht von diesem Mann sei“ (Bl. 3082 d.A.). Das bleibt aber – wie auch die Darstellung im streitgegenständlichen Buch zeigt – die aus Sicht des Beklagten zu 1) erkennbar unwahrscheinlichste Variante. Schon in Ansehung dieser Zweifel war das dem Senat geschilderte Motiv einer eigenen Reaktion auf einen Vertrauensbruch des Erblassers fernliegend, insbesondere, wenn man berücksichtigt, dass der Beklagte zu 1) mehrere Jahre nach dem Zerwürfnis im Jahr 2009 bis zum Erscheinen des streitgegenständlichen Buches im Jahr 2014 zugewartet hat. Auch im weiteren Verlauf seiner Anhörung hat der Beklagte zu 1) deutlich gemacht, dass nur mit dem Auftreten der Klägerin „eine neue Zeitrechnung angebrochen“ sei, deren Verhalten - dies auch aus Sicht der Söhne des Erblassers - die Beziehungen zu den Vertrauten des Erblassers zerstört habe und er erst damit „dann gemeint (habe), dass es aus meiner Sicht keine Verpflichtung mehr …. zu einer Vertraulichkeit gebe; … ich habe mich an nichts mehr gebunden gefühlt.“ (Bl. 4198 d.A.); auch hier war von einem Vertrauensbruch des Erblassers keine Rede mehr. Selbst bei der Pressekonferenz zum Erscheinen des Buches (Anlage K 8, Bl. 409 f.) hat der Beklagte zu 1) ausschließlich der Klägerin die Schuld am Bruch des Erblassers u.a. mit ihm zugeschrieben und den Herausgabeprozess der Klägerin als „selbsternannte Verwalterin seines Vermächtnisses, … die… die Anwälte … auf Trapp gebracht“ habe (Bl. 410 AO I), in den Vordergrund gestellt. Insgesamt waren auch all diese Erklärungs- und Deutungsversuche zu wechselhaft, um zu überzeugen.
203[3]
204Zusätzlich befremdlich war schließlich, dass der Beklagte zu 1) bei seiner Anhörung durch den Senat erstmals bekundet hat, dass ihm sein früherer Prozessbevollmächtigter (Herr Rechtsanwalt PY.) explizit „nach Entwicklung der juristischen Auseinandersetzungen zur Veröffentlichung von weiten Teilen meiner Kenntnisse geraten“ habe, weil „es zwingend notwendig sei, die Öffentlichkeit umfassend zu informieren…“ (Bl. 4195 d.A.). Dieser Umstand war in dem Vorverfahren betreffend die Unterlassung von 116 Buchpassagen, in dem Rechtsanwalt PY. den Beklagten zu 1) als Prozessbevollmächtigter begleitet hatte, zu keinem Zeitpunkt vorgetragen worden. Dass man diesen Aspekt in den Vorverfahren, wo es um den Vorwurf eines bösartigen Hinwegsetzens über Belange des Erblassers u.a. mit Blick auf § 830 BGB gegangen ist, trotz der nach eigenem Vortrag so akribischen Neuzusammenstellung des gesamten Sachvortrages in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht durch den nunmehrigen Prozessbevollmächtigten nicht sogleich (etwa auch zum Beleg eines entschuldbaren Verbotsirrtums) vorgetragen hat, erscheint unplausibel und wurde vom Beklagten zu 1) auch nicht erläutert. Er hat im Verlauf seiner Anhörung den angeblich so klaren Rat zwar wieder abgeschwächt, weil bei einem Verlust der Originalbänder „uns nichts anderes übrig“ geblieben wäre, als die Veröffentlichung anzustreben (Bl. 4200 d.A.). All das fügt sich jedoch kaum in die Annahme ohnehin bestehender Veröffentlichungsrechte schon zu Lebzeiten des Erblassers und das nach eigenem Vorbringen ab 2013 umfassend abgesicherte Vorhandensein von unzählichen Bänderkopien, mit denen jedwede Information der Öffentlichkeit auch in Zukunft ohne weiteres möglich geblieben wäre, weil die Bänderkopien von dem damals (nur) wegen der Originale geführten Rechtsstreit nicht erfasst waren.
205(ee)
206Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren auf S. 67 des Schriftsatzes vom 10.03.2022 (Bl. 3291 d.A.) erstmals noch die Zeugen Dr. B. und O. benannt hat, ist - was u.a. der Beklagte zu 1) auf S. 9 des Schriftsatzes vom 18.05.2022 (Bl. 3570 d.A.) zu Recht gerügt hat – dieser Beweisantritt schon mangels konkreten Sachvortrages zum genauen Beweisthema prozessual unzureichend, zumal weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass diese beiden Zeugen an den Vorgesprächen des Erblassers mit dem Beklagten zu 1) überhaupt nur beteiligt gewesen sein sollen. Zudem ist mit Blick auf die bereits seit vielen Jahren bestehenden rechtlichen Auseinandersetzungen zwischen dem Erblasser bzw. der Klägerin und dem Beklagten zu 1) um die Kernfrage einer wie auch immer gelagerten vertraglichen Bindung das neue Vorbringen nach § 531 Abs. 2 ZPO berufungsrechtlich nicht zuzulassen. Auf den entsprechenden Hinweis auf S. 7 des Beschlusses des Senats vom 02.06.2022 (Bl. 3581 d.A.) hat die Klägerin u.a. auf S. 7 des Schriftsatzes vom 30.06.2022 (Bl. 3678 d.A.) zu diesem Punkt keinen weiteren Sachvortrag gehalten, so dass mit den im Folgenden nicht mehr angegriffenen Ausführungen zu Ziff. II des Beschlusses vom 12.07.2022 (Bl. 3691 d.A.) die Ladung dieser Zeugen nicht geboten war. Zuletzt ist von Seiten der Klägerin das Schließen der Beweisaufnahme auch bei erneuter Stellung der Sachanträge widerspruchslos hingenommen worden, so dass jedenfalls nach § 399 ZPO verzichtet worden ist.
207Anlass für eine förmliche Parteivernehmung der Klägerin im Nachgang an ihre wie gezeigt selbst schon sachlich nicht überzeugende Anhörung nach § 448 ZPO (dazu etwa BGH, Urteil vom 12. Dezember 2019 – III ZR 198/18, juris) bestand nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme aus Sicht des Senats nicht, zumal weitergehende Angaben nicht zu erwarten waren. Gleiches galt für eine Vernehmung des Beklagten zu 1), die auch nicht etwa auf den (hier: gegenbeweislichen) Beweisantritt auf S. 5 des Schriftsatzes des Beklagten zu 1) vom 18.05.2022 (Bl. 3566 d.A.) geboten war.
(aa)
209Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann der Senat auch nicht zu seiner Überzeugung i.S.d. § 286 Abs. 1 ZPO feststellen, dass es damals zumindest den Umständen nach eine stillschweigende Einigung (nur) über eine Vertraulichkeit zwischen dem Erblasser und dem Beklagten zu 1) – dies etwa als eine Art „klaren Konsens(es)“ aller Beteiligten im Sinne des Beweisbeschlusses mit einer „über allem schwebenden conditio sine qua non“ - gegeben hat.
210Der Beklagte zu 1) hat zu Recht Bedenken dahingehend angemeldet, dass es u.a. auf S. 40/66 f./72 der Klageschrift (Bl. 40/66 f./72 d.A.) an substantiiertem Sachvortrag der Klägerin fehlt, wann welches konkrete Verhalten des Erblassers aus Sicht eines objektiven Dritten in der Rolle eines Erklärungsempfängers zumindest als stillschweigende, auf die Begründung (nur) von Verschwiegenheitspflichten gerichtete Willenserklärung zu verstehen gewesen sein sollte und wann der Beklagte zu 1) (sei es nur stillschweigend) seine darauf gerichtete Zustimmung – sei es irrig und allein aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers mit nur potentiellem Erklärungsbewusstsein als Mindestvoraussetzung für die Annahme einer Willenserklärung – erklärt haben soll. Die Darlegungs- und Beweislast für einen entsprechenden wechselseitig festzustellenden Erklärungstatbestand trägt nach allgemeinen Grundsätzen derjenige, der sich darauf beruft (statt aller Kessen, in: Baumgärtel u.a., Hdb. der Beweislast, 5. Aufl. 2023, § 133 Rn. 2 m.w.N.), hier also die Klägerseite. Die nach den Hinweisen des Senats auf S. 26 f. des Schriftsatzes vom 02.02.2023 (Bl. 4389 f. d.A.) herangezogenen vagen Randbemerkungen des Erblassers aus den Memoirengesprächen (“hier unter uns gesagt“), lassen für sich genommen schon keinen Rechtsbindungswillen in diese Richtung erkennen, sondern sind allein Ausdruck der vertrauensvollen Atmosphäre während der Arbeiten. Weiterer konkreter Vortrag der Klägerin fehlt. Dass es etwa in den Vorgesprächen noch vor dem Eintritt in die Verhandlungen mit dem Verlag, bei diesen Verhandlungen oder aber danach während der Arbeiten an den Memoiren Situationen gegeben haben soll, aus denen sich korrespondierende (sei es stillschweigende) Willenserklärungen des Erblassers und des Beklagten zu 1) mit einem klaren Bezug auf das Schaffen vertraglicher Vertraulichkeitspflichten ergeben, kann mit dem zu (a) Ausgeführten nicht festgestellt werden. Es wäre aber für die Annahme einer konkludenten vertraglichen Geheimhaltungsvereinbarung zumindest erforderlich, dass man auf eine erkennbare, sei es auch nicht ausdrücklich artikulierte Erwartungshaltung einer Seite in irgendeiner Form zustimmend reagiert hätte (vgl. etwa zuletzt LG Berlin, Beschluss vom 6. Juni 2023 – 67 O 36/23, juris Rn. 16 ff. zur Preisgabe einer Quelle durch einen Journalisten oder Verleger).
211(bb)
212Allerdings ist - von solchen konkret auf Vertraulichkeit gerichteten Absprachesituationen gedanklich zu trennen - dennoch weiterhin zur Überzeugung des Senats festzustellen, dass der Erblasser und der Beklagte zu 1) in ihrer langen Arbeitsbeziehung sozusagen unter dem „Dach“ der Verlagsverträge als Ausfluss der in den beiden Verlagsverträgen angesprochenen „direkten“ Besprechung stillschweigend eine rechtsgeschäftliche Beziehung sui generis begründet haben, die den Beklagten zu 1) mit Blick auf seine Mitarbeit an dem „Tagebuch“ und den Memoiren des Erblassers unmittelbar an den Erblasser gebunden hat (und unter Beachtung der in den Verlagsverträgen angelegten jederzeitigen Kündigungsmöglichkeit natürlich auch umgekehrt).
213Ob sich aus dieser stillschweigenden Einigung über eine Rechtsbeziehung sui generis im Wege der Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zugleich als Teil des Konsenses über die Arbeitsbeziehung eine konkludente Vertraulichkeitsabrede ableiten lässt, dies etwa aus der Natur der vom Beklagten zu 1) bisweilen selbst so bezeichneten Stellung als „Ghostwriter“ und dem Zusammenspiel mit den Regelungen in den schriftlichen Verlagsverträgen (etwa zur Zugangsgewährung zu Material und Informationen und zur jederzeitigen Austauschbarkeit des Beklagten zu 1)), kann – wie schon im Vorverfahren (Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, BeckRS 2018, 10541 Rn. 104) –dahinstehen. Mit dem vom Senat a.a.O., Rn. 123 ff. gemachten Ausführungen zu den Wesensmerkmalen eines „Ghostwritings“ streiten schon starke Anhaltspunkte für einen Fremdbezug der Mitarbeit des Beklagten zu 1), welche mit entsprechenden schutzwürdigen Vertraulichkeitserwartungen auf Seiten des Erblassers korrespondieren. Das bedarf aber keiner Vertiefung.
Denn jedenfalls trifft den Beklagten zu 1) eine umfassende Verschwiegenheitspflicht als vertragliche Nebenpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) aus dieser Rechtsbeziehung sui generis.
215Insofern unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt aufgrund dieser rechtsgeschäftlichen „Basis“ einer dauernden Zusammenarbeit des Erblassers mit einem Ghostwriter deutlich von der, eher berufsethische Fragen des Pressekodexes berührenden Sachverhaltskonstellation, in der nach einem rein journalistischen Kontakt die einem Journalist oder einem Verleger überlassenen Informationen von diesen nicht vertraulich behandelt werden (dazu LG Berlin v. 06.06.2023 – 67 O 36/23, juris Rn. 11 ff.; v. 06.07.2023 – 67 O 36/23, juris Rn. 10; allgemein zu Fragen ergänzenden deliktischen Schutzes gewährten Vertrauens unter Lebenden im Übrigen etwa BGH v. 10.03.1987 – VI ZR 244/85, juris Rn. 18). Hier mag man u.U. ein deutlicheres „non-disclosure-agreement“ verlangen und es nicht genügen lassen, wenn ein medienerfahrener Informant einseitig von einer Geheimhaltung ausgeht, obwohl ihm bewusst sein muss, dass jedenfalls bestimmte Presseorgane in der Praxis kein „sicherer Hafen“ für anvertraute Informationen und deren Quellen sein können (LG Berlin, a.a.O. Rn. 18). Dafür mag streiten, dass die auch bei solchen Gesprächen greifenden Zeugnisverweigerungsrechte von Journalisten nicht automatisch weitergehende Pflichten begründen und aus dem rechtlich unverbindlichen Pressekodex keine individuellen Rechte abzuleiten sind. All dies bedarf aber keiner Entscheidung des Senats, denn ein solcher, rein journalistischer Kontakt unter der vermeintlichen Ägide des Pressekodex lag in der hiesigen, dauernden Zusammenarbeit des Beklagten zu 1) mit dem Erblasser an dem Memoirenprojekt nicht vor.
216Deswegen durfte der Beklagte zu 1) weder eigenmächtig zur Verwertung der Tonbandaufnahmen noch anderer in der Memoirenarbeit erlangter Informationen - dies zumindest unabhängig von der bis heute ausstehenden Vollendung des Memoirenprojekts - schreiten (siehe schon Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, BeckRS 2018, 10541 Rn. 98, 102 ff.). Diese aus der Rechtsbeziehung sui generis i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB fließende vertragliche Bindung ist nicht nachträglich in Wegfall geraten, so dass sich auch die Klägerin als Alleinerbin heute noch darauf berufen kann (zu der im hiesigen Verfahren nicht mehr in Zweifel gezogenen Aktivlegitimation der Klägerin vgl. im Übrigen Senat, a.a.O., Rn. 162 – 164).
(aa)
218Mit den in Bezug zu nehmenden und fortgeltenden Ausführungen des Senats im Vorverfahren (Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, BeckRS 2018, 10541 Rn. 98, 102 ff.), haben der Erblasser und der Beklagte zu 1) stillschweigend im Wege einer tatsächlichen Verständigung während ihrer Zusammenarbeit ab Herbst 1999 eine unmittelbare rechtsgeschäftliche Beziehung sui generis mit auftragsähnlichen Elementen begründet. Dabei muss man Angebot und Annahme als Erklärungstatbestände zeitlich nicht punktuell genau festlegen, zumal die Parteien unstreitig schon vor der Unterzeichnung der das „Dach“ ihrer Zusammenarbeit bildenden schriftlichen Verlagsverträge die Arbeiten an den Memoiren begonnen haben (Senat a.a.O., Rn. 104, 128, 129, 130 a.E.) und man die ohnehin nur konkludent begründete Rechtsbeziehung fortlaufend mit Blick auf die spätere Erweiterung der zunächst nur auf einen einzigen Memoirenband angelegten Projektarbeit auf die weiteren Memoirenbände und als eine Art Zwischenspiel das „Tagebuch“, dieses als „Paukenschlag als Vorspiel zur vertraglich vereinbarten Autobiografie“ (S. 31 des Buches) bei ansonsten gleichförmiger Zusammenarbeit von Erblasser und Beklagtem zum 1), anpassen musste; daher kommt es auch auf die Regelung des § 151 BGB nicht an (Senat a.a.O., Rn. 128, 130 a.E.). Auch der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat das Vorliegen einer stillschweigend begründeten Rechtsbeziehung sui generis in dem auf Auskunft-/Herausgabe gerichteten Vorverfahren nicht in Zweifel gezogen (BGH v. 03.09.2020 – III ZR 136/18, BeckRS 2020, 23375 Rn. 28 ff., 36 ff.; BGH v. 26.11.2020 – III ZR 136/18, BeckRS 2020, 36309 Rn. 13, Verfassungsbeschwerde anhängig zu BVerfG – 1 BvR 121/21).
219Ohne dass es auf den im Detail umstrittenen Grad der Aushandlung der Entwürfe der Verlagsverträge zum Zeitpunkt der ersten „Memoirengespräche“ ankommen würde (Senat a.a.O. Rn. 129), konnten zumindest objektive Dritte in der Position der beiden Beteiligten den Beginn der Projektarbeit mit Blick auf die zu diesem Zeitpunkt avisierten Verlagsverträge und sodann die Fortsetzung dieser Zusammenarbeit unter dem „Dach“ der signierten Verlagsverträge bzw. ihrer späteren Ergänzungen wegen der weiteren Memoirenbände bzw. des „Tagebuchs“ verständigerweise nur als übereinstimmende Willenserklärungen zur Begründung auch einer direkten Rechtsbeziehung zwischen den Hauptakteuren des Memoirenprojekts verstehen. Damit wurde die in den schriftlichen Verlagsverträgen mit dem oben Gesagten „offen“ gebliebene Seite der „Dreiecksbeziehung“ von Erblasser, Verlag und dem Beklagten zu 1) mit dem Zweck der größtmöglichen Förderung und Unterstützung des in den Verlagsverträgen angelegten gemeinsamen Projektziels (= Erstellung der Memoiren des Erblassers) abgesichert. Dadurch wurden die - insofern bei objektiver Betrachtung lückenhaft gebliebenen - schriftlichen Regelungen in den Verlagsverträgen so ergänzt, dass man von einer ausreichenden praktischen wie nunmehr auch rechtlichen Umsetzbarkeit der dort angelegten Mechanismen und Abläufe bei der Projektarbeit ausgehen konnte. So konnten unter dem „Dach“ der schriftlichen Verlagsverträge die Einzelheiten für das Gelingen des Gesamtprojekts unter den beiden Akteuren direkt besprochen und geregelt werden. Die nach den Verlagsverträgen zu Erreichung des gemeinsamen Ziels wesentliche Versorgung des Beklagten zu 1) mit Material für seine Arbeit in Form von – oft geheimen oder vertraulichen – Unterlagen und tiefgehenden mündlichen Ausführungen des Erblassers in den einvernehmlich erfolgten Tonbandaufnahmen konnte auf diese Weise in ausreichend klare und mit den schriftlichen Verlagsverträgen in Einklang stehende Bahnen gelenkt werden. Ansatzpunkt für eine solche rechtliche Einordnung des Gesamtverhaltens der beiden Hauptakteure bot u.a. die in den Verlagsverträgen auch angelegte „direkt(e)“ Besprechung, die damit nicht nur rein „logistische“ oder/oder organisatorisache Fragen des tatsächlichen Zusammenwirkens in der Arbeitsbeziehung betraf, sondern bei verständiger Würdigung der beiderseitigen Interessenlage aus der insofern für die rechtsgeschäftliche Würdigung des äußeren Verhaltens allein maßgeblichen Sicht objektiver Dritter in der Rolle der Erklärungsempfänger tiefer reicht und einen geeigneten Ansatzpunkt für eine das gemeinsame Projektziel unterstützende Rechtsbeziehung sui generis bietet.
220Allein eine derartige Regelung und Bindung konnte im Zusammenspiel mit den schriftlichen Verlagsverträgen tragfähig dafür sorgen, dass das gemeinsame Ziel der störungsfreien Erstellung der Memoiren des Erblassers unter Mitwirklung des Beklagten zu 1) hinreichend sicher erreicht werden konnte (siehe schon Senat a.a.O., Rn. 130): Gegenstand der „Besprechung“ zwischen dem Erblasser und dem Beklagten zu 1) war der Umgang mit erkennbar vertraulichen Unterlagen wie Handakten, Briefverkehr, Redemanuskripten und anderen Dokumenten aus der Zeit der politischen Tätigkeit des Erblassers, die dieser dem Beklagten zu 1) zugänglich machen sollte und tatsächlich zugänglich gemacht hat, wobei dies teils durch eine Gestattung der Einsichtnahme, die Überlassung von Originalakten oder Kopien derselben - dies teilweise schon in ausgesprochen „kreativer“ Handhabung der eigentlich strengeren behördlichen Sicherheitsvorgaben durch den diese ausblendenden Erblasser unstreitig bis hin zu einer Verbringung von Akten in Privatwohnungen (vgl. Senat a.a.O., Rn. 17; nicht bestritten auch hier S. 19 – 21 der Klageerwiderung des Beklagten zu 1), Bl. 377 ff. d.A.) – bzw. durch Unterstützung bei der Eröffnung weitreichender Archivzugängen erfolgte. Darunter befanden sich zahlreiche Quellen, die der Öffentlichkeit auf Grund der 30-jährigen Sperrfrist für Archive und/oder Geheimhaltungsvorgaben zumindest für längere Zeit nicht zugänglich waren und die ersichtlich dem Beklagten zu 1) zweckgebunden für die Memoirenarbeit zur Verfügung gestellt wurden. Erfasst wurden davon sogar Auszüge aus der „Stasi-Akte“ des Erblassers, die dieser vor der Öffentlichkeit sonst unstreitig verschlossen gehalten hat und von denen selbst der Beklagte zu 1) im hiesigen Verfahren nicht behauptet, dass er nunmehr etwa auch deren Inhalte publizieren dürfte. In den „Memoirengesprächen“ sollte der Erblasser zudem seine persönlichen Erinnerungen, Informationen, Einschätzungen und unter Umständen auch seine Gefühle als „homo politicus“ im Sinne der Verlagsverträge preisgeben. In welchem Umfang er sich dem Beklagten zu 1) öffnete, konnte er zwar im Grundsatz selbst bestimmen. Er durfte sich andererseits erkennbar nicht zu sehr beschränken, weil die Memoiren in der gewünschten Form sonst nicht hätten gelingen konnten. Damit diese Öffnung dem Erblasser zumutbar möglich war, war er jedenfalls aus Sicht eines objektiven Dritten in der sozialen Rolle des Beklagten zu 1) als Erklärungsempfänger darauf angewiesen, dass er nicht nur „Herr über das überlassene Material“, sondern auch „Herr über seine aufgezeichneten Äußerungen und Gedanken“ und die sonstigen zur Verfügung gestellten und öffentlich nicht vorbekannten „Innenansichten der Macht“ (Buchrücken) bleiben würde. Dies setzte wiederum – über das unstreitig zum damaligen Zeitpunkt vorhandene persönlich-moralische Vertrauensverhältnis zwischen dem Erblasser und dem Beklagten zu 1) hinaus – bei verständiger Würdigung aus Sicht eines objektiven Dritten auch eine flankierende rechtliche Verpflichtung voraus, die dem Erblasser – der mit dem oben Gesagten aus den schriftlichen Verlagsverträgen keine direkten Ansprüche gegen den Beklagten zu 1) hatte – die zur Umsetzung der für die Zweckerreichung im Projekt wesentlichen Vertraulichkeitsanforderungen erforderlichen Ansprüche gerade auch im „Krisenfall“ vermitteln konnte. Solche Abreden konnte man nach den rudimentären Regelungen in den schriftlichen Verlagsverträgen in der dort angedeuteten „direkten“ Besprechung der beiden Hauptakteure miteinander treffen. Die für das Erreichen des gemeinsamen Ziels der Erstellung der vollständigen Memoiren des Erblassers – im Krankheits/Todesfall ggf. mit dem in den Verlagsverträgen vorgesehenen Familienmitglied statt dem Erblasser – erforderliche möglichst großzügige Preisgabe von Material jedweder Art durch den Erblasser konnte der Beklagte zu 1) aus Sicht eines objektiven Dritten in der sozialen Rolle des Erklärungsempfängers vom Erblasser nur erwarten, wenn dieser umfassend „Herr über seine Erinnerungen“ und auch des zur Verfügung gestellten Materials sowie der erteilten Informationen blieb. Denn es ging nicht nur – wie der Beklagte zu 1) meint – darum, dass der Erblasser das Allein- und Letztentscheidungsrecht über alle in seinem Namen erscheinenden Publikationen behalten sollte und er (allein) insofern „Herr über seine Erinnerungen“ bleiben sollte – wie man es in den erschienenen Bücher (natürlich) praktiziert hat. Richtig ist, dass unstreitig Anlass für den Erblasser war, sich den Mühen des Memoirenschreibens zu stellen, um den aus seiner Sicht um sich greifenden Versuchen der „Geschichtsfälschung und – klitterung“ entgegenwirken und die Deutungshoheit über sein politisches Wirken zu behalten. Bei der deswegen wichtigen Letztentscheidung über all das, was in seinem Namen publiziert würde, also ein Recht zur Erstveröffentlichung der eigenen Sichtweise kann man dann ersichtlich nicht stehen bleiben: Gerade die in den schriftlichen Verlagsverträgen vorgesehene jederzeitige Möglichkeit des Erblassers, auf eine sofortige Auswechslung des Beklagten zu 1) durch den Verlag zu bestehen und im Einvernehmen mit dem Verlag einen anderen Mitarbeiter für das Projekt zu suchen, ergab – wie die Klägerin nicht ohne Grund eingewandt hat – aus Sicht eines objektiven Dritten nur Sinn, wenn der so auszuwechselnde „Ghostwriter“ (= der Beklagte zu 1)) sich nicht mit dem bereits erhaltenen Material und Informationen „verselbständigen“ und möglicherweise mit eigenen biografischen Ausführungen Erblasser und Verlag hätte „vorgreifen“ bzw. bereits erschienene „offizielle“ Werke des Erblassers als Namensautor mit „Insiderinformationen“ hätte konterkarieren können. Tatsächlich musste auch gegenüber dem Erblasser nicht nur eine strenge Pflicht zur Herausgabe des erhaltenen oder geschaffenen Materials an den Erblasser bzw. einen im Einvernehmen mit diesem bestimmten Nachfolger bestehen. Es musste zugleich auch eine Pflicht des Beklagten zu 1) bestehen, von etwaigen eigenen Verwertungshandlungen Abstand zu nehmen und es war – dies im Einklang mit dem Geist der beiden Verlagsverträge und der bei den Arbeiten auch zwischen den Parteien gelebten Praxis des Geheimhaltens der Mitwirkung des Beklagten zu 1) - zugleich ein striktes Stillschweigen über die Vertragsbeziehung und die – wie auch immer gelagerte - Mitwirkung an den unter dem Namen des Erblassers erschienenen „offiziellen“ Memoiren und dem „Tagebuch“ geboten. Hätte man dies u.U. bei einem von Anfang an dreiseitig abgeschlossenen Vertrag mit dem Verlag bei ansonsten gleichlaufendem schriftlichen Regelwerk in den Vertragstexten im bereits oben dargelegten Sinne möglicherweise im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) in die dann immerhin dreiseitigen vertraglichen Regelungen hineinlesen können, war in der hier gewählten unvollständigen „Dreiecks-Konstruktion“ mit nur bilateralen Verlagsverträgen allein die Annahme einer solchen, stillschweigend abgeschlossenen flankierenden Rechtsbeziehung zwischen den Hauptakteuren das Mittel der Wahl, um aus Sicht objektiver Dritter in der sozialen Rolle und Funktion des Erklärungsempfängers erwartbare und objektiv vernünftige Regelungen zur bestmöglichen Absicherung des dem Erblasser außerordentlich wichtigen und zudem für alle Beteiligten ausgesprochen gewinnversprechenden Projekts zu schaffen. Mit anderen Worten musste der Beklagte zu 1) sich bei der Sammlung des Materials und bei dem Umgang damit richtigerweise als - als selbst so verstandener- „Ghostwriter“ mit Haut und Haaren in den Dienst des Erblassers stellen und, dieser Rolle entsprechend, das Material auch für den Erblasser bzw. dessen Familie zu treuen Händen verwalten und bewahren. Nach den verlagsvertraglichen Grundlagen war er eben - ungeachtet seiner etwaigen journalistisch-publizistischen Befähigungen – rechtlich betrachtet damit doch „nur“ der „austauschbare… Adlatus“ (S. 242 des Buches zu Anmerkung 27), der er nach seinem Prozessvortrag nicht sein wollte. Eine solcherart fremdnützige Aufgaben- und Rollenverteilung ist das typische Merkmal eines Auftragsverhältnisses, dessen Regeln deshalb auf diese stillschweigende Vereinbarung der beiden Parteien über die ständige Zusammenarbeit im Zweifel auch anzuwenden sind (vgl. auch Senat a.a.O., Rn. 103 m.w.N.).
221(bb)
222Die Einwendungen des Beklagten zu 1) gegen die Annahme einer solchen rechtsgeschäftlichen Bindung sui generis zwischen ihm und dem Erblasser greifen nicht durch und rechtfertigen keine Abweichung zu der rechtlichen Bewertung durch den Senat in den vorangegangenen Verfahren:
223((1))
224Zwar ist nicht zu verkennen, dass aus Sicht eines objektiven Dritten in der Rolle der jeweiligen Erklärungsempfänger die Argumente für die Annahme einer solchen flankierenden (Schutz-)Regelung von der Interessenlage her schwerpunktmäßig auf Seiten des Erblassers zu verorten sein dürften. Dieser sollte nicht nur bei den in seinem Namen erscheinenden Werken - im Einklang mit den Verlagsverträgen - das Letztentscheidungsrecht haben und „Herr seiner Erinnerungen“ bleiben. Er hatte auch ein erkennbares schutzwürdiges Interesse daran, dass im Zuge der Memoirenarbeiten dem Beklagten zu 1) überlassenes oder bei den gemeinsamen Arbeiten geschaffenes, hier speziell nach jedenfalls einigen Inhalten der im Vorverfahren diskutierten Tonbandaufnahmen menschlich bisweilen „brisanteres“ Material jedenfalls bis zu dem erfolgreichen Abschluss seiner Memoirenarbeiten ausschließlich seinem Zugriff bzw. dem Zugriff seiner Familie unterliegen würden. Dies sollte insbesondere im Fall des nach den Verlagsverträgen jederzeit möglichen Wechsels des „Ghostwriters“ und/oder des entstehenden Bedürfnisses zur Vollendung der Memoiren mit Hilfe des Zeugen I. A. bzw. der Klägerin im Fall des Ablebens des Erblassers oder einer schweren Krankheit vor dem Projektabschluss so erfolgen (siehe auch BGH v. 03.09.2020 – III ZR 136/18, BeckRS 2020, 23375 Rn. 31). Das bedeutet aber keinesfalls, dass aus Sicht objektiver Erklärungsempfänger – ungeachtet der potentiellen journalistisch-publizistischen Verwertungsinteressen des Beklagten zu 1), auf die sogleich nochmals zurückzukommen sein wird – im Grundsatz (sei es möglicherweise etwas weniger gewichtig) nicht auch schutzwürdige Interessen des Beklagten zu 1) erkennbar waren, Rechte und Pflichten aus der Zusammenarbeit im Innenverhältnis zum Erblasser verbindlich zu regeln und so das Erreichen des Projektziels im beiderseitigen Interesse zielführend abzusichern bzw. zu fördern (BGH a.a.O Rn. 32). Der Beklagte zu 1) hatte so ein eigenes wirtschaftliches, wegen der eigenen verlagsvertraglichen Bindung auch rechtliches und unbestritten jedenfalls publizistisch-historisches Interesse an einem Gelingen des Gesamtprojekts, welches durch eine flankierende rechtsgeschäftliche Abrede - wie gezeigt – nur sachgerecht gefördert werden konnte. Die für das reibungslose Gelingen erforderliche weitgehende Preisgabe von Informationen und Material jedweder Art und die möglichst weitgehende Öffnung des Erblassers im Hinblick auf die „Innenansichten der Macht“ (Buchrücken) konnte der Beklagte zu 1) vom Erblasser - wie gezeigt - verständigerweise nur erwarten, wenn dieser möglichst „Herr über seine Erinnerungen“ bleiben würde, was deutlich auf die beschriebene, typisch auftragsähnliche Rollenverteilung abzielte (Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, BeckRS 2018, 10541 Rn. 103).
225Dass die berufliche Position des Beklagten zu 1) als Historiker, Journalist und Publizist im Gegenzug dazu geführt haben sollte, dass er nicht nur als „schreibender Untertan“ (fremdnützig) tätig geworden ist, sondern daneben gleichzeitig eigene Ziele hätte verfolgen dürfen, erschließt sich dem Senat weiterhin nicht. Dabei mag zu Gunsten des Beklagten zu 1) weiterhin unterstellt werden, dass er als einer der „herausragensten Vertreter seiner Zunft“ vom Erblasser für die Mitarbeit ausgewählt worden sein mag und ihm mit der Annahme eines vertraglich begründeten Vertraulichkeitsgebots über § 241 Abs. 2 BGB gewisse Beschränkungen seiner Meinungs-, Wissenschafts- und Berufsfreiheit (Art. 5 Abs. 1, 3, 12 Abs. 1 GG) auferlegt würden. Denn bei einer – wie hier – Trennung vom Erblasser im Streit musste er Gefahr laufen, sich bei einer späteren Verwendung von Material und Informationen aus der Zusammenarbeit (vertraglichen) Unterlassungsansprüchen ausgesetzt zu sehen. Diese Argumentation verkennt jedoch schon, dass es dem Beklagten zu 1) auch im Fall eines Zerwürfnisses mit dem Erblasser unproblematisch freistand, wie jeder andere freiberuflich tätige Journalist/Autor und Historiker noch allgemein zugängliche Quellen zu nutzen und sich so weiterhin beruflich (wie zuvor) mit dem Erblasser - auch kritisch - auseinanderzusetzen, ohne mit vertraglichen Pflichtenbindungen aus der Memoirenarbeit in Kollision zu geraten. Immerhin hat es z.B. nach dem Erscheinen des Buchs des Beklagten zu 1) über den Erblasser mit dem Titel „Virtuose der Macht“ keine Auseinandersetzung gegeben und jedenfalls die Klägerin rügt insofern bis heute offenbar keinen Vertragsbruch; gleiches gilt jedenfalls aus ihrer Sicht offenbar auch für das vom Beklagten zu 1) geschriebene Buch über die erste Ehefrau des Erblassers („Die Frau an seiner Seite“), bei dem der Beklagte zu 1) nach eigenem Vorbringen allerdings schon Memoirenmaterial genutzt haben will, ohne das näher zu spezifizieren. Ungeachtet dessen steht hier also allenfalls das „Plus“ des bei den Arbeiten (vertraulich) erlangten Materials im Sinne des (abgrenzbaren) „Sonderwissens“ des Beklagten zu 1) aus der gemeinsamen Zusammenarbeit im Raum. Hat jedoch selbst die Beklagte zu 3) in der Klageerwiderung (S. 16 = Bl. 327 d.A.) ausgeführt, dass stets „natürlich … nahe(liegen wird) zu sagen, dass der „Ghostwriter" über das, was ihm der Nominalautor im Rahmen der Erstellung des Werks alles erzählt, Stillschweigen bewahren soll“ und hat man nur versucht, zwischen den Memoiren eines „Schlagersternchens“ und denen eines bedeutenden Staatsmannes im Hinblick auf eine solche „Vertrauensbindung“ (irgendwie) zu trennen, überzeugt diese künstliche Differenzierung nicht. Denn gerade was den Grad einer Vertrauensbindung zum „Ghostwriter“ (speziell bei mündlich-umgangssprachlichen Ausführungen in offensichtlichen Hintergrundgesprächen auf Tonband) angeht, ist die Interessenlage und Vertrauensinvestition in beiden Fallgestaltungen nicht anders, mag es bei einem „Schlagersternchen“ typischerweise oft um andere Inhalte gehen als bei einem bedeutenden Staatsmann. Aus ähnlichen Gründen spielt auch keine wesentliche Rolle, ob ein „Ghostwriter“ oft nur das ihm Erzählte deduktiv in eine sprachliche Form bringt und der Beklagte zu 1) hier möglicherweise fachlich mehr gemacht haben mag (vgl. etwa S. 67 der Klageerwiderung des Beklagten zu 1), Bl. 424 d.A.); auch dies ändert an der Vertrauensbindung im Kern nichts.
226Soweit der Beklagte zu 1) u.a. auf S. 12/46 der Klageerwiderung (Bl. 369/403 d.A.) eingewandt hat, bei objektiver und verständiger Würdigung sei der „Deal“ zwischen ihm und dem Erblasser, der dem Beklagten zu 1) tiefe Einblicke in die zeitgeschichtlich bedeutsamen Vorgänge liefern sollte, schlichtweg „sinnlos gewesen …, wenn er darüber nicht hätte sprechen dürfen“, trägt auch dieses Argument nicht: Denn der Beklagte zu 1) hat selbst (a.a.O., S. 11 = Bl. 368 d.A.) u.a. vortragen lassen, wie er davon „elektrisiert“ gewesen sei, im Zuge der Memorenarbeiten anderen noch jahrzehntelang verschlossene Unterlagen einsehen zu können und die vom Erblasser gewährten exklusiven Einblicke in dessen politisches Leben und seine Denkweise zu erhalten (siehe auch S. 4 des Schriftsatzes des Beklagten zu 1) vom 04.12.2018, Bl. 663 d.A. zu seinen ideellen Interessen, weil ihn „als versierten und vom Erblasser geschätzten Historiker an dem Memoirenprojekt die Möglichkeit reizte, den Erblasser interviewen zu können“; siehe auch das nicht ausreichend bestrittene Transkript in Anlage K 8, Bl. 408 AO I: „Das war für einen gelernten Historiker wie für mich, war das ein Eldorado. Ich hätte fast beim G. gekündigt, wenn der mir nicht genehmigt hätte, diese Nebentätigkeit zu machen...“). Dass neben diesem persönlichen „Benefit“ für einen nach eigenem Vortrag begeisterten Historiker im Übrigen beträchtliche Einnahmen aus dem Millionenprojekt zu erwarten waren und auch auf Seiten des Beklagten zu 1) tatsächlich erzielt worden sind, tritt nur ergänzend hinzu. Der Beklagte zu 1) hat nicht ausreichend bestritten, fast 500.000 EUR Verlagshonorar (ohne die nicht abrechnungspflichtige Spesenpauschale) erzielt zu haben. Er hat auch versichert, sich - trotz Bedenken der eigenen Ehefrau - vom Erblasser „gebauchpinselt“ gefühlt zu haben (Bl. 4188 d.A.) und durch das Vertrauen, dass ihm auch die erste Ehefrau des Erblassers entgegengebracht habe, „schließlich zur Unterschrift verleitet“ worden zu sein (Bl. 4189 d.A.). Von einer „Sinnlosigkeit“ seines „Deals“ kann in Ansehung all dieser Elemente also keinesfalls die Rede sein. Hinzu kommt im Übrigen, dass der Beklagten zu 1) – wie unten bei § 241 Abs. 2 BGB nochmals zu betonen sein wird – damals bekundet hat, ohnehin kein eigenes Buch über den Erblasser mehr schreiben zu wollen. Auch deswegen streiten aus Sicht eines objektiven Dritten in der sozialen Rolle des jeweiligen Erklärungsempfängers keine tragfähigen Argumente gegen die Annahme einer auftragsähnlichen Beziehung sui generis.
227Dass die gewisse „Atypik“ und im Sinne des Beklagten zu 1) u.a. mit S. 14 der Klageerwiderung (Bl. 371 d.A.) auch im vorliegenden Verfahren zu unterstellende Branchenunüblichkeit der damals gewählten, nach heutiger Erkenntnis fragwürdigen „Dreiecks-Vertragsgestaltung“ mit bilateralen Abreden zum Verlag der Annahme einer direkten vertraglichen Beziehung zwischen dem Erblasser und dem Beklagten zu 1) nicht entgegensteht, hat der Senat bereits im Urteil vom 29.05.2018 (15 U 65/17, BeckRS 2018, 10541 Rn. 119) ausgeführt, worauf Bezug genommen wird (siehe zudem auch BGH v. 03.09.2020 – III ZR 136/18, BeckRS 2020, 23375 Rn. 33; BGH v. 26.11.2020 – III ZR 136/18, BeckRS 2020, 36309 Rn. 6). Im Gegenzug erscheint dem Senat weiterhin die Annahme fernliegend, dass trotz der mit erheblichen Verpflichtungen verbundenen vertraglichen Absprachen mit dem Verlag und der langjährigen Zusammenarbeit an dem millionenschweren Projekt das Verhältnis der beiden Parteien trotz der im Ergebnis klaren gemeinsamen Zweckbindung rechtlich hätte ungeregelt bleiben sollen.
228((2))
229Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch den Senat bestehen auch sonst keine Zweifel an dem Vorliegen aus den Umständen ableitbarer übereinstimmender stillschweigender Erklärungstatbestände zur Begründung einer derart verrechtlichten Arbeitsbeziehung jedenfalls aus Sicht objektiver Dritter in der Rolle der Erklärungsempfänger. Dies ist insbesondere nicht mit dem Argument in Zweifel zu ziehen, dass den Beteiligten damals etwa - auch aus Sicht objektiver Dritter erkennbar - jeder Bindungswille zur Begründung einer unmittelbaren Rechtsbeziehung gefehlt habe; das Gegenteil ist der Fall.
230((a))
231Zwar hat der Zeuge Dr. H. - wie bereits ausgeführt - die Regelung zur direkten Besprechung zwischen dem Beklagten zu 1) und dem Erblasser in den Verlagsverträgen nur als eine rein organisatorische Abspracheregelung verstanden („Dies bezog sich nur auf die Frage der Art der Zusammenarbeit (z.B. die Frage von Unterlagen, wer diese einholt“, dies bezog sich meines Erachtens nicht auf die Vertraulichkeitsvereinbarung“, Bl. 4016 d.A.; „Es blieb dann praktisch nur die Regelung im Zusammenhang über die technische Ausführung der Zusammenarbeit als regelungsbedürftig übrig“, Bl. 4025 d.A.; siehe auch erstinstanzliche Bekundung Bl. 910 d.A.: „…betrifft aber nicht die Frage der Vertraulichkeit, sondern die konkrete Arbeitsweise in der Zusammenarbeit….“). Dies beruhte jedoch auf der bereits aufgezeigten Fehlvorstellung des Zeugen über die Reichweite der verlagsvertraglichen Geheimhaltungsregelungen. Der Zeuge war an dem Zustandekommen der hier fraglichen Abrede sui generis im Übrigen nicht beteiligt. Soweit auch der Zeuge I. A. – wollte er sich auch nicht festlegen – offenbar in der Klausel in den Verlagsverträgen nur die „praktische(n) Aspekte der Zusammenarbeit und nicht zusätzlich rechtliche Regelung“ verortet wissen wollte (Bl. 4108 d.A.), konterkariert auch dies nicht einen in der Gesamtschau der äußeren Umstände aus Sicht eines objektiven Dritten erkennbaren weitergehenden Bindungswillen insbesondere des Erblassers, aber auch des Beklagten zu 1), in die I. A. direkt ohnehin auch nicht eingebunden war. Im Gegenteil hat der Zeuge - wie gezeigt - das aus Sicht des Erblassers neben den Verlagsverträgen übergreifend bestehende „handshake-agreement“ betont. Dies belegt, dass es dem Erblasser aus Sicht eines objektiven Dritten erkennbar um eine möglichst weitgehende Vertrauensbindung und um größtmögliche Loyalität gegangen sein muss, was sich mit dem oben bereits zu der erkennbaren Interessenlage Gesagten deckt. Selbst wenn man mit den erstinstanzlichen Bekundungen des Zeugen K. A. in Rechnung stellen wollte, dass der Erblasser bei der engen und zunächst erfolgreichen Zusammenarbeit ein Zerwürfnis mit dem Beklagten zu 1) „sicherlich nicht auf dem Radar“ gehabt haben mag (Bl. 905 d.A.), war zu Beginn der Arbeitsbeziehung in den Verlagsverträgen dennoch auf Betreiben des Erblassers klar geregelt, dass der Erblasser die Befugnis zur Letztentscheidung über jede Veröffentlichung haben sollte und jederzeit auf einer Auswechslung seines Mitarbeiters - also des Beklagten zu 1) - bestehen konnte. Auch und gerade diese Möglichkeit einer Auswechslung abzusichern ist im Sinne der Förderung des eigentlichen Projektzieles mit dem oben Gesagten einer der Gründe für die Annahme einer Rechtsbeziehung sui generis. In Ansehung dieser aus dem Geist der Verlagsverträge erkennbaren Interessenlage kann aus dem Fehlen einer schriftlichen verlagsvertraglichen Regelung bzw. dem Nichtgebrauchmachen des Erblassers von den in seinem Verlagsvertrag vorgesehenen Möglichkeiten des Verlangens der weiteren Anpassung des Verlagsvertrages des Beklagten zu 1) mit Blick auf weitergehende Vertraulichkeitsregelungen u.a. mit BGH v. 03.09.2020 – III ZR 136/18, BeckRS 2020, 23375 Rn. 34 und BGH v. 26.11.2020 – III ZR 136/18, BeckRS 2020, 36309 Rn. 7 auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht angenommen werden, der Erblasser habe in Form eines sog. „beredten Schweigens“ bewusst gerade keine direkte Regelung mit dem Beklagten zu 1) treffen wollen (siehe schon Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, BeckRS 2018, 10541 Rn. 118). Dass der Senat – wie oben gezeigt – u.a. auf Basis der Bekundungen der Zeugen I. und K. A. als Zeugen vom Hören-Sagen zwar nicht zu der Überzeugung i.S.d. § 286 Abs. 1 ZPO gelangen konnte, dass es sogar eine explizite mündliche Vereinbarung zur Vertraulichkeit gegeben hat, steht dieser Würdigung nicht entgegen. Entgegen dem Vorbringen des Beklagten zu 1) u.a. auf S. 4 des Schriftsatzes vom 01.02.2023 (Bl. 4307 d.A.) ist auch der Verzicht auf die vom Zeugen I. A. für die Verlagsverträge angedachten „360-Grad-Regelung“ bei den Entwurfsarbeiten aus Sicht eines objektiven Dritten kein bewusster Verzicht auf jedwede Regelung und damit auf eine Vertraulichkeitsbindung, zumal man diese internen Überlegungen auch nach dem Beklagtenvortrag nicht etwa als Verzichtsidee mit dem Beklagten zu 1) geteilt und besprochen hat. Dass eine mit einer Vertragsstrafe bewehrte konkrete Vertraulichkeitsvereinbarung (auch) über die Gesprächsinhalte sicherlich ein rechtssicherer und möglicherweise sinnvollerer Weg gewesen wäre, bestmöglich zu verhindern, dass nicht autorisierte Teile der Tonbandaufnahmen oder sonstiges Material nach draußen dringen würde und der Erblasser - der schon als „Medienprofi“ um die Risiken gewusst haben musste und von I. A. gewarnt worden war - sich mit den wenigen verlagsvertraglichen Vorgaben begnügt hat, hat in Ansehung dieser Genese – entgegen dem Beklagtenvortrag – dennoch keinen (negativen) Erklärungswert dahingehend, dass aus Sicht des Erblassers sein „Ghostwriter“ keinen Verschwiegenheitspflichten unterliegen sollte, im Gegenteil.
232((b))
233Der Senat geht allerdings nach dem Ergebnis seiner Beweisaufnahnme zu Gunsten des Beklagten zu 1) davon aus, dass dieser – gerade in Ansehung der ansonsten bewusst schriftlich abgefassten Verlagsverträge ohne eine derart weitgehende Bindung dem Erblasser gegenüber – tatsächlich selbst keinen weitergehenden Rechtsbindungswillen und kein Erklärungsbewusstsein mit Blick auf entsprechende stillschweigende Willenserklärungen zur Begründung einer unmittelbaren Rechtsbeziehung sui generis mit dem Erblasser im Zuge der ständigen Zusammenarbeit gehabt hat. Dafür streitet u.a., dass auch er wie die Zeugen Dr. H. und I. A. den Klauseln zur direkten Besprechung in den Verlagsverträgen selbst keinen rechtsgeschäftlichen Bezug mehr zugesprochen hat („Dies bezog sich nach meiner Einschätzung auf die Abwicklung der technischen Fragen, die Art und Weise der Zusammenarbeit, z.B. auch die Organisation von Treffen“, Bl. 4192 d.A.). Der Beklagte zu 1) hat – insofern glaubhaft trotz der oben bereits erörterten Bedenken an seinen Angaben – versichert, dass ein befreundeter Jurist, mit dem er wegen der Verlagsverträge Rücksprache gehalten hat, Fragen einer direkten Vertraulichkeitsbindung über den insofern eng gefassten Verlagsvertrag „so nicht angesprochen“ habe. Der Beklagte zu 1) habe sich mit Blick auf den Verlagsvertrag – den man auch aus Sicht des beratenden Juristen „als Standardvertrag o.k.“ fand (Bl. 4189 d.A.) – auch selbst keine Gedanken dazu gemacht, „dass und wieso eine Regelung über Verschwiegenheitspflichten im Verhältnis zwischen (ihm) und (dem Erblasser) dort nicht geregelt“ gewesen sei (Bl. 4191 d.A.), welche ihm in Ansehung seiner Kenntnis von anderen „Ghostwriter“-Verträgen sonst „sofort ins Auge geschossen“ wäre (Bl. 4189 d.A.). Man sei sich zwar bewusst gewesen, dass es „bestimmte Dinge (gebe), die Verschwiegenheit erfordern; (man) hatte aber nie eine Verschwiegenheitsverpflichtung, wie sie Herr Dr. H. geschildert hat, unterschieben“ (Bl. 4189 d.A.). Dem Senat erscheint es auch zumindest nachvollziehbar, dass sich der Beklagte zu 1) als Publizist/Journalist möglicherweise über die reine (intern bleibende) Mitwirkung an den unter dem Namen des Erblassers erscheinenden Werke hinaus subjektiv nicht weitergehend, über seinen sprachlich eng gefassten schriftlichen Verlagsvertrag hinaus, rechtlich binden wollte. Daher kam es auch nicht mehr auf die Vernehmung der Ehefrau des Beklagten zu 1) als Zeugin zu dessen damaligem Vorstellungsbild an (siehge S. 46 f. der Klageerwiderung, Bl. 403 f. d.A.).
234Denn all dies steht der Annahme einer wirksamen rechtsgeschäftlichen Bindung nicht entgegen: Es genügt - wie in Rechtsprechung und Schrifttum lange geklärt ist (statt aller Grüneberg/Ellenberger, BGB, 83. Aufl. 2024, § Einf v § 116 Rn. 17 m.w.N.) – bereits ein sog. potentielles Erklärungsbewusstsein für die Annahme eines wirksamen Erklärungstatbestandes. Maßgeblich ist, dass der aus äußerer Sicht eines objektiven Dritten eine (sei es auch nur sinngemäße/stillschweigende) Willenserklärung abgebende „Erklärende“ im konkreten Fall hätte erkennen können, dass sein fortwährendes Verhalten bei der Memoirenarbeit über einen langen Zeitraum vom „Empfänger“ als eine entsprechende verbindliche Willenserklärung aufgefasst werden konnte und musste. So liegt nach den Gesamtumständen der Fall aber aus den oben genannten Gründen. Dem Beklagten zu 1) musste klar sein, dass er sich – ungeachtet der streitigen Art und Weise der Zusammenarbeit im Detail – unter dem „Dach“ der Verlagsverträge im Zuge der dort angelegten „direkten“ Besprechung auch und gerade gegenüber dem Erblasser in eine enge Bindung begeben hat. Im Zuge seiner Anhörung am 29.11.2022 (Bl. 4184 ff. d.A.) hat der Beklagte zu 1) insofern durchaus überzeugend und plastisch geschildert, wie sein ursprünglicher Plan, 1999 nach derverlorenen Bundestagswahl die vorhandene Biografie über den Erblasser mittels eines längeren Interviews des Erblassers (und im Übrigen ohne dessen weitere Beteiligung) zu aktualisieren, im Verlauf des Jahres 1999 nach einigem Hin und Her in die Einigung über eine aktive Mitarbeit des Beklagten zu 1) an den Memoiren des Erblassers mündete. Ob dies – das und der genaue Hergang der Gespräche und der gedanklichen Entwicklung beim Erblasser ist im Detail umstritten – zunächst u.a. wegen der damaligen umfassenden beruflichen Einbindung des Beklagten zu 1) im G. nur in der Form angedacht war, dass der Beklagte zu 1) eine Art wissenschaftliche Betreuung/Beratung/Assistenz übernehmen sollte, während ein anderer die Textarbeit übernehmen sollte – was wie bereits angesprochen jedenfalls zuletzt im Klägervortrag zu Anlage K 70 (Bl. 4420 ff. d.A.) anklingt -, ist irrelevant: Denn der Beklagte zu 1) hat geschildert, dass es irgendwann bei ihm im Verlauf des Jahres 1999 einen „Sinneswandel“ (Bl. 4188 d.A.) gab und der Erblasser damals keinen anderen von ihm als geeignet angesehenen „Ghostwriter“ (jedenfalls für das Gesamtprojekt über die gesamte Zeitspanne seines Lebens hinweg) zur Hand hatte. Der sich vom Erblasser nach eigenem Bekunden dabei „gebauchpinselt“ fühlende Beklagte zu 1) (Bl. 4188 d.A.) hat sich so – entgegen dem Rat seiner Frau – schlussendlich zu einer weitergehenden eigenen Mitarbeit an den Memoiren des Erblassers bereitgefunden („den Rest schreiben sollte“, Bl. 4188 d.A.), wie sie in den Verlagsverträgen schlussendlich niedergelegt worden ist und tatsächlich praktiziert wurde. Der Beklagte zu 1) will wegen dieser veränderten Rolle sogar nochmals Rücksprache mit seinem Programmdirektor wegen der Anpassung seiner - zunächst aus seiner Sicht mit anderen Vorzeichen beantragten und bewilligten (Bl. 4186 d.A.) - Nebentätigkeitserlaubnis gehalten haben (Bl. 4188 d.A.), bevor er den Vertragsentwurf ohne Änderungen unterschrieb und sich zum Erstellen des Schriftwerks verpflichtete (Bl. 4189 d.A.). Dass ihn dann gerade die Einsichtnahme in vertrauliche, Dritten noch lange oder gar dauerhaft verschlossene Dokumente fortan zum „einzige(n) Vertrauten“ des Erblassers gemacht haben soll (Bl. 4190 d.A.; siehe speziell zu den Stasi-Akten auch die nicht ausreichend bestrittenen Ausführungen des Beklagten zu 1) auf der Pressekonferenz zum Erscheinen des Buches in Anlage K 8), dass dieses Vertrauen bei der wechselseitigen Zusammenarbeit wuchs (Bl. 4191 d.A.) und gerade in der auch vom Zeugen I. A. bei seiner Vernehmung eindringlich geschilderten und für die Familie des Erblasser fast apokalyptischen Zeit der sog. Spendenaffäre kurz nach dem Beginn der Memoirenarbeiten die fortlaufende Zusammenarbeit am fiktiven „Tagebuch“ die Akteure besonders „zusammengeschweißt“ hat, so dass kein „Blatt Papier mehr zwischen (die beiden)… passte“ (Bl. 4193 d.A.), zeigt, dass dem Beklagten zu 1) das Eingehen einer besonders engen Bindung in dieser Situation nicht verborgen geblieben sein kann. Die streitgegenständliche Publikation spricht selbst von einem bisweilen „autobiografischen Männergespräch“ (S. 98 des Buches), was der Zeuge K. A. zu dem von ihm besuchten konkreten Gespräch ähnlich als Art „Therapiesitzung“ umschrieben hat. Dass mit dieser Bindung in einem auf mehrjährige Zusammenarbeit angelegten und millionenschweren Projekt über moralische Bindungen hinaus weitergehende rechtliche Bindungswirkungen zwischen dem Erblasser als Namensgeber und dem Beklagten zu 1) als „Ghostwriter“ aus Sicht eines objektiven Dritten einhergehen mussten, hätte der Beklagte zu 1) – auch als juristischer Laie – verständigerweise zumindest erkennen können. Der Senat hat schon im Urteil vom 29.05.2018 (15 U 65/17, BeckRS 2018, 10541 Rn. 122) betont, dass sich ihm nicht erschließt, wie der Beklagte zu 1) die sonst für nahezu jedermann erkennbaren entsprechenden Signale verkannt haben kann. Er konnte ungeachtet aller streitigen Details zur Vertragsanbahnung und zur Vertragsdurchführung jedenfalls hier nicht davon ausgehen, vom Erblasser weiterhin trotz des gewissen „Rollentauschs“ in der Anbahnungsphase nur als ein „freier Journalist“ angesehen zu werden, der zwar auf Basis der Verlagsverträge punktuell weisungsgebunden in die Arbeit an den Memoiren und dem „Tagebuch“ eingebunden war, ansonsten aber frei über alle Materialien und Informationen hätte verfügen können sollen. Mit den Ausführungen des Senats im Urteil vom 29.05.2018 (15 U 65/17, BeckRS 2018, 10541 Rn. 131 – 137) brachte gerade der „Rollentausch“ nach dem Zerschlagen der eigenen Publikationsideen des Beklagten zu 1) hin zu einem Mitarbeiter im Memoirenprojekt des Erblassers - selbst bei unterstellt atypischer Mitwirkung über einen „klassischen Ghostwriter“ hinaus wie u.a. auf S. 67 der Klageerwiderung des Beklagten zu 1) angedeutet (Bl. 424 d.A.) - die besonders enge Einbindung zum Ausdruck. Mit dem oben Gesagten hätte der Beklagte zu 1) bei sorgfältigem und redlichem Verhalten erkennen können, dass sich daraus aus Sicht objektiver Dritter auch weitergehende rechtliche Bindungen direkt dem Erblasser gegenüber ergeben, wofür im Übrigen mit dem oben bereits bei der Beweiswürdigung Gesagten auch streitet, dass der Beklagte zu 1) sich nach dem Zerwürfnis im Jahr 2009 einige Jahre lang offenbar gebunden gefühlt hat, bevor er sich als „treuloser Ghostwriter“ zunehmend verselbständigt hat.
235Entgegen dem Vorbringen u.a. auf S. 55 f. der Klageerwiderung (Bl. 412 f. d.A.) liegt kein sog. versteckter Dissens i.S.d. § 155 BGB vor, denn es geht allein um die aus Sicht objektiver Dritter vorliegenden (stillschweigenden) übereinstimmenden Willenserklärungen über die Vertragsbeziehung sui generis (beim Beklagten zu 1) mit jedenfalls potentiellem Erklärungsbewusstsein) und um die – sogleich zu thematisierende - Reichweite der daraus abzuleitenden Pflichten i.S.d. § 241 Abs. 2 BGB unter dem „Dach“ der beiden schriftlichen Verlagsverträge.
236((c))
237Bedenken an der Annahme eines rechtgeschäftlichen Bindungswillens aus Sicht objektiver Erklärungsempfänger bestehen nicht unter sonstigen Gesichtspunkten. Insbesondere ist bei verständiger Würdigung und nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht nur von einem rechtlich unverbindlichen bloßen sog. Gefälligkeitsverhältnis, also im konkreten Fall einem nur rein menschlich-moralisch bindendenen Vertrauensverhältnis unter den Beteiligten, auszugehen.
238Ob der für ein Rechtsverhältnis erforderliche Rechtsbindungswille vorliegt, ist anerkanntermaßen allein danach zu beurteilen, wie sich dem objektiven Beobachter – nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls mit Rücksicht auf die Verkehrssitte – das Handeln des Gegenübers darstellt. Eine vertragliche Bindung wird insbesondere zu bejahen sein, wenn erkennbar ist, dass etwa für einen Leistungsempfänger wesentliche Interessen wirtschaftlicher Art auf dem Spiel stehen und er sich auf die Leistungszusage verlässt oder wenn der Leistende an der Angelegenheit ein erhebliches eigenes rechtliches oder sonstiges, insbesondere wirtschaftliches Eigeninteresse hat (st. Rspr., vgl. BGH v. 03.09.2020 – III ZR 136/18, BeckRS 2020, 2337 Rn. 29; siehe auch Grüneberg/Retzlaff, BGB, 83. Aufl. 2024, § 662 Rn. 4; Grüneberg/Grüneberg, a.a.O., Einl. V. § 241 Rn. 7 ff m.w.N.). Ob durch Erklärungen oder ein sonstiges Verhalten ein Auftragsvertrag oder ein auftragsähnliches Verhältnis zustande kommt oder nur eine rechtliche Bindungen nicht erzeugende „Gefälligkeitshandlung“ vorliegt, hängt hiernach stets von den Umständen des Einzelfalls ab und ist im Wesentlichen eine Sache tatrichterlicher Würdigung.
239Unter Berücksichtigung dieser Prämissen ist es vorliegend nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zwar so, dass insbesondere der Zeuge I. A. als Zeuge vom Hören-Sagen nur von einem „handshake-agreement“ gesprochen hat, mag er dem selbst tendenziell auch schon eine juristische Bindung zuerkannt haben. Speziell der Zeuge Dr. R., der in einer ähnlichen Situation wie der Beklagte zu 1) war, aber anders als dieser nicht einmal über einen schriftlichen Verlagsvertrag verfügte, sah sich eher nur in einem (von der Reichweite her unklaren) „gentleman´s agreement“ eingebunden und wollte keine Einschätzung zur rechtlichen Bindungswirkung geben. Richtig ist sicherlich, dass u.a. mit den auf S. 12 f. des Schriftsatzes des Beklagten zu 1) vom 01.02.2023 (Bl. 4315 f. d.A.) zitierten Stimmen aus Rechtsprechung und Literatur bei einem „gentleman´s agreement“ regelmäßig die rechtliche Verbindlichkeit und auch Einklagbarkeit fehlt, weil man allein im Vertrauen auf Anstand und Moral von der Einhaltung des „Agreements“ ausgeht. Dies ist indes – selbst wenn anders als hier (!) der Begriff des „gentleman´s agreement“ ausdrücklich verwendet worden ist – kein allgemeiner Rechtssatz; es muss ohnehin stets nach den allgemeinen Regeln der Auslegung und der Besonderheiten des Einzelfalls ermittelt werden, ob und in welchem Umfange die Parteien sich durch Begründung klagbarer Ansprüche verpflichten wollten, wobei freilich die offen gewählte und im Rechtsverkehr nicht alltägliche Bezeichnung einen gewissen Anhaltspunkt für den entsprechenden Willen der Parteien bieten kann (grundlegend BGH v. 22.01.1964 – Ib ZR 199/62, juris Rn. 29; siehe auch Armbrüster, in: Erman BGB, 17. Aufl. 2023, Vorbemerkung vor § 145 Rn. 8, wonach auch sog. Vertrauensverträgen zumindest klagbare Schutzpflichten aus § 241 Abs. 2 BGB entspringen können; siehe vertiefend zum Ehrenwort auch Widmann, NJW 2001, 205).
240Vorliegend sind solche Begriffe - anderes macht auch der Beklagte zu 1) nicht geltend - nicht genutzt worden, sondern die gesamte Abrede kann und muss allein aus den Gesamtumständen heraus erschlossen werden. Mit dem oben zur Interessenlage Gesagten erscheint es gerade in Ansehung der so weitgehenden Öffnung des Erblassers mit Blick auf die ansonsten vor der Öffentlichkeit klar abgeschirmten „Stasi-Akten“ fernliegend, eine nur rein moralische Bindung des „Ghostwriters“ anzunehmen. Das gilt umso mehr auch deswegen, als Sinn und Zweck der Zusammenarbeit allein die störungsfreie Erstellung der Memoiren des Erblassers war. Dann musste aber jedenfalls bis zu deren – bis heute ausstehender – Vollendung mit Blick auf die verlagsvertraglichen Regelungen zur jederzeitigen Austauschbarkeit des Beklagten zu 1) und den Möglichkeiten einer Vollendung der Memoirenreihe nach dem Tod des Erblassers unter der Entscheidungsgewalt der Klägerin – aus Sicht objektiver Dritter über eine moralische Verpflichtung des Beklagten zu 1) hinaus eine die auftragsähnliche Grundsituation im Binnenverhältnis abbildende Rechtsbeziehung sui generis das Mittel der Wahl sein und bleiben, dies insbesondere mit Blick auf die treuhänderische Stellung mit Blick auf die „Stoffsammlung“ zum Zwecke der Memoirenerstellung, von denen gerade die Tonbandaufnahmen einen wesentlichen Teil ausmachen.
241Für die Annahme einer solchen unmittelbaren bindenden Rechtsbeziehung zwischen dem Erblasser und dem Beklagten zu 1) - neben den beiden mit dem Verlag bestehenden (schriftlichen) Verträgen - streitet auch, dass der Beklagte zu 1) schon auf S. 13 der Klageerwiderung (Bl. 370 d.A.) ausgeführt hat, dass es aus seiner Sicht ohnehin keine Verhandlungen über die Inhalte des Verlagsvertrages, inhaltliche Nachjustierungen oder Gespräche hierüber geben musste, weil der Erblasser und er die Zusammenarbeit an dem Memoirenprojekt stets „vollständig selbst“ organisiert haben (a.a.O., S. 15 = Bl. 372 d.A.). Hat man sich aber beiderseits nicht durch die Verlagsverträge in der Zusammenarbeit bestimmt und beengt gefühlt, streitet auch dies umso eher für die Begründung einer tragfähigen Arbeitsbeziehung im Direktverhältnis unter dem „Dach“ dieser - offenbar vom Beklagten zu 1) eher als lästige Formalie angesehenen und nur die wirtschaftlichen Fragen abklärenden - schriftlichen Verträge im Übrigen.
Die Annahme einer auftragsähnlichen Rechtsbeziehung sui generis (insbesondere mit Herausgabepflichten für Materialien entsprechend § 667 BGB) bedeutet allein zwar nicht zwingend, dass daraus weitergehende Vertraulichkeits- oder Verschwiegenheitsverpflichtungen abzuleiten sind (deutlich BGH v. 26.11.2020 – III ZR 136/18, BeckRS 2020, 36309 Rn. 14; siehe ähnlich schon Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, BeckRS 2018, 10541 Rn.108 a.E. m.w.N.).
243Wie der Senat a.a.O. Rn. 105, 108, 121 (m.w.N.) – worauf zur Meidung von Wiederholungen verwiesen wird – ausgeführt hat, kommt es mit Blick auf § 241 Abs. 2 BGB in einer gebotenen Gesamtwürdigung der vertraglichen Interessenlage darauf an, ob die Vertragsbeziehung von vorneherein auf eine andauernde vertrauensvolle Zusammenarbeit ausgelegt war, ob erkennbar Geheimhaltungsinteressen des Auftraggebers berührt waren und/oder ob andernfalls eine Gefährdung des Zwecks der (auftragsähnlichen) Rechtsbeziehung eintreten musste. So liegt der Fall jedoch hier, wie unter - mit den Überlegungen auf S. 6 des Beschlusses des Senats vom 02.06.2022 (Bl. 3587 d.A.) gebotener - Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats i.S.d. § 286 Abs. 1 ZPO (insofern mit Blick auf die Vorverfahren: weiterhin) zweifelsfrei feststeht.
244Wie eingangs angeführt, unterscheidet dies die vorliegende Sachverhaltskonstellation von einem etwaigen Missbrauch eines nur einseitigen Vertrauens in (kürzeren) rein journalistischen Beziehungen ohne flankierende Rechtsbeziehung (wie etwa bei Offenlegung von Quellen entgegen dem Pressekodex). Der Senat verkennt ausdrücklich nicht, dass es grundsätzlich Aufgabe des Betroffenen ist und sein muss, durch sorgfältige Auswahl des Gesprächspartners und/oder entsprechende vertraglich klar vereinbarte Sanktionen der Preisgabe von Informationen etc. entgegenzuwirken und im Übrigen ein genereller deliktischer Schutz des nur rein einseitigen Geheimhaltungswillens durch das Persönlichkeitsrecht zu weit ginge, weil das bedeuten würde, die Persönlichkeit vor ihrer eigenen Vertrauensseligkeit in Schutz zu nehmen (BGH v. 10.03.1987 – VI ZR 244/85, juris Rn. 18). Denn dies schließt es nicht aus, bei einer dauerhaften Zusammenarbeit in einem „Ghostwritingprojekt“ - wie hier - über § 241 Abs. 2 BGB eine weitergehende Schutzpflicht anzunehmen, wenn die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit erkennbaren Geheimhaltungsinteressen einer Partei geradezu die Basis für das Erreichen des gemeinsamen Projektziels bildet. Denn nur in der so geschützten Atmosphäre - die wegen der Tonbandaufnahmen und der darin liegenden Fixierung der Persönlichkeit auf Band zudem gerade auch unter Lebenden erst recht eine besondere persönlichkeitsrechtliche Relevanz entfalten musste (siehe dazu auch BGH a.a.O. Rn. 17) - konnte die für die Memoirenarbeit und die Erreichung des gemeinsamen Projetziels erforderliche Öffnung des Erblassers gelingen, wie sogleich darzulegen ist.
245(aa)
246Dabei war der Senat - wie in der ersten mündlichen Verhandlung erörtert - nicht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die (lückenhaften) Feststellungen des Landgerichts auf S. 216 der angefochtenen Entscheidung gebunden, wonach die Kammer sich (nur) nicht davon überzeugen konnte, dass der Erblasser vom fehlenden Bestehen einer Verschwiegenheitspflicht ausgegangen sei. Das Landgericht hat u.U. schon die Darlegungs- und Beweislast nicht beachtet (dazu sogleich). Der Beklagte zu 1) wendet ferner zu Recht ein, dass es nicht nur auf - mit Nichtwissen bestrittene bzw. als „reine Fiktion“ bezeichnete (u.a. S. 11/19 der Klageerwiderung der Beklagten zu 3), Bl. 322/330 d.A.; S. 47/48 f. der Klageerwiderung des Beklagten zu 1), Bl. 404/405 f. d.A., S. 9/18 des Schriftsatzes vom 30.11.2021, Bl. 3165/3173 d.A.) – rein einseitige und möglicherweise auch nur innerliche Vertraulichkeitserwartungen des Erblassers ankommen könnte. Richtig ist zudem, dass die Auslegung einer vertraglichen Abrede als juristische Bewertung zwar selbst nicht Gegenstand einer Beweisaufnahme sein kann, sondern es typischerweise um die Feststellung von Tatsachen gehen wird, die für eine bestimmte Auslegung maßgeblich sind (statt aller Laumen, in: Baumgärtel u.a., Hdb. der Beweislast, 5. Aufl. 2023, Kap. 9 Rn. 3 m.w.N.). Mit ähnlicher Maßgabe muss daher gleichermaßen derjenige, der aus solchen Pflichten für sich positive Folgen in einem Prozess ableiten willl, die Darlegungs- und Beweislast für Existenz und Inhalt der in § 241 Abs. 2 BGB erwähnten Rücksichtnahmepflichten und damit vor allem die zu deren Herleitung maßgeblichen tatsächlichen Umstände tragen (Repgen, in: Baumgärtel u.a, Hdb. der Beweislast, 5. Aufl. 2023, § 241 Rn. 4; für Begründung und Reichweite von Rücksichtnahmepflichten auch BAG v. 27.5.2015 – 5 AZR 88/14, NZA 2015, 1053 Rn. 33 ff.). Nichts anderes gilt für den Inhalt und die Reichweite von sonstigen Schutz- und Nebenpflichten, wobei deren Zuordnung zu § 241 Abs. 2 BGB oder § 242 BGB irrelevant ist (Repgen, a.a.O., § 241 Rn. 6, § 242 Rn. 16). Denn auch im Rahmen des § 242 BGB trägt stets derjenige, der aus angeblichen ungeschriebenen Pflichten ihm günstige Rechtsfolgen ableiten will, die Darlegungs- und Beweislast für die für ihn günstigen Tatsachen (Repgen, a.a.O., § 242 Rn. 17). Dies ist gleichermaßen anerkannt im Bereich des § 280 Abs. 1 BGB; auch hier muss im Bereich von nicht erfolgsbezogenen Neben-/Schutzpflichten das Bestehen einer bestimmten Pflicht und deren objektive Verletzung im Tatsächlichen dargelegt und bewiesen werden (Repgen, a.a.O., § 280 Rn. 74 – 77, 121 f., 150).
247Übertragen auf den vorliegenden Fall geht es also um die Feststellung einer ausreichenden „Tatsachenbasis“ für die Bestimmung (ungeschriebener) Schutzpflichten aus der auftragsähnlichen Rechtsbeziehung sui generis zwischen Erblasser und dem Beklagten zu 1) in der damals gelebten vertraglichen Zusammenarbeit auf Basis der eingangs genannten Prämissen.
248(bb)
249Die für die tatsächlichen Umstände darlegungs- und beweisbelastete Klägerin ist diesen Anforderungen nachgekommen.
250((1))
251Mit dem vom Senat im Urteil vom 29.05.2018 (15 U 65/17, BeckRS 2018, 10541, Rn. 110 – 117) Gesagten und zur Meidung unnötiger Wiederholungen in Bezug zu Nehmenden war und ist von einer zweckgebundenen „Stoffsammlung“ bei den Arbeiten an den Memoiren des Erblassers und – davon nicht vernünftig zu trennen (dazu schon Senat a.a.O., Rn. 116), weil es dabei nur um einen „Paukenschlag als Vorspiel zur vertraglich vereinbarten Autobiografie“ (S. 31 des Buches) ging – an dem „Tagebuch“ des Erblassers auszugehen. Die aus den aktenkundigen Audiodateien wie insbesondere auch Anlage K 54 ersichtliche, teilweise sehr persönliche und weitgehende Öffnung des Erblassers bei den Tonbandaufnahmen war schon wegen der oft umgangssprachlichen Teile und der jedenfalls zu gewissen Teilen negativen Bewertungen einzelner Personen ersichtlich nicht für eine direkte Veröffentlichung fernab einer Letztkontrolle des Erblassers bestimmt . Die Äußerungen waren – wie die streitgegenständliche Publikation zeigt – ihren Inhalten nach jedenfalls missbrauchsanfällig, nachdem die Persönlichkeit des Erblassers auf Bändern „fixiert“ und damit jederzeit reproduzierbar gemacht worden war. Dies wies der Zusammenarbeit erkennbar eine andauernde besondere Vertrauensbindung mit möglichst engen Loyalitätspflichten zu. Es geht nicht nur um eine - hier vom Beklagten zu 1) mit Nichtwissen bestrittene - rein einseitige Vertraulichkeitserwartung des Erblassers bei diesen Arbeiten. Vielmehr steht schon aufgrund der vorliegenden äußeren Umstände für den Senat außer Frage, dass die Tonbandaufnahmen aus Sicht aller Beteiligten und jedenfalls auch objektiver Dritter in deren Funktion niemals für eine unmittelbare Publikation und eine vom Erblasser unkontrollierte Weitergabe bestimmt waren. Wie vom Senat (a.a.O.) ausgeführt, war unschädlich, dass man sich bei den Arbeiten in deren Verlauf bei der Stoffsammlung ungewöhnlich breit aufgestellt hat und schnell absehbar wurde, dass nicht alles zusammengetragene Material und vor allem nicht alle Tonaufnahmen später Eingang in die Buchfassung der Memoiren finden würden. Es ging nicht selten nur um für das Verständnis des Beklagten zu 1) und des Zeugen Dr. R. wichtige Hintergrundinformationen oder Anekdoten aus dem Leben des Erblassers, die bei der Schaffung der Schriftfassung das gebotene Eindenken („Hineinversetzen“) in dessen Persönlichkeit einfacher gestalten sollten. Auch soweit unstreitig bisweilen tagesaktuelle oder auch randseitige Themen besprochen worden sind und sich der Umfang der „Gespräche“ weit über die anfangs in den Verlagsverträgen angedachten 200 Stunden hinaus ausgedehnt hatte (weshalb man schon in dem Verlagsvertrag zum „Tagebuch“ in Bezug auf den Zeitumfang auf die „notwendigen“ Stunden abgestellt hat), bot all dies keinen Anlass für die Annahme freier Verwertungsrechte des Beklagten zu 1) oder eine nur rein moralische Bindung. Gleiches gilt mit Blick auf die Tatsache, dass der Erblasser sich jedenfalls teilweise sehr offen über politische Gegner etc. geäußert haben mag, wie der Senat a.a.O., Rn. 122 bereits ausgeführt hat. Insbesondere hat auch der Zeuge Dr. R. für die Jahre 2001/2002 glaubhaft bekundet, dass man nach seinem Einstieg de facto die Gespräche in Bezug auf die Memoirenarbeiten neu gestartet hat und diese ungeachtet seines eigenen beschränkten Aufgabenbereichs absprachegemäß vor Beginn mit der schriftlichen Niederlegung zunächst „komplett geführt“ werden sollten neben parallelen Aktenauswertungen (Bl. 4030 d.A.), was ebenfalls deutlich macht, dass man mit diesen Tonbandaufnahmen eine umfassende Stoffsammlung für die Memoiren hat erstellen wollen.
252Zwar hat man – wie der Zeuge Dr. R. glaubhaft bekundet hat – über das weitere Schicksal und Behaltendürfen der Tonbänder insbesondere nach einem etwaigen Abschluss der Arbeiten an den Memoiren nie explizit gesprochen (jedenfalls in seinem Beisein, Anlage OC 6, AO III, S. 2), doch war – enthielten die Bänder mit den langen und ausschweifenden Gesprächen und Anekdoten ersichtlich nicht für die Memoiren nutzbare Teile und/oder teil „sehr unverblümt(e)“ Ausführungen über Personen, die so ebenfalls ersichtlich zumindest nicht direkt für Publikationen nutzbar waren (Anlage OC 6, AO III, S. 3) – dennoch Zweck der Aufnahmen die Erstellung der Memoiren („so ging es sicherlich um die Memoiren“, Anlage OC 6, AO III, S. 2; „so war es natürlich ursprünglich Sinn, dass wir Stoff für die Materialien gesammelt haben. Es ist nur so gewesen, dass nur ein geringer Teil dieses Stoffes… dann auch wirklich in die Memoiren eingeflossen ist“, Anlage OC 6, AO III, S. 5; „alle Gespräche fanden aber natürlich aus Anlass der Aufzeichnungen für die Memoiren statt“, Bl. 907 R d.A.). Der Zeuge Dr. R. - immerhin selbst nach seinem Bekunden „ausgebildeter Journalist“ - hat aufgrund seiner Beteiligung an den Gesprächen vertiefte Einblicke in die Arbeitsweise des Erblassers und des Beklagten zu 1) erlangt und im Rahmen seiner Vernehmung eine „journalistische Rolle“ des Beklagten zu 1) dabei klar verneint (Bl. 908 d.A.). Er hat dies mit der anderen Arbeitsatmosphäre bei den „Memoirengesprächen“ in Abgrenzung zu einem normalen Interview/Journalistengespräch plastisch gemacht (Bl. 4034 f. d.A.) und überzeugend betont, dass der Erblasser bei allem stets „der „Chef“ war“ (Bl. 4032 d.A.) und deswegen aus Sicht des Zeugen beispielsweise die Tonbänder „sicherlich auch bekommen“ hätte, wenn er sie damals nur eingefordert hätte (Bl. 4032 d.A.). Auch dieser glaubhaft geschilderte Eindruck von den Gesamtumständen belegt, dass es um eine zweckgebundene Zusammenarbeit - wenn auch in inhaltlich ergebnisoffenen Gesprächen - ging. Dass der Beklagte zu 1) dies und seine Rolle subjektiv – wie ausgeführt – jedenfalls teilweise anderes empfunden haben mag, ändert an dieser Einordnung aus Sicht objektiver Erklärungsempfänger erneut gerade nichts.
253Hinzu trat die ebenfalls von Anfang an zweckgebundene Zugangsgewährung zu ansonsten einem Dritten entweder ganz (wie insbesondere die geheim gehaltenen „Stasi-Akten“ des Erblassers) oder wegen der Sperrfristen zumindest lange Zeit verschlossen bleibenden Unterlagen, die der Beklagte zu 1) objektiv erkennbar ebenfalls nur unter Gewährung besonderen Vertrauens des Erblassers einsehen konnte, was er im Buch mit gutem Grund selbst als einen „Ritterschlag“ (S. 48 des Buches) umschrieben hat. Dass dem damit einhergehenden Vertrauensvorschuss von Seiten des Erblassers für den Beklagten zu 1) schon mit Blick auf § 241 Abs. 2 BGB und die sonst drohende Gefährdung des gemeinsamen Projektziels eine Pflichtenbindung auch dem Beklagten zu 1) immanent sein musste, die gesammelten Materialien und Erkenntnisse vertraulich zu behandeln (Senat a.a.O., Rn. 113), steht für den Senat weiterhin außer Frage.
254((2))
255Richtig ist zwar, dass eine entsprechend weite Auslegung der Rechtsbeziehung sui generis mit einem Ableiten weitreichender Schutzpflichten aus § 241 Abs. 2 BGB mit dem Ziel einer ungeschriebenen Vertraulichkeitsverpflichtung keinesfalls möglich wäre, wenn der Erblasser einen abweichenden Willen gehabt und ausdrücklich geäußert hätte (vgl. u.a. S. 12 des Schriftsatzes der Beklagten zu 3) v. 03.07.2019, Bl. 1044 d.A.) oder wenn aufgrund sonstiger Umstände aus Sicht eines objektiven Dritten der Eindruck entstanden wäre, es wäre ihm nicht um einen weitgehenden Vertraulichkeitsschutz gegangen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht jedoch zur Überzeugung des Senats fest, dass der Erblasser - jedenfalls bis zu einem erfolgreichen Abschluss seines Memoirenprojekts, sei es mit ihm, sei es nach seinem Ableben mit dem im Verlagsvertrag vorgesehenen Familienmitglied oder aber ggf. einer bewussten Abbruchentscheidung etwa durch die dort genannte Person nach dem Ableben des Erblassers - von einer möglichst umfassenden Vertrauensbindung ausgegangen ist.
256Dass der Senat mit dem oben Gesagten zwar nicht ausreichend sicher feststellen konnte, dass es tatsächlich eine konkrete mündliche Vertraulichkeitsabsprache zwischen dem Erblasser und dem Beklagten zu 1) im Vorfeld der Verhandlungen mit dem Verlag gegeben hat, steht dieser Annahme nicht entgegen. Denn in Ansehung der glaubhaften Bekundungen des Zeugen IA. A. und des Zeugen K. A. glaubte sich der Erblasser ersichtlich zumindest selbst durch „handshake-agreement“ bei einem loyalen Mitarbeiterkreis abgesichert und durfte dies nach den Gesamtumständen der Zusammenarbeit auch. Dass er – aus seiner Sicht nur folgerichtig – später das „Nachschieben“ schriftlicher expliziter Vertraulichkeitsregelungen abgelehnt hat, besagt nichts anderes. Das ist entgegen der Ansicht der Beklagten kein Indiz dafür, dass ihm tatsächlich nicht an einer Vertraulichkeit etc. gelegen gewesen wäre. Im Gegenteil hat der Zeuge I. A. – wie ausgeführt – glaubhaft erläutert, dass und warum er auf Betreiben des Erblassers von der von ihm zunächst angedachten „360-Grad-Regelung“ zur Vertraulichkeit bei den Arbeiten an den Entwürfen des Verlagsvertrages Abstand nehmen sollte und warum der Erblasser später unter Verweis auf die aus seiner Sicht bereits existierende Klärung durch das aus seiner Sicht bestehende „handshake-agreement“ von schriftlichen Nachtragsregelungen nichts hat wissen wollen. Dass der Erblasser damals in Ansehung der ausgesprochen vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Beklagten zu 1) bei der Erstellung des fiktiven „Tagebuchs“ unter dem mit erheblichem Druck auf den Erblasser verbundenen sog. Spendenaffäre die Befürchtung gehabt haben mag, dass ein plötzliches „Nachfordern“ einer expliziten schriftlichen Vertraulichkeitsregelung ohne konkret vom Beklagten zu 1) dazu gegebenen Anlass (!) vom Beklagten zu 1) eher als eine Art Misstrauensvotum hätte (fehl-) gedeutet werden müssen/können, liegt für den Senat fast förmlich auf der Hand. Das stützt nur weiter den Eindruck, dass sich der Erblasser abgesichert wähnte und wähnen durfte, selbst wenn man – wie gezeigt – den Nachweis einer konkreten Absprache mit den inhaltlich zu offenen Angaben der Zeugen K. und I. A. sowie der Klägerin selbst so nicht hat führen können. Wie oben bereits ausgeführt, liegt jedenfalls kein sog. „beredtes Schweigen“ durch einen erkennbaren und bewussten Verzicht auf weitergehende Regelungen in den schriftlichen Verlagsverträgen vor, im Gegenteil.
257Die Annahme wird gestützt durch die ebenfalls glaubhaften (erstinstanzlichen) Bekundungen des Zeugen K. A., welcher der Senat mit dem oben bereits Gesagten trotz dessen Zeugnisverweigerung in zweiter Instanz verwerten darf. Im Einklang mit der bereits angesprochenen Würdigung des Landgerichts und des Bundesgerichtshofes in dem die Auskunft und Herausgabe betreffenden Vorverfahren kann dessen Bekundungen und Interviewäußerungen nur entnommen werden, dass aus Sicht des Erblassers schriftliche Regelungen zur Vertraulichkeit bei Indiskretionen ohnehin „das Papier ... im Zweifel nicht wert“ seien, auf dem sie stehen (Bl. 903 R d.A.). Damit wird verständlich, dass ein entsprechender vertraglicher Nachtrag aus der damaligen Sicht des Erblassers auch mit keinem messbaren Mehrwert verbunden sein konnte, zumal er sich den Beklagten zu 1) auch nach der Einschätzung des Zeugen K. A. von Anfang an nach Loyalitätskriterien ausgesucht hatte. Der Senat verkennt nicht, dass bei den Angaben des Zeugen K. A. der Umstand widersprüchlich war, dass der Zeuge in seinem Zeitungs-Interview medienwirksam „so viel Unvernunft“ bei dem Erblasser erkannt haben will, die es zu Lebzeiten seiner Mutter angeblich nicht gegeben hätte. Bei seiner Vernehmung hat er im klaren Gegensatz dazu bekundet, die aus seiner Sicht fehlende Verschwiegenheitsabrede in den schriftlichen Verträgen schon zu Lebzeiten seiner Mutter mit dem Erblasser unter Verweis auf seine Erfahrungen aus dem Investmentbanking erstmals angesprochen zu haben (Bl. 903 R d.A.); beschriebene „Unvernunft“ muss es demnach schon zu dem früheren Zeitpunkt gegeben haben. Dies macht die Bekundungen des Zeugen aber im Übrigen nicht etwa unglaubhaft. Er hat – wie auch in seinem Interview angesprochen – später nur speziell unter dem Eindruck einer eigenen Teilnahme an einer von ihm als eine Art „Therapiesitzung“ umschriebenen Arbeitssitzung des Erblassers mit dem Beklagten zu 1) mit offenbar recht heftigen Inhalten nach dem Tod seiner Mutter nochmals explizit auf den Abschluss einer schriftlichen Abrede gedrängt und deswegen erstmals auch den anwaltlichen Berater und Freund des Erblassers Rechtsanwalt Dr. XY.-CG. eingeschaltet. Dass diese Bemühungen zu einem Streit des Zeugen mit dem als „beratungsresistent“ geschilderten Erblasser geführt haben, sich auch der anwaltliche Freund gegenüber dem Erblasser „nicht durchsetzen konnte oder wollte“ (Bl. 904 d.A.) und die Sache „insgesamt versandet“ ist, bedeutet aus Sicht des Senats aber gerade nicht, dass dem Erblasser an einer Vertraulichkeit nicht gelegen war. Wie oben ausgeführt, waren die Einschätzungen des Zeugen K. A. dazu, dass dem Erblasser „egal (gewesen sei), dass er nicht vor einer Indiskretion geschützt war“ bzw. er nicht davon „ausgegangen (sei), dass es einen Vertraulichkeitsschutz bereits gab“ (Bl. 904 R d.A.) allein und ausschließlich auf das Fehlen einer beweissicheren, schriftlichen und eindeutigen Vertraulichkeitsabrede bezogen, zumal der Zeuge ansonsten glaubhaft das tiefe Vertrauen des Erblassers auf einen ordentlichen Umgang mit dem gesamten Material und den gesammelten Informationen durch den Beklagten zu 1) - dies sogar nach dem Tod des Erblassers - angesprochen hat („Er vertraute darauf, dass Herr Dr. X. das ordentlich behandeln und in der Gesamtsicht fair damit umgehen würde“, Bl. 905 d.A.). Der Zeuge, der die „juristische Sprengkraft der Situation“ gesehen hat, hat nur nüchtern konstatiert, dass der Erblasser sich hier möglicherweise „selber etwas vorgemacht“ (Bl. 905 d.A.) und die Problematik und die Gefahren letztlich „schlicht ausgeblendet“ habe (Bl. 905 R d.A.), was sich aber wiederum auf die vom Zeugen angesprochene juristische Grauzone bezog, die – wie u.a. das vorliegende Verfahren zeigt – auch in der Tat in Ansehung der unglücklichen Vertragsgestaltungen nicht von der Hand zu weisen ist.
258Bedenken an den Bekundungen des Zeugen ergeben sich - die Frage ist oben schon mit Blick auf den Zeugen I. A. und dessen unberechtigte Verweigerung des Zeugnisses angesprochen worden - für den Senat auch nicht mit Blick auf die in zweiter Instanz berechtigt erklärte Zeugnisverweigerung des Zeugen K. A., wie es u.a. auf S. 7 f. des Schriftsatzes des Beklagten zu 1) vom 28.09.2022 (Bl. 3795 f. d.A.) eingewandt wird. Selbst wenn man in Rechnung stellt, dass der Zeuge mit seiner Verweigerung vermeiden wollte, bei Gericht und/oder der Öffentlichkeit den Eindruck zu verfestigen, der Erblasser sei in Überschätzung seiner Position naiv und unbedarft vorgegangen und sei groben Fehleinschätzungen zur Loyalität seiner Gesprächspartner unterlegen, stellt dies keinen inhaltlichen Widerspruch zu dem Beweisergebnis dar, sondern stützt es. Denn der Zeuge hat ersichtlich nur vermeiden wollen, dasjenige erneut zu bekunden, was er in seinem Interview schon betont und in erster Instanz pointiert vorgebracht hat. Der Verzicht auf klare schriftliche und beweisfeste vertragliche Regelungen war und ist dem Zeugen unverständlich, doch trägt dies keine andere Beweiswürdigung. Soweit der Zeuge K. A. sich ansonsten eher offen zum Schicksal von Informationen aus der Memoirenarbeit nach dem Tod des Erblassers etc. erklärt hat, wird darauf unten zurückzukommen sein. Insgesamt ging es dabei aber ersichtlich nur um die eigenen Rückschlüsse und die eigene Sichtweise des damals nur an einer „Momentaufnahme“ der Memoirenarbeiten teilhabenden Sohns, der anlässlich dessen seinen als beratungsresistent empfundenen Vater über mögliche Versäumnisse mit Blick auf eine selbst bankrechtlichen Gepflogenheiten genügenden und beweisfesten Vertragsgestaltung zu belehren versucht hat. Daraus und dem sich darüber entzündenden Streit ergibt sich gerade nicht, dass dem Erblasser in der Zusammenarbeit mit dem Beklagten zu 1) nicht ansonsten äußerlich erkennbar an einer größtmöglichen Vertraulichkeit und Loyalität gelegen war, sondern - im Einklang mit den Schilderungen des Zeugen I. Kohls als demjenigen, der immerhin anders als der Zeuge K. A. in die Vertragsgestaltung näher eingebunden war - das genaue Gegenteil. Dass das Vertrauen des Erblassers in den Beklagten zu 1) später enttäuscht wurde, ändert nichts daran, dass es ihm in der engen Arbeitsbeziehung dennoch – wie auch sonst in seinem politischen Leben – erkennbar um von ihm als selbstverständlich vorausgesetzte absolute Loyalität ging.
259Man kann auch nicht mit S. 27 des Schriftsatzes der Beklagten zu 1) vom 02.07.2019 (Bl. 1006 d.A.) unterstellen, dass dem Erblasser nach den Bekundungen des Zeugen K. A. seine fehlende Absicherung bewusst gewesen und dieser Zustand von ihm bezweckt gewesen sei, da der Erblasser darüber mit seinem Sohn sogar in Streit geraten ist, mit der Folge, dass nunmehr ein etwaiges Vertrauen auf eine Verschwiegenheitspflicht des Beklagten zu 1) nicht mehr „schutzwürdig“ wäre. Zum einen geht es um eine vom Zeugen K. A. geschilderte bloße Momentaufnahme der laufenden Arbeiten, als sich der Erblasser nach den glaubhaften Bekundungen des Zeugen I. A. „handshakemäßig“ - auch noch im Zeitpunkt des von dem Zeugen K. A. erteilten Rates zur schriftlichen Niederlegung - unstreitig noch 100%ig loyal verhaltendem Beklagten zu 1) abgesichert wähnte. Im Gegenzug ist es treuwidrig (§ 242 BGB), wenn der sich später illoyal verhaltende Beklagte zu 1) einwenden will, der ihm damals vollständig vertrauende Erblasser hätte sich eben juristisch besser/beweisfester absichern müssen.
260((3))
261Eine auch aus objektiver Sicht fehlende Vertraulichkeitserwartung des Erblassers und/oder der anderen Beteiligten ergibt sich auch nicht aus sonstigen Umständen der Zusammenarbeit des Erblassers mit dem Beklagten zu 1) und dem Zeugen Dr. R..
262Dass u.U. etwas anderes gelten würde, wenn man die während der Arbeiten erlangten Erkenntnisse und Materialien parallel und frei für eigene journalistisch-publizistische Zwecke des Beklagten zu 1) und des Zeugen Dr. R. hätte verwenden dürfen oder sogar damals schon offensichtlich verwendet hätte, mag dahinstehen. Denn konkreter Vortrag zu solchen – bereits im Vorverfahren nur vage angedeuteten – Projekten des Beklagten zu 1) fehlt. Nach dem (gegenüber dem Vorverfahren teils abweichenden, dazu Senat a.a.O., Rn. 117) Vorbringen im hiesigen Verfahren will der Beklagte zu 1) die Verwendung von Materialien für die Filmreihe nebst Begleitbuch „Die Bonner Republik“ vielmehr sogar aktiv mit dem Erblasser abgesprochen haben (S. 69 der Klageerwiderung, Bl. 426 d.A., S. 55 des Buches). Auch der Zeuge Dr. R. hat dies nur am Rande angesprochen, nebst einigen vagen Andeutungen zu anderen Projekten, an die er jedoch keinerlei konkrete Erinnerung hatte (Anlage OC 6, AO III, S. 5 f.). All dies streitet gegen den Beklagten zu 1), weil für solche Absprachen ausgehend vom heutigen Rechtsstandpunkt einer ohnehin freien Verwendbarkeit des gesamten Materials selbst zu Lebzeiten des Erblassers keinerlei Anlass bestanden hätte. Das wird auch bis zuletzt nicht erläutert. Im Gegenteil wird auf S. 55 des streitgegenständlichen Buches sogar davon gesprochen, dass es um ein für sich stehende eigenes Projekt mit eigenen Aussagen/Inhalten aus einem lange vor dem Unfallsturz des Erblassers vor der „Fernsehkamera“ (!) geführten „Fernsehinterview“ gegangen sei, aus dem Auszüge in ein Begleitbuch zur Filmreihe aufgenommen werden sollten, bei denen der Erblasser eigentlich die freie Bearbeitung erlaubt habe, weswegen man insofern auch nur zum Unterstreichen eines fairen Miteinanders nochmals um eine Autorisierung gebeten habe, welche zum Streit mit der Klägerin geführt habe. All dies hat jedenfalls mit den Inhalten der Memoirenarbeiten (und insbesondere den dortigen Tonbandaufnahmen ohne Kamera) nichts gemein und unstreicht eher nur, dass der Beklagte zu 1) insoweit für das genannte Projekt zwar als freier Journalist agiert haben mag, im Übrigen aber keinesfalls.
263Dass der Beklagte zu 1) mit S. 69 der Klageerwiderung (Bl. 426 d.A.) bereits 2010/2011 für andere Buchprojekte - ohne Rücksprache – auch Materialien aus den Memoirenarbeiten genutzt haben will, hat indiziell keine Bedeutung, zumal der Erblasser dagegen nach seinem Unfallsturz schlicht nicht vorgegangen sein mag und es ersichtlich um eine andere Eingriffsintensität mit Blick auf seine Person gegangen ist.
264Der Senat verkennt nicht, dass Gegenstand der „Memoirengespräche“ auch das vom Zeugen Dr. R. seinerzeit geschriebene und bereits angesprochene Buch über den Pfarrer ZX., einen Mentor des Erblassers, war (Anlage OC 6, AO III, S. 3, Bl. 907 R d.A.). Der Zeuge Dr. R. konnte in dieses Buch auch Teile der ihm dazu übergebenen Transkripte der Tonbandaufnahmen einfließen lassen (Bl. 4032 d.A.). Dies ist aber – zumal es um „unkritische“ Inhalte aus den jungen Jahren des Erblassers ging – gerade kein Anzeichen dafür, dass der Erblasser ansonsten mit der weitgehenden Verwendung der Stoffsammlung für beliebige andere Publikationen ohne Rücksprache mit ihm einverstanden gewesen sein soll. Speziell zu dem Buch zu Pfarrer ZX. war aus der gesamten Genese der Zusammenarbeit mit dem Zeugen Dr. R. und der sich zeitlich ergebenden Überschneidungen im Ansatz klar, dass dieses schon vorher begonnene Buchprojekt als eigene Publikation des Zeugen fortgeschrieben werden sollte und der Erblasser – auch als „Zeitzeuge“ – diese Publikation nur größtmöglich unterstützen und fördern, aber (wie gezeigt) gerade nicht der „Zensor“ sein wollte, obwohl er in die Entwurfsarbeiten zu diesem Buch ersichtlich eingebunden wurde (Bl. 4032 d.A.). Dieses Buchvorhaben und die Memoirenarbeiten haben sich nur zeitlich und inhaltlich überschnitten (Bl. 4028 f. d.A.) und die Expertise des Zeugen Dr. IL. betreffend die Geschichte der Pfalz hat ihn im Übrigen für die Mitarbeit am ersten Memoirenband des Erblassers besonders ertüchtigt. Die gewisse „Teilöffnung“ der Materialien auch für dieses bereits vorher einvernehmlich geförderte einzelne Buchprojekt ist in Ansehung dessen kein Beweisanzeichen für eine generelle Öffnung der Stoffsammlung bezüglich beliebiger sonstiger eigener Publikationen. Nichts anderes gilt, soweit der Zeuge Dr. R. offenbar auch schon während der damaligen Zusammenarbeit bzw. danach – unter Offenlegung seiner Position als wissenschaftlicher Berater des Memoirenprojekts des Erblassers – einige wenige Zeitungsartikel (etwa über einen Dankesbrief von Präsident Clinton, Bl. 4033 d.A./Bl. 4036 d.A.) veröffentlicht hat. Denn solche - ohnehin durchweg positive - Publikationen erfolgten im ausdrücklichen oder zumindest mutmaßlichen Einvernehmen mit dem Erblasser, der mit dem Zeugen Dr. R. – anders als dem Beklagten zu 1) – sichtlich auch nicht gebrochen hatte. So hat der Zeuge Dr. R., der nach vom Senat gewonnenen Eindruck eher von zurückhaltendem Wesen ist, ansonsten nur die – später bei der Beklagten zu 3) nochmals zu thematisierende – verbindlich mit dem Erblasser abgesprochene bzw. von diesem sogar ausdrücklich erbetene Publikation des Abschiedsbriefes der ersten Ehefrau des Erblassers in der „EF.“ als einziges Beispiel genannt. Die vom Zeugen Dr. R. ansonsten umschriebene eigene Bindung an den Erblasser („gentleman´s -agreement“) ist auch in Ansehung dessen - entgegen der Auffassung des Beklagten zu 1) (siehe etwa S. 14 des Schriftsatzes vom 02.08.2019, Bl. 993 d.A.) - nicht nur eine Folge von dessen Temperament und Taktgefühl im rein zwischenmenschlichen Bereich, sondern bot nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme einen tragfähigen Einblick in die Umstände der Zusammenarbeit, deren Folgen der Beklagte zu 1) nur für sich unterschätzt haben mag.
265Speziell mit Blick auf den Beklagten zu 1) kommt noch etwas hinzu, was bereits im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung zur Vertraulichkeitsabrede angesprochen worden ist: Sein widersprüchlicher Prozessvortrag zu einer angeblich vom Erblasser immer wieder betonten freien journalistischen Verwendbarkeit des gesamten Materials kann bei verständiger Würdigung schon deswegen kein ernsthaftes Thema der Memoirenarbeiten gewesen sein, weil der Beklagte zu 1) bei seiner Anhörung (Bl. 4189/4194 d.A.) bestätigt hat, nicht nur dem Zeugen Dr. R., sondern auch dem Erblasser gegenüber ausdrücklich betont zu haben, nach Finalisierung von dessen Memoiren kein Buch über den Erblasser mehr schreiben zu wollen; dies hat auch der Zeuge Dr. R. betont und glaubhaft bestätigt (Anlage OC 6, AO III, S. 3, Bl. 906 R, 4031, 4036 d.A.). Dies streitet in der Würdigung aber eindeutig dafür, dass der Beklagte zu 1) zugunsten der Mitarbeit an dem ihn selbst als Historiker „elektrisierenden“ und obendrein auch finanziell nicht uninteressanten Projekt eigene publizistische Ambitionen jedenfalls bis zu dem – bis heute offenen – endgültigen Abschluss der Memoirenarbeiten auch nach außen hin zurückgestellt hat. Jedenfalls konnte ein objektiver Dritter in der Rolle des Erblassers solche Bekundungen des Beklagten zu 1) schwerlich anders deuten. Der Senat verkennt nicht, dass dennoch etwaige spätere Publikationen (auch) des Beklagten zu 1) zumindest am Rand Gegenstand der „Memoirengespräche“ gewesen sein müssen, zumal der Erblasser zumindest einmal am 31.08.2001 erklärt hat, dass der Beklagte zu 1) eine bestimmte (nicht näher vorgetragene) Thematik möglicherweise in ein weiteres Buch aufnehmen könne, wenn er „keine Haare mehr“ habe. Ungeachtet der Frage des Rechtsbindungswillens dieser ersichtlich nur belustigenden Äußerung des Erblassers - zu deren Annahme als Konstruktion einer verbindlichen inhaltlich unbeschränkten Einwilligung in eine Veröffentlichung des auf Tonband fixierten gesprochenen Worts und/oder sonstigen vertraulichen Materials durch den Beklagten trotz der darauf bezogenen Ausführungen bei LG Köln v. 12.12.2013 – 14 O 612/12 (Anlage K 3, Bl. 370 ff. AO I = juris Rn. 88 f.) jeder belastbare Vortrag von Beklagtenseite fehlt – stand dies in Ansehung des Von-Sich-Weisens einer Publikationsabsicht seitens des Beklagten zu 1) zumindest den Umständen nach aber erkennbar unter dem Vorbehalt der weiterhin vertrauensvollen Zusammenarbeit und des erfolgreichen Abschlusses des Memoirenprojekts als Kernziel der gemeinsamen Arbeit und Basis der aufgezeigten Rechtsbeziehung sui generis. Denn der Beklagte zu 1) will dies ausweislich S. 54 f. der Klagerwiderung (Bl. 411 f. d.A.) sogar selbst nur als Einverständnis mit einer zukünftigen eigenständigen Verwertung „außerhalb des gemeinsamen Memoirenprojekts“ zu einem späteren Zeitpunkt in „längerem zeitlichen Abstand“ verstanden haben, was den Bezug zu einer zumindest zeitlich vorhergehenden „Zweckerreichung“ im Memoirenprojekt einmal mehr verdeutlicht.
266Für die Beweiswürdigung folgt nichts anderes daraus, dass die Klägerin - worauf der Beklagte zu 1) hingewiesen hat - im Verfahren vorgetragen hat (S. 41 der Klageschrift = Bl. 41 d.A.; siehe auch S. 73 f. der Klageschrift = Bl. 73 f. d.A.), dass dem Erblasser damals bewusst gewesen sei, dass nicht alles in der Stoffsammmlung für die Memoiren zusammengetragene Material tatsächlich für die Memoiren zu verwenden sein werde und es daher mit Blick auf die Tonbandaufnahmen „weiteres authentisches Material seiner Erinnerungen“ für die geschichtliche Forschung als „einmaliges zeithistorisches Dokument“ mit vielen Geschichten und interessanten Details, Nebenbemerkungen und Hintergrundinformationen geben würde. Gleiches gilt für das Berufungsvorbringen, wonach man jedenfalls außerhalb der Arbeiten am „Tagebuch“ bewusst offen, bisweilen weitschweifig und umgangssprachlich und gerade nicht für die Veröffentlichung ohne vorherige Endkontrolle bestimmt formuliert habe, um sein Leben für diesen Zweck, aber „auch für die Ewigkeit (im Rahmen seines Nachlasses)“ festzuhalten (S. 30 der Berufungsbegründung der Klägerin, Bl. 1342 d.A.) und/oder man „das gesamte „Memoiren-Material einschließlich der Tonbänder in seinen historischen Nachlass nehmen (wollte), um dann zu entscheiden, wie dieses in seiner Verfügungsgewalt für die Aufarbeitung seines Lebenswerkes weiter genutzt werden könnte“ (S. 3 des Schriftsatzes vom 01.02.2021, Bl. 3056 d.A.). Denn daraus folgt entgegen u.a. S. 68 der Klageerwiderung des Beklagten zu 1) (Bl. 425 d.A.) nicht, dass der Erblasser das - ersichtlich nicht „sendefähige“ Material auf den Tonbändern - und/oder andere, mitunter geheime oder vertrauliche Unterlagen aus der Stoffsammlung für den Fall der fehlenden Verwendung in den Memoiren und/oder im „Tagebuch“ bzw. sogar parallel dazu der freien und unkontrollierten Verwendbarkeit durch den Beklagten zu 1) oder den Zeugen Dr. R. (sogar schon zu seinen Lebzeiten) hätte widmen wollen. Eine solche Annahme wäre jedenfalls aus Sicht objektiver Dritter nach der geschilderten vertraglichen Interessenlage weiterhin lebensfremd; auf die Situation nach dem Tod des Erblassers ist unten nochmals gesondert zurück zu kommen.
267Soweit der Zeuge Dr. R. glaubhaft versichert hat, es habe damals „im Raum (gestanden)“ (Bl. 907 d.A.), dass er selbst langfristig noch eine Biografie des Erblassers oder eine sonstige Publikation über diesen und seine Pfälzer Heimat hätte schreiben können und es dann ggf. auch „möglich“ gewesen wäre, Materialien aus den gemeinsamen Arbeiten zu übernehmen (Anlage OC 6, AO III, S. 3), steht dies der Beweiswürdigung nicht entgegen. Der Zeuge hat dies bewusst in Zusammenhang mit der Äußerung des Erblassers gestellt, wonach der Zeuge auf Wunsch des Erblassers auch bei den weiteren, nicht seinen Teil betreffenden Memoirenarbeiten deswegen weiter anwesend gewesen sei, damit - so der Erblasser - „auch in 30 Jahren noch jemand meinen Namen buchstabieren“ könne (Anlage OC 6, AO III, S. 3, Bl. 906 R f. d.A., Bl. 4031/4036 d.A.). Ungeachtet der Tatsache, dass das vom Zeugen angedachte Buchprojekt damals noch nicht konkret geplant war (Bl. 907 d.A.), mag der Zeuge auch bis heute seine Idee nicht aufgegeben haben (Bl. 4039 d.A.), hat der Zeuge zugleich betont, dass stets klar gewesen sei, dass er niemals parallel zu den (bis heute nicht abgeschlossenen) Memoiren eine solche Biografie o.ä. veröffentlichen würde (Bl. 4031 d.A.) und eine „Veröffentlichung… in welcher Form auch immer“ ohnehin nicht alle Erkenntnisse und Inhalte aus der Memoirenarbeit beinhalten würde, er insbesondere keine Verbalinjurien etc. publizieren würde (Bl. 4031/4036 d.A.). Ungeachtet der Frage der Abgrenzbarkeit dieser Sichtweise des Zeugen Dr. R. über die Reichweite einer etwaigen Publikationserlaubnis zeigen auch diese Ausführungen deutlich, dass jedenfalls vor einer Finalisierung des Memoirenprojekts auch aus Sicht des Zeugen eine ausreichend klare Vertraulichkeitserwartung bestand, die nach dem bereits mehrfach angesprochenen Geist der beiden Verlagsverträge so im Übrigen auch allein projektdienlich war.
268Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass der Zeuge Dr. R. ansonsten nur vage Vorstellungen von der Reichweite des von ihm angesprochenen „gentleman´s -agreement“ hatte und dieses selbst nur auf ersichtlich nicht druckreife Inhalte aus den Tonbandaufnahmen und/oder Verbalinjurien des Erblassers bezogen hat, die der Beklagte zu 1) nur als außerrechtliche und auch nur dem „eigenen Temperament und Taktgefühl“ des Zeugen zuzuschreibende, nicht rechtsverbindliche Vorgabe des Erblassers einzustufen suchte (S. 14 des Schriftsatzes der Beklagten zu1) vom 02.07.2019, Bl. 988 ff. d.A.). Denn trotz aller Unsicherheiten und Unklarheiten ist jedenfalls klar, dass der Prozessvortrag des Beklagten zu 1), der Zeuge Dr. R. gehe selbst von keinerlei Bindungen aus, nachweislich so auch unzutreffend war und auch dieser sich – mit dem Klägervortrag – durchaus in bestimmtem Maß selbst gebunden sah und sieht.
269Sollte es ansonsten – der Vortrag des Beklagten zu 1) dazu war, wie bereits oben gewürdigt, insgesamt zu mäandernd, um zu überzeugen – bei den Memoirenarbeiten zu Gesprächen mit dem Erblasser über die physische Haltbarkeit der Tonbandaufnahmen und/oder gar deren Sicherung durch Kopien gekommen sein, streitet auch dies nach den Gesamtumständen nicht für eine „freie“ Verwertbarkeit des gesamten Materials durch den Beklagten zu 1). Zum einen ist jede Sicherung mühsam erreichter Arbeitsergebnisse - zumindest bis zum vollständigen Abschluss des geplanten Projekts - sinnvoll und die physikalisch begrenzte Haltbarkeit von Magnettonbändern war seinerzeit allgemein bekannt. Zum anderen mag sich der unstreitig geschichtsbewusste Erblasser so eine eigene Entscheidung über die weitere Auswertung des Materials für die Zeit nach dem Abschluss des Memoirenprojekts ermöglicht und vorbehalten haben wollen. Dies gilt gerade auch in Ansehung der Tatsache, dass der Erblasser und der Beklagte zu 1) – sind auch die Details umstritten (vgl. etwa S. 74 der Klageschrift, Bl. 74 d.A., S. 21 f. der Replik, Bl. 488 f. d.A.; S. 24 des Schriftsatzes der Beklagten zu 1) vom 04.12.2018, Bl. 683 d.A.) – mit dem bereits bei der Würdigung der Angaben des Beklagten zu 1) Gesagten über die Frage der Übergabe des Materials an eine Art Stiftung zur Nachlassverwaltung zumindest beiläufig gesprochen haben sollen. Nach dem Klägervortrag hat der Beklagte auf der Pressekonferenz zum Erscheinen des streitgegenständlichen Buches selbst u.a. angegeben, dass er mit dem Erblasser darüber diskutiert habe, dass „auch die Bänder dann in die Stiftung kommen“ sollten. Die Klägerin stützt sich insoweit auf ein Transkript, das auf der Basis des damals im Internet frei zugänglichen Videos dieser Konferenz erstellt wurde (Anlage K 8, Bl. 410 AO I). Der Beklagte zu 1) hat die Inhalte auf S. 34 der Klagerwiderung (Bl. 391 d.A.) zwar auch hier mit einem Berufen auf ein „Nicht-Mehr-Wissen“ prozessual nicht ausreichend bestritten. Er hat dies im weiteren Verfahren nur unglaubhaft dahingehend zu relativieren versucht, dass man allein über zu fertigende Kopien der ansonsten natürlich nur bei ihm verbleibenden Bänder gesprochen habe (S. 34 der Klageerwiderung, Bl. 391 d.A.), was aber mit dem oben ausgeführten nur eine (weitere) Schutzbehauptung gewesen sein dürfte. Selbst wenn man insofern durchaus konstatieren mag, dass der Erblasser sich offenbar damals in Bezug auf die Gründung einer Stiftung bzw. in Bezug auf eine Überlassung der Tonbänder an eine Stiftung nicht abschließend hat festlegen wollen, wird deutlich, dass es im Rahmen solcher Gespräche nicht um eine (ggf. parallele) freie Nutzbarkeit der Stoffsammlung durch den Beklagten zu 1) gegangen ist, zumal der Beklagte zu 1) auch nicht geltend macht, dass er bewusst mit dem Erblasser die (kostenpflichtige?) Anfertigung von Kopien zum Zwecke der Übergabe an den Erblasser (als rein „freiwillige“ Geste des Beklagten zu 1)) besprochen haben will. All dies wäre nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch fernliegend, ist es andererseits auch sicher so, dass man nach dem nicht ausreichend bestrittenen Beklagtenvortrag und den glaubhaften Bekundungen des Zeugen Dr. R. über das endgültige Schicksal der Bandaufnahmen nach dem Abschluss des Memoirenprojekts keine ausdrücklichen Absprachen getroffen hat.
270((4))
271Für die Bewertung der objektiv erkennbaren Vertraulichkeitserwartung des Erblassers ist - wie schon im Vorverfahren ausgeführt, worauf verwiesen werden kann (Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, BeckRS 2018, 10541 Rn. 133 ff.) - weiterhin ohne wesentliche Bedeutung, ob der Beklagte zu 1) mit dem (zunehmend zugespitzten) Klägervortrag tatsächlich nur als ein „Akten- und Schreibknecht“ des Erblassers tätig gewesen ist oder er – wie im streitgegenständlichen Buch geschildert – frei, eigenständig und selbständig gearbeitet hat und dem Erblasser erst mittels „Tiefeninterviews“ (S. 17 des Buches) und eigener Vorstrukturierung der Inhalte Informationen entlockt hat. Denn auch bei einer Arbeits- und Rollenverteilung als „atypisches Ghostwriting“ ergibt sich keine andere Einordnung der Arbeitsbeziehung (siehe auch BGH v. 26.11.2020 – III ZR 136/18, BeckRS 2020, 36309 Rn. 7 f.). Auch soweit mit der journalistischen Reputation des Beklagten zu 1) argumentiert wird, hat der Senat dies in seinen Entscheidungen vom 29.05.2018 bereits gewürdigt. Etwas anderes folgt mit den Ausführungen des Senats a.a.O., Rn. 138 nicht daraus, dass die Verlagsverträge explizit nur eine Nennung des Beklagten zu 1) auf den Buchumschlägen ausschlossen, aber nicht die angemessene anderweitige Berücksichtigung des Beklagten zu 1). Denn unstreitig hat man - ohne dass der Beklagte zu 1) dagegen Einwendungen erhoben hat – weder bei dem Tagebuch noch den drei erschienenen Memoirenbänden die (wie auch immer gelagerte) Mitwirkung des Beklagten zu 1) nach außen hin kundgetan, was nur belegt, dass der Beklagte zu 1) sich bei der fortlaufenden Entwicklung und Ausgestaltung der Zusammenarbeit und damit auch der Rechtsbeziehung sui generis bewusst in seine „Ghostwriterrolle“ gefügt hat. Dass dem so war, zeigt auch das streitgegenständliche Buch selbst, weil der Beklagte zu 1) danach mit dem Erblasser am 30.04.2001 noch ausdrücklich die Nichtnennung des Verfassers der posthum veröffentlichten Strauß-Memoiren als Auffälligkeit thematisiert haben möchte (S. 142 des Buches).
272Dass sich aus der Fassung der dem Beklagten zu 1) erteilten „Konferenzbescheinigung“, in der seine Dienstbezeichnung mit der Formulierung „vom G.“ angegeben wurde (Anlage OC 5, AO III) sowie der unstreitig behördlicherseits erfolgenden Herabstufung der Geheimhaltungsstufen von Dokumenten keine Anhaltspunkte ergeben, die dafür sprechen, dass der Beklagte zu 1) neben seiner „Ghostwritertätigkeit“ mehr oder weniger janusköpfig zugleich als freier und ungebundener Journalist tätig war, hat der Senat im Urteil vom 29.05.2018 (15 U 65/17, BeckRS 2018, 10541 Rn. 141) schon ausgeführt. Entgegen dem Vorbringen u.a. auf S. 19 f. der Klageerwiderung der Beklagten zu 3) (Bl. 330 f. d.A.) ist die unterlassene Einforderung gesonderter Vertraulichkeitsverpflichtungen gegenüber dem Beklagten zu 1) durch amtliche Stellen kein Argument für die Annahme einer fehlenden Vertraulichkeitsverpflichtung gegenüber dem Erblasser. Im Gegenteil zeigt auch dies nur, dass man den Beklagten zu 1) dort nicht als freien Publizisten wahrgenommen hat bzw. wahrnehmen musste, sondern als engen Mitarbeiter und Vertrauten des Erblassers. Entgegen S. 20 der Klageerwiderung der Beklagten zu 3) (Bl. 331 d.A.) geht es nicht um einen „klassischen Zirkelschluss“, bei dem aus der bloßen Gewährung des Zugangs zu vertraulichen Unterlagen „automatisch“ eine Geheimhaltungsvereinbarung konstruiert und dabei über die „innere Erwartungshaltung“ des Erblassers nur unzulässig spekuliert werde. Zum einen ist eine Vertraulichkeitserwartung des Erblassers – wie gezeigt – belegt und zum anderen geht es vorliegend um die Bestimmung der Reichweite der Schutzpflichten aus § 241 Abs. 2 BGB auf Basis der konkludenten Vertragsbeziehung aus Sicht objektiver Dritter. Der Senat bezieht dabei auch nicht etwa – wie die Beklagte zu 3) a.a.O. rügt – unzulässig erst ein späteres Verhalten für die Auslegung des vertraglichen Pflichtenprogramms heran, da es von Anfang an Kerngegenstand der Abreden und Grundlage der Memoirenarbeit war, dass sich der Erblasser dem Beklagten zu 1) als „Auftragsschreiber im Dienste der Macht“ (S. 39 f. des Buches) öffnen und ihm direkt oder mittelbar Zugang auch zu vertraulichen Unterlagen verschaffen würde. Zudem wurde die dauernde Arbeitsbeziehung – wie ausgeführt – fortlaufend an die Ausgestaltung der Zusammenarbeit, das „Einschieben“ des „Tagebuchs“ und die Ausweitung auf ein mehrbändiges Werk angepasst. Auch aus dem Entwurf eines vom Beklagten zu 1) im Namen des Erblassers verfassten Faxschreibens an die Birthler-Behörde (Anlage K 10, Bl. 421 AO I) ergibt sich nichts für den Beklagten zu 1) Günstigeres: Zwar ist prozessual mit dem erstmaligen Vorbringen des Beklagten zu 1) auf S. 18 f. der Klageerwiderung (Bl. 375 f. d.A.) im Zweifel als wahr zu unterstellen, dass er das Schreiben damals sprachlich deswegen so vorformuliert hat, weil er wegen der bei der Behörde bekannten Journalisteneigenschaft nur so Zugriff auf archivierte Telefonate erhalten würde. Denn das Bestreiten der Klägerin mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) auf S. 20 der Replik (Bl. 487d.A.) ist prozessual unzureichend, weil diese – wie gezeigt – die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände trägt, aus denen sich weitergehende Pflichten des Beklagten zu 1) aus § 241 Abs. 2 BGB ergeben sollen, so dass sie sich nicht nur nach § 138 Abs. 4 ZPO erklären kann (st. Rspr., vgl. etwa BGH v. 02.07.2009 - III ZR 333/08, NJW-RR 2009, 1666 Rn. 14). Indes kommt es auf dieses Schreiben und die diesbezügliche Motivation des Beklagten zu 1) schon deswegen nicht entscheidend an, weil der Erblasser diesen Entwurf unstreitig nie abgesandt hat und der Senat mit dem oben Gesagten beim Beklagten zu 1) ohnehin fehlendes Erklärungsbewusstein annehmen muss. Dass der Erblasser – der zu Lebzeiten die Offenlegung seiner Stasiunterlagen stets verhindert hat – hier zum Ausdruck bringen wollte, dass der Beklagte zu 1) ungebunden Einsichts- und Verwertungsrechte erlangen sollte, ist fernliegend. Dies behauptet der Beklagte zu 1) bezogen auf diese Unterlagen nicht einmal selbst.
273Unter Verweis auf das vom Senat im Urteil vom 29.05.2018 (15 U 65/17, BeckRS 2018, 10541 Rn. 120) Gesagte bot schließlich die Tatsache, dass der Erblasser die Tonbandaufnahmen bei bestimmten Anlässen während der „Memoirengespräche“ hat ausschalten/abschalten lassen, keinen Anlass für die Annahme einer ansonsten nicht gegebenen Loyalitätserwartung. Gleiches gilt mit Blick auf sog. „Sperrvermerke“, die ohnehin nur Handlungsanweisungen für die kommende Schreib-/Entwurfsarbeit im Rahmen der Memoiren des Erblassers und nur sonst erforderlich werdende Korrekturen in den Entwurfsfassungen oder Druckfahnen ersparen sollten. Sie sind kein Indiz für eine im Übrigen fehlende Vertraulichkeitserwartung i.S.d. § 241 Abs. 2 BGB.
274Schließlich streitet auch der auf S. 35 ff. der Klageerwiderung (Bl. 392 ff. d.A.) geschilderte - im Kern unstreitige - nicht vereinbarte und nicht angekündigte Auftritt des Erblassers auf der Geburtstagsfeier des Beklagten zu 1) in einem „politisch eher advers geprägten Festumfeld“ mit einer Lobrede auf den „Journalismus in der besten Form“ eher zu Lasten als zu Gunsten des Beklagten zu 1). Denn der Auftritt des Erblassers belegt allenfalls das durch die Memoirenarbeiten gewonnene starke Vertrauen des Erblassers dem Beklagten zu 1) gegenüber und gibt damit auch einen Anhaltspunkt für die Schwere des späteren Vertrauensbruchs, zumal die „Ghostwritereigenschaft“ auch bei diesem Besuch bewusst gerade nicht offengelegt worden ist – die übrigens auch im Interesse des Gastgebers.
275Soweit der Senat bereits im Vorverfahren ausgeführt hat, dass die seinerzeit vorgetragene Belastung des Beklagten zu 1) mit hohen Recherchekosten etc. nicht gegen die Annahme einer Pflichtenbindung sprach (Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, BeckRS 2018, 10541 Rn. 139), hat sich dieses Argument durch die oben bereits bei der Beweiswürdigung behandelte Tatsache des Vorhandenseins eines nicht abrechnungspflichtigen fünfstelligen Sachkostenbudgets nebst gesonderter Tragung der Übersetzungskosten für die russisch-sprachige Literatur erledigt.
276((5))
277Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass der Erblasser entweder selbst und/oder jedenfalls aus Sicht eines objektiven Dritter keinerlei Vertraulichkeit wegen der Inhalte der Memoirenarbeit und insbesondere der dabei erfolgten „Stoffsammlung“ gewollt hat, ergeben sich entgegen dem Beklagtenvortrag auch nicht daraus, dass der Erblasser nach dem Ausscheiden aus dem Amt des Bundeskanzlers und dem Lösen von den damit einhergehenden „Fesseln“ sich allgemein nach außen geöffnet, auch bei anderen Begebenheiten derb-heftige Bemerkungen über Dritte getätigt und dabei eine Veröffentlichung gewünscht oder in Kauf genommen habe. Dass es in Kantinengesprächen Ausfälle etwa gegen Herrn Thierse gegeben haben mag, die den Weg in die Tagespresse gefunden haben, trägt diesen Schluss schon im Ansatz nicht. Das Vorbringen des Beklagten zu 1) zu dem Interview betreffend die Dissertation des Zeugen CQ. (Anlage OC 10, AO II) ist unsubstantiiert und deswegen prozessual unerheblich. Denn der Vortrag, dass man schon nach der ersten Anfrage seitens Herrn CQ. nichts mehr vom Erblasser gehört habe, lässt sich offenkundig nicht mit den zu den Akten gereichten Unterlagen in Anlage K 26 in Einklang bringen, mit denen man selbst eine „Teilfreigabe“ einiger Äußerungen zu erreichen versucht hat. Selbst wenn man zu Gunsten des Beklagten zu 1) unterstellen mag, dass das Antwortschreiben vom 22.12.2004 (Anlage K 27) den Zeugen CQ. niemals erreicht hat, zeigen auch diese Unterlagen, dass der Erblasser sich - seinem ansonsten unstreitigen Prozedere in allen Interviews folgend - eine Freigabe vorbehalten hatte. Ohnehin geht es - enthalten die als solche unstreitigen Ausführungen des Erblasser gegenüber dem Zeugen CQ. auch einige wenige Verbalinjurien - bei diesem Einzelfall nicht um eine derart langfristige Zusammenarbeit und tiefgehende Öffnung des Erblassers wie im Fall des Beklagten zu 1), so dass auch selbst eine gewisse Offenheit gegenüber dem Zeugen CQ. für den Senat keine indizielle Bedeutung in der Frage hat, ob dem Erblasser mit Blick auf seine umfassende und – schon auch wegen der „Stasi-Unterlagen“ etc. viel weitergehende - Öffnung bei den Memoirenarbeiten nicht an einer Verschwiegenheit der Beteiligten gelegen gewesen sein soll.
278((6))
279Gegen die Annahme einer besonderen Vertrauensbindung als Anknüpfungspunkt für entsprechende Schutzpflichten aus § 241 Abs. 2 BGB streitet – entgegen dem Beklagtenvortrag – auch nicht, dass man in der Aufhebungsvereinbarung mit dem Verlag (Anlage OC 9, AO III) eine Verpflichtung des Beklagten zu 1) gegenüber dem Verlag vorgesehen hat, einem etwaigen Nachfolger 30 Stunden lang zu Hintergrundgesprächen zur Verfügung zu stehen. Soweit der Beklagte zu 1) aus dieser Pflicht ableiten will, dass man davon ausgegangen sei, dass er das Material aus der Zusammenarbeit behalten dürfe, um damit solche Gespräche vorzubereiten (und dann erst recht keine umfangreiche Vertraulichkeitsverpflichtung nach der Kündigung der Zusammenarbeit mehr bestehen könne), überzeugt das nicht: Vielmehr ist die Rechtslage nicht anders als beispielsweise bei einem Verwalterwechsel in einer WEG, bei dem ein ausgeschiedener Verwalter für Auskunfts- und Rechnungslegungsfragen zwar durchaus (beschränkte) Einsichtsrechte in die ansonsten unverzüglich (§ 121 BGB) dem neuen Verwalter herauszugebenden und im Grundsatz dort aufzubewahrenden Verwaltungsunterlagen erhalten kann (BGH v. 23.06.2016 – I ZB 5/16, NJW 2016, 3536 Rn. 30). Zur Erfüllung seiner dem Verlag gegenüber zugesagten „Nachsorge- und Übergabeverpflichtung“ an einen etwaigen neuen Memoiren-Mitarbeiter hätte man daher ohne weiteres dem Beklagten zu 1) nochmals beschränkten Zugriff auf Materialien geben können (und müssen). Keinesfalls folgt aus diesen Regelungen, dass der Beklagte zu 1) auch im Verhältnis zum Erblasser frei mit dem erlangten Material hätte umgehen dürfen.
280((7))
281Weitere Beweismittel zu diesen Fragen waren nicht angeboten. Das Vorbringen des Beklagten zu 1), wonach der - an den Absprachen der Parteien unstreitig nicht beteiligte - Zeuge RJ. als Lektor möglicherweise etwas zur Verwertbarkeit des Materials bekunden können soll (S. 23 des Schriftsatzes vom 4. Dezember 2018, Bl. 682 d.A.), war unsubstantiiert. Der Beklagte hat ein Übergehen eines Beweisantrages zur Reichweite der Vertrauenserwartungen des Erblassers bis zuletzt – auch trotz des offensichtlichen Schließens der Beweisaufnahme durch den Senat im Zuge der Erörterungen nach §§ 279 Abs. 3, 285 ZPO – auch nicht gerügt, so dass im Übrigen jedenfalls nach anerkannten Maßstäben (statt aller Zöller/Greger, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 399 Rn. 2 m.w.N.) § 399 ZPO eingreift. Ähnlich dem oben bereits Gesagten war schließlich auch keine förmliche Parteivernehmung des Beklagten zu 1) und/oder der Klägerin nach § 448 ZPO geboten, zumal davon auch hier keine weitergehenden Erkenntnisse zu erwarten waren.
(aa)
283Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht schließlich zur Überzeugung des Senats i.S.d. § 286 Abs. 1 ZPO fest, dass die Verschwiegenheitspflicht des Beklagten zu 1) nicht unabhängig vom Fortbestand des Vertrauens des Erblassers in den Beklagten zu 1) einerseits und dem endgültigen Abschluss des Memoirenprojekts andererseits mit dem Tod des Erblassers und/oder gar unabhängig davon allein durch Zeitablauf in Wegfall geraten sollte und/oder eine ausdrückliche Einwilligung des Erblassers zur freien Verwertung erteilt worden wäre. Jedes Berufen auf ein angebliches postmortales Veröffentlichungsrecht ist im vorliegenden Fall schon vertragsrechtlich gesehen unredlich, weil es um eine praemortale Publikation geht. Das mag aber – weil man wohl mit Blick auf den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch und die Wiederholungsgefahr auf die nunmehrige Rechtslage abstellen müsste – mit Blick auf das Beweisergebnis dahinstehen.
284((1))
285Wie bei der Beweiswürdigung zur informatorischen Anhörung des Beklagten zu 1) ausgeführt, waren dessen Angaben zur angeblichen freien Verwendungsbefugnis wenig überzeugend. Soweit sich der Beklagte zu 1) im Verfahren u.a. auf S. 22 ff. der Klageerwiderung (Bl. 379 ff. d.A.) auf den Zeugen Dr. R. bezogen hat, der als eine Art „Garant für Biografisches aus erster Hand“ auf Wunsch des Erblassers damals weiter an den Memoirenarbeiten teilgenommen habe und deshalb nach den Vorstellungen des Erblassers Informationen aus den Arbeiten als „Kopfwissen“ der Beteiligten bzw. auf Basis seiner Notizen frei habe verwerten können, hat der Zeuge dies - wie bereits ausgeführt - so weitgehend gerade nicht bestätigen können. Zwar mag es Überlegungen über ein langfristiges Buchprojekt des Zeugen gegeben haben. Diese waren aber mit dem oben Festgestellten gerade nicht unabhängig vom Abschluss der Memoiren und nicht unabhängig von einem fortbestehenden Vertrauensverhältnis zum Erblasser bzw. zu dessen Familie.
286Auch aus den glaubhaften Bekundungen des Zeugen K. A. ergibt sich nichts anderes: Ungeachtet der Tatsache, dass der Zeuge nur seine Einschätzung vom äußeren Gesamtgeschehen, von dem er damals nur Ausschnitte mitbekommen hat, zu Protokoll hat geben können, war er sicher, dass der Erblasser nicht die Absicht hatte, Inhalte der Tonbänder, auf denen der Erblasser teils „sein Innerstes nach außen gekehrt“ habe (Bl. 903 R d.A.) u.a. im Hinblick auf die „deftige Wortwahl“ vor oder auch nach seinem Tod ungefiltert veröffentlichen zu lassen (Bl. 904 R f. d.A.). Er hat betont, dass dem Erblasser – auch seiner sonstigen Arbeitsweise als Historiker gemäß –nicht „egal war, was nach dem Tod mit den Materialien passieren sollte“ und dass etwaige Historiker zwar Zugang erhalten können sollten, aber „pfleglich damit umgehen und Qualitätsstandards beachten“ müssten (Bl. 903 R, 905 R d.A.). Dem Erblasser sei immer wichtig gewesen, dass „alles immer im richtigen Gesamtzusammenhang gesehen“ werde und selbst bei für Historiker und Journalisten mit historischem Hintergrundwissen „offen zugänglichen“ Materialien stets alles „in einer ausgewogenen Form stattfinden“ solle (Bl. 905 d.A.). All dies bedeutet ersichtlich eine – wie auch immer gelagerte – Art von „Nachlasskontrolle“ und im Kern damit genau dasjenige, was die Klägerin als Alleinerbin des Erblassers für sich in Anspruch nimmt. Wenn man dann noch in Rechnung stellt, dass der Zeuge K. A. ansonsten in seinem Zeit-Interview eine Offenlegung der Stasi-Unterlagen seines Vaters, die dieser selbst zu Lebzeiten immer konsequent der Öffentlichkeit verschlossen hat und gegen deren Veröffentlichung sich auch die Klägerin einsetzt, postmortal als logische Folge nunmehr als vom Erblasser angeblich gewollt einstuft, erscheint dies in der Gesamtschau wenig überzeugend und mag den persönlichen Zwistigkeiten mit der Klägerin und dem Bedauern des Zeugen mit Blick auf das Fehlen klarer schriftlicher vertraglicher Regelungen geschuldet sein. Ungeachtet dessen bleibt auch bei diesen Bekundungen des Zeugen K. A. - die ohnehin nur seine äußere Sicht auf das Gesamtgeschehen darstellen, weil er mit dem Beklagten zu 1) keinen näheren Kontakt hatte – mit dem oben Gesagten klar, dass der Zeuge nur klare und beweisfeste schriftliche Vertraulichkeitsregelungen vermisst hat und daraus (sehr weitgehende) Schlüsse zu ziehen schien. Denn der Zeuge hat sonst klar und überzeugend betont, dass der Beklagte zu 1) Zugang zu Unterlagen erhalten hat, „wie es sonst keine andere Person hatte“ und dass der dem Beklagten zu 1) vertrauende Erblasser eine vorzeitige Beendigung der guten Zusammenarbeit „sicherlich nicht auf dem Radar“ gehabt habe. Zwar hat der Zeuge K. A. betont, dass sein Vater schon allein wegen des großen Altersunterschieds „sicher“ davon ausgegangen sein müsse, dass der Beklagte zu 1) ihn überleben und möglicherweise nach dem Tod des Erblassers noch ein Buch über diesen schreiben werde (Bl. 905 d.A.). Doch ungeachtet der Tatsache, dass der Beklagte zu 1) dem Erblasser gegenüber mit dem oben Festgestellten ausdrücklich beteuert hat, nach dem Abschluss der Memoiren gerade kein Buch mehr über den Erblasser schreiben zu wollen, war es auch aus Sicht des Zeugen K. A. so, dass der Erblasser durchweg darauf vertraut hat, dass der Beklagte zu 1) „das ordentlich behandeln und in der Gesamtsicht fair damit umgehen würde“ bzw. dass der Beklagte zu 1) das „schon ganz ordentlich machen (werde) und … das einzuordnen (wisse).“ Dass diese Annahmen allesamt auf der Grundlage des erfolgreichen gemeinsamen Abschlusses des Memoirenprojekts und des fortbestehenden Vertrauensverhältnisses fußten, steht für den Senat in der Gesamtschau außer Frage, dies u.a. mit Blick auf die Bekundungen des Zeugen Dr. R.. Zwar sah der Zeuge K. A. die Sachlage selbst kritisch, weil der Erblasser sich „selber etwas vorgemacht“ und die Gefahr verleugnet habe, dass das Material in ungewollter Form zur Veröffentlichung gelange (Bl. 905 d.A.); all dies bezog sich mit dem oben Gesagten aber nur auf das Fehlen einer klaren schriftlichen Vertraulichkeitsregelung
287((2))
288Soweit der Beklagte zu 1) sich im Prozess jedenfalls teilweise darauf berufen hat, dass der Erblasser „x-mal gesagt“ habe, dass der Beklagte zu 1) etwas oder gar alles veröffentlichen könne, wenn der Erblasser „tot“ sei (siehe das nicht ausreichend bestrittene Transkript der Pressekonferenz aus Oktober 2014 in Anlage K 8, Bl. 403 R AO I), ist – wie bereits ausgeführt – das Vorbringen wie schon im Vorverfahren (zum alternierenden Sachvortrag bereits Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, BeckRS 2018, 10541 Rn. 152) nicht überzeugend und aus der Tonbandfundstelle in Anlage K 54 keine rechtsverbindliche und vom Beklagten zu 1) auch angenommene Vereinbarung zu konstruieren. Dies kann aber - wie im Vorverfahren bereits ausgeführt (Senat a.a.O., Rn. 153) - dahinstehen: Dass an der Annahme eines Wegfalls einer etwaigen Einwilligung des Erblassers in die Verwendung von Materialien aus der Zusammenarbeit trotz der insofern bestehenden „einseitigen Handlungsmacht“ des Erblassers keine durchgreifenden Bedenken bestehen, hat auch der III. Zivilsenat (BGH v. 03.09.2020 – III ZR 136/18, BeckRS 2020, 23375 Rn. 38; v. 26.11.2020 – III ZR 136/18, BeckRS 2020, 36309 Rn. 12, 13) nicht in Abrede gestellt, weil ein etwaiges Nutzungsrecht des Beklagten zu 1) nicht unabhängig vom fortbestehenden Vertrauen des Erblassers hätte bestehen können. Insofern ist es - wie der Senat im Vorverfahren bereits ausgeführt hat, worauf Bezug genommen wird (Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, BeckRS 2018, 10541 Rn. 153) - jedenfalls zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage gekommen, der nach § 313 Abs. 3 S. 2 BGB zu einem Kündigungsrecht führen musste. Dieses ist über die Kündigung 2009 hinaus u.a. mit S. 64 des Schriftsatzes der Klägerin vom 10.03.2022 (Bl. 3288 d.A.) mit den Herausgabeverlangen für alle Materialien vor der Veröffentlichung ausgeübt worden, zumal der Erblasser vor der Publikation jeder Veröffentlichung nochmals explizit widersprochen und diese mittels einstweiligen Verfügungen zu verhindern versucht hat. Soweit der Beklagten zu 1) einwendet, dass der Erblasser ein etwaiges Einverständnis nicht einseitig habe aufheben können, trägt auch dies von Gesetzes wegen nicht (siehe schon BGH v. 26.11.2020 – III ZR 136/18, BeckRS 2020, 36309 Rn. 12 f., 14). Auch eine (vorrangige) anderweitige Anpassung der Rechtsbeziehung sui generis mit aus § 241 Abs. 2 BGB ableitbaren Verschwiegenheitsabreden (hier mit einem zu Gunsten des Beklagten zu 1) unterstellten zeitlichen Vorbehalt für eine Verwertung) war in dieser Situation verständigerweise nicht möglich oder dem Erblasser nicht zumutbar. Dies gilt auch mit Blick auf die gesetzlichen Wertungen aus § 627 BGB und die Vertrauensbindung der Parteien durch die gemeinsamen Arbeiten an den Memoiren des Erblassers sowie die verlagsvertraglichen Regelungen zur Projektfortführung durch einen möglichen Nachfolger. Denn insofern war ersichtlich ein etwaiges zeitlich gestrecktes Verwertungsrecht nach Sinn und Zweck der vertraglichen Abreden keinesfalls unabhängig von einem vorherigen Abschluss des Memoirenprojekts des Erblassers durch diesen oder die im Vertrag vorgesehene Person als dem eigentlichem Hauptzweck der gemeinsamen Arbeiten denkbar bzw. eine – bis heute nicht erfolgte - Abbruchentscheidung. Anderes trägt auch der Beklagte zu 1) nicht schlüssig vor. Er hat vielmehr bei seiner Anhörung sogar selbst bekundet, nach den Erwartungen des Erblassers allenfalls für die Zeit „nach der Ghostwriter-Tätigkeit“ wegen seiner einzigartigen Einblicke später eine „Deutungshoheit“ besitzen zu können (Bl. 4190 d.A.). Ähnlich hat der Beklagte zu 1) sich auch auf der Pressekonferenz bei Erscheinen der streitgegenständlichen Publikation (Anlage K 8, Bl. 410 AO I) geäußert („das war, wenn die Memoiren geschrieben sind“). Das Memoirenprojekt ist jedoch bis heute nicht abgeschlossen und auch nicht sonst „erledigt“, zumal die Klägerin unwiderlegt für sich reklamiert, jedenfalls nach Erhalt der vollständigen Audiokopien vom Beklagten zu 1) über § 667 BGB den oder die letzten Bände ggf. noch erstellen zu wollen. Gegen einen Wegfall der Geschäftsgrundlage streitet nicht, dass der Erblasser nach der Einschätzung des Zeugen K. A. (Bl. 905 d.A.) während der damals vertrauensvollen Zusammenarbeit eine vorzeitige Beendigung „nicht auf dem Radar“ hatte, denn – wie gezeigt – waren in den Verlagsverträgen als Grundlage bzw. „Dach“ der Rechtsbeziehung sui generis Regelungen für eine jederzeitige Beendigung der Zusammenarbeit mit dem Beklagten zu 1) vorgesehen, deren Umsetzung gerade die Vertragsbeziehung sui generis zu dienen bestimmt ist.
289Eine gegenüber § 313 BGB dogmatisch vorrangige ergänzende Vertragsauslegung (dazu für Vergütungsfragen bei vorzeitiger Kündigung eines Biografenvertrages in der „Gothic“-Szene OLG Naumburg v. 08.05.2008 – 2 U 9/08, juris), käme hier zu keinem anderen Ergebnis. Denn unter Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen der Parteien wäre eine freie Verwertungszusage nicht vor Abschluss des Memoirenprojekts des Erblassers denkbar und zudem auch danach nicht unabhängig von einem fortbestehenden Vertrauen des Erblassers bzw. der von ihm mit der Projektfortführung betrauten Personen.Damit kam es hier auch nicht mehr auf die vom Landgericht Köln im Urteil vom 12.12.2013 – 14 O 612/12 (Anlage K 3, Bl. 370 ff. AO I = juris Rn. 90 f.) bei der Frage nach dem Schicksal der Originaltonbänder zu Recht angesprochene Frage einer Formunwirksamkeit etwaiger Verwertungszusagen nach §§ 2301, 518 Abs. 2 BGB an.
290In Anwendung der Generalklauseln in § 313 BGB mit Blick auf die sog. mittelbare Drittwirkung der Grundrechte folgt nichts anderes etwa aus grundrechtlich geschützten Postionen des Beklagten zu 1) aus Art. 5 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG. Denn ein unterstelltes zeitlich gestrecktes „Verwertungsrecht“ war nach den konkludenten Abreden von Anfang an mit diesen Schranken „belastet“ und im Übrigen ist und bleibt es dem Beklagten zu 1) nicht verwehrt, wie jeder andere Journalist, Publizist und Historiker aus zugänglichen Quellen oder weiterer Recherchetätigkeit (etwa bei Zeitzeugen) über den Erblasser zu schreiben. Man verwehrt ihm nur - verfassungsrechtlich unbedenklich - die Verwertung des zusätzlichen Stoffs, den er nur durch die von Anfang an mit verlagsvertraglichen Vorgaben zur jederzeitigen Austauschbarkeit des Beklagten zu 1) belasteten Memoirenarbeiten allein aufgrund der vertraglichen Vertrauensbeziehung erhalten hat. Im Übrigen wird auf die nachstehenden Ausführungen zu (dd) verwiesen.
291((3))
292Das zu ((b)) Gesagte gilt auch für jedwede andere – zu Gunsten des Beklagten zu 1) hier unterstellte – Abrede zu einer Verwertung nach dem Tod oder gar unter Lebenden. Selbst wenn der Erblasser den Beklagten zu 1) am Grab seiner ersten Ehefrau als eine Art politischen Nachlassverwalter angesehen haben sollte, wäre auch insofern jede Basis mit der Beendigung der Zusammenarbeit entfallen. Das gilt auch für den Vortrag, der Erblasser habe den Beklagten zu 1) nach einer negativen ärztlichen Diagnose jedenfalls im Jahre 2005 einmal als den „Wahrer des politischen Vermächtnisses“ bezeichnet (S. 53 der Klageerwiderung = Bl. 410 d.A.). Diese Position war aber ohnehin spätestens durch die Neuregelung der Entscheidungsbefugnisse über das Schicksal des Memoirenprojekts und die Erbeinsetzung zu Gunsten der Klägerin überholt.
293(bb)
294Der fehlende Rechtsbindungswillen des Beklagten zu 1) zum Abschluss eines auftragsähnlichen Rechtsverhältnis sui generis bzw. der (erst recht) bestehende Irrtum über die Begründung und Reichweite der daraus über § 241 Abs. 2 BGB abzuleitenden Verschwiegenheitspflichten hat nicht zum Wegfall der Bindung geführt. Selbst wenn man dem Beklagten zu 1) Anfechtungsmöglichkeiten aus § 119 Abs. 1, 119 Abs. 2 oder §§ 119 ff. BGB analog (wegen fehlendem Erklärungsbewusstsein) hätte eröffnen wollen, ist eine solche Anfechtung nicht fristgerecht (§ 121 BGB) ausdrücklich oder auch konkludent erklärt worden. Mit den dazu in Bezug zu nehmenden Ausführungen des Senats im Vorverfahren (Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, BeckRS 2018, 10541 Rn. 142) setzt der Beklagte zu 1) sich nicht mehr auseinander.
295(cc)
296Mit dem vom Senat im Urt. v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, BeckRS 2018, 10541 Rn. 154 – 156 Gesagten hat die Verschwiegenheitspflicht des Beklagten zu 1) auch nicht durch die vertragsgerechte Beendigung der Zusammenarbeit durch die Kündigung vom 24.03.2009 ihr Ende gefunden, sondern gerade für diesen Fall – auch in Ansehung des noch ausstehenden Abschlusses der Memoirenarbeiten mit einem etwaigen Nachfolger – ihre Bedeutung behalten/gewonnen.
297Auch die allein das Verhältnis zum Verlag betreffende Aufhebungsvereinbarung aus Oktober 2009 (Anlage OC 9, AO III) hat keinerlei Auswirkungen auf das zwischen Erblasser und Beklagtem zu 1) bestehende Rechtsverhältnis sui genereris (Senat a.a.O., Rn. 157). Dass die „Generalquittung“ in der Aufhebungsvereinbarung zwischen dem Verlag und dem Beklagten zu 1) u.a. mit dem Vorbringen des Beklagten zu 1) auf S. 44 f./47 f. der Klageerwiderung (Bl. 401 f./404 f d.A.) auch das Rechtsverhältnis zwischen dem Erblasser und dem Beklagten zu 1) miterfasst haben soll, ist schon mit Blick auf die Relativität der Schuldverhältnisse fernliegend. Dass wegen des in der Aufhebungsvereinbarung behandelten „Teilmanuskripts“ und der Verpflichtung des Beklagten zu 1) zu einem „Übergabegespräch“ durch „ausführliche Hintergrundgespräche beratend und in vertraulicher Form in einem Zeitrahmen von max. 30 Stunden“ (Ziff. 2.) eher Argumente für als gegen die Annahme einer fortbestehenden Vertraulichkeitspflicht fließen, wurde oben bereits behandelt.
298(dd)
299Durch die vorstehende Bestimmung der Reichweite der Generalklausel in § 241 Abs. 2 BGB werden keine grundrechtlich geschützten Positionen des Beklagten zu 1) verletzt, insbesondere nicht die Presse- und Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG. Ob man die Ausführungen bei BGH v. 26.11.2020 – III ZR 136/18, BeckRS 2020, 36309 Rn. 15 mit Blick auf die sog. mittelbare Drittwirkung der Grundrechte, die richtigerweise eher auch bei der Anwendung und Auslegung des § 241 Abs. 2 BGB zu beachten sind, in Frage stellen kann, mag dahinstehen. Denn der Senat hat schon in den Vorverfahren in seinen Entscheidungen vom 29.05.2018 (etwa Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, BeckRS 2018, 10541 Rn. 161) daran angeknüpft, dass der Beklagte zu 1) aufgrund der im Verhältnis zum Erblasser begründeten Vertragsverbindung sui generis, aus der über § 241 Abs. 2 BGB auch eine Pflicht zur Verschwiegenheit abzuleiten ist, auf sein Recht zur freien Meinungsäußerung in zulässiger Weise „verzichtet“ hat, zumal eine vertragliche Verpflichtung eines „Ghostwriters“ für den Namensautor typischerweise sinnlos wäre, wenn dieser sich bei einem Zerwürfnis vor dem Projektabschluss durch Verweis auf Grundrechte jeder Bindung entziehen könnte (siehe auch den Hinweis des Senats vom 02.06.2022, S. 8 = Bl. 3589 d.A. und ähnlich wohl auch Obergfell/Fink, NJW 2021, 771 zu Ziff. 3). Der Senat verkennt nicht, dass die Annahme eines Grundrechtsverzichts bei einer ausdrücklichen oder konkludenten und konkret auf eine Geheimhaltung bezogenen vertraglichen Vereinbarung einfacher zu konstruieren wäre als in einem Fall wie hier, in dem sich die Pflichtenbindung erst aus der Annahme einer stillschweigenden ungeschriebenen Rechtsbeziehung in Auslegung des sich daraus ergebenden Pflichtenkanons ergibt. Indes ist zu berücksichtigen, dass die Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 2 GG unter dem Vorbehalt der allgemeinen Gesetze und damit auch des § 241 Abs. 2 BGB steht (siehe ähnlich zur nur mittelbaren Drittwirkung bei Anwendung u.a. des § 242 BGB in Arbeitsverhältnissen instruktiv Gamillscheg, EzA § 620 Nr. 154 für die Folgen des Eingehens von Verträgen unter bestimmten Vorgaben). Dass aus dem aus Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers in der sozialen Rolle und Funktion des Erklärungsempfängers bewussten Eingehen einer langjährigen Beziehung dem Erblasser gegenüber, dies in Anwendung der gesetzlichen Vorschriften des BGB, auch ungeschriebene Handlungspflichten entstehen können, mag hier wegen der Frage fehlenden Rechtsbindungswillens oder sonstiger Irrtümern bei der Willensbildung für den Beklagten zu 1) schwierig erscheinen, stellt mit dem oben zum potentiellen Erklärungsbewusstsein Ausgeführten aber nicht die Annahme einer entsprechenden Bindung nach allgemeinen Regeln des BGB AT in Frage. Dann können über § 241 Abs. 2 BGB daraus auch Verschwiegenheitspflichten abgeleitet werden ohne mit grundrechtlichen Positionen in Widerspruch zu geraten. Insofern ist der Fall des bewussten Eingehens einer „Ghostwriterstellung“ kaum anders als derjenige der Begründung eines Beamtenverhältnisses mit den dort nur aus flankierenden gesetzlichen Regeln fließenden Beschränkungen der Meinungsfreiheit im außerdienstlichen Bereich (dazu etwa Bodanowitz, in: Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht in der Praxis, 10. Auflage 2020, § 7 Rn. 22 – 27). Auch im Arbeitsrecht wird diskutiert, inwieweit Loyalitätspflichten des Arbeitnehmers (§ 241 Abs. 2 BGB) dessen Meinungsfreiheit beschränken (vgl etwa Hinrichs/Hörtz, NJW 2013, 648, 649 f.; Frieling, in: Boecken/Düwell/Diller/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2022, Art. 5 GG Rn. 21 ff. zu öffentlicher Kritik am Arbeitgeber); hier gilt im Kern nichts anderes.
300Die Grenzen eines aus einer vertraglichen Bindung somit fließenden Grundrechtsverzichts mögen verfassungsrechtlich dort zu ziehen sein, wo der vermeintlich Einwilligende die Tragweite seines Grundrechtsverzichts nicht mehr zu überblicken vermag (vgl. etwa zur Teilnahme an Trash-Talk-Shows nur Di Fabio, in: Dürig u.a., GG, Stand: 101. EL Mai 2023, Art 2 Abs. 1 D. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht Rn. 229 m.w.N.). Indes wird der Betroffene über §§ 119 ff. BGB (ggf. analog) in verfassungsrechtlich ausreichendem Rahmen in Privatrechtsbeziehungen vor einem Irrtum geschützt (enger ggf. gegenüber dem Staat Fischinger, JuS 2007, 808, 809 f. m.w.N.; Zwang, Täuschung, Drohung oder Erschleichung nehmen dort der Einwilligung den Charakter der Freiwilligkeit; siehe auch QP., in: QP./Becker, GG, 4. Aufl. 2024, Einl. Rn. 190 m.w.N.). Dass der Beklagte zu 1) die Anfechtungsmöglichkeiten versäumt haben mag, ändert in der verfassungsrechtlichen Bewertung dann nichts. Ansonsten waren dem Beklagten zu 1) die Folgen seines bewussten Rollentauschs zumindest erkennbar, so dass sog. potentielles Erklärungsbewusstsein vorlag.
301Soweit vertreten wird, dass ein Grundrechtsverzicht zwingend widerruflich sein muss, überzeugt dies den Senat - jedenfalls unter Privaten - nicht (so wohl auch BeckOK-GG/Hillgruber, Ed. 56, Art. 1 Rn. 74; ders. JÖR 54 (2006), 57, 73), zumal das gerade bei Vertraulichkeitsregelungen dem Schutz berechtigter Interessen zuwiderlaufen würden. Auch hier kann unter dem Dach der Verlagsverträge mit der jederzeitigen Austauschbarkeit des Beklagten zu 1) nichts anderes gelten. Selbst wenn man ansonsten - was aber erneut eher das Verhältnis zum Staat meint - einen Verzicht auf die Meinungs-, Presse-, oder Wissenschaftsfreiheit, welche politische oder gesellschaftliche Mitwirkung verbürgen, nur unter strengen Voraussetzungen anerkennen will (QP., in: QP./Becker, GG, 4. Aufl. 2024, Einl. Rn. 191), trägt das hier keine andere Sichtweise, weil dem Beklagten zu 1) eine „normale“ journalistisch-publizistische Tätigkeit gerade nicht untersagt wird, sondern allein die Nutzung von „Sonderwissen“ aus der bewusst eingegangenen Vertragsbeziehung zum Erblasser. Verfassungsrechtlich ist das unbedenklich.
302Soweit der Beklagte zu 1) trotz seiner Anwesenheit in der damaligen mündlichen Verhandlung vor dem Senat und den (dort von ihm ansonsten auch genutzten) Möglichkeiten des § 137 Abs. 4 ZPO (dazu BVerfG v. 27.02.2008 – 1 BvR 2588/06, NJW 2008, 2170) und trotz der Rüge der Auswertung des Buchinhalts im Berufungsrechtszug (Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, BeckRS 2018, 10541 Rn. 66) im Vorverfahren eine Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt hat, hatte diese Rüge keinen Erfolg (BGH v. 26.11.2020 – III ZR 136/18, BeckRS 2020, 36309 Rn. 11) und hat sich hier jedenfalls durch den Hinweis auf die Verwertung und die ausführliche Anhörung des Beklagten zu 1) überholt.
(aa)
304Aus der Annahme einer solchen Pflichtenbindung i.S.d. § 241 Abs. 2 BGB ergeben sich über § 280 Abs. 1 BGB die austenorierten Unterlassungsansprüche. Soweit der Beklagte zu 1) darauf verweist, dass Nebenpflichten - im Gegensatz zu den Leistungspflichten aus § 241 Abs. 1 BGB - in der Regel nicht einklagbar seien und potentielle Rechtsfolge der Verletzung allenfalls ein Ersatzanspruch sein könne (allg. etwa MüKo-BGB/Bachmann, 9. Aufl. 2022, § 241 Rn. 74 ff., 77 ff.; BeckOK-BGB/Sutschet, Ed. 68, § 241 Rn. 106), greift das nicht durch. Zum einen ist die Frage, ob man eine Nebenpflicht „in natura“ durchsetzen kann oder ob dem zu Schützenden ausschließlich ein Schadensersatzanspruch für den Fall der Zuwiderhandlung zusteht, entgegen dem Beklagten zu 1) nicht so pauschal zu beantworten und im Zweifel - selbst unabhängig von einem besonderen Schutzbedürfnis - zu bejahen (vgl. etwa nur Kähler, NJW 2020, 113 (114 f.); Herresthal, Gedächtnisschrift Unberath, 2015, 179 (210); MüKo-BGB/Bachmann, a.a.O., Rn. 80 ff. m.w.N.): Während man früher bei leistungssichernden Nebenpflichten bisweilen zurückhaltend war und nur bei ausdrücklichen Abreden zu einem Unterlassungsanspruch gelangte (vgl. zu einem Fall einer Ausschließlichkeitsbindung OLG Frankfurt v. 26.06.1984 – 8 U 15/84, JZ 1985, 337; für einen abtrünnigen Handlungsgehilfen RG v. 24.01.1910 – I 188/08, RGZ 72, 393 ff. bzw. für Preisbindungen RG v. 22.05.1931 – II 402/30, RGZ 133, 51, 62), gilt dies heute zu Recht als überwunden. Schon im Bereich leistungsbezogener Nebenpflichten zieht man aus den wenigen ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmungen (§§ 541, 618 BGB usw.) keineswegs einen Umkehrschluss, dass es in anderen Fällen auf explizite vertragliche Abreden ankommen müsse. Genauso wie es einem im Deliktsverkehr Gefährdeten nicht zuzumuten ist, tatenlos eine (deliktische) Rechtsverletzung abzuwarten, kann auch in solchen Fällen von einem Gläubiger nicht erwartet werden, dass er sehenden Auges die Vereitelung eines Leistungserfolgs durch Nebenpflichtverletzung hinnimmt. Der gleiche Grundgedanke gilt für Schutzpflichten i.S.d. § 241 Abs. 2 BGB, die bestimmte Rechtsgüter (hier: die Vertraulichkeitssphäre als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Erblassers zu Lebzeiten) in einer vertraglichen Nähebeziehung vor einer Beeinträchtigung zu schützen haben. Auch hier soll grundsätzlich aus den Schutzpflichten ein klagbarer Erfüllungs- und eben auch Unterlassungsanspruch des Gläubigers ableitbar sein, wenn durch eine erfolgte, andauernde oder bevorstehende Einwirkung des Schutzverpflichteten sonst eine unmittelbare Gefahr für ein Rechtsgut des Inhabers oder eines einbezogenen Dritten besteht (MüKo-BGB/Bachmann, a.a.O., Rn. 181 f. m.w.N.). Doch selbst wenn man mit strengeren Stimmen aus dem Schrifttum zusätzlich ein besonderes „schutzwürdiges Interesse“ verlangen würde (vgl. für leistungsbezogene Nebenpflichten etwa BeckOK-BGB/Sutschet, a.a.O., Rn. 43; siehe ferner etwa Grigoleit, Festschrift Canaris, 2007, 275 (277 f., 289 ff.); Stürner, JZ 1976, 384 (385 f.)) läge hier ein solcher Fall vor: Denn die Verschwiegenheitspflichten des „Ghostwriters“ sind inhaltlich hinreichend klar bestimmt, ein effektiver Schutz der Interessen des Erblassers könnte auf andere Weise kaum gesichert werden und es drohten zu Lebzeiten des Erblasser auch - wie die Publikation zeigt - Rechtsgutverletzungen mit Blick auf die Vertraulichkeitssphäre als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (allg. zu den Grenzen der Klagebarkeit auch Köhler, AcP 190 [1990] 496, 509 ff.; Staudinger/Olzen, BGB, 2019, § 241 Rn. 557). Für eine derart weite Sichtweise streitet zudem, dass man sich in Rechtsprechung und Literatur ansonsten einig ist, dass die Verletzung von Nebenpflichten über § 280 Abs. 1 BGB ohne weiteres zu einem Ersatzanspruch führen kann. Insofern entsprach es schon zu Zeiten der alten Rechtslage, insbesondere bei einer positiven Forderungsverletzung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass neben einem Schadensersatzanspruch auch (ungeschriebene) Unterlassungsansprüche bestehen (BGH v. 12.01.1995 - III ZR 136/93, NJW 1995, 1284), nichts anderes gilt heute für die gesetzliche Kodifikation der positiven Forderungsverletzung in § 280 Abs. 1 BGB jedenfalls bei einem tatsächlich bestehenden Schuldverhältnis. Ausgeschlossen sind hier nur rein vorbeugende Unterlassungsansprüche ohne jedes Vertragsverhältnis (vgl. etwa auch BGH v. 11.09.2008 - I ZR 74/06, NJW 2009, 1504 Rn. 17; v. 05. 06.2012 − X ZR 161/11, NZBau 2012, 652 Rn. 14 ff.). Das muss ungeachtet aller Streitfragen im Detail jedenfalls auch in der hier vorliegenden Konstellation gelten, in der der Beklagte zu 1) bereits einmal die Pflichten aus dem fortbestehenden Schuldverhältnis verletzt hat und die Verletzung (hier schon über den Vertrieb des e-Books und möglicherweise auch über eine Neuauflage) zumindest teilweise noch andauert; jedenfalls dann ist vom Bestehen eines aus § 280 Abs. 1 BGB folgenden Unterlassungsanspruchs auszugehen (BGH v. 29.07.2021 – III ZR 179/20, NJW 2021, 3179 Rn. 102; ebenso etwa Jauernig/Stadler, BGB, 19. Aufl. 2023, § 280 Rn. 21; für – deckungsgleichen - quasinegatorischen Unterlassungsanspruch aus § 242 BGB BeckOGK-BGB/Kähler, Stand: 01.12.2023, § 242 Rn. 557). Auch hier vermag der Senat nicht zu erkennen, dass und warum sich die Ausgangslage durch den zwischenzeitlichen Tod des Erblassers geändert haben sollte, zumal die Verlagsverträge der Klägerin die Entscheidungsbefugnis über eine etwaige künftige Vollendung des Memoirenprojekts offenhalten.
305(bb)
306(1)
307Die Verschwiegenheitspflicht, die dem Beklagten zu 1) mit dem Vorgenannten als Nebenpflicht aus der vertraglichen Rechtsbeziehung sui generis mit dem Erblasser obliegt, ist mit den Ausführungen des Senats im Urteil vom 29.05.2018 (15 U 65/17, BeckRS 2018, 10541 Rn, 143 – 148) zwar umfassend zu verstehen und zu Recht vom Landgericht auf S. 217 f. des angefochtenen Urteils so auch verstanden worden. Die Verschwiegenheit bezieht sich nicht nur auf die Wiedergabe etwaiger Äußerungen des Erblassers in Form einer wörtlichen oder sinngemäßen Wiedergabe von Zitaten, sondern im Grundsatz auf alle anderen Informationen und Umstände aus der gesamten Memoirenarbeit und auf alle hieran anknüpfenden Wertungen des Beklagten zu 1), welche wiederum inhaltlich einen Rückschluss auf Äußerungen des Erblassers und/oder sonstige Vorkommnisse während der Memoirenarbeiten zulassen, dies übrigens auch ungeachtet des Streits um eine Falschwiedergabe von Zitaten und Informationen im Buch (Senat, a.a.O. Rn. 148). Die Verletzung der vertraglichen Verschwiegenheitspflicht kann zum einen also in einer Wiedergabe von Äußerungen in der identischen Verkörperungsform (wie bei wörtlichen Zitaten) liegen, zum anderen aber auch in der Wiedergabe des wesentlichen Informationsgehalts (Informationskerns) in anderer Äußerungsform. Erfasst werden zudem sonstige Begleitumstände, unter denen im Zuge der Memoirenarbeiten Informationen vom Beklagten zu 1) erlangt wurden (wie etwa Emotionen, Mimik, Gestik oder sonstige Verhaltensweisen des Erblassers), des Weiteren alle sonstigen vom Beklagten zu 1) erlangten Informationen (z.B. auch nicht öffentlich zugänglichen Unterlagen) sowie zuletzt auch alle Wertungen, welche der Beklagte zu 1) im Rahmen der streitgegenständlichen Publikation allein durch die ihm eröffneten Informationen sowie die Verhaltensweisen des Erblassers während der Memoirenarbeiten treffen konnte. Denn es geht – wie der Senat a.a.O. bereits ausgeführt hat – gerade nicht um Fragen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung des Erblassers zu Lebzeiten in Abwägung widerstreitender Interessen, sondern allein und ausschließlich darum, dass der Beklagte zu 1) aufgrund seiner vertraglichen Bindungen im Ausgangspunkt als „Ghostwriter“ schlichtweg keinerlei Inhalte aus den vertraulichen „Memoirengesprächen“ mit dem Erblasser und den gemeinsamen Arbeiten an dem Memoirenprojekt inklusive des „Tagebuchs“ veröffentlichen durfte. Diese Pflichtenbindung ist im Ausgangspunkt weit zu verstehen: Werden etwa in den „Memoirengesprächen“ gewonnene Informationen zum Gegenstand von Werturteilen des Beklagten zu 1) gemacht und liegt darin gleichzeitig eine mittelbare Bekanntmachung auch des Gesprächsinhalts oder sonstiger Umstände, ist auch dies nach den vertraglichen Bindungen des Beklagten zu 1) unzulässig, wie der Senat a.a.O. Rn. 146 u.a. am Beispiel des Satzteils „Kurz: Helmut A. verlangte mehr. Er kannte die gängigen Sätze“ (Buch, S. 61) aus der damals dem Beklagten zu 1) untersagten Passage Nr. 9 des Vorverfahrens beispielhaft erläutert hat. Denn dies ist jeweils keine eigenständige – d.h. vom Inhalt der Memoirenarbeiten unabhängige – subjektive Wertung des Beklagten zu 1) über den Erblasser als Person der Zeitgeschichte, sondern eine mittelbare Wiedergabe von Inhalten der Memoirenarbeiten, hier speziell der zum Ausdruck gebrachten Einstellung des Erblassers, der zum damaligen Zeitpunkt eine Spende in Höhe von 50.000 DM wegen der von ihm im Vergleich zu anderen Parteispenden als deutlich zu gering betrachteten Höhe zurückgewiesen hatte. Im Kern geht es also um solche Textstellen, bei denen die jeweiligen Wertungen des Beklagten zu 1) derart eng mit Äußerungen des Erblassers und/oder dem Beklagten zu 1) bei den Memoirenarbeiten zur Kenntnis gebrachten anderen Informationen verbunden sind, dass eine Trennung der Wertung von der mittelbaren Informationsweitergabe gekünstelt wäre.
308Schließlich ist aus Sicht des Senats weiterer Ausfluss der Schutzpflichten aus §§ 241 Abs. 2, 242 BGB, dass (erst recht) keine unwahren Tatsachenbehauptungen über die Memoirenarbeiten verbreitet werden dürfen; praktische Auswirkungen wird dies neben den zuvor genannten und ohnehin schon recht dicht gestrickten Fallgruppen in der Regel kaum haben. Deutlich gemacht werden muss nur, dass bei Verbreitung von Unwahrheiten regelmäßig kein Bedarf sein wird, noch auf etwaige (konkurrierende) Ansprüche wegen der Verletzung des postmortalen Geltungsanspruchs zurückzugreifen, weil sich auch insoweit ein Unterlassungsanspruch schon direkt aus den vertraglichen Schutzpflichten ergibt, ohne dass zusätzlich noch eine (deliktische) Verletzung des postmortalen Geltungsanspruchs nach Qualität oder Quantität der Falschbehauptungen festzustellen wäre. Das vorstehend zu unwahren Tatsachenbehauptungen Gesagte gilt bei Anwendung der §§ 241 Abs. 2, 242 BGB auch mit Blick auf inhaltsvermittelnde Bewertungen: Kann bei Meinungsäußerungen zu Lebzeiten in Anwendung der deliktischen Grundsätze des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bei der Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen der Wahrheitsgehalt der tatsächlichen Bestandteile maßgeblich ins Gewicht fallen (st. Rspr., vgl. etwa BGH v. 01.03.2016 – VI ZR 34/15, GRUR 2016, 855 Rn. 36; v. 09.08.2022 – VI ZR 1244/20, GRUR-RS 2022, 21876 Rn. 28), ist zwar rechtlich derzeit offen, ob man auch postmortal bei der Prüfung eines Eingriffs in das postmortale Persönlichkeitsrecht auf Tatbestandsebene ebenfalls auf eine potentielle tatsächliche „Unrichtigkeit“ der „Bewertungsgrundlagen“ abstellen kann und somit eine Meinungsäußerung auch postmortal deliktsrechtlich deswegen untersagt werden kann, weil sie auf unrichtigen tatsächlichen Elementen gründet (siehe dazu bereits Senat v. 22.06.2023 – 15 U 135/22, n.v. u.a. zu Passage (1-IV)). Ungeachtet dessen geht der Senat in einer – wie hier – laufenden rechtsgeschäftlichen Beziehung aber von einem im Zweifel weitreichenden Schutz des Vertragspartners aus, so dass auf unwahren Tatsachenmitteilungen fußende Bewertungen des Beklagten zu 1) vom vertraglichen Verbotsumfang über §§ 241 Abs. 2, 242 BGB erfasst werden, wenn sie nicht – was aber der Regelfall sein wird – ohnehin schon wegen der faktischen Vermittlung von (angeblichen) Inhalten der Memoirenarbeit bereits per se als unzulässig anzusehen sind.
309(2)
310Das Landgericht hat in einem weiteren Schritt dann allerdings im Ergebnis zu Recht alle in der konkreten Form (jedenfalls bereits vor der streitgegenständlichen Buchpublikation) öffentlich vorbekannten Tatsachen von der vertraglichen Verschwiegenheitspflicht ausgenommen (dazu auch schon Senat, a.a.O. Rn. 147). Es hat die vertragliche Verschwiegenheitspflicht mit Blick auf § 242 BGB zudem noch dahingehend eingeschränkt, dass jedenfalls in dem für die Wiederholungsgefahr maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung auch solche Umstände vom Verbot auszuklammern sind, mit denen der Beklagte zu 1) nur „detailarm“ allein den äußeren Rahmen der „Memoirengespräche“, die damit typischerweise verbundenen Kerntatsachen sowie die Rechtsstreitigkeiten der Parteien (zutreffend) beschreibt, weil solche (gemeint: wahren) „Rahmentatsachen“ ohnehin mittlerweile der breiten Öffentlichkeit als historische Tatsache bekannt geworden sind und dem auch in der Öffentlichkeit stehenden Beklagten zu 1) nicht die Möglichkeit genommen werden darf, den zwischen den Parteien schwelenden Rechtsstreit und seine dort vertretene Position öffentlich darzustellen, sofern er dabei nur keine dafür nicht gebotenen „Details“ aus der Memoirenarbeit offenlegt.
311Soweit die Klägerin gegen die vom Landgericht insofern gebildete „Kategorie (e)“ einwendet, dass man den Beklagten zu 1) als Rechtsbrecher nicht durch eine einschränkende Auslegung des vertraglichen Verbotsumfangs „belohnen“ dürfe, mag das Argument nicht von der Hand zu weisen sein, will man etwaige Verschwiegenheitspflichten nicht vorschnell leerlaufen lassen. Auch soweit der Senat im Verfahrensverlauf die Frage einer sog. Selbstöffnung der Klägerin angesprochen hat, die in ihrem Interview im Magazin „QP.“ (Anlage B (3) 11, Bl. 57 ff. AH) selbst über die äußeren Umstände und die laufenden gerichtlichen Verfahren gesprochen hat (vgl. Hinweisbeschluss vom 09.12.2021, Bl. 3199 d.A.), ist abstrakt ebenfalls zutreffend, dass eine durch Preisgabe nicht in die Öffentlichkeit gehörender Lebenssachverhalte bewirkte Persönlichkeitsrechtsverletzung regelmäßig nicht allein dadurch entfällt, dass sich der Verletzte unter dem Druck der Presse nunmehr (nur) zu den offenbarten Umständen äußert (so etwa BGH v. 15.09.2015 – VI ZR 175/14, NJW 2016, 789, Rn. 27; siehe zudem – auch zu den Grenzen - LG Frankfurt a. RY. v. 10.10.2019 – 2/3 O 500/18, BeckRS 2019, 27254, Rn. 37 ff.).
312Indes geht es richtigerweise um einen nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu bestimmenden Umfang der fortbestehenden Schutzwürdigkeit der Klägerin bzw. des Erblassers und damit auch um die Bestimmung/Festlegung der Reichweite eines fortbestehenden vertraglichen Unterlassungsanspruchs, wie es das Landgericht herausgearbeitet hat. Ist etwa bei Privatsphärefragen anerkannt, dass ein Unterlassungsanspruch für die Zukunft entfallen kann, wenn Einlassungen eines Angeklagten zu Sexualpraktiken in einer nicht öffentlichen richterlichen Vernehmung in einer öffentlichen Hauptverhandlung verlesen und so einer größeren Öffentlichkeit bekannt geworden sind (BGH v. 19.03.2013 – VI ZR 93/12, NJW 2013, 1681 Rn. 33), kann dies über § 242 BGB bzw. das gleichermaßen entfallende Schutzbedürfnis auf den vorliegenden Sachverhalt zumindest insoweit übertragen werden, als es um die „detailarme“ Darstellung der Sichtweise der Parteien auf die in breiter Öffentlichkeit bekannt gewordene Arbeit an den Memoiren des Erblassers und damit um Sachverhaltsangaben geht, die ohnehin schon den in den öffentlichen zivilgerichtlichen Verhandlungsterminen und den - nicht anonymisiert veröffentlichten - Entscheidungen des Bundesgerichtshofes und des Bundesverfassungsgerichts in den Vorverfahren als tatsächlicher „Kern“ der Auseinandersetzung zu entnehmen sind. Würde man dem Beklagten zu 1) auch insoweit ein fortbestehendes vertragliches Schweigegebot auferlegen, erschiene das mit Blick auf das Gebot von Treu und Glauben - mag der Beklagte zu 1) als pflichtwidrig Handelnder sich darauf auch nur eingeschränkt berufen können – überzogen, soweit nur detailarm wahre Tatsachen behauptet und/oder subjektive Bewertungen vermittelt werden. Dem Beklagten zu 1) als Person von zumindest gewissem öffentlichen Interesse muss es im Grundsatz trotz seiner vertraglichen Bindung möglich sein, ohne Aufdeckung von Details aus der Memoirenarbeit seine Sicht auf die in der Öffentlichkeit stehenden Verfahren kundzutun. Dies ist zwar in der Regel eine Frage der Meinungsäußerungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG (vgl. auch BVerfG v. 10.03.2016 - 1 BvR 2844/13, BeckRS 2016, 45299 Rn. 27 ff.), auf die der Beklagte zu 1) sich ob seiner vertraglichen Bindungen im Verhältnis zum Erblasser nicht mehr berufen kann. Andererseits ist dies aber auch eine Frage der interessengerechten Bestimmung der Schutzpflichten aufgrund einer Auslegung der Parteivereinbarung aus §§ 241 Abs. 2, 242 BGB, insbesondere nach der eigenen Interviewäußerung der Klägerin zum Thema. Die so begründete, geringfügige inhaltliche Einschränkung des vertraglichen Unterlassungsanspruchs ist im Zweifel aber restriktiv zu handhaben. So sind nicht automatisch alle in den veröffentlichten gerichtlichen Entscheidungen ohne Anonymisierung wiedergegebenen Zitate des Erblassers und/oder weiteren Informationen von dem vertraglichen Unterlassungsanspruch auszunehmen, sondern es geht - mit dem Landgericht – allein um die detailarme Wiedergabe (wahrer) Kerntatsachen aus der Zusammenarbeit und der gerichtlichen Auseinandersetzung, der damit verbundenen, keine Inhalte der Memoirenarbeiten vermittelnden Wertungen und damit um die auch über die gerichtlichen Entscheidungen der breiten Öffentlichkeit bekannt gewordenen „Eckpunkte“ der Zusammenarbeit und die Grundlagen des der breiten Öffentlichkeit bekannt gewordenen Streits als eine historische (und nunmehr vorbekannte) Tatsache.
313Soweit Teile des streitgegenständlichen Buches vom zwischenzeitlich verstorbenen Beklagten zu 2) verfasst sind und im Inhaltsverzeichnis S. 7 f. Angaben zu den Autoren der Kapitel gemacht werden, steht das der Annahme eines umfassenden Unterlassungsanspruchs gegen den Beklagten zu 1) auch im Hinblick auf die „formal“ vom Beklagten zu 2) verfassten Teile nicht entgegen. Denn der Beklagte zu 1) zeichnet zum einen als Mitautor und „Hauptakteur“ in Form des „treulosen Ghostwriters“ für das (gesamte) Buch verantwortlich (siehe auch das Vorwort beider Autoren, S. 9 ff.) und war zum anderen – wie die zuletzt vorgelegten Rechnungen des Beklagten zu 2) an ihn persönlich zeigen – auch die treibende Kraft hinter der gesamten Veröffentlichung.
314(3)
315Anderweitige Schranken der vertraglichen Verschwiegenheitspflicht ergeben sich mit den Ausführungen des Senats im Urt. v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, BeckRS 2018, 10541 Rn. 160 f. im Übrigen nicht aus der Offenlegung gravierender Missstände und/oder Art. 5 Abs. 1 GG. Zu letzterem wurde bereits oben bei der Begründung der rechtsgeschäftlichen Pflichtenbindung Stellung genommen, zu ersterem fehlt jeder belastbare Vortrag des Beklagten zu 1). Es ist auch aus dem unstreitigen Sachvorbringen kein weitergehendes Aufklärungsinteresse i.S.d. vom Senat a.a.O., Rn. 160 Gesagten erkennbar.
316(cc)
317Bei Anwendung dieser Prämissen bedarf es mangels Relevanz für das Ergebnis keiner Entscheidung des Senats, ob das Landgericht mit den schriftsätzlich in Bezug genommenen Ausführungen der Klägerin in Anlage K 33 (Bl. 1389 ff. d.A.) einzelne Passagen/Zitatteile in eine falsche „Kategorie“ eingeordnet und/oder „doppelt“ verboten hat. Maßgeblich ist allein, ob die angefochtenen Passagen aus dem Klageantrag im Ergebnis unter den vorstehend umrissenen Verbotstatbestand zu fassen sind. In Ansehung dessen sind über das angefochtene Urteil hinaus - dies mit der Berufung der Klägerin - einzelne Passagen zusätzlich zu verbieten und andere - mit der Berufung des Beklagten zu 1), mag auch dieser sich zu den Detailfragen trotz des Hinweises des Senats im Kern ebenfalls nicht weiter erklärt haben – von Rechts wegen wieder vom Verbot auszunehmen. Dass insofern noch Prüfungen zur Anwendung des durch Auslegung ermittelten Verbotsumfangs auf die verschiedenen Passagen geboten sind, hat der Senat im Hinweisbeschluss vom 09.12.2021 (Bl. 3199 d.A.) mitgeteilt, ohne dass die Parteien sich dazu geäußert hätten.
318(1)
319Zusätzlich zu verbieten sind kraft vertraglicher Bindung zunächst die vom Landgericht übergangenen und im Buch eindeutig als Wortlautzitate des Erblassers gekennzeichneten vier – im Tenor unter I. 1. genannten - Passagen aus dem Berufungsantrag der Klägerin zu I. 2.. „Zitat wurde entfernt“
320(2)
321Zusätzliche Verbote mit Blick auf den Berufungsantrag der Klägerin zu Ziff. I. 1. betreffend die vom Landgericht in Kategorie (e) auf S. 274 ff. des angefochtenen Urteils eingeordneten Passagen sind nach den oben gemachten Ausführungen nur in geringem Umfang veranlasst: Soweit die Klägerin rügt, dass es auch bei diesen vom Verbot ausgenommenen Passagen nicht nur um „detailarme“ Mitteilungen aus der Arbeit an den Memoiren gehe, ist dies so pauschal nicht richtig. Mit dem oben zum Verbotsumfang Gesagten hat das Landgericht vielmehr zu Recht manche der von der Klägerin angegriffene Passagen über die von ihm dazu gebildete Kategorie (e) aus dem Unterlassungstenor ausgenommen. Insofern sind Abänderungen nur hinsichtlich einiger, nachstehend behandelter Passagen geboten. Im Übrigen ist die vom Landgericht vorgenommene Zuordnung beanstandungsfrei. Bei der Würdigung war dabei allerdings – was das Landgericht nicht gesondert geprüft hat – jeweils mit Blick auf §§ 241 Abs. 2, 242 BGB und das oben Gesagte stets auch der Wahrheitsgehalt etwaiger Tatsachenbehauptungen und/oder die Tatsachengrundlage der wertenden Passagen (ergänzend) in den Blick zu nehmen.
322((a))
323„Zitat wurde entfernt“
324((b))
325Die Berufung der Klägerin hat aber Erfolg, soweit das Landgericht unter Einordnung in die vom ihm gebildete Kategorie (e) auf S. 274 ff. der angegriffenen Entscheidung die nachfolgenden Passagen als vertragsrechtlich zulässig angesehen hat. Dies war entsprechend im Tenor zu korrigieren.
326„Zitat wurde entfernt“
327(3)
328Demgegenüber sind mit Blick auf die Berufung des Beklagten zu 1) auch trotz der insofern ebenfalls fehlenden Detailangriffe im Berufungsverfahren von Rechts wegen die nachstehenden Passagen von dem erstinstanzlichen Verbot auszunehmen, weil das inhaltlich beschränkte vertragliche Verschwiegenheitsgebot sie nicht umfasst: Bei den nachstehend behandelten Passagen, die das Landgericht auf S. 235 ff. des angefochtenen Urteils den dort von ihm gebildeten Kategorien (b) – (d) zugeordnet hat, geht es gleichsam jeweils nur um detailarme Mitteilungen zu dem öffentlich bekannten Verhältnis der Parteien und zu den rechtlichen Auseinandersetzungen bzw. um im Tatsächlichen substanzarme Wertungen, die – auch nicht mittelbar – konkret-greifbare (vertrauliche) Inhalte der „Memoirengespräche“ offen legen.
329„Zitat wurde entfernt“
330(dd)
331Bei der Tenorierung des Unterlassungsbegehrens war aus Klarstellungsgründen - es würde ohnehin im Zweifel um einen sog. kerngleichen Verstoß gehen - die in den Tenor aufzunehmende konkrete Verletzungsform in Anlehnung an BGH v. 29.11.2021 – VI ZR 248/18, juris mit der Formulierung "wenn dies geschieht wie im (auch Hör-)Buch 'VERMÄCHTNIS - DIE KOHL-PROTOKOLLE'" neu zu fassen, da der vom Landgericht aufgegriffene Klageantrag, in dem die Detailangaben (nur) zu dem gebundenen Buch ersichtlich nur beispielhaft gemeint waren, richtigerweise entsprechend auszulegen war. Dass auch das Hörbuch erfasst sein sollte, ließ sich auch aus den (auch) auf das Hörbuch bezogenen Auskunftsbegehren ablesen, mag dort auch die Bezeichnung im Antrag klarer erfolgt sein. Auch wenn es vorliegend um vertragliche Unterlassungsansprüche gegen den Beklagten zu 1) und nicht (nur) um solche wegen der Verletzung des Persönlichkeitsrechts bzw. des postmortalen Persönlichkeitsrechts geht, ist eine Beschränkung auf die konkrete Verletzungsform mit Blick auf § 308 Abs. 1 ZPO geboten. Denn die zweitinstanzliche Antragstellung der Klägerin hat - was für den Berufungsstreitwert von Bedeutung ist - die Ausführungen des Landgerichts auf S. 288 der angegriffenen Entscheidung damit stillschweigend aufgegriffen und den Antrag auf die konkrete Verletzungsform bezogen und beschränkt.
Weitergehende Unterlassungsansprüche der Klägerin gegen den Beklagten zu 1) bestehen daneben nicht.
Insbesondere sind wegen der dem Beklagten zu 1) nicht bereits kraft Vertragsrecht verbotenen Passagen keine weitergehenden Unterlassungsanspüche aus § 1004 Abs. 1 BGB (analog) i.V.m. dem postmortalen Persönlichkeitsrecht des Erblassers zu begründen.
Richtig ist im Ausgangspunkt, dass umfassende Abwehransprüche eines Verstorbenen unter dem Aspekt einer „groben Entstellung“ des durch die Lebensstellung erworbenen sittlich, personalen und sozialen Geltungsanspruchs (st. Rspr., dazu etwa BVerfG v. 24.10.2022 – 1 BvR 19/22, juris Rn. 30, 31, 32; BGH v. 29.11.2021 – VI ZR 248/18, GRUR-RS 2021, 39313 Rn. 20 m.w.N.) und/oder unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Achtungsanspruchs (Schutz vor Herabwürdigung und Erniedrigung), der dem Menschen kraft seines Personseins wegen Verletzung der unantastbaren Menschenwürde auch postmortal zusteht (st. Rspr., dazu etwa BVerfG v. 24.10.2022 – 1 BvR 19/22, juris Rn. 30; BGH v. 29.11.2021 – VI ZR 248/18, GRUR-RS 2021, 39313 Rn. 20, 139 m.w.N.), bestehen können. Bisher wird zwar im Bereich künstlerischer Verfremdungen von identifizierbaren Personen diskutiert, dass im Fall einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung auch ein Gesamtverbot (z.B. eines Romans) zulässig sein kann. Es kann nicht Aufgabe der Gerichte sein, Streichungen oder Abänderungen vorzunehmen, um eine in einem Gesamt(kunst)werk liegende postmortale Persönlichkeitsrechtsverletzung auszuschließen, zumal es regelmäßig eine Vielzahl möglicher Varianten geben wird und z.B. Änderungen vom Künstler selbst vorgenommen werden können. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Charakter eines Romans oder Theaterstücks durch richterliche Eingriffe ansonsten oft eine erhebliche Veränderung erfahren würde (grundlegend BVerfG v. 13.06.2007 – 1 BvR 1783/05, NJW 2008, 39 Rn. 104 unter Verweis u.a. auf BGH v. 03.06.1975 – VI ZR 123/74, NJW 1975, 1882, 1884 f. zu Theaterstück; siehe zudem BGH v. 21.06.2005 – VI ZR 122/04, NJW 2005, 2844, 2848 und zu „Mephisto“ BGH v. 20.03.1968 – I ZR 44/66, NJW 1968, 1773, 1778; siehe ferner BVerfG v. 24.02.1971 – 1 BvR 435/68, NJW 1971, 1645). Ob dies auf ein (Sach-)Buch wie das vorliegende Werk übertragbar ist, kann dahinstehen. Zweifel bestehen insofern insbesondere deshalb, weil – wie das Vorverfahren zu 116 Buchpassagen und die auf die Verbotsverfahren angepasste eBook-Variante zeigen – etwaige Einzelverbote gegen bestimmte Fehlzitate im engeren oder weiteren Sinne, sonstige unwahre Tatsachenbehauptungen etc. technisch wie rechtlich ohne weiteres umsetzbar sind.
335Aspekte einer derart umfassenden Lebensbildverfälschung - über Einzelangriffe gegen bestimmte Textpassagen hinaus - hat der Senat in dem ersten Unterlassungsverfahren mit seinen Einzelangriffen gegen 116 Passagen des Buches der Beklagten zu 1) bis 3) zwar nur im Rahmen der Abwägung im Verhältnis zu den Beklagten zu 2) und 3) thematisiert (Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, BeckRS 2018, 10541 Rn. 213 ff.). Weiter hat er diesen Aspekt in dem gegen die Beklagten zu 1) bis 3) gerichteten Geldentschädigungsverfahren – dort unter dem Gesichtspunkt einer potentiellen Verletzung des „Menschenwürdekerns“ des Erblassers als einem Argument für eine Vererblichkeit des Entschädigungsanspruchs – geprüft. Der Senat hat sich dabei schon damals nicht auf die im Vorverfahren angegriffenen 116 Buchpassagen beschränkt, sondern das Gesamtwerk (und damit auch die hier streitgegenständlichen Passagen) in den Blick genommen. Darauf kann zur Meidung von unnötigen Wiederholungen auch mit Blick auf den Beklagten zu 1) Bezug genommen werden (Senat v. 29.05.2018 - 15 U 64/17, BeckRS 2018, 17910 Rn. 463 ff.). Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in dem Vorverfahren mit Blick auf die 116 Passagen des Buches im Verhältnis zur Beklagten zu 3) die Fallgruppen der Lebensbildverfälschung und der Verletzung des Achtungsanspruchs vertieft geprüft, war in seiner Bewertung teilweise strenger als der Senat und hat die Einschlägigkeit der oben genannten beiden Fallgruppen des postmortalen Persönlichkeitsrechts ausdrücklich verneint (BGH v. 29.11.2021 – VI ZR 248/18, GRUR-RS 2021, 39313 Rn. 132 – 138 einerseits und Rn. 139 andererseits). Ohne diese - hier unverändert und auch im Verhältnis zum Beklagten zu 1) fortgeltenden - Erwägungen wäre seinerzeit denklogisch die Bestätigung der berufungsgerichtlichen Teilklageabweisung hinsichtlich der Unterlassungsansprüche gegen die Beklagte zu 3) bzw. die weitergehende eigene Teilklageabweisung durch den Bundesgerichtshof unmöglich gewesen, weil eine grobe Lebensbildverfälschung des Erblassers bzw. Verletzung von dessen personalen Achtungsanspruch sonst schon die damals streitgegenständlichen Unterlassungsbegehren getragen hätte. An die Ausführungen des Bundesgerichtshofes anknüpfend hat zuletzt auch das Bundesverfassungsgericht im Nichtannahmebeschluss vom 24.10.2022 (1 BvR 19/22, juris Rn. 36) u.a. auf die in Richtung einer Entstellung des Lebensbilds abzielende Rüge der Klägerin, die Veröffentlichung des Buches ziele darauf ab, „die Memoiren des Erblassers zu überlagern und weiterzuschreiben“ (a.a.O. Rn. 21), betont, dass aus verfassungsgerichtlicher Sicht gegen die Ausführungen des Senats und des Bundesgerichtshofes, dass die für die Annahme eines Verstoßes gegen das postmortale Persönlichkeitsrecht notwendige Verletzung der Menschenwürde des Erblassers (noch) nicht gegeben sei, nichts zu erinnern sei, weil insbesondere die bloße Infragestellung des durch die Lebensstellung erworbenen Geltungsanspruchs nicht für einen postmortalen Unterlassungsanspruch ausreiche.
Soweit ungeachtet des Vorstehenden eine Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts insbesondere durch eine Wiedergabe von Fehlzitaten des Erblassers im engeren oder weiteren Sinne bzw. eine Verfälschung von Stimmungs- und Tonlage bei der Wiedergabe wörtlicher Äußerungen und/oder auch durch sonstige unwahre Tatsachenbehauptungen in Bezug auf den Erblasser erfolgen kann sowie – ohne dass es hier schon auf die Details und den genauen rechtlichen Prüfungsmaßstab ankommen würde (vgl. dazu bei der Beklagten zu 3)) – auch durch bestimmte, insbesondere den Erblasser im Sinne einer sog. Schmähkritik betreffende Meinungsäußerungen, spielt diese Fragestellung bei dem Beklagten zu 1) keine Rolle:
Im Verhältnis zu diesem ist gesetzt, dass die vom Landgericht für zulässig erachteten Passagen, hinsichtlich derer der Senat den Verbotsumfang nur in wenigen Einzelheiten abgeändert hat, im Wesentlichen nur vorbekannte und/oder unstreitige Tatsachen zu den äußeren Umständen der Memoirenarbeit und den zwischen den Parteien geführten rechtlichen Auseinandersetzungen betreffen, bei denen die Annahme einer groben Lebensbildverfälschung und/oder Verletzung des personalen Achtungsanspruchs des Erblassers schon im Ansatz fernliegt. Dazu fehlt im Verfahren – wie von den Beklagten zu Recht gerügt - auch jegliches konkrete Vorbringen der Klägerin.
338Gleiches gilt etwa für die – sei es auch verkürzte – (zutreffende) Wiedergabe von vorbekannten Inhalten aus dem „Tagebuch“ des Erblassers auf S. 32 ff. des Buches. Aus welchen Gründen dies den postmortalen Geltungsanspruch des Erblassers auch nur berühren sollte, erschließt sich nicht.
339Dass die kritischen Betrachtungen zur Klägerin und ihrer Rolle bei der Kündigung bzw. dem weiteren Umgang mit den nicht vollendeten Memoiren in den dem Beklagten zu 1) nicht vertragsrechtlich untersagten Passagen - aber auch darüber hinaus - das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers nicht verletzen, steht ebenfalls außer Frage; dies gilt auch für die von der Klägerin angeführten Passagen auf S. 50 f., 54-58 und 234 des Buches. Gleiches gilt für die allein auf die äußeren Umstände aufsetzende und diese (zulässig) bewertende Darstellung einer „Fremdbestimmung“ des Erblassers in den letzten Lebensjahren etwa auf S. 9, 51, 55 und 234 des Buches oder zu einem vermeintlichen „Eleminieren“ des Umfelds des Erblassers (S. 51 des Buches); all dies begegnet schon auf Basis des unstreitigen äußeren Rahmengeschehens keinen außerungsrechtlichen Bedenken.
340Soweit es ansonsten um die Darstellung des eigenen Rechtsstandpunkts des Beklagten zu 1) zu dem Memoirenprojekt und den sich daran anschließenden Rechtsstreitigkeiten geht, wie beispielsweise im Zuge der Bewertung seiner damaligen Mitarbeit als „Tiefeninterviews“ (S. 17 des Buches) und der Kritik am Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln im Herausgabeprozess als angebliches Auf-den-Kopf-Stellen der „Begleitumstände“ (S. 17 des Buches), geht dies nicht, jedenfalls nicht substanzreich, über eine Mitteilung einer abweichenden Rechtsauffassung des Beklagten zu 1) hinaus, was für die Frage der Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts des Erblassers von vornherein unerheblich ist (so schon BGH v. 29.11.2021 – VI ZR 248/18, GRUR-RS 2021, 39313 Rn. 138). Selbst wenn – was der Senat mangels klägerischen Sachvortrages zu angeblich falsch dargestellten Einzelheiten nicht feststellen kann – in den dem Beklagten zu 1) nicht bereits vertragsrechtlich untersagten Passagen bestimmte Teilaspekte der Zusammenarbeit des Beklagten zu 1) mit dem Erblasser im Tatsächlichen falsch oder verzerrt dargestellt worden sind, könnten solche Abweichungen im Detail im hiesigen Kontext der Darstellung des eigenen Rechtsstandpunkts in den streitigen Auseinandersetzungen für eine grobe Entstellung des Lebensbildes des Erblassers, wie sie für die Feststellung einer Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts des Erblassers aber wegen solcher Einzelpassagen erforderlich wäre, ebenfalls nicht genügen (siehe auch bereits BGH, a.a.O, Rn. 136 a.E.).
341Daher kommt es hier - und auch bei sonstigen Angaben im streitgegenständlichen Buch zu der vermeintlichen Arbeitsweise des Beklagten zu 1) – auch nicht entscheidend auf die im Zuge der Beweiswürdigung vorgenommenen Überlegungen an, nach denen der Beklagte zu 1) zu der im Termin überreichten Stichwortliste ersichtlich falsche Angaben gemacht hat und er versucht hat, die Mitarbeit des Zeugen Dr. R., die dieser plastisch und glaubhaft geschildert hat, „kleinzureden“, um seine eigene Bedeutung zu überhöhen. Denn auch nach den Bekundungen des Zeugen Dr. R. und den eigenen Angaben der Klägerin zu den vom Erblasser geforderten Recherchearbeiten sind die substanzarmen Angaben im Buch etwa auf S. 17 zu den „Tiefeninterviews“, zu gescheiterten Versuchen, den gern breit ausführenden Erblasser in ein „Erzählkorsett (zu) zwängen“ (S. 40 des Buches) und die wiederum nur rein subjektive Bewertung des Beklagten zu 1), der Erblasser habe sich – zumal das Zitat a.a.O. nicht substantiiert angegriffen ist – nicht vertieft vorbereitet, mit Ausnahme des Gesprächs nach dem Tod seiner ersten Ehefrau (S. 42/43 des Buches), keine grobe Entstellung seines Lebensbildes. Das gilt umso mehr, als im Buch ansonsten gerade die Akribie des Erblassers beim Korrekturlesen und sein historisches Wissen gelobt wird. Etwaige Ungenauigkeiten und Vergröberungen bei - im Buch ohnehin nicht substanzreich geschilderten – schlichten Details der Zusammenarbeit sind in Ansehung dessen jedenfalls postmortal unerheblich.
342Unbedenklich ist auch die Mitteilung des eigenen Rechtsstandpunkts zu einer angeblich fehlenden Verschwiegenheitsverpflichtung durch den Beklagten zu 1) auf S. 29 des Buches, zumal nach den Ergebnissen der Beweisaufnahme der Nachweis einer entsprechenden klaren mündlichen Abrede unter den Beteiligten dazu gerade nicht geführt ist. Dies geht auch hier zu Lasten der Klägerin. Ein Fall der in das Zivilrecht zu transformierenden Beweisregelung in § 186 StGB liegt auch nach dem Rechtstandpunkt der Klägerin nicht vor, zumal es dabei gerade auch nicht um Inhalte der Tonaufnahmen, sondern einfaches, nicht ehrenrühriges Randgeschehen geht.
343Auch die erkennbar eigenen Spekulationen des Beklagten zu 1) zu den Hintergründen der Kündigung des Erblassers und zu der rechtlichen Auseinandersetzung („Ob das wirklich auf Wunsch und Veranlassung ihres Mannes geschah, werden wir wohl niemals erfahren. In seinem Sinne, da bin ich sicher, war die Aktion gewiss nicht.“) auf S. 57 des Buches verletzen - als selbst unter Lebenden auf Basis der äußeren Umstände zulässige Meinungsäußerung - nicht das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers. Gleiches gilt für die vom Beklagten zu 2) stammende Einschätzung, dass sich der Erblasser im Hinblick auf die Gesamtsituation bewusst gewesen sei, dass er „im heimischen Tonstudio keine Selbstgespräche führt, dass sein Gegenüber … nicht nur Historiker, sondern vor allem Journalist ist, zu dessen Profession es gehört, Informationen zu hinterfragen, zu bündeln und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.“ und dies dem Erblasser „gelegen“ gekommen sei (S. 99 des Buches) bzw. der Erblasser „weiß und scheint ausdrücklich damit einverstanden zu sein, dass alles, was er im Gespräch preisgibt – gezielt preisgibt, wie man annehmen darf –, schon an die Öffentlichkeit gelangen wird, auch wenn vieles in die offiziellen Erinnerungen zunächst keinen Eingang findet. Kohl weiß, dass sich sein Gesprächspartner die Protokolle irgendwann noch einmal vorknöpfen wird.“ (S. 106 des Buches) bzw. der Beklagte zu 1) nicht nur ein „austauschbarer Adlatus“ (Anmerkung 27, S. 242 des Buches) gewesen sei. Hier geht es aus Rezipientensicht erkennbar um eine Bewertung der Gesamtumstände durch die Autoren und nicht konkret um etwaige Falschbehauptungen zu vermeintlichen Gedanken des Erblassers als sog. innere Tatsachen oder um unwahre Behauptungen zu konkreten tatsächlichen Umständen der damaligen Zusammenarbeit.
344Keine Bedenken bestehen mit Blick auf die - dem Beklagten zu 1) nicht bereits vertragsrechtlich untersagten - Teile der ebenfalls erkennbar nur eigenen Bewertung ab S. 220 ff. des Buches und dort insbesondere auf das Plädoyer für ein öffentliches Zugänglichmachen der Tonbandaufnahmen; solche der Klägerin möglicherweise unliebsamen Meinungen muss das postmortale Persönlichkeitsrecht des bekannten Staatsmannes aushalten.
Auf das Vorliegen weiterer, über die Feststellungen im Vorverfahren zu 116 Buchpassagen hinausreichender Fehlzitate des Erblassers (im engeren oder weiteren Sinne) in anderen Passagen des Buches kommt es im Verhältnis zum Beklagten zu 1) insofern zunächst nicht an, weil diesem die Wiedergabe vermeintlicher wörtlicher Äußerungen des Erblassers bereits vertraglich in vollem Umfang untersagt ist. Gleiches gilt mit Blick auf die weiteren in den angegriffenen Passagen enthaltenen und dem Beklagten zu 1) schon kraft Vertrages untersagten Detailangaben in indirekter Rede des Erblassers und/oder unter Mitteilung von tatsächlichen Inhalten der „Memoirengespräche.“
Zurückkommend auf das zu (1) Gesagte kann sich die Klägerin aber auch nicht mit Erfolg auf den in der Berufungsinstanz erstmals konkreter ausgeführten Aspekt stützen, wonach es bei ihrem Begehren – nicht nur im Hinblick auf die Beklagten zu 3) bis 5), sondern auch im Hinblick auf den Beklagten zu 1) – um einen „einheitlichen Klageantrag“ gehe. Ohne die aus ihrer Sicht zu „kleinteilige Kategorisierung“ der einzelnen Textpassagen nach äußerungsrechtlichen Grundsätzen bei der Beklagten zu 3) bzw. in Anwendung der §§ 241 Abs. 2, 242 BGB und des vertraglichen Verbotsumfangs bei dem Beklagten zu 1) soll es mit dem zu (1) Gesagten um einen „verklammernden Gesichtspunkt“ einer groben Lebensbildverfälschung zu Lasten des Erblassers bzw. der Verletzung seines personalen Achtungsanspruchs gehen. Dieser Gedanke, der theoretisch ein sog. Gesamtverbot hätte tragen können, soll wegen der Verklammerung durch ein im Buch gezeichnetes „Zerrbild“ des Erblassers bzw. die in dem streitgegenständlichen Buch liegende Entwertung der „offiziellen“ Memoiren die Untersagung aller streitgegenständlichen Passagen tragen können. Doch damit dringt die Klägerin nicht durch:
Eine grobe Entstellung des Lebensbildes des Erblassers ergibt sich in Anlehnung an die Ausführungen zu der Beklagten zu 3) durch den Bundesgerichtshof im Urteil vom 29.11.2021 (VI ZR 248/18, GRUR-RS 2021, 39313 Rn. 134 ff.) zunächst nicht daraus, dass aus dem Gesamtfundus der „Memoirengespräche“ für das Buch der Beklagten zumindest zu erheblichen Teilen solche Äußerungen zur Wiedergabe ausgewählt worden sind, in denen sich der Erblasser inhaltlich derbe und gegenüber dritten Personen verletzend ausgedrückt hat. Dies trifft schon nicht auf das Buch insgesamt zu, bei dem dem Leser aus dem Gesamtduktus heraus ohne weiteres klar wird, dass die dort wiedergegebenenen und nach S. 11 des Buches bewusst nur knapp zitierten Originalzitate ohnehin nur einen kleinen Teil der vielstündigen Äußerungen des Erblassers auf den im Buch beschriebenen 200 Audiokassetten darstellen können, so dass der (sonst übrigens unstreitig unzutreffende) Eindruck, der Erblasser habe sich damals tatsächlich durchweg derbe und abwertend geäußert, schon nicht entstehen kann (BGH, a.a.O., Rn. 135). Auch entsteht mit Blick auf die Gliederung des Buches für den verständigen Leser - jedenfalls in weiten Teilen des Buches - keinesfalls der Eindruck, der Erblasser habe sich in einer den Eindruck einer (zornigen) „Generalabrechnung mit alles und jedem“ nahelegenden Weise in einem mehr oder weniger einheitlichen Redefluss („Schimpftirade“) entsprechend boshaft geäußert, so dass auch mit diesem Gedanken kein postmortaler Abwehranspruch zu begründen ist (BGH, a.a.O., Rn. 136). In Ansehung dessen gehen die Annahmen der Klägerin fehl, man habe die mündlich überlieferten Lebenserinnerungen des Erblassers zu Unrecht als „rachsüchtig-zornige Abrechnung in derber Sprache im demgemäßen Stimmungsbild“ gebrandmarkt, die nur mit einseitiger Zielrichtung aus dem Fundus zusammengeklaubten (angeblichen) Zitate zu Unrecht als „repräsentativ und charakteristisch“ für den Erblasser dargestellt und auf diesem Weg aus der damaligen nüchternen Sacharbeit an den dreibändigen Memoiren „durchweg einen persönlichen Affront gegen Dritte konstruiert.“
348Die Ausführungen in der Nichtzulassungsbeschwerdebegründung der Klägerin (Anlage K 81, Bl. 4614 ff. d.A.) im Verfahren betreffend die Presseberichterstattungen der Beklagten zu 4) und 5) und deren Verständnis rechtfertigen keine andere Lesart und nötigen nicht zur Annahme eines abweichenden Verständnisses des unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittsrezipienten. Erst recht bedarf es für die in Äußerungsstreitigkeiten übliche Ermittlung des Leserverständnisses nicht der Inanspruchnahme sachverständiger Hilfe, zu deren Heranziehung – etwa von Amts wegen nach § 144 ZPO – auch der Bundesgerichtshof a.a.O. keinen Anlass gesehen hat.
349Dass – was u.U. die Annahnme einer groben Lebensbildverfälschung des Erblassers hätte tragen können (BGH, a.a.O., Rn. 134) – in der Gesamtschau dennoch zumindest ein „grob unzutreffender Eindruck“ von dem tatsächlichen Inhalt und Ablauf der „Memoirengespräche“ vermittelt würde und das Buch deswegen nicht als „ungefiltert(es)“ (Buchrücken) Zu-Wort-Kommen des Erblassers, als „authentisches Portait“ bzw. „Nahaufnahme“ (Klappentext), als „Helmut Kohl unplugged“ (S. 11 des Buches) hätte veröffentlicht werden dürften, vermag der Senat (weiterhin) nicht festzustellen:
350(aa)
351Richtig ist zwar, dass der Senat schon auf Basis des vom Beklagten zu 1) im Vorverfahren als repräsentativ bezeichneten längeren Tonbandmitschnitts in Anlage K 54 (bzw. das inhaltlich wegen der Wiedergabe des Erblassers nicht ausreichend bestrittene Transkript dazu in Anlage K 55, Bl. 3365 ff. d.A.) im Einklang mit den im Vorverfahren ausgewerteten Tonbanddateien sowie den von der Klägerin im Verfahren sonst vorgelegten Dateien bzw. sonstigen Abschriften wie etwa auch Anlage K 59 (Bl. 3403 ff. d.A.) sowie K 60 (Bl. 3492 ff. d.A.) feststellen kann, dass ganz erhebliche Teile der Memoirenarbeit des Erblassers von ruhiger und seriöser Sacharbeit in nüchterner, bisweilen humorvoller, jedenfalls ausgesprochen vertrauensvoller Grundstimmung geprägt waren und insofern als gewissenhafte Arbeitsgespräche stattfanden. Zwar sind - wie schon die im Vorverfahren behandelten Textstellen belegen - damals in bestimmten Punkten bzw. zu bestimmten Personen durchaus auch Äußerungen des Erblassers in einer sprachlich derben und auch abwertenden Weise gefallen. Auch dies erfolgte allerdings nicht durchweg in bösartiger Grundstimmung des Erblassers, sondern bisweilen humorvoll oder eher am Rand anderer, in der Regel sachbezogener Ausführungen des Erblassers; wie etwa im Zusammenhang mit Passage Nr. 90 des Vorverfahrens bei den eher beiläufigen „Spitzen“ des Erblassers gegen Wolfgang Thierse, der aus seiner Sicht die tatsächlichen Hintergründe des Mauerfalls und des Zusammenbruchs des Kommunismus einseitig verfälschte und die Rolle der Bürgerbewegung zu monokausal deutete oder bei mehr oder weniger nur „im Vorbeigehen“ mitgeteilten Attributen (wie z.B. „Spezialziege“; eine Formulierung, die der Erblasser auch in dem inhaltlich nicht ausreichend bestrittenen Interview mit Herrn CQ. in Anlage OC 10, AO III benutzt hat). In anderen Teilen der Aufnahmen, wie etwa bei Passagen, die sich eindeutig auf ein vom Erblasser kritisiertes Verhalten von sog. „Parteifreunden“ in der sog. Spendenaffäre bezogen - beispielweise betreffend K. VZ. oder SZ. Blüm („reiner Opportunist“) - , war hingegen die Verärgerung des Erblassers zumindest hör- und erkennbar, mag es dabei aber auch ansonsten wieder stets nur um die Sacharbeit an den Memoiren gegangen sein und nicht etwa (nur) um persönliche Schmähungen. Auch die Ausführungen zu Christian Wulff als „Null“ und „Verräter“ in Passage 42 des Vorverfahrens waren beispielsweise vor dem Hintergrund von dessen Haltung gegenüber dem Erblasser in der sog. Spendenaffäre zwar etwas emotionaler, doch hat der Erblasser ansonsten nur eher unaufgeregt die im Buch geschilderte kleine Episode von dem Restaurantbesuch humorvoll zum Besten gegeben.
352Indes wird - auch mit den eingangs genannten Feststellungen des BGH a.a.O. - im streitgegenständlichen Buch, welches in seiner Stoßrichtung ohnehin weniger zugespitzt ist als die Presseberichterstattung der Beklagten zu 4) und 5) im abgetrennten Verfahren (Senat v. 22.06.2023 – 15 U 135/22, n.v.), aber tatsächlich auch gar kein abweichender Eindruck vom Geschehen und den Memoirenarbeiten erzeugt: Richtig ist zwar, dass zumindest in bestimmten Teilen des Buches anklingt, dass es um „erfrischend streitbare Selbstzeugnisse“ (S. 11 des Buches) des Erblassers bei den Gesprächen gehe, in denen „schonungslos mit Freund und Feind, so nachtragend im wahrsten Sinne des Wortes, Bilanz… gemacht“ (S. 18 des Buches) worden sei in einem „beklemmende(n) Konvolut“ (S. 20 des Buches). Gerade im Zusammenhang mit der zeitlichen Einordnung in die sog. Spendenaffäre sucht der Beklagte zu 1) bewertend die „geradezu atemberaubende Offenheit“ (S. 19 des Buches) auch mit dieser Affäre zu erklären, zumal der Erblasser nach Amtsende „keine Rücksicht mehr nehmen“ und „wie ein angezählter Boxer“ (beides S. 22 des Buches) um sich schlage, gar als „King Lear aus der Pfalz… Gerichtstag über seine missratene Brut“ (s. 22 des Buches) gehalten und mit seiner ersten Ehefrau auf deren Betreiben um Abschwächungen in der Schriftform des „Tagebuchs“ gerungen habe (S. 37 des Buches), wobei für die Sacharbeit an den Memoiren die „Temperamentsausbrüche im heimischen Keller“ (S. 53 des Buches) bisweilen weniger gut verwendbar gewesen seien. Die für die Betrachtung ausgewählten Gesprächsinhalte werden vom Beklagten zu 2) dahin bewertet, es sei aus seiner Sicht um einen „maßlose(n) Rückblick im Zorn (gegangen, der) den Rahmen der Autobiographie sprengt“ (S. 105 des Buches). Doch selbst wenn diese Einzelpassagen für sich genommen - gemessen jedenfalls am „Durchschnitt“ der Inhalte der im Kern rein sachbezogenen Memoirenarbeiten - möglicherweise überzogen sein sollten, begründen solche Wertungen und etwaige Ungenauigkeiten im Detail insgesamt noch keine Lebensbildverfälschung. Allenfalls besteht die Möglichkeit, Einzelpassagen konkret angreifen - wie im Vorverfahren zu Inhalten-, Stimmungsbild- und Kontextverfälschungen geschehen. Ansonsten ist für den Rezipienten im streitgegenständlichen Buch aber klar erkennbar, dass es – neben aller Kritik an dem in der sog. Spendenaffäre „feudalistischen (Rechts-)Verständnis“ (S. 38 des Buches) des Erblassers – bei der Schilderung stets nur um die Wiedergabe des eigenen Eindrucks der beiden Autoren geht. Diese geben z.B. mit der Äußerung „In einer letzten, verzweifelten Brandrede – und eben so klingen weite Teile seiner Lebensbilanz -..“ (S. 23 des Buches) nur eine Bewertung ab. Aus den Inhalten erkennen sie ein angebliches „Muster“ (S. 33 des Buches; siehe auch S. 82: „Wer Kohl die Schau stiehlt, wird herabgewürdigt; es ist das alte Muster.“). Ansonsten wollen sie statt eines Rückblicks im Zorn aber eben durchaus selbst auch zahlreiche andere Facetten wie die Dünnhäutigkeit des Erblassers und dessen eigenen Schmerz in Bezug auf den Bruch mit dem langjährigen Freund Wolfgang Schäuble - der ausdrücklich auch gerade nicht abgekanzelt worden sein soll (S. 35 des Buches) - erkannt haben. Richtig ist, dass sich diese Bemerkungen teilweise weitgehende Mutmaßungen über die Psyche des Erblassers erlauben, etwa wenn es heißt, die „Rückschau auf die .. Vita (sei) an Bitterkeit kaum zu überbieten.“ (S. 76 des Buches, dies allerdings mehr auf die fehlende Anerkennung der Lebensleistung bezogen), wobei der Erblasser sich sogar „gelegentlich nah am Paranoiden“ (S. 77 des Buches) bewegt habe. Auf S. 84 f. des Buches im Kapitel über die „Parteifreunde“ wird mit Blick auf die „Isolation“ des Erblassers durch die sog. Spendenaffäre im Kontext der Passagen Nr. 15 ff. des Vorverfahrens ebenfalls sachlich überzogen ausgeführt: „Aber jetzt, da er Lebensbilanz macht, gibt es kein Halten mehr. Die einstigen Unionsgefährten … werden in ein »Who is Who« verfrachtet, das wie mit Dreschflegeln verfasst zu sein scheint. Die Enzyklopädie der süßen Rache beginnt mit … In diesem Ton geht es geradlinig fort bis … In einer Art Blitzüberprüfung durchleuchtet er die Recken aus dem einstigen Parteipräsidium. … Umzingelt also von einer Schlangenbrut, hat er das Vaterland vereint. In CDU und CSU scheint es kaum jemanden zu geben, mit dem Kohl nicht noch irgendein Scharmützel auszutragen hat. … Da erteilt ein Schulmeister unter seinen Zöglingen Verhaltens- und Charakternoten, die sich zumeist zwischen mangelhaft und ungenügend bewegen... Begründungen für die apodiktischen Urteile finden sich selten. Er argumentiert nicht. Er klebt Etiketten.“ (S. 84 f. des Buches). Dies ändert – mit den Feststellungen des Bundesgerichtshofes – aber nichts daran, dass das Buch insgesamt einen anderen Eindruck vom Gesamtgeschehen hinterlässt und auch an den zitierten Stellen klar wird, dass es nur um die subjektive Bewertung ausgewählter Inhalte durch die Autoren geht. Gerade in den anderen Kapiteln wird - nach Themen geordnet - ein breites Portfolio von Äußerungen des Erblassers mitgeteilt, bei denen es keineswegs allein um derbe Angriffe des Erblassers geht, sondern vielmehr – wenn auch oft umgangssprachlich – Schilderungen zu Personen und Stationen des politischen und privaten Lebens des Erblassers wiedergegeben werden. Zwar werden auch dort bisweilen negative Stimmungsbilder umschrieben, doch geht es dabei zumeist nur um eine Bewertung kritischer inhalte durch die Autoren (etwa bei „redet sich in Rage“ (S. 41 des Buches) zu den Präservativen im Vorgarten bzw. auf S. 73 zu Passagen Nr. 72 f. des Vorverfahrens, „da knurrt Kohl“ (S. 96 des Buches) zu Passage 41 des Vorverfahrens zu EM. CD.). Oft wird mit Blick auf die wiedergegebenen Ausführungen – wie etwa bei den Angaben zum Politikstil mit einem breiten Verständnis von Geben und Nehmen – sogar nur rein inhaltlich bewertet, etwa dass „das ausgemusterte Alphatier… keine Kreide mehr fressen (brauche), nicht länger Wähler mit kaum haltbaren Versprechen verlocken (müssen und) nun rücksichtslos sein (dürfe), im edelsten Sinn. Unbeschwert von Skrupeln und quälendem Selbstzweifel offenbart er, wie in unserer Republik Politik gemacht wird – oder zumindest über Jahrzehnte gemacht wurde.“ (S. 65 des Buches) und dass gerade dies – also fernab von etwaigen Beschimpfungen – in der offenen Schilderung der politischen Inhalte und Hintergründe daher den Reiz des „persönlichen Findebuch(s) der Zeitgeschichte“ (S. 68 des Buches) ausmachen soll. Bei manchen Bemerkungen des Erblassers wird dem Rezipienten zudem deutlich, dass es nur um beiläufige Bemerkungen des Erblassers ging (etwa S. 46 des Buches zur „Ziege“). Bezogen auf den Gesamtinhalt der „Memoirengespräche“ wird davon gesprochen (Unterstreichung durch den Senat), dass diese aus Sicht des Beklagten zu 2) „nicht selten überraschend, mitunter auch bitterböse“ (S. 9 des Buches) waren, sich „... ein sinnenfroher,…rundum liberaler Katholik, ein gebildeter Mann…“ (offenbart habe) (S. 10 des Buches), in den „ebenso erhellenden wie über weite Strecken unterhaltsamen Protokollen“ (S. 10 des Buches), die „bisweilen sehr bitter und nicht selten unerhört sprachgewaltig“ (S. 18 des Buches) gewesen seien, in „Monaten der raumgreifenden, gelegentlich düsteren, manchmal auch komischen Gespräche(n)“ (S. 48 des Buches) mit einem Erblasser, „der direkt, derb, streitlustig, klug, gelegentlich zotig und ungerecht mit den Seinen ins Gericht geht“ (S. 58 des Buches). Der Beklagte zu 1) meint „Im Oggersheimer Keller saß mir ein Mann gegenüber, der nahezu allen Klischees, die über ihn im Umlauf sind, zu widersprechen schien. Das war nicht »Birne«, nicht jener Tor… sondern ein gebildeter Zeitgenosse mit geradezu atemberaubendem Wissen auf dem Feld der Geschichte.“ (S. 225 des Buches) und dass „…bei allen Entgleisungen in den Gesprächen…, die unser Buch nicht verschweigt“ (S. 225 des Buches), für ihn vor allem der übergroße Enthusiasmus des Erblassers etwa im Rückblick auf die Außenpolitik in guter Erinnerung geblieben sei. Auch daraus folgt, dass in der Gesamtheit des Buches keinesfalls das von der Klägerin als Kerngegenstand verstandene „Zerrbild“ einer „zornigen Generalabrechnung“ im Vordergrund steht. Auf die flankierende Presseberichterstattung der Beklagten zu 4) und 5) – die Gegenstand des abgetrennten Verfahrens war – kommt es hier nicht an.
353Jedenfalls ist es so, dass ungeachtet aller Detailfragen kein entsprechender unabweislicher Eindruck beim Rezipienten entsteht und damit keine grobe Lebensbildverfälschung vergleichbar mit einer künstlerischen Verfremdung durch eine „Schmähschrift in Romanform“, bei der das Lebensbild durch ein ohne jeden Anhaltspunkt behauptetes Zuschreiben von die Gesinnung negativ kennzeichnende Verhaltensweisen entstellt wird (vgl. etwa BGH v. 20.03.1968 - I ZR 44/66, NJW 1968, 1773; BVerfG v. 24.02.1971 - 1 BvR 435/68, NJW 1971, 1645 – Mephisto). Dass man – wie die Klägerin herausstellt – in der verkürzten Einordnung und im Herausgreifen vieler derber und negativer Zitate dem Erblasser objektiv nicht, zumindest nicht in jedem Punkt „gerecht“ geworden sein mag, trägt nicht die Annahme einer Lebensbildverfälschung. Ebenso wie etwa die kritische Auseinandersetzung mit einer Person in einer wissenschaftlich-historischen Arbeit unter Bezugnahme auf ungesicherte Quellen (als eine Form der Distanzierung) im Gesamtkontext eines Buches in einem Einzeldetail nicht ohne weiteres eine Lebensbildverfälschung darstellen wird (OLG Düsseldorf v. 16.06.1999 – 15 U 171/98, juris Rn. 52 f.) und dies entsprechend gilt, wenn ein im Kern unstreitiger Lebenssachverhalt nur – sei es auch überzogen – in wertender Betrachtung umschrieben und der Verstorbene in seinem Geltungsanspruch in Frage gestellt wird (OLG Düsseldorf a.a.O., Rn. 56), gilt in Bezug auf die Memoirenarbeiten des Erblassers nichts anderes. Im Einzelfall kann man zwar die Annahme einer groben Entstellung des Lebensbildes auch auf Teilbereiche beschränkten, wie zum Beispiel bei dem Absprechen einer Lebensleistung einer sich u.a. über die Teilnahme an Castingshows und der Selbstdarstellung im Internet definierenden Person in der Form, dass diese angeblich außer Menschen u.a. mit gefälschten social-media-accounts zu belügen und sonstigen Ärger zu machen, in ihrem Leben nichts anderes erreicht habe, es dafür im konkreten Fall allerdings keinerlei tatsächlichen Anhaltspunkte gibt (vgl. LG Berlin v. 29.11.2022 – 27 O 39/21, AfP 2023, 85, 87). Vorliegend ist zu konstatieren, dass es mit den unbestreitbar vorhandenen und wenig schmeichelhaften Äußerungen des Erblassers – mögen diese tatsächlich auch nur einen Bruchteil der sonst von ernsthafter Sacharbeit geprägten Memoirenarbeiten darstellen – noch ausreichende Anknüpfungspunkte gibt, die die von den Beklagten zu 1) und 2) gewählte Darstellung im Buch rechtfertigen.
354(bb)
355Ob dies anders zu bewerten wäre, wenn tatsächlich alle oder zumindest fast alle nicht bereits im Vorverfahren behandelten Wiedergaben von Wortlautzitaten des Erblasser entweder Fehlzitate im engeren oder weiteren Sinne wären und/oder dazu im Buch gemachte Angaben zu Stimmungsbild, Lautstärke und Tonlage des Erblassers nachweislich allesamt oder zu zumindest weiten Teilen unzutreffend und man damit mit S. 11 des Schriftsatzes der Klägerin vom 15.05.2019 (Bl. 880 d.A.) „Duktus, Charakter und Inhalt der Tonbandaufnahmen einschließlich der Umstände der Memoirenarbeiten grob verfälscht“ hätte durch ein „unzutreffendes Bild des Verlaufs der Memoirengespräche“, bedarf keiner Entscheidung des Senats. Ebenso bedarf keiner Entscheidung, ob nicht auch dann eher nur mit Einzelverboten gegen die jeweils von Verfälschungen betroffenen konkreten Buchpassagen vorzugehen gewesen wäre und nicht mit dem verklammernden Gedanken einer „einheitlichen“ Lebensbildverfälschung letztlich mit dem Ziel eines Gesamtverbotes. Diesen Gedanken stützt die Klägerin auf den Aspekt, dass das streitgegenständliche Buch zumindest deswegen für das Lebensbild des Erblassers so gefährlich sei, weil gerade der „Deckmantel einer vermeintlich seriösen Auswertung der auf Band aufgenommenen Lebenserinnerungen“, der der Publikation unbestritten ihre Wucht, „Schlagkraft“ (u.a. S. 12 des Schriftsatzes der Klägerin vom 15.05.2019, Bl. 881 d.A.) und vermeintliche Glaubwürdigkeit verleiht, über die vermeintlichen „Wortlautbelege“ als „Zeugnis des Erblassers gegen sich selbst“ erst dazu geführt habe, dass man in der Öffentlichkeit die Inhalte und Schilderungen insgesamt als vermeintlich „bewiesen“ gar nicht mehr hinterfrage. Dies soll aus Sicht der Klägerin den Schaden für das Lebensbild des Erblassers und die Geschichtsschreibung insgesamt ausmachen (etwa S. 52 der Klageschrift = Bl. 52 d.A.).
356Diese Fragen können dahinstehen, denn einen solchen Sachverhalt einer vollständigen oder weit überwiegenden Verfälschung vermag der Senat aus prozessualen Gründen nicht festzustellen; das nur pauschale Vorbringen der Klägerin dazu ist unzureichend:
357((1))
358Soweit die Klägerin unter Verweis auf angeblich „pars pro toto“ geltende Erkenntnisse aus dem Vorverfahren meint, dass sie sprichwörtlich „mit breitem Pinsel“ nicht nur alle weiteren wörtlichen Zitate in dem streitgegenständlichen Buch, sondern auch alle Angaben zu den sonstigen Inhalten und Umständen der „Memoirenarbeiten“ pauschal „streitig stellen“ kann, ist dieses Vorbringen - worauf schon das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zu Recht abgestellt hat - prozessual unzureichend. Letztlich würde (selbst ungeachtet der sogleich zu erörternden Frage der Darlegungs- und Beweislast) mit diesem Pauschalvorbringen sogar bei unterstellter Darlegungs- und Beweislast auf Beklagtenseite prozessual nicht ausreichend (einfach) bestritten, sondern nur willkürlich und ins Blaue hinein. Dass das nicht zielführend ist, zeigt sich schon daran, dass beispielsweise auf S. 191 des Buches die Passage „Er konnte sich in die Lage der zu Gebärmaschinen degradierten Frauen hineindenken, jedenfalls hat er es redlich versucht. Einmal sagt er zu X. im Interview: »Sie glauben doch nicht im Ernst, dass meine Großmutter dreizehn Kinder bekommen hätte, wenn sie die Pille gehabt hätte.« angegriffen wird, obwohl die Klägerin auf S. 128 f. der Replik (Bl. 594 f. d.A.) selbst vorträgt, dass der Erblasser am 08.10.2001 ausweislich eines vorliegenden Originaltonbandes ausgeführt hat: „Das ist der eine Punkt. Und jetzt bei dem Ganzen, die eigentliche Atombombe erwähnst du aber schon überhaupt nicht mehr.“ - Dr. R.: „Die Pille, natürlich." - Helmut Kohl: [engagiert, auch ungehalten/ungeduldig]: „Ja, also. Glaub doch nicht daran - es sitzt ja ein Beispiel vor Ihnen -, dass die Leute alle Kinder gekriegt haben, weil sie sie haben wollten. Das stimmt doch überhaupt nicht. Du glaubst doch nicht im Ernst, dass meine Großmutter 13 Kinder gekriegt hätte, wenn sie die Pille gehabt hätte. Als ich Ministerpräsident wurde, hat meine Mutter zum ersten Mal plötzlich über den Tisch gesagt, zu meinem Vater vermutet habe ich das lange - beim Essen nach der Vereidigung: »Und siehst du, Johann, als er kam, waren wir nicht sehr glücklich.« So. Das war der normale katholische Haushalt in Deutschland." Vor dem Hintergrund dieser Äußerung des Erblassers erschließen sich Sinn und Zweck des Klageangriffs nicht, zumal die im Kontext stehende Tatsachenbehauptung, der Erblasser habe gegen die Ächtung der Pille „sogar beim Papst interveniert“ (S. 191 des Buches), im vorliegenden Verfahren auch nicht etwa als konkrete Falschbehauptung gerügt ist. Vom breit gefassten Klageantrag erfasst wird etwa auch die Passage auf S. 231 des Buches, in der es um die vom Erblasser so bezeichnete „Durchhalteparole-Rede“ von Margret Thatcher und seine Reaktion in dem damals geführten Gespräch um die Stationierung der Mittelstreckenraketen geht. Er habe dazu von George Bush den schriftlichen Zuspruch „Helmut, a very fine speech“ erhalten. Dass der Erblasser sich jedoch tatsächlich sogar zweifach - wenn auch mit kleineren Abweichungen im Detail - zu dieser „menschelnden“ Begebenheit entsprechend geäußert hat, folgt aus dem eigenen Vorbringen der Klägerin auf S. 12 f. der Anlage K 59 (Bl. 3414 f. d.A.) bzw. S. 3 f. der Anlage K 60 (Bl. 3494 f. d.A.) als Transkripte der bei der Klägerin vorhandenen Originalbänder. Auch in Ansehung dessen können solcherart breit gefasste Verbotsanträge und ein „Streitig-Stellen“ des gesamten Buches ohne konkrete Betrachtung einzelner Passagen und Einzelvortrag dazu ersichtlich nicht mehr den Anforderungen des zivilprozessualen Beibringungsgrundsatzes genügen, zumal es bei den angegriffenen Passagen oft auch nicht um wörtliche Zitate, sondern nur sinngemäß wiedergegebene Inhalte von Gesprächen oder sogar sonstige Gesamtumstände geht, zu denen jedes konkrete klägerische Vorbringen fehlt.
359((2))
360Ungeachtet dessen hat das Landgericht - der Senat hat diese Frage in den Vorverfahren offen lassen können (Senat v. 29.05.2018 - 15 U 65/17, BeckRS 2018, 10541 Rn. 454; v. 29.05.2018 - 15 U 64/17, BeckRS 2018, 17910 Rn. 475), sich aber bereits in den Urteilen vom 22.06.2022 (15 U 65/17 (n.v.) und 15 U 135/22 (n.v.)) entsprechend positioniert - zu Recht im Ausgangspunkt der Klägerin die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen unwahrer Tatsachenbehauptungen über den Erblasser und damit auch für etwaige Fehlzitate außerhalb des nicht eröffneten Bereichs des § 186 StGB (zu einem solchen Fall postmortaler Beeinträchtigung OLG München v. 17.09.2003 – 21 U 1790/03, juris Rn. 27 f. zu Behauptung antisemitischer Angriffe im Anschluss an die Progromnacht) bzw. postmortal wohl folgerichtig eher nur des § 189 StGB auferlegt. Bei einem (konkreten) Angriff der Klägerin gegen einzelne Zitate und/oder tatsächliche Angaben aus den „Memoirengesprächen“ wäre zwar dann von einer sog. sekundären Darlegungslast der Beklagten auszugehen. Solche konkreten Angriffe der Klägerin fehlen - wie gezeigt – aber gerade und damit ist das Pauschalvorbringen insgesamt unzureichend; prozessual ist mithin von wahren Zitaten - und auch sonst wahren Tatsachenangaben, für die nichts anderes gilt - auszugehen.
361((a))
362Die gegen diese rechtliche Würdigung gerichteten Einwendungen der Klägerin in der Nichtzulassungsbeschwerdebegründung in dem Verfahren BGH VI ZR 226/23 = Senat 15 U 135/22 (Anlage K 81, Bl. 4614 ff. d.A.) rechtfertigen keine andere Sichtweise, zumal es dort zuletzt um konkretere Angriffe gegen 132 bestimmte Einzelstellen mit entsprechendem Sachvortrag ging. Keinesfalls kann in allen Fällen vermeintlicher postmortaler Persönlichkeitsrechtsverletzung wegen „einfacher“ Falschbehauptungen eine generelle Beweislastumkehr geboten sein; das fordert letztlich auch die Klägerin a.a.O. nicht. Soweit sie versucht, in der Breite von Falschbehauptungen (dort konkret zu 132 Passagen in Presseberichten mit weitergehendem Sachvortrag, an dem es im vorliegenden Verfahren mangelt) dennoch ein für das Maß des § 186 StGB ausreichendes Gesamtniveau an Beeinträchtigung zu begründen, trägt das jedenfalls hier nicht. Insbesondere darf nicht verkannt werden, dass der Erblasser zu Lebzeiten offenbar bewusst „nur“ 114 bzw. zuletzt 116 Passagen des Buches angegriffen hat, was die Vermutung stützt, dass nur diese für ihn gravierend waren. Entsprechend ist allein auf diese 116 Passagen die Geldentschädigungsklage gestützt worden. Wenn die Klägerin nunmehr pauschal nahezu alle weiteren Inhalte des Buches streitig zu stellen versucht, überdehnt dies den Anwendungsbereich des § 186 StGB bzw. des postmortal streng genommen nur einschlägigen § 189 StGB.
363In Ansehung dessen hat das Landgericht zu Recht auf die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG v. 03.06.1980 – 1 BvR 185/77, juris, Rn. 19 ff.) in der Anwendung für unbedenklich gehaltenen allgemeinen zivilprozessualen Grundsätze abgestellt und der Klägerin die Darlegungs- und Beweislast für angeblich unwahre Tatsachenbehauptungen (auch in Form von Fehlzitaten) zugeschrieben. Es hat entsprechend der anerkannten Grundsätze bei der Beweisführung sog. negativer Tatsachen im Gegenzug den Beklagten nur auf entsprechende konkrete Rügen der Klägerin eine umfassende sog. sekundäre Darlegungslast mit gebotenen Darlegungen etwa zu Ort, Zeitraum, Adressaten und vor allem auch zum Kontext der wiedergegebenen Äußerungen inklusive des Stimmungsbildes des Erblassers auferlegt. Von einer solchen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast scheint im Übrigen - entgegen der von der Klägerin in der Nichtzulassungsbeschwerdebegründung vertretenen Meinung - auch der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 29.11.2021 (VI ZR 248/18, GRUR-RS 2021, 39313 Rn. 91) ausgegangen zu sein, wo er konkrete Angriffe (und damit gerade konkretes Vorbringen) der Klägerin zu einer Verfälschung zu einem dort im Detail diskutierten einzelnen Zitat vermisst hat.
364Eine der Klägerin günstigere Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ergibt sich nicht aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 30.05.1974 (VI ZR 174/72, GRUR 1975, 89 (92) – Brüning-Memoiren I), in der es ohnehin nicht um die Richtigkeit von Zitaten, sondern um die Frage einer authentischen Bearbeitung von Memoiren-Manuskripten ging. Soweit das Oberlandesgericht München im Urteil vom 17.09.2003 (21 U 1790/03, juris Rn. 27) in bestimmten Fällen nach dem Ausfall sämtlicher direkter Zeugen zu einem Vorfall mit potentiellen Auswirkungen auf den postmortalen Achtungsanspruch des Betroffenen weitergehende Darlegungslasten angenommen hat, weil man den Angehörigen keinen Negativbeweis auferlegen dürfe, kann die Berechtigung einer so weitgehenden Rückausnahme dahinstehen. Denn vorliegend hätten – wie nachstehend zu zeigen ist – durchaus noch Möglichkeiten zur zielgerichteten Beweisführung bestanden, die dann jedoch nicht ausreichend genutzt worden sind. Jedenfalls überzeugt es - entgegen dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 29.11.2022 (27 O 339/21, AfP 2023, 85, 87) - nicht, über den Rechtsgedanken aus § 186 StGB bei einem nur potentiell zur Verzerrung des Lebensbilds des Verstorbenen geeigneten Vorbringen generell die Darlegungs- und Beweislast für den Wahrheitsgehalt allein dem Äußernden aufzuerlegen, weil dies den Schutz des postmortalen Persönlichkeitsrechts, das jedenfalls nicht weiter gehen kann als der Schutz zu Lebzeiten, über Beweislastregeln ohne Not einseitig verschieben würde. Dies gilt insbesondere mit Blick darauf, dass postmortal eher auf den enger gefassten und vorliegend nicht berührten § 189 StGB abzustellen wäre, der sowohl Meinungsäußerungen als auch Tatsachenbehauptungen zu erfassen geeignet erscheint (statt aller MüKo-StGB/Regge/Pegel, 4. Aufl. 2021, § 189 Rn. 20). Dass eine andere Lesart nicht richtig sein kann, zeigt sich im konkreten Fall auch daran, dass wegen der im Vorverfahren bereits festgestellten Anzahl von Verfälschungen in der „Quantität“ jede weitere Zitat-Verfälschung (selbst bei ansonsten inhaltlich „harmlosen“ Zitaten) zu weiteren postmortalen Abwehransprüchen führen müsste. Warum bei der Geltendmachung postmortaler Abwehransprüche zugunsten des Betroffenen aber andere Darlegungs- und Beweislasten gelten sollen als bei der Geltendmachung von Ansprüchen unter Lebenden, erschließt sich dem Senat weiterhin nicht.
365((b))
366An der Anwendung dieser zivilprozessualen Grundsätze ändert sich nicht deswegen etwas, weil nach dem unter Beweis gestellten Vortrag der Klägerin der Großteil der ihr im Wege der Zwangsvollstreckung übergebenen (Original-) Bänder heute nicht (mehr) abhörbar sein soll. Insofern ist schon problematisch, dass der Vortrag der Klägerin dazu variiert, weil sie an aus ihrer Sicht für sie „günstigen“ Stellen durchaus auch mit Inhalten der Originalbänder argumentiert und selbst bei Annahme von angeblich nur 10-20% hörbaren Tonbändern zumindest auffällig ist, dass sämtliche nach den Klageanträgen angegriffenen weiteren Wortlautpassagen und indirekten Sachaussagen in dem gesamten Buch dort offenbar sonst keinerlei Niederschlag mehr gefunden haben sollen. Insofern fehlt bis zuletzt auch klares Vorbringen zu dem „Delta“ zwischen noch hörbaren und nicht mehr hörbaren Tonbändern und den betreffenden Inhalten und Zeiträumen. Das bedarf aber letztlich keiner Vertiefung. Denn die (streitige) weitgehende Zerstörung der Originaltonbänder hat - diesen Zustand hier und im Folgenden zu Gunsten der Klägerin als wahr unterstellt - für sich genommen keine Auswirkungen auf die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast. Eine vorsätzliche Löschung durch den Beklagten zu 1) ist – wie oben zur „Löschtrommel“-Passage bereits ausgeführt – nur ins Blaue hinein behauptet und zudem von der für eine sog. Beweisvereitelung darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin auch nicht unter Beweis gestellt worden. Selbst wenn, wie es die Klägerin u.a. auf S. 43 ff. der Klageschrift (Bl. 43 ff. d.A.) geltend gemacht hat, die im Jahr 2014 an den Gerichtsvollzieher übergebenen und von ihr selbst im Jahr 2016 in Augenschein genommenen Originaltonbänder nur teilweise verständlich sind und dies nach Einschätzung eines von der Klägerin schon im Jahr 2014 beauftragten Tontechnikers auf eine „manuelle Löschung“ von Hand mit einem Magneten oder einer Löschdrossel zurückzuführen sein kann, weil bei einer elektronischen Löschung alle Bänder unwiderruflich gelöscht worden wären – was man auf S. 50 f. der Replik (Bl. 507 f. d.A.) im Kern wiederholt hat und auf S. 43 des Schriftsatzes vom 10.03.2022 (Bl. 3267 d.A.) unter Sachverständigenbeweis – Zug-um-Zug gegen Vorlage der dem Beklagten zu 1) vorliegenden vollständigen Audiokopien - gestellt hat, basiert dies alles ersichtlich nur auf Vermutungen und lässt keinen hinreichend sicheren Rückschluss auf ein vorsätzliches Verhalten des Beklagten zu 1) zu. Selbst wenn ein Sachverständiger die behauptete Teillöschung der Bänder auf einen möglichen Einsatz einer Löschdrossel etc. zurückführen könnte, bedeutet dies – wie oben schon ausgeführt - nicht, dass der Beklagte zu 1) eine solche tatsächlich eingesetzt hat, zumal weitere Ursachen (wie hohes Alter der Bänder, andere magnetische Einwirkungen durch Sicherheitskontrollen usw.) unstreitig ebenso als Grund für die behauptete schlechte Qualität der Bänder denkbar sind. Zwar ist theoretisch auch eine sog. Beweisvereitelung bei nur fahrlässigem Verhalten der nicht beweisbelasteten Partei denkbar (vgl. etwa nur MüKo-ZPO/Prütting, 6. Aufl., § 286 Rn. 83 m.w.N.), doch genügt allein eine unzureichende Lagerung der Bänder in der Zeit bis zum Abschluss des Herausgabeprozesses noch nicht für den Vorwurf schuldhaften Verhaltens mit Blick auf eine drohende Beweisvereitelung. Denn das vom Beklagten zu 1) als mögliche Ursache angeführte Passieren von Sicherheitsschleusen kann ebenso zu Problemen geführt haben wie das schlichte Alter der analogen Tonbandaufnahmen auf einfachen Kassetten. Selbst wenn man dem Beklagten zu 1) den Vorwurf einer Verletzung der gebotenen Sorgfalt bei der Behandlung der Bänder machen wollte, war zum einen damals noch nicht absehbar, dass es überhaupt zu einem Streit auch über die Richtigkeit der Inhalte der Aufnahmen kommen würde und nicht „nur“ über die Verletzung der Vertraulichkeit der Gespräche. Zudem führt eine einfache Fahrlässigkeit nicht zu einer umfassenden Beweislastumkehr mit der Folge auch der Umkehr der Darlegungslast zur Wahrheit/Unwahrheit aller Zitate und Tatsachenbehauptungen in dem gesamten Buch.
367((c))
368Bei dem pauschalen Angriff der Klägerin fehlt es – wie eingangs gesagt – schon an einem ausreichenden Bestreiten der Richtigkeit. Selbst wenn man dennoch von einer sog. sekundären Darlegungslast der Beklagten ausgehen wollte, hat man in Ansehung des nur ganz pauschalen Klägervortrages den gebotenen Anforderungen zunächst mit dem stetigen Verweis der Beklagten auf die Richtigkeit der einzelnen Schilderungen zu den Äußerungen in dem Buch und den dort geschilderten Angaben zum Kontext zunächst prozessual noch ausreichend Rechnung getragen. Mangels konkreter Rügen der Klägerin war beklagtenseits nicht etwa schon „vorsorglich“ zu allen Äußerungen und sonstigen tatsächlichen Angaben im Buch ohne Vorgabe einer konkreten Angriffsrichtung (Soll der Erblasser etwas gar nicht gesagt oder nur anders gesagt haben? Soll der Kontext ein anderer – wenn ja: welcher – gewesen sein? Welche Angaben zur Stimmungs- und Tonlage sollen wo/warum falsch gewesen sein?) Stellung zu nehmen und durch weiteres Vorbringen zu jedem einzelnen Satz des Buches jeweils dessen Zustandekommen und der genaue Hintergrund zu erläutern. Entgegen der Klägerin ist das Vorbringen des Beklagten zu 1) auch nicht schon deswegen insgesamt unerheblich, weil er nicht von sich aus Audio-Belege zu allen im Buch verwendeten Stellen und/oder die bei ihm unstreitig vorhandenen gesamten Audio-Kopien vorgelegt hat. Die Klägerin verkennt, dass selbst eine sekundäre Darlegungslast nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes keine Pflicht begründet, ergänzend Dokumente/Unterlagen vorzulegen (st. Rspr., vgl. etwa BGH v. 23.02.2022 – VII ZR 252/20, juris Rn. 13; v. 22.07.2014 - KZR 27/13, MDR 2014, 1190 Rn. 19; v. 23.10. 2007 - XI ZR 423/06, WM 2008, 112 Rn. 21; v. 26.06.2007 - XI ZR 277/05, BGHZ 173, 23 Rn. 16 und Laumen, in: Baumgärtel u.a., Hdb. der Beweislast im Privatrecht, 5. Aufl. 2023, Kap. 22. Rn 4, 48), da sich solche Pflichten nur aus speziellen Regelungen (z.B. §§ 422, 423 ZPO) und/oder aus gerichtlichen Anordnungen (z.B. § 142 ZPO) ergeben können. Nichts anderes kann für Augenscheinsobjekte i.S.d. § 371 ZPO (und damit für die hier fraglichen digitalen Kopien der Originaltonbandaufnahmen) gelten.
369Im Übrigen wären - wie der Senat im abgetrennten Verfahren (Urt. v. 22.06.2023 -15 U 135/22, n.v.) ausgeführt hat - die Anforderungen an ein Bestreiten konkreter Äußerungen und Passagen durch die Klägerin angesichts der im Vorverfahren zu den 116 Buchpassagen bereits festgestellten Quantität von Fehlzitaten - bei entsprechendem Sachvortrag zum eigenen Erkenntnisstand und Angaben zum vermutlich richtigen Inhalt/Kontext usw. im oben genannten Sinne – allerdings ansonsten nicht überzogen streng zu handhaben gewesen. Hätte der Erblasser selbst – möglicherweise im Hinblick auf seinen schweren Sturz – vortragen und glaubhaft machen können, sich an gewisse Vorgänge nicht mehr erinnern zu können (zum Bestreiten mit „Nicht-Mehr-Erinnern“ etwa BGH v. 30.01.2019 - VI ZR 428/17, BeckRS 2019, 3267) und hätte er darauf gestützt etwaige weitere Fehlzitate und Falschangaben zu Lebzeiten angreifen und die Beklagten zu weiterem substantiierten Vortrag im Wege der sekundären Darlegungslast anhalten können, muss dies (erst recht) auch der Klägerin möglich sein, die bei den „Memoirengesprächen“ nicht dabei war. Wegen der eigenen Darlegungs- und Beweislast war ihr zwar kein Bestreiten mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) möglich (st. Rspr., vgl. etwa BGH v. 09.06.2022 – III ZR 24/21, NJW 2022, 2754 Rn. 54; BGH v. 02.07.2009 - III ZR 333/08, NJW-RR 2009, 1666 Rn. 14, v. 08.06.1988 - IVb ZR 51/87, NJW 1989, 161, 162), jedoch konnte sie bei konkreten Rügen – die im vorliegenden Verfahren aber gerade fehlen, zumal sich die Angriffe nicht nur auf Wortlautzitate erstrecken – die sekundäre Darlegungslast der Beklagten theoretisch auch dort noch auslösen, wo es um Passagen ging, die der Erblasser persönlich zu Lebzeiten noch nicht angegriffen hatte (zur sekundären Darlegungslast auch BGH v. v. 08.06.1988 - IVb ZR 51/87, NJW 1989, 161, 162 f.). Dem stand auch nicht entgegen, dass die Klägerin möglicherweise gegen den Beklagten zu 1) nicht nur weitergehende Herausgabeansprüche analog § 667 BGB zu Material und Tonbändern, sondern auch etwaige Auskunftsansprüche analog § 666 BGB gehabt hätte (allgemein zu § 138 Abs. 4 ZPO BGH v. 02.07.2009 - III ZR 333/08, NJW-RR 2009, 1666 Rn. 17 f.), weil dies die prozessuale Ausgangslage nicht verschieben konnte. Das bisherige pauschale Vorbringen der Klägerin genügte dafür aber prozessual aus besagten Gründen dennoch trotz der sonst geringen Anforderungen dann insgesamt nicht.
370((d))
371Ungeachtet des unzureichenden Sachvortrages ist die Klägerin dann ansonsten auch beweisfällig geblieben. Sie hat nicht etwa die Parteivernehmung des Beklagten zu 1) beantragt und/oder Zeugenbeweis durch dessen Schwester als Transkriptionskraft für die Unrichtigkeit bestimmter Passagen angeboten. Auch ein direkt auf (vermeintliche) konkrete digitale Audiodaten bezogener Beweisantritt zu einzelnen Passagen des Buches fehlt. Die Regelung in §§ 525 S. 1, 371 Abs. 2 S. 2 ZPO verweist zwar nicht auf § 421 ZPO. Ein ausdrücklicher Beweisantrag nach §§ 525 S. 1, 371 Abs. 2 S. 2, 424 ZPO als Grundvoraussetzung ist bis zuletzt nicht gestellt, zumal auch die mehrfach verlangte Anordnung der Herausgabe (nur) der vollständigen Audiodateien der gesamten „Gespräche“ mit einem Volumen von mindestens 200 Stunden Aufnahmen ohne jede Bezugnahme und Eingrenzung auf konkret gerügte Passagen auf eine unzulässige Ausforschung durch den dann faktisch mit der Suche nach „Zitatschnipseln“ in der Masse der Aufnahmen gezwungenen Senat hinausgelaufen wäre. Selbst wenn man dies anders sehen und von einem entsprechenden (stillschweigenden) Beweisangebot in zweiter Instanz ausgehen würde, ist zum einen nicht ersichtlich, weswegen dies trotz § 531 Abs. 2 ZPO noch zuzulassen sein sollte, nachdem der Senat schon im Vorverfahren bei seinen Überlegungen zur Darlegungs- und Beweislast (a.a.O.) auf die maßgeblichen ZPO-Regelungen verwiesen und bereits damals gerichtliche Vorlageanordnungen in allen Verfahren durchweg abgelehnt hat. Das gilt auch, wenn man – der Senat hat das ebenfalls schon in den Vorverfahren angedeutet (Senat v. 29.05.2018 - 15 U 65/17, BeckRS 2018, 10541 Rn. 455; v. 29.05.2018 - 15 U 64/17, BeckRS 2018, 17910 Rn. 476 f.) – zumindest gegen den Beklagten zu 1) wegen der diesen treffenden materiell-rechtlichen Herausgabepflicht entsprechend § 667 BGB aus einem auftragsähnlichen Rechtsverhältnis einen Anwendungsfall der §§ 525 S. 1, 371 Abs. 2 S. 2, 422 ZPO annehmen wollte. Auch dann fehlt es an einem geeigneten erstinstanzlichen Beweisantritt und es greift nunmehr jedenfalls § 531 Abs. 2 ZPO. Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass dieser Aspekt im hiesigen Verfahren allenfalls im Verhältnis zum Beklagten zu 1) eine Rolle spielen könnte, nicht aber gegenüber der selbst nicht vertraglich gebundenen Beklagten zu 3). Insofern vermag der Senat dem Vorbringen der Klägerin keine über Vermutungen hinausgehende konkrete Angabe derjenigen Umstände zu entnehmen, auf welche sich die Behauptung stützen soll, dass (und: welche?) Audiodateien sich im Besitz der Beklagten zu 3) befinden sollen (§ 424 Nr. 4 ZPO), was jedenfalls so konkret zu erfolgen hätte, dass den Beklagten ein substantiiertes Bestreiten und dann ein gerichtliches Vorgehen nach §§ 525 S. 1, 426 ZPO möglich gewesen wäre. Die bloße Behauptung des Besitzes reicht ohnehin nicht (MüKo-ZPO/Schreiber, 6. Aufl. 2020, § 424 Rn. 4). Auch ein Fall der §§ 525 S. 1, 371 Abs. 2 S. 2, 423 ZPO - Beweisanträge fehlen ohnehin und auch bei Annahme stillschweigender Beweisanträge gilt das zu § 531 Abs. 2 ZPO Gesagte entsprechend - ist in Ansehung des Bestreitens des fortbestehenden Besitzes von eigenen Tonbandaufnahmen bei der Beklagten zu 3) nicht gegeben. Ein Antrag nach §§ 525 S. 1, 371 Abs. 2 S. 2, 428 ff. ZPO ist nicht gestellt und zwar weder mit Blick auf die erste noch auf die zweite Variante des § 428 ZPO (die im Bereich des § 371 Abs. 2 S. 2 ZPO als Verweis auf den dort spezielleren § 144 ZPO zu verstehen wäre, vgl. auch § 371 Abs. 2 S. 1 ZPO); auch hier griffe § 531 Abs. 2 ZPO.
372((e))
373Der Senat sieht weiterhin keinen Anlass für ein gerichtliches Vorgehen nach § 144 ZPO. Zwar ist damit - schon wegen des Ausschlusses des Verweises auch auf § 421 ZPO in § 371 Abs. 2 S. 2 ZPO - regelmäßig großzügiger zu verfahren und das Ermessen nicht selten sogar gebunden, wenn etwa ein notwendiges Beweismittel im Besitz des Gegners oder eines zumindest materiell herausgabepflichtigen Dritten ist, wie es im Verhältnis zur Beklagten zu 3) der Beklagten zu 1) wäre. Trotz des Verweises in § 371 Abs. 2 S. 2 ZPO auf die §§ 422 ff. ZPO wäre die Anordnung richtigerweise auch von den dort genannten Voraussetzungen unabhängig (statt aller etwa nur BeckOK-ZPO/Bach, Ed. 51, § 371 Rn. 8.1, 8.2. m.w.N.; siehe zu § 142 ZPO auch schon Senat v. 19.10.2017 - 15 U 161/16, BeckRS 2017, 143085 Rn. 29).
374Hier ist aber – wie ausgeführt – ein eigener Besitz der Beklagten zu 3) an den Audiofiles schon nicht ausreichend (und nach §§ 525 S. 1, 371 Abs. 2 S. 2, 426 ZPO nachprüfbar) vorgetragen; in diesem Rechtsverhältnis besteht daher im Ansatz kein Bedürfnis für Anordnungen.
375Dass gegen den Beklagten zu 1) zweifelsfrei materiell-rechtliche Herausgabeansprüche analog § 667 BGB wegen der unstreitig in seinem Besitz befindlichen Audiodateien bestehen, vermag den Senat ebenfalls nicht zu ergänzenden Anordnungen zu bewegen: Zum einen dient § 144 ZPO - wie auch § 142 ZPO (vgl. dazu schon Senat v. 19.10.2017 - 15 U 161/16, BeckRS 2017, 143085 Rn. 27 f.) - nicht der Ermöglichung einer Ausforschung (oder gar sonstigen, prozessfremden Zielen) und auf eine solche wäre jedenfalls die klägerseits fortlaufend angemahnte Vorlage der Gesamtaufnahmen hinausgelaufen, die erst Anlass zur sprichwörtlichen Suche nach der „Nadel im Heuhaufen“ geboten hätte. Dem steht aber entgegen, dass die Klägerin selbst das Verfahren mit dem oben Gesagten durch konkrete Beweisanträge etwa nach §§ 525 S. 1, 371 Abs. 2 S. 2, 422 ff. ZPO aufgrund der vom Senat im Vorfahren erteilten Hinweise bereits ab Klageeinreichung konzentrierter und im Einklang mit dem Beibringungsgrundsatz der ZPO in erster Instanz hätte entsprechend steuern können. In Ansehung der vom Senat im Vorverfahren genannten Regelungen, bedurfte es - wie oben bereits ausgeführt - auch keines weiteren gerichtlichen Hinweises an die Klägerseite mehr. Dass das Landgericht in erster Instanz wie auch in allen Vorverfahren keine Herausgabeanordnungen treffen würde – die nicht einmal konkret angeregt war -, war spätestens bei der Antragstellung in der mündlichen Verhandlung allen Beteiligten offensichtlich.
376Im Übrigen hält der Senat - unterstellt, die der Klägerin herausgegebenen Originalaufnahmen seien zu weiten Teilen in einem schlechten Zustand und der Beklagte zu 1) sei materiell-rechtlich herausgabepflichtig - eine entsprechende Anordnung auch weiterhin nicht für sachgerecht: Denn die Klägerin selbst hat ihre (unterstellte) Beweisnot jedenfalls auch zu gewissen Teilen mit zu verantworten und es kann auch mit Blick auf § 42 ZPO schwerlich Sinn und Zweck des § 144 ZPO sein, von Seiten des Gerichts einseitig zu Gunsten einer Partei in zweiter Instanz auf den Ausgang eines Rechtsstreits einzuwirken. Die Klägerin beruft sich vor allem darauf, dass ihre Stufenklage (§ 254 ZPO) gegen den Beklagten zu 1) (Senat – 15 U 66/17 = BGH – III ZR 136/17) beim Landgericht Köln auf der Auskunftsebene „hänge“ und sie dort im Wege des § 888 ZPO um die Erfüllung der Auskunftspflichten durch den Beklagten zu 1) streiten müsse. Indes ist unstreitig, dass der Beklagte zu 1) schon unter dem 29.06.2018 (Anlage K 30, AO II) mitgeteilt hat, dass die sich - ausweislich des Buches „in aller Welt“ verteilten - Vervielfältigungsstücke mittlerweile allesamt auf näher bezeichneten Wechseldatenträgern bei ihm befänden. Zudem ist zu berücksichtigen, dass seit dem 27.04.2017 (LG Köln, Teilurteil v. 27.4.2017 – 14 O 286/14, GRUR-RS 2017, 125260) ein vorläufig vollstreckbarer Auskunftstitel gegen den Beklagten zu 1) vorliegt, die Zwangsvollstreckung gegen diesen aber nicht zeitlich forciert und konzentriert - sei es auch mit Sachstandsanfragen beim Landgericht - betrieben worden ist. Darauf kommt es jedoch nicht einmal entscheidend an, weil jedenfalls Mitte Juni 2018 besagte Auskunft erteilt war. In Ansehung dessen ist es unzutreffend, wenn die Klägerin u.a. auf S. 2 des Schriftsatzes vom 24.11.2022 (Bl. 4158 d.A.) damit argumentiert hat, dass sie sich in diesem Stufenklageverfahren (seit Jahren?) in einem „prozessualen Dilemma“ befinde, weil sie erst in die nächste Stufe (eidesstattliche Versicherung und/oder Herausgabe) überwechseln könne, wenn die erste Stufe „erledigt“ sei und der Beklagte zu 1) dies bewusst hintertreibe, um die Herausgabe der Aufnahmen zu verzögern und so die Beweisführung gegen ihn und die Beklagte zu 3) zu erschweren. Denn diese Argumentation verkennt, dass die Klägerin diese Stufenklage Mitte Juni 2018 prozessual hätte „aufbrechen“ und den von Beklagten zu 1) eingeräumten (Mindest-) Besitzstand an Datenträgern zum Gegenstand eines den Anforderungen des § 253 Abs. 2 ZPO genügenden Herausgabeverlangens hätte machen können. Das hätte hier dann in erster Instanz ggf. Anlass geboten, konkretere Beweisanträge zu formulieren, Aussetzung zu beantragen oder bei entsprechendem Sachvortrag ggf. in Einzelfragen zumindest im Verhältnis zum Beklagten zu 1) wegen der materiell-rechtlichen Herausgabeverpflichtung fallbezogen etwaige Fragen einer Beweisvereitelung zu thematisieren. All dies ist in erster Instanz unterblieben. Die Ansicht, dass bei der Stufenklage alle Stufen zwingend „abzuarbeiten“ seien, ist im Übrigen nicht zutreffend: Ebenso wie bei Zahlungsanträgen ein von Anfang an abgrenzbarer und entscheidungsreifer Teil durch Teilurteil entsprechend § 301 ZPO als bezifferter Zahlungsantrag im Wege der Klagehäufung (§ 260 ZPO) neben einem stufenweise verfolgten weiteren (dann unbezifferten oder mit Mindestbetrag geschätzten) Zahlungsantrag verfolgt werden kann (BGH v. 26.04.1989 - IVb ZR 48/88, NJW 1989, 2821; Zöller/Greger, ZPO, 35. Aufl. 2024, 254 § 254 Rn. 4a, 7; Musielak/Voit/Foerste, ZPO, 20. Aufl. 2023, § 254 Rn. 3, 5; wohl auch BGH v. 18.04.2002 - VII ZR 260/01, NJW 2002, 2952, 2953 für unabhängig von der Stufung mögliche Leistungsklage), muss das auch bei Herausgabeklagen gelten. Dies wäre nur anders, wenn zwar ein „Mindestbetrag“ eines Zahlungsantrages von Anfang an beziffert würde, aber durchgehend klar ist und bleibt, dass es dennoch um eine stufenweise Erledigung gehen muss und soll, weil dann in der Tat erst die Auskunftsstufe beendet werden müsste (BGH v. 20.03.1972 – II ZR 160/69, BeckRS 1972, 131; v. 27.03.1996 - XII ZR 83/95, NJW-RR 1996, 833, 834 f.; siehe auch BGH v. 16.06.2010 - VIII ZR 62/09, NJW-RR 2011, 189 Rn. 24 zum stufenweisen Vorgehen). So liegt der Fall hier aber gerade nicht und eine Trennung von konkretem Leistungsantrag und Stufenklage ist folgerichtig auch im weiteren Verlaufe einer Stufenklage in den Grenzen der §§ 263, 264 ZPO durchaus möglich (siehe auch Greger, a.a.O.). Bei einer Stufenklage im Bereich von Zahlungsansprüchen könnte man so etwa ohne weiteres eine „nachträgliche Teilbezifferung“ zulassen, mit der man (nur) insofern dann (zulässigerweise, vgl. etwa BGH v. 24.05.2012 – IX ZR 168/11, NJW 2012, 2180 Rn. 33) die Stufenklage teilweise „fallenlassen“ würde und einen (abgrenzbaren) Teil bereits zur Entscheidung durch Teilurteil stellen kann. Vorliegend hätte man – diesen Gedanken übertragend - daher eine konkrete Herausgabeklage (in dem bereits bestimmbar zu beantragenden Teil) unter den Voraussetzungen des § 301 ZPO zur Entscheidung durch ein (weiteres) Teilurteil stellen können, während im Übrigen der noch unbestimmte potentielle „Rest“ (mit Blick auf möglicherweise fehlende Auskünfte) auch weiterhin als Stufenklage nach den zu § 254 ZPO geltenden Grundsätzen zu betreiben gewesen wäre bzw. zunächst gerade nicht weiter betrieben wird, bis im Wege des § 888 ZPO die Vollstreckung auf der Auskunftsstufe so weit abgeschlossen ist, um einen Wechsel zur zweiten oder dritten Stufe zu erlauben. Die Voraussetzungen zur Entscheidung nach § 301 ZPO wären bezüglich der - sachlich ohne weiteres abgrenzbaren - Herausgabeansprüche hinsichtlich einzelner Datenträger dabei durchaus gegeben, zumal es um jeweils eigene Streitgegenstände geht.
377Selbst wenn mit Blick auf § 301 ZPO dann noch Bedenken im Hinblick auf im Prozessverlauf möglicherweise widersprechende Urteile bestehen würden (vgl. dazu BGH v. 12.04.2016 – XI ZR 305/14, NJW 2016, 2662 Rn. 29, zur nur eingeschränkten Bindung dieses Grundsatzes aber gerade im Zusammenspiel mit Stufenklagen aber BGH v. 16.06.2010 - VIII ZR 62/09, NJW-RR 2011, 189 Rn. 27; generell kritisch zum Gebot der Unabhängigkeit etwa Jurgeleit, BauR 2016, 375 ff.), da weder das Teilherausgabeurteil noch das Auskunftsurteil Bindungswirkung für die Stufenklage hätten (siehe nur BeckOK-ZPO/Bacher, Ed. 51, § 254 Rn. 22 m.w.N.), wäre auch dies kein Hindernis. Denn hier wäre zur Vermeidung einer solchen Situation nicht nur von Seiten des Gerichts ein Grundurteil über die Herausgabepflicht denkbar (BGH v. 01.03.1999 – II ZR 312/97, NJW 1999, 1706), sondern klägerseits auch das Stellen entsprechender Zwischenfeststellungsanträge (§ 256 Abs. 2 ZPO) für die präjudizielle Frage einer Herausgabepflicht des Beklagten zu 1) (vgl. allg. für die Stufenklage BGH v. 27. 11. 1998 - V ZR 180/97, VIZ 1999, 161; zur Stellung von Zwischenfeststellungsanträgen in bewusster Wegbereitung eines Teilurteils auch BGH v. 07.03.2013 – VII ZR 223/11, NJW 2013, 1744 Rn. 20; v. 26.04.2012 − VII ZR 25/11, NJW-RR 2012, 849 Rn. 13).
378Es wäre – gerade bei einer hier zu Gunsten der Klägerin unterstellten und auch vom Senat vermuteten bewussten Verzögerung des Verfahrens der Stufenklage durch den Beklagten zu 1) – kaum zu erwarten gewesen, dass sich das Landgericht einem solchen prozessualen Vorgehen mit Blick auf die Rechtschutzgarantien des Art. 19 Abs. 4 GG, etwa in zu enger Handhabung des § 301 Abs. 2 ZPO verschlossen hätte. Denkbar gewesen wäre zumindest eine jederzeit mögliche Abtrennung des bereits unter Fallenlassen der Stufenklage im Übrigen nunmehr „konkretisierbaren“ Herausgabeteils über § 145 ZPO. Eine solche Abtrennung würde mit Blick auf § 301 ZPO zudem Fragen zur Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen im Ansatz aushebeln, weil die zu § 301 ZPO geltenden Grundsätze im Rahmen des § 145 ZPO anerkanntermaßen nicht gelten (st. Rspr., vgl. etwa BGH v. 03.04.2003 - IX ZR 113/02, NJW 2003, 2386, 2387). Zwingend ist eine solche Abtrennung aber nicht; mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG wäre es allenfalls ermessensfehlerhaft, gar nichts zu tun. Bei Verweigerung einer Terminierung der teilweise "fallengelassenen“ Stufenklage (nur) für die neue Teilklage auf konkretisierte Herausgabe nebst Zwischenfeststellung bei im Übrigen weiter auf der Auskunftsstufe „schwebender“ Stufenklage wäre – ähnlich wie in den Fällen des § 304 Abs. 2 ZPO (dazu OLG Köln v. 28.07.1955 - 7 W 49/55, NJW 1956, 555; v. 03.09.2014 - 16 W 29/14, BeckRS 2014, 19572) – auch analog § 252 ZPO eine gerichtliche Klärung der Fortsetzungsfrage im Beschwerderechtszug möglich gewesen und hätte bei unterstelltem bewusstem Verzögerungsverhalten des Beklagten zu 1) im Lichte des Art. 19 Abs. 4 GG ebenfalls zeitnah zu einer Klärung im Sinne der Klägerin beigetragen. Das gilt jedenfalls dann, wenn gleichzeitig auch eine Abtrennung (§ 145 ZPO) ermessensfehlerhaft abgelehnt worden wäre.
379Jedenfalls – und das ist maßgeblich – besteht in Ansehung des nicht rechtzeitigen Einleitens derartiger hier nur beispielhaft angeführter Schritte ab Mitte 2018 weiterhin kein Anlass für den Senat, die Klägerin durch weitreichende richterliche Anordnungen erst im Berufungsverfahren dann noch einseitig zu unterstützen und damit de facto die Leistungsstufe der Stufenklage zumindest teilweise zu ihren Gunsten vorwegzunehmen. Dass der Beklagte zu 1) seinerseits mit der Herausgabe in Schuldnerverzug sein dürfte, trägt allein keine andere und der Klägerin günstigere Bewertung, erst recht nicht mit Blick auf die Beklagte zu 3).
380Zu Gunsten der Klägerin streitet schließlich auch nicht, dass die angesprochene Auskunft des Beklagten zu 1) aus dem Jahre 2018 (erneut) unzutreffend gewesen sein dürfte und sich die Datenträger mit den Audiokopien möglicherweise nicht (mehr) bei ihm zu Hause, sondern in seinen Bankschließfächern befinden. Denn über § 883 Abs. 2 ZPO wäre bei einem Scheitern der Herausgabevollstreckung in der Wohnung des Beklagten zu 1) auch dies beim Vollstreckungsgericht zu klären gewesen. Über §§ 846, 886 ZPO, § 127 Abs. 1 S. 3 und 4 GVGA wäre in Verbindung mit den Grundsätzen der sog. Hilfspfändung des Zutritts zu Bankschließfächern im Wege des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses eine Vollstreckung zeitnah umzusetzen gewesen (dazu etwa AG Potsdam v. 11.11.2015 - 48 M 1580/15, BeckRS 2016, 20; Bendtsen, in: Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung, 4. Aufl. 2021, § 846 Rn. 2; Neth-Unger, in: Fandrich/Karper, Münchner Anwaltshandbuch Bank- und Kapitalmarktrecht, 2. Auf. 2018, § 3 Rn. 377).
381((f))
382Schließlich besteht für den Senat kein Anlass für eine Aussetzung des Verfahrens nach § 148 ZPO mit Blick auf die laufende Stufenklage gegen den Beklagten zu 1) wegen Auskunft und Herausgabe der Kopien der Bänder und die nach den Erkenntnissen aus dem Beschwerdeverfahren dort zwischenzeitlich gestellten Anträge. Denn die Frage der Herausgabe dieser Audiokopien ist schon nicht vorgreiflich im Sinne einer präjudiziellen Bedeutung des in dem anderen Prozess festzustellenden Rechtsverhältnisses. Eine Aussetzung scheidet aus, wenn die in dem anderen Prozess zu treffende Entscheidung auf das vorliegende Verfahren lediglich „Einfluss“ ausüben könnte (BGH v. 12.12.2005 - II ZB 30/04, NJW-RR 2006, 1289; v. 30.03.2005 - X ZB 26/04, NJW 2005, 1947). Selbst wenn man das wegen der möglichen Bedeutung für eine Beweisführung anders sehen wollte, spricht im Zuge der gebotenen Ermessensausübung die nunmehr drohende weitere zeitliche Verzögerung gegen eine Aussetzung, weil die weitere zeitliche Entwicklung der Stufenklage - wird diese auch früher oder später zur Herausgabe von Tonbandkopien führen - derzeit nicht genau absehbar ist, während im vorliegenden Rechtsstreit Entscheidungsreife vorliegt. Zudem ist keineswegs sicher, dass sich bei einer Herausgabe der digitalen Audioaufnahmen hinsichtlich der weiteren Passagen des Buches - welche der Erblasser selbst zu Lebzeiten nicht als Falschzitate angegriffen hat - überhaupt ein anderes Ergebnis ergeben hätte. Das spricht dann ebenso gegen eine Aussetzung wie der bereits angesprochene Aspekt der nicht unerheblichen Mitverantwortung der Klägerin an den entstandenen Verzögerungen bei der Rechtsverfolgung. Dass der Beklagte zu 1) seinerseits mit der Herausgabe in Schuldnerverzug ist, trägt auch hier keine andere und der Klägerin günstigere Bewertung, erst recht nicht mit Blick auf die Beklagte zu 3).
383((3))
384In Ansehung des Vorgenannten kann der Senat prozessual nicht im Sinne der Klägerin feststellen, dass durch das Buch insgesamt ein grob unzutreffendes Bild von Inhalt und Verlauf der „Memoirengespräche“ erzeugt worden und aus diesem Aspekt heraus eine Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts des Erblassers anzunehmen ist.
In Anlehnung an das zu (a) Gesagte entsteht auch nicht ein grob falscher Eindruck als negatives „Zerrbild“ des Erblassers mit frei erfundener Stimmungslage dahingehend, der Erblasser habe „Memoiren der Rache“ schreiben wollen, sei dubios-verschlagen als „Mann des Zorns“ aufgetreten und habe sich „beim Bilanzieren seines Lebens … vermeintlich als reueloser Gesetzesbrecher, als berechnender und schon sprachlich derber und mithin durch und durch unversöhnlicher Mensch entlarvt“ (so u.a. S. 49 der Klageschrift = Bl. 49 d.A.), der rein ich-bezogen, larmoyant und nur von persönlichen Befindlichkeiten getrieben erstmals sein wahres Gesicht gezeigt habe und es sich mit S. 12 des Schriftsatzes der Klägerin vom 15.05.2019 (Bl. 881 d.A.) „an seinem Lebensabend nicht nehmen lasse, einen wütenden Rachefeldzug gegen ehemalige Weggefährten und politische Gegner zu führen und diese im Sinne einer zornigen Generalabrechnung in großem Stile in derber Sprache herabzuwürdigen.“ Denn ähnlich dem oben zur vermeintlich „zornigen Generalabrechnung“ Gesagten entsteht ein solcher Eindruck von Person und Stimmungslage des Erblassers nicht durch das Buch insgesamt. Etwaige Einzelabweichungen im Detail – denen man mit einem Antrag auf Einzelverbote zu den Passagen hätte begegnen können, zu denen aber mit dem oben Gesagten ausreichender Sachvortrag fehlt – begründen keine grobe Lebensbildverfälschung. Insbesondere sind auch viele Angaben zur vermeintlichen „Minusfigur“ im Kapitel ab S. 69 ff. eigene Bewertungen der (nicht ausreichend bestrittenen) Inhalte in offener Würdigung durch den Beklagten zu 2) als Kapitelautor.
386Zudem tritt hinzu, dass der Erblasser das „Tagebuch“ unstreitig seiner öffentlichen Selbstdarstellung im Zusammenhang mit der gegen ihn gerichteten Kritik in der sog. Spendenaffäre gewidmet hat. Nach dem eigenem Sachvortrag der Klägerin war es auch Ziel seiner Memoirenarbeit, der nach dem Regierungswechsel aus seiner Sicht verstärkt um sich greifenden Versuche der „Geschichtsfälschung und – klitterung“ aktiv entgegenzuwirken. Auch wenn das an der - wie gezeigt – sachlich-nüchternen Memoirenarbeit nichts geändert hat, steht dennoch außer Frage, dass der Erblasser sich – wie auch im „Tagebuch“ und in seiner sonstigen Öffentlichkeitsarbeit während der sog. Spendenaffäre zum Ausdruck gebracht – im Ergebnis als ungerecht scharf angeprangert gesehen hat und es über die sog. Spendenaffäre zum Bruch mit vielen Weggefährten und zur Abkehr vieler „Parteifreunde“ vom Erblasser gekommen ist. Dies prägt aber dessen Lebensbild – ebenso wie zahlreiche politische Erfolge – gleichermaßen. Selbst wenn das streitgegenständliche Buch hier und da Überzeichnungen enthalten sollte, ergeben sich in der Gesamtschau keine Ansatzpunkte für die Annahme einer Lebensbildverfälschung des Erblassers, den man schon in Ansehung seines Beharrens auf sein gegebenes „Ehrenwort“ mit noch zulässigen Meinungsäußerungen möglicherweise auch als besagten „reulosen Gesetzesbrecher“ verstehen mag, selbst wenn man dann viele andere Facetten seiner Person nicht oder nicht in demselben Umfang würdigt. Der Senat betont allerdings erneut (siehe schon Urt. v. 22.06.2023 – 15 U 135/22, n.v.), dass es entgegen der dahingehenden Argumentation auf S. 33 der Klageerwiderung der Beklagten zu 4) und 5) (Bl. 304 d.A.) nicht angehen kann, den Erblasser im Kontext der sog. Spendenaffäre mehr oder weniger zum „Freiwild“ zu erklären, weil er sein Image ohnehin schon selbst maximal „ramponiert“ und einen maximalen Schaden für das Amt des Bundeskanzlers angerichtet habe. Denn eine Verfälschung des Lebensbildes und/oder Verletzung des personalen Achtungsanspruch muss auch unter den solchen Umständen weiter nach anerkannten Grundsätzen feststellbar sein; vorliegend sind indes – wie ausgeführt – die strengen Anforderungen nicht erreicht.
Eine grobe Lebensbildverfälschung des Erblassers und/oder Verletzung seines personalen Achtungsanspruchs kann schließlich nicht mit Blick auf das – sei es ursprünglich durch den Beklagten zu 1) vertragswidrig erfolgte – „Aufdecken“ von dessen Mitarbeit an dem „Tagebuch“ und den drei erschienenen Bänden der „Erinnerungen“ des Erblassers gesehen werden. Die Klägerin hat zwar u.a. auf S. 64 f. der Klageschrift (Bl. 64 f. d.A.) gerügt, dass ein In-Abrede-Stellen der Autorenschaft des Erblassers an den „Erinnerungen“ eine Lebensbildverfälschung des Erblassers darstelle und der Beklagte zu 1) etwa auf S. 18, 32 und 53 des Buches seine Rolle überhöhe. Ungeachtet der Tatsache, dass auch insofern konkrete Einzelangriffe gegen etwaige Falschbehauptungen in bestimmten Passagen des Buches veranlasst wären, vermag der Senat auch hier keine Lebensbildverfälschung zu erkennen.
388Soweit die Klägerin auf den Tonbandaufnahmen ein häufiges „Aneinandervorbeireden“ im Gespräch des Beklagten zu 1) mit dem Erblasser erkennen will und daraus eine unzureichend strukturierte Vorbereitung des Beklagten zu 1) ableitet, geht es dabei erkennbar um eine eigene Bewertung der Klägerin von der Zusammenarbeit des Beklagten zu 1) und dem Erblasser. Mit dem oben u.a. zu den „Tiefeninterviews“ auf S. 17 des Buches Gesagten kann damit keine Lebensbildverfälschung angenommen werden. Soweit die Klägerin u.a. auf S. 47 ff. ihres Schriftsatzes vom 10.03.2022 (Bl. 3271 ff. d.A.) . trotz Hinweises auf §§ 530, 531 Abs. 2, 282 Abs. 2, 296 Abs. 2, 130a ZPO im Auflagen- und Beweisbeschluss vom 02.06.2022 (S. 10 = Bl. 3591 d.A.) - unter Verweis auf bis zuletzt nicht zu den Akten gereichte weitere Schriftwechsel, Unterlagen usw. behauptet hat, dass sich entgegen der Darstellung des Beklagten zu 1) auch der Erblasser stets intensiv um die Beschaffung von Akten und Unterlagen und/oder Zuarbeiten Dritter bemüht und selbst Input für die Arbeiten an den Erinnerungen gegeben habe, ist der Vortrag auf S. 2 des Schriftsatzes der Beklagten zu 3) vom 09.05.2023 (Bl. 4568 d.A.) – den sich der Beklagte zu 1) zu eigen gemacht hat – bestritten, letztlich unsubstantiiert und klägerseits nicht ausreichend unter Beweis gestellt; im Übrigen ist auch dieses neue Vorbringen nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Dass eine konkrete Einzelpassage des Buches (welche?) deswegen das Lebensbild des Erblasser (grob) verfälschen - und nicht allenfalls einzelne Teilaspekte der Zusammenarbeit bei den immerhin 2300 Seiten umfassenden „Erinnerungen“ falsch darstellen - soll, ist dem Senat ohnehin nicht erkennbar. Soweit die Klägerin vage andeutet, auch die Memoiren seien vom Beklagten zu 1) auf Basis der dem Beklagten zu 1) nur über den Erblasser zugänglich gemachten Aktenlage sowie von nach Briefwechseln nachweislichen Zuarbeiten Dritter nach den Vorgaben des Erblassers nur im „copy-and-paste-Verfahren“ erstellt, ist das gleichermaßen bestrittene Vorbringen ebenfalls neu und nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Es ist auch inhaltlich substanzlos, zumal der Zeuge Dr. R. umfangreiche Aktenrecherchen zusammen mit dem Beklagten zu 1) und auch eigene Schreibarbeit des Beklagten zu 1) an dessen Teilen durchaus glaubhaft bekundet hat. Ungeachtet dessen ist das Vorbringen aus den oben genannten Gründen aber auch rechtlich ohne Belang. Denn allein streitige Schilderungen über verschiedene Teilaspekte der internen Zusammenarbeit – zu der sich das streitgegenständliche Buch insgesamt nur substanzarm verhält – verfälschen jedenfalls nicht grob das Lebensbild. Soweit die Klägerin schließlich geltend macht, der Erblasser habe tatsächlich “nach dem Kalender seines (politischen) Lebens” seine Lebenserinnerungen über Monate hinweg “frei von der Leber weg und “ins Unreine” gesprochen auf Band” genommen, dies auch um „bei einem möglichen Mitarbeiterwechsel nicht wieder von vorne anfangen und sein Leben nicht ein zweites Mal erzählen zu müssen” (S. 2 des Schriftsatzes der Klägerin v. 01.02.2021, Bl. 3055 d.A.), ist letzteres schon deswegen fernliegend, weil der Zeuge K. A. überzeugend geschildert hat, dass und warum der Erblasser zu Beginn ein Ende der anfangs erfolgreichen Zusammenarbeit mit dem Beklagten zu 1) keinesfalls „auf dem Radar“ gehabt habe; anderes wäre nach dem unstreitigen Rahmengeschehen auch fernliegend. Das kalendermäßige „Abdiktieren“ ergibt sich zudem auch nicht aus den dem Senat vorgelegten und von der Klägerin selbst als repräsentativ behandelten Tondateien, die durchaus oft Rede und Gegenrede – vielleicht anhand der auch an anderer Stelle von der Klägerin selbst angesprochenen Stichwortlisten – offen erkennen lassen (etwa Anlagen K 54 oder K 18), keinesfalls aber ein druckreifes „Abdiktieren.“ Auch aus den Gesprächsabschriften in Anlage K 32 (Bl. 1023 ff. d.A.), die beklagtenseits im Schriftsatz vom 06.09.2019 (Bl. 1064 ff. d.A.) nicht substantiiert bestritten wurden, ergibt sich kein „Abdiktieren“, sondern allein die oben bereits geschilderte sachlich-nüchterne Zusammenarbeit (selbst bei dem für den Erblasser persönlich sensiblen Thema der Stasi-Akten). Von daher ist es zwar eine (zulässige) eigene Bewertung des Gesamtgeschehens durch die Klägerin, wenn sie meint, den vom Beklagten zu 1) im Verfahren gezeichneten vorbereiteten und befähigten Mitarbeiter, der mit dem Erblasser Interviews „auf Augenhöhe geführt“ und insgesamt dessen Erinnerungen in Memoirenform gegossen habe, gebe es nur in dessen Phantasie; konkrete Angriffe gegen Einzelpassagen des Buches lassen sich damit nicht begründen. Selbst wenn Einzelheiten der Zusammenarbeit überzeichnet sein sollten, ließe sich keine grobe Lebensbildverfälschung feststellen. Dass der Erblasser zumindest „in Teilen“ den Beklagten zu 1) zu Aktenrecherchen etc. eingesetzt hat und man aus den Recherchen gemeinsam die Memoiren „herausgeformt“ hat, trägt ansonsten gerade auch die Klägerin selbst u.a. auf S. 2 des Schriftsatzes vom 01.02.2021 (Bl. 3055 d.A.) selbst vor und auch, dass es den vorbereitenden Arbeiten folgende „Schreib-Arbeit“ des Beklagten zu 1) gegeben hat (a.a.O., S. 3 = Bl. 3056 d.A.).
389Auch soweit die Klägerin auf S. 56 f. des Schriftsatzes vom 10.03.2022 (Bl. 3280 f. d.A.) – was der Beklagte zu 1) nicht ausreichend substantiiert bestritten hat – noch vorträgt, dass sie u.a. einen Aufsatz über die Wirtschafts- und Währungsunion verfasst habe und der Erblasser diesen im Jahr 2006 an den Beklagten zu 1) mit der Bitte um ein „Einfließen-Lassen“ in die Memoirenarbeit übermittelt hat, ergibt sich auch daraus für den Senat kein Ansatzpunkt zur Annahme einer groben Lebensbildverfälschung an einer oder gar mehreren konkreten Stellen der mit dem breit gefassten Klageantrag angegriffenen Buchtextstellen. Auch spielt – das Buch verhält sich dazu nicht näher – keine Rolle, ob Prof. DX. bei einem „Memoirengespräch“ anwesend war oder nicht.
Soweit die Klägerin noch meint, dass die streitgegenständliche Publikation in der Öffentlichkeit als eine Art „inoffizielle Fortsetzung“ der Memoiren des Erblassers wahrgenommen werde (dazu schon Senat v. 29.05.2018 - 15 U 64/17, BeckRS 2018, 17910 Rn. 468) bzw. als eine „von den Menschen – nachvollziehbar – als authentische und (nur) nicht autorisierte Autobiografie des Erblassers“, dass man sich damit schon nach dem Titel „Vermächtnis“ quasi an die Stelle des Erblassers gesetzt habe, „seine Sicht der Dinge rauben und umschreiben“ wolle und in dem offensichtlichen Versuch, die Deutungshoheit über ihn zu erlangen, die eigene Publikationsarbeit des Erblassers „entwerte“, ergibt sich auch daraus kein Eingriff in den postmortalen Achtungsanspruch des Erblassers. Die streitgegenständliche Publikation stellt – wie schon bei (c) zur Aufdeckung der Mitarbeit des Beklagten zu 1) ausgeführt – weder die Authentizität und die vom Erblasser durchweg erfolgte Autorisierung des „Tagebuchs“ und der drei Bände der „Erinnerungen“ noch deren Inhalte in Frage. Gerade die Passagen zu den Niederschriften der Lebenserinnerungen auf S. 49 des Buches - die die Klägerin inhaltlich nicht als unwahre Tatsachenbehauptungen etc. konkret angreift, obwohl ihr eine Überprüfung von unwahren Tatsachen bei einer Befragung des anwesenden Referenten und/oder des Lektorats möglich gewesen wäre - betonen, dass es dem Erblasser „wichtig (war), Zeile um Zeile gemeinsam durchzusehen. Um sicherzugehen, hatte der ewig Misstrauische stets auch noch einen seiner persönlichen Referenten einbestellt. Schließlich galt es, für die Ewigkeit zu formulieren. …. Er war ungemein konzentriert bei der Sache.“ Auch dabei werden die tatsächlichen Angaben zur Redaktion der „Fassung letzter Hand“ auf S. 37 f. des Buches - die mit den auf den Tonbandaufnahmen befindlichen Inhalten nichts zu tun haben, auf die die Klägerin nicht zugreifen können will - nicht konkret als unwahre Behauptungen in Zweifel gezogen. Zum „Tagebuch“ wird betont, wie wichtig dem Erblasser dieses Buch als „Verteidigungslinie in den Monaten des Spendenskandals“ (S. 33 des Buches) war, es ist vom „Abfassen seiner Verteidigungsrede“ (S. 37 des Buches) die Rede. Soweit die Klägerin meint, dass damit die veröffentlichten Memoiren des Erblassers „als authentische Quelle in Frage“ gestellt würden (S. 63 der Klageschrift = Bl. 63 d.A.) und in historischen Seminaren vermeintliche Widersprüche zwischen den Memoiren und der streitgegenständlichen Publikation diskutiert würden (a.a.O.), mag das sein, begründet aber keinen groben Eingriff in das Lebensbild und/oder den durch die Lebensstellung erworbenen Geltungsanspruch des Erblassers. Etwaige Falschzitate im engeren oder weiteren Sinne und/oder sonst unwahre Tatsachenbehauptungen hätten – zumal nach den Erkenntnissen des Vorverfahrens die Quantität von Fehlern schon so hoch war, dass etwaige weitere Unwahrheiten ohne weiteres zu Unterlassungsansprüchen hätten führen können – einzeln angegriffen und bei entsprechendem Vortrag untersagt werden können; prozessual ausreichender Vortrag dazu fehlt aber mit dem oben Gesagten. Darüber hinausgehende Unterlassungsansprüche gegen die dem Beklagten zu 1) nicht schon kraft Vertrages untersagten und hier noch streitgegenständlichen Passagen lassen sich damit nicht begründen. Auch der Bundesgerichtshof hat im Vorverfahren ausgeführt, dass außerhalb von Fehlzitaten oder konkret in Passagen feststellbaren Stimmungsbildverfälschungen etc. (BGH v. 29.11.2021 – VI ZR 248/18, GRUR-RS 2021, 39313 Rn. 132 ff.) gerade keine weitergehenden Abwehransprüche zu begründen sind. Dass Argument, dass man die jahrelange Arbeit des Erblassers an den eigenen Memoiren zunichte mache (S. 50 der Klageschrift = Bl. 50 d.A.), trägt in Ansehung dessen nicht. Bei (prozessual unterstellt) zutreffender Tatsachenvermittlung ist der kritische Diskurs um den Staatsmann im Zweifel von der Öffentlichkeit sogar erwünscht und die Klägerin verkennt, dass der postmortale Achtungsanspruch kein Recht gibt, nur so gesehen zu werden, wie es sich der Erblasser selbst gewünscht hat oder wie das - nach seinem Tod - die Klägerin als Wahrnehmungsberechtigte für angemessen hält. Mit dem schon zu (a) und (b) Gesagten kann der Senat gerade nicht feststellen, dass man in dem streitgegenständlichen Buch insgesamt den unzutreffenden Eindruck erweckt habe, der Erblasser habe sich „bei seiner Memoirenarbeit im Rückblick auf sein Leben … als nicht vertrauenswürdiger, käuflicher, rachsüchtiger, bitterböser und zorniger alter Mann mit drastischer, beleidigender Wortwahl über Dritte und gegen alles und jeden offenbart und entlarvt“, und man habe dann deswegen den eigenen Memoiren des Erblassers „die Glaubwürdigkeit genommen.“
Mit den Feststellungen des Bundesgerichtshofes im Urteil vom 29.11.2021 (VI ZR 248/18, GRUR-RS 2021, 39313 Rn. 20, 139 m.w.N.) ist durch die Publikation und die beanstandeten Passagen das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers auch nicht etwa unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Achtungsanspruchs, der dem Menschen kraft seines Personseins zusteht, verletzt. Zwar sind einige der im Vorverfahren angegriffenen Passagen möglicherweise geeignet, sich abträglich auf das Bild des Erblassers in der Öffentlichkeit auszuwirken, so dass deren Publikation den Erblasser in seiner Ehre und sozialen Anerkennung betreffen mag. Diese Beeinträchtigungen erreichen aber weder für sich noch im Zusammenspiel mit anderen Passagen und auch nicht in der Gesamtschau das Maß, das für die Annahme einer die Menschenwürde des Erblassers verletzenden Herabwürdigung oder Erniedrigung erforderlich wäre.
Schließlich ergibt sich auch kein weitergehender Unterlassungsanspruch unabhängig von einer Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts des Erblassers aus § 826 BGB. Denn eine Rechtsposition des verstorbenen Erblassers jenseits seines postmortalen Persönlichkeitsrechts, in der er - wie von § 826 BGB verlangt - sittenwidrig geschädigt werden könnte, gibt es nicht (siehe auch BGH v. 29.11.2021 – VI ZR 248/18, GRUR-RS 2021, 39313 Rn. 140 f.).
Mit Blick auf das zu Ziff. 1 Gesagte bleibt die (zulässige) Zwischenfeststellungsklage des Beklagten zu 1) ohne Erfolg.
Im Berufungsverfahren kann zwar ein Zwischenfeststellungsantrag ungeachtet der rechtlichen Voraussetzungen aus § 533 Nr. 1 ZPO (siehe schon zu § 529 Abs. 4 ZPO aF BGH v. 27. 11. 1969 - X ZR 22/67, NJW 1970, 425) von den Parteien erhoben werden. In Ansehung der Vorgreiflichkeit der vom Beklagten zu 1) nach der im Termin zuletzt vorgenommenen Klarstellung zum Gegenstand gemachten Frage nach vertraglichen Geheimhaltungspflichten liegen die Voraussetzungen des § 533 Nr. 2 ZPO – wenn man sie denn überhaupt prüfen wollte – bei einer Zulässigkeit der Zwischenfeststellungs(wider)klage im Übrigen ebenfalls vor (vgl. allgemein auch BeckOK-ZPO/Bacher, Ed. 51, § 256 Rn. 40).
Der im Termin auf den Hinweis des Senats konkretisierte Zwischenfeststellungsantrag ist zulässig. Vorliegend ist ein Hauptsacheverfahren anhängig und die Frage, ob und in welchem Umfang vertragliche Verschwiegenheitspflichten des Beklagten zu 1) bestanden und weiterhin bestehen, ist vorgreiflich, d.h. wenigstens teilweise maßgeblich für die Hauptsacheentscheidung im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (zu dieser Voraussetzung etwa BAG v. 07.02.2019 – 6 AZR 84/18, NJW 2019, 1833 Rn. 18). Entgegen dem unklaren Wortlaut des § 256 Abs. 2 ZPO muss das Rechtsverhältnis nach dem Normzweck nicht erst im Laufe des Prozesses streitig geworden sein, sondern es genügt, wenn dies – wie hier – schon vorher der Fall war (st. Rspr., BGH v. 06.07.1989 - IX ZR 280/88, NJW-RR 1990, 318, 319 f.). Die vom Senat zu prüfenden Fragen nach vertraglichen Geheimhaltungspflichten sind schließlich nicht schon automatisch von der Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung über Unterlassungs- oder Auskunftsansprüche miterfasst (§ 322 Abs. 1 ZPO). Ein Feststellungsinteresse i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO ist wegen der Vorgreiflichkeit als eigene Sachentscheidungsvoraussetzung des § 256 Abs. 2 ZPO nicht gesondert zu prüfen (st. Rspr., vgl. etwa BGH v. 21.02.1992 - V ZR 273/90, NJW 1992, 1897), läge hier aber ohnehin vor. Die Entscheidung über die präjudizielle Vorfrage kann über den konkreten Streitgegenstand hinaus – etwa für weitere Ersatz- und sonstige Herausgabeansprüche, Ansprüche auf Erstattung von Rechtsverfolgungskosten etc. – theoretisch in Zukunft noch Bedeutung haben (zu dieser weiteren Voraussetzung etwa BGH v. 05.05.2011 - VII ZR 179/10, NJW 2011, 2195 Rn. 20). Die Sinnhaftigkeit eines solchen Antrages folgt u.a. auch aus den Ausführungen des Senats zur eingeschränkten Rechtskraftwirkung bei sog. präjudiziellen Vorfragen auf S. 5 f. des Hinweises vom 02.06.2022 (Bl. 3586 f. d.A.). Jedenfalls nach der Klarstellung im Termin bezieht sich der Antrag auf ein solches sog. präjudizielles „Rechtsverhältnis.“ Der Begriff ist grundsätzlich wie schon in § 256 Abs. 1 ZPO auszulegen (st. Rspr., vgl. BGH v. 20.4.2018 – V ZR 106/17, NJW 2018, 3441 Rn. 14; Musielak/Voit/Foerste, ZPO, 20. Aufl. 2023, § 256 Rn. 41; sogar weiter noch MüKo-ZPO/Becker-Eberhardt, 6. Aufl. 2020, § 256 Rn. 84 m.w.N.), so dass weder reine Tatsachenfragen (wie u.U. die ursprüngliche Frage nach einer tatsächlichen Vereinbarung) noch abstrakte Rechtsverhältnisse/-fragen zum Gegenstand einer Zwischenfeststellung gemacht werden können. Zulässig ist aber, wie nach der schlussendlichen Konkretisierung hier der Fall, die Beschränkung eines Zwischenfeststellungantrags auf einzelne Folgen aus einem Rechtsverhältnis, also auf Feststellung des Bestehens bestimmter Ansprüche/Verpflichtungen oder auf Feststellungen zum genauen Umfang einer Leistungspflicht (st. Rspr., vgl. etwa BAG v. 28.05.2014 – 5 AZR 794/12, NJW 2014, 2607). Soweit die Antragstellung sprachlich zwar explizit nur die Frage nach einer ursprünglichen Begründung von Geheimhaltungspflichten als denklogisch erste präjudizielle Vorfrage erfasst, ist dieser Antrag nach dem umfassend zu verstehenden Rechtsschutzziel des Beklagten zu 1) auszulegen und erfasst daher auch die Feststellung des Nichtfortbestehens einer etwaigen Geheimhaltungspflicht mit Blick auf die Kündigung der Zusammenarbeit und die Aufhebung des Verlagsvertrages des Beklagten zu 1), auf den späteren Tod des Erblassers und/oder den weiteren Zeitablauf bis hin zur letzten mündlichen Verhandlung, da allein dies dem erkennbaren Rechtsschutzziel entspricht und allein dies die allseits auch beabsichtigte Klärung für die Zukunft mit sich bringen wird.
Die so verstandene Klage ist mit dem oben zu Ziff. 1. Gesagten aber - ohne dass es noch auf den Streit der Parteien zur Darlegungs- und Beweislast bei § 256 Abs. 2 ZPO ankommen würde – unbegründet, weil der Beklagte zu 1) ursprünglich und auch weiterhin dem Erblasser bzw. der Klägerin gegenüber zur Geheimhaltung verpflichtet ist. Dass die Geheimhaltungspflicht sachlich nur in dem oben ausgeführten (beschränkten) Umfang besteht, den der Senat im Vorverfahren zu den 116 Buchpassagen bereits bestimmt hat, führt nicht zum Teilobsiegen des Zwischenfeststellungsantrages, der ersichtlich auf die Klärung des Fehlens jedweder Geheimhaltungspflicht ausgerichtet ist, dies im Einklang mit dem Beklagtenvortrag, der jedwede vertragliche Bindung in Abrede hat. Indes besteht – wie ausgeführt – dem Grunde nach eine vertragliche Geheimhaltungspflicht des Beklagten zu 1), so dass die begehrte Feststellung auch insgesamt unbegründet ist. Mit der Klageabweisung steht nach der Rechtskraft des Urteils als sog. kontradiktorisches Gegenteil zu dem hiesigen Zwischenfeststellungsantrag die grundsätzliche vertragliche Geheimhaltungspflicht in genanntem Umfang für die Zukunft fest.
Die Berufung des Beklagten zu 1) hat hinsichtlich der Auskunftsansprüche keinen Erfolg. Denn das Landgericht hat ihn im Ergebnis zu Recht auf der ersten Stufe der Stufenklage (§ 254 ZPO) zu der begehrten Auskunft verurteilt.
398Bedenken an der Zulässigkeit der Stufenklage bestehen mit dem Landgericht nicht. Die Auskunftsklage auf der ersten Stufe ist in vollem Umfang begründet und wurde daher zutreffend durch Teilurteil (§ 301 ZPO) ausgeurteilt.
399Nach Auffassung des Senats kann dahinstehen, ob und ggf. für welche Zeiträume Auskunftsansprüche auf Basis des im Rahmen des Unterlassungsanspruchs aufgezeigten auftragsähnlichen Rechtsverhältnisses (§§ 666, 667 BGB) und/oder wegen angemaßter Eigengeschäftsführung über §§ 687 Abs. 2, 681 S. 2, 666 BGB in Form der Buchpublikation gegen den Willen des Erblassers (zu derartigen Auskunftsansprüchen bei Persönlichkeitsverletzungen Siemes, AcP 201 [2001], 202, 229) konstruiert werden könnten.
400Denn der Auskunftsanspruch folgt jedenfalls aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen und aus Treu und Glauben (§ 242 BGB). Auch wenn es keine allgemeine Auskunftspflicht bei Schadensersatzpflichten gibt (statt aller Grüneberg/Grüneberg, BGB, 83. Aufl. 2024, § 259 Rn. 6), hat der Inhaber eines verletzten immateriellen Schutzguts anerkanntermaßen einen unselbstständigen Hilfs- und Auskunftsanspruch zur Vorbereitung und Durchsetzung eines gegen den Verletzer auf Erstattung materieller Schäden gerichteten Anspruchs, der insbesondere der Berechnung des Schadens dient. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben ist ein solcher Auskunftsanspruch gegeben, wo eine Rechtsverletzung vorliegt, die Auskunft zur Rechtsverfolgung erforderlich ist und zudem vom Verletzer unschwer erteilt werden kann, wobei der Auskunftsanspruch als akzessorischer Hilfsanspruch zum einen das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs dem Grunde nach voraussetzt, zu dessen Berechnung die konkret begehrten Auskünfte zum anderen sachlich-inhaltlich „erforderlich“ sein müssen (st. Rspr., vgl. etwa BGH v. 16.12.2021 – I ZR 201/20, GRUR 2022, 229 Rn. 92 zum Markenrecht und BGH v. 21.01.2021 – I ZR 207/19, GRUR-RS 2021, 548 Rn. 70 ff. zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht).
401Jedenfalls letzteres zeigt, dass es vorliegend in der Sache ausschließlich um einen Anspruch der Klägerin auf Gewinnabschöpfung gehen konnte. Soweit die Klägerin damit argumentiert, dass der von ihr eingeklagte Auskunftsanspruch auf die Grundsätze der sog. dreifachen Schadensberechnung ausgerichtet sei, es ihr nicht zwingend auf Gewinnabschöpfung ankomme und Sinn und Zweck der Auskunftsklage u.a. sei, das Wahlrecht im Rahmen der sog. dreifachen Schadensberechnung später sinnvoll auszuüben (dazu BGH v. 01.12.1999 - I ZR 49/97, GRUR 2000, 709, 715 – Marlene Dietrich), trägt dies keine andere Sichtweise:
402Denn der konkrete Klageantrag (§ 308 Abs. 1 ZPO) und das darin liegende Auskunftsbegehren sind eindeutig nur auf solche Angaben ausgerichtet, die ausschließlich für eine Gewinnabschöpfung benötigt würden, nicht dagegen für die Schätzung einer Lizenzanalogie, für die mit den im Verfahrensverlauf mitgeteilten Umsatzzahlen und Verkaufspreisen sowie den aktenkundigen Vergleichshonoraren aus den Verlagsverträgen bereits Schätzungsgrundlagen vorliegen, und/oder gar für die Bemessung sonstiger materieller Ersatzansprüche. Daher kann es für den Auskunftsanspruch denklogisch allein darauf ankommen, dass zumindest dem Grunde nach eine Gewinnabschöpfung möglich ist. Daran ändert sich nichts dadurch, dass die Rechtsprechung bei Ersatzansprüchen im Zusammenhang mit der sog. dreifachen Schadensberechnung davon ausgeht, dass es prozessual stets um die Durchsetzung eines einheitlichen Ersatzbegehrens geht, bei dem der Verletzte in erster Linie die der Hauptbegründung seines Begehrens zu Grunde liegende Berechnungsart verfolgt, ohne auf die anderen zu verzichten, die gedanklich nach der Art von Hilfsbegehren in den Rechtsstreit einbezogen sind (vgl. BGH v. 25.09.2007 - X ZR 60/06, GRUR 2008, 93 Rn. 9 - Zerkleinerungsvorrichtung). Denn auch dann können die mit dem Klageantrag begehrten Angaben nur verlangt werden, wenn der Anspruch zumindest theoretisch auf die Schadensberechnungsart der Gewinnabschöpfung gestützt werden kann, weil es sonst an der Erforderlichkeit der Auskunftserteilung gerade für diese Angaben fehlen würde.
So liegt der Fall jedoch hier, denn dem Grunde nach besteht ein - unstreitig (zum postmortalen Persönlichkeitsrecht BVerfG v. 22.08.2006 – 1 BvR 1168/04, BVerfGK 9, 83 ff.; BGH v. 05.10.2006 – I ZR 277/03, juris Rn. 12 ff. m.w.N.; siehe auch Brost/Hassel, NJW 2020, 2214 Rn. 46) und erst Recht hier als primär noch zu Lebzeiten des Erblassers entstandener vererblicher (§ 1922 Abs. 1 BGB) - Anspruch des Erblassers gegen den Beklagten zu 1) auf Gewinnabschöpfung im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Buchpublikation.
404Dabei kommt es auf der derzeit zur Entscheidung stehenden Auskunftsstufe (noch) nicht auf den genauen Umfang, die mögliche Berechnung etwaiger auf die Verletzung der vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts zurückzuführender Gewinne/Gewinnanteile und die Höhe eines potentiellen Gewinnabschöpfungsanspruchs an, da hinreichend gesichert ist, dass zumindest irgendein Zahlungsanspruch nach Auskunftserteilung auszuurteilen sein wird. Der Beklagte zu 1) hat nicht eingewandt, keinerlei Gewinne erzielt zu haben; dies wäre in Ansehung der unstreitig hohen Verkaufszahlen, seiner Autorenbeteiligung und der im Termin von ihm selbst bekundeten geringen eigenen Aufwände für das weitgehend vom Beklagten zu 2) erstellte Buch auch fernliegend. Dass die Annahme eines prozessual einheitlichen (dreifachen) Schadensersatzbegehrens möglicherweise zur Folge haben kann, dass eine Gewinnabschöpfung auf der letzten Stufe nur in Betracht kommen wird, wo diese betragsmäßig über einer wahlweise denkbaren Lizenzanalogie anzusiedeln wäre (zum Problem bei entsprechender Antragstellung BGH v. 17.06.1992 I ZR 107/90, GRUR 1993, 55, 57 f., 59 - "NN./WQ."), spielt derzeit keine Rolle. Dies ist weder vorgetragen noch ersichtlich und wäre – wenn überhaupt – nur ein Thema für die Zahlungsstufe.
Es bestehen mit dem Vorbringen u.a. auf S. 28 ff. des Schriftsatzes des Beklagten zu 1) vom 30.11.2018 (Bl. 3182 ff. d.A.) und dem Hinweis des Senats vom 09.12.2021 (S. 3 = Bl. 3201 d.A.) allerdings erhebliche Zweifel, ob sich ein Anspruch auf Gewinnabschöpfung - wovon das Landgericht hier ohne Begründung ausgegangen ist - als Ausfluss einer Verletzung der vertraglichen (Unterlassungs-)Pflichten des Beklagten zu 1) gegenüber dem Erblasser über §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 249 ff. BGB konstruieren lässt. Denn die hinter dem im Wege der Stufenklage verfolgten Zahlungsbegehren der Klägerin stehende Möglichkeit der sog. dreifachen Schadensberechnung ist eine im Nachgang an die Grundsatzentscheidung des Reichsgerichts im Urteil vom 08.06.1895 (I 13/95, RGZ 35, 63 – Ariston) nur gewohnheitsrechtlich entwickelte (zur historischen Entwicklung Ernicke, Die sog. dreifache Schadensberechnung: Entstehung - Etablierung – Expansion, 2020, passim), im Zuge der Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben (Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48/EG - Enforcement-RL, ABl. EU Nr. L 157 vom 30.04.2004, S. 45; berichtigt in ABl. EU Nr. L 195 vom 02.06.2004 und ABl. EU Nr. L 204 vom 04.08.2007, S. 27) gesetzlich konkretisierte und dabei möglicherweise in ihren dogmatischen Grundstrukturen in Randbereichen veränderte Besonderheit aus dem Bereich des Immaterialgüterrechts sowie bestimmter anderer, mit „klassischen“ Immaterialgüterrechten vergleichbarer Rechtspositionen (wie z.B. wettbewerbsrechtlich geschützte Positionen, Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse usw.), ohne dass die im Detail streitigen Einzelheiten hier von Belang wären. Die Rechtsfigur der sog. dreifachen Schadensberechnung wurde im Kern mit Blick auf die besondere Verletzlichkeit solcher Schutzgüter und das sich daraus zugleich ergebende besondere Schutzbedürfnis der Verletzten im Laufe der letzten 130 Jahre Schritt für Schritt durch die Rechtsprechung entwickelt und ausgeschärft. Schon mit Blick darauf ist das Rechtsinstitut nicht ohne weiteres auf Bereiche außerhalb solcher immaterieller Rechtspositionen zu übertragen. Nach den allgemeinen Grundsätzen des Schadensrechts verschafft die gesetzliche Regelung in § 252 BGB nur einen Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns des Geschädigten, nicht wahlweise einen Anspruch auf „Auskehr“ des (fremden) Gewinnes des Verletzers. Die Grundsätze der sog. dreifachen Schadensberechnung gelten daher nicht allgemein (so deutlich für Verletzung von vertraglichen Beratungspflichten BGH v. 26.02.2013 - XI ZR 345/10, BKR 2013, 283 Rn.54, siehe allgemein MüKo-BGB/Oetker, 9. Aufl. 2022, § 252 Rn. 53, 55 ff. m.w.N.; Spallino, in: Dauner-Lieb/Langen, BGB, 4. Auflage 2021, § 252 Rn. 41b; vgl. zur sog. Doppelgängerwerbung ferner Pietzko, AfP 1988, 209, 221 Fn. 171; a.A. im Grundsatz Raue, Die dreifache Schadensberechnung, 2017, S. 595 ff., 605 ff., bei vertraglichen Pflichtverletzungen eine Gewinnabschöpfung aber nur unter den Voraussetzungen des § 687 Abs. 2 BGB zulassend). Ein Anspruch auf Gewinnabschöpfung kann sich außerhalb der genannten Spezialbereiche folgerichtig nur über andere materiell-rechtliche Anspruchsgrundlagen begründen lassen, etwa über §§ 687 Abs. 2, 681 S. 2, 667 BGB, wobei insofern zweifelhaft sein mag, inwieweit rein schuldrechtliche Bindungen aus einem Vertrag einen Anspruch auf Gewinnabschöpfung tragen (kritisch MüKo-BGB/Schäfer, 9. Aufl. 2023, § 687 Rn. 21; vgl. für die Frage einer Gewinnabschöpfung bei Alleinvertriebsrechten BGH v. 09.02.1984 - I ZR 226/81, NJW 1984, 2411 gegen Anwendung des § 687 Abs. 2 BGB; differenzierend Staudinger/Bergemann, BGB, 2020, § 687 Rn. 27 ff. und zu vertraglichen Wettbewerbsverboten Raue, Die dreifache Schadensberechnung, 2017, S. 405 ff.).
406Soweit die Klägerin meint, dass man die zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht überbewerten dürfe und bei vertraglichen Schutzpflichten außerhalb einer Falschberatung eine Ausdehnung der Grundsätze der sog. dreifachen Schadensberechnung bedenken müsse, überzeugt dies so pauschal nicht (siehe auch BGH v. 06.06.2002 - I ZR 79/00, GRUR 2002, 795 , 797 – Titelexklusivität zu vertraglichen Auswertungsrechten, wenn auch im Ergebnis zumindest einen Ausfallschaden in Höhe einer Lizenzanalogie konstruierend). Vorliegend leuchtet eine enge Auslegung des Rechtsinstituts der sog. dreifachen Schadensberechnung unmittelbar ein, soweit die Klägerin Fehlzitate, Falschbehauptungen und/oder eine Verfälschung des Lebensbildes des Erblassers als angebliche Verletzungshandlungen rügt, welche zwar konstruktiv ebenfalls als vertragliche Nebenpflichtverletzung (§ 241 Abs. 2 BGB) zu erfassen wären, mangels eines Eingriffs in am Markt „kommerzialisierbare“ Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Erblassers und/oder dessen wirtschaftliche Dispositionsmacht über seine Person aber schwerlich einen materiellen Abschöpfungsanspruch als Rechtsfolge tragen. Insbesondere könnte man nicht mit der von der Rechtsprechung bei der sog. dreifachen Schadensberechnung im originär immaterialgüterrechtlichen Bereich bisweilen in der gedanklichen Herleitung bemühten tatsächlichen Vermutung arbeiten, dass der abzuschöpfende Verletzergewinn bei gewerblicher Ausnutzung von Schutzrechten im Zweifel dem entgangenen eigenen Gewinn wegen Auswertung des geschützten immateriellen Guts entsprechen mag (vgl. etwa BGH v. 08.10.1971 – I ZR 12/70, BGHZ 57, 116 = juris Rn. 8; 02.02.1995 - I ZR 16/93, GRUR 1995, 349, 351 – Objektive Schadensberechnung; siehe auch BT-Dts. 16/5048, 33, 61 f.; siehe weitere Nachweise zu derartigen Argumenten bei Raue, Die dreifache Schadensberechnung, 2017, S. 441 Fn. 1508); dies übrigens anders als im umgekehrten Fall der Bemessung des entgangenen Gewinns des Verletzten (st. Rspr., vgl. etwa BGH v. 20.05.2008 – X ZR 180/05 –, BGHZ 176, 311 Rn. 32 – Tintenpatrone). Diese Vermutung läuft selbst im originären Anwendungsbereich der sog. dreifachen Schadensberechnung (also im sog. „grünen Bereich“) nicht selten auf eine Fiktion hinaus (offen zugestanden bei BGH v. 02.11.2000 – I ZR 246/98, BGHZ 145, 366, 371 Rn. 24). Sie wäre im vorliegenden Fall einer unterstellten Persönlichkeitsverletzung des Erblassers durch Falschbehauptungen in einer Publikation etc. sogar widersinnig, weil das streitgegenständliche Buch erst durch den „Vertrauensbruch“ des Beklagten zu 1) als „Ghostwriter“ vor dem Hintergrund der als solches unstreitigen Memoirenarbeiten überhaupt interessant geworden ist und – erst recht mit einem Verbreiten etwaiger falscher Tatsachenbehauptungen – offenkundig in dieser Form keinen entgangenen Gewinn des Erblassers (bei theoretisch eigener Vermarktung) abbilden dürfte.
407Knüpft man an die oben im Rahmen des Unterlassungsbegehrens aufgezeigte vertragliche Verschwiegenheitsvereinbarung des Beklagten zu 1) bzw. die vertragswidrige Offenlegung von Umständen aus den Memoirenarbeiten an, liegt auch darin – was unten zu vertiefen sein wird - für sich genommen zumindest nicht durchweg ein Eingriff in geldwerte Bestandteile des Persönlichkeitsrechts des Erblassers mit einem Bedürfnis für einen materiellen Ausgleich durch Gewinnabschöpfung, sondern im Schwerpunkt zunächst eine Missachtung schutzwürdiger Vertraulichkeitsinteressen des Erblassers. Es geht um eine sog. Zwangskommerzialisierung der (jedenfalls im Schwerpunkt ideellen) Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Erblassers zu Lebzeiten durch Aufdeckung der vertraulichen Einzelheiten der Memoirenarbeit (als Eingriff in die Vertraulichkeits- und Geheimsphäre und den Schutz des gesprochenen Worts als Teil der auf Tonband konservierten Persönlichkeit des Erblassers) und eine darin zugleich liegende massive Bloßstellung des Erblassers, die zu dessen Lebzeiten im Rahmen von Geldentschädigungsansprüchen von Relevanz gewesen wäre, aber nicht automatisch einen (kumulativen) Anspruch auf eine Lizenzanalogie oder sogar eine Gewinnabschöpfung als Rechtsfolge einer vertraglichen Pflichtverletzung des „Ghostwriters“ über das allgemeine Schadensrecht (§§ 249 ff. BGB) vermitteln dürfte.
408Dies zeigt auch ein Vergleich mit der Rechtslage ohne vertragliche Bindung des Verletzers: Erfolgt beispielsweise eine Verletzung der Privatsphäre eines Betroffenen oder dessen Rechts am eigenen Bild im eindeutig kommerziellen Interesse eines Presseorgans zur Steigerung der Auflagenhöhe (insbesondere durch die sog. Boulevard-Medien), steht dem Betroffenen außerhalb vertraglicher Beziehungen nach ständiger Rechtsprechung im Regelfall kein materieller Anspruch auf eine Lizenzanalogie für die rechtsverletzende redaktionelle Berichterstattung zu (vgl. ausführlich in der Vorinstanz zu BGH v. 21.01.2021 - I ZR 207/19, GRUR 2021, 548 etwa Senat v. 10.10.2019 - 15 U 39/19, BeckRS 2019, 25735 Rn. 47 m.w.N. und als Vorinstanz zu BGH v. 21.01.2021 – I ZR 120/19, GRUR-RS 2021, 2186 auch Senat v. 28.05.2019 – 15 U 160/18, GRUR-RR 2019, 396 Rn. 31). Das hat die Rechtsprechung zwar vor allem für den – noch recht eindeutigen – Fall einer in der Öffentlichkeit zuvor unbekannten Person erkannt, da dort ein messbarer wirtschaftlicher Wert der „Verwertung“ der jeweiligen Lebensgeschichte oder der berichteten persönlichen Umstände kaum feststellbar ist (BGH v. 21.01.2021 - I ZR 207/19, GRUR 2021, 548 Rn. 13; v. 21.01.2021 – I ZR 120/19, GRUR-RS 2021, 2186 Rn. 27 jeweils unter Verweis auf BGH v. 20.03.2012 – VI ZR 123/11, NJW 2012, 1728 Rn. 28/31 f.). Es gilt aber mit Blick auf Art. 5 Abs. 1 GG richtigerweise auch bei prominenten Personen in der Regel nichts anderes, was die Tatsache zeigt, dass allein die Ausnutzung der Prominenz einer Person oder auch deren wissenschaftlicher Reputation selbst im Zusammenhang mit originär werblichen Maßnahmen zumindest bei einer eigenständigen Sachaussage von Öffentlichkeitswert nicht zwingend zu einer Lizenzanalogie führt, wenn und soweit im Rahmen der Abwägung im Einzelfall keine Rechtsverletzung des Betroffenen festzustellen ist (vgl. etwa BGH v. 28. 07.2022 – I ZR 171/21, juris Rn. 39 mit krit. Anm. Gomille, GRUR 2022, 1720 ff.). In der Regel kann hier auch kein „Lizenzwert“ einer redaktionellen Berichterstattung festgestellt werden (siehe etwa OLG Hamburg v. 06.07.2010 – 7 U 6/10, juris Rn. 40 ff. für „Schlüssellochblick“ ins Krankenzimmer eines Prominenten). Erst recht könnte - zumindest außerhalb des § 687 Abs. 2 BGB (dazu unten) – kein Anspruch auf eine Gewinnabschöpfung konstruiert werden, sondern neben einem etwaigen kompensatorischen materiellen Ersatzanspruch (§§ 249 ff. BGB) - der oft am Schaden oder an dessen Bezifferung scheitern wird - dürfte praktisch in solchen Fällen allenfalls ein Anspruch auf Geldentschädigung unter dem Gesichtspunkt einer Zwangskommerzialisierung schutzfähiger Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechtsrechts angenommen werden, der dann aber nicht zugleich nicht bezifferbare materielle Schäden abdecken soll oder auch nur damit zu begründen wäre (deutlich BGH v. 22.02.2022 – VI ZR 1175/20, NJW 2022, 1751 Rn. 49 für mögliche wirtschaftliche Einbußen bei Einzelunternehmer im Nachgang zu Senat v. 30.07.2020 – 15 U 313/19, GRUR-RS 2020, 56319 Rn. 38). Die von Presseorganen erzielten - in solchen Gestaltungen mitunter beträchtlichen - Gewinne können bei der Bemessung der Höhe einer Geldentschädigung mit Blick auf deren Präventionswirkung zwar nach der Rechtsprechung berücksichtigt werden, sollen allerdings nicht zwingend abzuschöpfen sein (grundlegend BGH v. 15.11.1994 - VI ZR 56/94, NJW 1995, 861, 865 – Caroline von Monaco I). Das richterrechtlich entwickelte Institut der Geldentschädigung übernimmt - wenn auch nur in eindeutigen Fällen unter Beachtung der strengen Anforderungen des dazu entwickelten und gegenüber sonstigen Abwehransprüchen im Regelfall subsidiären Zahlungsanspruchs – so partiell eine „abgemilderte Abschöpfungsfunktion“. Diese Abschöpfung würde bei sonstigen immateriellen Schutzgütern über die dort umfassende Gewinnabschöpfung als Teil der sog. dreifachen Schadensberechnung erfolgen, während eine „Ertrags(um)verteilung“ im Bereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts über die Geldentschädigung bei Eingriffen in die ideellen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts insgesamt als eine Art zufällige Nebenwirkung erscheinen mag (deswegen kritisch schon Schlechtriem, Festschrift Hefermehl, 1976, 445, 455 ff.). Diese in der Rechtsprechung gefundene Lösung über das Institut der Geldentschädigung lässt im Presse- und Äußerungsrecht zwar die Grenzen zwischen materiellen und immateriellen Schutzpositionen/Schäden partiell verschwimmen (kritisch daher Janssen, Präventive Gewinnabschöpfung, 2017, S. 421 ff. m.w.N. vor dem Hintergrund der von ihm gerade bezweckten Neukonturierung durch einen eigenständigen und umfassenden Gewinnabschöpfungsanspruch im Vorsatzfall neben einer dann wieder eindeutig nur auf die reine Kompensation der rein ideellen Beeinträchtigung ohne einen wie auch immer zu bemessenden „Gewinnzuschlag“ zu beschränkenden Anspruch auf Geldentschädigung; siehe ähnlich Siemes, AcP 201 [2001], 202, 213 f., 214 ff., 230 für klare Trennung zwischen Ansprüchen aus §§ 812 ff. BGB (Lizenzanalogie), §§ 667 Abs. 2, 681 S. 2, 667 BGB (Gewinnabschöpfung) und ebenfalls für eine strenge Begrenzung der Geldentschädigung auf dem Boden der ursprünglichen Rechtsfortbildung allein zum Ausgleich ideeller Beeinträchtigungen). Diese Systematik ist im Ergebnis - auch wegen der Besonderheiten des Äußerungsrechts vor dem Hintergrund der dort typischerweise herzustellenden praktischen Konkordanz widerstreitender Grundrechte – aber hinzunehmen, zumal eine Trennung zwischen vermögenswerten und ideellen Bestandteilen des Persönlichkeitsrechts bei Eingriffen in das Schutzrecht durch Journalisten und Publizisten oft nicht immer eindeutig möglich ist. Bei den meisten gewerblichen Schutzrechten sind etwaige Verletzungen klarer auf materielle Gesichtspunkte zurückzuführen, zumal man dort eigenständige Markenverwässungsschäden durch Produktpiraterie, eine schädigende Nutzung von immateriellen Schutzrechten oder kumulative Verletzungen auch des Urheberpersönlichkeitsrechts in die Höhe der angemessenen Lizenzanalogie „einpreisen“ kann (siehe für fehlende Urheberbenennung etwa BGH v. 15.01.2015 – I ZR 148/13, GRUR 2015, 780 Rn. 39; für Erhöhung der Lizenzanalogie bei ehrverletzendem Kontext in werblicher Persönlichkeitsrechtsverletzung aber auch BGH v. 21.01.2021 – I ZR 120/19, NJW 2021, 1303 Rn. 67 zum „Spiel“ mit einer Krebserkrankung“ mit krit. Anm. Ettig, NJW 2021, 1274; siehe allgemein zur Lizenzerhöhung auch Raue, Die dreifache Schadensberechnung, 2017, S. 125, 322 ff., 329 ff., 349 ff., 353, 361 ff. m.w.N. und BGH v. 17.06.1992 I ZR 107/90, GRUR 1993, 55, 58 - "NN./WQ." zu einer Gefahr der Minderung des Prestigewerts). Alternativ kann man zumindest dort umfassend den Gewinn des Verletzers abschöpfen und in seltenen Fällen mag ergänzend ein eigenständiger (weiterer) materieller Schaden (etwa als eine „Rufschädigung“ am Produkt, als Banalisierungs-/Vulgarisierungsschaden usw.) verbleiben, den man – bisher in Deutschland praktisch selten ein Thema – gesondert verfolgen mag (dazu, auch rechtsvergleichend zu entsprechenden Tendenzen vor allem im französischen Immaterialgüterrecht mit bisweilen nicht unerheblichen, rationell schwer begründbaren Zahlungen Raue, Die dreifache Schadensberechnung, 2017, S. 135 f., 137 f., 152 ff., 157 f., 222 ff., 349 ff., 361 ff. m.w.N.). Im Urheberrecht bleibt zudem der weitere Anspruch aus § 97 Abs. 2 S. 4 UrhG zum Schutz des Urheberpersönlichkeitsrechts eröffnet (zu eng möglicherweise RG v. 16.06.1934, GRUR 1934, 627 – „Mimi“ für Rufschädigung einer Künstlerin durch schlecht gemachte Tonaufnahmen etc., siehe auch Raue, a.a.O., S. 354 f.; zu Substantiierungspflichten bei einem angeblichem Imageschaden ansonsten OLG Frankfurt a.RY. v. 15.08.2002 - 6 U 116/01, GRUR 2003, 204, 205 f. – Catwalk-Uhr; in Revisionsinstanz über angemessen hohe Lizenzanalogie lösend BGH v. 23.06. 2005 - I ZR 263/02, GRUR 2006, 143 - Catwalk).
409Besteht damit in Fällen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts außerhalb (zufällig) zugleich bestehender vertraglicher Rechtsbeziehungen - zumindest ohne ein Eingreifen der gesetzlichen Sonderregelungen in §§ 687 Abs. 2, 681 S. 2, 667 BGB – aber regelmäßig kein umfassender „Abschöpfungsanspruch“ (wobei unten auf Ausnahmen zurückzukommen sein wird), leuchtet dem Senat nicht ein, weswegen sich dies bei (zufälliger) gleichzeitiger Annahme (auch) einer Verletzung vertraglicher Unterlassungspflichten auf Rechtsfolgenseite (automatisch) ändern sollte und deswegen bei § 280 Abs. 1 BGB über §§ 249 ff. BGB der Weg in eine umfassende Gewinnabschöpfung über die Grundsätze der sog. dreifachen Schadensberechnung eröffnet wäre.
410Dahinstehen kann, ob man im Rahmen der §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 249 ff. BGB zumindest dort eine Hinwendung zu den Grundsätzen der sog. dreifachen Schadensberechnung vollziehen mag, wo der vertragliche Schutzumfang mehr oder weniger „deckungsgleich“ mit gesetzlich geschützten immateriellen Positionen ist, bei denen für die gesetzliche Haftung mit den - sogleich näher auszuführenden - Prämissen die Grundsätze der sog. dreifachen Schadensberechnung im Verletzungsfall ohnehin eröffnet wären (z.B. bei einem Vertrag für die zweckbeschränkte Nutzung eines Namens/Bildnisses eines Prominenten zu Werbezwecken mit ergänzenden vertraglichen Unterlassungspflichten für eine anderweitige, sonst lizenzwidrige Verwertung mit entsprechenden Optionsmöglichkeiten im Vertrag). Denn auch wenn man in solchen Fällen eine Anwendung der sog. dreifachen Schadensberechnung für vertragliche Pflichtverletzungen befürworten würde, würde nur eine freie Anspruchskonkurrenz zwischen vertraglichen und gesetzlichen Ansprüchen bestehen, weswegen man auch direkt auf gesetzliche Ansprüche zurückgreifen könnte, so sie denn – wie im hiesigen Fall – tatsächlich zu bejahen sind.
Allerdings besteht - wie im Hinweis des Senats vom 09.12.2021 (S. 4 = Bl. 3202 d.A.) ausgeführt – hier kein verschuldensunabhängiger, auf Gewinnabschöpfung gerichteter Anspruch des Erblassers bzw. der Klägerin als Alleinerbin aus §§ 812 ff. BGB. Denn über das Bereicherungsrecht kann - ungeachtet aller offenen Streitfragen rund um einen potentiellen Bereicherungsausgleich bei Eingriffen in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (dazu Schlechtriem, Festschrift Hefermehl, 1976, 445 ff.; Ettig, Bereicherungsausgleich und Lizenzanalogie bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen, 2015, passim) - auf Rechtsfolgenseite allenfalls ein Anspruch auf objektiven Wertersatz (§ 818 Abs. 2 BGB) für die unmöglich gewordene Herausgabe tatsächlich gezogener Nutzungen aus (nach herrschender Meinung: vermögenswerten/kommerziellen) Bestandteilen des Persönlichkeitsrechts als erlangtes „Etwas“ in Form einer Lizenzanalogie konstruiert werden, nicht dagegen ein Anspruch auf Gewinnabschöpfung.
412Die im Rahmen des § 818 Abs. 2 BGB bereicherungsrechtlich seit langem diskutierte Problematik der Möglichkeit einer verschuldensunabhängigen Gewinnabschöpfung mit Blick u.a. auf den sog. subjektiven Wertbegriff hat sich dogmatisch zu Recht nicht durchgesetzt (gegen bereicherungsrechtliche Gewinnabschöpfung etwa MüKo-BGB/Schwab, 8. Aufl. 2020, § 818 Rn. 84 ff.; Gursky, JR 1972, 280; Larenz/Canaris, SchuldR II/2, 13. Aufl. 1994, § 72 III 3 c), S. 272 f.; Staudinger/Hager, BGB, 2017, § 823 Rn. C 254; Schlechtriem, Festschrift Hefermehl, 1976, 445, 458; Raue, Die dreifache Schadensberechnung, 2017, S. 415 ff. m.w.N.; aA noch Pietzko, AfP 1988, 209, 220 f. m.w.N.). Auch aus §§ 818 Abs. 1, 100 BGB folgt richtigerweise nichts anderes und auch aus persönlichkeits- oder immaterialgüterrechtlicher Sichtweise ist in diesem speziellen Bereich nicht zu einem anderen Ergebnis zu gelangen (gegen Gewinnabschöpfung über das Bereicherungsrecht BGH v. 29.07.2009 - I ZR 87/07, GRUR 2010, 237 Rn. 22 – Zoladex; v. 24.11.1981 - X ZR 7/80, GRUR 1982, 301, 304 – Kunststoffhohlprofil II; gegen bereicherungsrechtliche Gewinnabschöpfung bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen Hartl, Persönlichkeitsrechte als verkehrsfähige Vermögensgüter, Diss Konstanz, 2004, S. 76 ff.; Schweers, Die vermögenswerten und ideellen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts nach dem Tod des Trägers, Diss. Köln 2006, S. 129 f.).
413Für eine solch enge Lesart spricht u.a., dass das zwangskommerzialisierte „Gut“ typischerweise nur eine Art „Rohmaterial“ für eine Publikation bilden würde und bei schuldlosem Verhalten eine Abgrenzung zwischen denjenigen Gewinnen, die auf der (Aus-)Nutzung des Persönlichkeitsrechts beruhen und solchen, die primär auf den eigenen betrieblichen Kapazitäten und Fähigkeiten des Verletzers und beispielsweise dessen publizistischem Engagement beruhen, zum Regelfall würde (kritisch auch Siemes, AcP 201 [2001], 202, 227 und Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. 2018, Kap. 14 Rn. 18; Schlechtriem, Festschrift Hefermehl, 1976, 445, 458 f.). Damit würde man das verschuldensunabhängige Abschöpfungsinstrumentarium des Bereicherungsrechts überfordern, zumal bei fehlendem Vertretenmüssen eine Gewinnabschöpfung als besonders scharfes Schwert im Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 1 GG – also etwa gegenüber schuldlos handelnden Autoren, Presseorganen, Verlagen etc. – unverhältnismäßig zu werden drohte, selbst wenn man die grundrechtlichen Freiheiten auch schon bei der vorgelagerten Frage einer Abwägung im Rahmen der Prüfung einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts als gemeinsame Grundvoraussetzung zu gewichten hat. Auch im Anwendungsbereich der Enforcement-Richtlinie (Durchsetzungsrichtlinie - 2004/48/EG) zwingt die offen gefasste und den Mitgliedsstaaten erhebliche Spielräume lassende Regelung in Art. 13 Abs. 2 nicht zwingend zur Einführung eines verschuldensunabhängigen Gewinnabschöpfungsanspruchs im nationalen Recht (Raue, Die dreifache Schadensberechnung, 2017, S. 418) und damit – zumal möglichst ein Gleichlauf immaterieller Schutzgüter angestrebt werden sollte – auch nicht im hiesigen, von der vorgenannten Richtlinie ohnehin nicht harmonisierten Bereich des allgemeinen und besonderen Persönlichkeitsrechts (zur Nichterfassung durch die Richtlinie Janssen, Präventive Gewinnabschöpfung, 2017, S. 371 f., 508).
Auch § 285 BGB erfasst – ginge man von einer im Zeitablauf liegenden Teilunmöglichkeit der Erfüllung des vertraglichen Unterlassungsanspruchs gegen den Beklagten zu 1) durch die erfolgte Publikation aus – nicht etwaige Gewinne aus geschäftlichen Aktivitäten, die nicht unmittelbar den wirtschaftlichen Gegenstand der Leistungsbeziehung betreffen (Raue, Die dreifache Schadensberechnung, 2017, S. 409 ff.).
Ob und ggf. ab welchem Zeitpunkt man jedoch gegen den Beklagten zu 1) einen Anspruch gemäß §§ 687 Abs. 2, 681 S. 2, 667 BGB auf Gewinnabschöpfung konstruieren könnte, kann und soll im Ergebnis dahinstehen. Denn dem Grunde nach ergibt sich ein solcher Anspruch schon aus § 823 Abs. 1 BGB.
416Der Senat erlaubt sich jedoch die Anmerkung, dass durchgreifende Zweifel am Vorliegen der subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen einer angemaßten Eigengeschäftsführung selbst des Beklagten zu 1) bestehen. Dies gilt jedenfalls im Zeitraum bis zum Erlass der ersten gerichtlichen Verbotsentscheidung gegen die Publikation (LG Köln v. 13.11.2014 - 14 O 315/14, BeckRS 2014, 22680), nach der zunächst jedwede vertragliche Ansprüche verneinenden Kammerentscheidung des Landgerichts Köln vom 07.10.2014 (28 O 434/14, BeckRS 2014, 19382, Anlage OC 8, AO III – dort insbesondere des unveröffentlichten Nichtabhilfebeschlusses vom 08.10.2014, Anlage OC 21, AO III: „Eine vertragliche Vereinbarung, nach welcher … verpflichtet gewesen wäre, über alle ihm… mitgeteilten Informationen Stillschweigen zu bewahren, vermag die Kammer weiterhin nicht zu erkennen“) und der ebenfalls ein sog. Gesamtverbot des Buches zurückweisenden Entscheidung des Landgerichts Köln vom 07.10.2014 (28 O 433/14, GRUR-RR 2015, 54). Dies gilt richtigerweise aber auch noch danach wegen der nur beschränkten Verfolgung von Unterlassungsansprüchen bezüglich 114 bzw. 116 Passagen durch den Erblasser. Denn mit dem oben zum Unterlassungsbegehren Gesagten steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme gerade nicht zur Überzeugung des Senats i.S.d. § 286 Abs. 1 ZPO fest, dass es eine ausdrückliche mündliche Verschwiegenheitsabrede zwischen dem Erblasser und dem Beklagten zu 1) gegeben hat, die dieser hier - dann ersichtlich vorsätzlich - missachtet hätte. Auch sonst fehlt es an greifbaren Ansatzpunkten für eine angemaßte Eigengeschäftsführung durch den Beklagten zu 1): Ein ausreichendes Indiz für einen solchen Vorsatz liegt entgegen dem Klägervortrag u.a. auf S. 6 f. des Schriftsatzes der Klägerin vom 10.03.2022 (Bl. 3230 f. d.A.) nicht darin, dass der Beklagte zu 1) nach den Feststellungen des Bundesgerichtshofes vom 03.09.2020 (III ZR 136/18, BeckRS 2020, 23375 Rn. 47 ff., 52, 56 sowie BGH v. 26.11.2020 – III ZR 136/18, BeckRS 2020, 36309 Rn. 16, 18) dem Erblasser gegenüber mit einer E-Mail am 30.03.2010 aktiv eine unrichtige Auskunft erteilt und ihn damals vorsätzlich in die Irre geführt hat. Denn dies belegt allenfalls, dass der Beklagte zu 1) Versuche des Erblassers abwenden wollte, Material möglicherweise herausgeben zu müssen, besagt jedoch nicht zwingend etwas dazu, dass der Beklagte zu 1) ungeschriebene Verschwiegenheitspflichten mit der streitgegenständlichen Buchpublikation später bewusst missachtet hat. Dass die Frage der Herausgabepflicht entsprechend § 667 BGB von der Frage der Vertraulichkeit gedanklich zu trennen ist, hat der Senat im Rahmen des vertraglichen Unterlassungsanspruchs unter Verweis auf das Urteil des III. Zivilsenats oben ausgeführt.
417Insofern wiesen die bei Erscheinen des streitgegenständlichen Buches vorliegenden erst- und zweitinstanzlichen Entscheidungen im Herausgabeprozess um die Originalbänder nicht eindeutig auf eine (ungeschriebene) umfassende vertragliche Verschwiegenheitspflicht des Beklagten zu 1) hin. Das Landgericht hat im Urteil vom 12.12.2013 (14 O 612/12, Anlage K 3, Bl. 370 ff. AO I = juris) nur am Rande eine „Geheimhaltungspflicht“ (juris Rn. 88) angesprochen und damit argumentiert, dass der Erblasser darauf habe vertrauen dürfen, dass aus der vertrauensvollen Atmosphäre der Gespräche nichts nach draußen dringen werde (juris Rn. 70); es hat am Ende aber gerade offen gelassen, ob der damals allein streitgegenständliche Herausgabeanspruch auf eine Persönlichkeitsrechtsverletzung durch die Veröffentlichung zu stützen wäre (juris Rn. 98 f.) und sich ansonsten im Wesentlichen nur auf die Zweckbindung der Bänder und die Regelung in § 667 BGB berufen. Der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts hat im Urteil vom 01.08.2014 (6 U20/14, Anlage K 4, Bl. 380 ff. AO I) allein mit § 950 BGB argumentiert, ohne Vertraulichkeits-/Geheimhaltungspflichten zu thematisieren, auch wenn am Rande anklang, dass der Beklagte zu 1) das Material nach der Beendigung der Zusammenarbeit nicht nutzen oder darüber verfügen dürfe (juris Rn. 46) bzw. die „Entscheidungsbefugnis über den Inhalt der Aufzeichnungen und ihre Verwendung“ allein beim Erblasser liege (juris Rn. 43). Auch dies war letztlich auf die Zuordnung der Materialien und die Herausgabepflicht hinsichtlich der Tonbänder bezogen und – jedenfalls aus Sicht des Beklagten zu 1) – nicht zwingend allgemeingültig. Folglich konnte der Beklagte zu 1) im Zeitpunkt der Buchveröffentlichung Anfang Oktober 2014 aus den gerichtlichen Entscheidungen nicht klar ablesen, ob und in welchem Umfang ihn weitergehende (ungeschriebene) vertragliche Verschwiegenheitspflichten fernab jeder schriftlichen Regelung dazu treffen würden, mag dies u.U. auch bei vertiefter Prüfung hätte erkannt werden können.
418§ 687 Abs. 2 BGB setzt tatbestandlich jedoch voraus, dass der Handelnde weiß, dass er ein fremdes Geschäft führt und er zur eigennützigen Führung dieses fremden Geschäfts nicht berechtigt ist, wobei selbst gröbste Fahrlässigkeit des Geschäftsführers nicht ausreicht, da ein Vorsatz für den das Rechtsinstitut der Geschäftsanmaßung tragenden Rechtsgedanken der fiktiven Treuhand konstitutiv ist (statt aller Staudinger/Bergmann, BGB, 2020, § 687 Rn. 13, 37, 66). Deswegen sind mit Blick auf die im Zivilrecht geltende sog. Vorsatztheorie etwaige Rechtsirrtümer des Geschäftsführenden im Grundsatz schädlich (statt aller BeckOGK-BGB/Hartmann, Stand: 01.08.2023, § 687 Rn. 71). Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 687 Abs. 1 BGB liegt im Ausgangspunkt bei dem Geschäftsherrn, der entsprechende Ansprüche geltend macht (statt aller Hohlweck, in: Baumgärtel u.a., Hdb. der Beweislast, 5. Aufl. 2023, § 687 Rn. 1 m.w.N.); darauf hat der Senat schon am 09.12.2021 (S. 4 des Beschlusses, Bl. 3202 d.A.) hingewiesen. Die insofern verbleibenden Zweifel gehen zu Lasten der Klägerin: Denn nach dem Ergebnis der persönlichen Anhörung des Beklagten zu 1) durch den Senat am 29.11.2022 (Bl. 4184 ff. d.A.) spricht trotz der bei der Frage der Unterlassungsansprüche bereits erörterten Zweifel an dessen Wahrheitsliebe und der befremdlichen Angaben zu dem angeblichen Rat seines früheren anwaltlichen Vertreters „zur Veröffentlichung von weiten Teilen meiner Kenntnisse“ (Bl. 4195 d.A.) unter dem Strich dennoch mehr dagegen als dafür, dass der Beklagte zu 1) seinerzeit von einer – wie auch immer gelagerten - rechtlichen Schutzfähigkeit der auf den Tonbändern fixierten Inhalte der „Memoirengespräche“ vor einer Veröffentlichung und einer eigenen umfassenden (ungeschriebenen) Schweigepflicht ausgegangen ist. Es spricht in Ansehung der ausgesprochen unklaren schriftlichen Verträge mit dem Verlag und der Aufhebung seines Verlagsvertrages – dies jeweils ohne Regelung zu Verschwiegenheitspflichten konkret dem Erblasser gegenüber, was auch der von dem Beklagten zu 1) vor der Unterschrift unter den Verlagsvertrag befragte befreundete Jurist über die minimalistische Regelung in § 8 des Verlagsvertrages hinaus auch gerade nicht „angesprochen“ haben soll (Bl. 4191 d.A.), wie oben im Zusammenhang mit dem fehlenden Erklärungsbewusstsein des Beklagten zu 1) behandelt – mehr dagegen als dafür, dass sich der Beklagte zu 1) einer fehlenden Verwertungsbefugnis in Bezug auf die Tonaufnahmen und die Informationen aus den Memoirenarbeiten damals bewusst war. Nach seinen Angaben ist er allenfalls von einem zwischenmenschlichen „Vertrauensbruch“ (Bl. 4196 d.A.) nach dem Zerwürfnis mit dem Erblasser ausgegangen. Auch insofern sah der Beklagte zu 1) mutmaßlich selbst den Erblasser bzw. die Klägerin als Ursache des Zerwürfnisses, sah darin und im auf die Tonbänder bezogenen Herausgabeverlangen des Erblassers - so nach seiner allerdings wie gezeigt widersprüchlichen Anhörung - einen Vertrauensbruch ihm gegenüber, dies u.a. auch im Einklang mit angeblichen, einer Verwertung des Inhalts der Memoirengespräche durch ihn möglicherweise zustimmenden Äußerungen des Erblassers. Selbst wenn man die Bekundungen des Beklagten zu 1) zu dem angeblichen Gespräch mit dem Erblasser am Grab der ersten Ehefrau mit dem oben Gesagten als Schutzbehauptung ansehen muss und die Angaben zum „Vertrauensbruch“ mit dem ebenfalls oben Gesagten nicht durchweg plausibel sind, hielt der Beklagte zu 1) sich schlussendlich im Kern für noch publikationsbefugt, solange es nur ein – von ihm hier reklamiertes – öffentliches Berichterstattungsinteresse gab, welches die in der Publikation möglicherweise liegenden Eingriffe in die Persönlichkeit des Erblassers in der Abwägung rechtfertigte. Dies habe aus seiner Sicht eine Publikation schon vor dem Tod des Erblassers und auch unabhängig von der Nichtvollendung der Memoiren erlaubt.
419Man mag diese Überlegungen des Beklagten zu 1) mit guten Gründen für sachlich nicht überzeugend halten. Der Beklagte zu 1) hat sich – wie der Senat auch im Vorverfahren mit Blick auf den Beklagten zu 2) ausgeführt hat und worauf Bezug genommen werden kann (Senat v. 29.05.2018 - 15 U 65/17, BeckRS 2018, 10541 Rn. 185 ff.) – sicherlich rücksichtslos über die Belange des Erblassers hinweggesetzt. Doch kann ihm – wie der Senat a.a.O. ebenfalls ausgeführt hat – als juristischem Laien nicht vorgeworfen werden, die juristisch korrekten Schlussfolgerungen (auch) auf die Existenz einer (ungeschriebenen) vertraglichen Verschwiegenheitspflicht nicht gezogen zu haben. In seinem Urteil vom 29.05.2018 (15 U 64/17, BeckRS 2018, 17910 Rn. 409) hat der Senat zwar ein „schweres Verschulden“ der Handelnden bejaht, aber auch dies nur in der Form, dass man bei der Publikation bewusst „das Risiko eines Verbotsirrtums …. eingegangen ist und sich durch sein Vorgehen wissentlich in eine scharfe Spannungslage zu geschützten Gütern und Interessen eines anderen gebracht hat, in der ihm die Möglichkeit, dass seine Rechtsauffassung über die Zulässigkeit seines Vorgehens falsch sein kann, vor Augen stehen musste“; dem ist auch aus heutiger Sicht nichts hinzuzufügen.
420Zwar soll nach möglicherweise mengenmäßig sogar herrschender Meinung für die Anwendung des § 687 Abs. 2 BGB Eventualvorsatz genügen können (siehe etwa v. der Osten, GRUR 1998, 284, 287), wobei für das Bewusstsein der fehlenden eigenen Berechtigung grundsätzlich bereits die Kenntnis genügen soll, dass es sich um ein fremdes Geschäft handelt, es sei denn, der Geschäftsführer glaubte - was er aber selbst darzulegen und zu beweisen habe - er dürfe das fremde Geschäft als eigenes führen (so etwa OLG München v. 12.01.2011 – 20 U 2913/10, BeckRS 2011, 1287 Rn. 13; Staudinger/Bergmann, BGB, 2020, § 687 Rn. 37). Was die Kenntnis von der eigenen Nichtberechtigung angeht (s. den Wortlaut: „obwohl er weiß, dass er nicht dazu berechtigt ist“) soll nach diesen Stimmen schon eine diffuse (laienhafte) Kenntnis der Nichtberechtigung, d.h. mehr oder weniger die Kenntnis einer entsprechenden Möglichkeit ausreichen (MüKo-BGB/Schäfer, 9. Aufl. 2023, § 687 Rn. 27). Bei genauerem Hinsehen überzeugen diese Prämissen zu § 687 Abs. 2 BGB aber nicht, weil damit die Abgrenzung zur bewussten Fahrlässigkeit verschwimmt, obwohl § 687 Abs. 2 BGB gerade auf das diese vom Eventualvorsatz trennende voluntative Element hinweist (vgl. BeckOGK-BGB/Hartmann, Stand: 01.08.2023, § 687 Rn. 72 m.w.N.) Daher wird man - ähnlich wie bei § 990 Abs. 1 BGB und bei § 819 Abs. 1 BGB – eine positive Kenntnis verlangen müssen und eine der positiven Kenntnis gleichzustellende Situation allenfalls noch annehmen, wo der Handelnde so über die Umstände aufgeklärt worden ist, dass er sich als ein redlich und vom eigenen Vorteil nicht beeinflusst Denkender der Einsicht fehlender Berechtigung nicht mehr verschließen könnte (so etwa BeckOGK-BGB/Hartmann, Stand: 01.08.2023, § 687 Rn. 72; siehe zudem zu § 819 Abs. 1 BGB etwa auch Staudinger/Lorenz, BGB, 2007, § 819 Rn. 6 m.w.N.). Letzteres ist aus Sicht des Senats mit Blick auf das Ergebnis der Beweisaufnahme und das oben Gesagte im damaligen Zeitraum nicht festzustellen, zumal die von den Gerichten im Nachgang vorgenommene Konstruktion eines auftragsähnlichen Rechtsverhältnisses mit Schweigepflichten als Nebenpflichten i.S.d. § 241 Abs. 2 BGB einem Laien nicht ohne weiteres vorhersehbar war. Auch musste sich der zwischenmenschliche „Vertrauensbruch“ des Beklagten zu 1) nicht zwangsläufig in entsprechenden rechtlichen Verwertungsverboten niederschlagen, sondern mag nach der vertretbaren Einschätzung des Beklagten zu 1) auch im nur moralischen Bereich zu verorten gewesen sein. Dies gilt umso mehr, als der Verlag mit dem Beklagten zu 1) nach dessen Zerwürfnis mit dem Erblasser einen Auflösungsvertrag ohne jede eindeutige Schweigepflichtregelung und/oder äußerlich erkennbare Einbindung des Erblassers abgeschlossen hat und es unmittelbar zwischen Erblasser und Beklagten zu 1) nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme gerade keine nachweislichen ausdrücklichen Absprachen zu einer Vertraulichkeit gab. Dass der Beklagte zu 1) in Ansehung dessen – so der Vortrag der Klägerin – bewusst und böswillig die in seinem XK.-Interview vom 06.07.2017 (Anlage B (3) 8, Bl. 47 AH) angesprochene „ja durchaus erstaunliche Lücke und eklatante Abweichung zu sonstigen Ghostwriterverträgen“ in den beiden schriftlichen Verlagsverträgen ausgenutzt und im bewussten Rechtsbruch (nur) dem Erblasser gegenüber die Publikation betrieben hat, erscheint zwar nicht ausgeschlossen, steht aber nicht hinreichend fest. Denn der Beklagte hat a.a.O. zugleich die fehlende direkte vertragliche Regelung im Verhältnis zum Erblasser angesprochen, wie er es ausweislich des – nicht ausreichend bestrittenen – Transkripts in Anlage K 8 (Bl. 402 ff. AO I) auch im Rahmen der Pressekonferenz bei Erscheinen der streitgegenständlichen Publikation in ähnlicher Form getan hat. Den dabei vom damaligen Justitiar der Beklagten zu 3) angesprochenen „ungeschriebenen Komment“ (Bl. 406 d.A.) hat der Beklagte zu 1) u.a. unter Verweis auf eine fehlende klare Absprache „unter Drei“ verworfen (vgl. Bl. 408 AO I). Er hat auch bei seiner Anhörung durch den Senat zur Frage eines möglichen „Vertrauensbruchs“ subjektiv nachvollziehbar in Frage gestellt, ob dies alles nicht „eher eine Frage der Moral (ist) als eine (solche der) rechtliche Beurteilung“ (Bl. 4196 d.A.).
421Soweit der Beklagte zu 1) bei seiner Anhörung bekundet hat, dass man nach Gesprächen mit dem Justitiar der Beklagten zu 3) und in Ansehung der anwaltlichen Beratung der Beklagten zu 3) in Form eines Gutachtens keine (rechtlichen) Bedenken gegen die Veröffentlichung gehabt habe (Bl. 4195 f. d.A.), ist dies im Rahmen der Würdigung nicht zu widerlegen. Der Senat verkennt ausdrücklich nicht, dass im Zuge der mündlichen Verhandlung am 29.11.2022 aufgrund der Angaben des Justitiars zuletzt deutlich geworden ist, dass sich das damals von der Beklagten zu 3) eingeholte Rechtsgutachten gerade nicht auf „vertragliche Themen“, sondern auf das Urheberrecht und das Persönlichkeitsrecht bezogen hat (S. 19 des Protokolls = Bl. 4202 d.A.). Das mag in der Beauftragung des Gutachtens vorwerfbar mit Blick auf den Beklagten zu 1) zu eingeschränkt gewesen sein. Es bleibt aber dabei, dass der Beklagte zu 1) – wie er im Interview im Deutschlandfunk vom 05.03.2016 (Anlage K 35, Bl. 1655 ff. d.A.) kundgetan hat – dennoch von der Annahme (“Konstrukt“) ungeschriebener konkludenter Verschwiegenheitspflichten als einer „angebliche Nebenabsprache, die es nie gegeben hat“ überrascht wurde, da er sich nach der Lektüre der einzigen vorhandenen schriftlichen Verträge auf den in der mündlichen Verhandlung dazu angesprochenen, aber versehentlich nicht protokollierten Standpunkt „Was nicht verboten ist, ist erlaubt“ stellen konnte.
422Offen bleiben mag dann, ob im Fall einer (entgegen dem Vorgenannten anzunehmenden) i.S.d. § 687 Abs. 2 BGB angemaßten Eigengeschäftsführung als (vorsätzliche) Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Gewinn des Verletzers schon bei jeder persönlichkeitsrechtsrelevanten Verletzungshandlung (als Eingriff sowohl in ideelle als auch in vermögenswerte Bestandteile des Persönlichkeitsrechts) abgeschöpft werden könnte (dahingehend Ebert, Die Geschäftsanmaßung, 2000, S. 383 ff.; Gerlach, VersR 2002, 917, 924 f.; Mertens, JuS 1962, 261, 268 f.; gegen Abstellen auf eine abstrakte Kommerzialisierbarkeit des Persönlichkeitsrechts als Kriterium auch MüKo-BGB/Schäfer, 9. Aufl. 2023, § 687 Rn. 17, weil nicht das juristische Verwertungsrecht des Geschäftsherrn für die Haftung aus angemaßter Eigengeschäftsführung entscheidend sei, sondern allein die tatsächliche „Verwertung“ durch den Geschäftsanmaßer als Eingriffshandlung in ein fremdes Recht; siehe ergänzend Kleinheyer, JZ 1970, 471 ff. zur Abgrenzung von Rechtswidrigkeits- und Zuweisungstheorie bei §§ 812 ff. BGB). Andere verlangen auch in diesem Bereich zumindest einen Bezug zu vermögenswerten Komponenten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (etwa als Eingriff in die wirtschaftliche Dispositionsfreiheit des Betroffenen), also beispielsweise die Verletzung eines Rechts mit einem wirtschaftlichen Zuweisungsgehalt und einer „Gewinnerzielungsoption“, also zumindest einer - wie auch immer gelagerten – „marktfähigen“ Verwertungsmöglichkeit für das Gut (so mit erheblichen Unterschieden im Detail BeckOGK-BGB/Hartmann, Stand: 01.08.2023, § 687 Rn. 63, 64; Staudinger/Bergmann, BGB, 2020, § 687 Rn. 69; wohl auch Siemes, AcP 201 [2001], 202, 228 mit einem Abstellen auf die Zuweisung der wirtschaftlichen Ausnutzung, dies allerdings ausdrücklich unter Einschluss der Fälle einer „Zwangskommerzialisierung“ an sich ideeller reiner Persönlichkeitsrechtsbestandteile etwa durch die sog. Regenbogenpresse; ähnlich im Ergebnis auch Neumeyer, AfP 2009, 465 ff.), wobei die Anforderungen daran dann wohl nicht zu streng sein dürften (vgl. zur Verwertung von Betriebsgeheimnissen LAG Rheinland-Pfalz v. 18.02.2005 - 8 Sa 860/04, BeckRS 2005, 41131).
423Auch bedarf keiner Klärung durch den Senat, ob im Bereich des § 687 Abs. 2 BGB die Annahme eines Fremdgeschäfts - anders als bei der Lizenzanalogie im Bereich der sog. dreifachen Schadensberechnung bzw. bei der Bereicherungshaftung für Eingriffe in vermögenswerte Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts seit der Grundsatzentscheidung des BGH v. 26.10.2006 - I ZR 182/04, BGHZ 169, 340 Rn. 12 - von einer individuellen „Verwertungsbereitschaft“ des Rechtsinhabers abhängen würde, die beim Erblasser für die streitgegenständliche Publikation fehlt. Mit anderen Worten geht es darum, ob die Überlegungen aus der „Herrenreiter“-Entscheidung (BGH v. 14.02.1958 - I ZR 151/56, BGHZ 26, 349, 352 f) für das Recht der Geschäftsanmaßung nach wie vor Geltung haben (deutlich Staudinger/Bergmann, BGB, 2020, § 687 Rn. 69; Jauernig/Mansel, BGB, 19. Aufl. 2023, § 687 Rn. 14; siehe auch Schwab, in: Dauner-Lieb/Langen, BGB, 4. Auflage 2021, § 687 Rn. 37 für Nutzung eines Bildes in ehrenrührigem Kontext und ebenso OLG Hamburg v. 26.05.1994 - 3 U 13/94, NJW-RR 1994, 990, 991; siehe ferner etwa Gounalakis, AfP 1998, 10, 19; Canaris, Karlsruher Forum 1996, 58, 60) oder ob man auch hier nicht auf eine individuelle Lizenzierungsbereitschaft des Betroffenen, sondern nur auf die nach objektiven Kriterien zu bestimmende Frage eines Zuweisungsgehalts und der Fremdheit eines Geschäfts und mithin auf eine (abstrakte) rechtliche Dispositionsbefugnis nur des Rechteinhabers abstellen muss, dem de facto die Verwertungsentscheidung aus den Händen genommen wird (so mit Nuancen im Detail BeckOGK-BGB/Hartmann, Stand: 01.08.2023, § 687 Rn. 63.1, 64; Beuthien, NJW 2003, 1220, 1222; Grüneberg/Retzlaff, BGB, 83. Aufl. 2024, § 687 Rn. 2b; MüKo-BGB/Schäfer, 9. Aufl. 2023, § 687 Rn. 18; Staudinger/Hager, BGB, 2017, § 823 Rn. C 290; Götting, GRUR 2003, 801, 803 f.). Zuletzt kann die damit in Verbindung stehende Frage offen bleiben, ob es im Rahmen des § 687 Abs. 2 BGB darauf ankommen kann, ob der Rechteinhaber die entsprechende Verwertungshandlung hypothetisch selbst hätte vornehmen können (woran es hier fehlen würde, weil das angebliche „Aufdeckungspotential“ der Publikation in dem Bruch des „Ghostwriters“ mit dem Erblasser liegt, den dieser selbst nicht hätte „reproduzieren“ können). Dies ist bisher u.a. am Beispiel der Publikation „fingierter Interviews“ mit Prominenten diskutiert worden, welche auf den ersten Blick schwerlich ein Geschäft des angeblich Interviewten zu sein scheinen, der nicht gegebene Interviews kaum selbst vermarkten könnte (kritisch daher Canaris, Festschrift Deutsch, 1999, 85, 86; diff. Köndgen, RabelsZ 64 (2000), 661, 666). Auch diese Fälle greifen andererseits abstrakt in die (geldwerte) Befugnis zur Entscheidung über die öffentliche Selbstdarstellung des Betroffenen ein (darauf abstellend BeckOGK-BGB/Hartmann, Stand: 01.08.2023, § 687 Rn. 63.1; MüKo-BGB/Schäfer, 9. Aufl. 2023, § 687 Rn. 17; siehe zur Zwangskommerzialisierung auch Seitz, NJW 1996, 2848, 2849); der vorliegende Sachverhalt wäre dem nicht unähnlich.
Auf das zu § 687 Abs. 2 BGB Gesagte kommt es schlussendlich aber nicht an: Denn wie bereits oben angesprochen besteht dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu 1) wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Erblassers zu Lebzeiten (§ 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art 1 Abs. 1 GG), auf den die Grundsätze der sog. dreifachen Schadensberechnung allgemein und auch im konkreten Fall anwendbar sind und der - als Voraussetzung des auf der ersten Stufe eingeklagten Auskunftsanspruchs - auf Gewinnabschöpfung gerichtet werden kann.
Die Grundsätze der sog. dreifachen Schadensberechnung sind bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Form von dessen vermögenswerten Bestandteilen entsprechend heranzuziehen (grundlegend BGH v. 08.05.1956 - I ZR 62/54, NJW 1956, 1554 – CQ. Dahlke; siehe auch BGH v. 01.12.1999 - I ZR 226/97, NJW 2000, 2201, 2202 – Der blaue Engel; v. 01.12.1999 - I ZR 49/97, GRUR 2000, 709, 715 – Marlene Dietrich; siehe zudem etwa Seitz, in: Götting u.a., Hdb. PersönlichkeitsR, 2. Aufl. 2019, § 45 Rn. 23; BeckOK-BGB/Gehrlein, Ed. 68, § 687 Rn. 6; Raue, Die dreifache Schadensberechnung, 2017, S. 581; Korte, Praxis des Presserechts, 2. Aufl. § 5 Rn. 166). Im Bereich von Persönlichkeitsrechtsverletzungen haben in der Praxis zwar bisher Fälle der Lizenzanalogie im Vordergrund gestanden, bei denen typischerweise auf den - insofern im Verletzungsfall regelmäßig gegebenen - verschuldensunabhängigen Bereicherungsanspruch zurückgegriffen werden kann und es auf § 823 Abs. 1 BGB damit oft nicht ankommt (siehe nur BGH v. 21.01.2021 – I ZR 120/19, GRUR-RS 2021, 2186; zu potentiellen Unterschieden Etting, Bereicherungsausgleich und Lizenzanalogie bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen, 2015, S. 153 ff. bei dem dogmatischen Umgang mit einer fehlenden Lizenzbereitschaft zur Meidung von Argumentationsbrüchen; zur Akzentuierung der dogmatischen Unterschiede der Rechtsinstitute Raue, Die dreifache Schadensberechnung, 2017, S. 276 ff.). Nach den richterrechtlich entwickelten und gewohnheitsrechtlich fundierten Prämissen der sog. dreifachen Schadensberechnung ist zumindest aus Präventionsgründen heraus aber selbst bei einfacher Fahrlässigkeit des Verletzers im Fall der Verletzung von (kommerziellen) Bestandteilen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ein deliktischer Anspruch auch auf Gewinnabschöpfung gegeben (BGH v. 08.05.1956 - I ZR 62/54, NJW 1956, 1554 – CQ. Dahlke; für fahrlässige Markenrechtsverletzung auch BGH v. 16.12.2021 – I ZR 201/20, GRUR 2022, 229 Rn. 86 ff. und allgemein Grüneberg/Retzlaff, BGB, 83. Aufl. 2024, § 687 Rn. 7; BeckOGK-BGB/Brand, Stand: 01.03.2022, § 249 Rn. 22; MüKo-BGB/Säcker, 9. Aufl. 2021, § 12 Rn. 170 f.; Seitz, in: Götting u.a., Hdb. PersönlichkeitsR, 2. Aufl. 2019, § 45 Rn. 23, § 47 Rn. 45; Staudinger/Bergmann, BGB, 2020, § 687 Rn. 69).
((1))
427Dieser Prämisse wird im Schrifttum zwar unter Verweis auf angeblich drohende Wertungswidersprüche zu § 687 Abs. 2 BGB entgegengetreten, da - wie gezeigt - nach dieser Regelung (i.V.m. §§ 681 S. 2, 667 BGB) eine Gewinnabschöpfung in Fällen selbst einer groben Fahrlässigkeit nicht konstruierbar wäre. Die angemaßte Eigengeschäftsführung könnte so als eigenständiges und insofern nicht mehr Ausgleichs-, sondern Präventionszwecken dienendes Abschöpfungsinstitut neben den nach den §§ 249 ff. BGB im Ausgangspunkt nur kompensatorischen Schadensersatzanspruch treten (siehe BeckOGK-BGB/Hartmann, Stand: 01.08.2023, § 687 Rn. 112 i.V.m. Rn. 109 ff. m.w.N., für Beschränkung der Gewinnabschöpfung bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen auf Vorsatzfälle auch Wagner, ZEuP 2000, 225 ff.; Schwab, in: Dauner-Lieb/Langen, BGB, 4. Auflage 2021, § 687 Rn. 28; Staudinger/Hager, BGB, 2017, § 823 Rn. C 290). Selbst ohne eine solche klare dogmatische Trennung – über die aus der sog. dreifachen Schadensberechnung im Kern eine nur noch zweifache Schadensberechnung (konkreter Schaden oder Lizenzanalogie) würde, die um die §§ 687 Abs. 2, 681 S. 2, 667 BGB als eigenständigen Gewinnabschöpfungsanspruch ohne schadensersatzrechtliche Verankerung ergänzt würde - könnte man zumindest wegen der Wertung aus § 687 Abs. 2 BGB eine Art teleologische Reduktion der Grundsätze der sog. dreifachen Schadensberechnung vornehmen und die potentiell schärfste Form der Gewinnabschöpfung auf Vorsatzfälle (wie bei einer echten Produktpiraterie im Immaterialgüterrecht oder vorsätzlichen Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch werbliche Ausnutzung für Merchandising-Produkte) beschränken. Insofern wird teilweise wegen der Besonderheiten des Immaterialgüterrechts und der Schutzwürdigkeit der dortigen Rechtspositionen aber für Rückausnahmen plädiert und man will in einer Gesamtanalogie zu den – allerdings zum 31.08.2008 abgeschafften – Haftungserleichterungen aus dem sog. Moderationsrecht in § 139 Abs. 2 S. 2 PatG aF, § 24 Abs. 2 S. 2 GebrMG aF usw. nur Fälle der leichten Fahrlässigkeit ausklammern (so Schwab, in: Dauner-Lieb/Langen, BGB, 4. Auflage 2021, § 687 Rn. 36, 37 ohne Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Streichung dieser Regelungen).
428((2))
429Teilweise wird im Schrifttum auf angebliche dogmatische Verwerfungen durch die nationale Umsetzung von Art. 13 Abs. 1 („angemessene(r)“ Schadensersatz als „Ausgleich …des erlittenen tatsächlichen Schadens“) und Art. 13 Abs. 2 lit a) („ … berücksichtigen“ aller Aspekte, wie den „zu Unrecht erzielten Gewinn des Verletzers“) der Enforcement-Richtlinie (Durchsetzungsrichtlinie 2004/48/EG) in den Regelungen der § 97 Abs. 2 S. 2 UrhG, § 139 Abs. 2 S. 2 PartG, § 24 Abs. 2 S. 2 GebrMG, § 14 Abs. 6 S. 2 MarkenG usw. Bezug genommen, nach denen bei der Schadensberechnung der Verletzergewinn nur „berücksichtigt“ werden soll, während im weitergehenden Kommissionsentwurf (KOM (2003) 46 endg.) die Rede davon war, dass dem Rechtsinhaber „alle Gewinne zufallen“ sollen (Raue, Die dreifache Schadensberechnung, 2017, S. 109). Die Abkehr von diesen strengeren Vorentwürfen der Richtlinie mit echtem Strafcharakter (u.a. nach US-Vorbild) im europäischen Normgebungsverfahren (dazu Raue, Die dreifache Schadensberechnung, 2017, S. 88 ff.) belegt in der Tat, dass man auf EU-Ebene versucht hat, die in diesem Bereich unterschiedlichen Rechtstraditionen der Mitgliedsstaaten (dazu im Überblick anhand einiger Länder Raue, Die dreifache Schadensberechnung, 2017, S. 130 ff.) zu bündeln und sich auf einen im gedanklichen Ansatz nur kompensatorischen Schadensersatzanspruch ohne überschießenden Sanktionscharakter zu beschränken (Erwägungsgrund Nr. 26; differenzierter Janssen, Präventive Gewinnabschöpfung, 2017, S. 351 ff.). Es geht im dogmatischen Ansatz in der Richtlinie daher nicht mehr um eine von der Kompensation des konkreten Schadens des Verletzten losgelöste und de facto eigenständige Gewinnabschöpfung (deutlich auch EuGH v. 09.06.2016 – C-481/14, EuZW 2016, 543 Rn. 40 ff. - Hansson/Jungpflanzen Grünewald). Dies wird teilweise auf das nationale Recht übertragen. Der Bundesrat hat bei der Änderung der genannten gesetzlichen Regelungen Einwendungen erhoben und die überkommenen Grundsätze des Wahlrechts bei der sog. dreifachen Schadensberechnung in Sachen Gewinnabschöpfung nach der bisherigen Rechtsprechung als gefährdet angesehen (BT-Drs. 16/5048, S. 54). Die Bundesregierung hat zwar betont, dass man die Beibehaltung der Rechtsprechungsgrundsätze nicht als gefährdet ansehe, zugleich aber deutlich gemacht, dass Gewinnabschöpfung und Schadensersatz nach allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen nicht gleichzusetzen seien und man die Vorgaben der Richtlinie umsetzen möchte (BT-Drs. 16/5058, 61). Dies wird in dem von der Richtlinie harmonisierten Bereich - was man aber folgerichtig auf nicht harmonisierte Bereiche wie den hier vorliegenden Bereich übertragen müsste, in dem man die Grundsätze der sog. dreifachen Schadensberechnung auch sonst bisher jeweils entsprechend anwendet - zum Anlass genommen, jedwede schadensersatzrechtlich „überkompensatorische“ Sanktion durch Gewinnabschöpfung als Rechtsfolge eines Schadensersatzanspruchs abzulehnen, weil die Richtlinie bewusst nur die (engere) Rechtstradition einiger Mitgliedsstaaten (etwa England, Frankreich und Niederlande) aufgegriffen habe, den Gewinn des Verletzers als eine - nicht allein entscheidende - Bezugsgröße für eine Schätzung des entgangenen eigenen Gewinns des Verletzten heranzuziehen (dazu Raue, Die dreifache Schadensberechnung, 2017, S. 87, 97 f., 107 ff.,111 f., 398 ff., 446 ff. m.w.N.; kritischer Janssen, Präventive Gewinnabschöpfung, 2017, S. 376 ff. m.w.N.). Folge wäre, dass es schadensersatzrechtlich deswegen nur noch eine (anders gelagerte) „zweifache Schadensberechnung“ geben könne, bei der entweder eine konkrete Berechnung des zu kompensierenden eigenen materiellen Schadens unter bloßer „Berücksichtigung“ auch des Verletzergewinns als einem weiteren Bemessungsfaktor erfolgen kann (zu solchen Fällen Raue, Die dreifache Schadensberechnung, 2017, S. 538 ff.) oder ein pauschalierter (eigener) Schaden in Höhe einer Lizenzanalogie ersetzt würde. Eine umfassende Gewinnabschöpfung wäre nur noch auf § 687 Abs. 2 BGB zu stützen. Wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit der Immaterialrechtsgüter möchte man zwar de lege ferenda eine generalpräventiv wirkende Gewinnabschöpfung schon bei grober Fahrlässigkeit des Verletzers geregelt wissen (Raue, Die dreifache Schadensberechnung, 2017, S. 453, 472 f., 562), sieht de lege lata aber § 687 Abs. 2 BGB als Grenze der richterlichen Rechtsfortbildung, so dass man nur vorsätzliche Verletzungen erfassen könne (a.a.O., S. 473, 562). Hier will man nur Erleichterungen dadurch schaffen, dass man tatbestandlich – weitergehend als bisher - alle „rechtsblinden“ Verletzer erfassen möchte, um mit dem Abschöpfungsanspruch dem rechtserschütternden Eindruck vorzubeugen, der sonst durch „fautes lucratives“ entstehen würde. Auf Leichtfertigkeit oder Gewissenlosigkeit beruhende Rechtsirrtümer will man daher schon unter § 687 Abs. 2 BGB fassen. Dazu möchte man mit Anscheinsbeweisen und/oder Beweiserleichterungen arbeiten, wenn der Verletzer zumindest die Tatsachen kennt, aus denen er auf die fehlende Berechtigung schließen kann bzw. die Verletzung von einem objektiven Standpunkt aus gesehen „offensichtlich“ war (dazu Raue, Die dreifache Schadensberechnung, 2017, S. 487 ff.).
430((3))
431Wieder andere argumentieren weniger mit § 687 Abs. 2 BGB und/oder den europäischen Vorgaben als mit der durch die – nachstehend noch näher zu erläuternde – „Gemeinkostenanteil“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH v. 02.11.2000 – I ZR 246/98, BGHZ 145, 366, 371 = juris Rn. 24; siehe dazu auch BGH v. 21.09.2006 – I ZR 6/04, GRUR 2007, 431 Rn. 23 ff. - Steckverbindergehäuse) entstandenen Gefahr einer „Überabschreckung“ durch eine Gewinnabschöpfung, die über die Kompensation des eigenen Schadens des Verletzten potentiell hinausgeht. Diese Stimmen wollen das „scharfe Schwert der Gewinnabschöpfung“ auf Vorsatztaten (unter Einschluss des bedingten Vorsatzes) beschränken und die präventiv wirkende Gewinnabschöpfung von einer kompensatorischen Gewinn-„Berücksichtigung“ bei der Bemessung von (kompensatorischen) Ersatzansprüchen wegen einfacher Fahrlässigkeit trennen (Janssen, Präventive Gewinnabschöpfung, 2017, S. 402 ff., 577 ff. m.w.N., für das allgemeine und besondere Persönlichkeitsrecht a.a.O., S. 500, 510, 511 f.).
Diese Bedenken aus dem Schrifttum greifen nach Auffassung des Senats nicht durch und es ist – was auch den Vorstellungen des Gesetzgebers (a.a.O.) entsprach – weiterhin allein der Rechtsprechung überlassen, die Grundsätze der sog. dreifachen Schadensberechnung nach den bisherigen Voraussetzungen - und damit auch bei einfacher Fahrlässigkeit selbst mit dem Ziel umfassender Gewinnabschöpfung - fortzuführen (für Kontinuität im Zweifel auch BGH v. 24.07.2012 - X ZR 51/11, GRUR 2012, 1226 Rn. 21 - Flaschenträger unter Verweis auf Erwägungsgrund Nr. 26; siehe auch BGH v. 16.12.2021 – I ZR 201/20, GRUR 2022, 229 Rn. 72, 86 ff.). Dabei bestehen zunächst selbst im harmonisierten Bereich der Enforcement-Richtlinie keine europarechtlichen Bedenken an einer u.U. möglicherweise auch über die Richtlinienvorgaben hinausreichenden Gewinnabschöpfung nach nationalem Recht, weil die Richtlinie nur einen Mindest-, nicht aber einen Höchstrahmen aufstellt (Raue, Die dreifache Schadensberechnung, 2017, S. 102 f., 108, 130, 445 f.) und Art. 13 Abs. 2 ohnehin weitergehende nationale Regelungen bis hin zu einer sogar verschuldensunabhängigen Gewinnabschöpfung erlauben würde. Richtig ist allerdings, dass die richterrechtlichen Grundsätze der Gewinnabschöpfung aus klassisch schadensersatzrechtlicher Sicht im Einzelfall zu einer „Überkompensation“ führen können. Das ist seit der „Gemeinkostenanteil“-Entscheidung des Bundesgerichtshofes aus generalpräventiven Gründen zur Sanktion und Abschreckung aber in gewissem Umfang hinzunehmen, weil man damit die frühere Abzugsfähigkeit nach dem sog. Vollkostenprinzip ebenso aufgegeben hat wie den potentiellen Einwand, dass der Verletzte den so abgeschöpften Gewinn selbst nie in dieser Form hätte erzielen können (BGH v. 02.11.2000 – I ZR 246/98, BGHZ 145, 366, 371 – Gemeinkostenanteil, juris Rn. 24, 30; BGH v. 16.12.2021 – I ZR 201/20, GRUR 2022, 229 Rn. 88; zum Problem Raue, Die dreifache Schadensberechnung, 2017, S. 436 f., 438 ff., 443 f. und Janssen, Präventive Gewinnabschöpfung, 2017, S. 329 ff.). Mit dieser Grundsatzentscheidung hat man sich von der bereits angesprochenen – ohnehin weitgehend auf eine Fiktion hinauslaufenden – Annahme gelöst, dass der abzuschöpfende Gewinn des Verletzers bei pauschalierender Betrachtung im Zweifel mit dem entgangenen Gewinn des Verletzten identisch sei (so etwa BGH v. 08.10.1971 – I ZR 12/70, BGHZ 57, 116 = juris Rn. 8; 02.02.1995 - I ZR 16/93, GRUR 1995, 349, 351 – Objektive Schadensberechnung; siehe weitere Nachweise bei Raue, Die dreifache Schadensberechnung, 2017, S. 441 Fn. 1508). Man hat einen Vorteilsabschöpfungsmechanismus geschaffen, der mit einem „klassischen“ Schadensersatzanspruch nur wenig gemein hat, weswegen man sich in der Rechtsprechung schon lange ergänzend auf die Regelungen über die angemaßte Eigengeschäftsführung berufen hat (siehe BGH v. 02.11.2000 – I ZR 246/98, BGHZ 145, 366, 371 – Gemeinkostenanteil = juris Rn. 24; v. 07.02.2002 – I ZR 304/99, BGHZ 150, 32, 44 – Unikatrahmen = juris Rn. 52; weitere Nachweise bei Raue, Die dreifache Schadensberechnung, 2017, S. 445 Fn. 1527, S. 449 Fn. 1557). Dieser Verweis bezog sich aber nur auf die Rechtsfolgenseite des § 687 Abs. 2 BGB, während als Anspruchsvoraussetzungen nur die schon bei einfacher Fahrlässigkeit eingreifenden Schadensersatznormen herangezogen worden sind. Darin liegt kein unüberwindbarer dogmatischer Bruch. Denn der Verweis auf § 687 Abs. 2 BGB trägt schon deswegen nicht, weil diese Norm – wie die nicht vorsatzabhängigen Regelungen in §§ 61, 113 Abs. 1 HGB, § 88 Abs. 2 AktG belegen (Staudinger/Bergmann, BGB, 2020, § 687 Rn. 38) – kaum verallgemeinerungsfähig ist und kein „Naturgesetz“ aufstellt. Die Norm dürfte in ihrer historischen Herleitung auf einer wiederum selbst nicht ganz widerspruchsfreien Rezeption der römisch-rechtlichen Grundlagen beruhen, die schon mit Inkrafttreten des BGB und damit auch des § 687 Abs. 2 BGB den partiellen Rückgriff auf die Grundsätze der Geschäftsanmaßung in der Ariston-Entscheidung des Reichsgerichts bei der Gewinnabschöpfung überholt hatten, so dass ein direkter Rückgriff auf § 687 Abs. 2 BGB in Fragen der Gewinnabschöpfung allenfalls im Wege einer „rechtsähnlichen“ Anwendung möglich ist und bleibt, die die Rechtsprechung aber nur auf Rechtsfolgenseite so auch seit langem befürwortet (siehe etwa nur RG v. 03.02.1909 - I 99/08, RGZ 70, 249, 251 ff.; v. 22.10.1930 – I 128/30, RGZ 130, 108, 110 und BGH v. 13.03.1962 - I ZR 18/61, GRUR 1962, 401, 402 - Kreuzbodenventilsäcke III; v. 29.05.1962 - I ZR 132/60, GRUR 1962, 509 - Dia-Rähmchen II). Die umfassende Verortung der Gewinnabschöpfung bei § 687 Abs. 2 BGB überzeugt daher nicht (siehe auch Staudinger/Bergmann, BGB, 2020, § 687 Rn. 66 f. n.w.Helmut), zumal die Umsetzung der Enforcement-Richtlinie deutlich gemacht hat, dass man die Gewinnabschöpfung als schadensersatzrechtliches Institut geregelt wissen möchte und so in die nationalen Vorschriften implementiert hat. Selbst wenn man die Regelung in § 687 Abs. 2 BGB als systematisch falsch verortete und im Kern deliktische Sonderregelung ansieht (zum Streitstand Raue, Die dreifache Schadensberechnung, 2017, S. 248, 401 f.), geht es richtigerweise nur darum, u.a. aus generalpräventiven Erwägungen über diese als zu eng empfundene gesetzliche Regelung hinaus eine Abkehr vom strengen schadensersatzrechtlichen Kompensationsprinzip (nur) für Immaterialgüter zu rechtfertigen. Es geht um eine besondere Form der ergänzenden retributiven Haftung, die man methodenehrlich vom „klassischen“ Schadensersatzanspruch trennen und bei der man in der Tat prüfen mag, ob dieser Teil der Schadensberechnung nicht von strengeren tatbestandlichen Vorgaben abhängig zu machen ist als der „klassische“ (kompensatorische) Ersatzanspruch (Raue, Die dreifache Schadensberechnung, 2017, S. 248 f.). Das trägt richtigerweise jedoch keine Abkehr von den Rechtsprechungsgrundsätzen: Denn das Immaterialgüterrecht (im weiten Sinne) weist gerade die angesprochene Besonderheit auf, dass auf Tatbestandsebene die Rechtspositionen besonders verletzlich und - auch wegen Nachweisproblemen bei Verletzungen, die im Vorfeld oft schwerer abwehrbar sind – besonders schutzbedürftig erscheinen. Auf Rechtsfolgenseite wird der bisweilen prekären Situation des Verletzten durch das gängige schadensrechtliche Ausgleichsinstrumentarium der §§ 249 ff. BGB, § 287 ZPO nicht Rechnung getragen. Um dies auf Ebene der Schadenskonkretisierung abzufangen (Ausgleichsgedanke) und gleichzeitig den Schädiger nicht mit einem aus einer schuldhaften Verletzung gezogenen Gewinn „ungeschoren“ davonkommen zu lassen („tort must not pay“), erscheint es im Ansatz mit Blick auf generalpräventive Überlegungen weiterhin gerechtfertigt, dem Verletzten die dreifache Methode der Schadensberechnung umfassend zuzubilligen und dies auch schon bei einem Verschulden nur in Form einer einfachen Fahrlässigkeit mit dem Ziel einer Gewinnabschöpfung (siehe auch Staudinger/Bergmann, BGB, 2020, § 687 Rn. 13, 37, 67 und erneut BGH v. 02.11.2000 – I ZR 246/98, BGHZ 145, 366, 371 – Gemeinkostenanteil = juris Rn. 24). Das gilt dann unabhängig davon, dass je nach Entscheidung der zahlreichen oben offen gelassenen Streitfragen rund um § 687 Abs. 2 BGB bei einem Abstellen (nur) auf diese Norm sonst möglicherweise weitere Schutzlücken für Immaterialrechtsgüter drohen. Diese Erwägungen gelten dann nicht nur im klassischen „grünen Bereich“, sondern auch bei Eingriffen in die vermögenswerten Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.
433Dass es im Einzelnen dogmatische Probleme bei der widerspruchsfreien Einordnung einer solchen schadensersatzrechtlichen Gewinnabschöpfung im deutschen Recht geben mag und man sogar von einem „Fremdkörper“ sprechen will (so Larenz/Canaris, Hdb. des SchuldR II/2, 13. Aufl. 1994, S. 279 Fn. 48), ist im Ergebnis hinzunehmen. Kein durchgreifendes Gegenargument ist insbesondere, dass schon der allseits anerkannte Anspruch auf Lizenzanalogie die Schutzinteressen und Bezifferungsprobleme des Geschädigten regelmäßig abfangen könnte und aus dem das Schadensersatzrecht beherrschenden Aspekt der Kompensation heraus für einen sachgerechten Ausgleich regelmäßig besser geeignet erscheinen mag (so Raue, Die dreifache Schadensberechnung, 2017, S. 392 ff.). Denn andererseits ist nicht einzusehen, wieso einem schuldhaft handelnden Schädiger theoretisch ein die angemessene Lizenzanalogie weit übersteigender Gewinn verbleiben soll, bei dem er den rein kompensatorischen Schaden (= angemessene Lizenzanalogie) mehr oder weniger „aus der Portokasse“ zahlen könnte. Ergänzend streitet zudem gerade die Streichung der – oben bereits angesprochenen - Haftungserleichterungen bei einfacher Fahrlässigkeit in § 139 Abs. 2 S. 2 PatG a.F., § 24 Abs. 2 S. 2 GebrMG a.F., § 37 Abs. 2 S. 2 SortG aF usw. im Zusammenhang mit dem gesetzgeberischen Verzicht auf die nationale Umsetzung eines eigenständigen Haftungstatbestandes bei schuldlos Verletzenden i.S.d. Art. 13 Abs. 2 der Enforcement-Richtlinie (dazu Janssen, Präventive Gewinnabschöpfung, 2017, S. 361 f., 368 f., 399) oder auch mit Blick auf die Regelungen in Art. 45 Ziff. 2 TRIPs (dazu Meier-Beck, Festschrift Loschelder 2010, 221, 230) tendenziell für ein Festhalten an dem überkommenen, schon bei einfacher Fahrlässigkeit eingreifenden Schadensersatzanspruch unter Anwendung der deutschen Grundsätze der sog. dreifachen Schadensberechnung. Dies wollte der Gesetzgeber der Rechtsprechung überlassen, der er ohnehin auf den bisher bewährten Gleisen und damit u.a. auch unter Einschluss der Gemeinkostenanteil-Rechtsprechung mit ihren präventiv wirkenden Tendenzen folgte (BT-Drs. 16/5048, 33, 37, 48); dem ist nach Auffassung des Senats Rechnung zu tragen.
434Kein Argument gegen eine Gewinnabschöpfung ist schließlich – trotz der gewissen sprachlichen Verwandtschaft mit den oben genannten immaterialgüterrechtlichen Regelungen – die Möglichkeit nur der bloßen „Berücksichtigung“ des anteiligen Verletzergewinns in § 33a Abs. 3 GWB (= § 33 Abs. 3 S. 3 GWB aF). Diese Norm erlaubt nach heute allgemeiner Ansicht zwar keine umfassende Gewinnabschöpfung (statt aller Immenga/Mestmäcker/Franck, WettbewerbsR, 7. Aufl. 2024, § 33a GWB Rn. 106 f.; Kersting, in: Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Kersting/Meyer-Lindemann, Kartellrecht, 4. Aufl. 2020, § 33a GWB Rn. 84 m.w.N.). Hier ist aber der zunächst schärfere und eine Gewinnherausgabe vorsehende Referentenentwurf im Gesetzgebungsverfahren zu § 33 Abs. 3 S. 3 GWB aF an der fraglichen Stelle bewusst abgeschwächt worden. Der Verweis soll also eindeutig zu Erleichterungen bei der - hier daher rein kompensatorisch gedachten - Schadensbestimmung dienen (Raue, Die dreifache Schadensberechnung, 2017, S. 394). Dies ist jedoch den Besonderheiten des Kartellrechts geschuldet und wird zu Recht von der inhaltlich weitergehenden Gewinnabschöpfung im Immaterialgüterbereich abgegrenzt (siehe etwa Immenga/Mestmäcker/Franck, WettbewerbsR, 7. Aufl. 2024, § 33a GWB Rn. 107 Fn. 504; Bechtold/Bosch, GWB, 10. Aufl. 2021, § 33 GWB Rn. 36).
435Soweit der Bundesgerichtshof im Urteil vom 14.05.2009 (I ZR 98/06, BGHZ 181, 98 – Tripp-Trapp-Stuhl = juris Rn. 54) mit Blick auf die zuvor schon geäußerten dogmatischen Bedenken rund um die Umsetzung der Enforcement-Richtlinie (dazu auch v. Ungern-Sternberg, GRUR 2008, 291, 298 f.; ders., GRUR 2009, 460, 465) offen gelassen hat, ob ein nur „leichtes“ Verschulden den Anspruch auf Gewinnabschöpfung nach der sog. dreifachen Schadensberechnung ausschließen kann, bedarf dies auch im vorliegenden Fall keiner Vertiefung. Denn jedenfalls ein nicht nur „geringes Verschulden“ genügt nach Ansicht des Bundesgerichtshofes (a.a.O.) und ein solcher Verschuldensgrad ist bei dem Beklagten zu 1) nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und dem gesamten Akteninhalt mit dem oben zu § 687 Abs. 2 BGB Gesagten festzustellen. Soweit sich die Beklagten zu 1) bis 3) u.a. mit Blick auf ein von ihnen vor der Publikation eingeholtes - im Verfahren allerdings nicht vorgelegtes - anwaltliches Rechtsgutachten auf einen für juristische Laien entschuldbaren Rechtsirrtum berufen (vgl. S. 74 der Klageerwiderung der Beklagten zu 1) und 2), Bl. 431 d.A.), hat zwar die Klägerin im Verfahren, in dem sie selbst mit der Einholung des Gutachtens durch die vermeintlichen „Mittäter“ in allseitiger Kenntnis der tatsächlichen Grundlagen der Zusammenarbeit argumentiert, die Einholung des Gutachtens zuletzt nicht mehr, jedenfalls nicht ausreichend substantiiert bestritten, welches zudem auch im nicht nach § 320 ZPO angegriffenen Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (S. 69) als unstreitig eingeholt und den Beklagten vorliegend aufgeführt ist. Indes ist - wie oben bereits zu § 687 Abs. 2 BGB angesprochen – das Gutachten gerade nicht auch zu etwaigen vertraglichen Vertraulichkeitsbindungen des Beklagten zu 1) gegenüber dem Erblasser eingeholt worden. Dass der Beklagte zu 1) jedenfalls mit Blick darauf dann fahrlässig gehandelt hat, steht aber außer Frage. Dies zeigt sich auch daran, dass er nach dem Zerwürfnis mit dem Erblasser immerhin selbst mehrere Jahre lang „freiwillig“ absolutes Stillschweigen über die Memoirenarbeit und ihre Inhalte bewahrt hat und es erst ab 2012 zu einem Sinneswandel in Ansehung des ersten RY.-Interviews gekommen ist. Diesen Sinneswandel hat er zwar auf eine angeblich vom Erblasser erteilte „Verwertungserlaubnis“ nach einem längeren Zeitablauf zu stützen versucht, bei der er aber weder die Folgen der Nichtvollendung der Memoiren des Erblassers noch der Beendigung der Zusammenarbeit bedacht zu haben scheint, so dass – selbst bei Inrechnungstellung fehlender verlagsvertraglicher Regelung und der Nichtfeststellung ausdrücklicher mündlicher Abreden nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme - auch deswegen ein jedenfalls nicht nur ganz geringes Verschulden vorliegt. Dass der Beklagte zu 1) eine juristisch nicht geschulte Naturalpartei sein mag, von der man nicht erwarten könne, dass sie eine ungeschriebene vertragliche Geheimhaltungspflicht erkenne, die immerhin die vollbesetzte Kammer des Landgerichts Köln im Beschluss vom 07.10.2014 (28 O 434/14, BeckRS 2014, 19382, Anlage OC 8, AO III) nicht erkannt habe (so etwa S. 94/100 der Klageerwiderung der Beklagten zu 1) und 2) = Bl. 451/457 d.A.), lässt zwar mit dem oben zu § 687 Abs. 2 BGB Gesagten den Vorsatz entfallen, führt aber nicht dazu, dass, dass man dem Beklagten zu 1) im Jahr 2014 bei der streitgegenständlichen Publikation nicht zumindest ein nicht mehr nur „leichtes“ Verschulden vorwerfen kann; im Gegenteil.
436Die auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung liegende Einordnung der Gewinnabschöpfung (nur) als besondere Form der Schadensberechnung hat ansonsten zwar zur Folge, dass dann, wenn es aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles gänzlich an dem von der Rechtsprechung zum Ausgangspunkt einer Schadensberechnung durch eine Herausgabe des Verletzergewinns genommenen (Regel-)Zusammenhang zwischen der Entwicklung des Verletzergewinns und der des Schadens auf Seiten des Verletzten fehlen wird, eine Schadensberechnung nach der objektiven Methode der Herausgabe des Verletzergewinns (weil unvereinbar mit dem das Schadensersatzrecht bestimmenden Ausgleichsgedanken) „ausnahmsweise“ im Einzelfall nicht in Betracht kommen kann (BGH v. 02.02.1995 - I ZR 16/93, GRUR 1995, 349; ebenso BGH v. 20.05.2008 - X ZR 180/05, GRUR 2008, 896 Rn. 33 – Tintenpatrone; dazu Raue, Die dreifache Schadensberechnung, 2017, S. 392). Vom rein kompensatorischen Gesichtspunkt ausgesehen, wäre zwar u.U. dogmatisch auch nur die Annahme einer widerleglichen tatsächlichen Vermutung der Identität ausreichend gewesen (so Raue, a.a.O.). Doch geht es darum hier nicht, weil im Grundsatz eine schadensersatzrechtliche Gewinnabschöpfung auch möglich sein und bleiben muss, wenn – wie hier – feststeht, dass der Geschädigte den Gewinn des Verletzers selbst in dieser Form so nie gezogen hätte (st. Rspr., vgl. etwa BGH v. 02.11.2000 – I ZR 246/98, BGHZ 145, 366, 371 = juris Rn. 30 m.w.N.). Die gerade benannte Ausnahmefallgruppe kann und soll daher nur solche (wenigen) Fälle endgültig ausschließen, in denen eine Gewinnabschöpfung nach Sinn und Zweck der sog. dreifachen Schadensberechnung schlichtweg „ungeeignet“ wäre, weil beispielsweise etwa in der zitierten BGH-Entscheidung die rechtswidrige Übernahme von Abbildungen in einen Brillenkatalog wegen des vom Verletzer damit dennoch beworbenen Vertriebs nur von Originalbrillen sogar noch zu einem zusätzlichen (!) Umsatz des Verletzten (und nicht zu einem potentiellen Verlust) geführt haben konnte und die Gewinnabschöpfung als Instrument auf diesen konkreten Verletzungsfall daher gar nicht „passte.“ Im vorliegenden Fall gilt das nicht: Zwar steht außer Frage, dass das Buch und seine Geschichtserzählung von dem Vertrauensbruch des Beklagten zu 1) als Ghostwriter lebte und der Erblasser selbst niemals Gewinne aus seiner durch das Buch letztlich erfolgten öffentlichen Bloßstellung in dieser konkreten Form hätte ziehen können. Indes liegt – worauf sogleich zurückzukommen ist – in der Publikation dennoch ein schwerer Eingriff in die jedenfalls mit (abstrakten) wirtschaftlichen Dispositionsmöglichkeiten des Erblassers verbundenen vermögenswerten Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, was – zu welchen Anteilen auch immer (auch dazu unten mehr) - dann auch eine Gewinnabschöpfung erlauben muss.
437Der Senat geht schließlich auch nicht davon aus, dass sich die Klägerin hier widersprüchlich (§ 242 BGB) verhält, weil sie materielle Ansprüche aus der Publikation von Zitaten des Erblassers verlangt, die sie gleichzeitig ausdrücklich vor der Öffentlichkeit geheim halten möchte (dahingehend Gomille, ZUM 2022, 241, 242 mit Blick auf eine potentielle Lizenzanalogie). Ist eine Lizenzbereitschaft des Betroffenen keine Voraussetzung für das Geltendmachen einer Lizenzanalogie bei rechtswidrigen Eingriffen in kommerzielle Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, gilt nichts anderes für die Gewinnabschöpfung, mit der dem Schädiger gerade die Vorteile aus der deliktischen Handlung genommen werden sollen.
In der streitgegenständlichen Publikation liegt - was mit dem Vorgenannten eine Voraussetzung für einen Gewinnabschöpfungsanspruch nach den deliktischen Grundsätzen der sog. dreifachen Schadensberechnung ist - ein Eingriff (auch) in die vermögenswerten Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Erblassers noch zu dessen Lebzeiten.
Dabei kann entgegen der Klägerseite (S. 35 der Replik = Bl. 502 d.A.: „Marktwert“ des Erblassers) allerdings nicht schon unmittelbar an den Gedanken einer „werblichen Vereinnahmung“ des Namens, des Bildes und der Person des Erblassers als typische Form eines Eingriffs in den vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (siehe für die Verletzung des Rechts am eigenen Bild bzw. des Namensrechts BGH v. 21.01.2021 - I ZR 207/19, GRUR 2021, 548) angeknüpft werden. Insbesondere ist nicht jede Verwendung des Namens ein Namensgebrauch i.S.d. § 12 BGB (BGH v. 28.07.2022 – I ZR 171/21, juris Rn. 15, 18, 78 f.), wenn - wie hier - nicht der falsche Eindruck entsteht, der Namensträger habe dem Benutzer ein Recht zur entsprechenden Verwendung seines Namens erteilt und/oder eine sog. Zuordnungsverwirrung entsteht, was in Ansehung des Inhalts der Publikation mit dem offen zu Tage tretenden Vertrauensbruch des Ghostwriters fernliegt. Ob über § 12 BGB hinaus eine werbliche Nutzung von vermögenswerten Bestandteilen des Persönlichkeitsrechts vorliegt, ist aus Sicht des Durchschnittsrezipienten zu ermitteln (BGH v. 28.07.2022 – I ZR 171/21, juris Rn. 21; v. 24.02.2022 – I ZR 2/21, juris Rn. 13; v. 21.01.2021 - I ZR 207/19, GRUR 2021, 548 Rn. 14/15; v. 21.01.2021 – I ZR 120/19, GRUR-RS 2021, 2186 Rn. 28). Zwar mögen Titel, Aufmachung und Umschlagseiten der streitgegenständlichen Publikation den Eindruck erwecken, der Erblasser komme „ungefiltert“ zu Wort, doch geht es um die Beschreibung und Anpreisung der Buchpublikation des vertrauensbrüchigen „Ghostwriters“ und nicht um eine „klassische“ Anpreisungswerbung für ein kommerzielles Produkt unter Ausnutzung des Werbe- oder Imagewerts des Erblassers, mag man auch die Neugier der Leser angefeuert haben und insofern mit der Person des Erblassers „Werbung“ für das Buch gemacht haben (daran für unter Verweis auf die bisweilen schwierige Trennung von ideellen und vermögenswerten Bestandteilen für die streitgegenständliche Publikation anknüpfend etwa Meichle, Die Vererbbarkeit des Geldentschädigungsanspruchs bei Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, Diss. 2021, S. 123 f. Fn. 873; ähnlich für solche Fälle auch Hager, JA 2014, 627, 629). Zwar kann wegen der Werbefunktion einer Titelseite selbst bei einer im Innenteil der Zeitschrift vorhandenen redaktionellen Berichterstattung die Nutzung des Bildes eines Prominenten (auch) in die vermögenswerten Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eingreifen, mag wegen der bloßen Aufmerksamkeitswerbung auch ein Eingriff von geringerem Gewicht vorliegen (BGH v. 21.01.2021 – I ZR 120/19, GRUR-RS 2021, 2186 Rn. 28 und 29), doch führt das bei einem Buch über eine Person zu weit. Denn dann würde jedes Buchcover (auch) zum Eingriff in die vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts, was schwerlich überzeugen kann (vgl. auch OLG Frankfurt v. 21.01.1988 – 6 U 153/86, NJW 1989, 402 – Tennislehrbuch mit Bild eines Tennisprofis; dazu kritisch Poll, ZUM 1988, 454, 458). Zwar ist durchaus anerkannt, dass aus Sicht des durchschnittlichen Lesers die nur der Eigenwerbung für ein Presseprodukt dienenden und den Werbewert des Prominenten ausnutzenden Titelblattankündigungen und auch redaktionelle Berichterstattungen einen typischen Eingriff (auch) in die vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts Prominenter darstellen können (BGH v. 21.01.2021 – I ZR 207/19, GRUR-RS 2021, 548 Rn. 13-15; v. 21.01.2021 – I ZR 120/19, GRUR-RS 2021, 2186 Rn. 27-29), doch geht es vorliegend nicht um einen solchen „klassischen“ Fall einer Eigenwerbung. Im Übrigen ist auch das Erwecken des Eindrucks einer „Produktempfehlung“ durch den Erblasser hier - wie bereits gesagt - fernliegend, weil das Buch den beschriebenen Bruch mit dem „Ghostwriter“ zum Gegenstand hat und es daraus sowie aus dem – in den Worten der Klägerin - „Kammerdienerblick durch das Schlüsselloch“ seinen vermeintlichen Reiz schöpft. Auch eine sog. Aufmerksamkeitswerbung, mit der die Aufmerksamkeit des Rezipienten über den Prominenten auf ein beworbenes (anderes) Produkt oder ein beworbenes Presseerzeugnis gelenkt wird (zu diesen Fallgruppen BGH v. 21.01.2021 - I ZR 207/19, GRUR 2021, 548 Rn. 29; v. 21.01.2021 – I ZR 120/19, GRUR-RS 2021, 2186 Rn. 41), liegt nicht vor, weil – ähnlich dem Bewerben einer Musikshow mit dem Doppelgänger-Bildnis des prominenten Künstlers (BGH v. 24.02.2022 – I ZR 2/21, juris, Rn.46 ff. zu § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG) - nur der Inhalt des Buches über den Erblasser umschrieben wird, was dieser jedenfalls in Ansehung seiner ehemaligen Funktion als Bundeskanzler in der Abwägung der widerstreitenden Interessen hinzunehmen hat (ähnlich wie bei einer beliebigen „Drittbiografie“ über den Erblasser als Person der Zeitgeschichte, die ebenfalls nur über die „Nutzung“ des Namens und der Person des Erblassers einen Marktwert erfahren wird).
440Dass die Beklagten zu 1) bis 3) mit der Veröffentlichung zumindest auch Gewinnerzielungsabsichten verfolgt haben, macht das Geschehen für sich genommen nicht zu einem Eingriff in die kommerziellen Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (zutreffend zum vorliegenden Lebenssachverhalt Gomille, ZUM 2022, 241, 242). Vielmehr ist eine Anmaßung von „Ausschließlichkeitsrechten“ des Betroffenen zu verlangen, deren Nutzung gegen Entgelt durch Dritte nicht nur rechtlich möglich, sondern auch „verkehrsüblich“ wäre, weil derjenige, der solche Rechte anderer verletzt, nicht besser dastehen soll, als er im Falle einer ordnungsgemäß erteilten Erlaubnis durch den Rechtsinhaber gestanden hätte (vgl. etwa BGH v. 22.03.1990 - I ZR 59/88, GRUR 1990, 1008, 1009 m.w.N.).
441Ob gegen die streitgegenständliche Buchpublikation (bzw. Teile davon) Unterlassungsansprüche (auch) wegen Eingriffs in die ideellen Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (etwa wegen Fehlzitaten) zu Lebzeiten und/oder auch postmortal bestanden haben/bestehen, spielt im vorliegenden Zusammenhang keine Rolle. Das kann zwar bei einem einheitlichen Unterlassungsbegehren wegen einer Nutzung von Namen/Bildnis des Betroffenen auch in einem werblichen Kontext in der Abwägung von Belang sein, wenn ein Eingriff im konkreten Fall beide Aspekte des Persönlichkeitsrechts betreffen würde (dazu BGH v. 28.07.2022 – I ZR 171/21, juris Rn. 25, 46 ff.). Auf Rechtsfolgenseite stehen die Grundsätze der sog. dreifachen Schadensberechnung aber auch dann richtigerweise nur bei einem Eingriff (auch) in die vermögenswerten Bestandteile zur Verfügung, während die Geldentschädigung eine (unterstellte) ideelle Beeinträchtigung auszugleichen hätte (siehe auch Gomille, GRUR 2020, 1720, 1722). Dies könnte ggf. um die Möglichkeit eigener Ersatzansprüche im Rahmen der §§ 249 ff. BGB z.B. für Restitutionsaufwendungen zum Schutz der Persönlichkeit ergänzt werden (zu diesem bisher in der Praxis oft wenig bedeutsamen Bereich des Schadensrechts bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. 2018, Kap. 14 Rn. 73 ff.; siehe auch Staudinger/Hager, BGB, 2017, § 823 Rn. C 291 f zu Anzeigenkampagnen usw.; siehe zu Urteilsveröffentlichungsansprüchen und Anzeigenkampagnen bei schädigender Immaterialgüterrechtsverletzung als allgemeines Problem zudem Raue, Die dreifache Schadensberechnung, 2017, S. 351 f., 356 ff.; allgemein auch BGH v. 15.11.1977 – VI ZR 101/76 –, BGHZ 70, 39 – Alkoholtest; v. 04.03.1982 - I ZR 19/80, GRUR 1982, 489 – Korrekturflüssigkeit und OGH v. 15.10.2002 – 4 Ob 174/02w, ÖBl. 2003, 31 – BOSS-Zigaretten; zu Klarstellungen bei sog. Doppelgängerwerbung etwa auch Pietzko, AfP 1988, 209, 219 m.w.N.).
Das Vorgenannte bedeutet jedoch nicht, dass mit dem primären Eingriff in ideelle Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Erblassers nicht dennoch ein Eingriff (auch) in vermögenswerte Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts noch zu seinen Lebzeiten festzustellen ist, wie es der Senat im Urteil vom 29.05.2018 (15 U 64/17, BeckRS 2018, 17910 Rn. 428 und 446) zu der Buchpublikation schon angedeutet hat.
443((1))
444Auf der hier relevanten Auskunftsstufe kann offenbleiben, ob ein solcher Eingriff schon darin liegen könnte, dass man die gesammelten Erkenntnisse aus den „Memoirengesprächen“ des Erblassers einer (auch wirtschaftlichen) Verwertung der insofern „gebündelten Lebensgeschichte“ des Erblassers unter Ausbeutung der kompakten und für die eigene Memoirenarbeit zweckgewidmeten Materialsammlung („Stoff“) zugeführt hat. Der Senat hat zwar bereits angesprochen, dass sich das streitgegenständliche Buch schon nach dem Titel „Vermächtnis“ faktisch in der Tat als eine Art „inoffizielle Fortsetzung“ der eigenen Memoiren des Erblassers verstehen lässt (Senat v. 29.05.2018 - 15 U 64/17, BeckRS 2018, 17910 Rn. 468). In Ansehung der Tatsache, dass zweifellos ein Markt für die Auswertung von als „Innenansichten der Macht“ vom Beklagten zu 1) beschriebenen Inhalten besteht, spricht – ist die Abgrenzung auch nicht einfach – einiges dafür, derartigen „marktgängigen“ Ausprägungen der Persönlichkeit, bei denen das Persönlichkeitsgut (hier: „Lebensgeschichte mit intimem Einblick“) theoretisch zum unmittelbaren Kaufgegenstand einer entgeltlichen Vertragsbeziehung hätte gemacht werden können, einen Zuweisungsgehalt als (am Markt zumindest faktisch lizenzfähiges) „Schutzgut“ zuzuschreiben (so deutlich für „Stoff“ für Memoiren Burkhart, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Kap. 5 Rn. 32; seinerzeit noch ohne das durch Bezugnahme auf die Vorentscheidungen des Senats in der 6. Aufl., 2018, a.a.O. erfolgte Aufgreifen der Auseinandersetzungen unter den Parteien dieses Rechtsstreits; siehe auch Siemes, AcP 201 [2001], 202, 221 ff. u.a. für eine „Lebensgeschichte“ selbst eines Nicht-Prominenten bei einer faktischen Wertzuweisung am Markt). Folgt man dem, könnte man im Verletzungsfalle folgerichtig den Eingriff als solchen (auch) zum Gegenstand eines materiellen Ersatzanspruchs unter Anwendung der Grundsätze der sog. dreifachen Schadensberechnung machen (zur Verwertung von „Lebensschicksalen“ aus bereicherungsrechtlicher Sicht Schlechtriem, Festschrift Hefermehl 1976, 445, 460; vgl. vertiefend Ettig, Bereicherungsausgleich und Lizenzanalogie bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen, 2015, S. 121 ff. u.a. für Exklusiv-Interviews, Homestories, Einblicke in die Privatsphäre wie bei Hochzeiten etc.; allgemein auch Schweers, Die vermögenswerten und ideellen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts nach dem Tod des Trägers, Diss. Köln 2006, S. 115 f.).
445((2))
446Ob man – die Klägerin deutet das u.a. auf S. 81 f. der Klageschrift (Bl. 81 f. d.A.) an - so weit gehen möchte, kann jedoch dahinstehen, zumal man gerade bei historischen Persönlichkeiten wie dem Erblasser die Möglichkeiten für freie Publikationen aus Sicht eines Außenstehenden - zu denen dann auch der eigene „Ghostwriter“ gehört - nicht zu sehr beschränken sollte. Die Frage dürfte allenfalls auf der letzten Ebene der Stufenklage von Bedeutung sein. Denn zumindest die in der streitgegenständlichen Buchpublikation erfolgte Auswertung der auf Tonbandaufnahmen „fixierten“ bzw. „materialisierten“ Stimme und damit mittelbar der Persönlichkeit des Erblassers (dies als wesentlicher Teil der angesprochenen „Materialsammlung“ = „Stoff“) gegen den Willen des Erblassers stellt - neben der in der Publikation der Zitate liegenden ideellen Beeinträchtigung des Erblassers (vgl. zum Schutz des gesprochenen Wortes etwa BGH v. 10.03.1987 – VI ZR 244/85, NJW 1987, 2667; BGH v. 19.12.1978 – VI ZR 137/77, BGHZ 73, 120) - richtigerweise auch einen Eingriff in vermögenswerte Bestandteile des Persönlichkeitsrechts des Erblassers zu Lebzeiten dar. Darauf hat die Klägerin u.a. schon auf S. 81 der Klageschrift (Bl. 81 d.A.) zutreffend hingewiesen. Der vom Beklagten zu 1) – mag es auch ggf. eher unter publizistischen bzw. historischen Aspekten heraus (S. 4 f. des Schriftsatzes vom 04.12.2018 = Bl. 663 f. d.A., Anhörung vom 29.11.2022, Bl. 4195 f. d.A.) – so bezeichnete „Schatz“ in Form der Tonbandaufnahmen (noch plastischer: „Der Schatz von Oggersheim“, vgl. Prantl, Süddeutsche Zeitung v. 08.10.2014, Anlage K 36, Bl. 1660 ff. d.A.) stellt auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten einen nicht unerheblichen Wert dar, zumal sich die Parteien einig sind, dass diese Aufnahmen und die darin zum Ausdruck gebrachte rückblickende Bewertung von wichtigen Stationen seines Lebens durch den Erblasser persönlich nach dessen schwerem Sturz im Jahr 2008 nicht mehr reproduzierbar und somit in der Tat einmalig waren, sind und für immer bleiben.
447Es geht dabei - entgegen dem Vortrag u.a. auf S. 19 des Schriftsatzes der Klägerin vom 02.04.2020 (Bl. 1331 d.A.) - nicht um einen (urheberrechtsähnlichen) „Diebstahl geistigen Eigentums“, welches man zudem noch „unseriös“ ausgewertet habe, sondern um den in den Tonaufnahmen greifbar „materialisierten“ Teil der Persönlichkeit des Erblassers, der in dieser „Materialisierung“ – dies in Ansehung einer zumindest grundsätzlichen Abwehrfähigkeit einer gegen den Willen des Erblassers erfolgenden Veröffentlichung seines gesprochenen Worts – wirtschaftlich potentiell ausnutzbar war und tatsächlich auch ausgenutzt worden ist. Ungeachtet der zahlreichen dogmatischen Streitfragen bei der Bestimmung von vermögenswerten Bestandteilen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit einem materiellen Zuweisungsgehalt (in Abgrenzung von der an die Verletzung anknüpfenden und im Bereicherungsrecht heute überkommenen sog. Rechtswidrigkeitstheorie) wird man bei „marktgängigen“ und zumindest theoretisch entgeltlich „auswertbaren“ Rechtspositionen, bei denen zudem wegen der Exklusivität und Einmaligkeit des Materials am Markt ein Verwertungsentgelt gezahlt würde, jedenfalls bei einer (wie hier) körperlich „materialisierten“ und damit „verdinglichten“ Persönlichkeit des Betroffenen einen materiellen Zuweisungsgehalt mit einer entsprechenden wirtschaftlichen Dispositionsbefugnis des Rechteinhabers bejahen. Ein solcher Zuweisungsgehalt eröffnet neben Fragen einer Bereicherungsabschöpfung (etwa durch Lizenzanalogie) – wo die Frage des Zuweisungsgehalts bisher vor allem diskutiert wird (siehe nur im Überblick Ettig, Bereicherungsausgleich und Lizenzanalogie bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen, 2015, S. 109 ff. m.w.N.) – bei schuldhaftem Verhalten und einer tatsächlichen Verletzung des Persönlichkeitsrechts damit den Weg in die sog. dreifache Schadensberechnung wegen einer Verletzung (ggf. auch) der vermögenswerten Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass in der widerrechtlichen Verletzung eines Immaterialgüterrechts - bei Annahme eines Zuweisungsgehalts - richtigerweise auch der im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB erforderliche (Eingriffs-)Schaden liegt, der bei normativer Bewertung den Weg in die sog. dreifache Schadensberechnung eröffnet, mag sich dies für die Lizenzanalogie u.U. auch einfacher erklären lassen (dazu Raue, Die dreifache Schadensberechnung, 2017, S. 277 ff. m.w.N.) als für die Gewinnabschöpfung als mit dem eingangs Gesagten doch insgesamt atypische Form einer Schadensberechnung.
448Dass man mit der Lehre vom Zuweisungsgehalt dabei auf ein originär bereicherungsrechtliches Institut zurückgreift, ist kein Wertungswiderspruch, weil die über §§ 812 ff. BGB abzuschöpfende Bereicherung durch die widerrechtliche Nutzung mehr oder weniger spiegelbildlich den Schaden des Rechtsinhabers durch den widerrechtlichen Eingriff in sein - eigentlich nur seiner wirtschaftlichen Disposition unterliegendes - Immaterialgüterrecht beschreibt und sogar förmlich in sich trägt. Rechtsguteingriff und Bereicherung laufen also – sieht man von Entreicherungsfragen ab – weitgehend parallel, während die Rechtsfolgen aber autonom nach den Grundsätzen der beiden Rechtsgebiete zu behandeln sind (siehe auch Raue, Die dreifache Schadensberechnung, 2017, S. 283 m.w.N.), hier also bei einfacher Fahrlässigkeit auch den Weg in die Schadensberechnung nach Gewinnabschöpfungsmaßstäben tragen.
449Ein Zuweisungsgehalt wird für schriftliche Aufzeichnungen (wie Tagebücher), aber auch für Tonbandaufnahmen mit der Aufnahme der Stimme einer Person als eine solche Fixierung der Persönlichkeit schon seit längerem diskutiert und offenbar allseits bejaht (siehe nur Schlechtriem, Festschrift Hefermehl 1976, 445, 449 ff.; von Cämmerer, Festschrift Hippel 1967, 27, 39 f.; Siemes, AcP 201 (2001), 202, 221 ff.; BeckOK-BGB/Wendehorst, Ed. 68, § 812 Rn. 131; Schweers, Die vermögenswerten und ideellen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts nach dem Tod des Trägers, Diss. Köln 2006, S. 118 f. und wohl auch MüKo-BGB/Schwab, 8. Aufl. 2020, § 812 Rn. 325). Das überzeugt, wenn und soweit diese „Materialisierungen“ einen zumindest faktischen „Marktwert“ haben und eine Verwertung sonst üblicherweise nur gegen Entgelt gestattet würde, mag dann auch eine konkrete Lizenzierungspraxis für eine u.U. auch atypische Auswertung/Verwertung im Einzelfall nicht feststellbar sein. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall zu bejahen. Der „Schatz von Oggersheim“ ist nicht nur ein großer historischer, sondern zugleich schon wegen der Einmaligkeit und fehlenden Reproduzierbarkeit der Einblicke auch ein wirtschaftlicher Wert. Er wäre über den grundsätzlichen Schutz des gesprochenen Worts als Aspekt der Persönlichkeit des Erblassers zu Lebzeiten richtigerweise auch allein dessen wirtschaftlicher Verwertungsbefugnis unterworfen gewesen, mag eine freiwillige Publikation der Inhalte durch den Erblasser auch unwahrscheinlich gewesen sein. Dass gerade die eigene Sicht des Erblassers auf die Dinge und Personen von einem potentiell erheblichen „Marktwert“ war und ist, zeigt aber im konkreten Fall insbesondere der vom Zeugen Dr. H. geschilderte Verlauf der Vertragsanbahnung mit dem Verlag, der bei einer direkten Mitwirkung des Erblassers ein Buchprojekt erkennbar wirtschaftlich deutlich höher eingeordnet hat als bei einer beliebigen „Drittbiografie.“ Das gilt entsprechend für eine potentielle Auswertung (sogar) von „Innenansichten der Macht“, die zudem gerade auch wegen der Aufdeckung des Vertraulichen von besonderem Wert sind und bei denen - das zeigt der Erfolg der Buchpublikation – die plastische, direkte Wörtlichkeit des Erblassers für die Publikation (wert-)prägend war. Es geht insbesondere also nicht nur um eine Berichterstattung über Prominente unter Verletzung der Vertraulichkeits- und Privatsphäre, wo regelmäßig auch keine entgangene Lizenz feststellbar sein soll (siehe etwa OLG Hamburg v. 06.07.2010 – 7 U 6/10, juris Rn. 40 ff. für redaktionellen Beitrag über einen „Schlüssellochblick“ ins Krankenzimmer), sondern gerade auch um eine auch wirtschaftliche Auswertung des auf den Bandaufnahmen dauerhaft „verdinglichten“ Teils der Persönlichkeit des Erblassers.
450((3))
451In diese, mit dem Vorgenannten zugleich mit einem materiellem Zuweisungsgehalt versehene Position der zweckgebunden (Memoiren des Erblassers, „Tagebuch“) erstellten Tonaufnahmen als Form der „verdinglichten“ Persönlichkeit des Erblassers („Schatz von Oggersheim“) ist seitens des Beklagten zu 1) mit der Veröffentlichung des Buches, welches Zitate des Erblassers als Auswahl aus diesem „Schatz“ enthält, eingegriffen worden. Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht erfordert keine Veröffentlichung in der konkreten „Schallgestalt“, sondern es genügt die Mitteilung von Inhalten/Transkripten einer Ton-Aufnahme (statt aller Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, 1991, § 11 2. d), S. 267 f m.w.N.); ausreichend ist auch – wie hier – eine Veröffentlichung nur von bestimmten Teilauszügen.
452Der Beklagte zu 1) hat sich mit Hilfe der auf Band fixierten Persönlichkeit des Erblassers in Form der Zitate, die der Publikation mit dem Vorbringen auf S. 46 der Klageschrift (Bl. 46 d.A.) und S. 38 f. der Berufungsbegründung der Klägerin (Bl. 1348 f. d.A.) überhaupt erst ihre „Wucht“, Glaubwürdigkeit und Wirkung verliehen haben, hier de facto dazu bemüßigt gefühlt, eine Art „inoffizielle Fortsetzung“ der Memoiren des Erblassers zu schreiben und den „Zitateschatz“ dazu nicht nur publizistisch, sondern zugleich auch kommerziell auszuwerten, was mit dem eingangs zum Unterlassungsanspruch gegen den Beklagten zu 1) Gesagten im Verhältnis der beiden Parteien untereinander ausschließlich zur freien Disposition des Erblassers gestanden hätte, dies schon wegen der grundsätzlichen Schutzfähigkeit des gesprochenen und auf Band verdinglichten Wortes. Für die Annahme eines Eingriffes genügt die textliche Auswertung des gesprochenen Wortes des Erblassers und es bedurfte nicht der unmittelbaren Nutzung (wie etwa beispielsweise durch unmittelbare Verwendung von Audiofiles mit dem Originalwortlaut als Teil einer Art Hörbuch) zu der es nicht gekommen ist; die mittelbare Verwertung durch die Verwendung des (angeblichen) Originalwortlautes genügt.
453Der Annahme eines Eingriffs (auch) in vermögenswerte Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Erblassers durch den Beklagten zu 1) steht nicht entgegen, dass die streitgegenständliche Publikation aus der im Grundsatz für die Frage, ob eine (auch) kommerzielle Ausnutzung vorliegt, allein maßgeblichen Sicht des Durchschnittslesers (dazu BGH v. 21.01.2021 – I ZR 207/19, GRUR-RS 2021, 548 Rn. 14; v. 21.01.2021 – I ZR 120/19, GRUR-RS 2021, 2186 Rn. 28) jedenfalls primär journalistisch-publizistische Ziele verfolgt haben mag und im Schwerpunkt sicherlich ideelle Interessen des Erblassers verletzt hat (Vertraulichkeitssphäre, öffentliche Bloßstellung etc.). Diese wären - wie bereits oben betont - zu Lebzeiten eine Frage von Ansprüchen auf Geldentschädigung, diese verstärkt durch den Aspekt einer Zwangskommerzialisierung, gewesen. Auch den von der Klägerin vorgebrachten Aspekt einer angeblichen „Entwertung“ und Verwässerung der ureigenen Memoiren des Erblassers durch das streitgegenständliche Buch mit seinem Offenlegen vermeintlicher „Innenansichten der Macht“ (vgl. etwa S. 50 der Klageschrift, Bl. 50 d.A.) hätte man – eine solche Entwertung hier nur gedanklich unterstellt und unter anderem Schwerpunkt oben bereits bei der Frage der Lebensbildverfälschung thematisiert - kaum als einen materiell-wirtschaftlichen Schaden des Erblassers beziffern können, sondern dann nur als einen etwaigen Bemessungsfaktor einer Geldentschädigung wegen der darin zugleich liegenden immateriellen Beeinträchtigung, zumal – wie eingangs angesprochen – selbst im klassischen Immaterialgüterrecht vergleichbare Fragen der „Verwässerung“ oder „Vulgarisierung“ einer Marke und/oder der schädigenden Nutzung von Schutzrechten nur selten in eigene materielle Ersatzansprüche münden. Im deutschen Recht werden Fälle einer schädigenden Nutzung oft eher durch über die Grundsätze der Naturalrestitution (§§ 249 ff. BGB) ableitbare Gegenmaßnahmen (wie Urteilsveröffentlichungen, Klarstellungen oder auch Ersatz für gegensteuernde Werbemaßnahmen) abgefedert. Zumeist werden – wie bereits geschildert – eher Lizenzanalogien eingefordert und wegen einer schädigenden Nutzung dann angemessen erhöht (siehe erneut Raue, Die dreifache Schadensberechnung, 2017, S. 349 ff. mit weitergehenden Vorschlägen auf S. 361 ff. für Vulgarisierungseffekte).
454Auch geht es vorliegend nicht um eine „klassische“ kommerzielle Auswertung der Persönlichkeit des Erblassers und ihrer vermögenswerten Bestandteile. Wird in der Praxis nahezu jede Presse- und Buchveröffentlichung mit dem Ziel der Auflagen- und Gewinnsteigerung einhergehen, kann dies im Regelfall allein kein geeignetes Kriterium zur Bemessung eines Eingriffs (auch) in vermögenswerte Bestandteile der Persönlichkeit sein. Kein Eingriff in den vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder des Rechts am eigenen Bild liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes daher - wie schon angesprochen - vor, wenn die Presse über die Öffentlichkeit interessierende Ereignisse berichtet und - auch aus Sicht des Durchschnittslesers - nicht ersichtlich ist, dass dabei kommerzielle Interessen einer Person, die Gegenstand der Berichterstattung ist, bestehen. Denn jedenfalls in solchen Fällen geht es Autor oder Presse ersichtlich nicht darum, sich die kommerzielle Verwertungsbefugnis der Person, über die berichtet wird, anzumaßen. Vielmehr steht das Berichterstattungsinteresse im Vordergrund. Die möglicherweise bestehende Absicht, durch die Gestaltung der Nachricht mit einem Bild des Betroffenen zusätzlichen Gewinn durch eine Steigerung der Auflage zu erzielen, ist hier nur ein mitwirkendes Element (vgl. BGH v. 20.03.2012 - VI ZR 123/11, NJW 2012, 1728 Rn. 26, 28; v. 21.01.2021 – I ZR 207/19, GRUR-RS 2021, 548 Rn. 13; v. 21.01.2021 – I ZR 120/19, GRUR-RS 2021, 2186 Rn. 27). Kann man aber selbst bei zuvor in der Öffentlichkeit nicht bekannten Personen im Einzelfall Zweifel an der Grundannahme der fehlenden „Marktgängigkeit“ von Lebensschicksalen, spektakulären Bildern etc. anmelden (für mögliche Ausgleichsansprüche bei einer rechtsverletzenden Berichterstattung zu Gunsten zuvor unbekannter Personen zur Meidung eines „Prominentenbonus“ daher etwa Raue, Die dreifache Schadensberechnung, 2017, S.583 ff.; Ettig, Bereicherungsausgleich und Lizenzanalogie bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen, 2015, S. 129; Schlechtriem, Festschrift Hefermehl 1976, 445, 461 ff.; Ullmann, AfP 1999, 209, 214; Mäsch, JuS 2012, 646, 648 f.; Siemes, AcP 201 [2001], 202, 220 f. - zumindest dann, wenn „primär Vermarktung und nicht Information“ geschieht, so plastisch Schlechtriem, a.a.O.), wird - wie bereits angesprochen - bei prominenten Personen die Abgrenzung zwar oft schwieriger. So haben etwa beispielsweise von Paparazzi unter Verletzung der Privatsphäre erstellte Hochzeitsfotos aus einer abgeschirmten Kapelle zweifellos ebenso einen hohen „Marktwert“ wie erfundene Interviews mit solche selbst verweigernden Prominenten etc., mag es auch dort dem äußeren Anschein nach um eine Informationsvermittlung gehen und nicht um eine „Vermarktung“ von Bestandteilen der Person. Es dürfte einiges dafür sprechen, in solchen Fällen dennoch (auch) einen Eingriff in die wirtschaftliche Dispositionsfreiheit (neben der ideellen Beeinträchtigung) zu diskutieren. Liegt aus der dafür dennoch im Ausgangspunkt maßgeblichen Sicht des Durchschnittslesers im Schwerpunkt jedoch noch eine redaktionelle Berichterstattung vor, wird man dies – ohne dass alle Detail- und Abgrenzungsfragen hier zu klären wären – jedoch zumindest restriktiv handhaben. Auch die (einfache) Rechtswidrigkeit eines Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (etwa durch Abwägungsfehler bei Privatsphäreverstößen oder bei der Veröffentlichung von Personenbildern) wird kein taugliches Kriterium sein, eine unzulässige redaktionelle Berichterstattung mehr oder weniger automatisch (auch) in eine Verletzung (auch) der vermögenswerten Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts „umschlagen“ zu lassen. Dies würde im Anwendungsbereich des Art. 5 Abs. 1 GG zu unzumutbaren Härten führen, die man dann nicht einfach damit rechtfertigen könnte, dass die Interessen der Presse schon auf der Ebene der Abwägung bei § 823 Abs. 1 BGB oder § 23 Abs. 1 und 2 KUG bei der Feststellung der Persönlichkeitsrechtsverletzung zu berücksichtigen sind, so dass es keines weiteren Schutzes zur Abwehr materieller Abschöpfungsansprüche auch auf dieser Ebene mehr bedürfe. Denn dies wäre zu eng, zumal sonst selbst bei fehlender Fahrlässigkeit bereicherungsrechtlich bereits eine Lizenzanalogie zu zahlen wäre. Man wird – bei allen Abgrenzungsproblemen im Detail – allerdings andererseits auch weniger mit einer Art „Regelvermutung“ operieren können, wonach bei auf den ersten Blick journalistischen oder publizistischen Verwertungen eine kommerzielle Ausnutzung im Zweifel auszuschließen wäre (so aber Neumeyer, AfP 2009, 465, 468; dagegen mit gutem Grund Ettig, Bereicherungsausgleich und Lizenzanalogie bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen, 2015, S. 127), sondern fragen, ob aus Sicht des Durchschnittslesers im Schwerpunkt Information (sei es im Einzelfall auch rechtswidrig etwa durch Abwägungsfehler) oder schon „Vermarktung“/“Ausnutzung“ erfolgt, wobei man im Wege der praktischen Konkordanz diese Abgrenzung stets im Lichte des Art. 5 Abs. 1 GG vorzunehmen haben wird. Ist beispielsweise etwa anerkannt, dass bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen und solche, deren Unwahrheit bereits bei der Äußerung feststeht, außerhalb des Schutzbereiches des Art. 5 Abs. 1 GG liegen (st. Rspr., vgl. etwa zuletzt BVerfG v. 09.11.2022 – 1 BvR 523/21, juris Rn. 17 m.w.N.), würde auch der durchschnittliche Leser - über die Hintergründe informiert – jedenfalls bewusste Lügen (wie etwa fingierte Interviews mit Prominenten oder erfundene Lebensgeschichten) schneller in den Bereich auch einer rücksichtlosen Ausnutzung der Person zur reinen Gewinn- und Auflagensteigerung verschieben (für Hervortreten des Kommerzialisierungsgedankes in solchen Fällen Neumeyer, AfP 2009, 465, 468 f.). Die praktische Bedeutung solcher Fälle würde ohnehin eher gering sein, wenn man – je nach Festlegung in den oben dazu aufgezeigten zahlreichen Streitfragen – u.U. konkurrierende Ansprüche wegen (dann eindeutig vorsätzlicher) angemaßter Eigengeschäftsführung (§ 687 Abs. 2 BGB) zulassen würde, was aber dort zumindest einen Verzicht auf das Merkmal der eigenen Lizenzbereitschaft des Verletzten erfordern würde (zum Streitstand oben).
455Dies bedarf jedoch hier nicht der Vertiefung: Denn im vorliegenden Fall kommt beim Beklagten zu 1) auch aus Sicht des durchschnittlichen Rezipienten ein ganz wesentlicher Faktor dazu. Zwar mag das Buch als solches publizistisch-journalistischer Natur sein, doch darf man nicht aus dem Blick verlieren, dass es gerade aus dem Vertrauens- und Vertragsbruch des „treulosen Ghostwriters“ für den Durchschnittsleser seine Wucht und Wirkung zieht und sich der Beklagte zu 1) mit dem zum Unterlassungsanspruch Gesagten im Verhältnis zum Erblasser selbst gerade nicht auf den Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG berufen kann, weil er durch den Abschluss des auftragsähnlichen Vertrages auf die eigene publizistische Verwertung des Materials aus den „Memoirengesprächen“ – und damit eben auch des „Schatzes von Oggersheim“ – wegen des damit einhergehenden Begründens von Unterlassungspflichten über § 241 Abs. 2 BGB „verzichtet“ hat, wie der Senat im Auflagen- und Beweisbeschluss vom 02.06.2022 (S. 8 = Bl. 3589 d.A.) unter Verweis auf die Ausführungen u.a. im Vorverfahren bereits ausgeführt hat. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass mit dem oben zu Ziff. 2. Gesagten der Nachweis einer ausdrücklichen Verschwiegenheitsabrede nicht geführt ist, da sich – wie ebenfalls ausgeführt – jedenfalls ein Rechtsverhältnis sui generis mit aus § 241 Abs. 2 BGB ableitbaren Schutzpflichten nachweisen lässt und dem Beklagten zu 1) deswegen das Berufen auf seine Meinungsfreiheit im Verhältnis zum Erblasser – auch verfassungsrechtlich unbedenklich - versagt bleibt. Kann der Beklagte zu 1) sich ähnlich wie bei bewusst unwahren Tatsachen damit aber auch aus Sicht des durchschnittlichen, über die Umstände aufgeklärten Rezipienten, hier gerade nicht mehr auf den Schutz der Meinungsfreiheit berufen (vgl. auch schon Senat v. 29.05.2018 - 15 U 64/17, BeckRS 2018, 17910 Rn. 126, 131, 187, 191; Senat v. 29.05.2018 - 15 U 65/17, BeckRS 2018, 10541 Rn. 161; siehe auch BGH v. 26.11.2020 – III ZR 136/18, BeckRS 2020, 36309 Rn. 15), spricht nichts dafür, ihn noch durch Versagung wirtschaftlicher Abschöpfungsansprüche wegen des in der Publikation zugleich liegenden Eingriffs auch in die wirtschaftliche Dispositionsfreiheit des Erblassers betreffend den „Tonband-Schatz“ zu schonen.
456Auch der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 21.01.2021 (I ZR 120/19, GRUR-RS 2021, 2186 Rn. 54 ff.) betont, dass bei der Nutzung eines Bildnisses eines Prominenten auch zur Aufmerksamkeitssteigerung als „Klickköder“ der Betroffene zwar nur im - lediglich einfachrechtlich geschützten - vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt seines Persönlichkeitsrechts und nicht auch in dessen - auch verfassungsrechtlich gewährleisteten - ideellen Bestandteil betroffen sei, aber an der Grenze zur bewussten Falschmeldung der durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG geschützten Pressefreiheit in der Abwägung kein überwiegendes Gewicht mehr zukomme, weil die (auch) kommerzielle Nutzung kein Selbstzweck sei, wenn und soweit ein konkreter Bezug zur redaktionellen Berichterstattung fehle. Es sei insoweit kein Grund ersichtlich, ein Presseorgan wegen seiner publizistischen Funktion zu privilegieren, wenn diese im Streitfall nicht hinreichend betroffen sei (vgl. BGH, a.a.O. Rn. 56 a.E.). Im vorliegenden Fall ist das aber ganz ähnlich; hier kann die (auch) wirtschaftliche Verwertung des „Tonbandschatzes“ für eine im Verhältnis der Parteien nicht mehr unter den Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG fallende Publikation keinesfalls als eine nicht mehr ausgleichspflichtige, rein publizistisch-redaktionelle Arbeit ohne Bezug zu den vermögenswerten Bestandteilen der Person des Erblassers eingestuft werden.
457Der Annahme eines Eingriffs (auch) in die vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts des Erblassers steht schließlich nicht der Umstand entgegen, dass es nach den Feststellungen des Senats und des Bundesgerichtshofs im Vorverfahren (15 U 65/17 – VI ZR 248/18) auch nicht wenige unrichtige Zitate in dem Buch gibt. Die Klägerin macht zwar auch im hiesigen Verfahren geltend, dass mehr oder weniger alle im Buch abgedruckten weiteren und nicht schon im Vorverfahren diskutierten Zitate insgesamt Fehlzitate (im engeren oder weiteren Sinne) seien bzw. auch sonst die Darstellung der Memoirenarbeiten sachlich unzutreffend sei. Es trifft auch zu, dass man bei komplett unwahren Zitaten des Erblassers einen Eingriff in kommerzielle Bestandteile des Persönlichkeitsrechts in Frage stellen könnte (vgl. Gomille, ZUM 2022, 241, 242). Indes liegt der Fall hier so nicht, weil auch in den Vorverfahren letztlich eher die Art und Weise der Auswertung der Zitate und Fragen der Kontextverfälschung bzw. Stimmungsbildverfälschung im Raum standen, es im Kern aber dennoch weiterhin um den dort auch anhand zahlreicher Tonbandauszüge plastisch gemachten „Zitateschatz“ geht. Selbst bei Fehlzitaten bliebe es daher mit dem Vorgenannten dabei, dass es ohne die – sei es hier auch unterstellt unseriöse und tendenziöse – Auswertung des (tatsächlich vorhandenen) „Zitateschatzes“ als verdinglichte Persönlichkeit des Erblassers die streitgegenständliche Publikation so niemals hätte geben können, so dass - wie möglicherweise bei bewusst unwahren Tatsachenbehauptungen über erfundene Hochzeiten, Liebesbeziehungen, fingierte Interviews und Bildfälschungen etc. in der sog. Regenbogenpresse (dazu Ettig, Bereicherungsausgleich und Lizenzanalogie bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen, 2015, S. 128) – hier dennoch ein wirtschaftlicher Ersatzanspruch bestehen bleibt, der wegen des schuldhaften Verhaltens des Beklagten zu 1) mit dem zuvor Gesagten dann auch auf Gewinnabschöpfung gerichtet sein kann.
Dieser Eingriff des Beklagten zu 1) (auch) in vermögenswerte Bestandteile des Persönlichkeitsrechts des Erblassers zu dessen Lebzeiten mittels der streitgegenständlichen Buchpublikation war auch rechtswidrig, so dass eine (materiell) ausgleichspflichtige Verletzungshandlung im oben genannten Sinne vorliegt. Wegen des Rahmenrechtscharakters des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bedarf es zur Feststellung einer Verletzung zwar im Grundsatz einer Abwägung der widerstreitenden Interessen, bei der – worauf bei der Beklagten zu 3) zurückzukommen sein wird – die nicht von der Hand zu weisende journalistisch-publizistische Zielrichtung der streitgegenständlichen Publikation im Grundsatz abstrakt zwar gegen die Annahme einer Verletzung nicht nur der ideellen, sondern gerade auch der vermögenswerten Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Erblassers streiten muss.
459Eine Verletzung der ideellen Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu Lebzeiten kann man zwar mit den zur Meidung von Wiederholungen in Bezug zu nehmenden und weiterhin fortgeltenden Ausführungen des Senats aus dem Vorverfahren zur Veröffentlichung der 116 Passagen und einer insofern begründeten deliktischen Haftung auch der Beklagten zu 3) (Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, BeckRS 2018, 10541 Rn. 168 -196, 438 - 452) – die für die hier streitgegenständlichen weiteren Wortlautpassagen aus dem „Tonband-Schatz“ entsprechend gelten, ohne weiteres feststellen, weil auch insoweit jeweils bei allen Passagen kein höherer/anderer „Aufdeckungswert“ mit einem daraus folgenden überwiegenden Berichterstattungsinteresse geltend gemacht werden kann, dazu Vortrag des Beklagten zu 1) fehlt und auch die vagen Angaben seitens der Beklagten zu 3) zur Interessenabwägung (etwa auf S. 25 ff./33 ff. der Klageerwiderung, Bl. 336 ff./344 ff. d.A.) nicht tragen. Etwas anderes folgt auch nicht aus den - Wortlautwiedergaben aus einem Tagebuch - betreffenden Ausführungen des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 16.05.2023 (VI ZR 116/22, juris, Rn. 33 ff.), zumal die „Wachhundfunktion“ der Presse im vorliegenden Fall, bei dem es weniger um die Belegfunktion des Wortlauts (BGH a.a.O. Rn. 50) für im Fokus der Öffentlichkeit liegende Umstände eines politischen Skandals etc. als um die weitgehende Bloßstellung des Erblassers durch in vertraulichem Rahmen gemachte Bemerkungen und allenfalls um Einblicke in dessen Sprach- und Denkweise in einem vertraulichen Rahmen fernab der Öffentlichkeit geht.
460Dies allein bedeutet zwar nicht zwingend zugleich eine Verletzung auch vermögenswerter Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Indes kommt beim Beklagten zu 1) besagte Besonderheit hinzu: Ebenso wie – insofern dann übrigens wieder im Einklang mit den Wertungen des § 687 Abs. 2 BGB – bei bewusst unwahren Tatsachenbehauptungen der Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG für redaktionelle Beiträge entfallen oder zumindest zurücktreten kann, kann sich der Beklagte zu 1) – wie oben ausgeführt – wegen seiner vertraglichen Bindungen im Verhältnis zum Erblasser gerade nicht (mehr) auf Art. 5 Abs. 1 GG berufen. Dass dies nicht nur für vertragliche Ansprüche gilt, sondern auch bei konkurrierenden deliktischen Ansprüchen gegen den Beklagten zu 1) noch zu Lebzeiten des Erblassers jedenfalls in der Abwägung zu Lasten des Beklagten zu 1) zu berücksichtigen gewesen wäre und neben den vertraglichen Ansprüchen sodann zugleich deliktische Ansprüche jedenfalls gegen die Wortlautveröffentlichungen wegen darin liegenden Eingriffs in den Schutz des gesprochenen Wortes begründet hätte, hat der Senat schon im Vorverfahren angesprochen (Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, BeckRS 2018, 10541 Rn. 177). Dieser Aspekt führte nach Ansicht des Senats dann nicht nur zu etwaigen flankierenden deliktischen Unterlassungsansprüchen wegen Eingriffs in die ideellen Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu Lebzeiten, sondern zugleich dazu, dass sich der Beklagte zu 1) auch im hiesigen Bereich gleichermaßen nicht mehr auf eine vermeintlich nur journalistisch-publizistische Auswertung seines „Tonband-Schatzes“ und Art. 5 Abs. 1 GG berufen kann, die ihn vor materiellen Ausgleichsansprüchen bewahren könnte. Es bedarf keiner Festlegung, ob und wann auch bei bewusst unwahren Tatsachenbehauptungen (z.B. gefakte Interviews) oder sonstigen bewussten Persönlichkeitsrechtsverletzungen zur Steigerung der Auflagen und Gewinne durch Autoren und Presseorgane eine materielle Bereicherungs- oder Schadensersatzhaftung denkbar wäre (zur vorsätzlichen Aufdeckung von nicht durch ein öffentliches Informationsinteresse gedeckten Einzelheiten aus dem Privatleben eines Politikers: Schlechtriem, Festschrift Hefermehl, 1976, 445, 463), weil jedenfalls in einem Bereich wie hier mit so engen vertraglichen Bindungen, in denen eine Rechtsverletzung in der konkreten Verletzungsform nicht nur ideelle, sondern zugleich auch vermögenswerte Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts berührt, jedenfalls nicht mehr unter Berufung auf Art. 5 Abs. 1 GG geltend gemacht werden kann, dass das vermeintliche „newsworthy item“ (hier: „Tonband-Schatz“) wirtschaftlich „Gemeingut“ bleibe, wenn eine Rechtswidrigkeit der Veröffentlichung im Einzelfall feststeht (vgl. ähnlich Schlechtriem, Festschrift Hefermehl, 1976, 445, 461 f. für Fragen des Bereicherungsausgleichs). Vielmehr ist dann zugleich eine vertragswidrige „Vermarktung“ der verdinglichten vermögenswerten Persönlichkeitsrechtsbestandteile durch den vertragsbrüchigen „Ghostwriter“ erfolgt. Greift – wie oben bereits betont – die Verwendung des Bildnisses einer prominenten Person auf dem Titelblatt einer Zeitschrift auf Grund der Werbefunktion des Titelblatts selbst dann in den vermögensrechtlichen Zuweisungsgehalt des Rechts am eigenen Bild ein, wenn das Bild mit einer Berichterstattung über die abgebildete Person im Innenteil verknüpft ist (BGH v. 21.02.2021 – I ZR 120/19, juris Rn. 29, 40, 41 – Clickbaiting) bzw. auch dann, wenn eine „angeteaserte“ Berichterstattung sachlich nicht mit der Person des Abgebildeten verknüpft ist und deswegen der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG wie bei einer bewussten Falschmeldung nicht oder nicht wesentlich berührt ist (BGH a.a.O., Rn. 32, 55, 56), verdrängt jedenfalls auch hier die unterstellte journalistisch-publizistische Zielsetzung des Beklagten zu 1) den Eingriff auch in vermögenswerte Interessen des Erblassers nicht mehr, weil gegenüber diesem eine besondere vertragliche Bindung besteht, die das überlagert. Die Auswertung des „Tonbandschatzes“ für das Verfassen bzw. Erstellen einer Art inoffiziellen Fortsetzung der Memoiren des Erblassers muss daher im Verhältnis zum Beklagten zu 1) folgerichtig zu einem (vererblichen) Schadensersatzanspruch des Erblassers wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu Lebzeiten (§ 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art 1 Abs. 1 GG) führen, auf den die Grundsätze der sog. dreifachen Schadensberechnung anwendbar sind und der dem Grunde nach auch auf Gewinnabschöpfung gerichtet ist. Dies gilt – wie oben gezeigt – selbst dann, wenn die Voraussetzungen des § 687 Abs. 2 BGB nicht vorliegen.
461Wie oben zu § 687 Abs. 2 BGB und zu den Grenzen der sog. dreifachen Schadensberechnung ausgeführt, handelte der Beklagte zu 1) auch schuldhaft. Lässt sich mit dem Vorgenannten schon eine Haftung begründen, kommt es auf die Ausführungen der Klägerin zur Frage der Darlegungs- und Beweislast betreffend eine potentielle Einwilligung des Erblassers in die Veröffentlichung des gesprochenen Worts u.a. auf S. 62 f., 64 f. des Schriftsatzes vom 10.03.2022 (Bl. 3286 f. i.V.m. der Korrektur der Seite 63 des Schriftsatzes auf Bl. 3518 d.A., Bl. 3288 f. d.A.) – wie im Hinweis des Senats vom 02.06.2023 angedeutet – nicht mehr an.
462Diese noch zu Lebzeiten des Erblassers erfolgte und abgeschlossene Verletzungshandlung des Beklagten zu 1) - die in seiner Person allein im Verfassen des Buches und in der Überantwortung an den Verlag liegt - wirkt auch in den wenigen erst nach Versterben des Erblassers verkauften weiteren Hörbüchern (ohne die zu Lebzeiten des Erblassers verbotenen Zitate) als Ausfluss des vom Beklagten zu 1) insgesamt noch zu Lebzeiten des Erblassers in Gang gesetzten und bereits abgeschlossenen einheitlichen Kausalverlaufs (Abgabe des Buches zur Veröffentlichung) fort, so dass nach Ansicht des Senats ein umfassender (vererblicher) Abschöpfungsanspruch gegen den Beklagten zu 1) anzuerkennen ist und keine Beschränkung auf den Todestag des Erblassers vorzunehmen wäre.
Schließlich steht der Annahme eines Gewinnabschöpfungsanspruchs dem Grunde nach nicht entgegen, dass zu Lebzeiten (auch) ein Geldentschädigungsanspruch des Erblassers wegen Verletzung der ideellen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts (hier: Schutz des gesprochenen Wortes) mit dem oben Gesagten bestanden haben dürfte (siehe schon Senat v. 29.05.2018 - 15 U 64/17, BeckRS 2018, 17910 Rn. 120 ff.). Denn der Gewinnabschöpfungsanspruch ist – wie auch in der Klageschrift betont – kumulativ geltend gemacht und dies ist möglich (siehe schon Senat v. 29.05.2018 - 15 U 64/17, BeckRS 2018, 17910 Rn. 428). Auch wenn – wie bereits betont – die Abgrenzung zwischen ideellen und kommerziellen Bestandteilen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht immer einfach sein wird, muss vom Ansatz her eine Geldentschädigung zum Ausgleich des Eingriffs in die ideellen Bestandteile unabhängig davon möglich sein, ob man zugleich den Eingriff (auch) in die wirtschaftlichen Bestandteile des Persönlichkeitsrechts über einen Ersatzanspruch erfasst, weil es im Kern um unterschiedliche Aspekte des Persönlichkeitsrechts geht. Leuchtet dies unmittelbarer ein, wo es um eine Lizenzanalogie geht, die in bestimmten Grenzen neben den auf den Ausgleich anderer Interessen gerichteten Geldentschädigungsanspruch (etwa wegen Rufbeeinträchtigung) denkbar ist (Raue, Die dreifache Schadensberechnung, 2017, S. 587; diff. auch Ettig, Bereicherungsausgleich und Lizenzanalogie bei Persönlichkeitsverletzungen, 2015, S. 171 ff.), muss die Kumulationsmöglichkeit richtigerweise auch für eine – nur eine andere Form der Schadensberechnung darstellende - Gewinnabschöpfung gelten (so wohl auch Raue, Die dreifache Schadensberechnung, 2017, S. 602 f.; siehe auch Janssen, Präventive Gewinnabschöpfung, 2017, S. 487 ff., allerdings ohnehin für umfassende eigenständige Gewinnabschöpfungsmöglichkeit als Form der Schadensberechnung bei jeder Zwangskommerzialisierung durch Eingriffe in das ideelle Persönlichkeitsrecht, a.a.O. S. 489 – 498, 580 ff.; für Kumulationsmöglichkeiten bei gleichzeitiger Verletzung materieller und immaterieller Schutzgüter mit Beispielen aus der US-Rechtsprechung Wagner, ZEuP 2000, 200, 220 ff.). Ob man u.U. bei der Bemessung einer Geldentschädigung wegen Zwangskommerzialisierung eine Berücksichtigung von Verletzergewinnen mit der oben zitierten Rechtsprechung dann nicht mehr hätte vornehmen dürfen zur Meidung von „Überabschöpfungen“ (vgl. allgemein Siemes, AcP 201 [2001], 202, 212 f.) und/oder im Einzelfall das Bedürfnis für das Zuerkennen einer Geldentschädigung in Wegfall geraten könnte, wenn eine an eine schädigende Nutzung angepasste Lizenzanalogie bzw. die zu verlangende Gewinnabschöpfung die immaterielle Beeinträchtigung auch ausgleichen würde (vgl. Ettig, Bereicherungsausgleich und Lizenzanalogie bei Persönlichkeitsverletzungen, 2015, S. 171 ff.), bedarf keiner Vertiefung. Denn jedenfalls hat der materielle Gewinnabschöpfungsanspruch dem Grunde nach ungekürzt Bestand. Dies gilt erst recht postmortal, weil die Unvererblichkeit des Geldentschädigungsanspruchs des Erblassers geklärt ist; hier muss (erst recht) zumindest die materielle Beeinträchtigung durch Eingriff in die wirtschaftliche Verwertungsbefugnis des Erblassers ausgeglichen werden (siehe im Ansatz schon Senat v. 29.05.2018 - 15 U 64/17, BeckRS 2018, 17910 Rn. 428; siehe ferner zu der noch zu Unrecht auch postmortal über das Institut der Geldentschädigung lösenden Entscheidung OLG München v. 09.08.2002 - 21 U 2654/02, GRUR-RR 2002, 341 – „„Zitat wurde entfernt““ auch Janssen, Präventive Gewinnabschöpfung, 2017, S. 404, weil man dort vererbliche Ansprüche auf eine Lizenzanalogie ungeachtet der eigenen Verwertungsbereitschaft oder auch auf Gewinnabschöpfung gehabt hätte; ebenso Götting, GRUR 2003, 801 ff.). Etwas anderes folgt nicht aus der Überlegung, dass der Betroffene bei Geltendmachung einer Gewinnabschöpfung so gestellt werden will, als habe er selbst die vermögenswerte Position ausgenutzt. Das könnte allenfalls dafür sprechen, eine kumulative Geldentschädigung zu versagen (so etwa Pietzko, AfP 1988, 209, 222), nicht aber die Gewinnabschöpfung.
464Ebenfalls keine Rolle für die Zuerkennung eines Anspruchs auf Gewinnabschöpfung dem Grunde nach spielt schließlich die weitere Frage, ob man wegen der von der Klägerin angesprochenen „Entwertung“ der eigenen Memoiren des Erblassers sogar noch einen weiteren eigenständigen (vererblichen) materiellen oder (unvererblichen) immateriellen Schaden des Erblassers hätte annehmen können (vergleichbar mit Verwässerungs-, Banalisierungs- oder Vulgarisierungsschäden bei klassischen Immaterialgütern), was oben bereits offen gelassen worden ist. Denn ungeachtet aller Bezifferungsprobleme bliebe selbst dann eine Schadensberechnung nach den Grundsätzen der Gewinnabschöpfung für den Eingriff (auch) in die vermögenswerten Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (jedenfalls isoliert, richtigerweise wohl sogar kumulativ nur unter Beachtung des Verbots der Doppelkompensation) möglich.
Der Zuerkennung eines Auskunftsanspruchs zur Ermittlung des Verletzergewinns steht schließlich nicht entgegen, dass möglicherweise nicht der gesamte Verletzergewinn des Beklagten zu 1) auf der Zahlungsstufe abzuschöpfen sein wird, sondern nur derjenige Anteil, der auf den Eingriff in die vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts - also des besagten „Schatzes von Oggersheim“ - zurückzuführen ist (siehe allgemein nur Schlechtriem, Festschrift Hefermehl, 1976, 445, 458 f.; zum Problem bereits Hinweis des Senats vom 09.12.2021, S. 5 = Bl. 3203 d.A.; siehe auch S. 4 des Schriftsatzes des Beklagten zu 1) vom 18.05.2022, Bl. 3565 d.A.), weil – was für die Auskunftsstufe genügt – jedenfalls dem Grunde nach mit dem Vorstehenden ein Anspruch auf Gewinnabschöpfung besteht. Denn dass der gesamte Gewinn aus dem Buch nur auf die journalistisch-publizistischen Fähigkeiten des Beklagten zu 1) zurückzuführen sein soll, behauptet nicht einmal dieser selbst; die Ausführungen auf S. 102 der Klageerwiderung der Beklagten zu 1) und 2) (Bl. 459 d.A.) und S. 32 f. des Schriftsatzes vom 04.12.2018 (Bl. 691 f. d.A.) greifen nicht durch. Auf der Zahlungsstufe wird daher richtigerweise in entsprechender Anwendung der im Immaterialgüterrecht auch sonst anerkannten Rechtsprechungsgrundsätze (vgl. etwa BGH v. 24.07.2012 – X ZR 51/11, BGHZ 194, 194 = juris Rn. 20; siehe zudem etwa BGH v. 17.06.1992 - I ZR 107/90, GRUR 1993, 55, 59 - "NN./WQ."; v. BGH v. 21.09.2006 – I ZR 6/04, GRUR 2007, 431 Rn. 40 ff. – Steckverbindergehäuse; vertiefend auch Raue, Die dreifache Schadensberechnung, 2017, S. 461 ff.) im Wege der Schätzung (§ 287 ZPO) zu ermitteln sein, in welchem Umfang der durch die Gesamtpublikation erzielte Gewinn auf die „Schutzrechtsverletzung“ zurückzuführen ist. Der erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen der Rechtsverletzung und dem erzielten Gewinn ist nicht im Sinne adäquater Kausalität zu verstehen. Vielmehr ist wertend zu bestimmen, ob und in welchem Umfang der erzielte Gewinn auf den mit dem verletzten Schutzgut zusammenhängenden Eigenschaften oder aber auf anderen Faktoren beruht; es ist zu bestimmen, ob zwischen der Schutzrechtsverletzung und dem erzielten Gewinn ein ursächlicher Zusammenhang im Rechtssinne besteht und wie hoch der danach herauszugebende Gewinnanteil zu beziffern ist. Dass das im Einzelfall schwierig und möglicherweise nicht allein an den zwischen den Parteien im Verfahren diskutierten Prozentsätzen von Zitat-Anteilen festzumachen sein mag (zumal neben angeblichen 23% wörtlichen Zitaten nach dem Beklagtenvortrag auf S. 27 der Klageerwiderung der Beklagten zu 3), Bl. 338 d.A. jedenfalls indirekte Zitate hinzuzuzählen wären, nachdem sich die deutlich geringeren Prozentangaben aus der Schutzschrift, S. 9 f. von Anlage B (3) 1, Bl. 11 f. AH als Verstoß gegen die Wahrheitspflicht herausgestellt haben; siehe auch substantiierte Angaben der Klägerin auf S. 1 ff. der Anlage K 33, Bl. 1389 ff. d.A.), steht dem Auskunftsanspruch auf der ersten Stufe nicht entgegen. Denn steht - wie hier aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung für den Vertrieb eines solchen Buches, das Marktwert gerade aus dem Vertrauensbruch des Ghostwriters und der gegen den Willen des Erblassers erfolgten Offenlegung der in vertraulichem Rahmen geäußerten Zitate zieht - fest, dass ein Schaden in Form des herauszugebenden Verletzergewinns jedenfalls zu einem gewichtigen Anteil durch die Schutzrechtsverletzung verursacht worden sein muss, und lässt dieser Teil sich aus Gründen, die nicht im Verantwortungsbereich des Geschädigten, sondern in der Natur der Sache liegen, möglicherweise noch nicht verlässlich bestimmen (was man zu Gunsten des Beklagten zu 1) zunächst unterstellen mag), so darf gerade vor dem Hintergrund der Schutzbedürftigkeit der Immaterialgüterschutzrechte und den dort typischerweise anzutreffenden Beweisschwierigkeiten ein Gericht dies jedenfalls nicht in vollem Maße zu Lasten des Geschädigten gehen lassen. Vielmehr hat es im Wege der Schätzung einen Mindestschaden zu ermitteln, sofern nicht ausnahmsweise auch für dessen Schätzung jeglicher Anhaltspunkt fehlt. Letzteres kann hier jedoch nicht angenommen werden, weil gerade der „Zitateschatz“ die Wucht und Wirkung der Publikation „geprägt“ hat und man richtigerweise gerade auf die Prägung eines Gewinnes durch die Rechtsverletzung abstellen können wird (dazu etwa – wenn auch zu § 687 Abs. 2 BGB - Raue, Die dreifache Schadensberechnung, 2017, S. 489 ff. m.w.N. und Beispielen; siehe zudem etwa BGH v. 14.05.2009 - I ZR 99/06, BeckRS 2009, 21138 Rn. 27 f. – „Tripp-Trapp“ zum Designs des Kinderstuhls).
466Betont sei hier auch, dass es bei dem materiellen Zahlungsanspruch um die gesamte Buchpublikation geht und daher die Aufspaltung der Unterlassungsansprüche auf zwei gerichtliche Verfahren keine Rolle spielt.
Die hier konkret begehrte Auskunft ist zur Durchsetzung des vorstehend dem Grunde nach hergeleiteten Gewinnabschöpfungsanspruchs auch „erforderlich.“ Antrag und Tenor berücksichtigen die Abzugsfähigkeit eigener Kosten, ohne dass hier die Frage zu beantworten wäre, ob solche bei der Bemessung eines einheitlichen Anspruchs nur unselbständige Abzugsposten sind oder im Wege der Aufrechnung dem Abschöpfungsanspruch entgegenzuhalten wären, zumal die Erteilung der umfassenden Auskunft ohnehin zumeist eine konkludente Aufrechnungserklärung einschließen dürfte. Nach den anerkannten Rechtsprechungsgrundsätzen aus der „Gemeinkostenentscheidung“ (BGH v. 02.11.2000 – I ZR 246/98, GRUR 2001, 329, 331) sind dabei nur die projektbezogenen konkreten Kosten des Beklagten zu 1) auszugrenzen, was zur Auslegung des Tenors an dieser Stelle klargestellt sein mag, ohne dass dies im Tenor selbst sprachlich zum Ausdruck kommen muss. Soweit etwa auf S. 45 f. der Klageerwiderung der Beklagten zu 3) (Bl. 356 d.A.) bereits schriftsätzliche Angaben zu den Verkaufspreisen und den verkauften Exemplaren (zum damaligen Stand) gemacht worden sind, ist das ersichtlich keine (Teil-)Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB), denn zum einen geht es dabei nicht um Gewinnangaben, zum anderen ist hier allein der konkrete Gewinn des Beklagten zu 1) abzuschöpfen, nicht derjenige der Beklagten zu 3). Allgemein ist bei sog. Verletzerketten der Gewinn auf jeder Stufe abzuschöpfen (vgl. etwa BGH v. 14.05.2009, NJW 2009, 32722 – Tripp-Trapp-Stuhl, dazu auch Janssen, Präventive Gewinnabschöpfung, 2017, S. 346 ff. m.w.N.).
468Sonstige Bedenken gegen die Verurteilung zur Auskunftserteilung bestehen nicht: Die aus Sicht der Beklagten zu 3) in Anlehnung an § 101 Abs. 4 UrhG und Burkhardt (in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. 2018, Kap. 15 Rn. 8) geäußerten Bedenken an der „Verhältnismäßigkeit“ der Auskunftserteilung (S. 17 der Berufungserwiderung der Beklagten zu 3) = Bl. 3008 d.A.) – siehe auch Art 8 Abs. 1 der Enforcement-Richtlinie - greifen nicht durch. Es geht ersichtlich nicht um Fälle einer geringfügigen Einzelfallverletzung oder bereits ausgeglichener Schäden etc., wie sie zu dieser Ausnahmeregelung diskutiert werden (statt aller Dreier, in: Dreier/Schulze, UrhG, 7. Aufl. 2022, § 101 Rn. 23 m.w.N.); anderes haben die Beklagten nicht ausreichend dargetan.
469Ein sog. Wirtschaftsprüfervorbehalt für das Auskunftsbegehren (dazu etwa Seitz, in: Götting u.a., Hdb. PersönlichkeitsR, 2. Aufl. 2019, § 48 Rn. 43) ist von dem für Einschränkungen des Auskunftsbegehrens darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten zu 1) nicht eingewandt. Damit kann dahinstehen, ob ein solcher Vorbehalt theoretisch in Betracht gekommen wäre (dazu BGH v. 20.12.1994 - X ZR 56/93, GRUR 1995, 338 - "Kleiderbügel" zu § 140b PatG; OLG VC. v. 24.06.2008 – 4 U 25/08, BeckRS 2009, 6891 zu § 97 UrhG).
Die gegen die Beklagte zu 3) gerichtete Unterlassungsklage hat das Landgericht auf S. 290 der angefochtenen Entscheidung weitgehend zu Recht abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin hat nur in geringem Umfang Erfolg.
Nur wegen der eingangs tenorierten Einzelpassagen stehen der Klägerin Unterlassungsansprüche gegen die Beklagte zu 3) zu. Diese ergeben sich aus § 1004 Abs. 1 BGB analog i.V.m. dem postmortalen Persönlichkeitsrecht des Erblassers, wobei ein Antrag auf Androhung nach § 890 Abs. 2 ZPO auch hier nicht gestellt ist.
Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 Abs. 1 ZPO oder § 156 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, um der Beklagten zu 3) nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Einzelpassagen zu bieten, war vor der Verurteilung nicht geboten. Denn es ging allein um sprachlich untrennbare Einkleidungen zu im Vorverfahren bereits streitgegenständlichen und der Beklagten zu 3) untersagten Wortlautzitaten, eine bereits im Geldentschädigungsverfahren angesprochene bewusste Unvollständigkeit, eine nach dem unstreitigen Parteivortrag offensichtlich unwahre Behauptung zu „Bucherlösen“ sowie um eine sich aus dem unstreitigen Prozessvortrag und der Beweiswürdigung ergebende Frage zur Begleichung von Restaurantkosten (Spesen). Der Senat hat ansonsten –nach der in den mündlichen Verhandlungen zum Ausdruck gebrachten Linie – den Klägervortrag im Verhältnis zur Beklagten zu 3) auch weiterhin als prozessual unzureichend angesehen.
Da die Beklagte zu 3) in keiner vertraglichen Beziehung zu dem Erblasser stand, kommen für den streitgegenständlichen, in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch ausschließlich deliktische Anspruchsgrundlagen in Betracht (BGH v. 29.11.2021 – VI ZR 248/18, GRUR-RS 2021, 39313 Rn. 16 ff.; Verfassungsbeschwerde der Klägerin nicht zur Entscheidung angenommen durch BVerfG v. 24.10.2022 – 1 BvR 19/22, juris). Maßgeblich ist dabei - weil nur insofern eine Wiederholungsgefahr denkbar ist - der Schutzumfang (nur) des postmortalen Persönlichkeitsrechts des Erblassers. Denn auch wenn die Erstveröffentlichung noch zu seinen Lebzeiten erfolgt ist, kommt eine für den streitgegenständlichen Unterlassungsanspruch maßgebliche (künftige) Verletzung der Rechte des inzwischen verstorbenen Erblassers nur in Betracht, soweit entsprechende Rechtspositionen trotz seines Todes noch bestehen (BGH a.a.O. Rn. 19).
474An der Wahrnehmungsbefugnis der Klägerin zur Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen wegen der Verletzung des postmortalen Geltungsanspruchs des Erblassers bestehen auch ohne Abstimmung mit den Söhnen des Erblassers keine Bedenken (siehe zu einem isolierten Vorgehen der Klägerin in den Vorverfahren bereits BVerfG v. 24.10.2022 – 1 BvR 19/22, juris Rn. 23 und implizit auch BVerfG v. 24.10.2022 – 1 BvR 110/22, juris Rn. 25). So wie der Senat im Vorverfahren wegen der 116 Buchpassagen die Wahrnehmungsbefugnis der Klägerin bejaht hat (Senat v. 29.05.2018 - 15 U 65/17, BeckRS 2018, 10541 Rn. 427 ff.), gilt auch hier nichts anderes. Soweit sich der Senat dort ebenso wie der Bundesgerichtshof (BGH v. 29.11.2021 – VI ZR 248/18, GRUR-RS 2021, 39313 Rn. 74 – 84) – noch mit der Frage auseinandersetzen musste, ob die Regelung in § 14 des ursprünglichen Verlagsvertrages zwischen Verlag und Erblasser möglicherweise eine Festlegung des Wahrnehmungsberechtigten für den Todesfall zu Gunsten (nur) des Zeugen K. A. (und damit im Gegenzug einen Ausschluss der Wahrnehmungsbefugnis der Klägerin) zur Folge gehabt hat (was richtigerweise schon zu verneinen war), ist zwischenzeitlich unstreitig, dass die vertragliche Regelung ohnehin zu Lebzeiten des Erblassers abgeändert und die Klägerin als alleinige Berechtigte eingesetzt worden ist (Anlage K 28, AO II). Damit haben sich jedwede Bedenken an deren Wahrnehmungsbefugnis zerstreut (siehe schon Senat v. 22.06.2023 – 15 U 135/22, n.v.). Auch soweit die Beklagten auf das lange Zuwarten mit der Verfolgung der weitergehenden Ansprüche hingewiesen haben, lässt sich daraus kein der Klage entgegenstehender mutmaßlicher Wille des Erblassers ableiten. Dass der Erblasser mit der Buchveröffentlichung nicht einverstanden war, steht außer Frage, womit auch die Wahrnehmungsbefugnis der Klägerin nicht zweifelhaft sein kann. Im Übrigen ist es gerade nicht so, dass sich die Beklagten zu 1) und 3) auf ein Einverständnis der beiden Söhne des Erblassers mit der Veröffentlichung des Buches berufen, weswegen es auch auf die vor allem von den Beklagten zu 4) und 5) aufgeworfene Frage der Behandlung etwaiger „Vetorechte“ bei mehreren potentiell wahrnehmungsbefugten Personen nicht ankommt. Denn das Unterlassen eines gerichtlichen Vorgehens gegen die Veröffentlichung durch die beiden Söhne bedeutet ohne weitere – hier nicht ersichtliche – Anhaltspunkte nicht, dass diese das Verhalten der Beklagten zu 1) und 3) gutheißen (siehe erneut Senat a.a.O.); der Zeuge I. A. hat bei seiner Vernehmung ausdrücklich das Gegenteil bekundet.
Unterlassungsansprüche aus dem postmortalen Persönlichkeitsrecht des Erblassers bestehen mit Blick auf die im Tenor genannten Passagen im Zusammenhang zu Fehlzitaten des Erblassers, die im Vorverfahren bereits rechtskräftig untersagt wurden.
476(a)
477Allgemein gilt zur rechtlichen Bewertung vermeintlicher Zitate des Erblassers aufbauend auf den Ausführungen des VI. Zivilsenats (BGH v. 29.11.2021 – VI ZR 248/18, GRUR-RS 2021, 39313 Rn. 20 – 26, 70 f. m.w.N.; vgl. dazu auch BVerfG v. 24.10.2022 – 1 BvR 19/22, juris), auf die zur Meidung unnötiger Wiederholungen Bezug zu nehmen ist, Folgendes:
478(aa)
479Eine das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers verletzende und so einen Unterlassungsanspruch tragende Entstellung des Lebensbildes ist im Ausgangspunkt anzunehmen, wenn dem Erblasser als unwahre Tatsachenbehauptung angeblich eigene Aussagen untergeschoben worden sind, die er entweder gar nicht (Fehlzitat im engeren Sinne) oder zumindest im Kontext nicht so getätigt hat, wie dies im konkreten Gesamtkontext des Buches dargestellt wird (Fehlzitat im weiteren Sinne). Dabei schützt das postmortale Persönlichkeitsrecht den Verstorbenen allerdings nicht vor jedem Fehlzitat im engeren oder weiteren Sinne. Der unzutreffenden Wiedergabe von (angeblichen) Äußerungen des Verstorbenen kommt ein dessen Menschenwürde und damit auch sein postmortales Persönlichkeitsrecht verletzendes Gewicht nur zu, wenn die untergeschobenen Äußerungen nach „Qualität“ und/oder „Quantität“ das Lebensbild des Verstorbenen in der jeweils angegriffenen Publikation grob entstellen. Da Bezugspunkt wörtlicher Zitate notwendigerweise Äußerungen des Betroffenen zu Lebzeiten sind, gelten für die dann primär zu stellende (Vor-)Frage, wann von einem Fehlzitat im vorgenannten Sinne auszugehen ist, aber ansonsten keine anderen Grundsätze als bei der Beurteilung einer Persönlichkeitsrechtsverletzung unter Lebenden durch untergeschobene Äußerungen und/oder Kontextverfälschungen. Der soziale Geltungsanspruch des Verstorbenen kann nicht nur durch vollständig untergeschobene Fehlzitate im engeren Sinne betroffen sein, sondern auch durch die unrichtige, verfälschte oder entstellte Wiedergabe von Äußerungen als Fehlzitat im weiteren Sinne. Eine unrichtige Wiedergabe einer Äußerung in diesem Sinne liegt etwa vor, wenn der Eindruck erweckt wird, der Zitierte habe sich eindeutig in einem bestimmten Sinne geäußert, obwohl seine Aussage mehrere Interpretationen zulässt und der Zitierende nicht kenntlich macht, dass es sich um seine Interpretation einer mehrdeutigen Aussage handelt. Maßgebend für die Beurteilung der Frage, ob eine Äußerung zutreffend wiedergegeben wurde oder nicht, ist dabei nicht das vertretbare Verständnis eines Durchschnittslesers oder Durchschnittshörers, sondern allein dasjenige, was der Zitierte gemessen an seiner Wortwahl, dem Kontext seiner Gedankenführung und dem darin erkennbar gemachten Anliegen seinerzeit tatsächlich zum Ausdruck gebracht hat. Denn andernfalls würde dem Zitierten die Entscheidung über sein eigenes Wort weitgehend genommen und durch eine mögliche Beurteilung und Bewertung Dritter ersetzt, in der seine Äußerung eine andere Färbung oder Tendenz erhalten kann, als der Zitierte sie selbst zum Ausdruck gebracht hat. Dementsprechend ist eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu Lebzeiten schon zu bejahen, wenn die Wiedergabe einer mehrdeutigen Äußerung zwar einer aus Sicht des Durchschnittsadressaten vertretbaren Deutung folgt, aber auch ein anderes Verständnis möglich ist, das die Rechte des Zitierten besser wahrt, und der Zitierende seiner Aussage keinen Interpretationsvorbehalt beifügt.
480Nach gleichen Maßstäben kann auch postmortal ein Fehlzitat festgestellt werden. Bei der Ermittlung des Aussagegehalts der jeweiligen Passage des Buches im konkreten Gesamtkontext ist zu beachten, dass nicht isoliert auf die durch den Klageantrag hervorgehobene Textpassage abgestellt werden darf, sondern die jeweilige Textpassage selbst stets im Zusammenhang mit dem gesamten Aussagetext und dem Kontext zu deuten ist. Maßgebend für den Aussagegehalt ist dabei das Verständnis, das ihr ein unvoreingenommenes und verständiges Publikum zumisst. Da der postmortale Persönlichkeitsschutz nicht weitergehen kann als der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eines Lebenden, gilt zudem aber – wie unter Lebenden - auch hier, dass nicht jegliche Abweichung schon für die Einordnung eines Zitats als Fehlzitat ausreicht. Von einem Fehlzitat kann auch in diesem Zusammenhang nur ausgegangen werden, wenn der Gehalt einer Aussage in der wiedergegebenen Form vom Gehalt der tatsächlich getätigten Aussage abweicht, sei es auch nur in Färbung oder Tendenz. Liegen nach diesen Maßstäben als Ergebnis der Vorprüfung Fehlzitate vor, ist postmortal ein Abwehranspruch nach den eingangs genannten weiteren (einschränkenden) Voraussetzungen nur dann gegeben, wenn nach „Qualität“ oder „Quantität“ des/der festgestellten Fehlzitats/Fehlzitate tatsächlich eine Verfälschung des Lebensbildes des Verstorbenen feststellbar ist, weil der postmortale Achtungsanspruch nur so weit reicht.
481Soweit diese vom Bundesgerichtshof aufgestellten Prämissen im Schrifttum mit dem Argument angegriffen werden, dass die Schwelle zu einer groben Entstellung des Lebensbildes mit einer derart strengen Zitatkontrolle praktisch nivelliert werde und man die Würdigung von tatsächlich gefallenen Aussagen zeitgeschichtlicher Personen nach deren Tod richtigerweise viel umfassender dem öffentlichen Diskurs überantworten müsse (Sajuntz, NJW 2022, 589, 592), trägt das nicht: Zum einen verkennt diese Ansicht, dass zwar die Feststellung eines Fehlzitats gleichen Grundsätzen folgt wie unter Lebenden, postmortal aber eben entweder in Quantität oder Qualität eine gewisse (weitere) „Schwelle“ erreicht werden muss, um wegen des nunmehr schwächeren Schutzumfangs der nach dem Tod verblassenden Schutzpositionen noch zu einem Unterlassungsanspruch zu gelangen. Dass dies – was wiederum andere kritisieren (Hager, jM 2022, 321, 322 f.) – im Einzelfall nicht unerhebliche Abgrenzungsprobleme mit sich bringen kann, steht zwar außer Frage; solche zu lösen, obliegt aber wie auch sonst im Bereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit seinen mannigfachen Abgrenzungs- und Abwägungsfragen den Gerichten. Soweit Gomille (ZUM 2022, 241, 243 f.) offenbar wegen der hohen Eingriffsintensität von Fehlzitaten für das Persönlichkeitsrecht, mit denen sich der Betroffene stets einer besonders scharfen Waffe im Meinungskampf gegenübersieht, die gegenüber der erkennbaren Meinungsäußerung die besondere Überzeugungskraft und Beweiskraft des Faktums hat, mit der er auch postmortal gewissermaßen als Zeuge gegen sich selbst ins Feld geführt wird (allg. BVerfG v. 03.06.1980 – 1 BvR 797/78 –, BVerfGE 54, 208 = juris Rn. 24), schließlich sogar einen absoluten Gleichlauf des prae- und postmortalen Schutzumfangs vor Fehlzitaten anzunehmen scheint, überzeugt das nicht, zumal er sich nicht mit der gegenteiligen und wegen der Verengung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes auch überzeugenden Lesart des VI. Zivilsenats auseinandersetzt (zum Vorgenannten auch schon Urteil des Senats vom 22.06.2023 - 15 U 135/22, n.v., z.Zt. anhängig zu BGH - VI ZR 226/23).
482(bb)
483Über diese Prämissen hinausgehende postmortale Abwehransprüche gegen (vermeintliche) wörtliche Zitate des Erblassers sind nicht zu konstruieren. Soweit die Klägerin u.a. auch im Hinblick auf die Beklagten zu 3) angenommen hat, dass es weitergehende Unterlassungspflichten für alle in die Entstehungsphase des Buches einbezogenen „Mittäter“ des Beklagten zu 1) geben müsse, denen daher dessen vertragliche Verschwiegenheitspflichten „zugerechnet“ werden müsse, weil „Geheimhaltungsvereinbarungen sonst generell ihren Rechtsschutz gegenüber medialer Verwertung verlieren“ (so etwa S. 6/35 der Replik = Bl. 473/502 d.A.; ähnlich S. 75 ff. der Klageschrift = Bl. 75 ff. d.A., S. 20 des Schriftsatzes der Klägerin vom 15.05.2019 = Bl. 889 d.A. und 35 f. der Berufungsbegründung = Bl. 1345 f. d.A.), kann daraus zumindest postmortal kein weitergehender Unterlassungsanspruch abgeleitet werden. Auch Versuche der Klägerin u.a. auf S. 8 f. der Replik (Bl. 475 f. d.A.) und S. 15 ff. des Schriftsatzes vom 15.05.2019 (Bl. 884 ff. d.A.), zumindest bei sog. absoluten Personen der Zeitgeschichte wie dem Erblasser wegen (wie hier) noch zu Lebzeiten erfolgter Eingriffe weitergehende Abwehransprüche aus Art. 2 Abs. 1 GG zuzusprechen, tragen dogmatisch nicht, weil mit dem Tod auch absoluter Personen der Zeitgeschichte – für die insofern nichts anderes gilt als für Normalbürger - der Rechtsträger erlischt. Das Argument, dass in solchen Fällen ein „Profitieren vom Tod“ drohe und dies wiederum mit dem Prinzip der materiellen Gerechtigkeit nicht zu vereinbaren sei (a.a.O., S. 19 = Bl. 888 d.A.), mag zwar durchaus seine gewisse Berechtigung haben. Es rechtfertigt aber - ähnlich wie bei der vergleichbaren Frage der fehlenden Vererblichkeit eines Geldentschädigungsanspruchs (BGH v. 29.11.2021 - VI ZR 258/18, NJW 2022, 868 m. Anm. Gsell; BVerfG v. 24.10.2022 – 1 BvR 110/22, juris) - für sich genommen keine Abweichung von den dogmatischen Grundlagen des postmortalen Geltungsanspruchs, ohne dass deren oft streitige Einzelheiten (dazu etwa Senat v. 29.05.2018 – 15 U 64/17, BeckRS 2018, 17910 Rn. 441 m.w.N.) hier weiter zu vertiefen wären. Es fehlt nach dem Tod schlicht der Rechtsträger. Aus diesem Grund kann auch nicht an den Rechtsgedanken aus der Entscheidung des BGH v. 19.10.2004 (VI ZR 292/03, NJW 2005, 594 – Rivalin von Uschi WDR) angeknüpft werden. Danach können zwar bei einer späteren Veränderung der Rechtslage (dort durch eine nachträgliche Selbstöffnung) für die Zukunft weitere Abwehransprüche entfallen, ohne dass damit rechtswidrige „Altfotos“ aus der Zeit vor der Selbstöffnung automatisch weiterverbreitet werden dürfen. Diese Sonderproblematik aus dem Bereich des KUG und des Privatsphärenschutzes lässt sich aber nicht auf den Fall einer praemortalen Rechtsverletzung in der Form übertragen, dass auch ohne Rechtsträger die (hier unterstellte) praemortale Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts automatisch als Verletzung auch des postmortalen Achtungsanspruchs mit identischem Schutzumfang „nachwirken“ kann (siehe auch Senat v. 22.06.2023 – 15 U 135/22, n.v.). Etwas anderes folgt auch nicht aus den von Gomille (ZUM 2022, 242, 244 ff.) zur Verbreitung von wahren Zitaten gemachten Erwägungen, dass man bei der Bestimmung des Schutzbereiches des postmortalen Geltungsanspruchs eigentlich erkennen könne, dass der Schutz nicht um der Toten, sondern um der Lebenden willen zu gewährleisten ist und die eigene Selbstentfaltung zu Lebzeiten deutlich unbeschwerter wäre, wenn man sich nur sicher sein könne, dass die Persönlichkeit nach dem Tode nicht schutzlos gestellt werde. Wolle man daraus folgende potentielle Verhaltensanpassungen zu Lebzeiten sicher ausschließen, würde man zu Lebzeiten allen Menschen verschlossener und misstrauischer begegnen, wenn man nur befürchten müsse, dass alle vertraulichen Gesprächsinhalte postmortal frei und ungehindert veröffentlicht werden dürfen. Ungeachtet der Tatsache, dass auch Gomille a.a.O. für die Beklagte zu 3) eine deliktische Haftung schlussendlich ebenfalls verneinen möchte, weil ein maliziöses Eindringen des Beklagten zu 1) in die Sphäre des Erblassers zum Zwecke des erstmaligen Erlangens des „Zitate-Schatzes“ wegen des erst im Verlauf der Arbeiten eingetretenen Zerwürfnisses zu verneinen sei, womit gerade nicht ein Fall einer Erlangung rechtswidriger Informationen (BGH v. 10.04.2018 – VI ZR 396/16, juris Rn. 19 ff. m.w.N.) gegeben sei und zudem eine kollusive sittenwidrige Schädigung und/oder ein Verleiten des Beklagten zu 1) zum Vertragsbruch nicht erkennbar sei, überzeugt auch dieser Ansatz bereits dogmatisch nicht (Senat a.a.O.).
484Soweit der Senat im Urteil vom 29.05.2018 (15 U 65/17, BeckRS 2018, 10541 Rn. 206 ff.) in Anlehnung an eine ältere Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH v. 10.03.1987 - VI ZR 244/85, NJW 1987, 2667) postmortal ungeachtet des Wahrheitsgehalts von Zitaten ergänzend noch einen den §§ 22, 23 KUG angenäherten „bildnisgleichen“ Schutz des Erblassers vor einer Veröffentlichung zumindest wörtlicher Zitate aus dem (verdinglichten) „Tonband-Schatz“ angenommen hat, ist daran mit Blick auf die ausdrücklich gegenteiligen Ausführungen des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 29.11.2021 (VI ZR 248/18, GRUR-RS 2021, 39313 Rn. 128 ff.) nicht festzuhalten (siehe schon Senat v. 22.06.2023 – 15 U 135/22, n.v.). Dies gilt auch mit Blick auf die Ausführungen von Götting (GRUR 2022, 369, 372 f.), wobei dort wegen der wenig klaren Überschriften des Beitrages schon nicht klar ist, ob es Götting nur um - im hiesigen Rechtsstreit mangels klägerischen Sachvortrages dazu nicht streitgegenständliche – sog. „Sperrvermerkszitate“ (dazu BGH v. 29.11.2021 – VI ZR 248/18, GRUR-RS 2021, 39313 Rn. 123 ff.) geht. Denn ungeachtet dessen werden von Götting nur die vom Senat damals abgewogenen Argumente zur möglichen Begründung eines weitergehenden Schutzes des gesprochenen Wortes in anderer Form herausgestellt, die dem Bundesgerichtshof vorlagen und ihn zu keiner anderen und der Klägerin günstigeren Bewertung zum postmortalen Schutzumfang veranlasst haben. Für die Auslegung des VI. Zivilsenats spricht insbesondere, dass es sich beim postmortalen Persönlichkeitsrecht um eine nicht uferlos auszuweitende Rechtsfigur mit einem gewissen Ausnahmecharakter handelt und ein weitergehender, dem Recht am eigenen Bild angenäherter Schutz des gesprochenen Wortes nach dem Tod schlussendlich in der Tat so abstrakt zu weit reichen dürfte. Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Nichtannahmeentscheidung vom 24.10.2022 (1 BvR 19/22, juris) diese zentrale Weichenstellung durch den VI. Zivilsenat nicht beanstandet und in Rn. 29 betont, dass die Schutzwirkungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unter Lebenden mit dem aus Art. 1 Abs. 1 GG resultierenden Schutz des postmortalen Geltungsanspruchs nicht identisch sind. Mit den zutreffenden Überlegungen des BVerfG a.a.O. Rn. 34 wird durch die Preisgabe von Erinnerungen aus der Zeit der politischen Verantwortungsübernahme des Erblassers gegenüber einem vertraglich zur Anfertigung von Entwürfen seiner Memoiren verpflichteten Journalisten jedenfalls nicht der nach dem Tod allein noch geschützte „innerste Kern der Persönlichkeit“ des Erblassers betroffen. Ob und wie ein weitergehender Schutz bei Handlungen denkbar wäre, die zu Lebzeiten des Erblassers als Eingriff in die sof. Intimsphäre gegolten hätte (offen zu „Sperrvermerksfällen“ etwa BGH v. 29.11.2021 – VI ZR 248/18, GRUR-RS 2021, 39313 Rn. 127 a.E.) kann dahinstehen, denn um solche Fragen geht es im hiesigen Verfahren auch nach dem Klägervortrag gerade nicht.
485(cc)
486Bei Zitaten, die mit dem Vorgenannten nicht schon inhaltlich als Fehlzitate (im engeren oder weiteren Sinne) zu qualifizieren sind, ist zudem in jedem Einzelfall – gemessen an der jeweiligen Äußerung des Erblassers sowie deren Darstellung im streitgegenständlichen Buch – bei entsprechender Rüge noch zu prüfen, ob eine Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts des Erblassers durch Verfälschung der Darstellung von Stimmung, Lautstärke oder Tonfall des Erblassers(BGH v. 29.11.2021 – VI ZR 248/18, GRUR-RS 2021, 39313 Rn. 133) feststellbar ist.
487(b)
488Neben einem „Unterschieben“ von Äußerungen mit Fehlzitaten (im engeren oder weiteren Sinne) bzw. Verfälschungen unter Bezug auf die Stimmung, Lautstärke oder Tonfall des Erblassers kann ansonsten eine das postmortale Persönlichkeitsrecht verletzende Entstellung des Lebensbildes des Verstorbenen (natürlich) auch durch eine Behauptung anderer unwahrer Tatsachen über den Verstorbenen erfolgen und ist nicht nur auf reine Fehlzitate beschränkt (in denen zudem ohnehin nichts anderes liegt als die unwahre Tatsachenbehauptung, der Zitierte habe sich tatsächlich so bzw. im beschriebenen Kontext und ggf. auch in der beschriebenen Tonlage so geäußert).
489Eine einen postmortalen Unterlassungs-/Löschungsanspruch tragende Entstellung des Lebensbildes einer Person liegt auch hier - ähnlich wie bei Abweichungen in der Zitierung, bei der die Gefahr, sprichwörtlich zu Unrecht als „Zeuge gegen sich selbst“ ins Feld geführt zu werden, im Zweifel aber noch strenger zu verfahren ist - nicht schon in jeder nur einfachen Fehldarstellung, die gegenüber einem unvoreingenommenen und verständigen Publikum den Anspruch auf Authentizität erhebt und die den durch die Lebensstellung erworbenen Geltungsanspruch bestenfalls in Frage stellt. Ein Eingriff (und damit eine Verletzung) liegt jedoch zumindest in einer Behauptung, die in ihrer Unwahrheit nach Inhalt oder Umfang wiederum auch den mit dem Persönlichkeitsbild verbundenen Achtungsanspruch der Person oder deren sozialen Geltungsanspruch im Kern, also im eigentlichen Menschsein trifft (BGH v. 29.11.2021 – VI ZR 248/18, GRUR-RS 2021, 39313 Rn. 23 m.w.N.). Geschützt ist bei Verstorbenen insofern der allgemeine Achtungsanspruch, der dem Menschen kraft seines Personseins zusteht. So muss auch ein Verstorbener stets davor bewahrt werden, herabgewürdigt oder erniedrigt zu werden (BGH, a.a.O., Rn. 20 m.w.N.). Zum anderen genießt der sittliche, personale und soziale Geltungswert, den die Person durch ihre eigene Lebensleistung erworben hat, weiterhin Schutz, weshalb insbesondere das fortwirkende „Lebensbild“ des Verstorbenen vor groben Entstellungen geschützt ist und bleibt. Deswegen dürfen der durch die Lebensstellung erworbene Geltungsanspruch und das entsprechende Lebensbild des Verstorbenen auch insgesamt nicht grob entstellt werden; ein bloßes In-Frage-Stellen des sozialen Geltungsanspruchs genügt für eine Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts – wie bereits beim Beklagten zu 1) betont - nicht (BGH a.a.O., Rn. 20 m.w.N.; insofern bestätigt durch BVerfG v. 24.10.2022 – 1 BvR 19/22, juris Rn. 36). Bei einem Politiker wie dem Erblasser kann so beispielsweise etwa eine in tatsächlicher Hinsicht unzutreffende Darstellung des eigenen politischen Wirkens - jedenfalls bei gravierender Bedeutung für den sozialen Geltungsanspruch und das Lebensbild des Betroffenen insgesamt und nicht nur in Detailfragen - einen Eingriff in die postmortal geschützte Menschenwürde darstellen, dies beispielsweise in Abgrenzung von nur spekulativen Einschätzungen und Mutmaßungen wie einer mehr oder weniger konstruierten politischen Inanspruchnahme der Person durch eine Partei, die die Adressaten der Äußerung auch auf ihre Plausibilität hin überprüfen können, mag das konkrete Vorgehen möglicherweise auch den ungeschriebenen Regeln des politischen Anstands und des guten Geschmacks widersprechen (wie im Fall BVerfG v. 05.04.2001 – 1 BvR 932/94, juris Rn. 26 f., 32 – Wilhelm Kaisen). Bei sonstigen wahrheitswidrig beschriebenen Umständen kann vorsichtig in der Einordnung eine Rolle spielen, dass im konkreten Kontext damit kein Angriff auf die Grundlagen der Menschenwürde des Verstorbenen erfolgt, sondern nur Detailfragen, wie z.B. in einem Beziehungsstreit, im Raum stehen, bei denen bei einem Zuschreiben von hochemotionalem menschlichen Verhalten – wenn unter Umständen auch im Einzelfall wahrheitswidrig – dem Verstorbenen damit noch nicht etwa das Menschsein als solches abgesprochen oder auch nur in seinen personalen Grundfesten angegriffen wird (vgl. nur LG Berlin v. 29.11.2022 – 27 O 39/21, AfP 2023, 85, 86). Das alles hängt aber von den Besonderheiten und Umständen des Einzelfalls ab und darf andererseits nicht zu eng verstanden werden. Sicher ausreichend wäre aber das fälschliche Zuschreiben einer dem sozialen Geltungsanspruch schwer abträglichen Beteiligung z.B. an antisemitischen Übergriffen (OLG München v. 17.09.2003 – 21 U 1790, juris Rn. 17) oder eine sonstige gravierende Falschbehauptung, die mit der politischen Lebensleistung des Erblassers insgesamt nicht vereinbar wäre.
490Ob eine angegriffene Äußerung als Tatsachenbehauptung oder nur als ein bloßes Werturteil einzustufen ist, ist ansonsten eine Rechtsfrage. Tatsachenbehauptungen sind durch die objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit charakterisiert. Demgegenüber werden Werturteile und Meinungsäußerungen durch die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt der Aussage geprägt. Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist dann, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit Mitteln des Beweises zugänglich ist. Dies scheidet bei Werturteilen und Meinungsäußerungen aus, weil sie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet sind und sich deshalb nicht als wahr oder unwahr erweisen lassen. Eine Äußerung, die auf Werturteilen beruht, kann sich als Tatsachenbehauptung erweisen, wenn und soweit bei dem Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorgerufen wird. Auch die schlagwortartig verkürzte Wiedergabe eines Sachverhalts kann selbst dann, wenn sie sich wertender Schlagworte bedient, durchaus aber auch unrichtige Tatsachenbehauptungen (mit-)enthalten. Anders liegt es jedoch, wenn der tatsächliche Gehalt der Äußerung so substanzarm bleibt, dass er gegenüber der subjektiven Wertung zurücktritt (st. Rspr., vgl. etwa BGH v. 26.01.2021 – VI ZR 437/19, GRUR 2021, 875 Rn. 23). In solchen Fällen wird regelmäßig (erst recht) auch keine Verletzung des postmortalen Geltungsanspruchs der betroffenen Person feststellbar sein, wenn wegen der Substanzlosigkeit kein greifbarer, möglicherweise wahrheitswidriger Gehalt oder Vorwurf erkennbar ist (vgl. etwa auch LG Berlin v. 29.11.2022 – 27 O 339/21, AfP 2023, 85, 87). Sofern eine Äußerung, in der sich Tatsachen und Meinungen vermengen, durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, wird sie ansonsten als Meinung von dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG geschützt. Das gilt insbesondere auch dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte. Würde in einem solchen Fall das tatsächliche Element als ausschlaggebend angesehen, so könnte der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit wesentlich verkürzt werden; im Zweifel ist im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes daher davon auszugehen, dass es sich um eine Meinungsäußerung handelt (vgl. etwa BGH a.a.O. und BVerfG v. 09.12.2020 – 1 BvR 704/18, BeckRS 2020, 39777 Rn. 21; v. 09.11.2022 – 1 BvR 523/21, juris Rn. 16 m.w.N.).
491Bei der rechtlichen Behandlung von Meinungsäußerungen gilt für den postmortalen Geltungsanspruch, dass dem Verstorbenen zum einen der allgemeine Achtungsanspruch zusteht, der den Menschen kraft seines Personseins schützt. Dieser Schutz bewahrt den Verstorbenen - wie ausgeführt - davor, herabgewürdigt oder erniedrigt zu werden (vgl. auch etwa BVerfG v. 24.01.2018 – 1 BvR 2465/13, juris Rn. 20 m.w.N.). Schutz genießt zum anderen auch der sittliche, personale und soziale Geltungswert, den die Person durch ihre eigene Lebensleistung erworben hat, wobei das Schutzbedürfnis des Verstorbenen in dem Maße schwindet, in dem die Erinnerung an ihn verblasst. Unabhängig von der Frage, wie weit der Achtungsanspruch Verstorbener im Einzelfall noch geht, reicht er zumindest nicht weiter als der Ehrschutz lebender Personen (BVerfG a.a.O., Rn. 20; BVerfG v. 24.10.2022 – 1 BvR 19/22, juris Rn. 29). Unter Lebenden hängt bei in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eingreifenden Meinungsäußerungen die Frage der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als Rahmenrecht von der Abwägung der widerstreitenden Interessen ab, wenn nicht ausnahmsweise ein Fall der sog. Schmähkritik oder Formalbeleidigung vorliegt, bei dem es auf eine Abwägung nicht mehr ankommt. Zudem kann bei Äußerungen, in denen sich wertende und tatsächliche Elemente in der Weise vermengen, dass die Äußerung insgesamt als Werturteil anzusehen ist, bei der Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen unter Lebenden der Wahrheitsgehalt der tatsächlichen Bestandteile ins Gewicht fallen (st. Rspr., vgl. BGH v. 01.03.2016 – VI ZR 34/15, GRUR 2016, 855 Rn. 36); eine Äußerung kann also unzulässig sein, wenn der tatsächliche Bestandteil der Äußerung, auf dem die Wertung aufbaut, unrichtig ist, weil dem Werturteil damit jegliche Tatsachengrundlage fehlt (st. Rspr., vgl. BGH v. 09.08.2022 – VI ZR 1244/20, GRUR-RS 2022, 21876 Rn. 28 m.w.N.). Ungeachtet der Frage, wie weit über § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 189 StGB hinaus der Schutz vor dem sozialen Geltungsanspruch abträglichen Meinungsäußerungen im Detail reicht, muss nach der Dogmatik des postmortalen Persönlichkeitsrechts jedenfalls beachtet werden, dass die Menschenwürde im Konflikt mit der Meinungsfreiheit nicht abwägungsfähig ist (BVerfG v. 24.10.2022 – 1 BvR 19/22, juris Rn. 29 m.w.N.) und deswegen schon auf Eingriffsebene festgestellt werden muss, ob das postmortale Persönlichkeitsrecht durch eine Äußerung verletzt ist. Dabei genügt ein Berühren der Menschenwürde nicht und es bedarf der sorgfältigen Begründung, wenn angenommen werden soll, dass der Gebrauch eines anderen Grundrechts - wie dasjenige des Art. 5 Abs. 1 GG - auf die unantastbare Menschenwürde durchschlägt (BVerfG v. 24.10.2022 – 1 BvR 19/22, juris Rn. 31 m.w.N.). Bei Angriffen auf den durch die Lebensstellung erworbenen Geltungsanspruch genügt daher gerade nicht schon dessen Infragestellung etwa durch eine scharfe und möglicherweise auch objektiv „ungerechte“ Bewertung, aber eine grobe Entstellung oder Herabwürdigung der Person. Ob und wie eine postmortale Verletzung bei einer bloßen Meinungsäußerung gegeben sein kann, lässt sich nur unter Berücksichtigung des Sinns der Äußerung klären, für deren Deutung wiederum der Kontext und damit auch der Anlass der Äußerung (etwa zu Wahlkampfzwecken, vgl. BVerfG v. 05.04.2001 – 1 BvR 932/94, juris Rn. 20,23 – Wilhelm Kaisen) einzubeziehen ist. Bei der Prüfung der Eignung zur Verletzung der Menschenwürde kann insbesondere erheblich werden, ob es sich um eine Tatsachenbehauptung handelt und der Wahrheitsbeweis gelingt bzw. misslingt oder ob eben nur eine rein subjektiv-wertende Stellungnahme vorliegt, die im Zweifel schon unter Lebenden, erst recht aber postmortal zulässig ist (allg. BVerfG v. 05.04.2001 – 1 BvR 932/94, juris Rn. 20). Insgesamt ist zu bedenken, dass der Schutz des Persönlichkeitsrechts auf den Schutz eines fortwirkenden Geltungsanspruchs der Person zielt, nicht etwa auch auf eine ausgewogene politische Bewertung historischer Handlungen (BVerfG v. 24.01.2018 – 1 BvR 2465/13, juris Rn. 25), die den Historikern überlassen werden mag. Die Feststellung eines Eingriffs (und damit einer Verletzung) des postmortalen Geltungsanspruchs bedarf mithin gerade bei subjektiven Bewertungen von Geschehensabläufen und Handlungen des Betroffenen der besonders sorgfältigen Begründung. Ansonsten wird man – wie unter Lebenden – aber auch im Lichte des § 189 StGB jedenfalls die allein auf die Missachtung einer (verstorbenen) Person zielenden Fälle der sog. Schmähkritik regelmäßig auch postmortal als Verletzungshandlung erfassen (so etwa auch Senat v. 12.07.2018 –15 U 151/17, juris Rn. 30 sowie 15 U 146/17, juris Rn. 28 m.w.N.; siehe auch OLG Frankfurt v. 15.10.2009 – 16 U 39/09, juris Rn. 17 ff.; LG Berlin v. 29.11.2022 – 27 O 339/21, AfP 2023, 85, 86), während im Übrigen der Gebrauch der Meinungsfreiheit bei der Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Verletzung des postmortalen Geltungsanspruchs sorgfältig zu gewichten ist. Ob man postmortal bei der Prüfung eines Eingriffs in das postmortale Persönlichkeitsrecht auf Tatbestandsebene - ähnlich wie im Rahmen der Abwägung beim sog. Rahmenrecht des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unter Lebenden, bei der es bei Schlussfolgerungen über Beweggründe und Absichten Dritter anerkanntermaßen auf das tatsächliche Vorliegen einer ausreichenden Tatsachengrundlage und das Vorhandensein einer auf (wahren) Tatsachen fußenden Schlussfolgerung in Abgrenzung zu nur willkürlich aus der Luft gegriffenen Wertungen ankommt (dazu BVerfG v. 09.11.2022 – 1 BvR 523/21, juris Rn. 28 m.w.N.) – dann hier stets auf eine „Unrichtigkeit“ der (mitgeteilten?) „Bewertungsgrundlagen“ ankommen wird - obwohl Meinungsäußerungen eigentlich nicht begründet werden müssen (st. Rspr., vgl. etwa BVerfG v. 09.11.2022 – 1 BvR 523/21, juris Rn. 25 m.w.N.) – ist offen (Senat v. 22.06.2023 – 15 U 135/22, n.v.), aber bedarf mit dem Vorgenannten jedenfalls der Begründung und Herleitung unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalles.
492(c)
493Das zu (a) und (b) Gesagte vorausgeschickt stehen hier zunächst in Zusammenhang mit schon im Vorverfahren untersagten Passagen einige weitere Buchpassagen untrennbar in Verbindung und sind deswegen als Bestandteil der in den Fehlzitaten liegenden Falschbehauptung zu untersagen:
494„Zitat wurde entfernt“
495(d)
496Auch die weiteren Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs aus § 1004 Abs. 1 BGB analog liegen zu den vorgenannten Passagen vor:
497(aa)
498Die Beklagte zu 3) ist als Störerin (bzw. in der Terminologie des I. Zivilsenats: Täterin) ohne weiteres verantwortlich und damit passivlegitimiert in Bezug auf die streitgegenständlichen Unterlassungsansprüche. Mit den Ausführungen des BGH v. 29.11.2021 – VI ZR 248/18, GRUR-RS 2021, 39313 Rn. 73 kommt es auf die vom Senat im ersten Unterlassungsverfahren mit Blick auf die Entscheidung des BGH v. 10.03.1987 - VI ZR 244/85, NJW 1987, 2667 und die Frage eines „bildnisgleichen Schutzes“ des gesprochenen Wortes des Erblassers geprüften Voraussetzungen des § 830 BGB nicht an.
499(bb)
500An der sog. Wiederholungsgefahr bestehen mit Blick auf die zu Lebzeiten des Erblassers erst recht als Teil von Fehlzitaten auch dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzenden Erstveröffentlichungen und die daran anknüpfende tatsächliche Vermutung, die auch nach dem Tod des Erblassers für Ansprüche aus dessen (tatbestandlich engerem) postmortalem Geltungsanspruch fortwirkt, wenn – wie hier - auch dessen Verletzung feststeht (BGH v. 29.11.2021 – VI ZR 248/18, GRUR-RS 2021, 39313 Rn. 72) - keine Zweifel. Atypische Umstände, die ohne Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung die tatsächliche Vermutung erschüttern könnten, sind nicht dargetan und/oder ersichtlich, zumal das Hörbuch weiter vertrieben wird und jederzeit weitere Publikationen drohen.
501(cc)
502Das hinsichtlich der Textpassagen auszusprechende Verbot beschränkt sich auf die Wiedergabe der Äußerungen in ihrem konkreten Kontext, was durch den im Äußerungsrecht üblichen Zusatz „wenn dies geschieht wie…“ im Tenor zum Ausdruck zu bringen war, denn auch eine Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts kann jeweils nur kontextbezogen festgestellt werden (BGH v. 29.11.2021 – VI ZR 248/18, GRUR-RS 2021, 39313 Rn. 86, 88). Soweit die ursprünglichen Klageanträge aus der Klageschrift ein weiter gefasstes sog. Totalverbot angestrebt haben, hat das Landgericht die Klage zu Recht teilweise abgewiesen; dem hat die Klägerin mit ihrer Beschränkung der Berufungsanträge (stillschweigend) Rechnung getragen. Die darin liegende Beschränkung der Berufung auf die konkrete Verletzungsform war – wie unten noch auszuführen ist – für unterschiedliche Streitwerte in beiden Instanzen verantwortlich.
Unterlassungsansprüche wegen Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts des Erblassers bestehen zudem mit Blick auf eine falsche Darstellung über die Verteilung der Bucherlöse auf S. 36 des Buches („„Zitat wurde entfernt““) als unwahre Tatsachenbehauptung.
504Es kann auf das zum Beklagten zu 1) dazu mit Blick auf §§ 241 Abs. 2, 242 BGB Gesagte Bezug genommen werden und den unstreitigen Parteivortrag zu den übereinstimmenden vertraglichen Regelungen. Natürlich ist für einen postmortalen Unterlassungsanspruch zusätzlich – wie auch bei sonstigen unwahren Tatsachenbehauptungen – darauf zu achten, dass nach „Qualität“ oder „Quantität“ der erfolgenden Verfälschung insgesamt schon ein Maß erreicht wird, das es rechtfertigt, eine Eignung zur Verfälschung des Lebensbildes des Verstorbenen anzunehmen. Da aber vorliegend – wie oben ausgeführt – in der streitgegenständlichen Publikation durch die im Vorverfahren festgestellte (ausreichende) Vielzahl an Fehlzitaten im Verhältnis zur Beklagten zu 3) bereits der „Quantität“ nach ein solches erhebliches Maß an Verfälschung erreicht ist, ist die hiesige, nur hinzutretende weitere Verfälschung als Addition zu der bereits erreichten Quantität ebenfalls zu untersagen. Auch die weiteren Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs liegen mit dem zu (1) Gesagten - das hier entsprechend gilt - vor. Soweit der Beklagte zu 1) ansonsten a.a.O. die ihm auf Basis der neunjährigen Zusammenarbeit zugeflossenen rund 480.000 EUR (ohne die sogleich noch anzusprechenden, nicht abrechnungsfähigen Spesenmittel) so werten mag wie auf S. 36 des Buches „Wenn ich meine Arbeitsstunden und Auslagen zusammenzähle, lande ich in einer Leichtlohngruppe.“ (S, 36 des Buches), ist dies mit dem zum Beklagten zu 1) Gesagten und hier entsprechend geltenden äußerungsrechtlich aber im Übrigen beanstandungsfrei.
Unterlassungsansprüche wegen Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts des Erblassers bestehen schließlich mit Blick auf die Darstellung über das Bezahlen der Essensrechnungen im OS. JG. durch den Beklagten zu 1) in der Passage auf S. 42 des streitgegenständlichen Buches:
506„„Zitat wurde entfernt““
507Zwar ist insofern klägerseits nicht substantiiert bestritten, dass der Beklagte zu 1) tatsächlich damals formal (alle) Rechnungen in dem Restaurant beglichen hat, soweit es um den reinen Bezahlvorgang geht. Indes ist im hiesigen Verfahren - wie im Rahmen der Ausführungen zur vertraglichen Verschwiegenheitsverpflichtung des Beklagten zu 1) ausgeführt – in Abweichung von dessen früherem und in erster Instanz anfangs fortgeschriebenen Vorbringen zuletzt unstreitig, dass man über ein fünfstelliges und nicht mehr im Detail abrechnungspflichtiges „Spesenkonto“ für die Memoirenarbeiten verfügt hat und daraus u.a. auch solche Positionen beglichen werden konnten. Liegt es jedoch nahe, aus mitgeteilten (unstreitigen) Tatsachen eine bestimmte ehrverletzende Schlussfolgerung zu ziehen, ist jedenfalls unter Lebenden eine bewusst unvollständige Äußerung rechtlich anerkanntermaßen wie eine unwahre Tatsachenbehauptung zu behandeln, wenn die Schlussfolgerung bei Mitteilung der verschwiegenen Tatsache weniger nahe liegend erscheint und deshalb durch das Verschweigen dieser Tatsache beim unbefangenen Durchschnittsleser ein falscher Eindruck entstehen kann (dazu etwa BGH v. 22.11.2005 - VI ZR 204/04, NJW 2006, 601 ff.; Retka, AfP 2018, 196 ff. m.w.N.). Die Voraussetzungen dafür liegen hier vor, weil sich der Beklagte zu 1) als „„Zitat wurde entfernt““ (S. 39 f. des Buches) und „„Zitat wurde entfernt““ (S. 46 des Buches) geriert hat, der dennoch die (in dem beschriebenen hochwertigen Restaurant keinesfalls geringfügige) „Zeche“ zu Gunsten des berühmten Staatsmannes „ausnahmslos“ habe selbst tragen müssen. Das damit beim durchschnittlichen Rezipienten entstehende Bild des sich mehr oder weniger unverschämt von dem (armen) „Untertan“ aushalten lassenden Erblassers als „große(m) Zampano“ (S. 36 des Buches) wird aber ein ganz anderes, wenn man die freie Verfügbarkeit eines gut gefüllten Spesenkontos auf Seiten des Beklagten zu 1) in die Bewertung einbezieht, zu dem der Zeuge Dr. R. glaubhaft angegeben hat, dass der Beklagte zu 1) sogar gelegentlich ihm gegenüber geäußert habe, er „übernehme dies aus dem Spesenkonto“ (Bl. 4038 d.A.). Man mag zwar dann dem Erblasser und dem Beklagten zu 1) möglicherweise noch entgegenhalten, nicht knauserig mit (Verlags-)Mitteln umgegangen zu sein, aber dies ist – zumal die Lukrativität des Gesamtprojekts im Buch mehrfach betont wird und sich das auch auf die Verlagsseite übertragen lässt - für die dem Rezipienten suggerierte nachteilige Schlussfolgerung zu dem Verhalten des Erblassers eine wertungsmäßig ganz anders zu gewichtende Frage, zumal solche Kritik gleichermaßen auch den Beklagten zu 1) treffen würde.
508Die Gleichbehandlung unwahrer und bewusst unvollständiger Tatsachenbehauptungen unter Lebenden ist – was der Senat im Urteil vom 22.06.2023 (15 U 135/22, n.v.) zu den dortigen Passagen (1-IV), (3-IV) und (25-IV) noch offen lassen konnte – richtigerweise auch postmortal vorzunehmen, weil die Interessenlage – wie vom BGH a.a.O. zu Recht betont – unter Lebenden auch mit Blick auf die Auswirkungen für die Person identisch ist und für den postmortalen Achtungsanspruch nichts anderes gelten kann. Da in der streitgegenständlichen Publikation – wie oben ausgeführt – durch die im Vorverfahren festgestellte (ausreichende) Vielzahl an Fehlzitaten im Verhältnis zur Beklagten zu 3) bereits der „Quantität“ nach ein erhebliches Maß an Verfälschung erreicht ist, ist die hiesige, dann nur hinzutretende weitere Verfälschung im Buchkontext ebenfalls zu untersagen.
509Die Beklagte zu 3) kann sich – anders als die im Urteil des Senats vom 22.06.2023 (15 U 135/22, n.v.) über die Buchpublikation und die Memoirenarbeiten als quasi außenstehende Dritte nur journalistisch berichtenden Beklagten zu 4) und 5) – hier auch nicht darauf berufen, dass die Klägerin im Verfahren nichts dazu vorgetragen hat, dass auch in der Person der Entscheidungsträger bei der Beklagten zu 3) i.S.d. § 31 BGB selbst das „Bewusstsein“ einer nur unvollständigen Berichterstattung in dem fraglichen Punkt vorhanden gewesen sein soll (vgl. zum Abstellen auf die Person des Betreibers einer Internetsuchmaschine als außenstehendem Dritten BGH v. 24.07.2018 – VI ZR 330/17, ZUM-RD 2019, 203 Rn. 48). Dies wäre aus Sicht des Senats sogar fernliegend, weil der Umstand des frei verfügbaren Spesenkontos weder im Vorverfahren noch zu Beginn des hiesigen Verfahrens vom Beklagten zu 1) selbst offengelegt war und dieser im Gegenzug unter Missachtung des § 138 Abs. 2 ZPO nur seine angeblich so hohen finanziellen Belastungen durch die Memoirenarbeiten herausgestellt hat, um so seine vermeintliche journalistisch-publizistische Eigenständigkeit herauszustellen.
510Überdies kommt es darauf von Rechts wegen bei dem Verleger eines Buches – und damit auch der Beklagten zu 3) - nicht an. Ebenso wie ein Zeitungsverleger als sog. intellektueller Verbreiter und für das Erscheinen der Zeitung verantwortliche Stelle haften muss (statt aller Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. 2018, Kap 12 Rn. 60 m.w.N.), muss dies auch für einen Buchverlag gelten. Ein Verlag muss sich bei Buchpublikationen daher auch eine bewusste Unvollständigkeit des unmittelbar inhaltsverantwortlichen Autors, die nichts anderes ist als eine Verletzung der journalistischen bzw. publizistischen Sorgfalt zur Vollständigkeit (dazu etwa Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl. 2018, Kap. 6 Rn. 139 ff.), ebenso wie eine sonstige Verletzung von Berufspflichten als äußerungsrechtlich verantwortliche Stelle zurechnen lassen. Dies gilt schon zur Meidung von Rechtsschutzlücken jedenfalls mit Blick auf den zukunftsgerichteten Unterlassungsanspruch, der hier allein in Frage steht. Das in dem oben zitierten Ausgangsfall des BGH nur der eigentlich Äußernde selbst, ein Journalist, der Beklagte war, trägt keine andere Sichtweise, zumal der VI. Zivilsenat in dem weiteren Urteil vom 26.10.1999 (VI ZR 322/98, NJW 2000, 656) die fehlende Prüfung der bewussten Unvollständigkeit durch die Vorinstanz auch mit Blick auf eine Zeitungsverlegerin bemängelt hat.
511In solchen Fällen muss schließlich nicht – wie etwa im Hamburger Gerichtsbezirk bisweilen offenbar Usus – der Unterlassungstenor so tenoriert werden, dass man einen klarstellenden Zusatz „ohne hinzuzufügen, dass…“ anfügt, sondern es kann – mit BGH a.a.O. – im Vertrauen auf die sachgerechte Ausübung des sog. Wahlrecht des Störers zur Unterlassung verurteilt werden (siehe bereits Senat v. 10.09.2020 – 15 U 230/19, GRUR-RS 2020, 39157 Rn. 12; de facto von BGH v. 16.11.2021 – VI ZR 1241/20, NJW 2022, 940 bestätigt).
512Auch die weiteren Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs liegen mit dem oben zu (1) Gesagten - das hier entsprechend gilt - vor.
Das zu (3) Gesagte gilt entsprechend, soweit auf S. 45 des streitgegenständlichen Buches noch Teile des Abschiedsbriefes der ersten Ehefrau an den Erblasser wiedergegeben sind. Denn dies ist – wie der Senat schon im Urteil vom 29.05.2018 (15 U 64/17, BeckRS 2018, 17910 Rn. 469) im Einzelnen ausgeführt hat, worauf zur Meidung von Wiederholungen Bezug zu nehmen ist – unter grober Verletzung der publizistisch-journalistischen Sorgfaltsmaßstäbe bewusst unvollständig erfolgt, weil der Beklagte zu 1) auf S. 45 des Buches mit der Passage:
514„„Zitat wurde entfernt““
515unredlich die vom Erblasser vorgenommene Bewertung als „Liebeserklärung“ seiner verstorbenen ersten Ehefrau anzweifelt und als unzutreffend rügt. Die dabei von ihm proklamierte Wortlautveröffentlichung des Briefes wird jedoch bewusst verfälschend vorgetragen, was sich aus S. 299 seines weiteren – früher erschienenen – Buches „Die Frau an seiner Seite“ ergibt, in welchem anders als hier die vollständigen Passagen des besagten Abschiedsbriefes abgedruckt worden sind. Am Ende des Briefes heißt es dort vollständig – und damit gerade mit der hier angeblich vermissten „Liebeserklärung“ – wie folgt:
516„„Zitat wurde entfernt““
517In Ansehung dessen kann beim durchschnittlichen Rezipienten durch die vorsätzliche Verkürzung des Brieftextes unter Vorwurf der angeblich fehlenden „Liebeserklärung“ in angeblich völliger Verkennung der Sachlage durch den Erblasser – nur ein falscher Eindruck vom Erblasser entstehen, da eine solche Schlussfolgerung bei Mitteilung der verschwiegenen Textteile deutlich weniger naheliegend erscheint. Das Verhalten des Beklagten zu 1) ist dem Senat auch deswegen umso unverständlicher, als der Erblasser nach den glaubhaften Bekundungen des Zeugen Dr. R. (Bl. 4033 d.A.) bei den Memoirengesprächen nach dem Selbstmord von Hannelore Kohl ausdrücklich nachgefragt hat, ob nicht entweder der Zeuge oder aber der Beklagte zu 1) in Ansehung des hohen „Außendrucks“ auf den Erblasser zumindest Teile des Abschiedsbriefes mit einer positiven Begleitberichterstattung veröffentlichen könnten, um nach außen hin so zu zeigen, dass sich Hannelore Kohl entgegen der damaligen Gerüchtelage nicht etwa zuletzt vom Erblasser losgesagt habe. Der Beklagte zu 1) habe dies damals abgelehnt, der Zeuge Dr. R. habe dann aber in der „EF.“ im Einvernehmen mit dem Erblasser - dies unter Offenlegung einer beratenden Mitarbeit an den Memoiren des Erblassers - schlussendlich als Zeichen der engen Vertrauensbindung zum Erblasser (trotz für ihn drohender Nachteile bei einer solchen Parteinahme) eine entsprechende Veröffentlichung veranlasst (siehe nur https://www.PZ..html).
518Die Beklagte zu 3) haftet – wie oben zu (3) ausgeführt – dann auch bei fehlendem eigenen Bewusstsein der Unvollständigkeit wegen der auf Seiten des Beklagten zu 1) damit klar vorliegenden bewussten Unvollständigkeit. Auch die weiteren Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs liegen entsprechend dem oben Gesagten vor.
Weitergehende Unterlassungsansprüche stehen der Klägerin gegen die Beklagte zu 3) hingegen nicht zu.
520Vertragliche Ansprüche scheiden - wie eingangs bereits ausgeführt - im Verhältnis zur Beklagten zu 3) aus. Auch weitergehende gesetzliche Unterlassungsansprüche gegen die Beklagte zu 3) sind nicht ersichtlich. Insbesondere bestehen keine weitergehenden Ansprüche aus § 1004 Abs. 1 BGB analog i.V.m. dem postmortalen Persönlichkeitsrechts des Erblassers und zwar weder mit Blick auf die angegriffenen Passagen des Buches in isolierter äußerungsrechtlicher Betrachtung im jeweiligen Kontext nach den oben bei a) cc) (1) (a) und (b) aufgezeigten allgemeinen Prämissen noch in der Gesamtheit der Anträge als „einheitlich“ verstandenes Klagebegehren, gestützt auf den Aspekt einer globalen Lebensbildverfälschung und/oder Verletzung des allgemeinen Achtungsanspruchs des Erblassers. Ansprüche der Klägerin ergeben sich schließlich auch nicht aus § 826 BGB.
Mit dem bereits zu den gegen den Beklagten zu 1) gerichteten Unterlassungsbegehren Ausgeführten kann nicht mit dem Argument eines „einheitlichen“ Klageantrages und einem theoretisch sogar möglichen Gesamtverbot der Publikation argumentiert werden, die als „Minus“ auch die Untersagung (nur) der zahlreichen im hiesigen Verfahren antragsgegenständlichen Passagen tragen könnte. Für die Beklagte zu 3) gilt nichts anderes als für den Beklagten zu 1).
Auch mit Blick auf die mit dem Klageantrag angegriffenen einzelnen Passagen des streitgegenständlichen Buches sind keine weitergehenden Abwehransprüche der Klägerin wegen eines Eingriffs in das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers nach den oben bei a) cc) (1) (a) und (b) aufgezeigten Prämissen zu erkennen. Insbesondere kann der Senat prozessual weder - nach den oben aufgezeigten Prämissen sonst theoretisch zu Abwehransprüchen führende - weitere Fehlzitate (im engeren oder weiteren Sinne inklusive Stimmungsbildverfälschung), andere unwahre Tatsachenbehauptungen oder diesen gleichstehende, bewusst unvollständige Tatsachenmitteilungen in dem Buch feststellen und auch sonst keine zu postmortalen Abwehransprüchen führende unzulässige Bewertungen etc. Denn entsprechend dem oben zum Beklagten zu 1) Gesagten ist das nur pauschale Vorbringen der Klägerin prozessual unzureichend und kann allein daher keine weitergehenden sekundären Darlegungslasten der Beklagten zu 3) zu den gesamten Buchpassagen oder zumindest allen tatsächlichen Angaben auslösen.
523Insofern kann dann zunächst auf das – wenn auch mit Blick auf §§ 241 Abs. 2, 242 BGB und den Umfang der vertraglichen Unterlassungsverpflichtung – zum Beklagten zu 1) bei den vom vertraglichen Verbotsumfang ausgenommenen Buchpassagen Gesagte verwiesen werden, soweit dort bereits festgestellt ist, dass ausreichender Sachvortrag der Klägerin zu Unwahrheiten oder unwahren Anknüpfungstatsachen fehlt. Mit Blick auf den postmortalen Achtungsanspruch und das Deliktsrecht gilt mit Blick auf die Beklagte zu 3) nichts anderes. Insgesamt gilt mit Blick auf die Beklagte zu 3) – in der Reihenfolge des Buches wie aus den Markierungen in Anlage K 33 (Bl. 1389 ff. d.A.) ersichtlich dem im angefochtenen Urteil eingerückten Klagebegehren folgend – ansonsten das Nachstehende:
Mit dem zur fehlenden Lebensbildverfälschung bei dem Beklagten zu 1) Gesagten und bezogen auf die Einzelpassagen ebenso Geltenden bestehen keine postmortalen Abwehransprüche gegen die nur wertenden Umschreibungen wie etwa „VERMÄCHTNIS“, „DIE KOHL-PROTOKOLLE“, „INNENANSICHTEN DER MACHT“, „historisches Vermächtnis“, „Lebenserinnerungen zu Protokoll gegeben“ „Gesprächspartner“, „Ghostwriter seiner Memoiren“, „Journalist und Autor“, „Interviews“ etc. sowie gegen die weiteren Angaben auf der Rückseite und im Klappentext des Buches. Dass es tatsächlich nicht um „630 Stunden“ an gemeinsamen „Memoirengesprächen“ gegangen sein soll, ist klägerseits schon nicht substantiiert angegriffen und wäre mit dem bereits zum Beklagten zu 1) dazu Gesagten in Ansehung der unstreitig langen Arbeitssitzungen ohnehin allenfalls eine sog. wertneutrale Falschbehauptung. Auch ist – wie beim Beklagten zu 1) bereits ausgeführt – äußerungsrechtlich unerheblich, dass man unstreitig nicht nur in den „Jahren 2001 und 2002 in Gesprächen“ war, sondern tatsächlich sogar von 1999 bis 2003. Dass der Leser ausweislich der Buchrückseite vermeintliche Erkenntnisse „durch den Altkanzler selbst, ungefiltert, in seinen eigenen Worten – anhand der »A.-Protokolle«“ erhalte bzw. ausweislich des Klappentextes „Gestützt auf die A.-Protokolle… ein authentisches Porträt des Kanzlers (gezeichnet werde) – eine Nahaufnahme, bei der Helmut Kohl selbst mit seinen ganz persönlichen Einschätzungen zu zentralen politischen Themen und Personen zu Wort kommt…“, ist äußerungsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Nach dem Ergebnis des Vorverfahrens zu den 116 Buchpassagen und dem bei der Frage der Lebensbildverfälschung Gesagten kann nicht umfassend von falschen Zitaten des Erblassers bzw. falschen Inhaltsangaben im Buch insgesamt ausgegangen werden. Etwa vorhandene falsche Einzelzitate können – wie das Vorverfahren gezeigt hat – ohne weiteres einzeln untersagt werden, ohne dass die hier in Frage stehenden offenen Bewertungen damit jedwede tatsächliche Grundlage verlieren. Dies kann also nicht (erst recht nicht postmortal) zu Abwehransprüchen führen, selbst wenn man postmortal subjektive Bewertungen schon bereits als unzulässig ansehen wollte, wenn die ihnen zu Grunde liegenden Tatsachengrundlagen unwahr sind (siehe zur der Frage der Übertragung der Abwägungsrelevanz des Wahrheitsgehalts tatsächlicher Bewertungsgrundlagen unter Lebenden auch auf den postmortalen Achtungsanspruch bereits offen Senat v. 22.06.2023 – 15 U 135/22, n.v. zu der Passage (1-IV) m.w.N.). Dass der Erblasser mit Blick auf seine Erfahrungen der sog. Spendenaffäre und den Freitod seiner ersten Ehefrau „in dieser Situation so offen über die Politik, sein Leben, sein Weltbild (gesprochen habe) wie nie zuvor“, ist in Ansehung der aktenkundigen Bestandteile der Memoirenarbeiten, der im Vorverfahren behandelten Zitate und der prozessual als wahr zu behandelnden weiteren Zitate und Inhaltsangaben eine (erst recht postmortal) zulässige Wertung auf einer tragfähigen Tatsachenbasis; gleiches gilt für die weiteren Angaben und Wertungen im Klappentext.
525Auch der Text der Bildbeschreibung auf S. 4 des Buches ist äußerungsrechtlich im Verhältnis zur Beklagten zu 3) nicht zu beanstanden. Denn es ist unstreitig, dass die Tonbandaufnahmen tatsächlich in vertrauensvoller Atmosphäre entstanden sind; die anderen Teile sind nur zulässige Wertungen auf Basis der unstreitigen Inhalte (zumindest) eines Teils der damals geführten „Memoirengespräche.“ Soweit partiell widersprüchlich ist, dass der Beklagte zu 1) zwar hiernach als gleichrangiger Diskurspartner selbst „abweichende… Meinung(en)“ offen angesprochen haben will, im Buch aber u.a. angegeben hat, als „Ghostwriter“ die „Kunst des Neinsagens aufgegeben“ (S. 47 des Buches) zu haben, macht allein dies die offene Bewertung – insbesondere postmortal – nicht unzulässig, zumal auf den aktenkundigen Aufnahmen und/oder nicht ausreichend bestrittenen Transkripten in gewissem Umfang Rede und Gegenrede/Rückfragen - wenn auch mit deutlich überwiegenden Gesprächsanteilen des Erblassers - zu erkennen sind.
526Außer mit Blick auf die wegen des Bezuges zu der Passage Nr. 38 im Vorverfahren ein Fehlzitat enthaltenden und deswegen untersagten Kapitelüberschrift II.3. bestehen keine äußerungsrechtlichen Bedenken bezüglich der – teils ohnehin wiederum nur rein wertenden – Kapitelüberschriften auf S. 7 f. des Buches. Dass die dort enthaltenen weiteren Zitate des Erblassers falsch sein sollen und/oder jeweils wertend falsche Inhalte der „Memoirengespräche“ wiedergegeben würden, ist - wie bereits im Zusammenhang mit den Ansprüchen gegen den Beklagten zu 1) ausgeführt - mit dem Pauschalangriff der Klägerin nicht ausreichend vorgetragen und/oder auch sonst nicht ersichtlich. Mit dem bei dem Beklagten zu 1) zu der Frage einer Lebenbildverfälschung durch Falschdarstellung des Stimmungsbildes des Erblassers usw. bereits Gesagten liegt die Darlegungs- und Beweislast für ein Vorliegen von unwahren Tatsachenbehauptungen und speziell auch Fehlzitaten (im engeren oder weiteren Sinne) trotz der damit für die Klägerin verbundenen Schwierigkeiten im Ausgangspunkt bei dieser. Die Beklagte zu 3) hätte nur bei konkreten und substantiierten Angriffen gegen bestimmte Wortlautzitate des Erblassers oder sonstige tatsächliche Angaben zu Inhalten der Memoirenarbeiten usw. im Zuge der erst dann eingreifenden sekundären Darlegungslast weitergehende Angaben mit Blick auf § 138 Abs. 2 ZPO machen müssen, um der Klägerin Raum für weiteres Vorbringen und zugleich konkrete Beweisführungsmöglichkeiten zu den einzelnen streitigen Passagen zu eröffnen. Trotz mehrfacher Hinweise fehlt bis zuletzt an entsprechendem Sachvortrag; ebenso wie beim Beklagten zu 1) genügte der pauschale Angriff gegen alle Zitate und Inhaltsangaben auch im Verhältnis zur Beklagten zu 3) nicht. Zusätzlich zu dem beim Beklagten zu 1) Gesagten ist zudem zu konstatieren, dass weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass die Beklagte zu 3) damals wie heute überhaupt selbst im Besitz weitergehender Tonbandkopien o.ä. sein soll. Auch aus diesem Grunde kommen keine gesteigerten Darlegungslasten gerade der Beklagten zu 3) auf die nur pauschal geführten Angriffe der Klägerin hin in Betracht; erst recht besteht kein Anlass für gerichtliche Vorlageanordnungen.
527Zu den Feststellungen dazu, dass das Zitat in Überschrift II. 10. kein Fehlzitat im engeren oder weiteren Sinne ist, kann auf die Ausführungen zu Passage Nr. 109 im Vorverfahren verwiesen werden (vgl. Senat v. v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, Anlage K 17a, AO II = BeckRS 2018, 10541 Rn. 413 zu Nr. 109). Richtig ist zwar, dass bei Überschrift II. 4 „Kalt wie ein Fisch“ in Buchzitat Nr. 54 im Vorverfahren deswegen als Fehlzitat zu behandeln war, weil die Äußerung auf S. 109 des Buches zu Unrecht auf DT. HO. bezogen ist (Senat v. v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, Anlage K 17a, AO II = BeckRS 2018, 10541 Rn. 316; BGH v. 29.11.2021 – VI ZR 248/18, GRUR-RS 2021, 39313 Rn. 48, 71, 104). Das ändert aber nichts daran, dass der Erblasser die Äußerung bei den Memoirenarbeiten tatsächlich – gleichermaßen wenig schmeichelhaft – über FN.-I. LO. getätigt hat (Senat a.a.O.). Jedenfalls mit Blick darauf ist die Verwendung des tatsächlich über einen „politischen Gegner“ gefallenen Zitats ohne weiteren Personenbezug in der Überschrift äußerungsrechtlich bedenkenfrei und unabhängig von der Unzulässigkeit des Buchzitats Nr. 54 mit Bezug auf DT. HO. zu werten. Auch zu sonstigen Unwahrheiten etc. in den Überschriften fehlt im Übrigen konkreter klägerischer Sachvortrag; das Pauschalvorbringen ins Blaue hinein genügte gerade nicht.
528Ebenfalls keine äußerungsrechtlichen Bedenken bestehen mit Blick auf die Passagen im Vorwort auf S. 9 ff. des Buches. Bezüglich der tatsächlichen Angaben zum Umfang der Tonaufnahmen geht es mit dem schon beim Beklagten zu 1) Gesagten um wertneutrale Falschbehauptungen, die (erst recht) keinen Anspruch aus dem postmortalen Persönlichkeitsrechts des Erblassers begründen. Dass tatsächliche Umstände des Geschehens und/oder der Inhalte der Memoirenarbeit unwahr wiedergegeben werden, ist auch insofern weder konkret vorgetragen noch ersichtlich.
529Soweit im Buch wertend angeführt wird, dass der Erblasser „Klartext“ gesprochen, bestimmte Zeitgenosssen „mitunter auch bitterböse“ (beides S. 9 des Buches) porträtiert worden seien und er der Partei „gründlich die Leviten gelesen“ (S. 10 des Buches) habe, sind diese Wertungen - ungeachtet einzelner Fehlzitate im Buch nach dem Ergebnis des Vorverfahrens - schon allein auf Basis jedenfalls der im Vorverfahren als zulässig angesehenen Zitate und des hier mit dem oben Gesagten fehlenden Vortrages zu weiteren Fehlzitaten äußerungsrechtlich bedenkenfrei, wobei im Übrigen auf das oben beim Beklagten zu 1) zur Lebensbildverfälschung Gesagte Bezug genommen werden kann. Dass es jeweils tatsächlich damals auch Äußerungen des Erblassers zu den namentlich angesprochenen Personen und zur Partei gab, steht prozessual ebenfalls fest.
530Bedenkenfrei ist schließlich auch die wertende Einordnung, der Erblasser habe das „Ringen um die deutsche Einheit mit pointierten Worten als ökonomische Zwangsläufigkeit“ (S. 10 des Buches) charakterisiert, da dies eine äußerungsrechtlich zulässige Wertung auf Basis der aktenkundigen Ausführungen des Erblassers zum Zerfall der Sowjetunion, zur Person Michail Gorbatschow‘s (vgl. etwa das sachlich zutreffende [dazu Senat v. v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, Anlage K 17a, AO II = BeckRS 2018, 10541 Rn. 423; BGH v. 29.11.2021 – VI ZR 248/18, GRUR-RS 2021, 39313 Rn. 142] Buchzitat Nr. 115 aus dem Vorverfahren „Gorbatschow ging über die Bücher und musste erkennen, dass er am Arsch des Propheten war und das Regime nicht halten konnte.«“) und zur Rolle der Demonstrationen im Zusammenhang mit dem Mauerfall sein dürfte, mag man damit möglicherweise die vom Erblasser vertretene differenzierte Betrachtungsweise zu den Hintergründen des Gelingens der deutschen Einheit ohne Not verkürzt haben und ihm historisch insofern objektiv möglicherweise nicht ganz gerecht geworden sein. Denn nicht jede „unfaire“ Auswertung der tatsächlichen Ausführungen des Erblassers begründet schon einen Eingriff in das postmortale Persönlichkeitsrecht, zumal man auch schon unter Lebenden nicht vor der historisch ungenauen oder fehlerhaften Einordnung seiner vermeintlichen Sicht auf die Dinge geschützt gewesen wäre; das gilt erst recht postmortal (vgl. auch Senat v. 22.06.2023 – 15 U 135/22, n.v. zu den ähnlichen Passage (15-IV) und (50-V) aus Presseberichterstattungen).
531Soweit auf S. 10 des Buches ausgeführt ist, dass sich bei den Memoirenarbeiten ein „gebildeter Mann (offenbart habe), der unter dem ewigen Stigma der »Birne« litt wie ein getretener Hund.“ (S. 10 des Buches), mag diese Bewertung dem Erblasser u.U. menschlich nicht vollends gerecht werden, ist äußerungsrechtlich aber (zumal postmortal) nicht zu beanstanden. Mit dem bereits mehrfach Gesagten sind prozessual keine weiteren Fehlzitate im Buch feststellbar, so dass man diese Wertung zudem auf die entsprechenden Zitate des Erblassers und tatsächlichen Angaben zu Inhalten der „Memoirengespräche“ in den sich mit der „Minusfigur“ (S. 69 ff. des Buches) befassenden Buchpassagen und die Wortlautpassage zur vermeintlichen „Verzerrung“ seines Bildes in den Medien (S. 22 des Buches), den Ausführungen zum Pfälzisch sprechenden „Provinzler“ usw. (S. 23 f. des Buches) usw. stützen mag; eine Lebensbildverfälschung kann auch hier nicht festgestellt werden.
(a)
533Wie beim Beklagten zu 1) zu §§ 241 Abs. 2, 242 BGB bereits festgestellt, fehlt substantiierter klägerischer Sachvortrag zu unwahren Tatsachen und/oder sonst unzulässigen Bewertungen bei den Passagen im Kapitel ab S. 13 ff. des Buches; nichts anderes gilt mit Blick auf die Beklagte zu 3). Dass Bewertungen wie „Der unerbetene Besucher“ (S. 15 des Buches); „Vermutlich … deshalb, um die Gewichtigkeit seiner Mission zu unterstreichen…. Der Aufmarsch konnte sich sehen lassen. Offenkundig schien Gefahr im Verzug.“ (S. 15 des Buches) keine Verletzung des postmortalen Achtungsanspruchs des Erblassers ausmachen, steht außer Frage; auch die Angaben zur „Löschtrommel“ (S. 15 f. des Buches) sind mit dem beim Beklagten zu 1) Gesagten im Tatsächlichen beanstandungsfrei. Dass die weitere Angabe, es habe sich um „Tiefeninterviews“ (S. 17 des Buches) gehandelt, auch auf Basis der Annahme, die Tonaufnahmen in Anlage K 54 stünden repräsentativ für die Arbeiten, nur eine Bewertung des Beklagten zu 1) im Zuge der Urteilskritik und jedenfalls keine unwahre - und dann im Verhältnis zur Beklagten zu 3) den postmortalen Achtungsanspruch des Erblassers treffende - Tatsachenbehauptung ist, wurde ebenfalls bereits ausgeführt. Auch die Urteilskritik auf den S. 16 ff. des Buches ist – wie gezeigt – nur eine zulässige Bewertung, auch soweit man die „Begleitumstände der Befragungen auf den Kopf gestellt“ (S. 17 des Buches) sieht.
534Die Ausführungen auf S. 18 des Buches, wonach der Erblasser „so schonungslos mit Freund und Feind, so nachtragend im wahrsten Sinne des Worts, Bilanz seiner Vita gemacht“ und alles „bisweilen sehr bitter“ kommentiert und wonach der Beklagte zu 1) der „Autor seiner Lebenserinnerungen (sei, der)… die rund 2300 Seiten der … Autobiografie … zum allergrößten Teil …geschrieben“ (S. 18 des Buches) habe, sind mit dem beim Beklagten zu 1) zur (fehlenden) Lebensbildverfälschung Gesagten postmortal ebenfalls nicht zu beanstanden. Auch sonst fehlt zu den weiteren Passagen auf S. 18 – 20 des Buches ausreichend konkreter Sachvortrag der Klägerin zu unwahren Tatsachenbehauptungen, weiteren Fehlzitaten etc. Es geht im Übrigen um schon unter Lebenden zulässige kritische Bewertungen eines Politikers auf Basis der nicht ausreichend bestrittenen und deswegen prozessual als wahr zu behandelnden Gesprächsinhalte und zudem auch der unstreitigen Kerntatsachen aus der Vita des Erblassers, etwa wenn es hier heißt, dass man ein „vielbeschworene(s) System Kohl, das die Strukturen des lokalen Parteiklüngels scheinbar nahtlos auf die große Politik übertrug“ (S. 19 des Buches), erkannt habe oder man den Erblasser als einen „geniale(n) Stratege(n) (bewerte), der nicht ohne Kalkül die Pose des Biedermanns mit der Strickjacke einnahm…“ und der „alle zu Figuren seines persönlichen Schachspiels gemacht (habe), dessen oberste Regel war, dass kein anderer als Kohl die Partie gewinnen durfte.“ (S. 19 des Buches) und man dies als eine Quintessenz der vorgelegten „Dokumentation“ (S. 19 des Buches) verstehen möchte.
535Soweit auf S. 19 des Buches bewertet wird, dass für „die Erklärung der geradezu atemberaubenden Offenheit des in den Ruhestand geschickten Staatsmanns … die Zeitspanne unserer ausgedehnten Sitzungen im Hause Kohl von entscheidender Bedeutung“ gewesen zu sein scheint, ist das Vorbringen zwar ebenso wie die Datumsangabe auf S. 19 des Buches (12.03.2001) ungenau, weil man die ersten Tonbandgespräche unstreitig schon im Oktober 1999 vor Aufdeckung der sog. Spendenaffäre begonnen hat. Diese Ungenauigkeit begründet aber keine postmortalen Abwehransprüche. Zum einen hat man das „Tagebuch“ und die dazu geführten Gespräche als bewusste Reaktion des Erblassers auf die sog. Spendenaffäre anzusehen. Das Gros der „Memoirengespräche“ ist im Übrigen gerade in dem beschriebenen Zeitraum 2001/2002 geführt worden und man hat nach den glaubhaften Bekundungen des Zeugen Dr. R. in dieser Zeit sogar mehr oder weniger chronologisch nochmals von vorne angefangen, als er zu den Arbeiten dazugestoßen ist. Zudem haben die Zeugen I. und K. A. und auch der Zeuge Dr. R. glaubhaft den auf der Familie des Erblassers lastenden Außendruck beschrieben und die davon jedenfalls teilweise auch nicht unbeeinflusst gebliebenen Inhalte der Arbeiten, die der Zeuge K. A. für den von ihm besuchten Termin plastisch als „Therapiesitzung“ umschrieben hat. Der Senat verkennt nicht – wie schon bei der Frage der Lebensbildverfälschung zum Beklagten zu 1) ausgeführt – dass sich aus den vom Beklagten zu 1) selbst als repräsentativ für die Memorenarbeiten vorgelegten Tonbandausschnitt in Anlage K 54 weitgehend eine ruhige und seriöse Memoirenarbeit des unaufgeregt agierenden, bisweilen die fehlende aktenmäßige Vorbereitung rügenden Erblassers ableiten lässt. Dass es aber jedenfalls auch – wie das Vorverfahren zu 116 Zitaten gezeigt hat und wie die nach dem hiesigen Vortrag prozessual als zutreffend zu behandelnden weiteren Zitate des Erblassers im Buch belegen – auch unter dem Eindruck der für den Erblasser bitteren Erfahrungen mit ehemaligen Parteigenossen nicht durchweg nur rein sachliche Bewertungen enthaltene, sondern auch nicht schmeichelhafte Äußerungen des Erblassers über Dritte gegeben hat, steht außer Frage; dies trägt aber, erst recht postmortal, auch die hier in Frage stehende Bewertung.
536Auf S. 20 des Buches finden sich mit dem bereits beim Beklagten zu 1) Gesagten keine unwahren Tatsachen und/oder – erst recht nicht postmortal – unzulässigen Wertungen; es fehlt auch hier ausreichend substantiierter Klägervortrag, der die Beklagte zu 3) zu weiteren Darlegungen hätte anhalten können. Soweit die Angabe auf S. 21 des Buches „Als wir unsere Gespräche im März 2001 beginnen“ tatsächlich ungenau sein mag, weil man bereits vor der sog. Spendenaffäre die Arbeiten an den Memoiren begonnen hatte, begründet dies keinen postmortalen Unterlassungsanspruch. Zum einen wurde das Gros der Tonbandaufnahmen 2001/2002 gefertigt und zum anderen sind auf S. 29 des Buches die zeitlichen Abläufe und sich überschlagenden Ereignisse ansonsten zutreffend geschildert. Die dem Beklagten zu 1) wegen seiner vertraglichen Bindung untersagten Passagen auf S. 21 f. zum Geschehen nach dem Tod der ersten Ehefrau sind – soweit es nicht um das oben bereits angesprochene Fehlzitat Nr. 1 aus dem Vorverfahren und seine Einkleidung geht – beanstandungsfrei; konkreter Vortrag zu unwahren Tatsachenbehauptungen oder anderen Verbotsgründen fehlt auch insofern. Dass und warum die offene Bewertung zu den unstreitig bei den Memoirenarbeiten vom Erblasser nicht erwähnten, also „unter den Teppich (ge)kehrt(en)… Verletzungen“ (S. 21 f. des Buches) eine Verletzung des postmortalen Geltungsanspruchs des Erblassers sein soll, erschließt sich dem Senat nicht.
537Ausreichender Sachvortrag fehlt auch mit Blick auf die Buchpassagen auf S. 22 f. In Ansehung der im Vorverfahren unbeanstandet gebliebenen Zitate Nr. 4, 5 und 6 (dazu Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, Anlage K 17a, AO II = BeckRS 2018, 10541 Rn. 232 – 234) sind insbesondere die darauf bezogenen Einkleidungen und Wertungen äußerungsrechtlich beanstandungsfrei; dies in Abgrenzung zu dem oben zu den Zitaten Nr. 2 und 3 beanstandeten Teilen. Dazu, dass auch mit Blick auf den angeblich um sich schlagenden „angezählte(n)… Boxer“ (S. 22 des Buches) oder die „verzweifelte… Brandrede“ (S. 23 des Buches) keine Lebensbildverfälschung des Erblassers feststellbar ist, kann auf das beim Beklagten zu 1) Gesagte verwiesen werden.
538(b)
539Auch substantiierte inhaltliche Angriffe gegen die weiteren Ausführungen auf S. 23 f. des Buches fehlen. Der Senat verkennt dabei ausdrücklich nicht, dass sich die vom Senat im Urteil vom 22.06.2023 (15 U 135/22, n.v.) nach der Verfahrensabtrennung mit Blick auf die vormalige Beklagte zu 4) untersagte Passage (60-IV) auf das auf S. 24 des Buches abgedruckte Zitat „»Ich bin sprachlich nicht sehr begabt und gab mir auch keine Mühe. Ich wurde zum Bundeskanzler gewählt und nicht zum Dolmetscher.«“ bezieht und mit der Formulierung „Weltbürger Schmidt“ (S. 23 des Buches) die nach der Verfahrensabtrennung der Beklagte zu 4) untersagte Passage (28-IV) aus einer Presseberichterstattung betroffen sein mag, die ansonsten das später auf S. 74 des Buches abgedruckte Zitat »Die ganze Voreingenommenheit – ›der ist kulturell ein Barbar!‹ – wurde ja systematisch präpariert. Der Weltbürger Schmidt. Der Weltbürger Brandt. Und jetzt kommt dieser Pfälzer, der nicht einmal richtig Deutsch kann.« betrifft.
540((aa))
541Zwar ist der Senat in diesem abgetrennten Verfahrensteil - in dem die Klägerin erstmals nach der Verfahrensabtrennung mit dortigem Schriftsatz vom 05.08.2022 dezidierter zu den im Verhältnis zu den Beklagten zu 4) und 5) streitgegenständlichen 132 Passagen vorgetragen hat - davon ausgegangen, dass die Beklagte zu 4) im Zuge ihrer dann greifenden sekundären Darlegungslast zu wenig zu Zeitrahmen, Inhalt und Kontext der Zitatstelle vorgetragen bzw. zuletzt nur unzureichenden Ausforschungsbeweis durch Benennung des Beklagten zu 1) als Zeugen angetreten hat. Deswegen war im dortigen Verfahren prozessual von einem Fehlzitat auszugehen und wegen des unzureichenden Beklagtenvortrages stand § 531 Abs. 2 ZPO der Berücksichtigung des Klägervortrages dort dann nicht entgegen. Diese Erkenntnisse sind nach dem zivilprozessualen Beibringungsgrundsatz aber nicht auf das hiesige Verfahren im Verhältnis zur Beklagten zu 3) und den maßgeblichen Sach- und Streitstand bis zu der Verfahrensabtrennung mit Beschluss vom 12.07.2022 - 15 U 314/19 (Bl. 3680 ff. d.A.) zu übertragen. Denn insofern fehlte – wie zu Recht auch vom Landgericht in erster Instanz schon betont – ausreichend konkreter Sachvortrag zu einzelnen Buchpassagen. Mit Blick auf die gerade genannte Passage genügte jedenfalls das – sei es auch knappe - Vorbringen der Beklagten zu 4) auf S. 30/45 der Klageerwiderung (Bl. 729/744 d.A.), welches sich die Beklagte zu 3) als einfache Streitgenossin schon in erster Instanz stillschweigend zu eigen gemacht hat, im Rahmen der sekundären Darlegungslast. Da im hiesigen Verfahren vor der Abtrennung - trotz der klaren Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung - kein weiterer Sachvortrag erfolgt ist und – wie oben beim Beklagten zu 1) ausgeführt – der ganz pauschale Angriff „mit dem breiten Pinsel“ gegen alle Buchinhalte prozessual nicht ausreichen konnte, um generell „Nachweislasten“ - erst recht nicht der Beklagten zu 3) - zu begründen, ist im Verhältnis zur Beklagten zu 3) davon auszugehen, dass auch das vorstehend angeführte Wortlautzitate weder ein Fehlzitat des Erblassers im engeren noch im weiteren Sinne ist.
542((bb))
543Das gerade Gesagte gilt dann – was bereits hier behandelt sei - entsprechend mit Bezug auf das „Weltbürger“-Zitat auf S. 74 des Buches. Erst recht bestehen keine äußerungsrechtlichen Bedenken mit Blick auf die weiteren von der Klägerin im Verhältnis zu den Beklagten zu 4) und 5) ohne Erfolg (Senat a.a.O.) angegriffenen Passagen zu anderen Wortlautzitaten aus Presseberichterstattungen, die ganz oder teilweise nicht bereits in dem rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren zu den 116 Passagen des Buches behandelte Zitate auch im streitgegenständlichen Buch betreffen, also folgende Stellen:
544- Passage (7-IV) aus dem Verfahren 15 U 135/22: „Über Schäuble: »Hat alle Feinde zum Vernichtungsfeldzug geladen.«“ = S. 151 des Buches: „Allerdings dürfe der Hinweis nicht fehlen, »dass er – ob durch Unfähigkeit oder Absicht – in der Spendengeschichte alle Feinde eingeladen hat zu diesem Vernichtungsfeldzug, der ihn dann selbst mitgerissen hat«.“;
545- Passage (8-IV): „Der Altkanzler sprach damals über Parteifreunde, häufig schonungslos, aber auch über den SPIEGEL und dessen Herausgeber Rudolf Augstein: Es sei immer Teil seiner Lebensfreude gewesen, sagte Kohl, »diese Subjekte zu beleidigen«.“ = S. 82 des Buches: „»Es war ein Teil meiner Lebensfreude, diese Subjekte zu beleidigen.«“;
546- Passage (11-IV): „Einmal, am Ende einer langen Wanderung in den bayerischen Alpen, musste Helmut Kohl den schweren Mann huckepack nehmen. Um Strauß’ Kondition war es nicht zum Besten bestellt. Wenn sich der Bayer zusammen mit Helmut Kohl zu einer Wanderung aufmachte, steckte ihm seine Frau Marianne neben einer ordentlichen Brotzeit immer auch ein Bündel Taschentücher in den Rucksack. Strauß schwitzte stark. Irgendwo auf der Tour kam ein Gewitter auf, die Steine wurden glatt, der Weg verengte sich. Am Ende traute Strauß seinen Beinen nicht mehr. »Da habe ich ihn die letzten fünfzig Meter auf dem Buckel durchgeschleppt. Erst später ist mir der Gedanke gekommen, was eigentlich passiert wäre, wenn er mir runtergefallen wäre. Das hätte mir kein Mensch geglaubt. Die hätten alle geschrieben: Der hat ihn runtergeschmissen.«“ = S. 140 des Buches: „Die Klippen steil, der Abgrund nah. »Strauß war nicht mehr gut zu Fuß. Da habe ich ihn die letzten fünfzig Meter auf dem Buckel durchgeschleppt. Erst später ist mir der Gedanke gekommen, was eigentlich passiert wäre, wenn er mir runtergefallen wäre. Das hätte mir kein Mensch geglaubt. Die hätten alle geschrieben: Der hat ihn runtergeschmissen!«“;
547- Passage (13-IV): „»Er war ein origineller Denker. Er war keine Reproduktionsnatur, sondern stand auf eigenen Füßen, mit eigener Statur«, sagte der Altkanzler während einer Interviewsitzung mit X. im Hobbykeller des kohlschen Bungalows in Oggersheim.“ = S. 138 des Buches: „»Er war ein origineller Denker. Er war keine Reproduktionsnatur, sondern stand auf eigenen Füßen, mit eigener Statur.«“;
548- Passage (15-IV): „„Bei X. äußert sich der Kanzler deutlich pragmatischer: Er machte klar, dass wirtschaftliche Schwäche den Ostblock zum Einsturz gebracht hat und es nicht die Chöre der Bürgerbewegung waren. »Es ist ganz falsch, so zu tun, als wäre da plötzlich der Heilige Geist über die Plätze in Leipzig gekommen und hat die Welt verändert«, sagte Kohl. Die Vorstellung, die Revolutionäre im Osten hätten in erster Linie den Zusammenbruch des Regimes erkämpft, sei dem »Volkshochschulhirn von Thierse« entsprungen. Am ehemaligen Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse arbeitete sich Kohl eifrig ab, was auch daran lag, dass dieser ihn in der Spendenaffäre mit besonderer Schärfe kritisiert hatte.““ = Zitat Nr. 90 aus Vorverfahren sowie im Übrigen S. 177 des Buches: „Im Hinblick auf die Stadt, von der die Proteste ihren Ausgang nahmen, spottet Kohl jetzt, da er nicht mehr diplomatisch mit Samtfüßen auftreten muss, dass die gern verbreitete Annahme nun einmal irrig sei, »der Heilige Geist sei über die Plätze in Leipzig gekommen und habe die Welt verändert«.“;
549- Passage (30-IV): „[...] deswegen hatte er auch kein Verständnis für das Nein aus Rom gegen die Pille. »Sie glauben doch nicht im Ernst, dass meine Großmutter 13 Kinder bekommen hätte, wenn sie die Pille gehabt hätte.«“ = S. 191 des Buches: „»Sie glauben doch nicht im Ernst, dass meine Großmutter dreizehn Kinder bekommen hätte, wenn sie die Pille gehabt hätte.«“;
550- Passage (31-IV): „Kohl hat vor allem den SPIEGEL verantwortlich gemacht für diesen Imagewechsel, deshalb traf das Magazin auch bald der Bannstrahl: »Ich gebe dem kein Interview«, sagte Kohl in den Kellergesprächen. »Ich lese den nicht und bin übrigens nicht gegen den SPIEGEL, auch nicht gegen die Müllabfuhr in Bonn. Aber ich bleibe trotzdem nicht über Nacht in der Kläranlage.«“ = S. 95 des Buches: „»Ich rede nicht mit dem RY.. Ich gebe dem kein Interview. Ich lese den nicht. Und bin übrigens nicht gegen den RY., auch nicht gegen die Müllabfuhr in Bonn, aber ich bleibe trotzdem nicht über Nacht in der Kläranlage.«“;
551- Passage (33-IV): „Kohl machte keinen Hehl daraus, welche Freude es ihm bereitete, schlecht über den SPIEGEL zu reden, der so schlecht über ihn schrieb. »Das war ja auch ein Teil meiner Lebensfreude, dass ich diese Subjekte beleidigen konnte«, sagte er, um dann auf SPIEGEL-Herausgeber Rudolf Augstein zu kommen. Dieser »stieg aus dem Nichts zu einer Superfigur in Deutschland hoch, mit einer Macht und einer Gewalt, dass er Karrieren, Menschen vernichten konnte, weil er sehr frühzeitig alle Imponderabilien moderner Machtausübung wie Superarchive und so weiter zur Verfügung hatte.«“ = S. 82 des Buches: „»Es war ein Teil meiner Lebensfreude, diese Subjekte zu beleidigen.«“ + S. 207 des Buches: „»Ein Mann wie Augstein stieg aus dem Nichts zu einer Superfigur in Deutschland hoch, mit einer Macht und einer Gewalt, dass er Karrieren, Menschen vernichten konnte, weil er sehr frühzeitig alle Imponderabilien moderner Machtausübung wie Superarchive usw. zur Verfügung hatte.«“;
552- Passage (34-IV): „»Dieser Artikel hat mir furchtbar geschadet«, sagte Kohl. »Ich stand kurz vor der Wahl als Dorfdepp da. Die Zeit hat das gemacht im Zuge ihres von da an laufenden Vernichtungsprogramms, was sich bis zum heutigen Tag nicht geändert hat.«“ = S. 207 des Buches: „»Dieser Artikel hat mir furchtbar geschadet. Ich stand kurz vor der Wahl als Dorfdepp da. Die Zeit hat das gemacht im Zuge ihres von da an laufenden Vernichtungsprogramms, was sich bis zum heutigen Tag nicht geändert hat.«“;
553- Passage (35-IV): „»Wenn man nackt auf der Liege liegt und sich über irgendeine Geschichte unterhält, ist das doch etwas anderes, als wenn man geschniegelt mit einer großen Entourage im Konferenzsaal hockt.«“ = S. 155 des Buches: „»Wenn man nackt auf der Liege liegt und sich über irgendeine Geschichte unterhält, ist das doch etwas anderes, als wenn man geschniegelt mit einer großen Entourage im Konferenzsaal hockt.«“;
554- Passage (37-IV): „»Die Ruhe kommt erst, wenn ich in der Grube liege«, sagte Kohl. bei einem Gespräch im Oktober 2001. Und später: »Wenn ich vor vier Jahren gestorben wäre, wäre heute ganz klar, dass Hans-Dietrich Genscher die deutsche Einheit gemacht hätte, unterstützt von Weizsäcker und einer ganzen Gruppe.«“ = S. 77 des Buches: „»Die Ruhe kommt erst, wenn ich in der Grube liege«, prophezeit er beim Gespräch am 22. Oktober 2001 und gefällt sich einmal mehr im Spiegelbild des hartnäckig Verkannten. Man will ihm seinen Platz im Olymp einfach nicht gönnen. »Wenn ich vor vier Jahren gestorben wäre, wäre heute ganz klar, dass Hans-Dietrich Genscher die deutsche Einheit gemacht hätte, unterstützt von Weizsäcker und einer ganzen Gruppe.«“;
555- Passage (38-IV): „»Das war natürlich ein ungeheures Ereignis auf dem Parteitag. Insofern kann man durchaus die Meinung vertreten: Der war am Arsch des Propheten und war schon gelyncht oder hatte schon den Strick um den Hals. Und jetzt ist er noch einmal vom Galgen heruntergesprungen«, sagte Kohl.“ = S. 67 des Buches, S. 67: „ (…)Das war natürlich ein ungeheures Ereignis auf dem Parteitag. Insofern kann man durchaus die Meinung vertreten: Der war am Arsch des Propheten und war schon gelyncht oder hatte schon den Strick um den Hals. Und jetzt ist er noch einmal vom Galgen heruntergesprungen.«“;
556- Passage (51-IV) am Ende: „Den Rollstuhl, in dem Schäuble sitzt, seit ihn ein geistig verwirrter Attentäter am 12. Oktober 1990 niederschoss, nannte Kohl »das Wägelchen«.“= S. 146 des Buches: „»Ich war immer der Meinung, dass das Wägelchen kein Hemmnis ist. Mit dieser Ansicht stand ich freilich ziemlich alleine.« Das »Wägelchen«! Immer wieder verwendet Kohl dieses Wort, das Schäubles Dasein im Krankenfahrstuhl beinah schon zartfühlend umschreibt.“;
557- Passage (52-IV): „Zu X. sagte er: »Dass Schäuble mein Nachfolger werden solle, darüber habe ich oft mit ihm gesprochen. Er hat gewusst, wie oft ich ihn leidenschaftlich verteidigt und auch öffentlich gesagt habe, dass er das kann. Diese Meinung ist aus allen Poren gequollen.«“ = (entgegen S. 131 der Replik, Bl. 597 d.A.) S. 148 des Buches: „»Dass Schäuble mein Nachfolger werden solle, darüber habe ich oft mit ihm gesprochen. Er hat gewusst, wie oft ich ihn leidenschaftlich verteidigt und auch öffentlich gesagt habe, dass er das kann. Diese Meinung ist aus allen Poren gequollen.«“;
558- Passage (53-IV): „Im Gespräch mit X. sagte Kohl, die Widerstände gegen Schäuble seien groß gewesen: »Es gab 1996 wirklich gewichtige Stimmen, die sagten, wenn Sie gehen und es gibt eine geheime Abstimmung, dann wird der Schäuble die Stimmen nicht bekommen. Da ich ja auch nicht alle Stimmen hatte in 94, ist es ganz sicher so.« Allerdings fügte Kohl an, dass er dem Argument, Schäuble wäre bei einer geheimen Wahl durchgefallen, damals nicht geglaubt habe. Warum aber hat er dann die Macht nicht an Schäuble übergeben? X. und U. deuten in ihrem Buch an, dass der Kanzler Schäuble nicht zugetraut habe, den Euro durchzusetzen.“ = (ähnlich) S. 148 des Buches "»In der FDP- und CSU-Führung gab es eine starke Meinung, dass Schäuble als Kandidat die Stimmen nicht bekommen würde, wenn ich gehe.« Also ist er geblieben. Aus staatsmännischer Pflichterfüllung. So möchte er es der Nachwelt hinterlassen wissen. Wer anders hätte den Euro durchpauken können! Und »ohne den Euro wären viele der Dinge, die jetzt in Europa laufen, kollabiert«“;
559- Passage (54-IV): „Im Gespräch mit X. allerdings sieht er die Sache deutlich nüchterner. In den Memoiren müsse herausgestellt werden, dass Schäuble, »ob durch Unfähigkeit oder Absicht in der Spendengeschichte alle Feinde eingeladen hat zu diesem Vernichtungsfeldzug, der ihn dann selbst mitgerissen hat«. Kohl überlegte kurz, dann schob er nach: »Doch, das kann man schon machen.«““ = teilweise S. 151 des Buches: „Allerdings dürfe der Hinweis nicht fehlen, »dass er – ob durch Unfähigkeit oder Absicht – in der Spendengeschichte alle Feinde eingeladen hat zu diesem Vernichtungsfeldzug, der ihn dann selbst mitgerissen hat«.“;
560- Passage (56-IV): „Natürlich hat X. auch nach anonymen Geldgebern gefragt. Er werde sein Wissen mit ins Grab nehmen, erwiderte Kohl: »Kein Mensch wird es je erfahren.«“ = S. 31 des Buches: „Ich rede auf ihn ein, dass er, wenn er sich an ein Buch über die Monate seit Bekanntwerden der Affäre mache, dann auch reinen Tisch machen – das bedeutet: die Spender beim Namen nennen – müsse (…) Er aber wich keinen Zentimeter vom Kurs der Selbstzerstörung ab. »Kein Mensch wird es je erfahren.«“;
561- Passage (65-IV): „Er sagte kein beschwichtigendes Wort, stattdessen verstand er sich prächtig mit dem SPD-Ehrenvorsitzenden Brandt. So jedenfalls empfand es Kohl. »Der Genscher hat die ganze Zeit mit dem Brandt rumgscherbelt«, sagte er und warf seinem Minister vor: »Angesichts dieses Pöbels war er sehr distanziert, auch im Bild, und ganz in enger Beziehung zu Brandt. Der Brandt war für den Pöbel die Heiligenfigur natürlich und nicht ich. Und so ist auch das Bild weltweit entstanden: Ich bin ausgepfiffen worden.«" = (teilweise) S. 174 des Buches: „Über den neidischen Groll auf Willy Brandt in den Tagen der Wende (»Brandt war für den Pöbel die Heiligenfigur, nicht ich«) ist gnädig der Mantel des Vergessens gebreitet.“;
562- Passage (74-IV): „In den Gesprächen mit X. allerdings spricht ein Machtpolitiker, der in der Schwäche Moskaus den eigentlichen Grund für den Untergang der Diktatur in Ostberlin erblickt. »Es ist ganz falsch, so zu tun, als wäre da plötzlich der Heilige Geist über die Plätze von Leipzig gekommen und hat die Welt verändert«, sagte Kohl. »Gorbatschow ging über die Bücher und musste erkennen, dass er am Arsch des Propheten war und das Regime nicht halten konnte.«“ = Zitat Nr. 115 aus Vorverfahren und S. 177 des Buches: „Im Hinblick auf die Stadt, von der die Proteste ihren Ausgang nahmen, spottet Kohl jetzt, da er nicht mehr diplomatisch mit Samtfüßen auftreten muss, dass die gern verbreitete Annahme nun einmal irrig sei, »der Heilige Geist sei über die Plätze in Leipzig gekommen und habe die Welt verändert«.“;
563- Passage (76-IV): „„[…] war Kohl außer sich. »Der sagte in seinem Kommentar im ZDF, die CDU-Leute müssten aufgefordert werden, den Mann abzuwählen. Das kam wörtlich im Fernsehen und war absolut unglaublich.« Kohl, so erzählte er es X., habe noch auf dem Parteitag »betrieben, dass er verschwindet«.“ = S. 215 des Buches: „»Der sagte in seinem Kommentar im ZDF, die CDU-Leute müssten aufgefordert werden, den Mann abzuwählen. Das kam wörtlich im Fernsehen und war absolut unglaublich. In der Presselandschaft gab es ein großes Röhren.« Die Rache folgte auf dem Fuß. Noch auf dem berüchtigten Bremer Parteitag wenige Tage später, »habe ich betrieben, dass er verschwindet«.“;
564- Passage (10-V): „In den Interviews äußerte sich Kohl auch zu der Revolution in der DDR. Nach Auffassung des Altkanzlers hat nicht in erster Linie die Bürgerrechtsbewegung zum Zusammenbruch des Regimes in Ost-Berlin beigetragen. »Es ist ganz falsch, so zu tun, als wäre da plötzlich der Heilige Geist über die Plätze in Leipzig gekommen und hat die Welt verändert«, sagte Kohl. Vielmehr sei die Schwäche Moskaus ursächlich gewesen für den Zusammenbruch der kommunistischen Diktatur in der DDR. »Gorbatschow ging über die Bücher und musste erkennen, dass er am Arsch des Propheten war und das Regime nicht halten konnte«, sagte Kohl.“ = Zitat Nr. 115 aus dem Vorverfahren und S. 177 des Buches: „Im Hinblick auf die Stadt, von der die Proteste ihren Ausgang nahmen, spottet Kohl jetzt, da er nicht mehr diplomatisch mit Samtfüßen auftreten muss, dass die gern verbreitete Annahme nun einmal irrig sei, »der Heilige Geist sei über die Plätze in Leipzig gekommen und habe die Welt verändert«.“;
565- Passage (49-V): „Kohl selbst sieht das nüchtern, seine eigene Rolle und auch die der Ostdeutschen. »Es ist ganz falsch, so zu tun, als wäre da plötzlich der Heilige Geist über die Plätze in Leipzig gekommen und hat die Welt verändert«, sagt Kohl. Die Vorstellung, die Revolutionäre im Osten hätten in erster Linie den Zusammenbruch des Regimes erkämpft, sei dem »Volkshochschulhirn von Thierse« entsprungen: »Gorbatschow ging über die Bücher und musste erkennen, dass er am Arsch des Propheten war und das Regime nicht halten konnte. Und wenn er den Kommunismus erhalten wollte, musste er ihn reformieren, so kam ja die Idee mit der Perestroika.«“ = teilweise Zitate Nr. 90 und 115 aus dem Vorverfahren sowie S. 177 des Buches: „Im Hinblick auf die Stadt, von der die Proteste ihren Ausgang nahmen, spottet Kohl jetzt, da er nicht mehr diplomatisch mit Samtfüßen auftreten muss, dass die gern verbreitete Annahme nun einmal irrig sei, »der Heilige Geist sei über die Plätze in Leipzig gekommen und habe die Welt verändert«.“
566Auch insofern ist bis zur Abtrennung (und auch danach) kein ausreichend konkreter Sachvortrag der Klägerin erfolgt, der die Beklagte zu 3) zu weiterem Vorbringen zu den Buchpassagen im Zuge der sekundären Darlegungslast hätte anhalten können. Prozessual kann der Senat daher auch hier keine weiteren Fehlzitate des Erblassers im engeren oder weiteren Sinne feststellen; auch besteht mit dem bereits Gesagten kein Anlass für gerichtliche Vorlageanordnungen und/oder eine Verfahrensaussetzung.
567(c)
568Auch im Folgenden bestehen keine äußerungsrechtlichen Bedenken gegen die streitgegenständlichen Textteile des Kapitels: Zwar mag die Bewertung, der Erblasser habe sich „die Komplexe vom Leib“ geredet und – das indirekte Zitat ist ebenfalls nicht substantiiert angegriffen – gesagt, er wolle mit dem „Zerrbild des Trampeltiers und Idioten“ (S. 24 des Buches) aufräumen, scharf sein, wäre aber selbst unter Lebenden in Ansehung der prozessual als wahr zu behandelnden Zitate des Erblassers beanstandungsfrei. Unstreitig zutreffend ist selbst nach dem Klägervortrag, dass der Erblasser mit seinen Lebenserinnerungen hoffte, „sein ramponiertes Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit grundlegend zu korrigieren“ und der Beklagte zu 1) „ihm dabei helfen“ sollte (beides S. 24 des Buches).
569Die vom Unterlassungsantrag erst wieder erfassten Ausführungen zur Vertragsanbahnungsphase auf S. 28 des Buches sind zwar nach dem sonstigen Parteivortrag in Randfragen umstritten. Sie sind andererseits zu den im Buch geschilderten und auf das Jahr 1999 bezogenen Ereignissen/Abläufen so substanzarm und wertend dargestellt, dass man - das Zitat auf S. 28 des Buches („Bin ich denn wirklich so interessant?“) ist prozessual nicht als Fehlzitat zu behandeln - auch insofern keine postmortalen Abwehransprüche, dies insbesondere unter dem Gesichtspunkt unwahrer Tatsachenbehauptungen, feststellen könnte. Im Kern ist unstreitig, dass der Beklagte zu 1) sich Anfang 1999 mit dem Erblasser getroffen hat und es neben eigenen Buchprojekten des Beklagten zu 1) im Jahresverlauf alsbald um ein eigenes Memoirenprojekt des Erblassers als eine von mehreren hier auch angesprochenen „Offerten“ (S. 28 des Buches) ging. Es ist klägerseits nicht substantiiert bestritten, dass über den mit dem Lektor Herr RJ. vorbekannten Beklagten zu 1), der Anfang 1999 zum Autorengespräch bei dem Zeugen Dr. H. war, jedenfalls faktisch die Verbindung zum JH.-Verlag vermittelt/zustande gekommen ist. Wie vorstehend im Zusammenhang mit dem Bestehen vertraglicher Nebenpflichten ausgeführt, hat die Klägerin auch nicht in Abrede gestellt, dass im Verlauf des Jahres 1999 zumindest zeitweise im Raum gestanden hat, dass der Beklagte zu 1) als wissenschaftlicher Berater des Projekts fungieren sollte und der Erblasser ehemalige eigene Mitarbeiter für Schreibarbeiten als geeigneter angesehen haben mag, was die Klägerin selbst auf die Notizen und Anmerkungen in Anlage K 70, Bl. 4421 ff. d.A. gestützt hat. Dass der Erblasser dabei dem Beklagten zu 1) nicht – wie auf S. 28 des Buches ausgeführt – zeitweise eine Nennung auf dem Buchcover angeboten haben soll, zumal Anfang März 1999 ausweislich der Notizen in Anlage K 70 auch noch - jedenfalls aus Sicht mancher Beteiligter - ein für den Erblasser etwas „freieres“ Buchprojekt mit dem Beklagten zu 1) angedacht gewesen sein kann, hat die Klägerin ebenfalls nicht konkret als unwahr gerügt und ihren Vortrag auch nicht unter Beweis gestellt. Sie hat auch keine weiteren Angaben zu der Genese der Regelung in den schriftlichen Verlagsverträgen gemacht, die zwar später die Nennung des Beklagten zu 1) auf dem Cover ausschließen, aber immerhin eine angemessene Berücksichtigung des Beklagten zu 1) vorsehen, was sich in die Schilderung im Buch durchaus einfügt.
570Auch das Wortlautzitat auf S. 29 des Buches („Das kannst Du später einmal schreiben“) ist als solches von der Klägerin nicht konkret als Fehlzitat angegriffen. Der Senat verkennt nicht, dass in Ansehung des eingangs gewürdigten, mäandernden Beklagtenvortrages (speziell des Beklagten zu 1)) zweifelhaft erscheinen könnte, ob der Erblasser tatsächlich „immer wieder“, also sogar mehrfach, „gesagt“ habe, dass der Beklagte zu 1) etwas „später einmal schreiben“ könne/dürfe, zumal es in Ansehung von Anlage K 54 (USB-Stick Bl. 3544 d.A.) nur eine einzige überhaupt in diese Richtung gehende Äußerung des Erblassers als Bestandteil der Tonaufnahmen zu geben scheint und der Beklagte zu 1) selbst während der Memoirenarbeiten ausdrücklich erklärt hat, gar kein Buch über den Erblasser mehr schreiben zu wollen, was eine entsprechende Äußerung des Erblassers unwahrscheinlicher erscheinen lassen mag. Indes schließt dies andererseits nicht aus, dass der Erblasser dennoch entsprechende Äußerungen - ggf. auch mit Blick auf den eher ein langfristiges Buchprojekt planenden Zeugen Dr. R. - gemacht hat, zumal es nach dem Buchkontext auch um etwaige Äußerungen außerhalb der Tonbandaufnahmen gegangen sein kann (z.B. beim Mittagessen), die man hier in der wertenden Darstellung des Rechtsstandpunkts des Beklagten zu 1) in dem Buch nur als mehrfach erfolgten Fingerzeig wiedergegeben hat wie auch an anderer Stelle (z.B. „Bin ich den wirklich so interessant“ (S. 28 des Buches) zu einem Vorgespräch oder „Wir müssen neu denken“ (S. 31 des Buches) zu einem Telefonat). Mangels konkreten Bezuges des Klägervortrages zu den Buchpassagen hält der Senat die Beklagte zu 3) auch hier nicht allein deswegen für (zumindest) sekundär darlegungsbelastet mit weiterem Sachvortrag, weil die Klägerin auch ansonsten in ihrem allgemeinen umfangreichen Prozessvortrag u.a. die Rechtsverteidigung des Beklagten zu 1) zu angeblichen Veröffentlichungszusagen des Erblassers in Frage gestellt hat. Es führt nach dem Beibringungsgrundsatz schlussendlich auch hier zu weit, nachdem mehrfach auf das Erfordernis substantiierten und passagenbezogenen Sachvortrags – wie er auch das Vorverfahren und zuletzt das abgetrennte Verfahren geprägt hat – hingewiesen worden ist.
571Die weiteren Passagen auf S. 29, 30 f. sind - insbesondere im Tatsächlichen - von der Klägerin ebenfalls inhaltlich nicht konkret angegriffen. Die zudem stark bewertenden Angaben zur Sicht des Erblassers auf die sog. Spendenaffäre und seinen Umgang damit sowie zur Motivation für das (unstreitig fiktive) „Tagebuch“ stehen außer Streit, so dass sich auch damit keine Unterlassungsansprüche, erst recht nicht postmortal, begründen lassen. Soweit im Folgenden die auf S. 31 f. des Buches behandelte Frage nach dem ursprünglichen Ideengeber für das fiktive „Tagebuch“ des Erblassers zwischen den Parteien umstritten ist, geht es dabei nicht um eine § 186 StGB (analog) unterfallende (ehrenrührige) Tatsachenbehauptung. Ausreichender Beweisantritt für die Unrichtigkeit der entsprechenden Angaben im Buch durch die Klägerin fehlt; insofern kommt es auch nicht auf die (gesamten) Tonbanddateien und etwaige Vorlagepflichten des Beklagten zu 1) kraft materiellen Rechts an, weil diese Gespräche zwischen dem Erblasser und dem Beklagten zu 1) ohnehin außerhalb der Tonbandaufnahmen „in der guten Stube“ geführt worden sein sollen. Postmortale Abwehransprüche können daher auch hier nicht begründet werden; im Gegenteil hat der Beklagte zu 1) bei seiner Anhörung die Darstellung im Buch – trotz aller Bedenken an seinen Angaben im Übrigen - durchaus glaubhaft beschrieben (Bl. 4193 d.A.).
572Keine Ansprüche bestehen auch, soweit die Klägerin die – teils stark wertenden – Ausführungen des Beklagten zu 1) auf S. 32 des Buches (etwa „Und ich stand vor der wohl größten Herausforderung meiner Laufbahn als Autor. Binnen kürzester Zeit galt es das Kunststück zu meistern, die Akribie des historischen Wissenschaftlers mit journalistischer Chuzpe zu einen. Das war ein gewagter Spagat. Ich befragte Referenten, Büroleiter, Juristen, vergrub mich im Archiv der Konrad-Adenauer-Stiftung, sichtete Pressemeldungen, um die Lebensereignisse meines Meisters von Tag zu Tag zu rekonstruieren und in Rollenprosa zu bringen, die – dem Sujet geschuldet – gelegentlich ein wenig holzschnittartig ausfallen musste.“) als unwahre Tatsachenbehauptungen angreift. Selbst wenn man - allein dazu hat die Klägerin auf S. 45 des Schriftsatzes vom 10.03.2022, Bl. 3269 f. d.A. Zeugenbeweis durch den damaligen Leiter des Archiv der Konrad-Adenauer-Stiftung angeboten - unterstellt, dass der Beklagte zu 1) sich damals nicht im Archiv „vergraben“ habe, würde eine Unwahrheit in diesem unmaßgeblichen Teilaspekt der beschriebenen Arbeiten nicht den postmortalen Achtungsanspruch des Erblassers verletzen, weil – auch nach den vorgelegten verlagsvertraglichen Unterlagen auch zum „Tagebuch“ – klägerseits jedenfalls nicht ausreichend substantiiert bestritten ist, dass der Beklagte zu 1) umfangreich an der Rohfassung des (fiktiven)„Tagebuchs“ des Erblassers gearbeitet hat und dies auch schon nach den unstreitigen zeitlichen Rahmengegebenheiten unter hohem zeitlichen Druck, was man als „Herausforderung“ bewerten mag. Sofern die Klägerin meint, der Beklagte zu 1) hätte zumindest im Zuge der sog. sekundären Darlegungslast weitere Angaben zu den angeblich von ihm Befragten machen müssen, hat er dies bei seiner Anhörung durch den Senat getan und dabei u.a. Frau AU., Herrn HL. und Herrn Rechtsanwalt Dr. XY.-CG. (Bl. 4193 d.A.) genannt, ohne dass darauf klägerseits reagiert worden wäre; auch insofern war daher keine weitere Aufklärung durch den Senat geboten. Soweit die Klägerin einwendet, der Beklagte zu 1) habe im Wesentlichen nur im „copy&paste“-Verfahren vorbekannte oder von anderen Mitarbeitern gefertigte Texte in das „Tagebuch“ übernommen, wird auf S. 32 des Buches zu der im Tagebuch wiedergegebenen Rede des Erblassers schon nichts anderes ausgeführt; dass und welche weiteren Unterlagen ansonsten betroffen gewesen sein sollen, ist im Kern weder konkret vorgetragen noch geltend gemacht. Es kann auch auf das oben zum Beklagten zu 1) zur Lebensbildverfälschung zu diesen Passagen Gesagte verwiesen werden. Der weitere Vortrag auf S. 32 f. des Schriftsatzes der Klägerin vom 10.03.2022 (Bl. 3256 f. d.A.) bezieht sich nur auf das Kopieren von Passagen im Nachwort auf S. 350 – 352 des „Tagebuchs“; die angedeuteten Weiterungen im Vortrag sind nicht erfolgt. Auch auf S. 31 des Buches ist das „Tagebuch“ – auch nach dem Klägervortrag zutreffend – als „Montage aus Terminkalendernotizen, Interviewpassagen, Reden, Arbeitspapieren, Presseverlautbarungen aus den Jahren 1998 bis 2000, angereichert durch das eine oder andere Statement aus erster Hand“ (S. 31 des Buches) umschrieben worden, so dass eine postmortal unzulässige unwahre Tatsachenbehauptung jedenfalls auch insofern nicht festzustellen ist, wenn der Beklagte zu 1) beim Erstellen der Textfassung eben andere Texte nur „eingepflegt“ hat. Soweit die Klägerin ansonsten meint, ausweislich der Tonbandaufnahmen aus dem Jahr 2000 sei es tatsächlich so gewesen, dass der Erblasser das „Tagebuch“ entgegen dem Beklagtenvorbringen mehr oder weniger kalendermäßig „abdiktiert“ habe, ist dieses Vorbringen zum einen unsubstantiiert geblieben. Zum andern sind Zeugen auf S. 41 des Schriftsatzes vom 10.03.2022 (Bl. 3265 d.A.) zwar angedeutet, aber bis zuletzt nicht benannt worden. Auch wenn man unterstellt, dass der Erblasser jedenfalls Passagen des Tagebuchs „abdiktiert“ hat, lässt sich dem Klägervorbringen auch nicht entnehmen, dass das Tagebuch ausschließlich oder ganz überwiegend aus vom Erblasser diktierten Passagen besteht, die wesentlich auf von ihm selbst beschafften Unterlagen ohne jedes Zutun des Beklagten zu 1) beruhen. Soweit auf S. 45 dieses Schriftsatzes (Bl. 3269 d.A.) Beweis durch die beim Beklagten zu 1) vorhandenen Bänder angeboten wird, fehlt zum einen substantiiertes Vorbringen zu den offenbar aus den klägerischen Bändern bereits zu ziehenden Erkenntnissen (zumal die Klägerin selbst unstreitig bei den Gesprächen nicht dabei war), so dass das Vorbringen – ungeachtet der sonstigen (streitigen) Qualität der Originaltonbänder – auch hier unzureichend ist. Letztlich kann dies aber dahinstehen, da selbst bei einem unterstellten „Abdiktieren“ von Tagebuchinhalten durch den Erblasser mit genauen Anweisungen im Jahr 2000 die Ausführungen des Beklagten zu 1) auf S. 32 des Buches keine Lebensbildverfälschung begründen: Auf S. 31 des Buches ist – wie gerade ausgeführt – schon von eingesammelten „Statement(s) aus erster Hand“ die Rede und auch auf S. 37 des Buches wird die dominierende Rolle (auch) des Erblassers bei der finalen Textfassung nicht in Frage gestellt. Auf S. 33 des Buches wird ebenfalls dem Klägervortrag entsprechend ausgeführt, dass das „gewagte… Konstrukt“ eben „natürlich nicht zuletzt auf einer Reihe von eingesammelten und in den Text direkt eingebauten Selbstaussagen“ basiert habe. Im Einklang damit heißt es auf S. 36 des Buches ausdrücklich: „Kohl aber diktiert mir unter dem Datum des 16. Dezember 1999 in sein Tagebuch:“ ; auch auf S. 35 wird von einer Formulierung des Erblassers für die „Tagebuch-Gemeinde“ gesprochen.
573Die von der Klägerin in den Anmerkungen in Anlage K 33 gerügten marginalen Textabweichungen gegenüber dem „Tagebuch“ auf S. 32 ff. des Buches begründen entsprechend dem schon mit Blick auf den Beklagten zu 1) und §§ 241 Abs. 2, 242 BGB Gesagten keine postmortalen Abwehransprüche. Dass ansonsten die tatsächlichen Angaben zu einer Erwähnung der „Begegnung mit der Chruschtschow-Tochter“ auf S. 32 f. des Buches bei den Arbeiten unwahr sein sollen (und nur keinen Einzug in die Schriftfassung des „Tagebuchs“ gefunden haben), ist wiederum nicht substantiiert geltend gemacht. Dies gilt auch für das vermeintliche „Anerkenntnis“ des Erblassers zu dem angeblich vom Beklagten zu 1) gefundenen „Duktus“ auf S. 33 des Buches.
574Die vom Beklagten zu 1) vorgenommene kritische Würdigung des „Tagebuchs“ und vermeintlich daraus ableitbarer „Muster“ im Umgang des Erblassers mit der sog. Spendenaffäre auf S. 33 f. des Buches sind mit Blick auf dessen postmortalen Achtungsanspruch beanstandungsfrei. Dass hier falsche Tatsachen (etwa betreffend Rita Süssmuth) verbreitet worden sein sollen, wird schon nicht substantiiert geltend gemacht. Auf Basis der nach dem Vorverfahren als zutreffend zu behandelnden und hier prozessual als wahr zu unterstellenden direkten und mittelbaren Zitate des Erblassers darf man all dies äußerungsrechtlich (jedenfalls postmortal) auch mit „Einmal mehr: Er hat sich alles gemerkt“ (S. 34 des Buches) kommentieren oder auch als vermeintliches Gefühl einer „Einkesselung“ und des „Betrugs“ um den „Lohn fürs Lebenswerk“ (S. 34 des Buches), mag die Klägerin diese bewertende Einkleidung auch als zu undifferenziert empfinden. Das zuletzt Gesagte gilt entsprechend für die Bewertung zu den potentiellen eigenen Mitverantwortungsanteilen des Erblassers an seiner „Isolation“ und zu den Verwerfungen im Verhältnisses zu Wolfgang Schäuble auf S. 35 f. des Buches. Tatsächliche Unwahrheiten werden auch hier nicht konkret gerügt. Zu der äußerungsrechtlich unbedenklichen Bewertung des „Nicht-Mehr-Zeigens“ in der Fraktion auf S. 35 f. des Buches und den ebenfalls prozessual als wahr zu behandelnden Angaben auf S. 36 des Buches kann auf das zum Beklagten zu 1) zu §§ 241 Abs. 2, 242 BGB Gesagte verwiesen werden; der allein unzulässige Passus zu den Bucherlösen auf S. 36 ist oben bereits behandelt.
575Die weiteren eigenen kritischen Einkleidungen und Bewertungen des Beklagten zu 1) auf S. 35/36 des Buches („Auch jetzt, da er tief in der Tinte sitzt, kann er vom Glauben an die eigene Bedeutsamkeit nicht lassen. Er führt sich auf wie ein Feudalherr in notgedrungen aufgeklärten Zeiten.“ (S. 35 des Buches), „Die öffentlich-rechtliche Anstalt als Erfüllungsgehilfe eines strauchelnden Ex-Regenten, der, weil er eine Botschaft an sein Fußvolk richten möchte, ein letztes Mal die Strippen zieht: … Der Sender steht stramm und ändert das Programm. Kohl, einst Mitglied des ZDF-Verwaltungsrats, ist es nicht anders gewohnt.“ (S. 36 des Buches); „Heute frage ich mich manchmal: Warum hast du da nur mitgemacht bei einer Unternehmung, die, nüchtern betrachtet, der Beschönigung einer Straftat, des bewussten, ja vorsätzlichen Verstoßes gegen das Parteiengesetz diente?“ (S. 36 des Buches)) und die Angaben zur eigenen Motivation des Beklagten zu 1) auf S. 36/37 des Buches („…ich war neugierig auf den großen Zampano, über den, mehr noch: mit dem ich nun schon seit Jahren gearbeitet hatte. Ich hoffte, dem System K., wie ich es in meinen Notizen nenne, diesem virtuos trickreichen Spiel mit der Macht endlich auf den Grund zu kommen.“ (S. 35 des Buches); Kurzum, ich empfand das Bedürfnis, den unsanft aus der Macht Gefallenen beim Abfassen seiner Verteidigungsrede in einem öffentlich nicht immer fair geführten Prozess zu unterstützen. Dass ich dabei in die Rolle des Angeklagten schlüpfen und einseitig Partei ergreifen musste, war mir bewusst.“ (S. 36 des Buches) begründen keine postmortale Persönlichkeitsrechtsverletzung, zumal die vermittelten Tatsachen zum Sender unstreitig geblieben sind.
576Zu den weiteren Passagen auf S. 37 f. des Buches fehlen ausreichend konkrete Sachangriffe der Klägerin, insbesondere mit Blick auf etwaige unwahre Tatsachenbehauptungen zur Mitwirkung der ersten Ehefrau des Erblassers an der Schriftfassung des „Tagebuchs“. Aus welchem Grunde die offene Mitteilung, der Leser habe Einblicke durch das „Tagebuch“ erhalten („das habe ich, das haben die Leser des Tagebuchs eben doch erfahren.“ (S. 37 des Buches)) eine postmortale Persönlichkeitsrechtsverletzung sein soll, erschließt sich dem Senat nicht, zumal Ziel der Publikation aus Sicht des Erblassers gerade war, seine Sicht nach außen kundzutun. Der Beklagte zu 1) hat zudem bei seiner Anhörung auch die Beteiligung der Eheleute Kohl an dem Ringen um die Schlussfassung des „Tagebuchs“ – trotz aller Bedenken an seinen Bekundungen im Übrigen – durchaus glaubhaft geschildert (Bl. 4194 d.A.). Sofern der Beklagte zu 1) auf S. 37 des Buches aus der Schlussredaktion wertend berichtet, dass der „schlachterprobte Dinosaurier … die eine oder andere Passage… gern noch ein wenig zugespitzt“, aber seine erste Ehefrau sich hier als „Stimme der Vernunft“ mit „ehelichen Dauerappelle(n) zur Abschwächung“ in langen Sitzungen durchgesetzt habe, ist auch dies im Tatsächlichen – zumal es ohnehin nicht um Tonbandinhalte, sondern um die außerhalb von diesen durchgeführte Schlussredaktion geht - nicht substantiiert angegriffen und prozessual als wahr zu unterstellen. Folglich kann auch hier keine Lebensbildverfälschung durch Zeichnen eines „Zerrbilds“ des Erblassers mit Blick auf die Arbeiten an dem unstreitig seiner öffentlichen Verteidigung dienenden „Tagebuch“ festgestellt werden.
577Soweit die Klägerin zur Passage „Gearbeitet wurde in Oggersheim, dann aber auch in St. Gilgen.“ (S. 38 des Buches) zeitliche Ungenauigkeiten (auch bei dem sonstigen Prozessvortrag) zu den genauen Zeiten/Orten rügt, sind etwaige Falschangaben - die trotz angeblich auf eigenen Tonbändern hörbarer Angaben nicht unter Beweis gestellt sind (S. 40 des Schriftsatzes vom 10.03.2022, Bl. 3264 d.A.) - wertneutral. Von einer Finalisierung im Urlaub spricht man a.a.O. im Übrigen auch so nicht. Dass tatsächlich im Urlaub des Erblassers an dem Buch gearbeitet worden ist, bestreitet die Klägerin nicht.
578Die kritische Bewertung zum eigenen Umgang des Erblassers mit der sog. Spendenaffäre und der von ihm seinerzeit unstreitig organisierten Spendensammlung bzw. der eigenen Ausgleichszahlung hat der Erblasser – erst recht postmortal – hinzunehmen. Gleiches gilt für die Bewertung, dass das „Tagebuch“ ein eher „feudalistisches Verständnis unseres Rechtsstaats“ (S. 38 des Buches) erkennen lasse. Auch gegen die nachfolgenden Passagen auf S. 38 – 42 Mitte des Buches ist äußerungsrechtlich (erst recht postmortal) mit Ausnahme des oben zur „Zeche“ (S. 42 des Buches) Gesagten nichts zu beanstanden, insbesondere fehlt ausreichend substantiierter Sachvortrag zu unwahren Tatsachenbehauptungen hinsichtlich der wiedergegebenen Inhalte und äußeren Umstände der Memoirenarbeit, der die Beklagte zu 3) zumindest im Wege der sekundären Darlegungslast zu weiterem Sachvortrag hätte anhalten können. Dass der Erblasser „Freude an seinem Tagebuch“ (S. 39 des Buches) hatte und sodann mit den Memoiren weitermachen wollte, ist unstreitig, entspricht dem tatsächlichen Geschehensablauf und begründet keine postmortalen Abwehransprüche gegen die Beklagte zu 3).
579Die Passage u.a. zum Zeugen Dr. R. auf S. 40 des Buches ist keine zu postmortalen Abwehransprüchen des Erblassers führende Behauptung unwahrer Tatsachen und/oder eine unzulässige Wertung auf falscher Tatsachengrundlage. Zwar hat der Beklagte zu 1) – wie in der Beweiswürdigung ausgeführt – die Rolle des Zeugen bei den Memoirenarbeiten zu eigenen Gunsten verzerrt dargestellt, doch ist aufbauend auf die unstreitige Tatsache, dass der Zeuge Dr. R. tatsächlich nur einen Teil von Band 1 der Memoiren des Erblassers vorverfasst hat (und statt der anfangs bis 1978 geplanten Zeitspanne nur die Zeit bis 1960 abgedeckt hat) die Umschreibung und Bewertung äußerungsrechtlich hinzunehmen und begründet jedenfalls keine Verletzung des postmortalen Achtungsanspruchs des Erblassers.
580Auch die Passagen auf S. 42 f. führen nicht zu postmortalen Unterlassungsansprüchen gegen die Beklagte zu 3). Das Zitat Nr. 7 ist im Vorverfahren unbeanstandet geblieben (Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, Anlage K 17a, AO II = BeckRS 2018, 10541 Rn. 235); damit ist auch seine Einkleidung als „Eskapaden“ (S. 42 des Buches) des Benannten beanstandungsfrei, zumal weiterer Sachvortrag der Klägerin fehlt. Soweit auf S. 42 des Buches der Beklagte zu 1) wertend – das Zitat ist erneut nicht substantiiert bestritten und prozessual als wahr zu unterstellen - seine Rolle so beschreibt, dass seine „nicht eben einfache Aufgabe … vor allem darin (bestanden habe), das Gespräch zu strukturieren, den wildwuchernden Mitteilungsdrang meines krisengeschüttelten Gesprächspartners in auch nur halbwegs geordnete Bahnen zu lenken. Denn vorbereitet auf die Gespräche hat er sich eigentlich nie. Er gewährte Audienzen und war ansonsten meist recht faul. »Über was reden wir denn heut?«, lautete seine Standarderöffnung. Umso mehr musste ich mich präparieren, Quellenmaterial sichten, die Erinnerungen von prominenten Weggefährten studieren. Referenten und Berater von einst waren um Expertisen zu bitten. Mir oblag es ja auch, die Erinnerungen zu verifizieren. Gewiss, wenn es um Personen ging, schien sein Gedächtnis geradezu elefantös. (…) Mit der Chronologie aber, dem Curriculum Vitae, tat er, der bekennende Generalist, sich sichtlich schwer. Da taumelte er durch die Zeitläufe.“ (S. 42 des Buches mit anschließenden – wiederum nicht substantiiert angegriffenen Zitaten als Beispielen), liegt auch darin mit dem oben beim Beklagten zu 1) Ausgeführten im Ergebnis keine unwahre Tatsachenbehauptung zu den Arbeitsabläufen als grobe Lebensbildverfälschung des Erblassers. Vielmehr geht es aus Rezipientensicht erkennbar um eine subjektive Bewertung des Zusammenwirkens durch den Beklagten zu 1), die in den Gesprächsinhalten – insbesondere unter Berücksichtigung des als repräsentativ vorgelegten Zusammenschnitt in Anlage K 54 und den glaubhaften Bekundungen des Zeugen Dr. R. zu den bisweilen ausufernden Gesprächsinhalten – eine ausreichende tatsächliche Bewertungsgrundlage findet. Dass der Beklagte zu 1) jedenfalls auch Unterlagen ausgewertet hat – mit welcher Qualität auch immer – stellt auch die Klägerin nicht in Frage; auch der Zeuge Dr. R. hat tagelange Aktenarbeiten der Beteiligten glaubhaft beschrieben.
581Gegen die weitere Beschreibung der Memoirengespräche nach dem Tod der ersten Ehefrau des Erblassers auf S. 43 – 46 bestehen bis auf die oben behandelte Stelle zu deren Abschiedsbrief ebenfalls keine postmortalen Abwehransprüche. Insbesondere fehlt es an ausreichend substantiiertem Sachvortrag zu konkreten Falschbehauptungen oder Fehlzitaten. Auch gegen die auf Basis dieser Tatsachen erfolgten Bewertungen durch den Beklagten zu 1) bestehen – erst recht postmortal – keine äußerungsrechtlichen Bedenken. Die Bewertung auf S. 46 des Buches zum „alte(n) Menschenfänger“ ist eine auf Basis des langen politischen Lebens des Erblassers – jedenfalls postmortal – zulässige Wertung und Beschreibung der Gefühlswelt des Erblassers aus Sicht des Beklagten zu 1). („Wer ihm dienlich ist, darf an der Macht schnuppern, sich als Teil einer großen Mission, als kleines Rädchen im weltweit verzahnten System Kohl begreifen. Aber Gnade dem, der aus seiner Gunst fällt! Auch mir schien, um das Projekt der Memoiren nicht zu gefährden, eine gewisse Vorsicht geboten. Sosehr es mich im Nachhinein schmerzt: Ich habe mir bei unseren Interviews manche kritische Nachfrage verkniffen.“ (S. 46 des Buches)). Substantiierte Angriffe zu unwahren Behauptungen etc. fehlen auch mit Blick auf die auf S. 46 des Buches vorhandenen Passagen zu den weiteren Inhalten der Memoirengespräche vom 02.04.2001 und zu den weiteren Buchpassagen auf S. 46 – 50, wobei auf das oben zu §§ 241 Abs. 2, 242 BGB beim Beklagten zu 1) Gesagte verwiesen werden kann. Dass der Erblasser im Übrigen etwa ausweislich der vom Beklagten zu 1) unstreitig eingesehenen Telefonmitschriften mit den genannten Personen gesprochen hat, steht ohnehin außer Streit (vgl. im Übrigen zu Passage Nr. 8 des Vorverfahrens Senat, a.a.O., Rn. 148). Auch gegen die nur bewertenden Umschreibungen des Beklagten zu 1) und Angaben zu seiner eigenen Gefühlswelt wie beispielsweise auf S. 47 des Buches „Als Ghostwriter kannst du kein Fass aufmachen. Ich habe mich angepasst, die mir ureigene Tugend des Neinsagens aufgegeben. Längst hatte das System K. auch von mir Besitz ergriffen. Ich dachte und fühlte fast schon wie Kohl. Ich lebte in zwei Welten. Eines Nachts träumte ich, er gehe mit Maggie Thatcher ins Bett, um die Eiserne Lady für die Wiedervereinigung zu gewinnen. Die Identitäten verschwammen bedenklich.“ sind keine postmortalen Abwehransprüche des Erblassers zu konstruieren.
582Substantiiertes Bestreiten zu den Angaben zur Art und Weise der Korrekturarbeiten auf S. 49 fehlt; auch insofern ist prozessual von wahren Tatsachen auszugehen. Die weiteren Passagen auf S. 50 – 52 des Buches sind inhaltlich nicht substantiiert in Zweifel gezogen, insbesondere nicht wegen etwaiger unwahrer Tatsachenbehauptungen. Soweit die Klägerin bei der Anhörung angedeutet hat, nicht nur einmal bei Gesprächen anwesend gewesen zu zu sein (Bl. 4057 d.A.), führt das schon mangels konkreten Sachangriffs nicht zu Unwahrheiten etwa auf S. 52 des Buches, zumal a.a.O. die Anwesenheit der Klägerin bei den Mittagessen, bei denen unstreitig auch oft über Inhalte der Memoirenarbeit gesprochen worden ist, ohnehin gar nicht in Frage gestellt wird. Dass und warum welche andere Tatsachenbehauptungen falsch sein sollen, wird auch hier nicht substantiiert geltend gemacht.
583Zu den vom vertraglichen Verbot ausgenommenen Passagen S. 53 – 58 kann auf das oben beim Beklagten zu 1) zu §§ 241 Abs. 2, 242 BGB Gesagte verwiesen werden. Die vom Verbot erfassten Passagen auf S. 53, 54 f., 54/55 und 58 sind inhaltlich wiederum klägerseits nicht substantiiert angegriffen und im Tatsächlichen prozessual als wahr zu behandeln. Dass es jedenfalls auch als „Temperamentausbrüche“ des Erblassers zu bezeichnende Gesprächsinhalte gegeben hat, ist mit dem oben beim Beklagten zu 1) zur Lebenbildverfälschung Gesagten äußerungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Postmortale Unterlassungsansprüche gegen die Beklagte zu 3) sind nicht mit Blick auf die vom Klagebegehren erfassten Passagen in dem Kapitel ab S. 59 ff. des Buches gegeben: Die im Vorverfahren behandelten Passagen Nr. 9 (S. 61 des Buches) und Nr. 10 (S. 63 des Buches) sind keine Fehlzitate (vgl. Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, Anlage K 17a, AO II = BeckRS 2018, 10541 Rn. 236 und 238 und die daran anschließende Klageabweisung durch BGH v. 29.11.2021 – VI ZR 248/18, GRUR-RS 2021, 39313); dem folgend ist die Einkleidung dieser Zitate im Buch postmortal bedenkenfrei, zumal unwahre Tatsachenmitteilungen etc. dabei nicht vorgetragen und/oder ersichtlich sind. Bezüglich der Passage Nr. 11 des Vorverfahrens („Das ist Hass bis aufs Lebensende.“, S. 64 des Buches) ist zwar (mit Senat a.a.O., Rn. 239; BGH a.a.O., Rn. 33) von einem unzulässigen Fehlzitat auszugehen. Die ohne weiteres isoliert aussagekräftige Passage steht jedoch selbständig neben dem – das Wortlautzitat dort ist nicht konkret angegriffen – Satzteil „Zornig hat er sich dann vom »guten Eberhard« abgewandt“ (S. 64 des Buches) und der - dann zulässigen - kritischen Würdigung direkt im Anschluss. Auch zu sonstigen unwahren tatsächlichen Angaben und/oder Zitaten im fraglichen Kapitel fehlt Vorbringen, um zumindest im Zuge der sekundären Darlegungslast die Beklagte zu 3) zu weiterem Sachvortrag anzuhalten. Das gilt auch zu dem Umfeld des Zitats in Passage Nr. 9 aus dem Vorverfahren auf S. 61 f. des Buches. Dass die sich daran anschließende Textstelle („… Hanns Martin Schleyer, Vorstandsmitglied des düpierten Konzerns, schaltete sich damals ein, »erschien ganz aufgeregt in der Staatskanzlei und sagte, das könne ich doch nicht machen. Er fühle sich von mir persönlich beleidigt. Ich sagte ihm, dass ich meinen Brief nicht zurücknehmen werde. Wenn er mehr geben würde, sei die Sache in Ordnung. Dann gaben sie 100 000 D-Mark.« Für Kohl ist das nur recht und billig. »Die hatten ja nicht zuletzt mit unserer und meiner Unterstützung den großen Lastwagenbetrieb in Wörth gebaut. Das Land hatte viel für sie gemacht.«“) auf einer korrekten Wiedergabe des vom Erblasser Gesagten basiert, mag man in Ansehung der– allerdings abrupt abbrechenden – Datei Nr. 9 (OC-B5) aus dem Vorverfahren auf S. 53 f. der Replik (Bl. 520 f. d.A.) zwar in Zweifel ziehen, weil der Erblasser danach – nach dem unstreitigen Vortrag humorvoll – nur ausgeführt hat:
585„Ja. Ich glaube, bei der Wahl hatte ich Daimler-Benz angeschrieben wegen einer Spende. Kann sogar sein, dass das da irgendwo drinsteckt, müsste eigentlich. Und ... und dann hat mir der, ich glaube, es war der Zahn geantwortet, weil die ja auch hier viel in Rheinland-Pfalz (??) das große Werk Wörth hatten und, also, sie waren schon (an) Rheinland-Pfalz interessiert. Und dann hat der, ich glaube 50.000 Mark - es kann auch sein 100.000, aber ich glaube es nicht, ich vermute 50.000 - haben sie dann also einen Scheck geschickt. Und daraufhin habe ich mich, war ich wütend, habe ich dem Zahn den Scheck wieder zurückgeschickt mit einem, mit einem Be... Ausdruck des Bedauerns, dass offensichtlich das Unternehmen jetzt Probleme hat und dass sie sich da also nicht so schädigen können und so, das ist/also(?) blanker Hohn. Und dann kam in kurzer Zeit das Vorstandsmitglied Hanns Martin Schleyer angerauscht persönlich, brachte den Scheck wieder mit und war auch ganz außer sich: »Helmut das kannst Du doch so nicht machen« und so. Und dann habe ich gesagt: »Nein, Ihr habt, beim Filbinger habt Ihr eine Viertelmillion gegeben...« So, glaube ich, war es. Also die Relation war schon sehr stark, und (?) dabei hat sich ja so etwas meistens herumge-sprochen, was da in ungefähr gegeben wurde. Und das Grundprinzip bei der ganzen Sache, war immer Beschiss."
586Diese Thematik ist mangels konkreter, auf die Buchpassagen auf S. 61 f. bezogener Rügen aus prozessualen Gründen aber ebenfalls nicht weiter zu überprüfen, zumal wegen der abrupt abbrechenden Wiedergabe und der auch sonst im Buch oft genutzten Möglichkeit zur Kombination von Zitaten – die nach den Erkenntnissen des Vorverfahrens jedenfalls postmortal nicht per se zu beanstanden ist – nicht auszuschließen ist, dass es noch andere Ausführungen des Erblassers zu diesem Thema gegeben hat. Daher war die Beklagte zu 3) auch an dieser Stelle nicht im Wege der sekundären Darlegungslast noch zu weiterem Sachvortrag angehalten. Etwas anderes ergab sich auch nicht aus dem sonstigen Parteivorbringen zu den die Beklagten zu 4) und 5) betreffenden Passagen (46-IV) und (47-V), in denen es auch gerade nicht um das Wortlautzitat, sondern nur um die inhaltliche Wiedergabe des (sachlich ohnehin bis zuletzt unbestrittenen) Gesamtgeschehens rund um diese „Spendengeschichte“ aus den 70er Jahren ging (vgl. Senat v. 22.06.2023 – 15 U 135/22, n.v. zu Passagen (46-IV) und (47-V)).
587Eine Lebensbildverfälschung des Erblassers ergibt sich auch nicht etwa daraus, dass man mit den auf S. 61 f. behandelten Geschichten – so die Klägerin - das Narrativ des über die sog. Spendenaffäre gestürzten Erblassers als dubiosen, käuflichen oder jedenfalls selbstherrlich mit Parteispenden verfahrenden Machtpolitikers unter genereller Dämonisierung von Parteispenden zu begründen versuche (vgl. auch Senat a.a.O. zu den zugespitzteren Presseberichterstattungen). Wer angebliche Millionenspenden von anonym bleiben wollenden Spendern annimmt und diesen Vorgang damit quasi selbst zum Bestandteil seines politischen Lebenswerkes macht, muss sich eine - hier erfolgende - kritische Auseinandersetzung sowohl damit und als auch mit aus Sicht eines Bewertenden dazu möglicherweise thematisch „passenden“ früheren – sei es auch zeitlich lange zurückliegenden – Versuchen des Spendeneintreibens sogar unter Lebenden gefallen lassen; dies gilt erst recht postmortal. Auch eine Verfälschung des Stimmungsbildes des Erblassers ist in diesem Zusammenhang nicht erfolgt. Es wird im Gegenteil gerade betont, dass der Erblasser die Geschichte ganz unaufgeregt erzählt habe, als sei sie (jedenfalls damals) „das Normalste der Welt“ gewesen (S. 61 des Buches). Dass das für den Erblasser so war, stellt auch die Klägerin nicht in Abrede.
588Auch zu den weiteren tatsächlichen Inhalten und Zitaten in dem Kapitel fehlt ausreichend substantiierter Klägervortrag; das ist zu dem „Németh“-Zitat auf S. 67 des Buches umso erstaunlicher, weil hierzu die Beklagten zu 4) und 5) auf S. 35/53 des Schriftsatzes vom 20.12.2018 (Bl. 734/752 d.A.) - vor der Abtrennung des Verfahrens - zu ähnlichen Inhalten ihrer Presseberichterstattung durchaus bereits Belegstellen vorgetragen haben, mit denen sich die Klägerin bezogen auf das Buch nicht auseinandergesetzt hat; es kann auf das oben zu der Passage (38-IV) des abgetrennten Verfahren Gesagte verwiesen werden. Selbst wenn man - unter Missachtung der dies eigentlich ausschließenden Grundsätze des äquipollenten Parteivortrags - von einem stillschweigenden Zu-Eigen-Machen durch die Klägerin ausgehen wollte, sind die dann allenfalls feststellbaren marginalen Wortlautabweichungen postmortal unerheblich und es liegt auch keine Kontext- oder Stimmungsbildverfälschung vor (siehe auch Senat v. 22.06.2023 – 15 U 135/22, n.v. zu Passage (38-IV)).
589Die Offenlegung des damaligen akuten Prostataleidens des Erblassers (S. 66 des Buches) ist im Zusammenhang mit der Schilderung des „Schicksalskonvents“ und dessen persönlicher Anspannung jedenfalls postmortal ebenso beanstandungsfrei wie die kritische Auseinandersetzung mit den vom Erblasser für die Partei eingesetzten Arbeitskraftanteilen (S. 65 des Buches) und die anderen kritischen Bewertungen im Kapitel. Auch die Passage auf S. 65 des Buches mit der Bewertung der Tonbandinhalte als „paradigmatisches Dokument“, weil der Erblasser „das ausgemusterte Alphatier, … keine Kreide mehr fressen (brauch), … nicht länger Wähler mit kaum haltbaren Versprechen verlocken (müsse und) … nun rücksichtslos sein (dürfe), im edelsten Sinn…“, ist auf Basis der ausgewerteten Äußerungen postmortal hinzunehmen, weil mit dem oben zur Lebensbildverfälschung Gesagten klar ist, dass es nur um die Bewertung der von den Autoren subjektiv gemachten Auswahl bewusst kurz zitierter Stellen aus den umfangreichen Tondokumenten geht, nicht um ein generelles „Zerrbild“ des Erblassers. Nichts anderes gilt für den letzten Absatz auf S. 68 des Buches. Dass es nach den Feststellungen im Vorverfahren auch Fehlzitate im Buch geben mag, macht die offene Bewertung „In diesem persönlichen Findebuch der Zeitgeschichte kommt Helmut Kohl in direkter Rede zu Wort“ nicht als solches unzulässig.
Auch zu den angegriffenen Passagen ab S. 69 ff. des Buches fehlt ausreichendes Vorbringen zur Feststellung einer postmortalen Persönlichkeitsrechtsverletzung. Im Zusammenhang mit dem im Vorverfahren unbeanstandet gebliebenen Zitat in Passage Nr. 12 (dazu BGH v. 29.11.2021 – VI ZR 248/18, GRUR-RS 2021, 39313 Rn. 91) entspricht die Einkleidung im Buch (Platzierung bei Staatsempfängen am sog. Katzentisch) dem tatsächlich Gesagten (BGH, a.a.O.; Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, Anlage K 17a, AO II = BeckRS 2018, 10541 Rn. 241) und ist äußerungsrechtlich bedenkenfrei. Auch im Zusammenhang mit den im Vorverfahren ebenfalls unbeanstandet gebliebenen Zitaten in den Passagen Nr. 13 und 14 (dazu Senat v. 22.06.2023 – 15 U 65/17, n.v.) ist die nach den dortigen, hier in Bezug zu nehmenden Feststellungen im Kontext passende Einkleidung „Die Sozialdemokraten, meint er, haben es besser. Sie regieren nun an der Seite der Grünen und werden von der öffentlichen Meinung, von den verhassten Blättern aus Hamburg, in Watte gepackt: DT. HO., der – so Kohl – in der Frage der Wiedervereinigung allzu zögerlich war, und erst recht der amtierende Bundespräsident Johannes Rau, dem in der West-LB-Affäre tatsächlich viel Nachsicht zuteilwurde. Kohl findet das rundum ungerecht: »Gegen die jetzige Mafia, die an der Macht ist, ist nie demonstriert worden.« (Zitat Nr. 13) Er redet sich in Rage, beginnt, entgegen seiner sonstigen Gepflogenheit, sogar am rechten Rand zu fischen. Hätten nicht wenigstens die Ultras Klartext reden können? Aber »niemand von den Rechtsradikalen hat wirklich deutlich gemacht, dass der HO. ein Verräter ist – und die ganze Mischpoke in der Frage der deutschen Einheit. Wenn Namen auftauchen, bin ich es immer.«(Zitat Nr. 14)“ (S. 73 des Buches) nicht unzulässig; dazu fehlt im Übrigen auch konkreter Sachvortrag. Die Passagen umschreiben – wie vom Senat a.a.O. bereits ausgeführt – aus Sicht des durchschnittlichen Lesers des Buches nur kontextgerecht und erkennbar wertend, dass der Erblasser sich im Vergleich mit Politikern der SPD nach seinen damaligen Ausführungen ersichtlich schlecht behandelt gefühlt habe, weil gegen diese „nichts gemacht“ und „nicht demonstriert“ worden war, sondern nur gegen ihn; dies entspricht dem Kontext, in welchem der Erblasser die Äußerungen – verbunden mit einem Seufzer – auch tatsächlich gemacht hat. Die im Kontext auf S. 72 des Buches geschilderte Bitte um „Mitleid“ (S. 72 des Buches) ist aus Sicht des durchschnittlichen Rezipienten erkennbar („so scheint es“) ebenfalls nur eine eigene Wertung der Autoren, so dass für den Leser nicht der Eindruck entsteht, der Erblasser selbst habe in den Memoirengesprächen um rücksichtsvolles Verhalten gebeten oder aktiv Mitleid eingefordert. Im Übrigen kommt im Kontext der betreffenden Stellen keine von der Klägerin als unrichtig bemängelte (generell) larmoyante Opferhaltung des Erblassers bei den Memoirengesprächen zum Ausdruck und/oder sein angeblich fehlendes Interesse an Sachfragen. Man hat mit dem betreffenden Kapitel – für den Leser erkennbar – nur einen bestimmten Aspekt aus dem politischen Leben des Erblassers aufgegriffen und die Darstellung dieses Teilaspektes mit - aus Sicht der Autoren passenden - Zitaten aus den Memoirengesprächen belegt, ohne dass dabei aus Sicht eines verständigen Lesers der Eindruck entstehen würde, die Memoirengespräche zwischen dem Erblasser und dem Beklagten zu 1) wären generell und durchweg mit einem jammernden oder Mitleid heischenden Erblasser geführt worden bzw. das gesamte Lebensbild des Erblassers sei auf ein solches Jammern und auf den Ausdruck von Selbstmitleid zu reduzieren (Senat a.a.O.).
591Ausreichend konkrete Angriffe gegen die anderen Zitate und/oder sonstigen Tatsachenbehauptungen zu den Inhalten der Memoirenarbeiten in dem Kapitel fehlen, so dass die Beklagte zu 3) auch hier nicht zu weiterem Sachvortrag im Wege der sekundären Darlegungslast angehalten war. Zu dem Zitat auf S. 74 (zum „Weltbürger“) kann auf das oben zu Passage (60-IV) des abgetrennten Verfahrens Ausgeführte verwiesen werden sowie auf das zu den Zitaten auf S. 77 und 82 des Buches, auf die Auflistung zu den Passagen (8-IV), (33-IV) und (37-IV) des abgetrennten Verfahrens sowie auf das beim vorherigen Gliederungspunkt zum „Németh“-Zitat Gesagte. Die Klägerin hat insofern – das erstreckt sich auch auf das weitere Zitat auf S. 82 – nicht ausreichend angegriffen, dass der Erblasser mit dem Vortrag der Beklagten zu 4) und 5) auf S. 21 des Schriftsatzes vom 20.12.2018 (Bl. 720 d.A.) - den die Beklagte zu 3) sich stillschweigend zu eigen gemacht hat - damals ausgeführt hat: "Ich bin ja dem Streit nicht aus dem Weg gegangen. Also ich hätte sicherlich weniger Streit gehabt, wenn ich die nicht mit Genuss beleidigt hätte auch, und das war ja ein Teil auch meiner Lebensfreude, dass ich diese Subjekte beleidigen konnte... "; aufbauend darauf kann auch an dieser Stelle kein Fehlzitat im engeren oder weiteren Sinne festgestellt werden.
592Die Einkleidung des „Weltbürger“-Zitats auf S. 74 des Buches „Doch jetzt, da er unten ist und die Freunde sich abkehren, beginnt das verletzte Ego zu schmerzen. [….] Geradezu masochistisch betet er den Rosenkranz der erlittenen Demütigungen herunter. Die Narben sind noch immer nicht verheilt.“ ist aus Sicht des durchschnittlichen Rezipienten eine Bewertung der ausgewählten Zitate und Inhalte der Memoirenarbeit durch den Beklagten zu 2). Das zeigt sich im Kontext mit dem Aufgreifen der „Weltbürger“-Thematik auf S. 75 des Buches („Noch Jahre später scheint er zutiefst gekränkt“). Mangels Sachvortrages dazu kann auch weder auf S. 74 oder 75 des Buches eine Kontextverfälschung und/oder Stimmungsbildverfälschung festgestellt werden. Eine Lebensbildverfälschung kann auch nicht zu den anderen, hier erkennbar auf Basis von den Autoren ausgewählter und prozessual als wahr zu unterstellender Zitate und/oder Inhalten der Memoirenarbeiten gemachten Umschreibungen festgestellt werden. Das betrifft etwa die Umschreibung des Erblassers als einen „Schläge nicht klaglos“ (S. 69 des Buches) kassierenden, sondern zurückhauenden „Nahkämpfer aus Passion“ (S. 69 des Buches), der sich bei denen, die seine Macht in Frage stellen, „irgendwann … rächen“ (S. 70 des Buches) wird. Nichts anderes gilt – gerade auf Basis des Zitats vom 15.07.2001 – für die Umschreibung der Selbstwahrnehmung des Erblassers in der sog. Spendenaffäre auf S. 70 f. des Buches. Dass die Memoirenarbeit der aus Sicht des Erblassers um sich greifenden Geschichtsfälschung entgegentreten sollten, entspricht – im Einklang mit S. 71 f. des Buches - sogar dem Klägervortrag; eine Lebensbildverfälschung liegt damit erst recht fern. Zu S. 72 ff. kann auf das oben bereits Gesagte verwiesen werden. Aufbauend auf die Zitate/Inhalte sind die Wertungen auf S. 74 f. äußerungsrechtlich nicht zu beanstanden. Nichts anderes gilt für die – scharfe – Bewertung auf S. 76 des Buches, wonach der Erblasser „an einem Selbstbild des ewig – natürlich zu Unrecht – Verfolgten (zimmere)“ (S. 76 des Buches), dies als „Kreatur, die nach Mitleid verlangt“ (S. 76 des Buches), so dass die „Rückschau auf die eigene Vita … an Bitterkeit kaum zu überbieten“ (S. 76 des Buches) sei. Auch hier geht es aus Sicht der Rezipienten erkennbar um die Sicht des Beklagten zu 2) auf die getroffene Auswahlentscheidung in Bezug auf die einzelnen Zitate und deren Einordnung/Abhandlung in einzelnen Kapiteln nach bestimmten Themen. Das zeigt auch der Bezug auf den - nach den nicht ausreichend substantiiert bestrittenen Angaben - dreimal während der Tonbandaufnahmen vom Erblasser zitierten „Dichtersatz“ (S. 76 des Buches). Auch Passagen wie „Er fürchtet, dass den Ruhm, der ihm zusteht, eines Tages andere kassieren.“ (S. 77 des Buches) und „Noch aber lebt er und mag, gelegentlich nah am Paranoiden, von der fixen Idee einfach nicht lassen, dass die vielen Feinde, die er mittlerweile hat, seinen Namen wie seine Leistungen für immer aus den Geschichtsbüchern streichen wollen.“ (S. 77 des Buches) sind nur – erst recht postmortal – zulässige Umschreibungen der Tatsache, dass Ziel des Memoirenprojekts des Erblassers gerade war, den aus seiner Sicht zunehmenden Versuchen der Geschichtsfälschung und –klitterung entgegenzuwirken; auch hier schwingen zulässige eigene Bewertungen des Beklagten zu 2) als Autor des Kapitels zu den behandelten Inhalten der Memoirenarbeiten mit.
593Die Ausführungen zur Rede des Erblassers in Bergen-Belsen vom 21.04.1985 (im Zusammenhang mit einer Visite in Bitburg) und zu seiner Sicht darauf sowie auf den damaligen Bundespräsidenten mit dessen Rede am 08.05.1985 sind im Tatsächlichen nicht substantiiert angegriffen. Es geht im Buch erkennbar um eine (zulässige) Bewertung des unstreitig besprochenen Themas durch den Beklagten zu 2) („Eine Schmach vor allem scheint er niemals verwunden zu haben…“ (S. 77 des Buches); „Es scheint, als wollte sich dieser Mann von über siebzig Jahren in einem kindlichen Wettlauf beweisen…“ (S. 78 des Buches); „Das Kapitel Bitburg, auf das Kohl im Gespräch beharrlich zurückkommt, gehört zu den besonders schmerzlichen Erfahrungen in seiner an Skandalen nicht armen politischen Vita“ (S. 80 des Buches)). Auch die Bewertung, dass die „Kanzlerworte … – aus dem Blickwinkel des Vortragenden – in grobem Undank verkannt wurden“ (S. 81 des Buches), ist auf Basis der prozessual als wahr zu behandelnden Gesprächsinhalte und zudem auch als kritische Auseinandersetzung mit den Inhalten der Memoiren (S. 81 des Buches) äußerungsrechtlich bedenkenfrei. In der Passage „Natürlich ist er tief im Innern klug genug, um zu wissen, dass er, was das Reflexionsniveau angeht, gegen den intellektuellen Geist in der Villa Hammerschmidt chancenlos ist“ (S. 81 des Buches) liegt kein Eingriff in den postmortalen Achtungsanspruch des Erblassers. Diese Passage erfolgt im Anschluss an die Schilderung des prozessual als wahr zu behandelnden Umstandes, dass der Erblasser bei der Memoirenarbeit u.a. über einen synoptischen Vergleich seiner Rede mit der des damaligen Bundespräsidenten nachgedacht hat; das hat die Klägerin nicht in Abrede gestellt. Die Textstelle enthält dann nur eine kritische Würdigung der rhetorischen Fähigkeiten des Erblassers und dessen Verhältnisses zum Bundespräsidenten . Insbesondere sind auf Basis der mitgeteilten Umstände auch die eigenen Wertungen des Beklagten zu 2) („es steht zu vermuten: wider besseres Wissen“ (S. 82 des Buches); „Wie sehr muss er unter der eloquenten Lichtgestalt leiden! … Wer Kohl die Schau stiehlt, wird herabgewürdigt; es ist das alte Muster.“ (S. 82 des Buches)) schon unter Lebenden bedenkenfrei und erst recht postmortal.
594Dass auf S. 82 des Buches von der „Bitburger Kanzlerrede“ die Rede ist, ist zwar historisch falsch, weil es im Gesamtkontext nur um die - im Buch zuvor gerade umfassend thematisierte - Rede des Erblassers vom 21.04.1985 anlässlich des 40. Jahrestags der Befreiung des Konzentrationslagers Bergen-Belsen vor Ort gehen kann. Dies begründet – erst recht nicht postmortal – aber keinen Abwehranspruch des Erblassers gegen diese offensichtliche historische Unrichtigkeit. Es geht bei dieser Formulierung insbesondere nicht darum, die Rede des Erblassers in Bergen-Belsen nur als eine Art bewusst taktische Rede im Vorgriff auf den nachfolgenden Besuch zusammen mit US-Präsident Reagan auf dem Bitburger Soldatenfriedhof am 05.05.1985 zu diskreditieren, zumal die Passage „Allerdings: Die rhetorische Übung diente nicht zuletzt der eigenen Sache, denn der Kanzler stand in diesen Wochen mächtig unter Beschuss.“ (S. 80 des Buches) und „Die Kanzlerrede aus dem April schien vielen kaum mehr als ein wohlkalkuliertes Vorprogramm“ (S. 80 des Buches) gar nicht angegriffen ist (§ 308 ZPO). Ein entsprechender (erst recht nicht unabweislicher) Eindruck zu Lasten des Erblassers entsteht beim Leser nicht, sondern dem Leser werden allein die tatsächlichen Umstände zur eigenen Würdigung des Gesamtgeschehens an die Hand gegeben. Auf S. 80 des Buches wird die sog. Bitburg-Kontroverse rund um den auf Wunsch des Erblassers erfolgten gemeinsamen Besuch des Bitburger Soldatenfriedhofs am 05.05.1985 zusammen mit dem US-Präsidenten Reagan angesprochen, der damals bekanntlich zu erheblichen Kontroversen führte, weil dort auch SS-Angehörige begraben liegen. Diesem Besuch hat der Erblasser damals einen Besuch des ehemaligen Konzentrationslagers in Bergen-Belsen gegenübergestellt, was jedenfalls nicht in direktem Zusammenhang mit seiner dortigen Rede im April stand. Das Ziehen etwaiger Schlüsse aus diesem Gesamtgeschehen bleibt hier aber letztlich dem Leser überlassen. Die Rede des Erblassers in Bergen-Belsen wird ansonsten (zulässig) als „eher konventionelle Gedenkrede“ bewertet, die in der Rückschau als „rhetorische Übung … nicht zuletzt der eigenen Sache (gedient)“ habe, weil der Erblasser damals zu Recht unter Druck geraten sei, da die „Wahl des Gedenkhaines“ in Bitburg „ein gerüttelt Maß an historischer Unsensibilität“ verraten habe (alles S. 80 des Buches), weswegen dann auch der „über jeden Zweifel erhabene… Auftritt in Bergen-Belsen, an einem Ort der Opfer, durchaus willkommen erscheinen“ (S. 80 des Buches) musste, zumal auch Ronald Reagan massiv öffentlich kritisiert worden war. Äußerungsrechtlich wäre all dies selbst unter Lebenden bedenkenfrei gewesen und ist es erst recht postmortal. Dass den Erblasser das Thema umgetrieben hat, zeigen zudem auch die Ausführungen im Zusammenhang mit der Passage Nr. 103 im Vorverfahren: auch das stellt die Klägerin nicht substantiiert in Zweifel.
595Auf S. 82 des Buches ist schließlich nicht zu beanstanden, dass nach der Bewertung eines erkannten „alten Musters“ das - prozessual als wahr zu behandelnde – Zitat vom 22.07.2001 erfolgt. Denn schon der Plural „Subjekte“ zeigt, dass es dabei aus Sicht des Lesers nicht um einen – tatsächlich nicht gegebenen – Bezug zu dem damaligen Bundespräsidenten geht, zumal mit Blick auf diesen auf den Seiten zuvor keine Beleidigungen etc. wiedergegeben sind, sondern allein die plastische Umschreibung als der „Weißhaarige“ (S. 82 des Buches).
Ausreichendes Vorbringen zur Feststellung einer – über das die zu Passage Nr. 38 im Vorverfahren bereits verbotenen Teile nur aufgreifenden Überschrift sowie die wenigen „Zitat-Einkleidungen“ Ausgeführte hinausreichenden – postmortalen Persönlichkeitsrechtsverletzung des Erblassers fehlt auch zu den weiteren von der Klägerin angegriffenen Passagen in dem Kapitel ab S. 83 ff. des Buches: Das betrifft zunächst diejenigen Zitate des Erblassers, die nicht bereits Gegenstand des Vorverfahrens waren; zu dem „RY.“-Zitat auf S. 95 kann auf das oben zu Passage (31-IV) des abgetrennten Verfahrens Ausgeführte verwiesen werden. Mit Blick auf die im Vorverfahren zu Zitat Nr. 85 diskutierten Audiodateien trägt die Klägerin zudem u.a. auf S. 12 des Schriftsatzes vom 01.12.2021 (Bl. 3065 d.A.) selbst vor, dass der Erblasser mit S. 89 des Buches „die gescheiterten Putschisten vom CDU-Parteitag im September 1989“ als »Bremer Stadtmusikanten« umschrieben und in den Memoirengesprächen kritisiert hat (vgl. auch S. 96/97 der Replik, Bl. 562/563 d.A. mit Transkript von Tondateien zu Passage Nr. 85 des Vorverfahrens); ein Fehlzitat im engeren oder weiteren Sinne ist daher insofern nicht festzustellen und erneut erstaunlich, wie mit breitem Pinsel auch solche Passagen angegriffen worden sind. Gleiches gilt dann für die Wiederholung dieser Formulierung auf S. 96 des Buches. Das auf S. 106 des Buches wiedergegebene Zitat »Das ist für dein viertes Buch, das du in dreißig Jahren machst, wenn du gar keine Haare mehr hast.« ist ebenfalls kein Fehlzitat im engeren oder weiteren Sinne. Denn die Klägerin hat selbst auf die Datei in Anlage K 54 (USB-Stick Bl. 3544 d.A.) referiert, wo es bei Minute 00:35:01 heißt: „Nein, das ist ja nur für deine, dein viertes Buch, was du dann noch in dreißig Jahren machst, wenn Du gar keine Haare mehr hast.“; die marginalen Abweichungen in der Wiedergabe des Wortlauts sind unerheblich. Auch eine Stimmungsbildverfälschung etc. ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
597Die Einkleidung „Die Enzyklopädie der süßen Rache beginnt mit Abelein, Manfred“ (S. 84 des Buches) ist nur eine eigene Würdigung des Beklagten zu 2) als Autor des betreffenden Buchabschnitts (siehe auch BGH v. 29.11.2021 – VI ZR 248/18, GRUR-RS 2021, 39313 Rn. 92 a.E.) und äußerungsrechtlich nicht zu beanstanden, zumal die Passage Nr. 15 des Vorverfahrens kein Fehlzitat im engeren oder weiteren Sinne ist und auch keine Stimmungsbildverfälschung etc. festgestellt werden kann (dazu Senat v. 22.06.2023 – 15 U 16/17, n.v.). Auch die wertenden Überleitungen und Einkleidungen zu den im Vorverfahren unbeanstandet gebliebenenen Passagen Nr. 16, 17, 19 und 20 (BGH a.a.O. Rn. 93, 94; Senat a.a.O. sowie Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, Anlage K 17a, AO II = BeckRS 2018, 10541 Rn. 249) auf S. 84 f. des Buches („In diesem Ton geht es geradlinig fort bis zu Zimmermann, Friedrich, den ihm die CSU 1982 ins Kabinett geschickt hatte:“; „In einer Art Blitzüberprüfung durchleuchtet er die Recken aus dem einstigen Parteipräsidium. 1990 war es besonders grausam zusammengesetzt. […] Umzingelt also von einer Schlangenbrut, hat er das Vaterland vereint.“; „FP. Jagoda, der langjährige Präsident der Bundesanstalt für Arbeit:“; „In diesem Stil geht es weiter. Freiherr Constantin von Heereman, der einmal Präsident des Bauernverbands war und den Kohl kurzzeitig für das Amt des Landwirtschaftsministers im Auge hatte:“) stellen folgerichtig keine postmortale Persönlichkeitsrechtsverletzung dar. Dass auch die Hinleitung „In CDU und CSU…“ auf S. 85 des Buches vor Passage Nr. 18 - selbst allerdings ein Fehlzitat - nicht zu beanstanden ist, wurde schon im Zusammenhang mit der Erstreckung des Verbots auf die Namensangabe erörtert. Unbedenklich ist die Hinleitung zu der nur im Mittelteil als Fehlzitat zu behandelnden (dazu Senat v. 22.06.2023 – 15 U 16/17, n.v.) Passage Nr. 21 des Vorverfahrens auf S. 85 des Buches zu Matthias Wissmann. Auch die nur die in der Äußerung zum Ausdruck kommende Haltung des Erblassers bewertende Einleitung „Und von Angela Merkel hält er erst recht nichts:“ (S. 85 des Buches) ist in Ansehung des mit Blick auf Angela Merkel nur teilweise fehlerhaften Zitats in Passage Nr. 22 aus dem Vorverfahren (dazu BGH a.a.O., Tenor Ziff. 2) äußerungsrechtlich ebenso beanstandungsfrei wie die Bewertungen und Hinleitungen auf S. 86 des Buches („Begründungen für die apodiktischen Urteile finden sich selten. Er argumentiert nicht. Er klebt Etiketten. Hannelore Rönsch, drei Jahre Bundesministerin für Familie und Senioren:“; „Manches ist originell:“; „Wieder anderes ist schlicht justiziabel. Von Doktor L., einem recht prominenten Fraktionskollegen aus dem Süddeutschen – wir werden seinen Namen nicht nennen –, behauptet der Ex-Kanzler, der sich selbst so beharrlich von Gott und der Welt verleumdet sieht“) zu den ebenfalls jeweils beanstandungsfreien Zitaten in den Passagen Nr. 23, 24 und 26 (dazu BGH, a.a.O., Tenor Ziff. 2; Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, Anlage K 17a, AO II = BeckRS 2018, 10541 Rn. 263 f., 267); zur abweichenden Behandlung der Einkleidung des Fehlzitats in Passage Nr. 25 aus dem Vorverfahren wurde bereits oben bei dem insofern weitergehenden Verbot ausgeführt.
598Bedenkenfrei ist die wertende Einkleidung der im Vorverfahren unbeanstandet gebliebenen Zitate in Passagen Nr. 26 und 27 (BGH a.a.O., Tenor Ziff. 2; Senat a.a.O., Rn. 267 f.) auf S. 86 des Buches. („Wieder anderes ist schlicht justiziabel. Von Doktor L., einem recht prominenten Fraktionskollegen aus dem Süddeutschen – wir werden seinen Namen nicht nennen –, behauptet der Ex-Kanzler, der sich selbst so beharrlich von Gott und der Welt verleumdet sieht“; „Auch Gerhard Stoltenberg, in Kohls ersten zehn Kanzlerjahren einer der mächtigsten Minister, zuständig zunächst für die Finanzen, dann für die Verteidigung, wird in wenigen Sätzen zerlegt.“). Nichts anderes gilt - auch mit Blick auf die nicht angegriffene Interviewäußerung des Erblassers aus dem Jahr 2001 - hinsichtlich der Wertungen und der beschreibenden Hinleitung „… Dann allerdings setzt es Prügel. Das haben vor allem die »Bremer Stadtmusikanten« erfahren, die gescheiterten Putschisten vom CDU-Parteitag im September 1989, als die Umfragewerte für die Union tief im Keller waren. … In den Memoiren sollen die niedergeschlagenen Meuterer ihre angemessene Würdigung erfahren:“ (S. 89 des Buches) zu dem nachfolgenden Zitat in Passage Nr. 28 aus dem Vorverfahren, welches ebenfalls kein Fehlzitat im engeren oder weiteren Sinne ist und zu dem weder eine Stimmungsbild- noch Kontextverfälschung feststellbar ist (Senat v. 22.06.2023 – 15 U 16/17, n.v.).
599Die Würdigung zur potentiellen Gefährlichkeit von Rita Süssmuth auf S. 89 des Buches - hier kann das Fehlzitat in Passage Nr. 29 des Vorverfahrens (BGH v. 29.11.2021 – VI ZR 248/18, GRUR-RS 2021, 39313 Rn. 41) isoliert gestrichen werden, so dass anders als bei dem Zitat in Passage Nr. 18 deren Namensnennung im Kontext hier nicht zu verbieten war – ist äußerungsrechtlich nicht zu beanstanden. Auch gegen die Einkleidung des zulässigen Zitats in Passage Nr. 30 aus dem Vorverfahren (BGH, a.a.O., Tenor Ziff. 2) auf S. 89 des Buches („Jetzt, beim Verfassen der Lebenserinnerungen, ist für ihn die Stunde der Gegenrechnung gekommen… Nicht nur einmal zitiert er diese Weisheit aus dem Volksmund herbei.“) bestehen keine Bedenken. Entsprechendes gilt – wie oben bereits ausgeführt – auch für die Einkleidung des Fehlzitats in Passage Nr. 31 auf S. 90 des Buches, zumal auch die anderen Wortlautzitate a.a.O. betreffend YP. Geißler klägerseits nicht substantiiert angegriffen sind und die ersichtliche Würdigung der Personen durch den Beklagten zu 2) als Autor des Buchkapitels keine Schmähung des Erblassers etc. erkennen lässt. Der Senat verweist zudem - auch daraus folgt, dass die Annahme einer Lebensbildverfälschung fernliegt - auf die auf S. 34 f. der Klageerwiderung der Beklagten zu 4) und 5) (Bl. 305 f. d.A.), die die Beklagte zu 3) sich stillschweigend zu eigen gemacht hat, zitierten und unbestritten gebliebenen Auszüge aus dem „Tagebuch“ des Erblassers, wo es u.a. heißt: „Keine zehn Monate nach dem Bremer Parteitag kam die Putschgruppe wieder zusammen, um auf der Sonnenseite meiner Politik Karriere zu machen. Die Hauptakteure waren … YP. Geißler…“ bzw. zur sog. Spendenaffäre „YP. Geißler beispielsweise wird seinen Hass mir gegenüber wohl mit ins Grab nehmen. Das steht ihm ins Gesicht geschrieben. … Es gibt weitere Persönlichkeiten, die ich jahrelang unterstützt und gefördert habe und, die ohne mich niemals dort angelangt wären, wohin ihre politische Karriere sie heute geführt hat. Ihr Rachedurst ist im Lauf der Zeit ungemein gewachsen, und jetzt können Sie ihn stillen ...."
600Zu dem ebenfalls nicht als Fehlzitat zu behandelnden Zitat in Passage Nr. 32 des Vorverfahrens (Senat v. 22.06.2023 – 15 U 16/17, n.v.) stellt die Einkleidung auf S. 90 f. des Buches („Viel zu spät habe er den wahren Charakter seines engsten Mitarbeiters durchschaut, mit dem er sich mit Gewissheit nie wieder an einen gemeinsamen Tisch setzen werde. Hannelore habe ihn immer gewarnt.“) eine inhaltlich nicht angegriffene indirekte Wiedergabe einer Aussage des Erblasser dar sowie eine zutreffende Umschreibung der damals vom Erblasser beschriebenen Haltung seiner ersten Ehefrau als einer „Warnung.“ In Ansehung der zahlreichen weiteren, mangels konkreten Angriffs auch hier nicht als Fehlzitate einzuordnenden und etwas derberen Ausführungen des Erblassers stellt auch die Würdigung des Beklagten zu 2) als Kapitelautor, dass die „…Manier, in der Kohl den Konflikt mit Geißler aufbereitet, … typisch für den Umgang mit seinen parteiinternen Gegnern (scheine). Er sucht nicht die Auseinandersetzung in der Sache.“ (S. 91 des Buches) keine Lebensbildverfälschung dar; gleiches gilt für die Würdigung der Zitate, „der abgetretene Parteifürst mit dem Elefantengedächtnis (habe) eine maliziöse Skizze Geißlers (entworfen)“ (S. 91 des Buches). Die nachfolgenden, im Vorverfahren unbeanstandet gebliebenen Zitate aus Passagen Nr. 33 und 34 (dazu BGH v. 29.11.2021 – VI ZR 248/18, GRUR-RS 2021, 39313, Tenor Ziff. 2; Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, Anlage K 17a, AO II = BeckRS 2018, 10541 Rn. 280 f., 283 f.) münden in die - auf Basis des nicht konkret angegriffenen weiteren Zitats – zulässige Wertung auf S. 92 des Buches. Auch die wertende Hinleitung auf S. 92 des Buches zu den im Vorverfahren der Beklagten zu 3) ebenfalls nicht untersagten Zitat in Passage Nr. 35 (BGH a.a.O. sowie Rn. 98; Senat Rn. 285 f.) und die (nicht konkret angegriffene) zeitliche Einordnung des ebenfalls nicht untersagten Zitats in Passage Nr. 36 aus dem Vorverfahren (BGH a.a.O; Senat Rn. 287) – jeweils auf S. 92 des Buches – sind äußerungsrechtlich beanstandungsfrei. Gleiches gilt für die nur die Inhalte zutreffend umschreibende Herleitung auf S. 92 f. des Buches zu dem ebenfalls im Vorverfahren unbeanstandet gebliebenenen Zitat in Passage Nr. 36 (BGH a.a.O; Senat Rn. 288 f.) und die die historischen Umstände im Jahr 1989 nur wertend umschreibende eigene Bewertung des Beklagten zu 2) auf S. 94 des Buches („Aber in seiner wendigen Wesenheit bleibt der Professor für Kohl auch noch auf dem Bremer Parteitag gefährlich.“).
601Keine äußerungsrechtlichen Bedenken bestehen mit Blick auf die mit der im Vorverfahren angegriffenen Passage Nr. 38 zu EM. CD. verwobenen Passagen auf S. 94 f. des Buches. Zwar ist mit den Ausführungen des Senats im Urt. v. 22.06.2023 (15 U 65/17, n.v.) hinsichtlich der Teile „Er ist natürlich einer der Dreckigsten“ und „Aber als großer Butler hatte er unentwegt Spezialkontakte“ eine Verletzung des postmortalen Geltungsanspruchs des Erblassers festzustellen, im Übrigen aber gerade nicht. Auf Basis der unbeanstandet gebliebenen Teile ist die wertende Einkleidung zulässig und mit der vom Beklagten zu 2) damit verbundenen Bewertung als „Prügel“ und „schimpft Kohl.“ (S. 94 des Buches) ist aus Sicht des durchschnittlichen Rezipienten keine Verfälschung des Stimmungsbildes etc. verbunden. Auch die Bewertung, der Erblasser habe „raunend einen Verdacht“ geäußert (S. 95 des Buches) ist auf dieser Basis keine unwahre Tatsachenbehauptung oder aus sonstigen Gründen unzulässig.
602Keine äußerungsrechtlichen Bedenken bestehen gegen die wertende Einkleidung des im Vorverfahren unbeanstandet gebliebenen Zitats in Passage Nr. 39, welches der Erblasser in einer Art Regieanweisung zur Verwendung bei den Arbeiten getätigt hat (dazu dazu BGH v. 29.11.2021 – VI ZR 248/18, GRUR-RS 2021, 39313, Tenor Ziff. 2; Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, Anlage K 17a, AO II = BeckRS 2018, 10541 Rn. 292); seine Äußerung darf wertend als „Besonderes Vergnügen gilt…“ (S. 95 des Buches) umschrieben werden. Die das - ebenfalls zulässige (BGH a.a.O., Rn. 100) – Zitat in Passage Nr. 40 aus dem Vorverfahren begleitenden Ausführungen auf S. 95 des Buches („Nun hat sich das Blatt gewendet, und Kohl ergeht sich in Schadenfreude. »Der CD. hat sich dieser Mischpoke angeschlossen. Sie haben ihn hochgeschrieben. Dann haben sie ihn fallen lassen und schrieben plötzlich die ganzen Sauereien bis dort hinaus.« (Zitat Nr. 40) Das hat er nun davon. Wäre er doch dem Beispiel seines Kanzlers gefolgt“) sind - für den verständigen Leser ohne weiteres erkennbar - eine Bewertung der Aussagen des Erblassers durch den Beklagten zu 2) als Autor dieses Buchabschnitts (BGH a.a.O.) und äußerungsrechtlich (erst recht postmortal) nicht angreifbar, zumal mit dem eingangs Gesagten auch bezüglich des nachfolgenden weiteren Zitats prozessual nicht von einem Fehlzitat auszugehen ist. Dann ist aber auch die offene Frage des Beklagten zu 2) auf S. 95 des Buches („Wen er wohl mehr hasst, die Blattmacher aus Hamburg oder den Verräter aus Schwaben?“) ebenso eine zulässige Meinungsäußerung auf dieser Tatsachenbasis (und zudem auf Basis der unbestreitbar kritischen Grundhaltung des Erblassers sowohl gegenüber EM. CD. als auch den „Blattmachern aus Hamburg“) wie auch die weiteren – in eine zeitliche Einordnung gesetzten, mit historischen Fakten verbundenen und das im Vorverfahren ebenfalls unbeanstandet gebliebene Zitat in Passage Nr. 41 (dazu BGH a.a.O., Tenor Ziff. 2; Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, Anlage K 17a, AO II = BeckRS 2018, 10541 Rn. 294) betreffenden - Bewertungen auf S. 96 des Buches oben („Doch Kohl ist unversöhnlich geblieben. Mit jedem der »Bremer Stadtmusikanten« hat er gebrochen. Einmal, im Juli 2001, weist X. darauf hin, dass CD. als Topmanager bei XS., einst CX. YQ.-Jena, höchst erfolgreich sei. Da knurrt Kohl: »Das endet im Fiasko. Denkt an mich. In diesem Unternehmen ist keine Spur von Jubel mehr.« (Zitat Nr. 41) Er gönnt ihm nichts. Beinahe hat es den Anschein, als hoffe er, dass der einstige Kontrahent bald wieder ganz unten ist. Mit seiner Prognose sollte sich Helmut Kohl allerdings irren…“). Durch die Umschreibung der kritischen Äußerungen als „Knurren“ wird auch hier nicht das Stimmungsbild des Erblassers und darüber postmortal sein Lebensbild verfälscht; es geht ersichtlich einmal mehr um eigene Würdigungen der nach den unangegriffenen Feststellungen im Vorverfahren unzweifelhaft zumindest kritischen Gesprächsinhalte durch den Beklagten zu 2) als Kapitelautor.
603Die mit der im Vorverfahren im Verhältnis zur Beklagten zu 3) ebenfalls unbeanstandet gebliebenen Passage Nr. 42 (dazu BGH a.a.O., Tenor Ziff. 2; Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, Anlage K 17a, AO II = BeckRS 2018, 10541 Rn. 295 f.) direkt verwobenen Ausführungen auf S. 96 f. des Buches („Manch andere Verwünschung eines Parteifreunds hingegen klingt im Nachhinein fast schon prophetisch. Am 22. Juli 2001 kommt Kohl, eher beiläufig, auf den niedersächsischen CDU-Landesvorsitzenden zu sprechen. Sein Name: Christian Wulff. Auch er, […], hat sich in letzter Zeit über den Ehrenwortgeber aus Ludwigshafen recht despektierlich geäußert. […] so wie von Kohl böse geweissagt […]“) sind äußerungsrechtlich zulässig. Auch wenn die vom Erblasser wiedergegebene Erzählung über den Restaurantbesuch in gelassener Stimmung erzählt worden sein mag, darf dies vom Beklagten zu 2) schon wegen der wenig schmeichelhaften Inhalte dennoch zulässig als „Verwünschung“ bzw. „böse“ Weissagung umschrieben werden, ohne damit das Lebensbild des Erblassers zu verfälschen oder das Stimmungsbild falsch wiederzugeben.
604Zu der „Einbettung“ von Passage Nr. 43 aus dem Vorverfahren wurde bereits oben ausgeführt. Wie ebenfalls bereits angesprochen, ist auch die Überleitung zu den – sachlich wiederum nicht konkret bestrittenen – Ausführungen zu FP. ZO. auf S. 97 des Buches nicht zu beanstanden. Auch die wertende Einkleidung der im Vorverfahren äußerungsrechtlich unbeanstandet gebliebenen Passage Nr. 44 (dazu dazu BGH a.a.O., Tenor Ziff. 2; Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, Anlage K 17a, AO II = BeckRS 2018, 10541 Rn. 299) auf S. 97f des Buches aus Sicht des Beklagten zu 2) als Kapitelautors („Aber vermag einer wie ZO. erfolgreich zu regieren? Das Psychogramm, das Kohl von seinem Epigonen zeichnet, verrät einiges darüber, wie er selbst sein politisches Handwerk verstand:“; „Das mag nicht ganz falsch sein. Die Fußstapfen des Vorgängers waren, wenn wir Helmut Kohl folgen, einfach zu groß. Der hat am Mittelrhein seit 1969 einen bürgernahen, effizient arbeitenden und sinnenfrohen Kleinstaat geschaffen, zu dem – in unterschiedlichster Funktion – etwa YP. Geißler, Roman Herzog, SZ. Blüm und ebenso die resolute Staatssekretärin VE.-QT. BZ. gehörten, die ihren Kultusminister, ZO. eben, mit Freuden kommandierte. Lauter interessante, eigenwillige Leute. Aber das Sagen hatte letztlich immer nur einer: Kohl, der unumstrittene Boss.“) stellt keine Verletzung des postmortalen Achtungsanspruchs des Erblassers dar, sondern ist aus Rezipientensicht nur eine Würdigung der Inhalte der Memoirenarbeit und der damaligen Landes- und Personalpolitik des Erblassers.
605Die Passage „Im Memoirengespräch vom 19. März 2001 kommt er auf den eigenen, von vielen Pfälzern schmerzlich bedauerten Rückzug als Ministerpräsident zu sprechen, auch auf die Wahl FP. Vogels.“ (S. 98 des Buches) ist als wahre Tatsachenbehauptung hinzunehmen, nachdem die anschließende Passage Nr. 45 im Vorverfahren unbeanstandet geblieben ist (Senat v. 22.06.2023 – 15 U 65/17, n.v.). Äußerungsrechtlich bedenkenfrei ist auch die eigene Bewertung der nachfolgenden Äußerungen des Erblassers durch den Kapitelautor auf S. 98 des Buches „An kleinen Zoten hat Kohl bei diesem autobiographischen Männergespräch spürbar Vergnügen.“ Nichts anderes gilt mit Blick auf die – im tatsächlichen nicht angegriffene - Überleitung zu der im Vorverfahren unbeanstandet gebliebenen Passage Nr. 46 zu Frau BZ. (dazu BGH, a.a.O., Rn. 101). Bei der Aussage, der Erblasser habe sich mit der Äußerung „Luft verschafft“, geht es erkennbar um eine eigene Bewertung und Einordnung der Äußerung durch den Beklagten zu 2) als Autor dieses Buchabschnitts (BGH a.a.O.) als – erst recht postmortal – zulässige Meinungsäußerung auf Basis der zutreffend wiedergegebenen Äußerung. Auch die Überleitung auf S. 99 des Buches zu der im Vorverfahren der Beklagten zu 3) ebenfalls nicht untersagten Passage Nr. 47 (dazu BGH a.a.O., Tenor Ziff. 2; Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, Anlage K 17a, AO II = BeckRS 2018, 10541 Rn. 304) ist als zulässige Würdigung des Kapitelautors einzustufen, der zulässigerweise von „Zoten“ und „eindeutigen Komplimenten“ sprechen darf.
606Letztlich mit dem beim Beklagten zu 1) zur Lebensbildverfälschung Gesagten ist die Würdigung der Arbeitsbeziehung des Erblassers zum Beklagten zu 1) durch den Kapitelautor auf S. 99 des Buches „Kohl ist sich natürlich darüber im Klaren, dass er im heimischen Tonstudio keine Selbstgespräche führt, dass sein Gegenüber F. X. nicht nur Historiker, sondern vor allem Journalist ist, zu dessen Profession es gehört, Informationen zu hinterfragen, zu bündeln und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Und ebendas kommt Helmut Kohl gelegen.“ ebenso wie die anschließende Bewertung der Gesamtsituation „Er hält die eigene Isolation vor allem in der eigenen Partei nicht mehr aus, all die Nachgeborenen in der Fraktion, die zu ihm nur noch »Herr Kohl« und nicht mehr »Herr Bundeskanzler« sagen. Er spürt, seine Zeit ist abgelaufen, und sieht sich von Heckenschützen umzingelt. Es gibt so viele, die augenscheinlich noch eine offene Rechnung mit ihm haben.“ kein Eingriff in das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers. Es werden aus Sicht des durchschnittlichen Rezipienten keine (unwahren) Behauptungen über sog. innere Tatsachen beim Erblasser aufgestellt, sondern der Beklagte zu 2) bewertet – seiner im Vorwort des Buches zugedachten Rolle gemäß – als Außenstehender die von ihm und dem Beklagten zu 1) vorgenommene Auswahl an Zitaten und Gesprächsinhalten aus dem vielstündigen Gesamtfundus. Dass man damit dem Erblasser nicht in jeder Hinsicht objektiv gerecht geworden sein mag, trägt allein – erst recht postmortal – keinen Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu 3). Nichts anderes gilt für die sich an die sachlich nicht konkret bestrittenen Ausführungen und Zitatwiedergaben zu Herrn Barzel ab S. 99 ff. des Buches (dazu unten noch mehr) anschließende offene Frage „Aber würde Kohl nicht am liebsten selber ein solches Rachebuch schreiben?“ (S. 101 des Buches).
607Keine äußerungsrechtlichen Bedenken bestehen bei der Einkleidung der Passage Nr. 48 aus dem Vorverfahren auf S. 101 f. des Buches. Bei dem Zitat handelt es sich zwar um ein Fehlzitat wegen einer Kontextverfälschung, weil die Äußerung über SZ. Blüm nicht im Zusammenhang mit der sog. Spendenaffäre gefallen ist (BGH v. 29.11.2021 – VI ZR 248/18, GRUR-RS 2021, 39313 Rn. 46). Dennoch ist die einleitende Wertung des Kapitelautors „Wer ihn kritisiert, der ist sein Feind und wird auch als solcher behandelt.“ (S. 101 f. des Buches) schon in Ansehung der weiteren, wenig schmeichelhaften Äußerungen des Erblassers u.a. über K. VZ. und den Bruch des Erblassers mit SZ. Blüm über die sog. Spendenaffäre dennoch bedenkenfrei. Gleiches gilt für die weitere (wahre) Aussage zu SZ. Blüm, „der gesagt hat, dass es keine Versöhnung geben könne, »solange Kohl einen Gesetzesbruch hinter seinem Ehrenwort verbirgt«“ (S. 102 des Buches). Äußerungsrechtlich bedenkenfrei sind auch die Angaben auf S. 102 f. des Buches im Zusammenhang mit den Passagen Nr. 49 – 53 des Vorverfahrens, bei denen nach den nicht angegriffenen Feststellungen gerade keine relevanten Fehlzitate vorliegen (BGH, a.a.O., Ziff. 2 des Tenors sowie Senat v. 22.06.2023 – 15 U 65/17, n.v. zu dem Rest der Passage Nr. 49). Dass die Nennung der Spendernamen „für den demissionierten Ehrenvorsitzenden nicht in Frage (kommt)“ (S. 102 des Buches), stellt in Ansehung des klaren, öffentlich vertretenen Standpunkts des Erblassers dazu ebenfalls keine Lebensbildverfälschung dar. In Ansehung der deutlichen Worte zu K. VZ. darf das Geschehen – auch wenn verschiedene Zitatteile kombiniert worden sind – als „Einmal in Fahrt geraten, plaudert Kohl ein wenig aus dem Nähkästchen und gewährt, am Beispiel des Saarlands, einen kleinen Einblick in die verschlungenen Wege der innerparteilichen Geldflüsse.“ (S. 102 des Buches) umschrieben werden. Die vom Erblasser plastisch beschriebene Situation um besagten „Schuldschein“ und die darin sowie in den Folgeäußerungen zum Ausdruck kommende Grundhaltung des Erblassers konnte der Beklagte zu 2) als Kapitelautor auch mit „Und keiner hat gefragt, wie sich die Differenz von Soll und Haben in gebotener Diskretion ausgleichen ließ. Er, der Übervater seiner Partei, musste dann persönlich den Karren aus dem Sumpf ziehen, die Drecksarbeit erledigen, für die sich Angela Merkel, seit 2000 CDU-Vorsitzende, natürlich zu fein sei. […] Ein Helmut Kohl habe wenigstens selber die Ärmel hochgekrempelt. Und jetzt auf einmal zeigen sie alle auf ihn…“ (S. 103 des Buches) bewerten; dass der Erblasser seinerzeit die Hintergründe bei den „Memoirengesprächen“ inhaltlich so thematisiert hat, ist klägerseits nicht als unwahre Behauptung gerügt.
608Die Ausführungen im Buch zur „Mischpoke“ und zu SF. QC. OY. auf S. 103 – 105 sind im Tatsächlichen hinsichtlich der Wiedergabe der Inhalte der Memoirenarbeit und der dabei gefallenen Äußerungen nicht substantiiert angegriffen und prozessual ebenfalls als wahr zu behandeln. Auf dieser Basis sind die aus Rezipientensicht vom Beklagten zu 2) als Kapitelautor in Auswertung der Tonbandaufnahmen gemachte Bewertungen, wonach die „Mischpoken (dem Erblasser) das Leben schwer“ (S. 103 des Buches) gemacht hätten oder der „bodenständige Pfälzer“ diese „vornehm-hanseatische Erscheinung mit besten Kontakten zur Wirtschaft … in besonderem Maße (verabscheut)“ (S. 103 f. des Buches) habe, - erst recht postmortal – zulässige Meinungsäußerungen. Das gilt auch für die Überlegung, dass „das von Kohl entworfene Psychogramm möglicherweise mehr über den Verfasser als über das Objekt der Abhandlung“ (S. 104 des Buches) verrate, weil SF. QC. OY. „als der leibhaftige Gegenentwurf zum Kohlschen Selbstbild vom volksnahen Aufsteiger, der sich ein Leben lang treu blieb“ (S. 104 des Buches) erscheine und „man meinen (könnte), das alte Märchen von Schneewittchen und der bösen Königin, »in deren Herzen Neid und Hochmut wie ein Unkraut wuchsen«, (werde) in die Jetztzeit übertragen“. Dies gilt ferner für die Schilderung, dass der Erblasser in einer „Mischung von Bewunderung und Missgunst… in den Gesprächen immer wieder auf die Weltmännischen in seiner Umgebung zurück(komme)“ (S. 104 f. des Buches) bzw. in Ansehung der wiedergegebenen Gesprächsinhalte sei der Erblasser „auf seinen einstigen Schatzmeister … jedenfalls verdammt schlecht zu sprechen.“ (S. 105 des Buches), zumal der Erblasser sich „als über die fatale Spendengeschichte gerade ein wenig Gras zu wachsen begann“ (S. 105 des Buches), zur „sogenannte(n) OY.-Million“ (S. 105 des Buches) habe erklären müssen. Der Beklagte zu 2) durfte deswegen auch bedenkenlos konstatieren, dass der Erblasser „auf dem Höhepunkt der erneuten Affäre entsprechend wütend auf den Parteifreund mit dem einwandfreien englischen Akzent (gewesen sei), der die CDU am Nasenring vorführte“ bzw. dass der Erblasser hier „die Welt nicht mehr (verstanden habe und sein) … ganzer Kosmos bevölkert von Schurken und Versagern (zu sein schien).“ (S. 105 des Buches).
609Die weitere Würdigung des Beklagten zu 2) zu den ihm damals vorliegenden Gesprächsinhalten, dass der „maßlose Rückblick im Zorn den Rahmen der Autobiographie sprengt, … Kohl nicht verborgen geblieben (sei, aber) … sein Ghostwriter … schon die geeignete Verwendung dafür finden (werde)“ (S. 105 f. des Buches), stellt mit der Überleitung auf das bereits behandelte „keine-Haare-Zitat“ des Erblassers eine (erst recht postmortal) zulässige Meinungsäußerung dar. Eine Lebensbildverfälschung liegt auch hier nicht vor, weil dem Rezipienten klar wird, dass es um eine – obendrein kapitelbezogene - Momentaufnahme der Äußerungen insbesondere über SF. QC. OY. und einige Kritiker des Erblassers in der sog. Spendenaffäre ging und keinesfalls um eine Gesamtschau der gesamten Inhalte der Memoirenarbeit, an deren erhellenden und streckenweise humorvollen Inhalten an anderer Stelle des Buches auch keine Zweifel bleiben.
610Um eine zulässige Meinungsäußerung des Beklagten zu 2) als Kapitelautor geht es auch, wenn es auf S. 106 des Buches zu dem mit Anlage K 54 nachweisbaren „keine-Haare-Zitat“ heißt, dass die „Bemerkung … nicht eben taktvoll (ist), verrät aber eines: Kohl weiß und scheint ausdrücklich damit einverstanden zu sein, dass alles, was er im Gespräch preisgibt – gezielt preisgibt, wie man annehmen darf –, schon an die Öffentlichkeit gelangen wird, auch wenn vieles in die offiziellen Erinnerungen zunächst keinen Eingang findet. Kohl weiß, dass sich sein Gesprächspartner die Protokolle irgendwann noch einmal vorknöpfen wird. In dreißig Jahren aber, anno 2031, wird X. 87 sein. Gar so lang mag er, zumal angesichts der zuletzt aus dem Hause Kohl vorgetragenen juristischen Anstrengungen, nicht warten. Wer will ihm das verübeln?“; es geht ersichtlich nicht um die (unwahre) Behauptung zu einer sog. inneren Tatsache des Erblassers. Eine zulässige Meinungsäußerung des Kapitelautors ist auch der letzte Absatz auf S. 106 des Buches; das wiedergegebene Zitat ist auch hier nicht konkret angegriffen. Auch wegen der anderen, hier nicht im Einzelnen ausdrücklich aufgeführten Passagen des Kapitels sind keine Ansatzpunkte für weitergehende Unterlassungsansprüche gegen die Beklagte zu 3) erkennbar. Konkrete Angriffe fehlen etwa gegen die im Kapitel ab S. 83 ff. gemachten tatsächlichen Angaben zu Inhalten und Umständen der Memoirenarbeiten des Erblassers; insbesondere zu der „traurigen Begegnung“ mit Konrad Adenauer (S. 83 Buches), zu den Schilderungen des Erblassers bezüglich des Besuchs in Kiel auf S. 86 ff. oder zu den Angaben betreffend Rainer Barzel ab S. 99 ff. des Buches (inkl. den Äußerungen und der Beendigung der Arbeiten nach Verlesung der Passage zu Art. 23 GG). Aufbauend darauf und auch auf die nicht als Fehlzitat anzusehenden Zitate des Erblassers sowie die weiteren tatsächlichen Angaben zu den Memoirenarbeiten sind – erst recht nicht postmortal – auch die sonstigen Bewertungen des das Kapitel verfassenden Beklagten zu 2) wie etwa „Die Geschichte gefällt ihm. Der Alte spricht Kohl aus der Seele. Davongejagt fühlt er sich nicht minder“ (S. 83 des Buches); „Im Parlament hat er nur noch einen wahren Freund…. der treue Hinterbänkler…, der zu wissen scheint, was er dem Kanzler der Einheit schuldet“ (S. 84 des Buches); „Die Isolation setzt ihm zu. Aber jetzt, da er Lebensbilanz macht, gibt es kein Halten mehr.“ (S. 84 des Buches); „Die einstigen Unionsgefährten … werden in ein »Who is Who« verfrachtet, das wie mit Dreschflegeln verfasst zu sein scheint.“ (S. 84 des Buches) äußerungsrechtlich ebenso zulässig wie die Würdigung der Schilderungen zum Besuch in Kiel als „aufschlussreiches Psychogramm“ und “recht genaues Selbstportrait“ des Erblassers als „begnadeten Menschenfängers“ auf S. 87 des Buches. Zulässige Meinungsäußerung des Autors ist auch, dass dem Erblasser „die menschelnde Episode offensichtlich wichtig“ gewesen sei und er sich gerne „so … verewigt“ sähe (S. 88 des Buches); nichts anderes gilt für die Bewertung der zu der Frage des Beklagten zu 1) nach dem „weitverbreitete(n) Klischee“ (S. 88 des Buches) von dem vorherrschenden Misstrauen des Erblassers gegebenen Antwort desselben als „salomonisch“ (S. 88 des Buches) vor der Überleitung zu dem oben zu Zitat Nr. 28 bereits Gesagten. Auch die Bewertungen des Beklagten zu 2) zu den unbestrittenen Zitaten/Geschehensangaben in Sachen Barzel auf S. 99 ff. sind zulässige Meinungsäußerungen des Kapitelautors, der von „ungewohnt wortkarg(en“) Ausführungen oder einem „Verstumm(en)“ bei dem vom „Quälgeist X.“ angesprochenen „Reizthema“ sprechen kann - auf Basis der prozessual als wahr zu behandelnden Tatsachen zum damaligen Rahmengeschehen.
Auch im nächsten Kapitel - zu dessen äußerungsrechtlich im Ergebnis unbedenklicher Überschrift bereits eingangs mit Blick auf das Inhaltsverzeichnis ausgeführt worden ist - sind in den angegriffenen weiteren Passagen keine postmortalen Persönlichkeitsrechtsverletzungen erkennbar. In Ansehung der auch hier mangels konkreter Angriffe prozessual als wahr zu unterstellenden Zitate des Erblassers sowie der weiteren Angaben zu den Inhalten der Memoirenarbeiten sind die Passagen auf S. 107 – 109 des Buches im Tatsächlichen bedenkenfrei und im Übrigen aus Sicht des Rezipienten nur erkennbare subjektive Bewertungen des Beklagten zu 2) als Autor des Kapitels, die – erst recht postmortal – keinen Bedenken begegnen. Da es nur um eine Bewertung der von den Beklagten getroffenen Auswahl aus den umfangreichen Gesprächsinhalten geht, wird mit dem bereits beim Beklagten zu 1) Gesagten auch kein „Zerrbild“ des Erblassers als zürnender alter Staatsmann etc. durch Wertungen wie „Bemerkenswert aber scheint, dass Kohls politische Gegner, von Ausnahmen abgesehen, zumeist glimpflicher davonkommen als die teils lustvoll, teils verbittert gescholtene Riege der eigenen Parteifreunde. Gelegentlich müht er sich sogar mustergültig um Fairness… Das aus seinem Munde ist beinahe schon ein Ritterschlag.“ (S. 107 des Buches) erzeugt. Soweit das Zitat in Passage Nr. 54 des Vorverfahrens teilweise ein Fehlzitat ist, weil sich der Teil, „Er ist kalt wie ein Fisch“ auf FN.-I. LO. und nicht auf DT. HO. bezogen hat und der Erblasser die Textpassage zu den „Gefühle(n) der Freundschaft“ nicht auf eine allgemeine Charaktereigenschaft des Genannten bezogen hat, sind die weiteren Zitatteile "Aus dem wird auch in hundert Jahren nichts", "Er ist von Hannover weg und hat nahezu alle sitzen lassen, abgesehen von LO." und "So wird er auch in einigen Jahren abgehen. Dann lässt er das Messer in der Seite stecken und geht ans große Geld." unbeanstandet geblieben (BGH v. 29.11.2021 – VI ZR 248/18, GRUR-RS 2021, 39313 Rn. 17, 28, 48 f.; Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, Anlage K 17a, AO II = BeckRS 2018, 10541 Rn. 316). Im Hinblick darauf ist aber die wertende Einleitung - in der das weitere Zitat („Autokanzler“) wiederum nicht konkret angegriffen und prozessual als zutreffend zu behandeln ist – äußerungsrechtlich ebenso zulässig wie die kritische Bewertung der „geharnischten Charakterstudie“ im Anschluss auf S. 109 des Buches.
612Die nicht als Fehlzitat einzustufende Passage Nr. 55 des Vorverfahrens (Senat v. 22.06.2023 – 15 U 65/17, n.v.) kann mit der wertenden Einkleidung „Über Franz Müntefering, der Kohl in der Spendenaffäre hart angegangen war, urteilt er…“ (S. 109 des Buches) äußerungsrechtlich unbedenklich eingeleitet werden. Auch die anschließende Namensnennung („Und…“) zu der ansonsten rechtskräftig nur hinsichtlich der reinen Wortlautbestandteile verbotenen Passage Nr. 56 des Vorverfahrens (BGH v. 29.11.2021 – VI ZR 248/18, GRUR-RS 2021, 39313 Rn. 17, 28, 50; Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, Anlage K 17a, AO II = BeckRS 2018, 10541 Rn. 321) kann – anders als bei der im Vorverfahren vollständig untersagten Passage Nr. 18 – isoliert stehen und ist äußerungsrechtlich nicht zu beanstanden, zumal man damals tatsächlich über die Genannte gesprochen hat und „nur“ eine Kontextverfälschung vorliegt (a.a.O.). Die Zitate in den Passagen Nr. 57-60 sind ebenfalls nach den nicht substantiiert angegriffenenen Feststellungen in den Vorverfahren keine Fehlzitate des Erblassers (BGH, a.a.O., Ziff. 2 sowie Rn. 106 - 108, Senat a.a.O. Rn. 324 ff.); in Ansehung dessen sind auch ihre wertende und beschreibende Einkleidung auf S. 109 f. des Buches sowie die Wertung des Beklagten zu 2), im Verhältnis zum asketisch beschriebenen Hans-RU. ZO. „…war Kohl von einem anderen Kaliber“ (S. 110 des Buches) bedenkenfrei. Ebensowenig bestehen äußerungsrechtlichen Bedenken an der Einleitung des Abschnitts mit der Bewertung der Inhalte durch den Beklagten zu 2): „Auch wenn es mitunter anders scheint, ist der CDU-Grande natürlich kein Freund seiner politischen Gegner. Auch die bekommen ihr Fett weg, mehr als genug…“ (S. 109 des Buches). Da auch das Zitat zu HA. GQ. auf S. 110 nicht substantiiert angegriffen ist und es in Kombination mit dem im Vorverfahren nicht beanstandeten Zitat in Passage Nr. 60 steht, ist die aus Rezipientensicht erkennbare Bewertung, woran der Erblasser sich gestört habe, im mittleren Absatz auf S. 110 des Buches bedenkenfrei.
613Soweit der Beklagte zu 2) das vorzeitige Ende der Zusammenarbeit des Beklagten zu 1) mit dem Erblasser auf S. 110 f. des Buches („Jammer“ (S. 110 des Buches)) bedauert und potentielle Inhalte eines vierten Memoirenbandes nach der politischen Vita des Erblassers aufzählt, ist dies eine zulässige Meinungsäußerung. Das gilt auch für die Bewertung des - nicht substantiiert angegriffenen und deswegen prozessual als wahr zu unterstellenden - Zitats auf S. 111, 2. Absatz des Buches, wonach das Gesagte die „Essenz des Hartzschen Regelwerks, das der Nachfolger HO. durchs Parlament pauken sollte“ (S. 111 des Buches) sei. Weitere Zitate und Inhaltsangaben zu den „Memoirengesprächen“ auf S. 111 f. des Buches sind nicht substantiiert angegriffen; gleiches gilt für die flankierenden Bewertungen des Beklagten zu 2). Soweit das Zitat in Passage Nr. 61 des Vorverfahrens zu ET. CB. wegen einer Kontextverfälschung untersagt ist (BGH, a.a.O., Senat a.a.O., Rn. 332), weil der Erblasser diesem das Kommandieren von Schlägern nur für die Zeit des Eierwurfs von Halle am 10.05.1991 vorgeworfen hatte und nicht tagesaktuell („noch immer“), führt dies nicht dazu, dass die Einleitung „Mit den einst stramm linken Veteranen unter den Ökopaxen wird er sich niemals vertragen:“ (S. 112 des Buches) als postmortale Persönlichkeitsverletzung anzusehen ist. Denn die kritische Grundhaltung des Erblassers zum Genannten steht ebenso außer Frage wie diejenige zu Christian SR., mag – wie oben schon zum weitergehenden Verbotsumfang zu „ist schlicht“ (S. 113 des Buches) ausgeführt, das Zitat in Passage Nr. 62 des Vorverfahrens eine Kontextverfälschung sein. Da der Erblasser nicht nur hier (in anderem Kontext) die Bezeichnung „Subjekt“ gern genutzt hat (siehe Passage Nr. 19 des Vorverfahrens als nicht beanstandetes Fehlzitat; BGH, a.a.O., Ziff. 2; Senat a.a.O., Rn. 254; mag auch die Verwendung dieses Begriffs bei Passage Nr. 90 des Vorverfahrens ein Fehlzitat im engeren Sinne gewesen sein, BGH, a.a.O. Rn. 58), ist die erkennbare Bewertung der Äußerungen durch den Beklagten zu 2) als Kapitelautor mit „ein Nomen, das zu Kohls liebsten Verwünschungen zählt.“ (S. 113 des Buches) deliktsrechtlich im Verhältnis zur Beklagten zu 3) nicht zu beanstanden. Da das weitere Zitat zu den „Weiber(n)“ (S. 113 des Buches) mangels substantiierten Angriffs prozessual als wahr zu behandeln ist, ist auch die bewertende Einkleidung „schaudert es ihn noch heute“ bedenkenfrei.
614Die nach einer im Vorverfahren vorgelegten Audiodatei tatsächlich erfolgte Umschreibung durch den Erblasser von QI. VU. als „Agentin“ in Passage Nr. 63 ist im Verhältnis zur Beklagten zu 3) zulässig (BGH, a.a.O., Rn. 109). Das gilt auch für die rein wertende Umschreibung derselben durch den Beklagten zu 2) als „Reizfigur… der ersten Stunde“ (BGH a.a.O.), gegen die postmortal erst recht keine Bedenken bestehen. Äußerungsrechtlich ebenso unbedenklich ist die subjektive Beschreibung der Haltung des Erblassers zu den Grünen durch den Beklagten zu 2) als „augenfällig moderat“ (S. 113 des Buches), zumal die Zitate und Angaben zu den Inhalten der Memoirenarbeiten auf S. 113 und 114 des Buches nicht substantiiert angegriffen und deswegen prozessual auch hier als zutreffend zu unterstellen sind. Im Anschluss daran ist die aus Sicht der Rezipienten erkennbare weitere Bewertung der Inhalte der „Memoirengespräche“ durch die vom Beklagten zu 2) als Kapitelautor vorgenommene Auswahl der Zitate mit „Nein, dem Gros der Grünen und Roten gilt die Bitternis, die Kohl in den Jahren 2001 und 2002 beim Rückblick auf seine Vita empfindet, allenfalls am Rande.“ (S. 115 des Buches) ebenfalls keine postmortale Lebensbildverfälschung. Auch hier entsteht – wie eingangs zum Beklagten zu 1) gesagt – nicht das „Zerrbild“ eines bei seinen Memoirenarbeiten nur zürnenden, verbitterten alten Staatsmannes, zumal im Kontext sogleich auch zur FDP ausgeführt wird, dass der Erblasser diese Partei – erneut aus Sicht des Beklagten zu 2) - „mit einer recht ausgewogenen Mixtur von Lob und Tadel bedacht (habe), mit nicht gar so viel Nachsicht, wie sie gelegentlich der SPD und den Grünen zuteilwurde, aber eben doch ohne den unversöhnlichen Groll, den die Parteifreunde von ihrem verstoßenen Übervater zu hören bekommen. Gute und Böse scheinen proportional bestens verteilt. Die FDP war vorrangig nützlich.“ (S. 115 des Buches).
615Auch die weiteren Zitate und Angaben zu den Inhalten der Memoirenarbeit auf S. 115 f. des Buches sind nicht substantiiert angegriffen und prozessual als wahr zu behandeln; äußerungsrechtliche Bedenken bestehen daher ebenso wenig wie gegen die begleitenden Wertungen. Da das Zitat in Passage Nr. 64 des Vorverfahrens der Beklagten zu 3) nicht als Fehlzitat untersagt ist (BGH, a.a.O., Ziff. 2; Senat, a.a.O., Rn. 337), bestehen an der Zulässigkeit der Einkleidung keine Zweifel. Gleiches gilt für das im Vorverfahren zu Passage Nr. 65 unbeanstandet gebliebene Zitat zu FE. VC.-GH. (BGH, a.a.O., Rn. 110, Senat, a.a.O. Rn. 338) unmittelbar vor der im Vorverfahren im Verhältnis zur Beklagten zu 3) unbeanstandet gebliebenen Passage Nr. 66 (Senat v. 22.06.2023 – 15 U 65/17, n.v.). Das Zitat des Erblassers zu QF. BD. ist zu Passage Nr. 67 des Vorverfahrens ebenfalls im Verhältnis zur Beklagten zu 3) nicht als Fehlzitat untersagt worden (BGH, a.a.O., Ziff. 2, Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, Anlage K 17a, AO II = BeckRS 2018, 10541 Rn. 340). Die aus Rezipientensicht erkennbar eigene Bewertung des Gesagten durch den Beklagte zu 2) als „Ungemein boshaft…“ ausfallender „Angriff“ des Erblassers auf S. 116 des Buches ist eine zulässige Meinungsäußerung des Kapitelautors. Dass sich der Erblasser zu „Sportsfreund Willi Weyer“ (S. 116 des Buches) wie beschrieben geäußert haben soll, ist nicht substantiiert in Zweifel gezogen und prozessual als zutreffend zu unterstellen.
616Die im Verhältnis zur Beklagten zu 3) nur hinsichtlich der Äußerung „Für die Masse der Bevölkerung tat er gar nichts, sondern nur für die Banken“ als Fehlzitat zu beanstandende Passage Nr. 68 des Vorverfahrens (dazu Senat v. 22.06.2023 – 15 U 65/17, n.v.) wird mit „Immerhin sehen sich auch die wirtschaftsliberalen Hardliner gehörig in den Senkel gestellt. Otto von Lambsdorff hatte Kohl 1982 mit einem für die SPD unannehmbaren Thesenpapier entscheidend mit zur Macht verholfen…“ (S. 116 f. des Buches) äußerungsrechtlich bedenkenfrei vom Kapitelautor nur bewertend eingeleitet. Da auch die weiteren auf S. 117 – 119 wiedergegebenen Zitate und Gesprächsinhalte aus den Memoirenarbeiten nicht substantiiert angegriffen und prozessual als wahr zu behandeln sind, bestehen keine deliktischen Abwehransprüche wegen unwahrer Tatsachenbehauptungen; auch die einkleidenden Bewertungen des Beklagten zu 2) als Kapitelautor sind bedenkenfrei. Bei der Passage „Helmut Kohl scheint grün vor Neid beim Blick auf seinen charismatischen Vorvorgänger…“ (S. 117 des Buches) geht es um eine Bewertung der tatsächlichen Gesprächsgegenstände. Dass die Klägerin die Bewertung als ungerecht und unfair empfinden mag, würde selbst unter Lebenden nicht zur Unzulässigkeit führen; zudem ist von dem positiven Umgang des Erblassers mit und seinem guten Verhältnis zu Willy Brandt die Rede. Wenn am Ende des Kapitels der Beklagte zu 2) als Autor die Klägerin in die Nähe von Brigitte Seebacher-Brandt rückt und das – nicht substantiiert bestrittene Zitat des Erblassers – zum Anlass nimmt, darüber nachzusinnen, dass der Erblasser nicht geahnt habe, dass „ihn wenige Jahre später, nach seinem verhängnisvollen Sturz 2008, noch zu Lebzeiten ein ähnliches Schicksal, das der faktischen Entmündigung, ereilen sollte“ (S. 119 des Buches), ist das eine zwar scharfe, aber in Ansehung der unstreitigen Gesamtumstände der letzten Lebensjahre des Erblassers u.a. mit einem Loslösungsprozess von seinen Söhnen und den Eheleuten Seeber - bewusst ohne Blick auf den Beklagten zu 1) - selbst zu Lebzeiten zulässige Würdigung gewesen; eine solche bleibt es erst recht postmortal.
Wortlautzitate und tatsächlichen Angaben zu den Inhalten der „Memoirengespräche“ auf S. 121 ff. sind nicht substantiiert bestritten und prozessual deswegen auch hier als wahr zu behandeln. Dass der Beklagte zu 2) die von ihm ausgewerteten Gesprächsinhalte stark wertend zweiteilt und die Schilderungen der ersten Ehefrau des Erblassers durch diesen in der Zeit bis zu ihrem Freitod als „nur wenig mehr als eine Fußnote“ (S. 121 des Buches), „Damenprogramm“ (S. 121 des Buches), als „in den Kellergesprächen … wenig Raum“ (S. 122 des Buches) einnehmend, nach ihrem Tod aber als „allgegenwärtig“ „wertvollste seiner Ikonen“ und scheinbare „Inkarnation guter Tugenden“ (S. 121 des Buches) umschreibt, ist als Meinungsäußerung äußerungsrechtlich zu Lebzeiten des Erblassers nicht zu beanstanden gewesen und postmortal erst recht zulässig. Soweit der Tod der ersten Ehefrau des Erblassers anhand des – prozessual als wahr zu unterstellenden – Strauß-Zitats auf S. 122 f. des Buches für den Erblasser als „Zäsur“ (S. 123 des Buches) gewertet wird, ist dies ebenso zulässig wie die Umschreibung des Erblassers als „gebrochener Mann“ (S. 123 des Buches) bei der - datenmäßig wiederum klägerseits nicht substantiiert bestrittenen - Fortsetzung der Memoirenarbeiten nach dem „Requiem“ (S. 123 des Buches) und den geschilderten, nicht substantiiert bestrittenen und deswegen als wahr zu behandelnden Angaben zu seinem Streit mit den Söhnen, zu den Kondolenzschreiben und dem Umgang damit (S. 123 f. des Buches). Ersteres ist weitgehend schon Bestandteil der Passage Nr. 69 des Vorverfahrens, die im Verhältnis zur Beklagten zu 3) unbeanstandet geblieben (BGH v. 29.11.2021 – VI ZR 248/18, GRUR-RS 2021, 39313 Rn. 143; Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, Anlage K 17a, AO II = BeckRS 2018, 10541 Rn. 344) und auch hier äußerungsrechtlich bedenkenfrei eingekleidet ist.
618Der ab S. 124 ff. des Buches beschriebene, aus Sicht des Beklagten zu 2) nunmehr die Verstorbene – die „eine Seelenverwandte“ (S. 127 des Buches) zu sein scheint - ins „Zentrum der Gespräche“ (S. 124 des Buches) rückende Umgang, ist eine zulässige Wertung der ausgewählten Gesprächsinhalte. Zulässige Meinungsäußerung ist es auch, wenn der Beklagte zu 2) das Geschehen als Außenstehender so gut einschätzen zu können meint, dass der Erblasser möglicherweise „Mag sein zum ersten Mal … in der Lage (gewesen sei), sich in die Frau, die ihm über vierzig Jahre lang angetraut war, hineinzuversetzen“ (S. 124 des Buches) und „(s)ensibel, wie es ihm, dem alten Haudegen, mancher gewiss nicht zugetraut hätte“ (S. 124 des Buches), die Krankheit und das Leiden seiner ersten Ehefrau beschrieben habe. Zitate und sonstige Gesprächsinhalte auf S. 124 ff. des Buches sind nicht substantiiert angegriffen und prozessual als wahr zu behandeln. Damit sind auch die einkleidenden Bewertungen der Gesprächsinhalte durch den Beklagten zu 2) (z.B. „Im Moment tiefster Erschütterung holt er sich die glücklichen Tage des Anfangs ins Gedächtnis zurück. Geradezu innig beschwört er eine ganz große Romanze..“ (S. 125 des Buches); „Er war monogam bis auf die Knochen und hat auf keine andere auch nur ein Auge geworfen.“ (S. 125 des Buches); „Erstaunte Frage: »Sind Sie wirklich ab der Tanzstunde miteinander gegangen?« Der Einwurf gefällt ihm. Es tut gut, sich an diesem 14. Juli 2001 der unbeschwerten Vorzeit zu erinnern.“ (S. 125 des Buches); „Es ist fast ein Leitmotiv: Damals war sie die Außenseiterin, später sieht er sich dazu gestempelt.“ (S. 127 des Buches); „Sie waren ein bodenständiges Tandem, angetreten, um sich gegen den Argwohn ihrer Mitmenschen zu verteidigen.“ (S. 127 des Buches)) äußerungsrechtlich zulässig. Auch die weiteren Bewertungen zur Rolle des Schwiegervaters in der NS-Zeit und die Sicht des Erblassers darauf („was der Schwiegersohn recht gnädig ummantelt:“ (S. 126 des Buches); „… Nun ja, er war immerhin technischer Direktor eines NS-Musterbetriebs der Rüstungsindustrie, ein verlässlich arbeitendes Rädchen in der Kriegsmaschinerie. Das aber will Kohl nicht wahrhaben, der von übler Nachrede der Medien spricht.“ (S. 126 des Buches); „Ohne Zweifel, Hannelore kam aus besseren Verhältnissen als der jüngste Sohn eines Finanzbeamten aus der Pfalz, als der Nachkömmling, der über den Lebensstil der Renners im Dritten Reich einfach nur staunte:““ (S. 126 des Buches)) sind äußerungsrechtlich bedenkenfrei. Der Erblasser wird hier auch ersichtlich nicht - seinem Lebensbild entgegen - zu einem Verharmloser des NS-Unrechts oder ähnlichem gemacht.
619Eine Lebensbildverfälschung liegt auch nicht in der aus Rezipientensicht erfolgenden Wertung des Kapitelautors auf S. 128 des Buches, wonach diese „Erfahrung der Fremdheit, des Nicht-erwünscht-Seins, die Hannelore früh machte, später das Ehepaar vereint (habe): das Gefühl, dass sie verlacht, verkannt, verfolgt werden. Und das nicht nur wegen des Fatums, ihre Mundart nicht verleugnen zu können. Wie vieler Gegner haben die beiden sich in ihrer gemeinsamen Zeit erwehrt, der Roten, der falschen Parteifreunde, des ruchlosen Mediengesindels.“; einmal mehr geht es nur um eine Würdigung der Gesprächsinhalte und des – im Kern unstreitigen – äußeren Rahmens des ersten Ehe des Erblassers. Die weiteren Zitate und Gesprächsinhalte auf S. 128 f. des Buches sind wiederum nicht substantiiert bestritten und prozessual als wahr zu behandeln. Dass der Presserummel nach der zitierten Äußerung des Erblassers bei seiner Frau die „Seele verletzt“ habe (S. 128 des Buches), ist zudem mit Blick auf die Passage Nr. 1 des Vorverfahrens (S. 21 des Buches) keine postmortale Lebensbildverfälschung des Erblassers, sondern entsprach dessen Sichtweise und auch sonstigen Formulierungen. Gegen die wertenden Einkleidungen auf S. 128 f. des Buches – auch die Bewertung des Beklagten zu 2), der Erblasser sei augenscheinlich „von Selbstmitleid nicht frei“ (S. 128 des Buches) geblieben - bestehen keine Bedenken mit Blick auf den postmortalen Achtungsanspruch. Das gilt auch für die zusammenfassende Würdigung auf S. 129 f. des Buches, wonach aus Sicht des Beklagten zu 2) die „Gespräche offenbaren, wie Kohl die Verstorbene einschätzt: als Frau, die ihren eigenen Kopf hatte – aber, wenn es ernst wurde, bedingungslos ihrem Mann beistand“ und die die „Erwartung bis zum Übersoll erfüllt“ habe und auch „bei der Spendenaffäre … ihrem Mann, soweit dies ihre schwindenden Kräfte noch zuließen, den Rücken gestärkt (habe), schon wegen der Familie.“
620Aufbauend auf die nicht substantiiert bestrittenen und deswegen prozessual als wahr zu behandelnden weiteren Zitate und Inhaltsangaben zu Juliane Weber und zur ersten Ehefrau des Erblassers sind die tatsächlichen Ausführungen auf S. 130 f. des Buches und die darauf aufsetzenden Bewertungen des Beklagten zu 2) als Kapitelautor zu der angeblich „perfekte(n), von Gerüchten umrankte(n) Symbiose“ (S. 130 des Buches) mit Juliane Weber und das „(s)cheinbar perfekt(e)“ Ausfüllen der „ihr zugedachten Rolle“ durch die erste Ehefrau, „allen eigenen Kummer weglächelnd“ (S. 130 des Buches) deliktsrechtlich zulässig. Die wertende Hinleitung „Die allseits umschmeichelte Kanzlergattin indes hielt den Staatspräsidenten für einen argen Filou:“ (S. 130 des Buches) zu der im Vorverfahren nicht als Fehlzitat untersagten Passage Nr. 70 (BGH. a.a.O., Rn. 143, Senat, a.a.O., Rn. 347) knüpft wahrheitsgemäß an das Gesagte an und trägt auch den wertenden Abschluss „Die Frau, von der Helmut Kohl so begeistert erzählt, hatte wenig mit dem höhnisch verbreiteten Klischee von der Barbiepuppe aus der Pfalz gemein. An Selbstbewusstsein hat es ihr augenscheinlich nicht gemangelt.“ (S. 130 f. des Buches). Auch hinsichtlich der weiteren tatsächlichen Angaben und Zitate auf S. 131 ff. fehlt es an einem ausreichenden Bestreiten; dagegen sowie gegen die weiteren Bewertungen dazu durch den Beklagten zu 2) bestehen ebenfalls keine äußerungsrechtlichen Einwände. Soweit auf S. 132 f. des Buches eher ein Portrait der ersten Ehefrau des Erblassers – der „Angst vor Konflikten … zeitlebens fremd gewesen zu sein (scheine)“ (S. 132 des Buches) – gezeichnet worden ist, scheidet erst recht eine postmortale Persönlichkeitsrechtsverletzung des davon allenfalls mittelbar betroffenen Erblassers aus.
621Auch die - oben schon im Zusammenhang mit dem Berufungsantrag I.2. der Klägerin behandelte - Passage auf S. 133 ist eine zulässige Bewertung unstreitig wahrer tatsächlicher Umstände durch den Beklagten zu 2) als Kapitelautor. Soweit der Beklagte zu 2) mutmaßt „Und doch scheint Kohl das Ausmaß der Verwundung nur in Ansätzen zu kennen.“ (S. 133 des Buches) und anhand – nicht substantiiert bestrittener Gesprächsinhalte – meint, man frage sich „unwillkürlich, ob er ihr wohl ernsthaft zugehört (habe und sich) bemüht (habe), die kleinen, dunklen Andeutungen zu dechiffrieren… (und sich) für seine Frau… jemals wirklich interessiert (habe)“ (S. 133 des Buches), liegt darin keine Lebensbildverfälschung. Ungeachtet der Tatsache, dass schon nicht substantiiert bestritten ist, dass die erste Ehefrau das vom Beklagten zu 2) vermutete Schicksal im Krieg erlitten hat und sie es mit den subtilen Andeutungen und dem auf S. 134 des Buches beschriebenen Argwohn gegen „beinahe jeden Russen“ sogar „selbst … ausgesprochen“ (S. 133 des Buches) habe – was u.a. auch Gegenstand der Biografie des Beklagten zu 1) über die erste Ehefrau im Jahr 2010 (Die Frau an seiner Seite, S. 56) mit Behauptung einer entsprechenden Offenbarung bei einem Spaziergang und daran wiederum anknüpfender Presseberichterstattung war - geht es aus Rezipientensicht hier um Bewertungen und Deutungsversuche des Beklagten zu 2) als Autors des Kapitels. Vor diesem Hintergrund sind auch die darauf aufsetzenden Mutmaßungen, der Erblasser habe die Problematik „zu ihren Lebzeiten offenbar nicht wahrhaben wollen“ und „das Thema seit Schülertagen beiseitegedrängt“ (S. 134 des Buches), äußerungsrechtlich als erkennbare Spekulationen des Autors über das von der Öffentlichkeit insoweit nicht konsequent verschlossene Eheleben des Erblassers mit seiner ersten Frau insgesamt nicht angreifbar. Mit den offenen Überlegungen liegt - selbst wenn man meint, dass auch der Erblasser als Ehemann von den Angaben über das Geschehen mitbetroffen sei - kein Eingriff in die absolut geschützte Intimsphäre der sich angeblich selbst dem Beklagten zu 1) öffnenden ersten Ehefrau vor, der dann zu Abwehransprüchen wegen Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts auch des Erblassers führen würde.
Prozessual als zutreffend zu behandeln und äußerungsrechtlich unbedenklich sind schließlich die weiteren, klägerseits nicht substantiiert angegriffenen Wortlautzitate des Erblassers und tatsächlichen Angaben zu den Inhalten der „Memoirengespräche“ in dem Kapitel ab S. 135 ff. des Buches. Die begleitenden Bewertungen dieser Stoffauswahl aus den umfangreichen Memoirenarbeiten durch den Beklagten zu 2) auf S. 135 ff. des Buches sind zulässige Meinungsäußerungen wie etwa „Ohne Unterlass jedenfalls besingt er im Keller den guten Geist der Freundschaft. Wohin wir auch schauen: Seelenverwandte!“ (S. 135 des Buches); „Er weiß sich mit dem Klerus im Bunde“ (S. 135 des Buches); „…dürfen auch die Größen aus der Wirtschaft nicht fehlen“ (S. 136 des Buches); „Der Gleichklang der Seelen hat seine feinen Nuancen.“ (S. 136 des Buches); „… konnte auf der nach oben hin offenen Skala der Vertrautheit nur einen Rang im Mittelfeld ergattern“ (S. 136 des Buches); „Nur in der Heimat, erst recht in den Unionsparteien, scheinen sie rar, die echten Kerle in der Politik, mit denen sich durch dick und dünn gehen lässt…. Aber die anderen in der CDU, die dieses Prädikat verdienten, die sind lange schon tot.“ (S. 136 des Buches); „Das Wesen all dieser geradezu inflationär bekundeten Freundschaften wird selten erläutert. Kohl lässt Namen fallen, mehr nicht.“ (S. 136 des Buches).
623Soweit der Beklagte zu 2) ab S. 137 ff. dazu übergeht, aus der Gesamtheit der „Memoirengespräche“ in subjektiv getroffener Auswahl die in der Kapitelüberschrift genannten „Fünf Freunde“ gleichsam „herauszudestillieren“, ist auch dies und diese Bewertung kein Eingriff in den postmortalen Achtungsanspruch des Erblassers; dass über die Genannten gesprochen worden ist, steht außer Frage. Die Zitate und tatsächlichen Angaben zu den Inhalten der Memoirenarbeiten mit Blick auf Franz Josef Strauß auf S. 137 – 143 des Buches sind wiederum nicht konkret als unwahr angegriffen und deswegen prozessual als wahr zu behandeln. Zu Passage Nr. 71 aus dem Vorverfahren auf S. 143 des Buches wird insoweit auf BGH v. 29.11.2021 – VI ZR 248/18, GRUR-RS 2021, 39313 Rn. 143; Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, Anlage K 17a, AO II = BeckRS 2018, 10541 Rn. 348 Bezug genommen. Teile der Textpassagen sind – wie eingangs genannt – in ähnlicher Form Gegenstand der Presseberichterstattung im abgetrennten Verfahren geworden, wobei die von der Beklagten zu 3) stillschweigend zu eigen gemachten Ausführungen auf S. 22 f./23 des Schriftsatzes der Beklagten zu 4) und 5) vom 20.12.2018 (Bl. 721 f./722 d.A.) klägerseits nicht substantiiert in Zweifel gezogen worden sind. Damit sind aber auch die bewertenden Einkleidungen durch den Beklagten zu 2) bedenkenfrei wie z.B. „stöhnt“ (S. 137 des Buches); „scheint…, wieder einmal mit seiner Rolle als vermeintlicher Tölpel der Partei spielend, den einstigen Triumph in vollen Zügen zu genießen“ (S. 137 des Buches); „Wenn es um die Fehden mit Strauß geht, gibt er das Delikt des Schredderns und Verschwindenlassens mit großem Vergnügen zu.“ (S. 138 des Buches); „haben selten etwas Feindseeliges.“ (S. 138 des Buches); „Wahre Männerfreunde sind schweigsam“ (S. 139 des Buches); „Die Schilderungen … offenbaren, wie Helmut Kohl die Tugend der Freundschaft begreift. Er sucht kein romantisches Bündnis, ihn reizt der lustbetonte, zweckdienliche Bruderkampf, eine Sportart, die Ausdauer und ausgefeilte Technik erfordert.“ (S. 139 des Buches); „Das hätte den, allerdings weitgefassten, Regeln des Fairplay dann doch widersprochen,“ 8S. 140 des Buches); „…dann traten, so scheint es, zwei mächtige Mannsbilder zum Fingerhakeln an und zogen einander munter über den Tisch, fanden Versöhnung mitten im Streit“ (S. 140 des Buches); „Das Bild ist ebenso böse wie treffend.“ (S. 141 des Buches); „Wohl selten wurde der Mann … so lebensnah, so präzise und bisweilen so urkomisch beschrieben wie in den Memoirenprotokollen seines Duzfreundes…“ (S. 141 des Buches); „Augenzwinkernd trifft er Strauß an seinem empfindlichsten Punkt: dem ohnehin recht angeknacksten Ego, das Kohl in der Herkunft von Strauß begründet sieht.“ (S. 141 des Buches); „Den Toten triezt er nun mit sanfter Ironie.“ (S. 142 des Buches); „Er gestattet sich ohnehin seine eigene Sicht auf den Bayern. Amüsiert gedenkt er dessen ans Paranoide grenzender Gläubigkeit an die Allmacht der Geheimdienste“ (S. 142 f. des Buches).
624Auch die Textpassage „Aber, aller Sottisen zum Trotz: Kohls Erinnerungen … haben selten etwas Feindseliges. Sie sind frei von jener Verbitterung, von all der Verachtung, mit der er etwa Geißler, OY. oder Blüm, die angeblich treulosen Gesellen aus der CDU, traktiert.“ (S. 138 des Buches) ist keine Verfälschung des Lebensbildes des Erblassers dahingehend, dass damit ohne tatsächlichen Anlass das generelle „Zerrbild“ des Erblassers als eines in Ansehung der sog. Spendenaffäre über bestimmte „treulose Gesellen“ nur noch verbittert zürnenden alten Mannes gezeichnet worden wäre. Denn wie schon mit Blick auf den Beklagten zu 1) ausgeführt, geht es aus Rezipientensicht um die Bewertung der von den Beklagten getroffenen Auswahlentscheidung aus den Gesprächsinhalten. Angesichts der jedenfalls nicht durchgehend nur positiv gehaltenen Ausführungen des Erblassers über die genannten Personen, mit denen es auch aus Anlass der sog. Spendenaffäre unstreitig zu Zerwürfnissen gekommen ist, sind die Textpassagen vom Erblasser jedenfalls postmortal hinzunehmen.
625Keine äußerungsrechtlichen Bedenken bestehen – auch hier werden Zitate und Inhalte nicht substantiiert als unwahre Behauptungen angegriffen und sind als wahr zu unterstellen – gegen die weiteren Angaben zum Gespräch vom 30.04.2001 über die posthum veröffentlichten „Strauß-Erinnerungen“ mit der sachlich auch zutreffenden Angabe „Aber auch Kohl wird seinen Ghostwriter nicht nennen.“ (S. 142 des Buches). Dass die entsprechende Bezeichnung des Beklagten zu 1) als „Ghostwriter“ im Zusammenspiel mit dem weiteren dort angesprochenen „Schreiberling“ keine Lebensbildverfälschung darstellt, wurde beim Beklagten zu 1) bereits ausgeführt. Darin liegt ungeachtet des Streits um die genaue Arbeitsweise des Erblassers und des Beklagten zu 1) bei den Memoirenarbeiten keine unwahre Tatsachenbehauptung. In Ansehung dessen ist auch die Bewertung des Beklagten zu 2) „Manchmal allerdings scheint das Urteil Kohls ein wenig selbstgerecht.“ (S. 142 des Buches) eine zulässige Meinungsäußerung.
626Zu den weiteren Absätzen betreffend Hans-Dietrich Genscher als „Männerfreund Nummer zwei“ (S. 143 des Buches) auf S. 143 – 147 fehlt es an ausreichend substantiiertem Sachvortrag der Klägerin zu den nicht im Vorverfahren behandelten Zitaten und sonstigen Inhaltsangaben, so dass auch diese prozessual allesamt als zutreffend (wahr) zu behandeln und keine postmortalen Abwehransprüche zu begründen sind. Soweit die Passage Nr. 73 des Vorverfahrens auf S. 144 des Buches allerdings ein Fehlzitat ist (BGH v. 29.11.2021 – VI ZR 248/18, GRUR-RS 2021, 39313 Rn. 54; Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, Anlage K 17a, AO II = BeckRS 2018, 10541 Rn. 352), kann die Untersagung darauf beschränkt werden. Denn der Rest des Textes kann als eigene Bewertung des Kapitelautors auf Basis des prozessual als zutreffend zu behandelnden weiteren Zitatteils stehen bleiben wie folgt: „Ist da nicht doch ein wenig Neid im Spiel – auf den Mann, der, wie der anscheinend einmal mehr von Minderwertigkeitskomplexen gepeinigte Altkanzler schmerzlich konzediert, »nie einen Finger krumm machte, (Nr. 73) aber ein hinreißendes Englisch von sich gab.« Diese Duz-freundschaft war offenkundig nicht frei von Konkurrenz.“ (S. 144 des Buches). Äußerungsrechtlich zulässig sind auch hier die zahlreichen wertenden Einkleidungen durch den Kapitelautor wie z.B. „Auch die Beziehung zu ihm ist, wie es der Art des Altkanzlers entspricht, geprägt von Ambivalenz und frotzelnder Distanz (S. 143 des Buches); „Der Altkanzler indes ist dankbar.“ (S. 145 des Buches); „Aber immerhin sei der Freund nun Popstar. … Kohl mag vom Sticheln einfach nicht lassen.“ (S. 145 des Buches).
627Die Meinungsäußerung des Kapitelautors „Es gibt eben nicht nur das vielbeschworene System Kohl, diese Symbiose von Partei, Politik und Privatinteressen, sondern auch das ungemein effiziente und trickreiche Subsystem Hans-Dietrich, das den Kanzler, der einen eigenen Namen für die Maschinerie seines Vize prägte, nicht selten bis zur Weißglut trieb: […] Und das war nur die eine Facette dieses Systems.“ (S. 144 des Buches) zu der mit Blick auf postmortale Abwehransprüche unbeanstandet gebliebenen Passage Nr. 74 (BGH, a.a.O., Rn. 143; Senat. a.a.O., Rn. 353) ist äußerungsrechtlich ebenso bedenkenfrei wie die Wertungen auf S. 145 des Buches zu den dortigen – nicht substantiiert angegriffenen – Wortlautzitaten und Inhalten der Memoirenarbeiten. Auch die – ebenfalls im Vorverfahren nicht zu postmortalen Abwehransprüchen gegen die Beklagte zu 3) führenden (BGH, a.a.O., Rn. 143; Senat. a.a.O., Rn. 354) Passagen Nr. 75 und 76 sind nur mit zulässigen Wertungen des Beklagten zu 2) eingerahmt („Wahre Freunde sind für ihn Kontrahenten auf Augenhöhe. Von diesen Partnern, mit denen gut und elegant streiten ist, gibt es in der deutschen Politik nicht viele, aber streiten tut er, wie er im Gespräch immer wieder leidenschaftlich bekennt, nun einmal für sein Leben gern. Eigentlich ist er nur am Lästern, sobald das Gespräch auf den Liberalen mit den gelben Pullis kommt: … Ein Kumpan bleibt er trotzdem.“ (S. 145 f. des Buches)). Aufbauend darauf, dass auch die Klägerin nicht konkret vorträgt, es habe die auf S. 146 des Buches geschilderte Frage des Beklagten zu 1) mit der wiedergegebenen Antwort des Erblassers nicht gegeben und auch sonst keine – sei es nicht auf Tonband aufgezeichnete - Gesprächsinhalte zu diesem Thema, ist der Textteil „Über eines aber haben die beiden offensichtlich niemals gesprochen: über die wahren Gründe, aus denen Genscher im Mai 1992 als Außenminister zurücktrat.“ (S. 146 des Buches) ebenfalls keine unwahre Tatsachenbehauptung oder sonst unzulässig. Die kritischen offenen Fragen und Überlegungen auf S. 146 des Buches im Übrigen sind zulässige Meinungsäußerungen in Kombination mit der Wiedergabe unbestrittener historischer Tatsachen.
628Im Tatsächlichen greift die Klägerin auch die Ausführungen im letzten Absatz über Hans-Dietrich Genscher auf S. 146 f. des Buches nicht konkret an, so dass auch hier von wahren Tatsachen auszugehen ist. Dann sind auch die begleitenden Bewertungen wie z.B. „In der Kunst des eigenen Machterhalts sind sie Seelenverwandte. Das hat sie, in gegenseitigem Respekt, letztlich auch privat verbunden.“ (S. 146 des Buches) zulässige Meinungsäußerungen. Die Schlusswertung des Beklagten zu 2), dass der „Rückblick auf den langjährigen Weggefährten wohl kaum so versöhnlich ausgefallen (wäre), wenn sich Genscher nicht zuvor auch in der Bewertung der CDU-Spendenaffäre … so auffallend milde gezeigt hätte. … Wie Kohl sich freut, einmal in der Rangfolge der Sünder an letzter Stelle zu stehen.“ (S. 147 des Buches) ist keine Lebensbildverfälschung des Erblassers, zumal die Klägerin nicht in Frage stellt, dass der Erblasser sich von seiner Partei beim Umgang mit der sog. Spendenaffäre ungerecht behandelt gefühlt hat, nicht aber von den Eheleuten Genscher. In Ansehung dessen muss sich sein Lebensbild als Politiker aber auch die entsprechend kritische Würdigung gefallen lassen, erst recht postmortal.
629In den Passagen zu Wolfgang Schäuble auf S. 147 – 151 des Buches rügt die Klägerin nicht ausreichend konkret unwahre Tatsachenbehauptungen und/oder Fehlzitate im engeren oder weiteren Sinne, so dass auch insofern keine Abwehransprüche zu begründen sind. Auch hier sind die flankierenden Bewertungen des Beklagten zu 2) als Kapitelautor durchweg nur zulässige Meinungsäußerungen. Selbst wenn man Formulierung „Wägelchen“ auf S. 148 des Buches, die der Erblasser unstreitig bisweilen für den Rollstuhl Wolfgang Schäubles genutzt hat (u.a. auch im inhaltlich nicht bestrittenen Interview zur Dissertation CQ., Anlage OC 10, AH III), aus Sicht des Rezipienten trotz des fehlenden Kursivsatzes im Buch (vgl. Fußnote S. 11 des Buches zur Bedeutung des Kursivsatzes) als ein Wortlautzitat aus den Memoirengesprächen verstehen möchte, ist auch insofern nicht konkret geltend gemacht, dass der Erblasser im vertrauten Kreis der Memoirenarbeiten die Formulierung nicht tatsächlich wie beschrieben verwendet hat. Sie wird hier auch nicht – was eine Verfälschung wäre - negativ konnotiert verwendet, sondern vielmehr „zartfühlend umschreibend“ (S. 148 des Buches), womit keine Zweifel an der zunächst bestehenden innigen und tiefen Freundschaft zu dem Genannten verbleiben. Die nicht konkret angegriffenen Angaben und Zitate auf S. 148 des Buches - die sich inhaltlich mit den ebenfalls nicht substantiiert bestrittenen Angaben des Erblassers in dem Dissertations-Interview mit Herrn CQ. decken - sind äußerungsrechtlich bedenkenfrei; gleiches gilt für die weiteren Angaben und Zitate auf S. 149 und S. 150 f. des Buches. Diese sind zulässige Meinungsäußerungen des Beklagten zu 2), der die jeweiligen in direkter oder indirekter Rede wiedergegebenen Inhalte nur bewertet wie: „Der Zurückgelassene indes sieht die Schuld grundlegend anders verteilt. Kohls Erklärung ist einfach: Da wollte ein Mündel Vormund sein. Beim Gespräch im Keller zu Oggersheim schlägt der Altkanzler zurück. … Einmal in Fahrt geraten, attestiert Kohl dem gewesenen Freund …“ (S. 150 des Buches); „Schon … diese jetzt, beim offenen Streit um die Spenden, in der Heftigkeit der Attacken noch weit übertroffen.“ (S. 150 des Buches); „Kohl stilisiert sich zum Mittellosen, verlangt nach Mitgefühl und ärgert sich, vermutlich nicht ganz ohne Grund.“ (S. 150 des Buches).
630Die weitere Bewertung „Doch auch Hass kann gelegentlich verbinden. Sie sind Figuren in ein und demselben Drama.“ des Zitats »Das wird nichts mehr mit ihm. Das ist eine richtige Tragödie«, spricht Kohl über Schäuble in einem düsteren Schlussmonolog. Vice versa freilich gilt das Diktum nicht minder. Das wird nichts mehr mit ihm!“ (S. 150 f. des Buches) ist vor dem Hintergrund der Gesprächsinhalte und des unstreitig über die sog. Spendenaffäre erfolgten Bruchs mit Wolfgang Schäuble keine Verfälschung des Lebensbildes des Erblassers, der hier auch nicht, wie es die Klägerin geltend macht, als nachtragend-rachsüchtig bis in den Tod usw. dargestellt wird. Nichts anderes gilt – die Zitate sind inhaltlich zusammen mit den von der Beklagten zu 3) stillschweigend zu eigen gemachten Ausführungen zu ähnlichen Teilen der Presseberichterstattung im abgetrennten Verfahren u.a. auf S. 20 des Schriftsatzes der Beklagten zu 4) und 5) vom 20.12.2018 (Bl. 719 d.A.) nicht konkret angegriffen und prozessual als wahr zu behandeln – auch für den Anschluss auf S. 151 des Buches: „In seinen Erinnerungen will Kohl den bitteren Bruderzwist nur am Rande streifen: … Allerdings dürfe der Hinweis nicht fehlen, »dass er – ob durch Unfähigkeit oder Absicht – in der Spendengeschichte alle Feinde eingeladen hat zu diesem Vernichtungsfeldzug, der ihn dann selbst mitgerissen hat«.“ (vgl. auch Senat v. 22.06.2023 – 15 U 135/22, n.v. u.a. zu Passage (7-IV)). Auch die Bewertung „Der größte Feind der Freundschaft ist nun einmal der Verrat…“ (S. 151 des Buches) in Verbindung mit der nicht substantiiert als unwahr angegriffenen Inhalts/Zitatwiedergabe ist äußerungsrechtlich nicht zu beanstanden. Soweit bei dem angesprochenen „Verrat“ das vom Erblasser geäußerte Unverständnis über den Umgang mit der sog. Spendenaffäre mitzudenken ist und das „Geben und Nehmen“ als Wechselspiel einer Freundschaft umschrieben wird, wird auch damit nicht das Zerrbild des Erblassers als käuflicher Machtpolitiker gezeichnet, sondern der Beklagte zu 2) bewertet nur zulässig den Inhalt der Äußerungen des Erblassers.
631Beanstandungsfrei sind die Passagen auf S. 151 – 154 zu Michail Gorbatschow. Zitat und Inhaltsangaben auf S. 152 f. sind nicht konkret angegriffen und prozessual als wahr zu behandeln. Die begleitende Bewertung durch den Beklagten zu 2) begründet keine postmortalen Abwehransprüche. Das der Beklagten zu 3) im Vorverfahren im Kontext der historischen Behandlung des sog. Goebbels-Zitats nicht als Fehlzitat untersagte Zitat zu Friedhelm Ost in Passage Nr. 77 (BGH, a.a.O., Rn. 143; Senat, a.a.O., Rn. 356) ist mit „Noch im Memoirengespräch im Oktober 2001 schiebt er den Skandal in erster Linie seinem einstigen Pressechef Friedhelm Ost in die Schuhe:“ (S. 152 des Buches) nur zulässig bewertet. Das gilt auch für die – Zitate und Inhalte sind weiter nicht konkret angegriffen – Angaben und Wertungen auf S. 153 des Buches. Die Einleitung “Die deutsche Einheit – da kennt Kohl keinen Zweifel – war keine Morgengabe unter Freunden, sondern ein Produkt der ökonomischen Notwendigkeit:“ (S. 153 f. des Buches) ist eine aus Rezipientensicht erkennbar Bewertung der Gesprächsinhalte durch den Beklagten zu 2) als Kapitelautor, die das im Vorverfahren zu Passage Nr. 115 auch nicht als Fehlzitat erkannte, sondern der Beklagten zu 3) nicht verbotene Zitat zu den „Bücher(n)“ (BGH, a.a.O., Rn. 143; Senat. a.a.O., Rn. 423) einleitet. Dass der Erblasser sich bei den Memoirenarbeiten in diesem Zusammenhang tatsächlich über die Gründe des Genannten für das Anstoßen von notwendigen Reformen (u.a. auch unter dem Eindruck der finanziellen Belastungen durch den Rüstungshochlauf) geäußert hat, bietet – auch die weiteren Inhaltsangaben und Zitate sind nicht konkret angegriffen – schon für sich genommen eine ausreichende Basis für die anschließenden eigenen Bewertungen des Beklagten zu 2) direkt nach dem Zitat aus Passage Nr. 115 wie folgt „Weder das seine noch die DDR. Im Rückblick für die Memoiren erscheint der Mann, der eine Weltmacht umbauen wollte, nicht als Visionär, sondern als eine Art Konkursverwalter, der letzte Pfründe zu retten und mit gekonntem Auftritt den letzten Stolz des zerfallenden Sowjetreichs zu wahren versucht. Das waren keine Gespräche mehr von Gleich zu Gleich. Gewiss, beim entscheidenden Treffen im Kaukasus saß man in trautem Räuberzivil beieinander… – eine augenfällige Distanz aber blieb….“ (S. 153 des Buches). Die im Vorverfahren ebenfalls im Verhältnis zur Beklagten zu 3) unbeanstandet gebliebene Passage Nr. 116 zum politische Schicksal Michail Gorbatschows (BGH, a.a.O., Rn. 143; Senat. a.a.O., Rn. 424) ist äußerungsrechtlich mit den Bewertungen und wertenden Einkleidungen der (wahren) Inhalte der Memoirenarbeit durch den Beklagten zu 2) zulässig:„Die Geschichte werde wohl über Michail Sergejewitsch hinwegziehen, meint Kohl.: … Ob Gorbatschow ein großer Gescheiterter sei? … Da auf einmal scheint er Kohl ganz nah, der das bilanzierende Gespräch für seine Memoiren nicht zuletzt als »Meditation am Ende eines politischen Lebens« begreift.“ (S. 154 des Buches).
632Postmortale Ansprüche lassen sich auch nicht mit Blick auf die Passagen auf S. 154 – 156 über Boris Jelzin konstruieren. Zitate und Inhaltsangaben aus den Memoirengesprächen sind klägerseits erneut nicht konkret angegriffen und deswegen prozessual als wahr zu behandeln; Abwehransprüche bestehen nicht. Auch die diese Fakten einkleidenden Bewertungen des Beklagten zu 2) wie z.B. „Aber sonst stand ihm ein anderer deutlich näher“ (S. 154 des Buches); „Immer wieder stellt Kohl die beiden, die einander spinnefeind waren, gegenüber – und lässt nie einen Zweifel daran, wer ihm der Liebere ist:..“ (S. 154 des Buches); „Wenn er über den Bauernsohn aus dem Ural spricht, scheint Kohl geradezu von seinem Alter Ego zu schwärmen. Diesem zu Unrecht Verkannten verwandelt er sich liebend gerne an.“ (S. 154 des Buches); „So ergeht es den Mutigen eben.“ (S. 154 des Buches); „Eigentlich ist die Lehre recht einfach: Männer von ganzem Schrot und Korn begehen nun einmal lässliche Sünden. Der eine säuft, der andere hurt. Und der dritte nimmt es mit den Paragraphen des Parteiengesetzes nicht ganz genau. Auch Freunde in der Politik… sind nun einmal Menschen von Fleisch und Blut.“ (S. 155 des Buches); „Mit Jelzin jedenfalls hat er gern die Weltgeschichte vorangetrieben. Und das nicht nur in öden Sitzungszimmern.“ (S. 155 des Buches); „wie Kohl nicht eben freundschaftlich anmerkt“ (S. 155 des Buches); „Da ist sie endlich, die freundschaftliche Brüderschaft im Geiste Hölderlins: eine Seele in zwei schwitzenden Leibern!“ (S. 155 des Buches) sind äußerungsrechtlich – zumal postmortal –bedenkenfrei.
Mangels substantiierter klägerischer Angriffe ist im Verhältnis zur Beklagten zu 3) prozessual davon auszugehen, dass die weiteren Zitate und sonstigen Angaben zu den Inhalten der „Memoirengespräche“ im Kapitel ab S. 157 ff. des Buches wahr sind, so dass auch insofern keine postmortalen Abwehransprüche zu begründen sind. Die die Inhalte und den Erblasser als Person aus Sicht des Beklagten zu 2) bewertenden Textstellen sind äußerungsrechtlich nicht anzugreifen, also z.B.: „… aber lässt der Reiz des Fremden eigentümlich kalt. Er ist nicht Abenteurer, sondern Stratege. Der Aufbruch an einen entlegenen Ort scheint ihm kaum mehr als ein notwendiges Übel: Die Weltpolitik verlangt nun eben gelegentlich nach Treffen fernab der Heimat. Die Stätten, an die es ihn dabei verschlägt, ihre Gerüche, ihre Urbanität, ihre Natur, scheinen ohne Belang.“ (S. 157 des Buches).; „Nur von St. Gilgen am Wolfgangsee schwärmt er… Sonst aber ist in Kohls Kosmos wenig Platz für schmückendes Beiwerk. Er hat es lieber konkret und spielt daheim die Winkelzüge der eigenen Staatskunst durch.“ (S. 157 f. des Buches); „Er sah sich als politischer Schachspieler, der dem Kontrahenten meist um einige Züge voraus war.“ (S. 158 des Buches); „Kohl wollte nicht Vordenker der Republik sein. Er wollte Fakten schaffen, mit ganzer Manneskraft gestalten.“ (S. 158 des Buches). Dies gilt umso mehr, als die Klägerin auch in der Sache nicht bestreitet, dass der Erblasser im Hinblick auf die Gestaltungsmöglichkeiten tatsächlich selbst lieber als Bundeskanzler tätig war und nicht Bundespräsident hätte sein wollen. Damit sind auch Passagen wie „Das prestigeträchtige, im Ränkespiel der Parteien leidenschaftlich umkämpfte … Präsidentenamt führte in seinen Augen geradlinig auf das politische Abstellgleis. Darum hat er sich Ende der siebziger Jahre… vehement dagegen gewehrt, in die Villa Hammerschmidt abgeschoben zu werden…“ (S. 158 des Buches) bedenkenfrei, weil sie auf wahren historischen Fakten aufsetzen.
634Dass „der Altkanzler, wie seine persönliche Bewertung der bisherigen Präsidenten zeigt, nicht gerade eine hohe Meinung von diesem Amt und dessen Verwaltern“ (S. 159 des Buches) gehabt habe, und aus seiner Sicht „dieser Posten zwar wichtig im Gefüge der politischen Macht (sei), … ernst genommen (habe) er die Staatsoberhäupter nicht. Sie kamen und gingen – und sollten vor allem eines: seine eigenen Kreise nicht stören. Und ansonsten Ministerurkunden aushändigen, Weihnachtsansprachen halten und auf weltweite Visite gehen.“ (S. 160 des Buches), ist – wie bei den anderen Einkleidungen im Folgenden – jeweils nur eine zulässige Meinungsäußerung des Kapitelautors auf Basis der mitgeteilten Zitate und Gesprächsinhalte zu Theodor Heuss, Heinrich Lübke, Gustav Heinemann, welche wiederum prozessual mangels konkreter Sachangriffe allesamt als wahr zu behandeln sind. Das gilt auch für die erkennbar auf die Äußerungen des Erblassers aufsetzenden Einschätzungen etwa zu der Sympathie zu Gustav Heinemann, aber auch das selbst gezogene Fazit, der Erblasser habe offenbar „nicht allzuviel anzufangen“ gewusst mit ihm, „findet einfach keinen Bezug zu dem Amt“ (S. 162 des Buches); scheine gar „einen Alien zu beschreiben, einen verschrobenen, wenn auch ehrenwerten Idealisten, der sich in das bestehende System einfach nicht einfügen mag:“ (S. 162 des Buches) und „Kurzum, für Helmut Kohl blieb auch dieser Präsident ein Fremder.“ (S. 162 des Buches). Das mag der Klägerin ungerecht erscheinen, wäre aber selbst unter Lebenden äußerungsrechtlich nicht zu beanstanden gewesen; eine postmortale Persönlichkeitsrechtsverletzung lässt sich nicht im Ansatz erkennen.
635Auf Basis der Passage Nr. 78 des Vorverfahrens zur „Präsidentschaft der Belanglosigkeit“, in Sachen I. Scheel, wegen der keine postmortalen Abwehransprüche gegen die Beklagte zu 3) bestehen (Senat v. 22.06.2023 – 15 U 65/17, n.v.) und zu der ebenfalls konkreter Vortrag der Klägerin fehlt, ist auch die wertende Einleitung durch den Beklagten zu 3) im Anschluss an die Feststellung, schon Gustav Heinemann sei für den Erblasser ein „Fremder“ geblieben auf S. 143 des Buches mit „Das galt für dessen Nachfolger erst recht. I. Scheel, den Mitarchitekten der ersten sozialliberalen Koalition, hat Kohl geradezu verachtet:.“ keine Verletzung des postmortalen Achtungsanspruchs. Die weiteren Zitate und Inhaltsangaben auf S. 163 sind nicht substantiiert angegriffen. Dass der Erblasser tatsächlich »Er ist hoch auf dem gelben Wagen durchs Land gefahren.« gesagt hat, war bereits Gegenstand der Ausführungen im Vorverfahrern zu Passage Nr. 66 (vgl. auch Senat v. 22.06.2023 – 15 U 65/17, n.v.); konkreter Sachvortrag dagegen fehlt. Auch die weitere Bewertung des Beklagten zu 2) „Helmut Kohl formuliert ein Abgangszeugnis, das kaum vernichtender hätte ausfallen können:“ (S. 163 des Buches) ist als Hinleitung zu dem der Beklagten zu 3) ebenfalls nicht untersagten, inhaltlich wenig schmeichelhaften Zitat in Passage Nr. 79 des Vorverfahrens (BGH v. 29.11.2021 – VI ZR 248/18, GRUR-RS 2021, 39313 Rn. 143; Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, Anlage K 17a, AO II = BeckRS 2018, 10541 Rn. 358) bedenkenfrei.
636Die Ausführungen zu Karl Carstens auf S. 163 f. sind wiederum mangels konkreten Angriffs prozessual als wahr zu behandeln, so dass gegen die Zitate, Tatsachenbehauptungen und begleitenden Meinungsäußerungen des Beklagten zu 2) wie z.B. „Vermutlich hat keiner der Bundespräsidenten Kohls Erwartungen verlässlicher erfüllt als der Hanseat aus Bremen:“ (S. 164 des Buches); „Aus solchem Holze sollten Bundespräsidenten wohl geschnitzt sein.“ (S. 164 des Buches) keine Bedenken bestehen.
637Zu den anschließenden Ausführungen zu Richard von Weizsäcker sind ebenfalls keine weitergehenden postmortalen Abwehransprüche zu begründen. Das Zitat in Passage Nr. 80 des Vorverfahren ist der Beklagten zu 3) nicht untersagt (BGH, a.a.O., Rn. 143; Senat, a.a.O., Rn. 359) und dass es die Initiative des Genannten gab, ist als solches unstreitig. In Ansehung der kritischen Grundhaltung des Erblassers – der nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin auf S. 94 der Replik (Bl. 560 d.A.) den ehemaligen Bundespräsidenten u.a. als jemanden bezeichnet hat, der „in Wirklichkeit ein stupider Egozentriker ist, nicht mehr und nicht weniger“ – ist die einkleidende Bewertung des Beklagten zu 2), ein „getreuer Parteisoldat … (sei) der Mann mit dem Drang zu Höherem und dem Hang zur eigenen Meinung selten (gewesen)“ (S. 165 des Buches), keine Verletzung des postmortalen Achtungsanspruchs des Erblassers. Da die Klägerin als historische Tatsache nicht bestritten hat, dass der Erblasser Mühe hatte, den Genannten im Jahre 1981 dazu zu bewegen, das Amt als Regierender Bürgermeister in Berlin anzutreten, kann die im Vorverfahren der Beklagten zu 3) wegen einer Kontextverfälschung untersagte Wortlautpassage Nr. 81, die sich tatsächlich auf eine andere Wahl bezogen hat (BGH, a.a.O., Rn. 55), hier isoliert herausgestrichen werden, der Rest der Passage als im Kern zutreffende Behauptung aber stehen bleiben.
638In Ansehung der Tatsache, dass der Beklagten zu 3) auch die Wortlautpassagen Nr. 82 und 83 in den Vorverfahren nicht untersagt worden sind (BGH, a.a.O., Rn. 114 und Senat v. 22.06.2023 – 15 U 65/17, n.v.) und auch hier konkrete Angriffe der Klägerin fehlen, sind auch die durch den Beklagten zu 2) erfolgenden bewertenden Einkleidungen „Viel Freude aber hat Helmut Kohl an dem auf die eigene Kontur bedachten Präsidenten nicht gehabt, denn der hat das ersehnte Amt dazu benutzt, um weiterhin eigenes Profil zu schärfen. Weizsäcker schien in hohem Maße konkurrent, vielleicht sogar gefährlich: … Mit wenigen Strichen skizziert Kohl sein Wunsch- und sein Schreckbild eines deutschen Bundespräsidenten: Hier der getreue Karl Carstens, dort der egozentrierte Richard von Weizsäcker, der die Kohlsche Hackordnung nicht akzeptieren und sich partout nicht unterordnen wollte. Vom ersten Tag an habe der Freiherr aus Stuttgart daran gearbeitet, das Bild seines Vorgängers Karl Carstens »PR-mäßig wegzuwischen«. Aber 1994 liefen dann auch seine Tage in Schloss Bellevue ab.“ (S. 165 des Buches) äußerungsrechtlich zulässig.
639Dass der Beklagte zu 2) das in den Gesprächsinhalten zum Ausdruck kommende Verhältnis zwischen dem Erblasser und Richard von Weizsäcker als „tiefe Animosität“ (S. 166 des Buches) umschreibt, man sich mit „unverhohlenem Misstrauen“ bzw. dem „Gefühl steter Konkurrenz“ begegnet sei (beides S. 166 des Buches), wobei der der „Stachel … tief (sitze)“ (S. 167 des Buches), begründet auf Basis der übrigen - im Tatsächlichen nicht konkret angegriffenen und deswegen als wahr zu behandelnden - Angaben auf S. 166 f. des Buches keine postmortale Persönlichkeitsrechtsverletzung. Der Erblasser wird auch hier nicht mit einem „Zerrbild“ als „rachsüchtiger Alter“ dargestellt, sondern es werden vielmehr die ausgewählten Passagen, in denen sich der Erblasser kritisch und inhaltlich insgesamt eher negativ über Richard von Weizsäcker äußert, jeweils eingeordnet und bewertet. Zwar klingt auf S. 167 des Buches in der klägerseits nicht angegriffenen Passage „der sich beschwerlich durchgeboxt hat, im Alter die Trümmer seines privaten und politischen Lebens sortiert“ an, dass die Memorenarbeiten vermeintlich in wesentlichen Teilen unter dem Eindruck auch der sog. Spendenaffäre und des Todes der ersten Ehefrau des Erblassers stattgefunden haben, doch ist das zum einen so tatsächlich gar nicht falsch und zum anderen eine zulässige Bewertung des Kapitelautors. Das gilt auch, soweit im Zusammenhang mit der Passage Nr. 84 des Vorverfahrens – wegen der keine Ansprüche gegen die Beklagte zu 3) bestehen (BGH, a.a.O, Rn. 143, Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, Anlage K 17a, AO II = BeckRS 2018, 10541 Rn. 366) – über die Frage, ob der Erblasser „am Ende auf die wegen ihrer beredten Klugheit über die Parteigrenzen hinaus beliebte Lichtgestalt der deutschen Politik neidisch“ gewesen sei, vom Beklagten zu 2) offen nachgedacht wird, weil „Grund dazu … gegeben (zu sein scheint).“ (S. 166 des Buches).
640Die auf den S. 167 – 169 des Buches erfolgende Einkleidung der Passage Nr. 85 aus dem Vorverfahren, wegen der keine postmortalen Abwehransprüche gegen die Beklagte zu 3) bestehen (Senat v. 22.06.2023 – 15 U 65/17, n.v.), ist bedenkenfrei, denn der Satz „Auch nach dem niedergeschlagenen Putsch vom September 1989 gab es permanent Ärger mit dem Staatsoberhaupt.“ (S. 167 f. des Buches) ist lediglich eine bewertende Umschreibung des Gesagten durch den Beklagten zu 2) als Kapitelautor. Auf S. 168 des Buches wird nur – im tatsächlichen nicht konkret angegriffen und deswegen ebenfalls als wahr zu unterstellen – die Haltung des Erblassers und seine genaue Kenntnis von den Inhalten der Memoiren des Kontrahenten bewertet, die aus Passage Nr. 85 des Vorverfahrens resultierende „Verbitterung“ bewertend relativiert, „obgleich Präsident und Kanzler inhaltlich in letzter Konsequenz nicht weit auseinanderlagen.“ (S. 168 f. des Buches). Dies wird auf Basis der unbestrittenen historischen Fakten und Gesprächsinhalte durch den Beklagten zu 2) abschließend bewertet: „Doch die präsidialen Alleingänge widersprachen der Hierarchie im System Kohl. Wer die eigene reine Lehre über das Gesamtwohl der Partei stellte, wer aus der großen Familie ausscherte, der wurde verbannt und war für immer verloren.“ (S. 169 des Buches). Dieses - wenn auch scharfe - Fazit stellt keine Verletzung des Lebensbildes des Erblassers dar, sondern ist nur eine mit Blick auf Art. 5 Abs. 1 GG zulässige Würdigung des unbestreitbar schwierigen Verhältnisses des Erblassers zu Richard von Weizsäcker. Die abschließende Passage Nr. 86 ist im Vorverfahren ebenfalls unbeabstandet geblieben (BGH, a.a.O., Rn. 143; Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, Anlage K 17a, AO II = BeckRS 2018, 10541 Rn. 370).
641Die Ausführungen auf den S. 169 ff. des Buches zu Roman Herzog begründen ebenfalls keine weitergehenden Abwehransprüche. Inhalte der Gespräche und/oder Zitate werden erneut nicht substantiiert angegriffen und sind daher prozessual auch hier als wahr zu unterstellen; Abwehransprüche bestehen ebenso wenig wie gegen die wertenden Einkleidungen durch den Beklagten zu 2) wie z.B. “von anderem Schrot und Korn“ (S. 169 des Buches); „gehörte auch als Präsident zum Clan“ (S. 169 des Buches); „war für die Republik wohl auch ganz gut so“ (S. 169 des Buches); „Er hat ihn schlicht ins Herz geschlossen:“ (S. 170 des Buches); „Fürwahr, eine Formel des Glücks!“ (S. 170 des Buches). Auch der Einschub zu Steffen Heitmann auf S. 170 f. des Buches – Zitate und Inhalte sind auch hier nicht substantiiert angegriffen und deswegen prozessual als wahr zu unterstellen – ist äußerungsrechtlich bedenkenfrei und als Einkleidung zu der im Vorverfahren ebenfalls nicht zu postmortalen Abwehransprüchen gegen die Beklagte zu 3) führenden Passage Nr. 87 (BGH a.a.O., Rn. 117) zulässig. Dass es sich bei der wiedergegebenen negativen Einschätzung der ersten Ehefrau des Erblassers um die „entscheidende Hürde“ (S. 171 des Buches) für die Kandidatur von Steffen Heitmann als Bundespräsident gehandelt habe -was zweifelhaft sein mag (Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, Anlage K 17a, AO II = BeckRS 2018, 10541 Rn. 371) -, ist ersichtlich nur eine eigene wertende Einschätzung des Beklagten zu 2) als Autor dieses Buchabschnitts (BGH a.a.O.), die zwar im tatsächlichen schief/unvollständig sein mag, aber äußerungsrechtlich nicht (erst recht nicht postmortal) zu beanstanden ist. Gleiches gilt für die anschließende Bewertung auf S. 171 des Buches, zumal das weitere Zitat dort nicht konkret als Fehlzitat angegriffen ist und diese Teile von der – obendrein nur teilweise untersagten – Passage Nr. 88 des Vorverfahrens (BGH, a.a.O., Rn. 118, 142 ff.) zu trennen sind. Postmortale Unterlassungsansprüche bestehen zuletzt auch nicht mit Blick auf die Absätze auf S. 171 f. des Buches, die im wesentlichen zulässige Meinungsäußerungen des Beklagten zu 2) zu den Memoirengesprächen darstellen (etwa „Nein, eigentlich sind sie ihm alle wesensfremd, die Präsidenten, … in ihren noblen Schlössern, Redouten und Residenzen. Sie werden nicht einmal vom Volk gewählt. Sie lassen sich küren, nach oft unwürdigem Gezerre, anstatt, wie Kohl, im Wahlkampf das direkte Duell zu suchen. Politik ohne Schweiß zählt für ihn nicht: … Gerade darum hat Helmut Kohl seinen Beruf so geliebt, der es ihm ermöglichte, immer wieder aufs Neue in den Ring zu steigen.“, S. 171 f. des Buches). Diese Meinungsäußerungen erfolgen auf Basis nicht konkret angegriffener Zitate und ohnehin auch tatsächlichen Inhaltsangaben, die der Senat prozessual deswegen als wahr zu behandeln hat. Die Passage Nr. 89 aus dem Vorverfahren, die ein Fehlzitat darstellt (BGH, a.a.O., Rn. 57), ist hier abtrennbar, so dass der Rest als zulässige Meinungsäußerung verbleiben kann.
Äußerungsrechtlich bedenkenfrei sind schließlich die weiteren Passagen in dem Kapitel ab S. 173 ff. des Buches. Bis hin zu S. 176 des Buches sind zunächst wiedergegebene Zitate und Inhalte der Gespräche klägerseits nicht substantiiert in Zweifel gezogen und deswegen prozessual als wahr zu unterstellen. Die auf dieser Tatsachenbasis - und der unstreitig von Politikern und von Medien erfolgten scharfen Kritik am Verhalten des Erblassers im Zusammenhang mit der sog. Spendenaffäre sowie seinem erheblichen Ansehensverlust - erfolgten eigenen Bewertungen des Beklagten zu 2) als Autor des Kapitels („Er ist aufs Tiefste gekränkt und verletzt, aus seiner Perspektive durchaus zu Recht. … Kohl findet nicht mehr statt. Seine Verdienste, die doch unstrittig sind, fallen, gerade bei den Parteifreunden von einst, einfach unter den Tisch.“ (S. 173 des Buches); „Schwamm drüber! Das Kapitel über Kohls nationale Mission darf, so zentral sie für sein Wirken auch ist, angesichts der Flut von Publikationen zum Thema eher knapp ausfallen. Einige neue, bemerkenswerte Facetten bergen die Protokolle aber doch.“ (S. 174 des Buches)) begründen keine postmortalen Abwehransprüche. Gleiches gilt für die flankierenden Einordnungen der Äußerungen des Erblassers als „neidischen Groll (über den) gnädig der Mantel des Vergessens gebreitet (sei)“ (S. 174 des Buches)“, „Wutattacken… sind lang schon verpufft… was Kohl später am Mikrophon im Keller voller Ingrimm kommentierte“ (S. 174 des Buches), „Aufschlussreich scheint etwa, wie sehr sich Kohl in der autobiographischen Rückschau bemüht….ins rechte Licht zu rücken“ (S. 174 des Buches). Denn substantiiertes Vorbringen/Bestreiten, was die Beklagte zu 3) dann ggf. zumindest im Wege der sekundären Darlegungslast zu weiterem Sachvortrag hätte anhalten können, fehlt auch zu diesen Stellen. In den fraglichen Textpassagen wird kein „Zerrbild“ eines im Keller zürnenden alten Mannes gezeichnet, sondern gerade betont, dass etwaige Gefühlsregungen keine Rolle gespielt haben und bei den (angeblich) neuen Facetten letztlich – wie auch wiedergegeben – eher Inhalte bzw. Sachfragen im Vordergrund gestanden haben; auch insofern geht es ohnehin um eine Bewertung der Inhalte durch die Memoiren. Nachdem auf S. 175 des Buches die beschriebene „Devisenspritze“ äußerungsrechtlich zulässig eingeordnet wird („Die deutsche Einheit: ein trickreich eingefädeltes Geschäft! (S. 175 des Buches)), äußert der Beklagte zu 2) auf Basis der von ihm aus Rezipientensicht erkennbar ausgewerteten Auswahl von Gesprächsinhalten zulässig seine Meinung dahingehend, dass der Erblasser bei dem Ziehen der „Bilanz“ aus seiner Sicht augenscheinlich „offen (benannt habe), wie groß der Unterschied gelegentlich (gewesen sei) zwischen der öffentlich propagierten Anschauung und dem, was er wirklich dachte.“ (S. 175 des Buches). Das wird auf den Folgeseiten vom Beklagten zu 2) darauf fokussiert, dass sich der „Vater der Einheit“ (Kapitelüberschrift) zwar am 19.12.1989 vor der Frauenkirche in Dresden mit seiner teilweise zitierten „Rede des Aufbruchs“ noch „sichtlich ergriffen“ vor den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Montagsdemonstrationen „verneigt…“ und mit der verdienstvollen Rede auch die „Marschrichtung klar definiert…“ habe in Richtung Einheit. In weiterer Auswertung der - inhaltlich nicht substantiiert angegriffenen und prozessual als wahr zu behandelnden – sonstigen Inhalte der Memoirengespräche kommt der Beklagte zu 2) aus Rezipientensicht dann für sich zu dem Schluss, dass der Erblasser, was die „Bürgerrechtler und Montagsdemonstranten anging, … im Stillen aber wohl ein wenig anders (gedacht habe), als er vor den Trümmern der Frauenkirche kundgetan hatte.“ (S. 177 des Buches). Neben einem – inhaltlich nicht bestrittenen – Argwöhnen des Erblassers über etwaige Mitwirkungsanteile der Staatssicherheit bei den Friedensgebeten mit der bewertenden Einkleidung („Der Tugend des zivilen Ungehorsams hat der Altkanzler schon immer misstraut.“, S. 177 des Buches) versteht der Beklagte zu 2) subjektiv die Gesprächsinhalte für sich so, dass „(v)on dem einst mit viel Pathos bekundeten Respekt vor dem todesmutigen Marschieren … in den Kellergesprächen nicht viel zu hören“ gewesen sei (S. 177 des Buches) und der Erblasser, der „nicht mehr diplomatisch mit Samtfüßen auftreten“ müsse, u.a. dazu auch ausgeführt habe, dass „die gern verbreitete Annahme nun einmal irrig sei, »der Heilige Geist sei über die Plätze in Leipzig gekommen und habe die Welt verändert«.“ (S. 177 des Buches). Mit Blick auf diese Passage im Buch ist das Zitat im hiesigen Verfahren nicht substantiiert angegriffen worden. Dies ist allenfalls mit Blick auf einige Presseberichterstattungen im abgetrennten Verfahren (und auch dies dezidierter erst nach der Abtrennung, vgl. Senat v. 22.06.2023 – 15 U 135/22 zu Passage (15-IV)); die Transkription der Beklagten zu 4) und 5) auf S. 24 f. des Schriftsatzes vom 20.12.2018 (Bl. 723 f. d.A.), die die Beklagte zu 3) sich stillschweigend zu eigen gemacht hat) erfolgt. Vor der Abtrennung ist dies weder konkret in Zweifel gezogen worden noch ist eine nähere Auseinandersetzung mit dem Transkript OC 142 aus dem Vorverfahren im Vorfeld der Passage Nr. 115 des Vorverfahrens erfolgt. Ist damit schon mangels konkreten Sachangriffs der Klägerin das Zitat prozessual als wahr zu unterstellen, ist die Bewertung des Beklagten zu 2) zwar sicher ebenso scharf wie die Folgebemerkung „Bestenfalls als Beiwerk des Umbruchs begreift er den Aufstand der Bürgerrechtler und Prediger aus dem untergegangenen Arbeiter- und Bauernstaat. Für so manchen der Aufmüpfigen hat er nur Hohn:“ (S. 177 des Buches), die zu dem im Vorverfahren unbeanstandet gebliebenen Satzteil „Es ist doch dem Volkshochschulhirn von Thierse entsprungen, dass das auf den Straßen entschieden wurde.“ als Teil von Passage Nr. 90 überleitet, während nur der (einfach austrennbare) Rest des Zitats im Übrigen ein Fehlzitat war (BGH v. 29.11.2021 – VI ZR 248/18, GRUR-RS 2021, 39313 Rn. 17, 28, 58, 119, 142; Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, Anlage K 17a, AO II = BeckRS 2018, 10541 Rn. 375). Das ändert aber nichts daran, dass aus Sicht des Erblassers das u.a. von Wolfgang Thierse gepflegte Narrativ der besonderen Verdienste der Bürgerbewegung für den Zusammenbruch des DDR-Systems deutlich zu monokausal war und aus seiner Sicht gerade nicht alles allein auf den Straßen entschieden worden war. Die folgende – auf ein weiteres nicht konkret angegriffenenes und deswegen prozessual als wahr zu behandelndes Zitat gestützte - Textpassage „Nein, das DDR-System sei aus einem anderen Grunde in sich zusammengebrochen, da nimmt Kohl kein Blatt vor den Mund: weil Gorbatschow nämlich »dem Comecon habe sagen müssen: ›Von uns gibt es kein Bimbes mehr. Macht, was ihr wollt!‹« Nicht Bürgermut, sondern dem »Bimbes« verdanken wir also die nationale Einheit.“ (S. 177 des Buches) schließt das entsprechend ab. Dies mündet in die weiteren – im Tatsächlichen nicht konkret angegriffenen - Passagen auf S. 177 f. des Buches mit der eigenen Wertung des Beklagten zu 2) „Wäre der große sowjetische Bruder nicht rundum blank gewesen, der letzten Bimbes-Reserven beraubt, hätten die Geschehnisse im Herbst 1989 wohl einen anderen Ausgang genommen. Womöglich hätte schon eine Drohgebärde aus Moskau genügt“ (S. 178 des Buches). Die erneut nicht konkret bestrittenen Ausführungen des Erblassers zu den Gefahren eines gewaltsamen Niederschlagens der Bürgerbewegung und etwaigen internationalen (Nicht-)Reaktionen in Angst vor einem globalen Konflikt – dass der Erblasser diese Ansicht teilte, wird nicht bestritten - werden abschließend vom Beklagten zu 2) gewürdigt: „Das ist nicht eben vornehm formuliert, doch vermutlich liegt Kohl mit seiner Einschätzung richtig.“ (S. 178 des Buches). Auf S. 178 f. des Buches kehrt die Darstellung erneut zur wirtschaftlichen Zwangssituation des Ostblocks zurück, bei der der Erblasser – nach der Wertung des Beklagten zu 2) „mit dem System von Leistung und Gegenleistung wie kaum ein anderer Regent in Westeuropa vertraut… dem Führer der Sowjetunion in ihrer ökonomisch wohl schwersten Stunde ein Angebot für die Überlassung der DDR (unterbreitet habe), das dieser kaum ausschlagen konnte. Man kann die Dinge auch durch Anfüttern, durch diskret eingefädelte Geschäfte, zum Guten wenden.“ (S. 178 des Buches). Dies mündet in die – im Tatsächlichen nicht substantiiert angegriffenen und prozessual als zutreffend zu behandelnden – Angaben und Zitate auf S. 179 – 180 des Buches und die (zulässigen) einkleidenden weiteren Wertungen wie z.B. „Erinnern wir uns, was Kohl über das Wesen der Freundschaft sagte: Gelegentlich müsse man, um Vertrauen zu stiften, auch in Vorleistung treten. Es sollte sich auszahlen. (S. 179 des Buches)“
643Dass trotz des Kursivdrucks (Fußnote S. 11 des Buches) das Zitat unten auf S. 180 des Buches aus Rezipientensicht nicht ein solches des Erblassers, sondern des im Buch unmittelbar zuvor genannten LBundeskanzlers Teltschik ist, sieht auch die Klägerin ausweislich ihrer Annotation in Anlage K 33 nicht anders; es kann daher hier auch ersichtlich nicht als Fehlzitat des Erblassers über das postmortale Persönlichkeitsrecht untersagt werden.
644Der Senat verkennt zu den Passagen auf S. 175 - 180 nicht, dass die Ausführungen sich weitgehend mit der Sichtweise des Erblassers als „Kanzler der Einheit“ auf die Hintergründe des Zusammenbruchs der DDR befassen und diese in eine bestimmte Richtung zu lenken scheinen. Es geht dennoch erkennbar um eigene Wertungen und subjektive Rückschlüsse des Beklagten zu 2) aus den ausgewerteten Gesprächsinhalten als Ausschnitt der Memoirenarbeiten. Soweit die Klägerin – wenn auch mit Blick auf die zugespitzteren Passagen in der Presseberichterstattung im abgetrennten Verfahren – darin eine Lebensbildverfälschung sieht, weil der Erblasser gegenüber seinen Wählern und den Demonstranten „unehrlich“ erscheine, vermag der Senat diese Würdigung auf Basis der feststellbaren Gesprächsinhalte nicht zu teilen. Die Darstellung durch den Beklagten zu 2), die aus Sicht der Klägerin den sachlichen und historischen Fakten nicht vollständig und zutreffend gerecht wird, mag zwar wegen des Aufsetzens nur auf einigen ausgewählten Äußerungen die tatsächlich differenzierte Sichtweise des Erblassers auf den Zusammenbruch des Kommunismus und die Maueröffnung verkürzen, wie sie in seinen offiziellen Erinnerungen und in dem von den Beklagten zu 4) und 5) auf S. 37 der Klageerwiderung (Bl. 308 d.A.), die sich die Beklagte zu 3) stillschweigend zu eigen gemacht hat, angesprochenen Interviewäußerung des Erblassers in der „EF.“ niedergelegt ist. Doch ist zum einen aus Sicht des Rezipienten der betreffenden Passage das Aufsetzen auf nur einigen ausgewählten Äußerungen des Erblassers ohne weiteres erkennbar. Zum anderen steht auch nach dem Vortrag der Klägerin außer Frage, dass der Erblasser der wirtschaftlichen Schwäche der Sowjetunion als Folge der Hochrüstung im Kalten Krieg, der Person Michael Gorbatschows im Umgang mit den „Bücher(n)“ und dem Reformbedarf sowie der weltpolitischen Glückslage in der fraglichen Zeit erhebliche Bedeutung zusprach und deswegen – entgegen dem von ihm kritisierten Narrativ von Wolfgang Thierse – der Meinung war, dass die Bürgerbewegung keinesfalls allein zur Wiedervereinigung habe führen können. In Ansehung dessen sind die im Buch enthaltenen Wertungen des Beklagten zu 2) vielleicht nicht immer „fair“, verfälschen aber nicht postmortal das Lebensbild des Erblassers. Ergänzend wird auf die von der Klägerin selbst vorgetragenen Tonbandtranskripte auf S. 108 f. der Replik (Bl. 574 f. d.A.) verwiesen, wonach der Erblasser die Demonstrationen damals (nur) als „hilfreich“ bezeichnet hat, weil „auf der Schiene Abrüstung … was gelaufen sei“ und im Ablauf der Geschichte die Deutschen da „zunächst mal gar keine Rolle in dem Punkt“ gespielt hätten. Es kann zudem auf das Statement des Erblassers im Transkript auf S. 133 der Replik (Bl. 599 d.A.) verwiesen werden, wonach Michail Gorbatschow und George Bush über die Abrüstungsverhandlungen zusammengefunden haben, man ohne das „Mitmachen der beiden“ nie die europäischen Partner mitgenommen hätte und man innerdeutsch zu Unrecht annehme, die Einheit sei am „Runden Tisch“ entstanden. Ein Problem war danach aus Erblassersicht „eine bewusste Geschichtsfälschung eines beachtlichen Teils der deutschen Linken…“ im „Versuch… als hätten wir die deutsche Einheit aus eigener Kraft geschafft, was eine besonders absurde Situation“ sei. Auch in Ansehung dessen ist die Annahme einer Lebensbildverfälschung des Erblassers fernliegend.
645Die das Kapitel abschließenden Passagen zum Nationalfeiertag auf S. 181 f. d.A. sind hinsichtlich der Gesprächsinhalte, Zitate und Umstände klägerseits nicht substantiiert angegriffen und prozessual daher als wahr zu behandeln; auch Passage Nr. 91 hat im Vorverfahren nicht zu Unterlassungsansprüchen gegen die Beklagte zu 3) geführt (BGH a.a.O., Rn. 143; Senat, a.a.O., Rn. 377). Die abschließende Wertung „Noch Fragen? Das Wetter…. (S. 182 des Buches) ist äußerungsrechtlich ebenfalls beanstandungsfrei.
Auch in dem Kapitel ab S. 183 ff. sind die nicht bereits im Vorverfahren streitgegenständlichen Passagen im Tatsächlichen (Inhaltsangaben zu den Memoirenarbeiten und weitere Zitate) klägerseits nicht konkret angegriffen, so dass die Beklagte zu 3) nicht im Wege der sekundären Darlegungslast zu weiterem Vorbringen angehalten war. Über das oben zum Kontext einiger der Beklagten zu 3) im Vorverfahren untersagten Passagen (Nr. 93, 94, 100, 104) hinaus Gesagte sind daher auch keine Unterlassungsansprüche wegen Verletzung des postmortalen Achtungsanspruchs des Erblassers zu begründen. Auch die die Inhalte bewertenden Einkleidungen des Beklagten zu 2) als Autor des Kapitels sind äußerungsrechtlich – erst recht postmortal – bedenkenfrei wie z.B. „Die Prominenz vor allem hat er, der in der Beobachtung sehr genau sein konnte, mit beißendem Spott überzogen. Oft genügen Helmut Kohl wenige Sätze, um die Zeitgenossen, denen er in seinem langen politischen Leben begegnete, als sonderbare Exemplare vorzuführen, ihnen – wie das Dieter Hildebrandt nannte – »ein Bonbon anzukleben«, das die Bedachten so schnell nicht wieder loswurden.“ (S. 183 des Buches); „Warum eigentlich ist der Mann nicht Kabarettist geworden?“ (S. 183 des Buches).
647Die im Vorverfahren als Fehlzitat untersagte Passage Nr. 92 (BGH v. 29.11.2021 – VI ZR 248/18, GRUR-RS 2021, 39313 Rn. 59; Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, Anlage K 17a, AO II = BeckRS 2018, 10541 Rn. 378) ist isoliert streichbar. Die Einkleidung der im Vorverfahren nicht untersagten Zitate in Passsagen Nr. 95 und 96 (BGH, a.a.O., Rn. 143; Senat, a.a.O., Rn. 384, 385) auf S. 183 f. des Buches ist äußerungsrechtlich folgerichtig beanstandungsfrei. Die bewertende Einordnung der von ihm ausgewerteten Gesprächsinhalte auf S. 184 des Buches durch den Beklagten zu 2) „So sieht sich alles, was Rang und Namen hat, in maliziösen Miniaturen verewigt.“ stellt keine Verletzung des postmortalen Achtungsanspruchs des Erblassers dar, sondern würdigt nur die auch in den im Vorverfahren erörterten und in den aktenkundigen Auszügen bisweilen erkennbaren kurzen und gelegentlich wenig schmeichelhaften Einordnungen Dritter durch den Erblasser.
648Die Passagen auf S. 184 – 186 zur Begnadigungspraxis sind im Tatsächlichen (Inhalte und Zitate) nicht substantiiert angegriffen und prozessual als wahr zu unterstellen. Dann sind auch die begleitenden Wertungen durch den Beklagten zu 2) äußerungsrechtlich – erst recht postmortal – bedenkenfrei. Ein Eingriff in den personalen Achtungsanspruch liegt auch schon deswegen fern, weil der Enthusiasmus und die Aktenkenntnis des Erblassers zu den behandelten Lebensgeschichten durchweg sehr positiv dargestellt werden. Die vom Beklagten zu 2) sodann in Ansehung der Gesprächsinhalte vorgenommene Würdigung, der Erblasser sei „in seinen Wertvorstellungen kaum zu begreifen. In Schablonen von Gut und Böse passt er jedenfalls nicht. Schwerverbrecher dürfen bei ihm auf Gnade hoffen, Parteifreunde aber, die sich auch nur einmal gegen ihn stellen, sind für immer verloren. Er hat den Rechtsstaat wie kein zweiter Kanzler dieser Republik gebeugt. Er hat sich – getreu der Devise Richard Nixons »When the president does it, it’s not illegal« – über den Geist der Verfassung gestellt – und war doch zugleich ein ziemlich radikaler Demokrat, der seit dem Beginn der politischen Karriere augenfällige Zeichen seiner republikanischen Gesinnung setzte.“ (S. 186 des Buches), stellt auch keine Verzerrung des Lebensbildes des Erblassers in der von der Klägerin allgemein angeprangerten Form dar. Auch in Ansehung der im Vorverfahren thematisierten kritischen Äußerungen des Erblassers zu Peter Müller und Christian Wulff und dem öffentlichen Bruch u.a. mit Wolfgang Schäuble und Angela Merkel über seine kompromisslose Haltung in Sachen „Spendernamen“/“Ehrenwort“ wird auch damit - zumal postmortal – der Bereich der zulässigen kritischen Befassung mit einem Politiker und seinem Verhalten nicht überschritten, ohne dass es auf die weiteren genauen Inhalte der Memoirenarbeiten ankäme.
649Auch der zweite Absatz auf S. 187 des Buches ist mangels konkreter Sachangriffe äußerungsrechtlich bedenkenfrei. Nichts anders gilt – Inhalte und Zitate sind erneut nicht substantiiert angegriffen – für die Passagen auf S. 187 f. des Buches. Das Zitat in Passage Nr. 97 des Vorverfahrens hat nicht zu Unterlassungsansprüchen gegen die Beklagte zu 3) geführt (Senat v. 22.06.2023 – 15 U 65/17, n.v.) und mangels weiterer substantiierter Angriffe ist auch die – wenn auch scharfe – Bewertung der Inhalte durch den Beklagten zu 2) „Noch weit schärfer allerdings geißelt er die Auswüchse des Kapitalismus: »….« Er versteht es, herzergreifend pauschal wie ein altlinker Sponti zu zürnen.“ (S. 187 f. des Buches) eine (erst recht postmortal) zulässige Meinungsäußerung. Soweit die Klägerin im Vorverfahren geltend gemacht hat, bei den Ausführungen des Erblassers handele es sich nicht – wie es im Buch dargestellt werde – um eine Kapitalismuskritik, sondern um die „nachdenkliche“ Darstellung des Erblassers zu den Folgen der Wohlstandsgesellschaft, kann dies keine Lebensbildverfälschung begründen, da die Frage, ob man die unstreitig authentischen Äußerungen des Erblassers eher als „Kapitalismuskritik“ – so der Beklagte zu 2) im Buch – oder als Darstellung der Folgen der Wohlstandsgesellschaft einstuft, wiederum eine solche der subjektiven Bewertung seiner Aussagen ist. Ebenfalls eine mit Blick auf den postmortalen Geltungsanspruch des Erblassers unbedenkliche Bewertung der Inhalte ist auch der Textteil „Auch die Memoirengespräche kennzeichnet der beharrliche Wechsel von Aufbruchs- und Stammtischparolen.“ (S. 187 des Buches).
650Die Passagen auf S. 188 f. des Buches zu Nachrichtendiensten und zu Sicherheitsleuten sind im Tatsächlichen mangels substantiierten Angriffs prozessual als wahr zu behandeln und im Übrigen äußerungsrechtlich bedenkenfrei; dies auch in Einkleidung der im Vorverfahren nicht zu postmortalen Abwehransprüchen führenden Passage Nr. 98, bei der kein Fehlzitat feststellbar war (Senat v. 22.06.2023 – 15 U 65/17, n.v.) und zu einem solchen auch nicht weiter vorgetragen ist. Die weiteren Passagen auf S. 189 – 191 sind im Tatsächlichen wegen der mitgeteilten Gesprächsinhalte/Zitate nicht substantiiert angegriffen und prozessual als wahr zu behandeln, wobei es sich teilweise ohnehin auch um unbestrittene (historische) Fakten (wie die Rede zu Kondomautomaten und die Haltung Süsterhenns dazu) handelt. Die einkleidenden Wertungen des Beklagten zu 2) wie z.B. „Er ist ein volksfrommer Mann, der sich in Fragen von Moral und Ethik aufgeschlossen zeigt.“ (S. 189 des Buches); „Kohl indes… ist kein Freund verklemmter Umgangsformen.“ (S. 189 des Buches); „Dem verstockten Zeitgeist scheint Kohl gelegentlich um Längen enteilt.“ (S. 190 des Buches); „Katholizismus Kohlscher Prägung ist ein sinnenfroh-meditatives Vergnügen.“ (S. 191 des Buches) begründen als zulässige Meinungsäußerungen keine postmortalen Abwehransprüche.
651Auch der Absatz zur „Ächtung der Pille“ auf S. 191 des Buches ist im Tatsächlichen prozessual als wahr zu behandeln - dies auch mit Blick auf die nicht näher beschriebene Intervention beim Papst, deren Richtigkeit aber auch die Klägerin nicht in Frage stellt. Dass das Zitat zu den 13 Kindern gefallen ist, hat die Klägerin selbst mit dem Transkript auf S. 128 f. der Replik (Bl. 594 f. d.A.) belegt. Auch hier zeigt sich – wie bereits mit Blick auf den Beklagten zu 1) ausgeführt -, dass ihre Pauschalangriffe gegen die Richtigkeit der im Buch wiedergegebenen Zitate des Erblassers ins Blaue hinein erfolgt sind. Auch gegen die einkleidenden Wertungen des Beklagten zu 2) als Autors des Kapitels bestehen keine Bedenken. Das Vorgenannte gilt dann auch für die nächsten beiden Absätze auf S. 191 – 192 des Buches entsprechend.
652Die mit der im Vorverfahren als Fehlzitat erkannten und der Beklagten zu 3) deswegen untersagten Passage Nr. 99 (BGH v. 29.11.2021 – VI ZR 248/18, GRUR-RS 2021, 39313 Rn. 62 ff.; Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, Anlage K 17a, AO II = BeckRS 2018, 10541 Rn. 390 ff.) verbundene Textstelle auf S. 192 des Buches zu Kurt Schumacher „Einmal abgesehen davon, dass der im Ersten Weltkrieg armamputierte und in den Konzentrationslagern Heuberg, Kuhberg, Dachau und Flossenbürg misshandelte SPD-Vorsitzende bereits im August 1952 verstorben war, also allenfalls aus dem Jenseits einen Appell zur zweiten Bundestagswahl verfasst haben konnte: (…) hat er Mitglieder der Waffen-SS niemals »anständige Leute« genannt. Schumacher startete auch mitnichten einen Wahlaufruf, er hatte einzig – im Willen, damit einen Beitrag zur gesellschaftlichen Aussöhnung zu leisten – Ende 1951, im Beisein Herbert Wehners, den Gremien seiner Partei empfohlen, »der großen Masse der früheren Angehörigen der Waffen-SS den Weg zu Lebensaussicht und Staatsbürgertum freizumachen«.“ mit ihrer über die Fußnote in Bezug genommenen Anmerkung 27 (S. 242 des Buches) stellt keine Verletzung des postmortalen Achtungsanspruchs des Erblassers dar. Es geht insoweit um wahre Tatsachen und historische Fakten sowie um eine korrigierende Darstellung einer dem Erblasser bei der Äußerung offenbar unterlaufenen Ungenauigkeit. Auch die – wenn auch bissige – Einordnung mit einer wiederum inhaltlich nicht substantiiert angegriffenen Inhaltsangabe/Zitatwiedergabe „Das ist der andere Kohl, der studierte Historiker, der sich dazu hinreißen lässt, sich im Bedarfsfall die Geschichte ein wenig hinzubiegen, um das eigene Weltbild zu untermauern: Rot ist gleich braun. Das Unrechtssystem der untergegangenen DDR will er nicht von der NS-Diktatur unterscheiden. Doch leider orientierten sich die Werte der Zeit, klagt Kohl, nun einmal anders. Und das empört ihn, rechtschaffen, wie er sich sieht. »Es ist heute schlimmer, aus einer Nazifamilie zu stammen als aus einer SED-Familie.« Meister Helmut versteht die Welt nicht mehr. Allerorten wähnt er die große linke Weltverschwörung.“ (S. 192 f. des Buches) stellt eine (erst recht: postmortal) zulässige Bewertung und Einordnung durch den Beklagten zu 2) dar. Auch gegen die Textstellen zur Friedensbewegung auf S. 195 des Buches - substantiierte Angriffe fehlen auch hier - gibt es äußerungsrechtlich keine Einwände.
653Zu der Passage Nr. 100 (S. 193 des Buches) wurde oben bereits ausgeführt. Die anschließende eigene Bewertung des Beklagten zu 2), der Beklagte zu 1) müsse „an den Besuchswochenenden in der Pfalz einiges mitgemacht haben. Des Altkanzlers Auslassungen sind manchmal schwer zu ertragen. Dann wiederum möchte man den Alten knuddeln.“ (S. 193 f. des Buches) verfälschen keinesfalls das Lebensbild des Erblassers, sondern sind aus Rezipientensicht allein eine Bewertung der Auswahl an Gesprächsinhalten durch den Kapitelautor. Die tatsächlichen Angaben zu den Gesprächsinhalten und Zitaten auf S. 194 – 195 des Buches sind mangels substantiierter Angriffe als prozessual wahr zu behandeln und äußerungsrechtlich ebenso wie die begleitenden Wertungen nicht zu beanstanden. Soweit es sich bei dem Zitat in Passage Nr. 101 tatsächlich nach den hier nicht weiter angegriffenen Feststellungen des Vorverfahrens um ein Fehlzitat handelt (BGH a.a.O. Rn. 67; Senat, a.a.O., Rn. 400), muss die mit der historischen Tatsache (Demission) verbundene Datumsangabe nicht ergänzend untersagt werden, sondern kann für sich stehen bleiben; es geht dabei nicht (nur) um die (sonst: unwahre) Behauptung, der Erblasser habe sich am 19.03.2001 entsprechend geäußert. Das Zitat in Passage Nr. 102 ist im Vorverfahren ebenfalls unbeanstandet geblieben (BGH, a.a.O., Rn. 143; Senat, a.a.O., Rn. 402); die begleitende Wertung „…sind die vorsichtigen Bande bereits für immer gekappt. Stattdessen fliegen die Fetzen. Ursache waren einige wenige, wenn auch deutliche Worte Küngs zum Spendenskandal.“ (S. 195 des Buches) ist angesichts der Inhalte der Äußerung des Erblassers und der nicht substantiiert bestrittenen Angaben zur Motivation in Anmerkung 28 (S. 242 des Buches) keine Lebensbildverfälschung des Erblassers, sondern eine von Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Meinungsäußerung in Form einer Kritik an der Haltung des Erblassers gegenüber seinen Gegnern im Umgang mit der sog. Spendenaffäre. Auch in Verbindung mit dem nachfolgenden Textteil „Die Heftigkeit der Attacke scheint bezeichnend für Kohls Sicht auf die Welt: Auf einmal gilt sein Urteil nicht mehr theologischen Positionen. Ihn interessiert einzig die empfundene Kränkung, die eigene Befindlichkeit, der er alles andere, jede Sachfrage unterordnet. Und das hat Methode. Die Dominanz des Persönlich-Privaten ist fixer Bestandteil des oft beschworenen Systems Kohl, das, vielfach verklüngelt, über Jahrzehnte die Eroberung und die Verteidigung der Macht garantierte. »….« Mit grauer Theorie sollen sich getrost andere befassen. Der kampferfahrene Zampano an der CDU-Spitze wägt die unterschiedlichen Positionen nicht behutsam gegeneinander ab. Er operiert mit dem Ellenbogen. Die Fehde scheint ihm zielführender als der intellektuelle Diskurs. Für Kohl ist entscheidend, was ihm und der Partei nützlich ist. Er kennt nur Freunde oder Verräter, die Sauberen oder die ganz Dreckigen, zu denen er nun auch Hans Küng rechnet. Der Kanzler pocht auf Korpsgeist. Wer ihn nicht bedingungslos unterstützte, der war sein Feind.“ (S. 195 f. des Buches) wird kein den postmortalen Achtungsanspruch verletzendes „Zerrbild“ des Erblassers gezeichnet. Der Beklagte zu 2) bewertet einmal mehr - wenn auch scharf und möglicherweise nicht fair – die ihm vorliegende Auswahl aus den Inhalten der Memoirenarbeit in der Gesamtschau; dies erfolgt in Ansehung der jedenfalls auch vorhandenen wenig schmeichelhaften Äußerungen des Erblassers zu – aus seiner Sicht – sich illoyal verhaltenden Dritten nicht bar jeder tatsächlichen Grundlage.
654Die Passagen auf S. 196 des Buches, beginnend mit der Bewertung „Wer sich aber der Kohl-Räson, jedenfalls in der Öffentlichkeit, beugte, der durfte im Gegenzug Gewissheit haben, dass ihn der Chef so schnell nicht fallenließ.“ (S. 196 des Buches) bis zu den auf S. 197 des Buches aufgestellten Tatsachenbehauptungen und Zitaten sind mangels substantiierter Angriffe prozessual als wahr zu unterstellen und zulässig; gleiches gilt für die einkleidenden Bewertungen des Beklagten zu 2).
655Auch die bewertende Umschreibung „Für Kohl war der unangenehmste Kritiker des deutsch-amerikanischen Memorials in den Vereinigten Staaten zu Hause: der Jüdische Weltkongress (WJC), mit Stammsitz in New York. Diese moralisch-politische Instanz, die Vertretung der über den Globus verstreuten Juden, hat die Feierstunde auf dem Totenacker in der Eifel scharf und folgenreich wie kein anderer attackiert.“ (S. 197 des Buches) ist in ihrer Einkleidung in die klägerseits nicht konkret angegriffenen Textstellen auf S. 197 – 198 des Buches äußerungsrechtlich bedenkenfrei. Dies gilt auch für die bewertende Hinleitung „Solch freimütige und von viel Kenntnis gespeiste Rede hat der minuziös vorgeführte und sehr nachtragende Altkanzler dem Präsidenten Bronfman, der zudem bekennender Anhänger der amerikanischen Demokraten war, niemals verziehen:“ (S. 198 des Buches) zu dem Zitat in Passage Nr. 103 des Vorverfahrens, das mit den nicht angegriffenen Feststellungen im Vorverfahren kein Fehlzitat ist und gegen das keine postmortalen Ansprüche gegen die Beklagte zu 3) bestehen (BGH, a.a.O., Rn. 143; Senat, a.a.O., Rn. 404 ff.) und für die - Inhaltsangaben und Zitate sind wiederum nicht substantiiert angegriffen und prozessual als wahr zu behandeln – Angaben zu Kurt Waldheim auf S. 198 – 200 des Buches mit Ausnahme des oben zur Einkleidung des Fehlzitats in Passage Nr. 104 des Vorverfahrens Gesagten.
656Äußerungsrechtlich bedenkenfrei sind auch – tatsächliche Angaben und Zitate sind nicht substantiiert angegriffen und prozessual als wahr zu unterstellen – die weiteren Teststellen auf S. 200 – 203 des Buches und die begleitenden Wertungen durch den Beklagten zu 2) als Autor des Kapitels, etwa dass „Kohls Vorschläge, wie die beiden Affären schadensbegrenzend zu deichseln gewesen wären, … seinen Umgang mit Schuld und Verantwortung auf den Punkt (bringen): Der TV-Beichtstuhl soll es richten. Die Sünden ansatzweise eingestanden, ein Gestus der Reue, dann ist beim Sendeschluss, den es damals noch gab, der Vorfall mit einem »Ego te absolvo« für immer aus der Welt geschafft. Das System Kohl beruht nicht zuletzt auf dem Prinzip der augenblicklichen Selbstreinigung.“ (S. 200 f. des Buches); „An dieser früh als Vorteil erkannten Maxime, dass der mögliche Sünder zugleich Gnadenherr sei, hat er sein Leben lang festgehalten. Das Shakehands mit Ronald Reagan in Bitburg sollte einen Freispruch erster Klasse symbolisieren. Einen solchen hätte er sich in bewährter Art auch gern in der Spendenaffäre gewährt, schließlich hatte er sein Ehrenwort gegeben. Er dürstet nach Absolution, nach der Befreiung von der peinigenden Gewissensnot. Ist er – denkt man an die Amnestie für die Lebenslänglichen in Rheinland-Pfalz – nicht auch seinerseits gnädig gewesen?“ (S. 201 des Buches)“. Auch in der letzten Bemerkung liegt kein Zeichnen eines „Zerrbilds“ des Erblassers, sondern einmal mehr nur eine zulässige Bewertung seiner Haltung im Umgang mit der sog. Spendenaffäre auf Basis der äußeren Umstände und der hier behandelten Äußerungen aus den Memoirenarbeiten; das muss der Erblasser als ein solchermaßen kontrovers agierender Staatsmann aushalten. Gleiches gilt für die kritische Würdigung der unstreitigen Selbstöffnungen des Erblassers gegenüber der Presse mit Einblicken in das traute Familienleben (S. 201 des Buches) und/oder seines bescheidenen Auftretens (S. 201 f. des Buches). Das Zitat in Passage Nr. 105 zum „faule(n) Ossi“ (S. 202 des Buches) ist nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Vorverfahrens kein Fehlzitat (BGH, a.a.O., Rn. 143; Senat, a.a.O., Rn. 409); die begleitende Einkleidung auf S. 202 des Buches ist – andere Zitate sind wiederum nicht substantiiert angegriffen – äußerungsrechtlich bedenkenfrei, zumal sich die Wertung auch auf die tatsächlich erfolgten Äußerungen zur Gesellschaftskritik rund um Passage Nr. 97 (S. 187 f. des Buches) stützen lässt.
Zu den von der Klägerin mit dem Klageantrag angegriffenen Passagen im Kapitel ab S. 205 ff. fehlt hinsichtlich der tatsächlichen Angaben zu den Inhalten der Memoirenarbeiten, zu dem Geschehen um die Neue Wache in Berlin (S. 208 f. des Buches), zu der geschilderten Sicht auf die Memoiren Mitterands (S. 209 des Buches), zu der Rede von 1970 (S. 210 des Buches) und zu den verschiedenen Zitaten des Erblassers im Kapitel substantiiertes Klägervorbringen, so dass prozessual von wahren Tatsachenbehauptungen und Zitaten des Erblassers auszugehen ist. Postmortale Abwehransprüche sind damit auch hier nicht zu begründen. Dies gilt erst recht für die einkleidenden Bewertungen und einordnenden Meinungsäußerungen des Beklagten zu 2) als Kapitelautor. Insbesondere hat die Klägerin sich mit Blick auf einige der Wortlautzitate nicht mit den (von der Beklagten zu 3) stillschweigend zu eigen gemachten) Ausführungen der Beklagten zu 4) und 5) auf S. 21/31 f./33 des Schriftsatzes vom 20.12.2018 (Bl. 720/731 f./732 d.A.) näher auseinandergesetzt, so dass prozessual auch jedenfalls deswegen als wahr zu unterstellen ist, dass der Erblasser u.a. damals tatsächlich zu den Stellen auf S. 207 des Buches ausgeführt hat: "Ich bin ja dem Streit nicht aus dem Weg gegangen. Also ich hätte sicherlich weniger Streit gehabt, wenn ich die nicht mit Genuss beleidigt hätte auch, und das war ja ein Teil auch meiner Lebensfreude, dass ich diese Subjekte beleidigen konnte. Ich meine, man muss sich schon klarmachen, wenn man die mentale Situation eines Menschen wie Augstein sieht, der ja zu einer Superfigur in Deutschland aufgestiegen ist. Aus dem Nichts. Mit einer Macht und einer Gewalt, dass er Karrieren vernichten kann, Menschen vernichten kann. War ja alles, sehr frühzeitig alle Imponderabilien moderner Machtausübung wie also, wie Superarchiv und alles zur Verfügung hatte. Wie der guckte, und sagte, der Kohl stellt sich als Kanzler ins Fernsehen und sagt "Ich geb dem kein Interview". (...) Ich les den nicht. Und im Übrigen ich bleib ... Ich bin nicht gegen den RY., ich bin auch nicht gegen die Müllabfuhr von Bonn, aber ich bleib trotzdem nicht in der Kläranlage über Nacht." bzw. "... ist ein verheerender Artikel in der ZEIT erschienen. Mundartmäßig sozusagen usw. (...) Der hat furchtbar geschadet der Artikel, vor der Bundestagswahl 76. Also war ich schon der Dorfdepp. Und die ZEIT hat das gemacht im Rahmen ihres von dort an laufenden Vernichtungsprogramms. Das hat sich ja bis zum heutigen Tag nicht geändert."; Relevante Fehlzitate können an den betreffenden Stellen nicht festgestellt werden. Dass der Erblasser kein gutes Verhältnis zum „RY.“ hatte, steht außer Frage und ebenso, dass das Magazin oft thematischer Gegenstand der Memoirenarbeiten gewesen ist. Ob der Erblasser das Magazin– wie es auf S. 207 des Buches ausgeführt – tatsächlich „mehr als zweihundertfünfzigmal im Verlauf des kolossalen Gesprächs“ erwähnt hat, wäre vor diesem Hintergrund eine sog. wertneutrale Falschangabe. Die Bewertungen auf S. 210 ff. des Buches sind äußerungsrechtlich ebenfalls bedenkenfrei. Die Hinleitung „Mit Peter Boenisch, der aus dem Hause Springer kam, ging es kaum besser.“ zu dem in indirekter Rede wiedergegebenen Fehlzitat des Erblassers in Passage Nr. 111 des Vorverfahrens (S. 212 des Buches; BGH v. 29.11.2021 – VI ZR 248/18, GRUR-RS 2021, 39313 Rn. 69; Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, Anlage K 17a, AO II = BeckRS 2018, 10541 Rn. 414) ist nicht ebenfalls als unwahre Tatsachenbehauptung zu untersagen. Das Zitat war nur wegen einer Kontextverfälschung zu untersagen, der Erblasser hat sich aber (Senat a.a.O.: „Der war in einer völlig anderen Welt.“) ansonsten durchaus kritisch über den Genannten geäußert. Die Passagen Nr. 106 – 109 und Nr. 111 – 113 sind im Verhältnis zur Beklagten zu 3) im Vorverfahren unbeanstandet geblieben (BGH a.a.O., Rn. 122, 143, Senat a.a.O., Rn. 410 ff.; 414, 419, Senat v. 22.06.2023 – 15 U 65/17, n.v. zu Nr. 113); in Ansehung dessen bestehen auch an den nunmehr zu prüfenden Einkleidungen keine Bedenken. Weitere Zitate und Inhaltsangaben sind nicht konkret angegriffen und prozessual daher als wahr zu behandeln. Dies gilt insbesondere für die Schilderung in Sachen Wolfgang Herles auf S. 214 ff. des Buches oder mit Blick auf das Geschehen um den Spielfilm auf S. 216 ff. des Buches nebst den wiederum nur einkleidenden Bewertungen des Beklagten zu 2) als zulässige Meinungsäußerungen wie z.B.: „Aber dessen Auskunft, er persönlich habe Herles’ Verschwinden betrieben, lässt kaum einen anderen Schluss zu“ (S. 215 des Buches).
658Eine postmortale Lebensbildverfälschung ist schließlich nicht die das Kapitel mit seinen zahlreichen Erzählsträngen aus Sicht des Beklagten zu 2) beendende Schlussbewertung der Anekdote zu Willibald Hilf „Es ist das altbekannte Verfahren: Wer sich, wenn es zum Schwure kommt, nicht den Interessen des großen Bestimmers unterordnet, der wird verstoßen, verjagt und auf alle Tage verfolgt. Versöhnung ist seine Stärke nicht.“ (S. 217 des Buches). Denn auch insoweit wird nicht das „Zerrbild“ eines unversöhnlichen und verbitterten alten Mannes gezeichnet, wie die Klägerin meint. Vielmehr wird die – im tatsächlichen nicht substantiiert bestrittene – Erzählung zu dem in Ungnade gefallenen „Patenonkel von Sohn Peter“ bewertet, der sich bei dem zuvor behandelten Streit um die Ausstrahlung des Spielfilms, gegen den der Erblasser vergeblich vorgegangen ist, trotz der Beschwörungen des Erblassers „am Ende für die Freiheit der Kunst entschieden“ hat, was zum Abbruch der Beziehung durch den verletzten Erblasser führte.
Postmortale Abwehransprüche gegen die Beklagte zu 3) wegen des vom Beklagten zu 1) verfassten Schlusskapitels „Das Vermächtnis des Alten - Eine kleine Verneigung zum Schluss“ auf S. 219 ff. des Buches sind nicht zu erkennen. Dass wertende Umschreibungen wie „Vermächtnis“, „A.-Protokolle“, „Brisanz des monumentalen Kanzlervermächtnisses“ etc. keine Verletzung des postmortalen Achtungsanspruchs des Erblassers darstellen, steht außer Frage. Dass die Bezeichnung „600-Stunden-Bilanz“ (S. 221 des Buches) ungenau ist, weil die Tonbandaufnahmedauer tatsächlich kürzer war, begründet auch hier - zumal das im Kontext für den Achtungsanspruch des Erblassers ohne Relevanz und letztlich selbst bei einer 2/3-Abweichung dann wertneutral ist – ähnlich dem bereits mehrfach Gesagten keinen Unterlassungsanspruch. Die Textstellen auf S. 221 f. des Buches enthalten neben wahren Tatsachenbehauptungen äußerungsrechtlich im Verhältnis zur Beklagten zu 3) zulässige Meinungsäußerungen, die insbesondere den zukünftigen Umgang mit den Bändern und die hiermit in Zusammenhang stehende rechtliche Auseinandersetzung betreffen. Weiter wird ausgeführt, dass für den Beklagten zu 1) „zumindest … am Ende kein Rückblick im Zorn“ bleibe (S. 222 des Buches). Mangels substantiierten Angriffs der Klägerin gegen die Wahrheit der weiteren tatsächlichen Angaben und Zitate auf den S. 222 – 233 des Buches ist prozessual von wahren Tatsachenbehauptungen und/oder zutreffenden Zitaten des Erblassers auszugehen. Dagegen ist äußerungsrechtlich nichts einzuwenden. Dass der pauschale Angriff der Klägerin nicht zielführend ist, zeigt sich gerade hier mit dem schon beim Beklagten zu 1) Gesagten eindeutig dadurch, dass u.a. auch die Passage auf S. 231 des Buches vom Klageantrag erfasst wird, in der es um die vom Erblasser so bezeichnete „Durchhalteparole-Rede“ von Margret Thatcher und seine Reaktion hierauf in der Diskussion um die Stationierung der Mittelstreckenraketen geht, deren Inhalte die Klägerin an anderer Stelle aber selbst belegt (vgl. S. 12 f. der Anlage K 59 (Bl. 3414 f. d.A.) bzw. S. 3 f. der Anlage K 60 (Bl. 3494 f. d.A.). Das in Ansehung dessen ersichtlich pauschale und willkürliche Klägervorbringen zu den Verbotsanträgen - sprichwörtlich „mit dem breiten Pinsel“ - genügt auch deswegen ersichtlich nicht den Anforderungen an den zivilprozessualen Beibringungsgrundsatz. Dass der Erblasser die im Buch wiedergegebene Geschichte zudem teilweise textgleich bei dem – klägerseits ebenfalls nicht ausreichend bestrittenen - Interview zur Disseration CQ. (S. 294 Anlage OC 10, AO III) zum Besten gegeben hat, verstärkt diesen Eindruck nur. Eine Lebensbildverfälschung des Erblassers in diesem – zudem ausgesprochen für ihn streitenden Punkt – liegt auch im Übrigen fern.
660Zulässig ist auch die wertende Einkleidung („Was bleibt in der Retrospektive von den vielen Begegnungen? Für mich ist es eine ganze Menge.“, S. 222 des Buches) und die dann in der Auswahl aus den Gesprächsinhalten folgende Kategorienbildungen durch den Beklagten zu 1) wie z.B. zur „minuziöse(n) Eigenbeschreibung des vielzitierten Systems Kohl“ (S. 222 des Buches) auf S. 222 f. des Buches, zur „Lust auf die menschliche Spezies“ (S. 223 des Buches) als „kolossaler Menschenfänger, der mit Gunstbezeugungen nicht geizte“ (S.224 des Buches), zum Verhältnis zu Michail Gorbatschow (S. 224 f. des Buches), zu dem „gebildete(n) Zeitgenosse mit geradezu atemberaubendem Wissen auf dem Feld der Geschichte.“ (S. 225 des Buches), zum „Enthusiasmus“ (S. 225 des Buches) beim Rückblick auf die Europa-/Außenpolitik wie dem Ausbau der deutsch-französischen Beziehungen (ab S. 225 f. des Buches), zum Dialog mit den polnischen Nachbarn (S. 227 f. des Buches), zum Umgang mit dem Kardinal František Tomášek (S. 228 f. des Buches), zu den Beziehungen zu den Vereinigten Staaten und den drei seine Amtszeit begleitenden amerikanischen Präsidenten mit den jeweiligen Anekdoten dazu (S. 229 f – 232 des Buches) sowie zur Vorsicht gegen Mobilfunk und Spionage (S. 232 f. des Buches). Auch das abschließende Statement des Beklagten zu 1), „ein herber Verlust“ sei, dass die in den Memoirengesprächen enthaltenen „Geschichten nicht mehr in die Erinnerungen haben Einzug halten können“ (S. 233 des Buches) ist - zusammen mit den Angaben zu dem ausstehenden Memoirenband – ebenso eine zulässige Meinungsäußerung wie die Annahme, dass der vierte Band spätestens im Jahr 2010 hätte erscheinen können und die „schwere Erkrankung des Altkanzlers … kein nennenswertes Hindernis gewesen (sei, weil man)… alles besprochen“ hatte (S. 234 des Buches). Auch die Überlegungen des Beklagten zu 1) zur Rolle der Klägerin auf S. 234 des Buches sind zulässige Meinungsäußerungen und kein Eingriff in den postmortalen Achtungsanspruch des Erblassers
Auch mit Blick auf die Anmerkungen im letzten Kapitel ab S. 236 ff. des Buches sind schließlich keine äußerungsrechtlichen Ansprüche wegen Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts des Erblassers erkennbar. Wiederum werden die tatsächlichen Behauptungen von der Klägerin nicht substantiiert angegriffen, so dass die Beklagte zu 3) nicht zu weiterem Sachvortrag im Wege der sekundären Darlegungslast – ungeachtet von Beweislastfragen – gehalten war.
662Die Anmerkung 1 ist nicht allein deswegen zu untersagen, weil das „Messer & Gabel“-Zitat im Vorverfahren als Fehlzitat für unzulässig erachtet wurde. Es geht um eine eigene, wenn auch nicht wohlwollende Bewertung in Form einer Meinungsäußerung, die auch bei im Ergebnis fraglicher Tatsachengrundlage noch keine Verletzung des postmortalen Achtungsanspruchs des Erblassers darstellt. Dies beruht insbesonder darauf, dass der Erblasser nach den Erkenntnissen des Vorverfahrens jedenfalls andere, wenig schmeichelhafte Aussagen zu Angela Merkel getätigt hat und sich mit ihr auch über die sog. Spendenaffäre überworfen hat.
663Anmerkung 3 ist eine zulässige eigene Bewertung der Plausibiltät einer Erzählung des Erblassers durch den Beklagten zu 2) als Autor des Kapitels und als solche zulässig. Anmerkung 5 ist ebenso zulässig als einordnende Wertung zu der (mit dem oben Gesagten prozessual als zutreffend zu unterstellenden) Äußerung des Erblassers. Anmerkung 4 enthält neben historischen Fakten auch nur eine eigene Berechnung/Wertung des Beklagten zu 2); nichts anderes gilt für die Erläuterungen zur „OY.-Million“ in Anmerkung 9. Die Anmerkungen 8 und 10 bieten äußerungsrechtlich unbedenkliche Hintergrundinformationen und zulässige Bewertungen. Anmerkung 12 ist eine zutreffende Inhaltsangabe zu einem Buch des Zeugen K. A.; eine postmortale Persönlichkeitsverletzung des Erblassers ist in diesem Zusammenhang fernliegend, zumal nicht substantiiert bestritten ist, dass es zu einem Streit in der Familie gekommen ist. Anmerkung 14 ist eine weitere zulässige Wertung auf Basis unbestrittener historischer Fakten. Die tatsächlichen Angaben und das Zitat in Anmerkung 19 sind erneut klägerseits nicht substantiiert angegriffen und deswegen prozessual als zutreffend zu behandeln. Anmerkungen 20 und 21 sind Meinungsäußerungen des Kapitelautors nebst der nüchternen Mitteilung zutreffender historischer Fakten und Daten. Anmerkung 22 vermittelt ebenfalls lediglich zutreffende historische Fakten zu Wolfgang Thierse und verletzt damit ersichtlich nicht den postmortalen Achtungsanspruch des Erblassers. Soweit die Faktenvermittlung mit der Bewertung der Gesprächsinhalte und Hintergründe durch den Beklagten als Kapitelautor verbunden ist („Die Verachtung für den sozialdemokratischen Politiker Wolfgang Thierse scheint bei den Gesprächen immer wieder auf. Die eigentliche Ursache hierfür scheint allerdings weniger in dessen bürgerrechtlichem Engagement zu liegen…“, S. 240 des Buches), handelt es sich um eine zulässige Meinungsäußerung. Dass der Erblasser sich wenig erfreut über die heftigen Attacken des Genannten im Zusammenhang mit der sog. Spendenaffäre gezeigt hat, steht zudem auch nach dem Klägervortrag außer Frage, mag es auch danach eher um das Amtsverständnis gehen. Ohne dass es auf den ebenfalls klägerseits nicht substantiiert bestrittenen Goebbels-Vergleich aus einem Kantinengespräch ankommt, darf diese Einstellung des Erblassers ebenso wie das wenig schmeichelhafte Zitat zu Wolfgang Thierse („Volksschulautorenminderhirn“) äußerungsrechtlich zulässig als „Verachtung“ umschrieben werden.
664Anmerkung 24 ist eine zulässige Meinungsäußerung im Verbund mit historischen Fakten. Zu Anmerkung 26 wird nicht substantiiert in Zweifel gezogen, dass der Erblasser sich entsprechend geäußert habe; im Übrigen geht es dann um eine weitere zulässige Bewertung der Inhalte durch den Beklagten zu 2) als Autor des Kapitels. Ungeachtet der Streitigkeiten um die genaue Arbeitsweise von Erblasser und Beklagtem zu 1) sind die tatsächlichen Angaben in Anmerkung 27 zu dem Nachweis der Äußerungen in den amtlichen Memoiren nicht substantiiert angegriffen und prozessual als wahr zu unterstellen; das Erkennen eines vermeintlichen Widerspruchs im Rechtsstandpunkt auch des Erblassers, der Beklagte zu 1) sei kein „austauschbarer Adlatus“ gewesen, ist eine zwar möglicherweise wenig überzeugende, aber äußerungsrechtlich dennoch zulässige Meinungsäußerung. Anmerkung 28 ist eine zulässige Bewertung der äußeren Umstände und der Gesprächsinhalte durch den Beklagten zu 2), was schließlich auch für Anmerkung 34 als Bewertung des Gesagten gilt.
Schließlich ergibt sich auch kein weitergehender Unterlassungsanspruch der Klägerin – unabhängig von einer Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts des Erblassers im Sinne des zuvor Gesagten - aus § 826 BGB, auf den sich die Klägerin u.a. auf S. 16/19 f. des Schriftsatzes vom 15.05.2019 (Bl. 885, 888 f. d.A.) zusätzlich berufen hat. Denn eine Rechtsposition des verstorbenen Erblassers jenseits seines postmortalen Persönlichkeitsrechts, in der er - wie von § 826 BGB verlangt - sittenwidrig geschädigt werden könnte, gibt es – wie schon beim Beklagten zu 1) ausgeführt - nicht (siehe auch BGH v. 29.11.2021 – VI ZR 248/18, GRUR-RS 2021, 39313 Rn. 140 f.). Dass die Beklagte zu 3) möglicherweise von dem Versterben des Erblassers durch die damit eingetretene Verengung des Schutzumfangs „profitiert“ haben mag und de facto ein weitgehendes Leerlaufen vertraglicher Verschwiegenheitsverpflichtungen (nur) des Beklagten zu 1) drohen könnte, ändert daran nichts. Es handelt sich um Konsequenzen aus dem gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht eingeschränkten Schutzumfang des postmortalen Persönlichkeitsrechts einerseits und der auf das Verhältnis der Vertragspartner zueinander beschränkten Wirkung vertraglicher Verschwiegenheitsabreden andererseits (BGH a.a.O., Rn. 141). Insbesondere vermag der Senat mangels ausreichendem Vortrag nicht festzustellen, dass die Beklagte zu 3) den Beklagten zu 1) zu einem Vertragsbruch verleitet hat.
Soweit das Landgericht auf S. 291 der angefochtenen Entscheidung die gegen die Beklagte zu 3) gerichtete Stufenklage abgewiesen hat, ist das berufungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Denn auch eine wie hier zunächst nur auf der Auskunftsstufe gestellte Stufenklage kann vollumfänglich abgewiesen werden, wenn schon die Prüfung des Auskunftsanspruchs ergibt, dass dem Hauptanspruch die materiell-rechtliche Grundlage fehlt (st. Rspr., vgl. etwa BGH v. 28.11.2001 – VIII ZR 37/01, juris Rn. 20).
So liegt die Sachlage hier: Denn mit Blick auf die oben zum Beklagten zu 1) bereits darstellte prozessuale Behandlung der sog. dreifachen Schadensberechnung (BGH v. 25.09.2007 - X ZR 60/06, GRUR 2008, 93 Rn. 9 – Zerkleinerungsvorrichtung) sind in Bezug auf die materielle Rechtslage auf der Zahlungsstufe zugleich materielle Ersatzansprüche auf entgangenen Gewinn und/oder Ansprüche auf eine Lizenzanalogie ebenso auszuschließen wie ein dem Auskunftsbegehren (nur) auf der ersten Stufe zu Grunde liegender Anspruch auf Gewinnabschöpfung. Dies gilt für die Lizenzanalogie dabei zugleich mit Blick auf eine etwaige bereicherungsrechtliche Haftung wegen Eingriffs in vermögenswerte Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu Lebzeiten, die ebenfalls vererbliche Ansprüche der Klägerin darstellen würden (vgl. erneut BGH v. 01.12.1999 - I ZR 49/97, GRUR 2000, 709 – Marlene Dietrich).
Postmortal fehlt mit dem zum Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu 3) Gesagten ersichtlich eine geeignete Verletzungshandlung als Grundlage etwaiger materieller Ersatzansprüche. Soweit – in dem insofern in die Betrachtung einzubeziehenden – Vorverfahren Fehlzitate mit postmortalen Unterlassungsansprüchen im Verhältnis zur Beklagten zu 3) festgestellt sind bzw. zuletzt im Urteil des Senats vom 22.06.2023 (15 U 65/17, n.v.) Gegenstand waren und zudem oben einige Passagen als Eingriff in den postmortalen Geltungsanspruch des Erblassers eingeordnet worden sind, begründet dies keinen Eingriff auch in vermögenswerte Bestandteile des Persönlichkeitsrechts des Erblassers, sondern in dessen ideellen postmortalen Achtungsanspruch.
Zwar geht der Senat – wie bei dem Beklagten zu 1) unter Verweis auf die entsprechenden und auch hier geltenden Feststellungen aus dem Vorverfahren ausgeführt – davon aus, dass auch die Beklagte zu 3) zu Lebzeiten des Erblassers (zumindest) die ideellen Bestandteile des Persönlichkeitsrechtsrechts des Erblassers durch Eingriff in den Schutz des gesprochenen Wortes mittels Veröffentlichung von Teilen des „Tonbandschatzes“ ohne ein die schutzwürdigen Belange des Erblassers überwiegendes Berichterstattungsinteresse verletzt hat. Auch wenn die Beklagte zu 3), anders als der Beklagte zu 1), keinen vertraglichen Bindungen unterliegt, streitet für keines der nach den eingangs zum Beklagten zu 1) gemachten Feststellungen des Senats in einem vertraulichen Rahmen gemachten und in dem Buch wiedergegebenen Zitate des Erblassers ein zu Lebzeiten jedenfalls die erfolgte Wortlautveröffentlichung rechtfertigendes und dessen schutzwürdige Belange überwiegendes öffentliches Berichterstattungsinteresse, zumal bei der Abwägung auch die Nähe der Beklagten zu 3) zum rechtswidrig handelnden Beklagten zu 1) zu würdigen wäre. Zur Meidung von unnötigen Wiederholungen kann auf die fortgeltenden Ausführungen des Senats im Vorverfahren zu den dort streitgegenständlichen 116 Passagen (Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, BeckRS 2018, 10541 Rn. 168 -196, 438 - 452) verwiesen werden, die - anderes ist hier weder konkret vorgetragen noch ersichtlich - auch für die vorliegend mit Blick auf den Unterlassungsantrag streitgegenständlichen weiteren Zitate entsprechend gelten. Auch aus den Ausführungen zur Abwägung zu einigen Wortlautpassagen in der Schutzschrift (Anlage B (3) 1, Bl. 3 ff. AH ergibt sich nichts anderes. Denn insgesamt ist (dies ungeachtet der von der Klägerin betonten Frage der zusätzlichen Verfälschung) kein „Aufdeckungswert“ mit Sachinformationen ersichtlich, der selbst bei Politikern (wie dem Erblasser) jedenfalls für die gegen den Willen der Person erfolgende Veröffentlichung des vertraulich gesprochenen und auf Band fixierten Wortes zu verlangen wäre (vgl. nur BGH v. 19.12.1978 – VI ZR 137/77, NJW 1979, 647; v. 19.12.1978 – VI ZR 138/77, BeckRS 1978, 31118344 – A./Biedenkopf und für die wörtliche Wiedergabe von Emails auch BGH v. 30.09.2014 – VI ZR 490/12, AfP 2014, 534). Wie oben zum Beklagten zu 1) ausgeführt, ergibt sich in der Abwägung auch aus der Belegfunktion des gesprochenen Wortes mit Blick auf die Entscheidung des BGH vom 16.05.2023 (VI ZR 116/22, juris Rn. 33 ff.) nichts anderes; allein der besagte „Kammerdiener-Blick durch das Schlüsselloch“ in das Leben des Erblassers kann den tiefgreifenden Eingriff zu Lebzeiten mangels eines greifbaren Aufdeckungswerts als jeweils überwiegendes Berichterstattungsinteresse nicht rechtfertigen. Auch die Beklagte zu 3) macht das für die hier streitgegenständlichen Passagen nicht substantiiert geltend. Bei der Pressekonferenz zum Erscheinen des streitgegenständlichen Buches hat der Beklagte zu 1) ausweislich des – wie mehrfach gesagt – nicht ausreichend bestrittenen Transkripts (Anlage K 8, Bl. 404 AO I) zum Buch selbst betont: „Wer ein bisschen weiß über Kohls Ansichten, für den ist das Buch wenig Neues.“
671Letztlich kommt es darauf aber hier nicht entscheidend an: Denn im vorliegenden Kontext sind allein und ausschließlich materielle Zahlungsansprüche der Klägerin von Interesse. Solche Zahlungsansprüche unter Anwendung der Grundsätze der sog. dreifachen Schadensberechnung oder auf anderer Grundlage (wie einer bereicherungsrechtlichen Lizenzanalogie) sind im konkreten Fall gegen die Beklagte zu 3) selbst bei einer unterstellten Rechtsverletzung zu Lebzeiten des Erblassers nicht herzuleiten, weil der Senat in diesem Verhältnis keinen ausgleichspflichtigen Eingriff (auch) in vermögenswerte Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Erblassers festzustellen vermag. Dabei spielt in Abgrenzung zum Beklagten zu 1) vor allem eine Rolle, dass sich die Beklagte zu 3) als Verlag gegenüber dem Geheimhaltungswillen des Erblassers zu Lebzeiten auf die presserechtliche Freiheit zur Wiedergabe wahrer Äußerungen berufen kann (so ausdrücklich BVerfG v. 24.10.2022 – 1 BvR 19/22, juris Rn. 35) und insofern - sei es auch in der Abwägung mit dem oben Gesagten fehlerhaft - zumindest unter Ausübung der journalistisch-publizistischen Grundrechtspositionen aus Art. 5 Abs. 1 GG tätig wurde. Insofern ist eine andere rechtliche Beurteilung als beim Beklagten zu 1) vorzunehmen, der sich wegen seiner vertraglichen Bindungen mit dem oben Gesagten gegenüber dem Erblasser auf solche Grundrechtspositionen nicht berufen konnte. Nicht jede materiell rechtswidrige Publikation eines Presseorgans oder Buchverlags zu Lebzeiten des Betroffenen stellt zugleich einen materiell ausgleichspflichtigen Eingriff (auch) in vermögenswerte Bestandteile des Persönlichkeitsrechts dar.
672Im Einzelnen gilt mit Blick auf die Beklagte zu 3) vielmehr Folgendes:
Vertragliche Ansprüche gegen die Beklagte zu 3) bestehen nicht. Ein Zahlungsanspruch aus § 687 Abs. 2 BGB gegen die Beklagte zu 3) scheidet nach Auffassung des Senats im konkreten Fall selbst dann aus, wenn man zumindest den „Tonbandschatz“ mit dem oben Gesagten abstrakt als schützenswertes Gut mit einem Zuweisungsgehalt ansieht. Zum einen dürfte – wie beim Beklagten zu 1) angedeutet – die fehlende Lizenzbereitschaft des Erblassers (anders als bei der sog. dreifachen Schadensberechnung und bei der bereicherungsrechtlichen Abschöpfung, bei der es nicht um die Entreicherung des Betroffenen, sondern um die Abschöpfung der Vorteile des Eingriffs in den Zuweisungsgehalt geht) dem Anspruch entgegenstehen. Denn bei § 687 Abs. 2 BGB geht es um die Übernahme eines fremden, also hypothetisch vom Betroffenen selbst vorzunehmenden Geschäfts, so dass es nur folgerichtig sein dürfte, hier auf eine sog. Lizenzbereitschaft abzustellen, da sonst ein reines Eigengeschäft des Eingreifenden vorliegen würde (siehe nur erneut OLG Hamburg v. 26.05.1994 - 3 U 13/94, NJW-RR 1994, 990, 991 sowie Gounalakis, AfP 1998, 10, 19). Jedenfalls kann der Senat – wie schon beim Beklagten zu 1) – die subjektiven Voraussetzungen des §§ 687 Abs. 2, 31 BGB auf Seiten der Beklagten zu 3) (erst recht) nicht feststellen, da diese auf eine publizistische Veröffentlichungsbefugnis mit Blick auf den „Zitateschatz“ vertraut haben mag und wegen des zuvor eingeholten Rechtsgutachtens (wie ausgeführt) im Grundsatz auch vertrauen durfte, zumal es bei der Beklagten zu 3) selbst gerade nicht um Fragen einer vertraglichen Bindung etc. gehen konnte, die man in dem eingeholten Gutachten – wie gezeigt – ausgespart hat und im Verhältnis zu ihr eben auch aussparen durfte.
674Auch die Ausführungen im Anwaltsschreiben des Erblassers vom 02.10.2014 (Anlage K 7, Bl. 400 f. AO I) mit einem vagen Verweis auf eine angebliche vertragliche Bindung des Beklagten zu 1) sowie eigene Urheber- und Persönlichkeitsrechte tragen entgegen dem Klägervortrag u.a. auf S. 54 der Klageschrift (Bl. 54 d.A.) keine andere Bewertung, zumal die Beklagte zu 3) selbst nicht an etwaige vertragliche Pflichten des Beklagten zu 1) gebunden gewesen wäre und die Einschlägigkeit der Entscheidung des BGH v. 10.03.1987 - VI ZR 244/85, NJW 1987, 2667 im konkreten Fall in Ermangelung eindeutiger Absprachen und der Tatsache, dass es nicht um drohende straf-/dienstrechtlicher Konsequenzen für den Erblasser ging, nicht so eindeutig war, dass man der Beklagten zu 3) trotz des gegenteiligen Rechtsgutachtens zum damaligen Zeitpunkt zumindest Eventualvorsatz unterstellen kann. Dies gilt auch deswegen, weil sich auf den Bändern (anders als im klareren Fall BGH v. 19.12.1978 - VI ZR 137/77, NJW 1979, 647) keine heimlich und rechtswidrig abgehörten Telefonate befanden, sondern nur Aufnahmen, die während der Memoirenarbeiten in Kenntnis des Erblassers und ohne eindeutige vertragliche Vertraulichkeitsregelungen in den schriftlichen Verträgen gemacht worden waren. Dass sich die Beklagte zu 3) – wie die nicht ausreichend substantiiert bestrittenen Ausführungen des Beklagten zu 1) und des Justitiars der Beklagten zu 3) auf der Pressekonferenz vom 07.10.2014 (Anlage K 8, Bl. 402 ff. AO I) zeigen – darüber im Klaren war, dass der Erblasser das Buch selbst niemals autorisiert hätte, steht einem guten Glauben an die abstrakte rechtliche Veröffentlichungsbefugnis jedenfalls der Beklagten zu 3) nicht entgegen. Soweit die Beklagte zu 3) bei der Abwägung des Berichterstattungsinteresses gegenüber den Persönlichkeitsrechten des Erblassers journalistisch-publizistische Sorgfaltspflichten grob vernachlässigt haben mag, rechtfertigt dies nicht die Annahme eines materiell ausgleichspflichtigen vorsätzlichen Eingriffs in die vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts. Auch der ehemalige Justitiar der Beklagten zu 3) (hierzu Anlage K 8 S. 6 = Bl. 407 f. AO I) hat nicht ohne Grund auf die mit dem oben zum Beklagten zu 1) Gesagten auf die allein auf die Herausgabeansprüche bezüglich der Originalbänder beschränkten Ausführungen der damals vorliegenden gerichtlichen Entscheidungen verwiesen, in denen das Oberlandesgericht Köln im Kern nur mit Eigentumsfragen argumentiert hatte. Der Justitiar hat zudem betont, dass klare vertragliche Vorgaben fehlten und man sich allenfalls im Bereich eines Verstoßes gegen einen „ungeschriebenen und schon gar nicht gesetzlich geregelten Komment(s)“ bewegt habe (Anlage K 8 S. 5 = Bl. 406 AO I). Dies genügt dem Senat nicht für die Feststellung der Voraussetzungen des § 687 Abs. 2 BGB. Ein Abgleich mit der Schutzschrift der Beklagten zu 3) (Anlage B (3) 1, Bl. 3 ff AH), die mangels gegenteiliger Anhaltspunkte mit dem Rechtsgutachten weitgehend korrespondieren dürfte, zeigt, dass man trotz der auf S. 58 f. der Klageschrift (Bl. 58 f. d.A.) zitierten unklaren schriftsätzlichen Ausführungen der Beklagten aus dem Geldentschädigungsverfahren nicht nur um Urheberrechtsfragen besorgt war. Man hat - wie im in der mündlichen Verhandlung vom 29.11.2022 unwidersprochen geblieben ist - auch Persönlichkeitsrechtsverletzungen geprüft, mag auch die damals vom Erblasser selbst noch fokussierte urheberrechtliche Frage im Vordergrund gestanden haben; dies wie u.a. auch auf S. 33 der Klageerwiderung der Beklagten zu 3) (Bl. 344 d.A.) betont. Dass die Beklagte zu 3) in der Abwägung das Aufdeckungsinteresse falsch gewichtet haben mag, genügt für § 687 Abs. 2 BGB nicht. Soweit die Klägerin aus den Ausführungen des Justitiars zu dem – ohnehin nicht klar feststellbaren – Fall „unter Drei“ einen den Medienprofis „trotz „gespielter Unschuld“ bewussten „geschichtlich einmaligen Tabubruch“ ableitet, folgt daraus allein – wenn man dieser Ansicht folgt - nicht die Feststellung eines entsprechenden Bewusstseins auch Rechtswidrigkeit auf Seiten des vertraglich nicht eingebundenen Verlags der Beklagten zu 3). Auch die u.a. auf S. 60 der Klageschrift (Bl. 60 d.A.) angesprochenen Geheimhaltungsbemühungen (auch) der Beklagten zu 3) vor Erscheinen des Buches lassen aus Sicht des Senats keinen tragfähigen Schluss auf die subjektiven Voraussetzungen des § 687 Abs. 2 BGB zu, zumal dies ein bei derart öffentlichkeitswirksamen Vorhaben übliches Vorgehen sein dürfte. Zudem haben die Beklagten schon im Vorverfahren u.a. darauf hingewiesen (Senat v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, BeckRS 2018, 10541 Rn. 73), dass man auch mit Blick auf die zu Lasten des Erblassers ergangene Entscheidung der Presse- und Urheberrechtskammer des Landgerichts vom 07.10.2014 (28 O 433/14, juris) seitens des Verlags schwerlich vorsätzlich gehandelt haben dürfte.
675Nicht von Belang war schließlich, ob und wie sich aus den Angaben des Justitiars der Beklagten zu 3) ergab, dass der Beklagten zu 3) damals tatsächlich alle Transkripte vorlagen (etwa mit S. 6 f. des Schriftsatzes der Klägerin vom 15.05.2019, Bl. 875 f. d.A.). Denn auch daraus – wie auch aus den Umständen der Zusammenarbeit des Beklagten zu 1) mit dem Erblasser – ergab sich mangels weiteren Angaben zu den Inhalten nicht eindeutig, dass und warum selbst der Beklagte zu 1), geschweige denn aber die vertraglich nicht gebundene Beklagte zu 3) von einer Veröffentlichung bei Annahme eines schutzwürdigen Berichterstattungsinteresses hätte absehen müssen. Dass man – wie die Klägerin meint – bei Einhaltung der journalistischen Sorgfalt etwaige Fehler in den Transkripten hätte erkennen und/oder auf eigene Prüfungen der Zitate hätte bestehen müssen, mag zutreffen. Auch daraus folgt kein indizieller Schluss auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 687 Abs. 2 BGB. Sofern die Klägerin u.a. auch von einer bewussten „Fortsetzung des politischen Kampfes“ gegen den Erblasser spricht, fehlt jeder belastbare Vortrag dazu.
676Ein bei Geschäftsübernahme zunächst noch gutgläubiger Geschäftsführer kann zwar über § 687 Abs. 2 BGB noch für die Zukunft haften, wenn er später von der fehlenden Berechtigung erfährt und dennoch die Geschäftsanmaßung fortsetzt (Staudinger/Bergmann, BGB, 2020, § 687 Rn. 37). Auch daran kann hier nicht angeknüpft werden, zumal der Erblasser zunächst nur 116 einzelne Passagen angegriffen hat und die Beklagte zu 3) dem ersten Verbotsurteil durch Schwärzungen in einer angepassten Neuauflage Rechnung getragen hat. Das Beharren auf einer Veröffentlichungsbefugnis im Übrigen war zwar spätestens in Ansehung der auch die Beklagte zu 3) betreffenden Ausführungen im ersten Verbotsurteil (LG Köln v. 13.11.2014 - 14 O 315/14, GRUR-RR 2015, 126, 131 ff.) fragwürdig, aber schon wegen der bis dato eben nur beschränkt auf 114 bzw. 116 Passagen geltend gemachten Abwehransprüche des Erblassers nicht mehr als nur grob fahrlässig, zumal das Landgericht a.a.O. bereits auf die Frage der Einzelfallabwägung abgestellt hat und der Erblasser wegen des selektiven Vorgehens offenbar selbst in Sachen Eingriffstiefe differenziert hatte. Das weitere (fortdauernde) Veröffentlichen von Teilen aus den Memoirengesprächen, auf die der Erblasser sein Klagebegehren damals nicht erstreckt hatte, mag zwar gerade in Ansehung der Entwicklung der Rechtsstreitigkeiten fahrlässig gewesen sein, überschritt aber gleichwohl nicht die Vorsatzgrenze, zumal das Landgericht mit einer Kammerentscheidung gerade auch die im Wege der einstweiligen Verfügung begehrten weitreichenden Publikationsverbote (Gesamtverbot) zurückgewiesen hatte (LG Köln v. 07.10.2014 – 28 O 433/14 und 28 O 434/18, juris; dazu auch Brexl, GRUR-Prax 2014, 558) und auf Hinweise des Senats die dagegen vom Erblasser gerichteten sofortigen Beschwerden (6 W 146/14 und 6 W 147/14) zurückgenommen worden sind.
Bereicherungsrechtliche Ansprüche (auf eine Lizenzanalogie, mit dem oben zum Beklagten zu 1) Gesagten ohnehin nicht auf Gewinnabschöpfung gerichtet) und/oder deliktische Schadensersatzansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. den Grundsätzen der sog. dreifachen Schadensberechnung scheiden ebenfalls aus.
678Selbst wenn man dem „Tonbandschatz“ (auch) einen (materiellen) Zuweisungsgehalt zuspricht und die Veröffentlichung als Eingriff in die Dispositionsfreiheit des Erblassers wertet, kann nach Ansicht des Senats im Lichte von Art. 5 Abs. 1 GG nicht jede (einfach) rechtswidrige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in seinen primär ideellen Bestandteilen (hier: Vertraulichkeitssphäre und Schutz vor öffentlicher Bloßstellung) durch ein Presseorgan oder einen Verlag automatisch als Eingriff (auch) in vermögenswerte Interessen gewertet werden. Zwar sind in einer Welt, in der für Geld bisweilen fast alles zu haben scheint, viele Aspekte der Persönlichkeit „marktgängig“ und (zwangs-)kommerzialisierbar und jede redaktionelle Berichterstattung oder Buchpublikation wird mit dem Ziel der Auflagen- und Gewinnsteigerung verbunden sein. Gerade weil freie Presse und Verlage sich selbst refinanzieren, ist letzteres nicht per se schon ein Argument, eine materielle Abschöpfungshaftung bei jeder Fahrlässigkeit zu begründen, wenn – wie hier – aus Sicht des durchschnittlichen Rezipienten keine klassische kommerzielle Ausnutzung (etwa als Werbeträger im kommerziellen Kontext) vorliegt. Vielmehr wird man - wie schon beim Beklagten zu 1) ausgeführt - die Schutzwirkungen des Art. 5 Abs. 1 GG nicht nur auf der Ebene der Abwägung bei der Feststellung einer Persönlichkeitsrechtsverletzung als Grundvoraussetzung einer Haftung zu berücksichtigen haben, sondern auch bei der Abgrenzung, ob und in welchem Umfang neben dem Abwehrinstrumentarium gegen eine „Zwangskommerzialisierung“ über Unterlassungs- und Geldentschädigungsansprüche hinaus eine materielle Ersatzhaftung denkbar ist. Muss man mit dem oben Ausgeführten fragen, ob aus Sicht des Durchschnittslesers im Schwerpunkt noch Information (sei es auch rechtswidrig etwa durch Abwägungsfehler etc.) oder nur schlichte „Vermarktung“/“Ausnutzung“ erfolgt, kann mit Blick auf die Beklagte zu 3) ersichtlich nur Ersteres angenommen werden. Es steht außer Frage, dass sich die Beklagte zu 3) als Verlag gegenüber dem Geheimhaltungswillen des Erblassers zu dessen Lebzeiten zumindest im Grundsatz dennoch auf die presserechtliche Freiheit zur Wiedergabe wahrer Äußerungen berufen konnte (siehe erneut BVerfG v. 24.10.2022 – 1 BvR 19/22, juris Rn. 35) und insofern unter Ausübung ihrer Grundrechte aus Art. 19 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 5 Abs. 1 GG tätig wurde. Mangels einer direkten und klassischen kommerziellen Verwertung (wie bei werblicher Ausnutzung) wären daher zu Lebzeiten des Erblassers zwar u.a. Geldentschädigungsansprüche wegen der „Zwangskommerzialisierung“ der (im Schwerpunkt ideellen) Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Erblassers denkbar gewesen, nicht aber materielle Abschöpfungsansprüche, zumal – wie gezeigt – die Grenzen des § 687 Abs. 2 BGB nicht erreicht waren und anders als beim Beklagten zu 1) kein vertraglicher „Verzicht“ auf die Rechte aus Art. 5 Abs. 1 GG vorlag.
Anlass für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung bestand nicht. Die nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgebrachten rechtlichen Einwendungen sind vom Senat mit dem oben Ausgeführten bedacht worden. Anlass für weitere Hinweise etc. bestand nicht. Soweit die Klägerin u.a. auf S. 4 f. des Schriftsatzes vom 07.12.2021 (Bl. 3183 f. d.A.) gemeint hat, dass man ihr bei vom Senat für erforderlich gehaltenem Vorbringen zu jeder einzelnen von dem Unterlassungsbegehren erfassten Passage nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme hätte einräumen müssen, trägt das keine andere Sicht, zumal solcher Vortrag - der sich schon mit Blick auf die mannigfachen Rügen der Beklagten und die Ausführungen im angefochtenen Urteil in der Berufungsbegründung aufgedrängt hätte - jederzeit möglich gewesen wäre und letztlich bis zuletzt fehlt. Soweit die Vorsitzende im abgetrennten Verfahren in der mündlichen Verhandlung auf den Umfang der dortigen Schriftsätze hingewiesen hat, war dies weder eine Aufforderung noch eine Bitte, gebotenen Sachvortrag im hiesigen Verfahren zu unterlassen.
Die Kostenentscheidung basiert auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO mit Blick auf die außergerichtlichen Kosten der (nur zu einem geringen, keine bzw. keine nennenswerten Mehrkosten verursachenden Bruchteil unterliegenden) Beklagten zu 3). Im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung – dies auch mit Blick auf die im abgetrennten Verfahren im Urteil vom 22.06.2023 – 15 U 135/22, n.v. (insofern: Teilablichtung Bl. 4604 ff. d.A.) genannten Positionen mit Blick auf die Klägerin und die Beklagten zu 4) und 5) des Ausgangsverfahrens hinsichtlich der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens – auch weiterhin der Schlussentscheidung vorbehalten.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 und 2, 709 S. 2 ZPO. Da der Beklagte zu 1) ausschließlich wegen vertraglicher Ansprüche zur Unterlassung und im Übrigen wegen Zahlungsansprüchen zur Auskunft verurteilt worden ist, handelt es sich im Verhältnis zu ihm um ein Berufungsurteil in einer „vermögensrechtlichen Streitigkeit“ im Sinne des § 708 Nr. 10 ZPO. Gleiches gilt im Verhältnis zur Beklagten zu 3) wegen der Abweisung der materiellen Zahlungsansprüche (Stufenklage). Im Übrigen greift § 709 S. 1 ZPO. Aus Gründen der Prozessökonomie konnte dabei die zu Gunsten der Beklagten zu 3) erfolgte Kostengrundentscheidung als Basis weiterer (vermögensrechtlicher) Zahlungsansprüche ebenfalls einheitlich nach § 708 Nr. 10 ZPO behandelt werden.
Die Revision war nur mit Blick auf die vollständige Stattgabe der Auskunftsklage gegen den Beklagten zu 1) für diesen und mit Blick auf die vollständige Abweisung der Stufenklage (§ 254 ZPO) gegen die Beklagte zu 3) zu Gunsten der Klägerin zuzulassen, da allein insoweit die Voraussetzungen des § 543 ZPO vorliegen. Dies gilt in Ansehung der fehlenden höchstrichterlichen Klärung zu Streitfragen bei der Anwendung der sog. dreifachen Schadensberechnung auf Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit dem Ziel der Gewinnabschöpfung bei einfacher Fahrlässigkeit in Abgrenzung zu § 687 Abs. 2 BGB, in Ansehung der nicht (abschließend) geklärten Grundsätze zur Grenzziehung bei der Ermittlung eines „Zuweisungsgehalts“ des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und in Ansehung der noch nicht geklärten Abgrenzung von Eingriffen in ideelle und vermögenswerte Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bei – wie hier - jedenfalls auch inhaltsvermittelnden Publikationen.
683Im Übrigen liegen die Voraussetzungen des § 543 ZPO nicht vor, da die Frage der vertraglichen Unterlassungsverpflichtung des Beklagten zu 1) allein eine solche der tatsächlichen wie rechtlichen Einzelfallwürdigung, der Auslegung individueller Verträge/Vertragsbeziehungen und der Beweiswürdigung im Einzelfall war und ist (vgl. schon Senat v. OLG Köln v. 29.05.2018 – 15 U 65/17, BeckRS 2018, 10541 Rn. 457; NZB insofern zurückgewiesen durch BGH v. 23.03.2021 – VI ZR 248/18). Auch mit Blick auf die Unterlassungsklage gegen die Beklagte zu 3) ging es vorliegend nur um die Anwendung der durch BGH v. 29.11.2021 – VI ZR 248/18, GRUR-RS 2021, 39313 und BVerfG v. 24.10.2022 – 1 BvR 19/22, juris vorgezeichneten Haftungsgrundsätze im Einzelfall, ohne dass die Rechtssache im Übrigen noch grundsätzliche Bedeutung hatte und/oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (vgl. zu dem abgetrennten Verfahren ähnlich auch bereits Senat v. 22.06.2023 – 15 U 135/22, n.v.). Höchstrichterlich nicht geklärte Beweislastfragen haben sich – wie oben ausgeführt – ebenfalls nicht gestellt; es ging allein um eine Anwendung anerkannter Grundsätze im Einzelfall.
Wie in der mündlichen Verhandlung angesprochen, war vorliegend – dies entsprechend der parallelen Ausführungen des Senats im Urteil vom 22.06.2023 – 15 U 135/22 (S. 389 ff. = Teilablichtung Bl. 4607 ff. d.A.) im abgetrennten Verfahren gegenüber den Beklagten zu 4) und 5) – die pauschale Streitwertfestsetzung auf 635.000 EUR für das erstinstanzliche Verfahren (moderat) anzupassen. Der Senat geht davon aus, dass das erstinstanzliche Unterlassungsbegehren gegen die drei Beklagten – ähnlich wie im Vorverfahren gegen 116 allerdings besonders exponierte Zitate - pauschal mit (drei Beklagte mal jeweils 100.000 EUR =) 300.000 EUR zu bemessen ist. Dass vom Umfang her weitergehende Textanteile aus dem Buch angegriffen worden sind als noch im Vorverfahren gleicht sich dabei im Rahmen der Bewertung anhand der Kriterien des § 48 Abs. 2 GKG dadurch aus, als dass die 116 Passagen des Vorverfahrens ersichtlich diejenigen Äußerungen betrafen, die vom Erblasser aufgrund der inhaltlichen Brisanz augenscheinlich als besonders einschneidend empfunden und daher seinerzeit primär angegriffen worden sind. Zu diesen 300.000 EUR für die Unterlassung ist der Wert der Stufenklagen gegen die Beklagten zu 1) bis 3) zu addieren gewesen. Die Stufenklagen gegen die Beklagten zu 2) und 3) sind insgesamt abgewiesen, was für die Verfahrensstreitwerte folgerichtig auch in erster Instanz dann schon ohnehin dazu führen musste, dass allein die höherwertige Leistungsstufe maßgeblich war (vgl. zur Behandlung der Terminsgebühren OLG Celle v. 09.03.2009 - 6 W 28/09, BeckRS 2009, 8697).
685Ohnehin sind aber für Stufenklagen nach § 44 GKG die höheren potentiellen Zahlungsansprüche maßgeblich, die die Klägerin in der Klageschrift selbst mit jeweils 50.000 EUR angegeben und bemessen hat. Diesen Wert legt der Senat - trotz der unstreitig nicht geringen Auflage des Buches - mangels anderweitigen Sachvortrages der Parteien hier auch seiner Schätzung zu Grunde, so dass bei drei Beklagten (3 mal 50.000 EUR =) 150.000 EUR zu addieren sind, wovon jeweils 20% von 50.000 EUR = 10.000 EUR auf die Auskunftsstufe bei den Beklagten zu 1) bis 3) entfallen. Da die primär erfolgte Gewinnabschöpfung bei den drei Beklagten ersichtlich die jeweils individuell erzielten Gewinne bei den verschiedenen Ebenen voll abschöpfen soll und aus diesem Grunde auch gerade keine gesamtschuldnerische Haftung auf einen Gesamtbetrag im Raum steht, ist zur Bestimmung des Gesamtstreitwerts des gerichtlichen Verfahrens eine Addition dieser Streitwerte geboten.
686Bei der Beklagten zu 4) waren daneben in erster Instanz 77 Passagen aus verschiedenen Berichterstattungen streitgegenständlich, die der Senat für die erste Instanz wegen gewisser Dopplungen mit jeweils 2.500 EUR bemisst, so dass 192.500 EUR festzusetzen sind. Die geringeren (Gesamt-)Streitwertangaben von jeweils 50.000 EUR für die Beklagten zu 4) und 5) auf S. 2 der Klageschrift = Bl. 2 d.A. sind insofern nicht maßgeblich; auf der anderen Seite erscheint ein Streitwert von 10.000 EUR pro Passage, wie dies beklagtenseits noch im abgetrennten Verfahren gefordert worden ist, nach den Gesamtumständen im Hinblick auf die zahlreichen Dopplungen und den langen Zeitablauf überhöht. Dass der Streitwert für die einzelne Passage in den angegriffenen Berichterstattungen damit etwas höher liegt als derjenige für ein einzelnes Buch-Zitat im Vorverfahren, hat seine Ursache im größeren Verbreitungsgrad der zudem plakativ aufgemachten Presseberichterstattungen der Beklagten zu 4) und 5).
687Für die Beklagte zu 5) sind bei 55 Passagen zu je 2.500 EUR folgerichtig für die erste Instanz dann 137.500 EUR anzusetzen. Insgesamt war somit ein Gesamtstreitwert in Höhe von 780.000 EUR für die erste Instanz anzusetzen.
688Streitwert für das Berufungsverfahren (in Ansehung der Abtrennung):
689bis zum 01.02.2023: 350.000 EUR
690(= jeweils 130.000 EUR für die Berufung der Klägerin gegen die Beklagten zu 2) und 3), weil die Anpassung der Berufungsanträge zu dem Verbotsantrag auf die konkrete Verletzungsform die in erster Instanz erfolgte weitergehende Teilabweisung wegen der pauschalen Anträge unangegriffen gelassen hat; diesen Anteil bewertet der Senat – wie im Verfahren 15 U 135/22 zu den Beklagten zu 4) und 5) zu vergleichbaren Fragen – mit 1/5 von 100.000 EUR = 20.000 EUR, so dass im Berufungsverfahren für die Unterlassung noch 80.000 EUR im Streit stehen + 16.000 EUR (= geschätzt 20%) für die Berufung der Klägerin gegen den Beklagten zu 1) wegen Unterlassung im Umfang der Teilabweisung + 74.000 EUR für die Berufung des Beklagten zu 1) wegen der Unterlassung [Rest zu 80.000 EUR in Höhe von 80% = 64.000 EUR] zzgl. der Auskunft [= 10.000 EUR, siehe oben im Text)
691ab dann: 370.000 EUR
692(Betrag von oben + wegen § 45 Abs. 1 S. 1 GKG weitere 20.000 EUR für Zwischenfeststellungsklage des Beklagten zu 1) gegen die Klägerin als mangels weiterer Angaben nach § 3 ZPO geschätzte Bedeutung für die [aus Beklagtensicht negative und abschließende] Feststellung neben der bis dato allein streitgegenständlichen Unterlassungs- und Auskunftsklage, dies im Hinblick auf BGH v. 09.10.1991 – XII ZR 81/91, NJW-RR 1992, 698; Wieczorek/Schütze/Assmann, ZPO, 5. Aufl. 2023, § 256 Rn. 474 m.w.N.)